Forschungsband Integration von Wissens- und Dienstleistungs- Arbeit Zweites Dortmunder Bildungsforum 18.02.2003 Ausgewählte Beiträge der Arbeitsgespräche Herausgegeben von Prof. Dr. E.-E. Doberkat Dortmund, Universitätsbibliothek, 2003 2. Dortmunder Bildungsforum 1 Inhaltsverzeichnis Vorwort ___________________________________________________________________ 2 Zum Inhalt des vorliegenden Tagungsbandes ____________________________________ 5 Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien ________________________ 7 Sachstruktur / und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen _______ 14 Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken _______________________________________________________ 20 LogEduGate = Logistics Education Gate _______________________________________ 26 Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen durch Rollen und Prozesse ________________________________________________________ 31 Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen________________________ 42 Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz: _______________________________ 48 Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des Partizipativen Produktivitätsmanagement (PPM) ____________________________________________ 57 2. Dortmunder Bildungsforum 2 Vorwort Zu zentralen Fragestellungen des Forschungsbandes InWiDA Prof. Dr. Hartmut Neuendorff H.Neuendorff@wiso.uni-dortmund.de Lehrstuhl Arbeitssoziologie, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Dortmund Die tiefgreifenden Wandlungen der Gesellschaft der Gegenwart werden häufig unter zwei Stichworten diskutiert: Dienstleistungsgesellschaft und Wissensgesellschaft. Dienstleistungen sind in Wertschöpfung und Beschäftigung schon seit einigen Jahrzehnten der dominierende Bereich moderner Gesellschaften. Sie umfassen ein äußerst heterogenes Feld von personenbezogenen (z.B. Pflege, Ausbildung) bis zu produkt- und produktionsbezogenen (z.B. Service für Investitionsgüter, Risikomanagement von Investitionen) Dienstleistungen, denen – außer dem Namen – kaum etwas gemeinsam zu sein scheint. Die Bezeichnung Wissensgesellschaft stellt darauf ab, dass die Entscheidungs- und Arbeitsprozesse in allen Bereichen der Gesellschaft (Unternehmen, Behörden, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen etc.) zunehmend von verschiedenartigen (nicht nur wissenschaftlichen) Wissensinhalten und problembezogen spezialisierter Expertise abhängig sind. Wissen als zentrale Steuerungsressource in allen Organisationen unterliegt heute permanentem Revisions- und Verbesserungsbedarf und ist in jeder neuen Form untrennbar mit Nichtwissen verbunden. Die Lern- und Innovationsfähigkeit von Organisationen in allen Bereichen hängt zunehmend von „organisierter Wissensarbeit“ (H. Willke) ab, deren Kernaufgabe in der Herstellung der personellen und organisationalen Zusammenhänge besteht, die das je benötigte Wissen erzeugen, verknüpfen und verteilen. Eine Leitfrage in der Verbindung von Wissens- und Dienstleistungsarbeit ergibt sich aus der Vermutung, dass die zunehmende Wissensbasierung von Dienstleistungsarbeit zu Gemeinsamkeiten im heterogenen Feld der Dienstleistungen führt, die es ermöglichen Problemlösungen, die in einem Bereich entwickelt werden, auf andere Bereiche zu übertragen. Außerdem ist beiden Bereichen gemeinsam, dass sie von zentralen Faktoren des gesellschaftlichen Wandels in besonders ausgeprägter Weise betroffen sind: die Reorganisation von Arbeits- und Austauschstrukturen (z.B. Vernetzung. Flexibilisierung, Veränderung von Rollen), die Durchdringung mit Informationstechnologie (E-Commerce, E- Learning), die Globalisierung (Internationalisierung der Märkte, der Wissensinhalte und ihrer Verteilung) und die Dynamisierung der Entwicklungen (schnelle Dienstleistungsinnovation und –transformation, sich ändernde Berufe und Ausbildungsanforderungen, Life-Long- Learning etc.). Die Leitfrage nach der Integration von Wissens- und Dienstleistungsarbeit eröffnet ein breites Spektrum von Forschungsaufgaben, die in fünf Forschungsschwerpunkten bearbeitet werden. 2. Dortmunder Bildungsforum 3 Evaluation, Innovation und kontinuierliche Verbesserung von Lehr/Lernprozessen. Schwerpunkt der Forschungen bilden Fragen zu: zukünftige Anforderungen an die Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und die Organisation von Bildungseinrichtungen, Innovationen und Verbesserungen von Lehr-Lern-Prozessen und deren lernspezifischen und psychosozialen Wirkungen, Gestaltungs- und Nutzungsformen von Informationstechnologien und neuen Medien in Lehr- Lern-Prozessen. Als infrastrukturelle Einrichtung wird ein Zentrum für Evaluation aufgebaut, das wissenschaftliche Expertise fachlich und methodisch bündelt und für Evaluation und Wissenstransfer im Bildungsbereich bereit stellt. Entwicklung und Einsatz neuer Medien für das universitäre Lehren und Lernen als Dienstleistung. In den Forschungen geht es um die Unterstützung des universitären Lehrens und Lernens durch die Entwicklung geeigneter software-technischer Lösungen im Kontext von Multimedia und Internet. Die laufenden Projekte erforschen und erproben: wie sich in der Lehre multimediale Lernmaterialien modularisiert in kooperativen Prozessen fachspezifisch (z.B. Softwaretechnik, Logistik, Informatikkonzepte) entwickeln und einsetzen lassen, wie sich geeignete Dienste, Infrastrukturen und Formen des Netzwerkmanagements entwickeln lassen, um die Module differenziert nach Zugriffsrechten zugänglich zu machen (vorzugsweise via Internet). Zur Integration der entwickelten Lehr-Lernmodule in die Organisation des Lehr-Lernbetriebs (Koppelung von Präsensveranstaltungen und medial vermitteltem Lernen, Unterstützung von kooperativem Lernen von Studierenden) sind angemessene Koordinations- und Moderationsmöglichkeiten anzubieten und auf Basis einer technischen Infrastruktur (Lernplattformen) ortsunabhängiges Kooperieren und Lernen zu ermöglichen. Die Materialien und die Formen ihres Einsatzes sollen unter Laborbedingungen szenarisch erprobt und evaluiert sowie dokumentiert werden. Betriebliche und überbetriebliche Wissensnetzwerke und Formen des Wissensmanagements für Dienstleistungen und als Dienstleistungen Der Schwerpunkt Wissensmanagement (WM) und Wissensnetzwerke setzt sich mit Fragen der Wissensgenese, der Sicherung und Verteilung von Wissen, der Wissensvermittlung und der Wissensnutzung auseinander. Diese Austauschprozesse werden in unterschiedlichen Anwendungsfeldern des privaten wie öffentlichen Sektors (WM in Hochschulen und Behörden) untersucht. Gleichzeitig wird praktisch erprobt, wie diese Prozesse über Wissensmanagementsysteme effektiv unterstützt und gefördert werden können. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Erforschung von WM in vernetzten Systemen. Hier ergeben sich besondere Herausforderungen, die sich u.a. auf die folgenden Aspekte beziehen: Erfassung spezifischer Entwicklungs- und Ablösungsprozesse von Wissen bei den jeweiligen Netzwerkpartner. Analyse von Barrieren und Potenzialen für die Unterstützung der Wissensverteilungsprozesse in Netzwerken. 2. Dortmunder Bildungsforum 4 Entwicklung, Erprobung und Evaluierung von Möglichkeiten ihrer Unterstützung auf technischer wie organisatorischer Ebene. Entsprechend verfolgt die inter- und transdisziplinär arbeitende Forschungsgruppe bei der Gestaltung solcher WM-Systeme einen sozio-technischen Ansatz, d.h. verzahnt technische, organisatorische und personale Aspekte des WM eng miteinander und untersucht die Interdependenzen zwischen diesen Bereichen. Personalentwicklung und Kompetenzförderung Die Forschungen gelten den Konsequenzen der tiefgreifenden Wandlungen der Gesellschaft (Globalisierung, Virtualisierung, Flexibilisierung etc.) für die Strukturen und Prozesse der Arbeitswelt und die biografischen Entwicklungen der Erwerbstätigen. Zentrale Fragestellungen richten sich auf: veränderte Ausbildungsanforderungen und neue Qualifizierungsnotwendigkeiten in informatisierten Arbeitsprozessen, erwerbsbiografische Verläufe, Karrieremuster und Kompetenzentwicklung für die Arbeit in virtuellen Unternehmen (insbesondere im Medienbereich), Personalrekrutierungs- und Personalentwicklungsverfahren für organisierte Wissensarbeit im Dienstleistungsbereich, Klärung der Kriterien und Bedingungen von Professionalität beruflichen Handelns und der Professionalisierung von Kompetenzentwicklung in verschiedenen Dienstleistungsbereichen, Konsequenzen der beschleunigten und krisenhaften Prozesse in der Arbeitswelt für die Leistungsethik und biografischen Sinnstiftungsprozesse von Männern und Frauen. Förderung von Innovation und Produktivität bei personen- und produktbezogener Dienstleistungsarbeit (innovative DL-Arbeit) Der Schwerpunkt innovative Dienstleistungsarbeit beschäftigt sich interdisziplinär mit den Auswirkungen struktureller Besonderheiten sowohl personen- als auch produktbezogener Dienstleistungen (z.B. Soziale Dienste, Logistikangebote). Neue Trends (bspw. die Verbreitung von Informationstechnologie) und Besonderheiten der Arbeitsstrukturen im DL- Bereich (z.B. neue Formen der Selbständigkeit, hoher Koordinationsbedarf bei vernetzten Strukturen) stellen dabei erhöhte Anforderungen an organisationale Gestaltungskonzepte und die Optimierung sozio-technischer Prozesse. Ansätze zur Produktivitätserhöhung und des Qualitätsmanagements sind nur realisierbar, wenn neben der Optimierung von Prozessabläufen und der technischen Komponenten auch das Wohlergehen der Mitarbeiter Berücksichtigung findet. Um die Innovationsfähigkeit von DL-Organisationen sicher zu stellen oder neue DL zu entwickeln, steht daher neben Aspekten der technischen Unterstützung auch die sorgfältige Analyse des Umfeldes der Organisation (bspw. Schnittstelle zum Kunden), Aspekte der Unternehmenskultur, der Arbeitsmotivation und des Wissensmanagements im Zentrum des Forschungsverbundes. Angesichts des breiten Spektrums von Fragestellungen des Forschungsbandes InWiDa kann auf den Tagungen des Bandes immer nur ein kleiner Ausschnitt der laufenden Forschungen zur Diskussion gestellt werden. Auf dem Bildungsforum 2003 standen Arbeiten aus dem Schwerpunkt 2 „Einsatz neuer Medien“ im Zentrum. Deshalb dominieren in der folgenden Auswahl der Beiträge die zum „Einsatz neuer Medien“, flankiert von je einem Beitrag aus dem Schwerpunkt 1 (Leffelsend) und dem Schwerpunkt 5 (Sodenkamp). 2. Dortmunder Bildungsforum 5 Zum Inhalt des vorliegenden Tagungsbandes Prof. Dr. Ernst-Erich Doberkat doberkat@ls10.cs.uni-dortmund.de Lehrstuhl Software-Technologie, Fachbereich Informatik, Universität Dortmund Mit dem Bildungsforum 2003 hatte sich das Forschungsband InWiDA zum Ziel gesetzt, die an der Universität Dortmund vorhandenen Arbeiten zum Thema e-Learning zu sichten, neuere Entwicklungen zu betrachten und sich auch der Vielfalt der Aktivitäten an der Universität zu vergewissern. Es sollte aber nicht ausschließlich der Aspekt multimedial gestützter Lehre beleuchtet werden, vielmehr ging es darum, das Gebiet integrativ in seinem Zusammenhang mit Fragestellungen zur Dienstleistung zu sehen. Die präsentierten Arbeiten reichten von der Inhaltsentwicklung in solchen Gebieten wie der Archäologie oder der Softwaretechnik über die Entwicklung neuer didaktischen Konzepte in solchen komplexen Feldern wie der Lehre Verteilter Systeme in der Informatik bis hin zu strukturellen Fragestellungen im Bereich Hochschul-Iinformationssysteme und - darüber hinaus, den Fragestelltungen des Forums und des Bandes getreu - zu organisationspsychologischen Fragen und Untersuchungen zur Unterrichtsentwicklung. Das Bildungsforum war auch deshalb erfolgreich, weil verschiedene Disziplinen miteinander ins Gespräch gekommen sind, ein Ziel, dem sich das interdisziplinäre Forschungsband InWiDA natürlich besonders verpflichtet fühlt. Besonders erfreulich ist die Tatsache, daß der Schwerpunkt 2 des Forschungsbandes bei aller Diversität zeigen konnte, daß ein gemeinsamer Kern vorhanden ist, der in der Forschung und Lehre weiterentwickelt werden kann und wird. Just dieser gemeinsame Kern soll in dem vorliegenden Tagungsband, der aufgrund seiner elektronischen Form auch experimentellen Charakter hat, dargestellt werden, es soll verdeutlicht werden, wo Bezüge zu anderen Schwerpunkten des Bandes liegen. Wir beginnen mit einem Beitrag von Andreas Bauer und Dittmar Graf, die elektronische Medien zur Unterstützung kooperativer Lehre heranziehen. Die Verfasser zeigen uns, wie ein virtuelles Seminar zum Thema Biologische Grundlagen der Gesundheitsförderung virtuell entwickelt und durchgeführt werden kann. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die Überlegungen, die zur Konzeption der Inhalte und zur Evaluation führen. In ähnlicher, experimenteller Weise befaßt sich der Beitrag von Horst Wedde und Frank Breuer mit einem neuen und streckenweise experimentellen Zugang zur Lehre im Bereich Verteilter Systeme mit dem besonderen Schwerpunkt großer Veranstaltungen, wie sie im Fachbereich Informatik durchgeführt werden müssen. Das Thema ist traditionell komplex und schwerverständlich, die hohen Teilnehmerzahlen an entsprechenden Veranstaltungen machen es nicht gerade einfacher, die schwierigen Themen mit Erfolg und Genuß allen Zuhörern zu vermitteln. Die Verfasser zeigen, daß es einen Weg für eine fast spielerische Vermittlung auch in großen Veranstaltungen gibt. Mit dem nächsten Beitrag von Peter Marwedel und Birgit Sirocic bleiben wir in der Informatik, betrachten aber eine völlig andere Problemstellung: Die Vorgänge in einem Rechnersystem sind hochgradig abstrakt, müssen aber dem werdenden Informatiker vermittelt werden. Die Neuen Medien stellen hier einen idealen Werkzeugkasten bereit, mit dessen Hilfe auch Visualisierungen erfolgreich durchgeführt werden können. Die beiden Verfasser zeigen übrigens auch, daß der konstruktive Ansatz die besondere Berücksichtigung von Studentinnen gestattet, ein Thema, das in der Informatik immer noch aktuell ist. In ähnlicher Weise visualisiert, nun freilich auf dem Makro-Niveau, findet sich der Beitrag von Uta Spörer und Axel Kuhn. Hier wird eine integrative und multimediale Plattform für die Aus- und Weiterbildung in der Logistik beschrieben. Die vielfältigen Aktivitäten im Bereich der Logistik und der Ausbildung durch die 2. Dortmunder Bildungsforum 6 Verwendung Neuer Medien in besonderer Weise dynamisch visuell dargestellt werden, so daß die Verwendung dieser Methoden für die Vermittlung von logistischen Inhalten sich als sehr gelungene Synthese anbietet, wie der vorliegende Beitrag zeigt. Dieser Beitrag zeigt auch, daß es neben der Entwicklung von Inhalten eine starke administrative Komponente gibt. Einen besonders erfolgreichen Ansatz stellt die Gruppe Andrea Kienle, Angela Carrel, Thomas Herrmann, Carsten Ritterskamp und Helge Schneider mit dem Beitrag zur kollaborativen Lernumgebung Kolumbus dar. Hier geht es darum, die Kollaboration unter Lernenden durch geeignete Hilfsmittel zu unterstützen. Im Zentrum der Überlegungen steht das elegante und einfache Instrument der Annotationen. Die Arbeit leuchtet den konzeptionellen Hintergrund dieser kollaborativen Lernumgebung aus, sie verdeutlicht, welches Gewicht interdisziplinäre Arbeit auf diesem Gebiet hat. Die Verwendung kollaborativer Plattformen ist nur sinnvoll, wenn die Plattform in ein Hochschulinformationssystem direkt oder indirekt eingebunden ist. Der Beitrag von Christof Veltmann zeigt auf, welches Spannungsfeld zwischen Hochschulinformationssystemen alter Art und e-Learning-Plattformen herrscht – er verdeutlicht den Problembereich und macht sichtbar, warum insbesondere über die Schnittstellen zwischen diesen beiden Arten von Informationssystemen sehr sorgfältig nachgedacht werden muß. In Zeiten, in denen zentrale Studienkonten geführt werden sollen, in denen vielfältige Bezüge im Rahmen des e-Learning zu diversen Problemgebieten hergestellt werden müssen, ist eine Arbeit, die sich mit derlei Integrationsproblemen befaßt, ein wichtiger Beitrag zum Verständnis dieses Gebiets. Mit den nächsten beiden Beiträgen verbreitern wir das Zielgebiet in diesem Tagungsband zum Bildungsforum beträchtlich: Wir gehen von technischen Fragestellungen ab zu pädagogischen und psychologischen Überlegungen. Der Beitrag von Stefanie Leffelsend zur Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz geht auf ein Projekt ein, mit dessen Hilfe Kooperation und Führung innerhalb der Schulen und die Kooperation der Schulen mit dem Umfeld gemeinsam mit der pädagogischen Arbeit verbessert werden soll. Diese der permanenten pädagogischen Arbeit entspringenden Aktivitäten müssen natürlich evaluiert werden, methodische Gesichtspunkte dürfen nicht außer Acht bleiben. Frau Leffelsend berichtet über ein entsprechendes Projekt. Der abschließende Beitrag von Daniel Sodenkamp stellt den Aspekt der Dienstleistungsarbeit stärker in den Vordergrund, in dem er untersucht, welche Auswirkungen das Partizipative Produktivitätsmanagement auf technische und soziale Dienstleistungsarbeit hat. Hierbei wird eine Methode vorgestellt, in deren Kern die Messung und Verbesserung der Leistung von Arbeitsgruppen steht. Anhand konkreter Untersuchungen wird die Leistungsfähigkeit dieser Methode genauer untersucht. Dieser Aspekt der Dienstleistungsarbeit ist für die Kooperation innerhalb des Forschungsbandes von großer Bedeutung, da sich – bei hinreichender Abstraktion – der Dienstleistungsbegriff als konzeptioneller Kern für viele der wissenschaftlichen Aktivitäten des Forschungsbandes, auch des Schwerpunkts 2 darstellt. Ich möchte allen Autoren dafür danken, daß sie ihre Beiträge ausgearbeitet haben, der Universitätsbibliothek für die Hilfe bei der elektronischen Publikation. 2. Dortmunder Bildungsforum 7 Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien ein Beispiel aus der Biologielehrerausbildung Andreas Bauer, Dittmar Graf andreas.bauer@uni-dortmund.de, dittmar.graf@uni-dortmund.de Fachgruppe Biologie und Didaktik der Biologie; Fachbereich Chemie, Universität Dortmund Einführung Wissen nimmt in unserer Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine immer bedeutendere Rolle ein. Dies gilt für die Wirtschaft als zentralen Produktionsfaktor, für das soziale Handeln und für jeden Einzelnen als Individuum und als Teil der Gesellschaft zur Bewältigung des Alltags. Es ist eine bedeutende gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe, Voraussetzungen zu schaffen, damit jede Person an der sich formierenden Wissensgesellschaft [1] teilhaben kann. Eine zentrale Bedeutung bekommt das Teilen von Wissen, der Wissenserwerb in kooperativer Zusammenarbeit, der Austausch von Erfahrungswissen und lebenslangem Lernen zu. Es geht letztlich um nichts Geringeres als die Schaffung einer neuen Kultur des Lehrens und Lernens. Im Zusammenhang mit den Anforderungen einer Wissensgesellschaft werden die Grenzen einer rein kognitivistischen Auffassung von Lehr- und Lernprozessen immer deutlicher. Diese legen den Handlungsschwerpunkt auf instruktionale Maßnahmen unter eher geringer Berücksichtigung der Perspektive des Lernenden. Mittlerweile setzt sich zunehmend die Auffassung durch, wonach Lernen ein interaktiver, kommunikativer, selbstgesteuerter Prozess ist, der in spezifischen, sozialen Kontexten stattfindet [2]. Dies sollte in jeder unterrichtlichen Planungssituation zentral mitbedacht werden. Ansätze, die die Perspektive des Lernenden in den Fokus nehmen, werden unter dem Terminus ‚konstruktivistisch’ zusammengefasst. Dennoch bleibt die Instruktion zur Begleitung und Anregung von Lernprozessen wichtig. Ziel jeden Unterrichts muss es sein, den Lernenden Konstruktionsprozesse zu erleichtern. Um dies effektiv und effizient zu realisieren, sind Instruktionen u. a. in Form von didaktisch aufbereiteten Texten und Graphiken, Orientierungshilfen, Anleitungen und Anregungen notwendig. Wir versuchen in unserem integrativen Ansatz, kognitivistische und konstruktivistische Lehr- /Lernansätze auf der Basis interessanter Lernanreize zu vereinigen [3]. Die Gestaltung einer internetbasierten virtuellen Lernumgebung entspricht dem integrativen Lehr-/Lernansatz prinzipiell ausgezeichnet [4]. Allerdings liegen hierzu weltweit bis heute nur vereinzelt Evaluationsergebnisse vor, es fehlt an einer systematischen Zusammenschau. Es bedarf einer Reihe gestalterischer und didaktischer Voraussetzungen, um einen sinnvolles Einsatz internetgestützter Unterrichtsformen sicherzustellen. Keineswegs bewirken computergestützte und hypermediale Präsentationsformate und Arbeitsplattformen automatisch dauerhaft eine höhere Interessiertheit bei den Lernenden und einen größeren Lernerfolg [5]. Zudem besteht bei selbstgesteuerter Arbeit innerhalb virtueller Lernumgebungen die Gefahr der Überforderung [6]. 2. Dortmunder Bildungsforum Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien 8 Konkret geplant ist die Entwicklung und Durchführung eines virtuellen Seminars zum Thema ‚Biologische Grundlagen der Gesundheitsförderung’ für Lehramts-Studierende mit Fach ‚Biologie’. Die Inhalte sollen so aufbereitet werden, dass sie auch in der Lehrerfortbildung und in der Referendarsausbildung genutzt werden können. Es sind auch gemeinsame Veranstaltungen angedacht, wobei Synergieeffekte zwischen den beteiligten Gruppen erwartet werden (s. Abb. 1). Abb. 1: Zielgruppen und Informationsfluss zwischen den Zielgruppen Die Lernmodule sind entsprechend den e-Learning-Standards (AICC1, SCORM2) zu entwickeln, um sie leicht in einen anderen Kontext einstellen oder einen Plattformwechsel vornehmen zu können. Eine Akkreditierung der Kurse nach ECTS3 ist angestrebt, so dass die absolvierten Lerneinheiten als Studien-/Leistungsnachweis dienen können. Die Dozenten müssen, wenn nötig, mit Hilfe (virtueller) Seminare auf ihre Aufgabe vorbereitet werden, wenn Sie die Lernmodule und -methoden kennen, wird der Einsatz erfolgreicher verlaufen. Die Lehramtsstudierenden der Biologie werden in Bochum fachlich und in Dortmund didaktisch ausgebildet. Diese besondere Konstruktion des Studienganges hat den Schritt nahe gelegt, Seminarunterlagen, Skripte oder auch ganze Vorlesung (Teleteaching) online zur Verfügung zu stellen. Mit der Etablierung einer Lernplattform wird versucht, diese punktuellen Ansätze einer online-unterstützten Lehre zu konsolidieren. Die Entwicklung eines eigenen Online-Portals e-LBA4 mit Lehr- und Lernmodulen, die explizit für den Einsatz in dieser Lernplattform entwickelt werden, wird der Rahmen neu ausgefüllt und versucht den Ansatz der hochschulübergreifenden Kooperation in der biologischen Lehre nun aufzugreifen. Erste Teleteaching-Veranstaltungen und Online-Seminare wurden in Kooperation mit dem Institut für Biologiedidaktik, Universität Gießen bereits durchgeführt. 1 Aviation Industry Computer-Based Training Committee www.aicc.org [20.5.2003] 2 Sharable Content Object Reference Model www.adlnet.org [20.5.2003] 3 European Credit Transfer System http://europa.eu.int/comm/education/socrates/ects.html [5.2003] 4 e-Learning in der Biologielehrerausbildung www.e-lba.de [20.5.2003] 2. Dortmunder Bildungsforum Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien 9 Themen und Ziele Biologische Aspekte der Gesundheitsförderung Mit der aktuellen Entwicklung und Evaluation eines virtuellen Seminars „Biologische Aspekte der Gesundheitsförderung“ wird ein Thema aufgearbeitet, das von hoher Schüler- und Gesellschaftsrelevanz ist. Die folgenden biologie- und mediendidaktisch aufbereiteten Lernmodule zum Thema Gesundheit stehen - basierend auf den schulischen Curricula sowie den universitären Lehrplänen für die Lehrämter Biologie - zur Verfügung bzw. werden entwickelt: ƒ Blut ƒ Anatomie ƒ Drogen- und Suchtprävention ƒ Hygiene ƒ Körperhaltung, Sport und Bewegung ƒ Krankheitserreger ƒ Mensch und Umwelt ƒ Nahrung und Ernährung ƒ Sexualität, AIDS-Problematik ƒ Umgehen von Konflikt- und Belastungssituationen ƒ Ursachen von Krankheiten und Versorgungsmöglichkeiten Folgende Ziele sollen im Rahmen des Seminars erreicht werden: • Einführung in den komplexen Themenbereich ‚Gesundheitsförderung’ durch vergleichende Auseinandersetzung mit verschiedenen Definitionen von Konzepten, wie Gesundheit, Krankheit, Kranksein, Beschwerden, Erkrankung. • Verknüpfung des in der Vorlesung ‚Humanbiologie’ bzw. ‚Anthropologie’ erworbenen biologischen Wissens mit dem Inhaltsbereich ‚Gesundheitsförderung’. • Auseinandersetzung mit wichtigen Aspekten der Gesundheitsförderung (Hygiene, Impfung, Prävention, Krankheitsübertragung, Immunabwehr) anhand eines konkreten Fallbeispiels. • Anwendung erworbenen Wissens in unterrichtlichen Zusammenhängen: Planung einer Unterrichtssequenz zu einem gesundheitsrelevanten Thema. • Anwendung erworbenen Wissens in Planungszusammenhänge: theoriegeleiteter Entwurf eines Curriculums zum Themenbereich ‚Biologische Aspekte der Gesundheitsförderung’. • Planung, Durchführung, Auswertung und Diskussion einer Untersuchung zu einem gesundheitsrelevanten Thema • Kritische Analyse der Alltagsverwendung gesundheitsrelevanter Konzepte. Qualität Der Themenkomplex Qualität, Qualitätsindikatoren und Qualitätssicherung in der Bildung wird politisch auf nationaler5 und europäischer6 Ebene intensiv diskutiert. Die Ansätze gehen weit über die fachliche Ausbildung der Lehrenden hinaus; ein bildungspolitisch präferierter Bestandteil7 ist die Nutzung Neuer Medien. Für elektronische Lernmodule ist es nicht nur notwendig, Qualitätsstandards für elektronische Lernmodule zu entwickeln, sondern die Einhaltung auch einzufordern. Bereits etablierte Prüfverfahren zur Softwareergonomie8 sind nützlich, um schon bei der Entwicklung 5 Übersicht über nationale und internationale Initiativen zu Qualitätsvergleichen und zur Qualitätssicherung im Bildungswesen (2001), Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: Bonn 6 Bericht über die Qualitätsindikatoren für das Lebenslange Lernen in Europa (2002), Europäische Kommission: Brüssel http://europa.eu.int/comm/education/life/report/quality/report_de.pdf [20.5.2003] 7 e-Learning – Designing tomorrow's education (2002), Commission of the european communities: Brüssel http://europa.eu.int/comm/education/elearning/comen.pdf [20.5.2003] 8 Datech Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit www.datech.de [20.5.2003] 2. Dortmunder Bildungsforum Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien 10 formale Anforderungen zu beurteilen, sie helfen aber wenig bei der Beurteilung von e- Learning-Modulen und -Szenarien. Deren Lerntauglichkeit soll wissenschaftlich evaluiert und die Ergebnisse sollen formuliert / definiert werden. Didaktik Die technische Infrastruktur der Plattform, die Modularisierung der Lerninhalte und die tutorielle Betreuung soll es auf der Basis des integrierten Instruktions-Konstruktionsansatzes ermöglichen, dass individuelle Lernstrategien unterstützt und Lernende gefördert werden. Der Lernende soll aus der Rolle des passiv-rezipierenden herausgeführt und in einen aktiv- konstruktiven Lernprozess eingebunden werden. Durch das Anbieten von Kommunikations- und Kollaborationsstrukturen sollen im sozialen Kontext mit dem erworbenen Wissen die Verhaltenskompetenzen von Lernenden und Lehrenden gefördert werden. Seminare können als reine Online-Seminare oder durch alternierende Präsenz- und Onlinephasen (blended learning) angeboten werden. Adaptive Darbietung von Inhalten auf Basis metakognitiver Tests Abb. 2: Metakognitive Tests zur adaptiven Eingruppierung in Lernmodule Das persönliche Leistungsvermögen als Basis für das Lernen. Über die den Lernmodulen angeschlossenen Tests kann das individuelle Leistungsniveau erfasst werden. Dies dient dazu, grundlegende und weiterführende Inhalte anzubieten. Auch ist es möglich, dem Lernenden alternative Lernmethoden vorzuschlagen. Pre-Tests können eine Einstufung in ein bestimmtes Lernlevel vorschlagen (s. Abb. 2). 2. Dortmunder Bildungsforum Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien 11 Funktionen zur Unterstützung des Lernens Wesentliches Merkmal der von uns ausgewählten e-Learning-Plattform9 ist es, über das Content- und Usermanagement hinaus Funktionen für die Interaktion, Kommunikation und Kollaboration anzubieten. Über und mit den Inhalten wird gearbeitet und kommuniziert. Interaktion Interaktion orientiert sich oft an Metaphern, wie Räumen, Handlungen und Prozessen, die wir tagtäglich durchleben. Auf Lernen bezogen agieren wir mit dem Computer mit den gleichen funktionalen Elementen wie in einem realen Klassenraum. Wir bewegen uns in einem virtuellen Raum, machen virtuelle Notizen an Dokumenten und interagieren mit anderen Personen ohne sie real vor Augen zu haben. Die Plattform bietet dafür eine Reihe von Funktionalitäten an, die zum Teil fließend in die Bereiche Kommunikation und Kollaboration übergehen und diese verknüpfen. ƒ Foyer und Kursräume ƒ Annotationen an Dokumente und Worte ƒ Teamräume ƒ aktive Dokumente ƒ eigene Homepage ƒ Verwaltung eigener Dateien Kommunikation Ein Erfolgsfaktor für Lernen ist, miteinander zu kommunizieren. Hierfür gibt es eine Palette von synchronen und asynchronen Tools, die einen breiten Rahmen für Kommunikationsprozesse schaffen: ƒ Diskussionsforen ƒ eMail ƒ Chat ƒ Infoboard ƒ Whiteboard ƒ Videokonferenz ƒ Aufgabenabgabe ƒ aktive Dokumente ƒ virtuelle Sprechstunde ƒ dynamische Datenpublikation Kollaboration Die aktive Teilnahme am Kurs, die Arbeit in einer Gruppe und die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Fachinhalt stellen wichtige Eckwerte für Lernen dar. Die folgenden Strukturen sollen Kollaboration unterstützen bzw. fördern: • Notiz- und Anmerkungsfunktion • Einstellmöglichkeit für eigene Dokumente • Eigene Dokumente können gemeinsam bearbeitet werden • Gemeinsam nutzbare digitale Tafeln Evaluation Wir differenzieren in die anwendungsorientierte Evaluation zu den Themen Softwareergonomie und Integration und die wissenschaftlich orientierte Evaluation. Als wissenschaftlicher Evaluationsansatz für das Lernen mit der e-Learning-Plattform ist die in den Sozialwissenschaften etablierte „Theorie des geplanten Verhaltens“10 vorgesehen. Diese basiert auf der Grundannahme, dass Verhalten von Intentionen gesteuert wird, welche von sogenannten Determinanten bestimmt werden. Die Kernaussage des Modells basieren auf den drei Determinanten (s. Abb. 3): • Einstellung zum Verhalten • Subjektive Norm 9 Hyperwave eLearningSuite, www.hyperwave.com [20.5.2003] 10 AJZEN, I. (1988): Attitudes, personality and behaviour, Open University Press: Buckingham, Milton Keynes, UK 2. Dortmunder Bildungsforum Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien 12 • Wahrgenommene Verhaltenskontrolle Abb. 3:Schematische Darstellung des Kernmodells der Theorie des geplanten Verhaltens (ohne 2. Theorieebene) Auf Basis von Vorstudien werden Online-Fragebögen entwickelt, die die Determinanten der 1. Theorieebene betreffen. Dabei erfassen die Vorstudien eine 2. Theorieebene (Beliefs): • Überzeugungen • Zutreffenswahrscheinlichkeit Alle Befragungen werden mit dem Online-Panel iPoll211 durchgeführt. Die Frage, die sich stellt, ist, welche der drei Determinanten hat welchen Einfluss auf die Intention und in der Folge auf das Verhalten? Bezogen auf das von uns entworfene E- Lernszenario bedeutet dies, dass die Anregungsfaktoren, die die Determinanten bzw. die Handlungsbereitschaft am meisten beeinflussen, sichtbar gemacht und anschließend gezielt gefördert werden sollen. Schlussbemerkung Wir erhoffen uns von dem Projekt, allgemeine Erkenntnisse für die Gestaltung virtueller Seminare mit biologischen Inhalten zu gewinnen. Ziel ist es, ein wohldurchdachtes und an den Anforderungen zukünftiger Biologielehrer orientiertes Seminarkonzept zu erarbeiten. Wir streben die feste Etablierung des Seminars „Biologische Grundlagen der Gesundheitsförderung“ in den Studienordnungen der beteiligten Hochschulen an. Literatur [1] Haan, Gerhard de; Poltermann, Andreas: Funktion und Aufgaben von Bildung und Erziehung in der Wissensgesellschaft. Berlin : Verein zur Förderung der Ökologie im Bildungsbereich, 2002 (Papers / Forschungsgruppe Umweltbildung ; 2002,167). - ISBN 3-927064-76-9 [2] Shuell, T. J.: Cognitive conceptions of learning. - In: Review of Educational Research 56 (1986), S. 411-436. 11 www.tools4science.de [20.5.2003] 2. Dortmunder Bildungsforum Kooperative Lehre mit Unterstützung elektronischer Medien 13 [3] Linn, M. C.: Summary : Establishing a science and engineering of science education. - In: Gardner, Majorie [Hrsg.]: Toward a scientific practice of science education. - Hillsdale, NJ [u.a.] : Erlbaum, 1990. - ISBN 0-8058-0345-9 [4] Graf, Dittmar ; Bauer, Andreas: Das Internet in der Biologielehrerausbildung. - Münster : Institut für Didaktik der Biologie, Universität Münster, 2003 [5] Dillon, A. ; Gabbard, R.: Hypermedia as an educational technology : a review of the quantitative research literature on learner comprehension. - In: Review of Educational Research 68 (1998), S. 322-349 [6] Friedrich, H. F. ; Mandl, H.: Analyse und Förderung selbstgesteuerten Lernens. - In: Weinert, Franz E. [Hrsg.]: Psychologie der Erwachsenenbildung. - Göttingen : Hogrefe, 1997. - ISBN 3-8017-0532-3 (Enzyklopädie der Psychologie : Themenbereich D, Praxisgebiete : Serie 1, Pädagogische Psychologie ; Bd. 4) 2. Dortmunder Bildungsforum 14 Sachstruktur / und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen Prof. Dr. Horst F. Wedde, Frank Thorsten Breuer Wedde@ls3.cs.uni-dortmund.de, breuer@ls3.cs.uni-dortmund.de Lehrstuhl Betriebssysteme, Fachbereich Informatik III, Universität Dortmund Motivation Der Anlass für die vorliegende Untersuchung war, dass im Rahmen einer Umgestaltung der DPO Informatik (DPO 2001) Kernfächer wie Betriebssysteme, Rechnernetze, verteilte Systeme als Pflichtveranstaltungen ins Grundstudium verlegt werden, um alle Studierenden des Faches mit den spezifischen Konzepten, Techniken und Arbeitsweisen nachhaltig vertraut zu machen (selbst wenn sie im Hauptstudium sich mit Fächern nicht mehr beschäftigten). Wegen der Größe solcher Veranstaltungen (400-800 Studierende) und des ungewöhnlich engen Formats (2V + 1Ü für „Betriebssysteme“ & „Rechnernetze und verteilte Systeme“ zusammen) ergibt sich für die Gestaltung der LVA „BS&RvS“: Besinnung und Beschränkung auf die Kernanliegen des Themengebiets. Da bei Großveranstaltungen aber schon der traditionelle Vorlesungs- und Übungsbetrieb ohne die erwähnten zeitlichen Einschränkungen nicht mehr effizient durchgeführt werden kann mangels Akzeptanz der Methode, entwarfen wir einen neuen Ansatz des kooperativen Lehrens und Lernens. Wir setzten dabei die zu erfassenden Sach- und Themenstrukturen in Kongruenz mit (kooperativen) Lehr- / Lernformen. Letztere haben inzwischen eine große und wachsende Akzeptanz. Schon für diese Größenordnung lagen allerdings keine Entwicklungen bzw. Erfahrungen vor, geschweige für unsere verschärften Randbedingungen. Wir begannen daher ein umfangreiches Forschungsprojekt (Cooperative Theme and Tool Competence for Learning (CoTTCoL), um zunächst für die einjährige Veranstaltung „BS&RvS“ neue CSCL-Konzepte zu entwerfen. Diese wurden in einer ersten Präsentation [1] bereits vorgestellt. Gleichzeitig sammelten wir durch ihre praktische Umsetzung innerhalb der Lehrveranstaltung Erfahrungen, die dann durch extensive Laborarbeit und Software- Entwicklung für die Vervollständigung der CSCL-Werkzeuge benutzt werden. Diese Ziele gingen schon in den (erfolgreichen) Antrag zum InWiDa-Labor ein. Dieses Papier ist eine Beispielstudie von neuen sachstruktur- und themenbasierten CSCL- Methoden und ihres Einsatzes in großen Veranstaltungen. Von der Sondersituation des Distance Teaching abgesehen, geht es uns hierbei auch um die praktische Einbettung solcher Methoden in CL-Verfahren ohne Computerunterstützung, z.B. Rollenspiele unter verteilter Kontrolle, bzw. ihre Abgrenzung gegenüber traditionellen Verfahren. Wie es unmöglich ist, Brainstorming mit 600 Studierenden ohne Computereinsatz zu betreiben, so wird es wenig sachdienlich sein, Kommunikation bei Rollenspielen in kleinen Gruppen (innerhalb eines Raumes) über Computer zu organisieren. Cooperative Theme and Tool Competence for Learning (CoTTCoL) am Beispiel „BS&RvS“ Die oben angesprochene Konzentration auf Kernthemen und -methoden bedeutet für „BS&RvS“, dass Fragen der Kooperation und Abstimmung von grundsätzlich autonomen Prozessen im Vordergrund stehen (selbst dort, wo Betriebssystemfunktionen wie Speicherverwaltung und CPU-Scheduling in Uniprozessorsystemen interagieren). Ohne besondere Literaturhinweise erhellt dies vielleicht schon daraus, dass eines der 2. Dortmunder Bildungsforum Sachstruktur/und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen 15 Schlüsselprobleme in der Betriebssystementwicklung (genauer der Speicherverwaltung), das wohlbekannte Dining Philosophers‘ Problem (siehe etwa [2]), aus den frühen 60er Jahren stammt, als von verteilten Systemen und explizit autonomen Prozessen gar keine Rede sein konnte. (Es wurde von Edsger W. Dijkstra, einem der großen Pioniere der Computer, visionär zur Illustration „erfunden“.) 5 holländische Philosophen sitzen um einen runden Tisch herum (siehe Abb.1), auf ihm befinden sich ein großer Topf mit einem beliebigen Vorrat gar gekochter Spaghetti (hier der Einfachheit weggelassen) und (zunächst) einer Gabel zwischen je zwei Nachbarn. Da es sich um holländische Philosophen handelt, brauchen sie zum Essen der Pasta 2 Gabeln (so dass, wenn ein Philosoph isst, keiner seiner Nachbarn essen kann). Die Philosophen müssen also kooperieren, um (möglichst) essen zu können, wenn sie hungrig werden. Die Tätigkeiten der Personen sind zusammengefasst in: Denken, hungrig werden, linke bzw. rechte Gabel ergreifen, essen, Gabeln spülen, linke bzw. rechte Gabel ablegen. Die Autonomie kommt darin zum Ausdruck, dass kein Philosoph Vorschriften über Geschwindigkeiten bei einer seiner Tätigkeiten, über statische Prioritäten, jede Art von statischer Bevorzugung eines anderen akzeptieren würde. Abbildung 1: Die Dining Philosophers Eine Lösung zu finden, setzt voraus, dass man das Problem hier, nämlich die Autonomie der Prozesse (Philosophen), verstehen oder handhaben kann. Nach über 30-jähriger Praxis von einem der Autoren kann hier festgestellt werden, dass das auch für Computer-Professionals sehr schwer ist. Ein direkter Hinweis ist auch, dass dieses Schlüsselproblem erst nach mehr als 20 Jahren gelöst werden konnte, wenn man z.B. garantieren will, dass kein Philosoph aus Versehen oder bösem Willen der anderen verhungert. Es geht daher bei Vermittlung von solchen Problemen nicht um Verständnis einer formalen Definition und der nachfolgenden Behandlung, sondern darum, dass durch experimentelles, interaktives und kooperatives Tun die Natur des Problems ergriffen werden kann, damit überhaupt eine Lösungsidee und – nach weiterem Agieren – eine Lösung gefunden werden können. Der Findungsprozess führt dann gerade zu einem Verständnis. Didaktisch kann man so vorgehen, dass man eine vorläufige „Lösung“ in Gestalt von kleinen verteilten Programmschleifen, jedes für einen Philosophenprozess, unter verteilter Kontrolle implementiert, etwa: 2. Dortmunder Bildungsforum Sachstruktur/und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen 16 DO: THINK; Get hungry; Grab left fork; Grab right fork; EAT; Clean forks; Drop left fork; Drop right fork; OD Die Studierenden, die an vernetzten Laptops arbeiten, haben dann jeder die in Abb.2 dargestellte Sicht. Sie können interaktiv auf die benötigten Gabeln zugreifen (über die Buttons „Grab left“ und „Grab right“). Wenn ein Nachbar eine Gabel (z.B. die linke im Display) ergreift, verschwindet diese. Der Teilnehmer hat dann die Möglichkeit, die rechte (wie im Bild) wieder wegzulegen, um vielleicht dem rechten Nachbarn das Essen zu ermöglichen. Abbildung 2: Benutzer- (Philosophen-) Sicht Die Phänomene und Fragen, die sich ergeben könnten, sind trotz der Transparenz (Ausblendung) der technischen Details recht reichhaltig. Es könnte sich etwa (zufällig) die Situation ergeben, in der jeder seine rechte Gabel hält, diese aber auch nicht niederlegen will. Da dann keiner mehr weiterkommt, spricht man von einem Deadlock. Dies ist in der Hörsaalsituation (Audimax) den Spielern nicht bewusst, da sie mit dem Rücken zur Projizierfläche sitzen, wohingegen die restlichen Studierenden die Situation (Zuordnung der Gabeln) auf der Fläche verfolgen (siehe Abb.1). Der Hinweis an die Spieler, dass man eine Gabel, die man hat, weglegen soll, wenn man die andere nicht bekommt, trifft bei den Spielern auf Gegenliebe, jedoch hilft das hier nicht weiter (was zwar die Spieler nicht unbedingt einsehen können, obwohl sie ihre Strategien vielleicht umstellen), wohl aber die Zuschauer. 2. Dortmunder Bildungsforum Sachstruktur/und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen 17 Abbildung 3: Nachrichten und Synchronisationsstrukturen Zur weiteren Einführung in die Problemwelt kann man nun eine explizite Nachrichtenstruktur angeben, die den Spielern systematischere Eingriffsmöglichkeiten liefert. Das geschieht technisch durch Verfeinerung des obigen Algorithmus, z.B. wie von J. Winkowski vorgeschlagen [2] durch Einführung von Gabelmanagern, die Anforderungen auf „ihre“ Gabel in Listen der Form Qj einordnen, gem. dynamischer lokaler Prioritäten zwischen den an fj interessierten Philosophen Pi. Für diese Prioritäten legt fj eine Liste Lj an (vgl. Abb.3). Die Teilnehmer sehen wieder nur einen Ausschnitt des ganzen Szenarios (Abb.4). Sie lernen über den komplexen Algorithmus nur die Regel, dass der rechte bzw. linke Gabelmanager eine Anforderung nur annimmt (und auf FCFS-Art in Qleft bzw. Qright einordnet), solange keine Anforderung höherer Priorität angenommen war oder die Gabel wirklich zum Essen benutzt wir, d.h. verschwunden ist. Wenn eine Anforderung zurückgewiesen wird, muss die etwa schon plazierte Anforderung auch zurückgenommen werden. Abbildung 4: Strukturierte Benutzerinformation Tatsächlich kann man beweisen, dass jetzt keine Deadlocks mehr auftreten können, was aber selbst für Hauptstudiums-Studierende formal nur schwer nachzuvollziehen ist. Das können die Spieler zwar nicht einsehen, sondern nur in der Spielzeit als Problemabwesenheit erfahren, die Zuschauer könnten aber schon eine Idee bekommen, woran das liegt. Immerhin haben die Spieler aber eine bessere Kontrolle über die Wirkung ihrer eigenen Aktionen: In der Situation in Abb.4 müsste der Spieler, wenn er „Grab right“ drückt, wegen obiger Regel bei Zurückweisung (temporäres Blinken der Gabel) nun die linke Gabel weglegen (durch „Drop left“). Er kann also überlegen, dass er wegen der unerwünschten Folge nicht die rechte Gabel anfordert, solange Qright den Eintrag „Rneighb“ enthält. Sie können so nicht-blinde Strategien entwickeln und etwa an folgenden Fragen überprüfen: Hilft mir meine Strategie in der gegebenen Situation? Werde ich „fair“ behandelt? Gerate ich in einen Deadlock? Es könnte dann, entweder bei Spielern oder Zuschauern, der Verdacht aufkommen, dass ein Teilnehmer verhungert. (Das kann tatsächlich geschehen.) Mit dem Verdacht wächst aber auch das Verständnis der eigentlichen Problematik. Die Teilnehmerrollen werden sukzessive von verschiedenen Zuschauern angenommen, idealerweise spielt jeder, oder mindestens eine große Gruppe, beide Rollen. Dies erhöht die Sensibilität für eine (kooperative) Lösungsfindung beträchtlich. Die geschilderte Verfeinerung der Prozedur, mit der Heranführung an die Lösung, kann nur mit Computerunterstützung gelingen. Man könnte natürlich auch einen korrekten Algorithmus implementieren, jedoch würden die Teilnehmer bzw. Zuschauer dann nicht auf die inhärenten Probleme aufmerksam (Deadlocks), damit auch nicht auf die Erfahrungen mit (individuellen) Lösungsstrategien. Mit dieser Vorbereitung werden in den Übungsgruppen (mit ca. 20 Teilnehmern) die Algorithmen als Rollenspiel (ohne Computerunterstützung) gespielt. Hier führt die direkte orale Kommunikation zu weiteren Einsichten und Ansätzen, sogar zu erfolgreichen 2. Dortmunder Bildungsforum Sachstruktur/und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen 18 Lösungen, was zum ersten Mal ein echtes Verständnis (aus der kooperativen Aktivität heraus) erlaubt. Die Akzeptanz der Rollenspiele – sowohl computerunterstützt als auch traditionell – war seitens der Studierenden stets sehr hoch. Die Motivation für eine aktive Mitarbeit ist höher als bei vergleichbaren Veranstaltungen. Von 465 Studierenden erwarben 269 Studierende, d. h. 59 % aller Teilnehmer, und 77 % der regelmäßig teilnehmenden Studierenden, einen Leistungsnachweis. Sie konnten die hohen Leistungsanforderungen sowohl für die Mitarbeit als auch in 2 (klausurartigen) Tests erfüllen. Zusammenfassung und Ausblick Wir haben einen dreistufigen CSCL-Ansatz vorgestellt, der für den Einsatz unter erschwerten Randbedingungen entstand (am Beispiel der neuen Informatik-Veranstaltung “BS&RvS”). Da die Veranstaltungsziele, die Kerninhalte und -methoden zu vermitteln, zum großen Teil darin bestanden, die Kooperation autonomer Prozesse erkennbar, erfahrbar und methodisch handhabbar zu machen, machten wir von einer naheliegenden Kongruenz zu der Situation in CSCL Gebrauch. Die Dreistufigkeit des Verfahrens ergab sich einerseits aus dem Anliegen, schließlich alle Studierenden gleichermaßen und intensiv in den Lernprozess einzubinden, andererseits wird damit auch ein didaktischer Weg vom praktischen Tun und Probieren mit anderen zum individuellen Verstehen sichtbar. Unser Ansatz hat die in Dortmund entwickelte EWS-Plattform benutzt, die ja inzwischen mit sehr gefächerten Aufgabenstellungen an Universitäten, Schulen und Forschungsinstituten verbreitet ist. Die Software ist in JAVA implementiert, um den Programmieraufwand überschaubar zu halten. Bei unserer weiteren Arbeit ist uns ein Anliegen, Anforderungsprofile für maßgerechte Services auf dieser Plattform zu definieren, wobei EWS stellvertretend für weitere Plattformen im EU-Bereich steht. Speziell soll eine Testumgebung für verteilte Algorithmen entstehen, die in einer JAVA-Bibliothek zusammengefasst sind. Die Visualisierung der Kommunikation gehört ebenso zu den Aufgaben wie eine gestufte Darstellung interner Zustände verteilter Prozesse. Langfristig planen wir auch interaktive Werkzeuge zur kooperativen Entwicklung und Simulation verteilter Prozesse. Wir sind hier aktiv, konstruktiv in cEVU- und ECIU-Aktivitäten und Programme eingebunden zu sein. Unser Ansatz ist unmittelbar übertragbar auf Lehrveranstaltungen in der Journalistik, Soziologie, Logistik, Fertigungsplanung, Raumplanung u.a. Die Zahl der Teilnehmer muss nicht unbedingt groß sein, wenn etwa die traditionelle Kooperation, wie bei dem weltweiten Korrespondentennetz einer Zeitung wie „New York Times“, per Telefon und schon wegen der Deadlines (Redaktionsschluss) nicht mehr möglich ist (außer für „Hintergrundartikel“). Darüber hinaus ist ja über die letzten 20 Jahre hinweg bei Schülern und Studierenden in steigendem Masse eine Affinität zu CSCW- und CSCL-Methoden zu bemerken. Er kann bezeichnet werden als Übergang vom enzyklopädischen zum kooperativen Denken, mit Bezug auf konzeptionelle und experimentelle Begleitung, Analyse, Entwicklung von Systemen und erst recht, wenn diese Systeme auf interagierenden (teil-) autonomen Prozessen oder Instanzen beruhen. Der enorme Arbeitsaufwand, geeignete interaktive Animationssoftware zu entwickeln, erklärt nur zu gut, warum so wenig passgerechte Arbeiten in unserer Richtung geschehen sind. Dazu ist ja außer der eigentlichen Werkzeugkompetenz auch immer eine spezifische Fachkompetenz nötig, ein spezifisches InWiDa-Anliegen. Daraus resultiert unsere Vision, dass durch Projekt-Kollaboration zwischen Plattform- und Lehrfachexperten ein Weg in die Zukunft führt, in der sicherlich, auch schon aus im Abschnitt Motivation erwähnten Gründen, neue kooperative Lehr- und Lernformen dominant vertreten sein werden. 2. Dortmunder Bildungsforum Sachstruktur/und themenbasierte CSCL-Methoden in großen Veranstaltungen 19 Literatur: [1] Wedde, H. F.; Breuer, F. Th.; Farooq, M.: A Role-Based CSCL Environment for Intensive Hands-On Teaching/Learning under Rigid Time-Constraints. Open IFIP-GI-Conference on Social, Ethical and Cognitive Issues of Informatics and ICT (SECIII), Dortmund, 2002. [2] Winkowski, Jozef: Protocols of Accessing Overlapping Sets of Resources. In: Information Processing Letters 12 (1981), Nr. 5, S. 239-243 2. Dortmunder Bildungsforum 20 Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken12 13 Prof. Dr. Peter Marwedel, Birgit Sirocic marwedel@ls12.cs.uni-dortmund.de, sirocic@ls12.cs.uni-dortmund.de Lehrstuhl Technische Informatik und Eingebettete Systeme, Fachbereich Informatik XII, Universität Dortmund Einführung Eine der wesentlichen Einschränkungen traditioneller Medien (z.B. von Büchern) beim Einsatz in der Lehre ist das Fehlen von Visualisierungsmöglichkeiten des dynamischen Verhaltens von Systemen. Video-Bänder und Video-Distributionstechniken haben es möglich gemacht, Studierenden nicht-interaktive Medien vorzuführen. Interaktivität bereitstellen zu können ist einer der wesentlichen Vorteile von Multimediatechniken gegenüber traditionellen Techniken. Diese Interaktivität zu realisieren ist allerdings schwierig, denn sie erfordert im Wesentlichen eine Simulation des zu visualisierenden Systems. Der Entwurf von Simulatoren erfordert dabei in der Regel einen Aufwand, der nicht innerhalb des üblichen Zeitrahmens für die Erstellung von Multimediamaterial geleistet werden kann, geschweige denn innerhalb des üblichen Zeitrahmens für die Vorbereitung einer Vorlesung. Auf der anderen Seite sind die verfügbaren Simulatoren in der Regel nicht für den Einsatz in der Lehre (insbesondere nicht in Vorlesungen) konzipiert worden. Hauptziel ihres Entwurfs ist häufig eine hohe Simulationsgeschwindigkeit und die Nutzbarkeit in komplexen Entwurfsprojekten. Einfache Benutzung, ausgezeichnete Visualisierung und Portierbarkeit sind üblicherweise nicht die Hauptziele beim Entwurf von Simulatoren. Leistungsfähige Simulatoren stehen darüber hinaus häufig nur in Form von teuren kommerziellen Software- Paketen zur Verfügung. Dies verhindert den Einsatz in Vorlesungen und durch die Studierenden selbst. Wie kann man Interaktivität bereitstellen, ohne auf die erwähnten kommerziellen Simulatoren zurückgreifen zu müssen? Nachfolgend werden wir beschreiben, wie dieses Problem im RaVi-Projekt gelöst wurde. RaVi bedeutet „Rechnerarchitektur-Visualisierung“. RaVi ist Teil des größeren Simba- Projekts, welches die Erstellung von multimedialen Komponenten für Schlüsselkonzepte der Informatik zum Ziel hat, wobei frauenspezifische Lerninteressen besonders berücksichtigt werden sollen. In RaVi verfügbare multimediale Einheiten Ziel des RaVi-Projekts ist es, dynamische Abläufe in Rechensystemen leichter verständlich zu machen. Hierzu wurden eine Reihe von multimedialen Komponenten entwickelt, die jeweils aus einem Lernbeispiel der Rechnerarchitektur bestehen. Alle ausgewählten Lernbeispiele haben die Gemeinsamkeit, dass mit ihnen relativ komplexe, dynamische Abläufe veranschaulicht werden sollen. Grundlage für die Lernbeispiele ist das bekannte Lehrbuch zur Rechnerarchitektur von Hennessy und Patterson [1]. Es wurden Multimediakomponenten zu folgenden Beispielen erstellt: 12 Das beschriebene Projekt wird mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) realisiert. 13 Einreichung zum Schwerpunkt 2 des Forschungsbandes INWIDA. 2. Dortmunder Bildungsforum Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken 21 • Befehlsausführung in einem mikroprogrammierten MIPS-Prozessor • Befehlsausführung bei einer Fließbandarchitektur • MESI-Protokoll zur Vermeidung von Speicherkohärenz (Zustandsübergänge, Speicherinhalte) • Befehlsausführung unter dem Einsatz von Techniken zum dynamisches Scheduling (Scoreboarding, Tomasulo-Algorithmus) Die Veranschaulichung, der in den Multimediakomponenten enthaltenen dynamischen Abläufe, bedarf einer interaktiven Visualisierung und diese wiederum baut auf eine Simulation der Abläufe auf. Was dies genau für die von uns entwickelten Komponenten bedeutet, wird im Folgenden beispielhaft anhand der Komponente zur Fließbandarchitektur erläutert. Abbildung 1: RaVi Komponente zur Fließbandarchitektur Die Multimediakomponente zur Fließbandarchitektur soll zeigen, wie Befehle innerhalb einer Fließbandarchitektur ausgeführt werden. Sie besteht dazu aus einen MIPS-Prozessor, der in verschiedene Fließbandverarbeitungsstufen eingeteilt ist. Visualisiert wird der so genannte Datenpfad, d.h. der Signalfluss zwischen den einzelnen Hardwarebausteinen, während der Befehlsausführung. Abbildung 1 zeigt den Aufbau der Multimediakomponenten. Mit einer Reihe von fest vorgegebenen Befehlen und festen Registerinhalten, könnte die Visualisierung des Datenpfades auch mit einer herkömmlichen Animation durchgeführt werden. Dies würde aber nur einen Ausführungsfall von vielen möglichen Fällen zeigen und ist nicht ausreichend um die komplexen Abläufe in ihrer Ganzheit erfassbar zu machen. Wünschenswert ist an dieser Stelle, eine Möglichkeit die Befehle und Registerinhalte, 2. Dortmunder Bildungsforum Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken 22 interaktiv verändern zu können und eine Visualisierung, die sich den Veränderungen anpassen kann. Die Multimediakomponente zur Fließbandarchitektur simuliert das vollständige, dynamische Verhalten ihrer Hardwarestruktur. Durch diese Simulation ist sie in der Lage die Ausführung der verschiedensten Befehle bzw. Befehlsreihenfolgen zu visualisieren. Die Speicher- und Registerinhalte können während der Visualisierung editiert werden. Hierzu kann ein Fenster geöffnet werden, in dem die Inhalte angezeigt werden und veränderbar sind (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Fenster zum Editieren des Speicherinhalts Die oben beschriebenen Interaktionsmöglichkeiten sind in allen von uns entwickelten Multimedia- komponenten, auf das jeweilige Lernbeispiel angepasst, integriert. Zielgruppen Die von uns realisierten Multimediakomponenten besitzen drei Zielgruppen. Die erste Zielgruppe besteht aus den Lehrenden, die unsere Komponenten in ihren Präsenzveranstaltungen vorführen. Die zweite Zielgruppe sind die Studierenden, die die Komponenten zur Nachbereitung der Vorlesung bzw. zum Studium zu Hause benutzen können. Aus der Gruppe der Studierenden betrachten wir als dritte Zielgruppe noch explizit die Studentinnen. In der Regel hat der Lehrende nur einen endlichen Zeitrahmen um eine Multimediakomponente zu präsentieren. Lange Ladezeiten allgemein und besonders über das Internet müssen daher vermieden werden. Auch kann man immer noch nicht davon ausgehen, dass jeder denkbare Vortragsraum mit einem Internetanschluss ausgestattet ist. Die Multimediakomponenten können zu diesem Zweck als Applikation lokal auf einem Laptop oder PC benutzt werden. Speziell für den Einsatz bei Vorträgen wurde auch das Umschalten der Komponenten in einen Vollscreen-Modus implementiert. Zur weiteren Unterstützung der Zielgruppe der Lehrenden haben wir eine Website erstellt, die der Dokumentation der Multimediakomponenten dient. Lehrenden finden dort, neben der Download-Möglichkeit und der Online-Testmöglichkeit, alle Informationen, die sie benötigen um die Multimediakomponenten in ihren Veranstaltungen einzusetzen. Die Studierenden können die Multimediakomponenten für das Nachbereiten der Vorlesung und das Üben zu Hause verwenden. Hier hat der Studierende meist nicht so einen engen Zeitrahmen, so dass gewisse Ladezeiten über das Internet vertretbar sind. Die Multimediakomponenten werden als Applet den Studierenden über das Internet zur Verfügung gestellt. Eingebettet in geeignete erklärende Texte und Übungen werden die Komponenten, auf einer speziell für die Studierenden entwickelten Website, ins Internet gestellt. Durch die besonderen Interaktionsmöglichkeiten werden die Studierenden in die Lage versetzt, die dynamischen Abläufe selbst zu erforschen. Diese Eigenschaft stellt einen erheblichen Mehrwert gegenüber klassischen Medien dar und ist an dieser Stelle nur durch Multimediatechniken zu erreichen. 2. Dortmunder Bildungsforum Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken 23 Frauen sind in der Informatik stark unterrepräsentiert. Ihr bundesweiter Anteil im Studiengang Informatik liegt bei 15,4 Prozent14. Eine Studie von B. Schinzel [2] zeigt, dass Informatikstudentinnen sich auf den Gebieten Technik und Hardware oft als nicht kompetent genug fühlen und unsicher sind. Dies führt dann häufig dazu, dass sie beginnen an der Wahl Ihres Studienfachs zu zweifeln. Es stellt sich also die Fragen: Wie können wir die Studentinnen bei ihren Lernerfolgen in der Informatik unterstützen? Wie können wir technische Lerninhalte gestalten, so dass sie auch Frauen ansprechen? Zur Berücksichtigung der besonderen Lerninteressen von Frauen wurde folgende, gendersensitiven Kriterien bzw. didaktische Empfehlungen im Teilprojekt RaVi umgesetzt: • Sensibilisierung des Sprachgebrauchs • Technikbegriffe erklären • Einsatz von Feedback • Praxisbezug herstellen Bei der Sensibilisierung des Sprachgebrauchs geht es darum Frauen in Sprache und Schrift sichtbar zu machen. Hierzu wurde in alle Texte, die im Rahmen des RaVi-Projekts verfasst wurden, das generische Maskulinum vermieden und statt dessen die so genannte „Binnen-I“ Schreibweise, also das Schreiben mit großem „I“ im Wortinnern, verwendet. Die Forderung nach der Erklärung von Technikbegriffen beruht auf der Feststellung, dass Informatikstudentinnen zu Beginn ihres Studiums häufig weniger Hardware- bzw. Technikvorkenntnisse haben als viele ihrer männlichen Kollegen [2]. Um dieser Forderung nachzukommen, haben wir auf der Website für die StudentInnen ein Glossar der Technikbegriffe integriert. Innerhalb der Multimediakomponenten können Kurzbeschreibungen der vorkommenden Schaltungsbausteine über das Kontextmenü angezeigt werden. Ein Versuch das informatik-kompetente Selbstbild bei Frauen zu fördern, ist der Einsatz von „frühem“ Feedback innerhalb der Lernmaterialien. Frühzeitiges, positives Feedback, das signalisiert „Stoff verstanden“, kann unter Umständen unangebrachten Selbstzweifeln entgegenwirken. Auf der RaVi-Website für die StudentInnen wird Feedback in Form von Selbsttestaufgaben realisiert. Innerhalb dieser Selbsttestaufgaben werden die entwickelten Multimediakomponenten derart eingesetzt, dass Antworten auf die gestellten Fragen durch die Studierenden selbst gefunden werden können. Mit dem Einsatz von geeigneten Beispielen aus dem alltäglichen Berufsleben soll der Praxisbezug der Lerninhalte aufgezeigt und somit der eher praktisch und beruflich motivierte Zugang von Studentinnen zur Informatik berücksichtigt werden. Zur Umsetzung dieses Kriteriums wird für die StudentInnen-Website ein Beispielszenario erstellt, das als Einstieg in die Lernbeispiele dient und die Lerninhalte der RaVi-Komponenten in einen praktischen Kontext stellt. Vereinfacht kann man sagen, dass die RaVi-Komponenten verschiedene Aspekte bei der Ausführung eines Computerprogramms durch einen Prozessor (Hardware) visualisieren. Der Bezug zur Praxis ist dadurch gegeben, dass im Prinzip immer, wenn ein Programm ausgeführt wird, solche oder ähnliche Prozesse in einem Computer ablaufen. Das Beispielszenario stellt diesen Zusammenhang dar. 14 Statistisches Bundesamt, Angaben für 2000, gemittelt über alle Fachsemester 2. Dortmunder Bildungsforum Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken 24 Realisierung Zum Zweck der effizienten Realisierung der Multimediaeinheiten wird ein objektorientierter Entwurf eingesetzt, der auf den HADES-Klassenbibliotheken der Universität Hamburg aufsetzt [3]. Bei diesem Ansatz bildet jeder Typ von Hardware-Komponenten eine eigene Klasse. Die Klassen besitzen neben den Methoden, die das Verhalten der Hardware- Komponenten beschreiben, insbesondere Methoden zur Visualisierung der graphischen Symbole auf dem Bildschirm. Jede Hardware-Komponente ist eine Instanz einer Klasse. Die Programmiersprache Java macht es möglich, die Multimediakomponenten gleichzeitig als Applikation und als Applet zu realisieren. Zur Vermittlung von Grundkonzepten in der Rechnerarchitektur muss der Focus bei der Visualisierung auf die dynamische Abläufe gesetzt werden, die das zu vermittelnde deutlich machen. In unserem Fall ist es daher wichtig, dass bei der Visualisierung nur jene Hardware- Komponenten und deren Verbindungen farblich hervorgehoben werden, die in einem gegebenen Kontext nicht redundant sind. Zu diesem Zweck wurde ein spezieller Algorithmus zur farblichen Kennzeichnung entworfen. Das Simba-Projekt läuft bis Ende 2003. Zu Beginn des Projektes haben wir uns auf die Entwicklung der Multimediaeinheiten konzentriert. Eine fehlerfrei Simulation und Visualisierung der dynamischen Abläufe war zunächst wichtig. Die Entwicklung der Multimediaeinheiten ist weitestgehend abgeschlossen. In der zweiten Hälfte der Projektlaufzeit haben wir uns dann auf die Umsetzung der gendersensitiven Kriterien und Maßnahmen zur Nachhaltigkeit konzentriert. Die RaVi-Website für die DozentInnen, als auch die für die StudentInnen, befinden sich zurzeit daher noch im Aufbau. Feedback Die entwickelten Multimediaeinheiten wurden in Dortmund teilweise bereits dreimal in der Lehre eingesetzt. Darüber hinaus wurden die Multimediakomponenten FachkollegInnen vorgeführt, zum Teil auch im Ausland. Die Reaktionen auf das Material waren ungewöhnlich positiv. So wurde insbesondere der Mehrwert gegenüber klassischen Medien erkannt. Es wurde der Versuch unternommen, den besseren Lernerfolg in vergleichenden Befragungen zu ermitteln. Allerdings zeigte sich, dass Unterschiede in der Zusammensetzung der Gruppen, der Tageszeit der Durchführung usw. teilweise einen erheblichen Einfluss auf Bewertungen im Allgemeinen haben und dass damit die Verbesserung des Lernerfolgs bislang schlecht quantifizierbar ist. Die DozentInnen-Website steht bereits seit Anfang Januar online zur Verfügung [4]. In den ersten Monaten von Februar bis April verzeichneten wir insgesamt Zugriffe von 738 unterschiedlichen Rechnern. Neben den Zugriffen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern wurden v.a. Zugriffe mit einer „edu“-Endung (in der Regel aus den USA) sowie aus Brasilien, Chile und Japan verzeichnet. Darüber hinaus wurde unsere RaVi DozentInnen-Website in das vom NSF geförderte Web-Portal www.merlot.org aufgenommen. Über dieses Portal kann auf Lehrmaterial zugegriffen werden, dass einen Peer Review Prozess bestanden hat. Zusammenfassung Es wurden Multimediakomponenten entwickelt, welche durch die interaktive Visualisierung dynamischer Abläufe –hier gezeigt am Beispiel der Rechnerarchitektur- einen echten Mehrwert gegenüber klassischen Medien bieten. Durch die Variationsmöglichkeiten bei der interaktiven Visualisierung können dynamischen Abläufe in ihrer Ganzheit dargestellt werden und werden so für den Lernenden erforsch- bzw. erfahrbar. 2. Dortmunder Bildungsforum Interaktive Visualisierung dynamischer Vorgänge in Rechensystemen mittels Multimediatechniken 25 Erste Erfahrungen mit dem Einsatz sind sehr positiv, wenngleich es weiterhin schwierig ist, einen höheren Lernerfolg quantitativ nachzuweisen. Der Erfolg unserer DozentInnen- Website bzw. das Feedback im Kreis der FachkollegInnen zeigt aber, dass es offensichtlich ein Bedarf an interaktiven Visualisierungskomponenten gibt. Literatur [1] Hennessy, John L. ; Patterson, David A.: Computer organization and design : the hardware software interface. – 3.[print]. San Francisco, Calif. : Morgan Kaufmann, 1996. – ISBN 1-55860-281-X [2] Schinzel, Britta ; Kleinn, Karin ; Wegerle, Andrea ; Zimmer, Christine: Das Studium der Informatik : Studiensituation von Studentinnen und Studenten. In: Informatik Spektrum 22 (1999), Nr. 1, S. 13-23 [3] Hendrich, N.: A Java-based Framework for Simulation and Teaching. In: Micoelectronics education : proceedings of the 3rd European Workshop on Microelectronics Education. Dordrecht [u.a.] : Kluwer Academic, 2000. – ISBN 0-7923-6456-2 [4] Marwedel, Peter ; Sirocic, Birgit: Overcoming the Limitations of Traditional Media for Teaching Modern Processor Design. In: Proceedings / 2003 IEEE International Conference on Microelectronic Systems Education, June 1 - 2, 2003, Anaheim, California, USA / sponsored by IEEE Computer Society Technical Committee on Design Automation. Los Alamitos, Calif. [u.a.] : IEEE Computer Society, 2003. - ISBN: 0-7695- 1973-3 2. Dortmunder Bildungsforum 26 LogEduGate = Logistics Education Gate Integrative und multimediale Plattform für die Aus- und Weiterbildung in der Logistik15 Eine gemeinsame Entwicklung der Universitäten Dortmund, Magdeburg und Stuttgart. Uta Spörer, Prof. Dr.-Ing. Axel Kuhn spoerer@ifo.-uni.dortmund.de, kuhn@ifo.uni-dortmund.de Lehrstuhl für Fabrikorganisation, Fachbereich Maschinenbau, Universität Dortmund Einleitung Der Logistik wird innerhalb der Unternehmen ein immer höherer Stellenwert zuteil. Logistiker planen, steuern und überwachen heutzutage weltweit vernetzte Liefer- und Produktionsverbünde. Ihre Aufgaben erstrecken sich inzwischen über alle Unternehmenshierarchien, von der strategischen Ebene mit Standortplanung, Organisationsgestaltung oder Logistik-Controlling, bis hin zur operativen Ebene der Materialflussfunktionen wie z.B. Verpacken, Fördern, Lagern, Umschlagen. Logistiker von heute betreiben logistische Systeme nicht nur, sie analysieren, gestalten und optimieren sie. Dazu sind neben reinem Fachwissen in immer höherem Maße Sozial-, Methoden- und Kommunikationskompetenzen gefragt. Parallel dazu sieht sich die Berufsbildung in Folge rasanter technischer, sozialer, ökonomischer und ökologischer Veränderungen vor grundlegende Schwierigkeiten gestellt. Hierbei sind vor allem das Obsolenzproblem, d.h. extrem kurze Verfallszeiten von Fachwissen und das Prognosedefizit für die Entwicklung fachlicher Anforderungen zu nennen. Für die Aus- und Weiterbildung bedeutet dies, dass insbesondere solche Inhalte in den Lehrplan aufgenommen werden müssen, die von großer Relevanz für das Verständnis und die Erarbeitung von aktuellem Fachwissen sind. Diesen Herausforderungen muss sich die universitäre Logistikausbildung im dritten Jahrtausend stellen. Deshalb wurde an den Universitäten Dortmund, Magdeburg und Stuttgart nach neuen Formen und Wegen der interdisziplinären Ausbildung gesucht, mit dem Ziel Lehrinhalte aus den Bereichen Technik, Betriebswirtschaft und Informatik vereint zu vermitteln. Unter den Prämissen • Stärkung aller logistischen Teildisziplinen und deren Wechselwirkungen • umfassende, ganzheitliche Ausbildung des Nachwuchses in der Logistik • Umgang mit heute bereits in der industriellen Praxis im Einsatz befindlichen neuen Medien entstand das Projekt der gemeinsamen Entwicklung einer offenen und erweiterbaren multimedialen Lernumgebung für die Logistikausbildung: LogEduGate 15 Forschungsprojekt gefördert vom BMB+F im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms „Neue Medien in der Bildung“, Förderkennzeichen 08 NM 151. 2. Dortmunder Bildungsforum LogEduGate = Logistics Education Gate 27 Zielsetzung: Das Forschungsprojekt „LogEduGate“ hat zum Ziel, eine e-learning Plattform für die Ausbildung in der Logistik zu konzipieren, zu entwickeln und zu realisieren. Besonderes Augenmerk liegt auf der Interdisziplinarität der Wissensinhalte und der multimedialen Vermittlung des Wissens. Dabei steht jedoch nicht der Ersatz der an den Standorten angebotenen Präsenzstudiengänge, sondern deren Bereicherung im Fokus der e-learning Plattform. Dem Studierenden soll neben dem Präsenzstudium die Möglichkeit geboten werden, sein Wissen in studienspezifischen Bereichen zu vertiefen aber auch „über den eigenen Tellerrand hinaus“ die Angebote der anderen Standorte wahrzunehmen. Es besteht dadurch die Möglichkeit der Ergänzung der Ausbildung durch Vernetzung und Integration der Ausbildungsbestandteile der drei beteiligten Universitäten. Durch den Umgang mit der Plattform wird bereits während des Studiums der in der beruflichen Praxis inzwischen alltägliche Einsatz der I+K Technologien und neuen Medien eingeübt. Inhalte: Die Logistik stellt ein Querschnittsgebiet dar, das insbesondere Aspekte des Ingenieurwesens und der Informatik mit Aspekten der Wirtschaftswissenschaften vereint. Das Ausbildungsfundament bilden die vorhandenen Logistikcurricula, es erfolgt hierbei eine Orientierung an den bisherigen Lehrinhalten wie in Bild 1 dargestellt. Bild 1: LogEduGate Wissensinhalte Der ganzheitliche Ansatz von LogEduGate beinhaltet neben der Integration der verschiedenen Fachbereiche und unterschiedlichen Institutionen sowie der Vernetzung der verschiedenen Wissensinhalte auch die Erweiterung der Sozialkompetenzen und die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit der angehenden Logistiker. Die Inhalte der Plattform beschränken sich daher nicht auf die Beantwortung der Frage „Was muss der Logistiker wissen?“. Das Fachwissen bildet die Grundlage auf der aufbauend analytische, 2. Dortmunder Bildungsforum LogEduGate = Logistics Education Gate 28 systemtheoretische sowie modellgestützte planungs- und betriebsbegleitende Methoden der Logistik vermittelt werden. Durch den Einsatz der I+K Technologien und neuen Medien wird die Frage „Wie erwirbt, verwaltet und kommuniziert der Logistiker sein Wissen?“ näher beleuchtet. Das Angebot von projektbezogenen Seminararbeiten in Gruppen eröffnet die Möglichkeit zur Erweiterung der Sozialkompetenzen, indem die Studierenden in Arbeitgruppen andere Kommilitonen anleiten, Aufgaben delegieren und alle zu einem gemeinsamen Ergebnis führen.Realisierung: Um eine größtmögliche Individualisierung und Selbstbestimmung im Lernprozess zu gewähren, werden den Lernenden drei verschiedene Zugriffsformen (siehe Bild 2) auf die Inhalte von LogEduGate, angeboten: 1. Sachlogischer Zugang Die Strukturierung der Inhalte folgt der sachlogischen Struktur des vernetzten Logistikwissens. Die Lernenden können über alle bereitgestellten Inhalte in einer Mediathek navigieren. Über ein entsprechendes Inhaltsverzeichnis können sie ein spezifisches Themengebiet auswählen, die Themen nacheinander abarbeiten oder über entsprechende Hyperlinks zu den gewünschten Informationen springen. 2. Problemorientierter Zugang In LogEduGate werden den Lernenden aus den verschiedenen Gebieten der Logistik Projektarbeiten und Aufgaben angeboten, die je nach Umfang allein oder in Teams bearbeitet werden können. Die für die Bearbeitung erforderlichen Informationen aller Projekte stehen den Lernenden in der Plattform thematisch strukturiert als Bibliothek zur Verfügung. Die Lernenden besuchen nur jene Lerneinheiten, die sie benötigen, um eine Problemlösung zu generieren. Dadurch wird den Studierenden selbstorganisiertes, problem- und handlungsorientiertes Lernen ermöglicht. 3. Lernlogischer Zugang Bei dem lernlogischen Zugang können die Lernenden feste Kurse bearbeiten, die sich inhaltlich z. B. an Konzepten und Abläufen von Vorlesungen orientieren und parallel oder ergänzend zu diesen angeboten werden. Die Lernenden sehen nur die für ihren Lernpfad relevanten Themen, die sie in beliebiger Reihenfolge bearbeiten können. Die Realisierung der zuvor beschriebenen alternativen Lernzugänge setzt voraus, dass auf die verschiedenen Inhalte zweckbezogen und in unterschiedlichen Kontexten zugegriffen werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass die Inhalte modular strukturiert und möglichst granular aufbereitet sind. In LogEduGate wurde deshalb als kleinster in die Plattform einzustellender Inhaltsmodul die Lerneinheit definiert. Lerneinheiten sollen die zielgruppengerechte Präsentation eines bestimmten (abgegrenzten) Lerninhaltes ermöglichen und die Erreichung eines definierten Lernzieles unterstützen. Da jede dieser Lerneinheiten inhaltlich in sich abgeschlossen ist und damit sowohl alleinstehend verwendbar, als auch mit anderen Lerneinheiten koppelbar ist, kann jedes Lernmodul tatsächlich über unterschiedliche Zugangspfade erreicht werden 2. Dortmunder Bildungsforum LogEduGate = Logistics Education Gate 29 Bild 2: Zugangspfade in LogEduGate Die Realisierung gemäß Bild 3 beinhaltet neben weiteren Aspekten insbesondere die Abbildung folgender originärer Anforderungen: Kommunikation: neue, dialog- und sozialorientierte Kommunikationsformen, die orts- und zeitunabhängig genutzt werden können. Projekt- / Gruppenarbeit: Vernetzung der interdisziplinären Teilbereiche / vielfältigen Interdependenzen, Darstellung von Abhängigkeiten und Zusammenhängen Wissensvertiefung: Einsatz multimedialer Instrumente im Vorlesungs- und Übungsbetrieb, Vermittlung fachübergreifender Kompetenzen der angehenden Logistiker. Information: universitätsübergreifender, orts- und zeitunabhängig nutzbarer Wissenspool für die Aus- und Weiterbildung in der Logistik Übung: Integration industrieller Simulations- und Animationswerkzeuge sowie audio-visueller Elemente. Einbezug von Experten, z.B. als Experteninterviews in Chatrooms. Sachlogischer Zugang Information Problem- orientierter Zugang Projekt / Lern- logischer Zugang 2. Dortmunder Bildungsforum LogEduGate = Logistics Education Gate 30 Bild 3: Realisierungsaspekte der Plattform Das vorliegende Projekt wird in der Entwicklungsphase (August 2001 bis Dezember 2003) durch das BMB+F16 unterstützt. Bis Mitte 2002 wurden die ersten Teilmodule entwickelt und validiert . Bis zum Projektende 2003 werden insgesamt 13 Lehrstühle der Universitäten Dortmund, Magdeburg und Stuttgart Wissensinhalte beigesteuert haben, unterstützt durch das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund sowie die Deutsche Logistik Akademie in Bremen. 16 Forschungsprojekt gefördert vom BMB+F im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms „Neue Medien in der Bildung“, Förderkennzeichen 08 NM 151 2. Dortmunder Bildungsforum 31 Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen durch Rollen und Prozesse Weiterentwicklung der kollaborativen Lernumgebung KOLUMBUS - Dr. Andrea Kienle; Angela Carell; Prof. Dr. Thomas Herrmann; Carsten Ritterskamp; Helge Schneider {andrea.kienle; angela.carell; thomas.herrmann; carsten.ritterskamp; helge.schneider}@uni- dortmund.de Fachgebiet Informatik und Gesellschaft, Fachbereich Informatik, Universität Dortmund Einleitung Computergestütztes, interaktives Lernen mit Hilfe neuer Medien lässt sich nach zwei grundsätzlich verschiedenen Ansätzen unterscheiden. Der eine wählt die zu vermittelnden Inhalte als Ausgangspunkt, die so aufzubereiten sind, dass sie elektronisch abrufbar sind und interaktiv durch einzelne Lernende erarbeitet werden können. Dieser Ansatz zielt auf multimediale Produkte ab, deren Erstellung sich als höchst aufwendig erweist: Es reicht nicht einfach, vorhandene Texte oder Foliensammlungen „ins Netz“ zu stellen. Da die Lernenden längere Phasen auf sich selbst gestellt sind und sich mit dem Stoff auseinandersetzen sollen, ist ein besonderes mediendidaktisches Design erforderlich. Die grafische Aufbereitung der Materialien und die Erstellung von Animation sind ebenso unerlässlich wie die Bereitstellung besonderer Interaktionsmöglichkeiten, durch die eine Rückmeldung zum Lernerfolg ermöglicht wird und der Stoff bedarfsweise vertieft werden kann. Die Produktion solcher multimedialen Lehreinheiten wurde in den letzen Jahren mit großem Aufwand gefördert. Dabei wurde oft übersehen, dass nicht nur ein Produkt gefragt ist, sondern eine kontinuierliche Dienstleistung: Die E-Learning Produkte müssen regelmäßig an die Lernenden verteilt werden, ihr Einsatz bedarf eines Change Managements und zu dem Einsatz sollte Beratung geleistet werden. Zudem müssen die Inhalte kontinuierlich aktualisiert werden, es muss immer wieder eine Anpassung an sich verändernde Lehrpläne erfolgen. Schließlich ist der Lernerfolg zu evaluieren. Die Fortentwicklung der technischen Plattformen erfordert genauso eine Fortentwicklung des Produktes wie der sich verändernde Kontext seines Einsatzes. Der Aufwand für diese Dienstleistungen wurde unterschätzt, so dass trotz hohem Fördermitteleinsatz der kontinuierliche Einsatz und der Erfolg neu entstandener multimedialer Lehreinheiten nachhaltig in Frage stehen. Der andere Ansatz geht von vornherein davon aus, dass die zu lehrenden Wissensinhalte sowie Art und Zweck ihrer Darstellung einem kontinuierlichen Wandel unterworfen sind, der organisiert werden muss und der bei einer Unterstützung von Lernprozessen mittels elektronischer Medien zu beachten ist. Hier herrscht die Sichtweise vor, dass nicht die zu lernenden Inhalte, sondern die Materialien, die einen an Aufgaben orientierten Lernprozess unterstützen, in elektronischer Form verfügbar sind. Dabei ist es Aufgabe eines kooperativen Lehr-Lernprozesses, gemeinsam zu recherchieren um geeignete Materialien (etwa im World Wide Web) zu finden, sie aus der Sicht mehrerer Individuen zu kombinieren und in den Lernkontext einzupassen; ebenso ist ihre Darstellung entsprechend dem Lernziel zu optimieren. Die Hauptrolle vernetzter Computersysteme besteht dabei darin, diese Koopera- tionsprozesse zu unterstützen. Dieser Ansatz wurde unter dem Stichwort Computer Supported Cooperative Learning (CSCL) [1] etwa Mitte der Neunzigerjahre entwickelt und hat zur Bildung eines wissenschaftlichen Fachgebietes mit exponenzieller Zuwachsrate geführt. Theoretisch lag dieser Entwicklung die Einsicht zu Grunde, dass in Lernprozessen in 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 32 der Regel mehrere Lernende ihre individuellen Sichtweisen und Perspektiven auf einen Lerngegenstand austauschen und sich im Sinne konstruktivistischer Lerntheorien so aktiv individuelles Wissen aufbauen. Der Vorteil dieses zweiten Ansatzes besteht darin, dass er die Vielfalt der in elektronischer Form vorliegenden Materialien besser ausnutzt, die Dynamik der zu vermittelnden Inhalte stärker berücksichtigt und auf die Stärken kollaborativen Lernens in Gruppen (z.B. Lernen in sozialen Kontexten, Hinterfragen eigener Vorstellung durch das Kennenlernen der Perspektive anderer, kritisches Auseinandersetzen mit anderen Meinungen) eingeht. Unsere Arbeit steht in der Tradition des zweiten Ansatzes. Dazu wurde die kollaborative Lernumgebung KOLUMBUS entwickelt. Die Konzeption und Evaluation von KOLUMBUS wurde in zahlreichen nationalen und internationalen Veröffentlichungen publiziert. Die ausführlichste Darstellung findet sich in [2]; für zu Grunde liegende Konzepte sei an dieser Stelle zudem auf [3], für die Konzeption auf [4], für die Evaluation auf [5] und [6] verwiesen. Die Ergebnisse der Evaluation von KOLUMBUS flossen in die Weiterentwicklung von KOLUMBUS ein, die Gegenstand dieses Beitrages ist. Insbesondere werden die erzielten Evaluationsergebnisse in diesem Beitrag unter dem Aspekt der Förderung des selbstgesteuerten Lernens in CSCL-Umgebung einer Sekundäranalyse unterzogen. Dazu wird zunächst der theoretische Hintergrund zum selbstgesteuerten Lernen beleuchtet, bevor die Evaluationsergebnisse dargestellt und diskutiert werden. Anschließend werden Förderungsmöglichkeiten selbstgesteuerten Lernens durch die Unterstützung von Rollen und Prozesse aufgezeigt und auf deren Konzeption und Umsetzung in KOLUMBUS 2 eingegangen. Der Beitrag endet mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick. Selbstgesteuertes Lernen in CSCL-Umgebungen Eine Form kollaborativen Lernens, bei der in zunehmendem Maße auch Computerunterstützung zum Zuge kommt, sind Seminare. Dabei zeigen Untersuchungen zur Effektivität computergestützter Seminare deutlich, dass diese im Vergleich zu Präsenz- Veranstaltungen in der Regel noch wenig effektiv sind und die Motivation zur aktiven Teilnahme im Verlauf des computergestützten Lernprozesses kontinuierlich absinkt. Als eine der möglichen Ursachen wird diskutiert, dass computergestütztes Lernen ein weit höheres Maß an Selbststeuerung erfordert als das Lernen in real-präsenten Lernarrangements; die Lernenden aber nicht oder nur in unzureichendem Maße über die dafür nötige Kompetenzen verfügen. Ziel dieses Abschnittes ist es, die im Rahmen der Evaluation von KOLUMBUS gemachten Beobachtungen vor dem Hintergrund des selbstgesteuerten Lernens in CSCL- Umgebungen zu analysieren, zu interpretieren und Unterstützungsmöglichkeiten abzuleiten. Dazu wird zunächst auf einige theoretische Aspekte des selbstgesteuerten Lernens eingegangen. Selbststeuerung lässt sich sowohl unter einer Kompetenz- als auch unter einer Prozess- Perspektive betrachten. Unter einer Prozessperspektive kann Selbststeuerung nach Knowles (1975) als Prozess verstanden werden „… in which individuals take the initiative, with or without the help of others, in diagnosing their learning needs, formulating their learning goals, identifying human and material resources for learning, choosing and implementing appropriate learning strategies, and evaluating learning outcomes” ([7], S. 18). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Lernende völlig losgelöst von einer ihnen durch einen Lehrenden gestellten Aufgabe agieren. Vielmehr setzt sich Lernen immer aus Elementen der Fremd- und Selbststeuerung zusammen [8], wobei die Anteile je nach Aufgabenstellung und Lernkontext variieren können. Beim kollaborativen Lernen sind die Anteile der Selbststeuerung aufgrund der umfassenderen Aufgabenstellung und dem Ziel, ein gemeinsames Arbeitsergebnis zu erstellen, i.d.R. sehr hoch. Allerdings können hier auch Konflikte zwischen der Selbststeuerung der Gruppe und der des individuellen Lerner kommen. Beim individuellen wie kollaborativen Lernen müssen dabei die drei Phasen Planung, Durchführung, Bewertung im Sinne eines iterativen Prozesses durchlaufen werden 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 33 [9]. D.h., es müssen innerhalb einer gestellten Aufgabe individuelle und Lernziele der Gruppe definiert, ein Zeitplan für die Zielerreichung erstellt und der Zielerreichungsgrad bewertet und ggf. spezielle Korrekturen des Prozesses eingeleitet werden. Unter der Kompetenzperspektive kann Selbststeuerung in Anlehnung an Wild [10] und Weinstein und Mayer [11] als die Bereitschaft und Fähigkeit beschrieben werden, den selbst zu steuernden Lern- und/oder Arbeitsprozess effektiv zu gestalten. Hier lassen sich eine kognitive und eine motivationale Komponente differenzieren. Erstere verweist auf die Selbststeuerungsfähigkeit (Können), letztere auf die Selbststeuerungsbereitschaft (Wollen). Die Selbststeuerungsfähigkeit umfasst Strategien zur Selbststeuerung (Verhaltensweisen und Kognitionen), die intentional zur Beeinflussung des Wissenserwerbs bzw. zur Lösung einer Aufgabe eingesetzt werden. Diese können sowohl Verhaltensweisen als auch Kognitionen umfassen, die Lernende intentional zur Beeinflussung ihres Wissenserwerbs einsetzen [11]. Allgemein werden hier kognitive, metakognitive und ressourcenorientierte Strategien unterschieden. Selbststeuerung ist jedoch nicht allein eine Kompetenz oder „Eigenschaft“ des Lernenden, sondern immer auch Ausdruck eines spezifischen Lernkontextes bzw. an einen spezifischen Lerninhalt (Lerndomäne) gebunden und nicht ohne weiteres auf einen anderen Bereich transferierbar [8]. Selbstgesteuertes Lernen innerhalb einer Gruppe bedeutet, dass Selbststeuerung nicht nur das individuelle Bearbeiten einer Aufgabe umfasst, sondern auch in der Gruppe erfolgen muss. D.h. neben der Steuerung des individuellen Selbststeuerungsprozesses und der dazu erforderlichen Kompetenz muss der individuelle Prozess mit dem Prozess der gesamten Gruppe koordiniert werden. Dies bedeutet für jeden Lernenden u.a. Verantwortung für den Arbeits- und Lernprozess der Gruppe zu übernehmen, mit anderen Gruppenmitgliedern zusammenzuarbeiten und die Arbeitsergebnisse abzustimmen. Auch die Gruppe muss deshalb einen Selbststeuerungsprozess etablieren und die dafür notwendige Kompetenz aufbauen. Schließlich findet das Lernen beim CSCL im Rahmen einer computervermittelten Lernumgebung statt. Durch die spezifischen Eigenschaften der technischen Lernumgebungen kann das selbstgesteuerte Lernen unterstützt oder behindert werden. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 34 Abbildung 1: Modell zum selbstgesteuerten Lernen in kollaborativen Lernumgebungen Untersuchungen zur Selbststeuerung von Studierenden in Face-to-Face-Lernsituationen ergeben, dass diese ohne entsprechende Anleitung oftmals keine elaborierten Strategien zur selbstständigen Aneignung von Lernstoff entwickeln [10]. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass Kompetenzen zur Selbststeuerung, die Studierende in Face-to- Face-Seminaren zeigen, nicht ohne Weiteres auf den Bereich des computergestützten Lernens übertragen werden (können). So müssen Lernende für das kollaborative Erarbeiten von Inhalten z.T. neue Kompetenzen entwickeln, da ihnen diese spezielle Art des Lernens in der Regel wenig vertraut ist bzw. im Studium nicht vermittelt wird. Beim computergestützten Lernen müssen diese Aktivitäten zusätzlich in einem unvertrauten (weil computervermitteltem) Lernsetting durchgeführt werden. Damit computergestützte kollaborative Lernprozesse effektiv und erfolgreich sind, muss deshalb die Entwicklung entsprechender Selbststeuerungskompetenz und -prozesse in CSCL-Umgebungen adäquat unterstützt werden. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 35 Evaluation Die kollaborative Lernumgebung KOLUMBUS wurde im Rahmen der Dissertation von Andrea Kienle umfangreich evaluiert [2]. In diesem Beitrag gehen wir auf ausgewählte Evaluationsergebnisse ein und werten sie unter dem speziellen Blickwinkel der Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens sekundäranalytisch aus. Insbesondere beziehen wir uns zum einen auf den Einsatz von KOLUMBUS in einem in Pflichtseminar „Folgen der Informationstechnik“, das für Ingenieurinformatiker im Sommersemester 2001 vom Fachgebiet Informatik und Gesellschaft angeboten wurde. An diesem Seminar nahmen 16 Studierende und zwei Lehrende teil. Aufgabe der Studierenden war es, ein Referat auszuarbeiten und zu präsentieren. In diesem Zusammenhang mussten sie zu ihrem Referatsthema eine Kurzbeschreibung erarbeiten sowie die Kurzbeschreibungen der anderen Studierenden reviewen. KOLUMBUS wurde zur Unterstützung dieses Reviewprozesses eingesetzt. Mit allen Beteiligten wurden Einzelinterviews geführt. Darüber hinaus wurden die Logfiles ausgewertet. Zum anderen wurde KOLUMBUS in einem Aushandlungsexperiment erprobt. Die Teilnehmer sollten ihre bisherige Arbeit in einer Arbeitsgruppe in Kleingruppen mit jeweils drei bis fünf Personen mit Hilfe von KOLUMBUS asynchron reflektieren und diskutieren. Ziel war es, Themen für ein gemeinsames Arbeitsgruppentreffen auszuhandeln. Es wurden teilnehmende Beobachtungen und mit jeder Gruppen ein Gruppeninterview durchgeführt. Ergebnisse Im evaluierten Seminar (Evaluation 1) war der Lernprozess sehr stark fremdbestimmt und von den Lehrenden vorstrukturiert. Die Lehrenden erstellten in der Lernumgebung KOLUMBUS eine auf das Seminar abgestimmte Inhaltsstruktur, bauten ein Archiv für unterstützende Materialien auf und legten den Zeitplan des Seminars fest (z.B. Abgabetermine). Darüber hinaus übernahmen sie die Moderation von Diskussionen während des Nutzungsprozesses. Lediglich auf der Durchführungsebene (vgl. Abb. 2) hatten die Studierenden größeren Spielraum, ihren Lernprozess selbst zu steuern. Abbildung 2: Beobachtete Probleme beim selbstgesteuerten Lernen in einem kollaborativen Lernprozess (Evaluation 1) Hier fiel es den Studierenden sehr schwer, in der Lernumgebung eine gemeinsame Lern- und Inhaltsstruktur aufzubauen. So waren die Studierenden zwar in der Lage, eine Probleme bei der formalen Strukturierung der gemeinsamen Arbeitsumgebung 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 36 individuelle Struktur für die Ablage ihrer Unterlagen zu entwickeln. Es gelang ihnen jedoch nur durch eine von den Lehrenden vorgegebene Struktur, eigene Inhalte an den Positionen in der Struktur einzustellen, an denen sie auch von anderen wiedergefunden werden. Darüber hinaus orientierten sich die Studierenden in ihrem Verhalten sehr stark an den Lehrenden und deren Vorbildfunktion. Im evaluierten Aushandlungsexperiments (Evaluation 2) hatten die Teilnehmenden weit mehr Spielraum, ihren Gruppenprozess zu steuern als in Evaluation 2. Vorgegeben waren lediglich das Ziel sowie Anfang und Ende der Gruppenarbeit. Es fehlte im Gegensatz zu Evaluation 1 eine ausgezeichnete Moderatorenrolle. Darüber hinaus musste der gesamte Prozess von der Planungs- über die Durchführungs- bis hin zur Bewertungsphase von ihnen selbst gesteuert werden. Die Teilnehmenden hatten hier Schwierigkeiten in der Organisation des gemeinsamen Arbeitsprozesses, die sich vor allem auf die Überleitung zum folgenden Prozessschritt, auf die Zusammenfassung eines aktuellen Diskussionsstandes oder auf Verantwortlichkeiten bzgl. der Initiierung einer Aushandlung bezogen. In den Gruppeninterviews wurden geeignete Funktionalitäten gefordert, die eine Person bei der Steuerung des Diskussions- und Aushandlungsprozesses unterstützen. Es waren aber eindeutige Tendenzen zur Selbststeuerung zu erkennen, da z.B. phasenweise die Rolle des Moderators übernommen wurde oder wechselseitige Aufgabenzuweisungen im Sinne einer Koordination stattfand. Abbildung 3: Probleme beim selbstgesteuerten Lernen in einem Aushandlungsexperiment (Evaluation 2) In beiden Anwendungsfällen wurden Prozessdiagramme eingesetzt, um den Nutzern in der jeweiligen Situation im Vorfeld den Ablauf des Seminars bzw. des Experimentes zu erläutern. Diese Diagramme wurden jedoch nicht nur bei den einführenden Veranstaltungen genutzt, sondern standen selbst als Material in den Arbeitsbereichen zur Verfügung. Die Evaluationen zeigten, dass die Prozessdiagramme halfen, den Studierenden den Ablauf kollaborativen Lernens und den Teilnehmern den Ablauf des Experimentes zu verdeutlichen. Es zeigte sich jedoch, dass auch während der Laufzeit der Nutzungssituation (z.B. des Seminars) den Studierenden der Prozess transparent gemacht und der Prozessstatus vermittelt werden sollte. Dies kann auch kombiniert werden mit einer laufenden Schulung zu speziellen Funktionalitäten der Lernumgebung, die für die jeweilige Phase des Prozesses relevant sind. Eine Transparenz des Prozesses hilft den Nutzern bei der Einschätzung, Probleme den Gruppenprozess zu moderieren Probleme den Gruppenprozess zu verfolgen 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 37 welche Aktivitäten - eigene, aber auch die anderer - folgen und vermittelt ihnen gleichzeitig die Idee kollaborativen Lernens. Konsequenzen für die Weiterentwicklung von KOLUMBUS 2 Die beiden vorgestellten Evaluationen zum Einsatz der kollaborativen Lernumgebung KOLUMBUS verdeutlichen, dass CSCL-Umgebungen selbstgesteuertes Lernen sowohl auf Kompetenz- als auch auf Prozessebene unterstützen müssen. Auf der Kompetenzebene sollte die Umgebung Funktionalitäten bereitstellen, die es den Lernenden ermöglichen, ihre Fähigkeiten zum selbstgesteuerten Lernen aufzubauen und zu erweitern. Dies könnte über den Weg des „Lernens am Modell“ (Bandura) bzw. der Orientierung an Rollenvorbildern realisiert werden. So sind Handlungen i.d.R. rollengebunden, d.h. bspw. ein Moderator eines Diskussionsforums wird sich bzw. sollte sich in der Diskussion anders verhalten als ein Diskutant. Gleichzeitig sind die Rollen, in denen Menschen in einem CSCL-Kontext handeln, aufgrund der Spezifika des Mediums Computer oftmals nur schwer erkennbar, ein Rollenwechsel kaum nachvollziehbar. Wenn eine CSCL-Umgebung das Handeln von Personen in Rollen sichtbar macht, könnten die Lernende die Handlungen der anderen mit den jeweiligen Rollen, in denen sie sich aktuell befinden, in Beziehung setzen, sich daran orientieren und die beobachteten Handlungsweisen reflektieren. Damit würde ein „Lernen am Modell“ möglich. Darüber hinaus könnte über entsprechende Hinweise oder Annotationen an den Rollen über das System vermittelt werden, welche Verhaltenserwartungen an diese Rolle gestellt werden. Auf Prozessebene sollte eine CSCL-Umgebung die Lerngruppe technisch darin unterstützen, ihren gemeinsamen Lernprozess zu planen und zu durchlaufen. In diesem Zusammenhang sollte es möglich sein, dass die Gruppe einen individuellen, auf die jeweilige Aufgabe und Zielsetzung zugeschnittenen Ablaufplan ihres Gruppenprozesses entwickelt, der in der CSCL-Umgebung sichtbar ist. Damit wird für die Gruppenmitglieder eine Orientierung geschaffen, an welchem Punkt des gemeinsamen Lernprozesses sich die Gruppe gerade befindet. Ein rollenbasiertes Erzeugen von unterschiedlichen Perspektiven auf das CSCL- System könnte gleichzeitig dazu beitragen, dass Lernende sich schneller in der Umgebung zurechtfinden und Aufgaben, die ihnen in einer bestimmten Rolle von Lerngruppe übertragen wurden, besser wahrzunehmen. Wie die Unterstützung von Rollen und Prozessen in CSCL- Umgebungen umgesetzt werden kann, möchten wir im Folgenden an unserer Weiterentwicklung KOLUMBUS 2 verdeutlichen. Die Unterstützung von Rollen in KOLUMBUS 2 Die Möglichkeiten der Interaktion und des Umgangs mit Inhalten werden in KOLUMBUS 2 über ein rollenbasiertes Zugriffskontrollsystem bestimmt [12]: Welche Inhalte dem jeweiligen Nutzer angezeigt werden und in welchem Ausmaß auf diese zugegriffen werden kann, ist abhängig von den Rollen, in denen der Nutzer an den Inhaltsbereichen teilnimmt. Im Kontext der Zugriffskontrolle beschreibt eine Rolle Befugnisse und Zuständigkeiten unabhängig von konkreten Akteuren. Den Nutzern des Systems werden unter Berücksichtigung der von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben entsprechend geeignete Rollen zugewiesen. Eine Rolle ist in diesem Sinne als Mittler zwischen einer Menge von Berechtigungen auf der einen und einer Menge von Nutzern auf der anderen Seite zu verstehen [13]. Die Umsetzung rollenbasierter Zugriffskontrollstrategien in KOLUMBUS 2 erleichtert eine in sich konsistente und aufgabenbezogene Vergabe von Befugnissen [14]. Rollen dienen in KOLUMBUS 2 auch der (technischen) Unterstützung von Kooperationsbeziehungen. Auf dem Weg zum Erlangen eines gemeinsamen Verständnisses der Problemstellung und zur gemeinschaftlichen Konstruktion einer Lösung nehmen kollaborativ Lernende unterschiedliche Sichtweisen auf die von ihnen geschaffenen bzw. ihnen zur Verfügung stehenden Materialien ein: Solche Perspektiven strukturieren den Prozess der Konsensfindung auf eine dem Lernen zuträgliche Weise [15]. In KOLUMBUS 2 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 38 werden Perspektiven über das Konzept der Ko-Autorenschaft realisiert, welches um die perspektivdefinierenden Rollen des Autors und des Empfängers herum organisiert ist: mit der Übernahme der Autorenrolle in Bezug auf bestimmte Materialien signalisiert ein Nutzer seine Verantwortung für den Inhalt derselben; sind mehrere Nutzer Autoren eines Elements, so besteht zwischen diesen ein Konsens bezüglich dessen Inhalts. Neben den perspektivdefinierenden Rollen strukturieren weitere Rollen die Interaktion der Nutzer im System. Nutzer können in unterschiedlichen Rollen miteinander agieren, wobei die Rollen in Abhängigkeit der Situation frei gewählt oder aber vom System zugewiesen werden können. Dies soll an Hand der folgenden beiden Beispiele verdeutlicht werden: 1. Eine freie Wahl ist möglich, wenn ein Nutzer sowohl Moderator eines Diskussionsforums als auch Teilnehmer ist. Je nach Situation, muss sich dieser Nutzer dann für eine der beiden Rolle (frei) entscheiden. Die verschiedenen Rollen resultieren hierbei in unterschiedliche Möglichkeiten des Zugriffs auf die Inhalte des Diskussionsforums, welche einem Nutzer in einem idealtypischen Kooperationsprozess nicht zugleich zur Verfügung stehen sollten. Ein Teilnehmer an einer Diskussion beispielsweise kann Beiträge anderer lesen und inhaltliche Beiträge einstellen. Ein Moderator, der als eine organisatorische Rolle definiert wird und für die Lenkung des Diskussionsprozesses zuständig ist, kann der Diskussion keine inhaltlichen Beiträge hinzufügen, dafür aber Inhalte anderer modifizieren oder löschen (z.B. wenn es sich um verbotene Inhalte handelt). Auf Ebene des technischen Systems ist sicherzustellen, dass die zwischen der Rolle des Moderators und der des Diskussionsteilnehmers bestehende wechselseitige Ausschlussbeziehung gewahrt bleibt: KOLUMBUS 2 erlaubt die Definition entsprechender Relationen und trägt ihrer Einhaltung Sorge. 2. Eine zugewiesene Rolle stellt bspw. die des Reviewers eines Foliensatzes dar, wenn von den Veranstaltern eines Seminars ein Review als zu erbringende Leistung definiert wird und sich dann auch in einem Prozessmodell niederschlägt. Das Modell muss an dieser Stelle auch transparent machen, welche Rechte und Pflichten mit dieser zugewiesenen Rolle verbunden sind. Die Zuweisung einer Rolle kann darüber hinaus temporärer Natur sein: auf diese Weise ist z.B. sicherzustellen, dass Nutzer nur innerhalb einer bestimmten Phase des Prozesses in der Rolle des Reviewers agieren und von den damit einhergehenden Berechtigungen Gebrauch machen können. Mit den ihnen zugeordneten Aufgaben, Funktionen und Erwartungen wohnt Rollen im Kontext kollaborativen Lernens ein instruierendes Moment inne, welches in der Lage ist, dem Lernen zuträgliche Verhaltensweisen zu befördern. KOLUMBUS 2 stellt aus diesem Grund Möglichkeiten zu Verfügung, Rollen über die Belange der Zugriffskontrolle hinaus zu beschreiben und diese Charakterisierung den Nutzern des Systems zugänglich zu machen. Weitere Informationen zur Unterstützung von Rollen in KOLUMBUS 2 finden sich in [17]. Prozessmodelle in KOLUMBUS 2 Für jeden Nutzer von KOLUMBUS 2 steht ein eigener Arbeitsbereich zur Verfügung, von dem aus er auch die Inhaltsbereiche seiner Lehrveranstaltungen erreicht (vgl. Abbildung 4). In diesem persönlichen Arbeitsbereich können beispielsweise mögliche Aufgaben, die der Nutzer zu erledigen hat oder Neuigkeiten, die ihn betreffen, dargestellt werden. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 39 Abbildung 4: Die ‚HomeBase’ des Studenten Haiko Mit Bezug auf die Prozesse werden in dem persönlichen Arbeitsbereich Informationen über den Status der Inhaltsbereiche, bspw. Phasen eines Seminars, angezeigt. Phasen implizieren hierbei einen zugrunde liegenden Prozess, der in den Inhaltsbereichen in Form von Diagrammen abrufbar ist. Dieser Prozess soll in KOLUMBUS 2 zudem bereits im Vorfeld genutzt werden, um automatisch eine Inhaltsstruktur zu erstellen, die für die Prozessschritte Ordner anlegt. Darüber hinaus kann der Prozess zur Navigation genutzt werden: durch Anklicken eines Elementes in dem Diagramm springt der Nutzer in den entsprechenden Inhaltsbereich, in dem sich alle zugehörigen Inhalte befinden. Eine solche prozessbezogene Navigation wird durch aktuelle Technologien wie bspw. SVG (Scalable Vector Graphics – eine Sprache zur Beschreibung von zweidimensionalen Grafiken insbesondere Diagrammen auf Basis von XML) möglich. Abbildung 5 visualisiert den Weg von einem SeeMe-Diagramm über eine entsprechende SVG-Repräsentation hin zu einer KOLUMBUS 2 Inhaltsstruktur. Abbildung 5: Erzeugung von Inhaltsstrukturen über Diagramme Login und Rolle Kurse und jeweiliger Status 2. Dortmunder Bildungsforum Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen in kollaborativen Lernumgebungen 40 Konzeptionell soll für diese Arbeiten ein Prozess kollaborativen Lernens zum Einsatz kommen, der teilweise generalisiert und in verschiedenen Lehrformen und für verschiedene Inhalte einsetzbar ist. Dieser Prozess ist in [18] und [2] dokumentiert. Denkbar ist aber auch, dass die Studierenden zu Beginn des Seminars kollaborativ einen gemeinsamen Arbeitsprozess entwickeln und verabschieden, der als Prozessdiagramm dann für die Ablauforientierung in der Gruppe und als Inhaltsstruktur genutzt werden kann. Zusammenfassung und Ausblick Computerunterstütztes, interaktives Lernen mit neuen Medien kann nach grundsätzlich zwei Ansätzen erfolgen. Wir haben uns dafür entschieden, nicht auf die Produktion aufwendiger, multimedial dargestellter Inhalte zu setzen, sondern eine CSCL-Umgebung zu entwickeln, die grundsätzlich inhaltsoffen ist und ein leichtes Einstellen elektronischer Materialien ermöglicht. Unsere Bemühungen richten sich darauf, eine CSCL-Umgebung zu schaffen, die den Prozess des kollaborativen Lernens optimal unterstützt. Hierzu gehört u.a. die gemeinsame Arbeit an Materialien, die Förderung von Wissensintegration über gemeinsame inhaltliche Diskussionen, das Aushandeln von Entscheidungen und der Aufbau und die Förderung von Kompetenzen zum selbstgesteuerten Lernen in CSCL-Umgebungen. Unsere KOLUMBUS-Evaluationen haben die Notwendigkeit aufgezeigt, Rollen und der Prozesstransparenz technisch besser zu unterstützen. Im System KOLUMBUS 2 werden aktuell Lösungsansätze für beide Aspekte konzipiert und sind bereits teilweise umgesetzt. Es wird erwartet, dass dadurch der Aufbau Selbststeuerungskompetenzen bei den Lernenden und die Teilnahme an selbstgesteuerten Lernszenarien adäquater gefördert werden kann. Literatur [1] Koschmann, Timothy D. 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Los Alamitos, Calif. [u.a.] : IEEE Computer Soc., 2003. - ISBN: 0-7695-1874-5, pp.: 33. [7] Knowles, Malcolm S.. Self-Directed Learning : a guide for learners and teachers. Chicago: Association Press, 1975. - ISBN: 0-695-81116-9 [8] Wild, E. ; Hofer, M. ; Pekrum, R.: Psychologie des Lerners In: A. Krapp , Andreas [Hrsg.]: Pädagogische Psychologie. -4., neubearb. Aufl. Weinheim: Beltz PVU, 2001, S. 207-271 [9] Schiefele, U. & Pekrum, R. (1996): Psychologische Modelle des fremd- und selbstgesteuerten Lernens. In: Weinert, Franz E. [Hrsg.]: Psychologie des Lernens und der Instruktion (Enzyklopädie der Psychologie : Themenbereich D, Praxisgebiete : Serie 1, Pädagogische Psychologie ; Bd. 2) Göttingen. Hogrefe, 1996. – ISBN 3-8017-0538-2, S. 249-278 [10] Wild, Klaus-Peter: Lernstrategien im Studium : Strukturen und Bedingungen (Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie ; 16) Münster: Waxmann, 2000. – ISBN 3-89325-791-8 [11] Weinstein, C. E. ; Mayer, R. 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Dortmunder Bildungsforum 42 Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen Anforderungen, Realitäten und Möglichkeiten der Integration Christof Veltmann veltmann@ls10.cs.uni-dortmund.de Lehrstuhl Software-Technologie, Fachbereich Informatik, Universität Dortmund Im Auftrag des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung in NRW wurde vom Lehrstuhl für Softwaretechnologie an der Universität Dortmund (Prof. Dr. Ernst-Erich Doberkat) gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Informations- und Datenbanksysteme an der Universität Paderborn (Prof. Dr. Gregor Engels) eine Studie zu den "Anforderungen an eine eLearning-Plattform – Innovation und Integration" erarbeitet und im April 2002 der Öffentlichkeit vorgestellt [1]. Die Studie soll sowohl kurzfristig zur Beurteilung bereits existierender Systeme, als auch langfristig als Grundlage für die Beratung der Hochschulen bei der Einführung von eLearning-Plattformen dienen. Die Studie dient als Entscheidungshilfe, bzgl. der Fragestellungen: • Anforderungsdefinition an eLearning-Plattformen, • Identifikation von Entwicklungsbedarf, • Bewertung existierender Angebote, • Integration von eLearning in existierende Informations-Infrastrukturen. Anforderungen an eine eLearning-Plattform Im Rahmen der Hochschulorganisation betrifft eLearning eine Vielzahl von komplexen Prozessen und einen sehr heterogenen Kreis von Beteiligten, wie Studierende, Lehrende, Mitarbeiter der Dekanate und Lehrstuhlsekretariate, Mitarbeiter der Hochschulverwaltung, Mitarbeiter der Prüfungsämtern usw. Ein Kernproblem der Definition von Anforderungen an eine eLearning-Plattform ist die Kommunikation zwischen den diversen Beteiligten, die jeweils nur eine sehr eingeschränkte Sicht auf die innerhalb des komplexen Systems Hochschule ablaufenden Prozesse haben. Unterschiedliche Sichtweisen, Schwerpunkte und Vokabulare erschweren diese gemeinsame Arbeit weiterhin. Daneben muss auch berücksichtigt werden, dass bereits heute eine Reihe von Programmen bei der Durchführung und Organisation der Hochschullehre eingesetzt werden. Eine eLearning-Plattform muss sich also in eine bereits existierende, heterogene Infrastruktur integrieren. Für die Studie wurden daher allgemeine Erkenntnisse, Sprachen und Methoden aus dem Bereich des Requirements Engineering für den Bereich der Hochschulen adaptiert und eine grundlegende Strukturierung des Themengebietes vorgenommen. Dadurch wurde erreicht, dass nun eine gemeinsame Kommunikationsgrundlage (eine Ontologie) für die spezifischen Diskussionen innerhalb der Hochschulen vorliegt. Weiterhin wurden Sprachen bereitgestellt und Methoden demonstriert, die Hochschulen in die Lage versetzen, ihre weitergehenden spezifischen Bedürfnisse ermitteln und formulieren zu können. Ein einfaches, fragmentarisches Beispiel für die in der Studie mit Mitteln der Use-Case- Analyse anschaulich dokumentierten Prozesse zeigt Abb. 1. Die Elemente der Use-Cases- Diagramme stellen die jeweils dokumentierten Prozesse als Aktivitäten (Tätigkeiten, activities, use-cases) von beteiligten Personengruppen (roles, actors) mit den betroffenen Daten dar. 2. Dortmunder Bildungsforum Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen 43 Abbildung 1: Beispiel für Use-Case Notation mit Datenabhängigkeiten Es wurden die Lehr-, Lern- und Verwaltungsprozesse untersucht, die dem Lehrbetrieb an Hochschulen zugrunde liegen. Die Studie zeigt hierbei institutionsübergreifende Tätigkeiten und Integrationspunkte. Auf dieser Basis erfolgte die Definition der funktionalen und nicht- funktionalen Anforderungen, die eine eLearning-Plattform erfüllen muss, um die Lehrenden und Lernenden zu unterstützen. Besondere Berücksichtigung fand dabei die Integration in bestehende Hochschulstrukturen. Durch die umfassende Analyse und Dokumentation der eLearning-Prozesse schafft die Studie eine gemeinsame Sprache und Sicht zur Definition von konkreten Anforderungen, die eine Hochschule bzgl. folgender Handlungsschwerpunkte an ein eLearning-System stellt: ⇒ Auswählen von Funktionsbereichen, ⇒ Festlegen von Funktionalitäten, ⇒ Festlegen von nicht-funktionalen Anforderungen (z.B. Standards, Datenschutz, Sicherheit), ⇒ Festlegen von Integrationen. Auf Grundlage dieser individuellen Anforderungsdefinition ist die Hochschule in der Lage, existierend Lösungen zu bewerten, eine geeignete eLearning-Plattform auszuwählen, diese bzgl. der individuellen Anforderungen anzupassen und in die eigene Infrastruktur zu integrieren. Integration von eLearning-Systemen mit Systemen der Hochschulverwaltung Grundproblematik Die Hauptziele des Einsatzes einer eLearning-Plattform sind Effizienzsteigerung und Innovation. Sie sind nur durch die Integration der eLearning-Plattform in die bereits bestehenden Hochschulinformationssysteme erreichbar. Ein Hauptproblem stellt die mehrfache Erfassung und Pflege von Daten dar, die jeweils in den oft isolierten Systemen der einzelnen Institutionen innerhalb der Universität gehalten werden. Redundanz bei den Arbeitsabläufen und Inkonsistenz innerhalb der Daten sind die Folge. Explizite, manuelle Datenabgleiche zwischen den Institutionen und überflüssige Neuerfassung von Daten sind an der Tagesordnung. Lehrende Lerne« » «» Materia abrufe anzeige «» «» Recherch durchführe «» «» Lehrmateri erstelle Lehrmateri distributiere Lehrmateri 2. Dortmunder Bildungsforum Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen 44 Diese Probleme sollen durch eine geeignete Integration der eLearning-Plattform mit den bereits bestehenden Hochschulinformationssystemen vermieden werden. Die bezüglich des Lernens und Lehrens relevanten Dienste und Daten der Verwaltungssysteme sollen innerhalb der eLearning-Plattform konsistent zur Verfügung stehen. Ziele der technischen Integration sind daher • die Reduzierung von überflüssigen, mehrfachen Arbeitsabläufen, • Sicherung der Datenkonsistenz auch bei redundanter Datenhaltung, • die einmalige Datenerfassung an der primären Datenquelle, • und darüber hinaus die systemübergreifende Verknüpfung von Daten zur Realisierung neuer Funktionalitäten. Die zufrieden stellende Lösung der genannten Probleme ist ein wesentlicher Faktor zur Erzielung einer möglichst weitgehenden Akzeptanz bei den Nutzern und Betreibern einer eLearning-Plattfom. Um dies zu erreichen, ist eine Reihe von Voraussetzungen und Kenntnisse nötig: • Organisatorische Voraussetzungen Bei der Integration einer eLearning-Plattform in EDV-Systeme der Universitätsverwaltung geht es darum, akademische Arbeitsabläufe und – techniken mit denen aus einem eher bürokratisch geprägten Umfeld zusammen zu bringen. Wichtig ist nicht nur die technische Integration und die institutionsübergreifende Definition von Arbeitsabläufen und Verantwortlichkeiten, sondern gerade auch die persönliche Kommunikations- und Überzeugungsarbeit zwischen den Institutionen der Hochschulverwaltung, den Fachbereichen, den Rechenzentren und den Bibliotheken. • Kenntnisse über die Möglichkeiten und Restriktionen einer Datenintegration Integration setzt in jedem Fall ein einheitliches Verständnis der Anwender über die gemeinsam benutzten Daten, der verschiedenen Datenbanksysteme und der Datentransfermechanismen voraus. Einheitliche Begriffsdefinitionen und Handhabungsvorschriften für Daten sind die wesentlichen Voraussetzungen, dass die Daten überhaupt von zwei Systemen übereinstimmend (konsistent) verwendet werden können. Technisch manifestiert sich dies in einheitlichen Datendefinitionen und Festlegungen bzgl. Datenformate, Schlüssel bis hin zu einem gemeinsamen Datenmodell. Die genaue Kenntnis dieser Strukturen ist unbedingte Voraussetzung für die Datenintegration. • Kenntnis und Festlegung der relevanten, zu integrierenden Daten der Verwaltungssysteme Zur Reduzierung von überflüssigen, mehrfachen Arbeitsabläufen ist es notwendig, die primären Datenquellen dieser Arbeitsabläufe zu identifizieren und verbindlich festzulegen. Die primären Datenquellen sind die einzelnen Informationssysteme der Dezernate und Institutionen der Universitätsverwaltungen, die primär für die Daten und den damit verbundenen Arbeitsabläufen (Geschäftsprozessen) verantwortlich sind. • Schaffung einer gemeinsamen informationstechnischen Basisinfrastruktur Die Integration einer eLearning-Plattform mit Systemen der Universitätsverwaltung wird wesentlich erleichtert, wenn Standards zur Daten(- bank-)integration, Benutzermanagement (Authentifizierung), Sicherheitsmanagement etc. etabliert und genutzt werden. Integrationspunkte Die Ergebnisse der Studie haben gezeigt, dass die Integration von eLearning-Systemen mit Systemen der Hochschulverwaltung vor allem die organisatorischen Aspekte des Studiums und der Lehre betrifft. Für die verschiedenen Anwendergruppen lassen sich folgende Funktionsbereiche identifizieren: 2. Dortmunder Bildungsforum Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen 45 • Studierende: Stundenplan, Prüfungen, Immatrikulation … • Lehrende: Lehrveranstaltungen, Prüfungen … • Verwaltung: Prüfungen, Immatrikulation, Ressourcen, Informationen … Die einzelnen betroffenen Funktionsbereiche der Hochschulverwaltung lassen sich in der Regel einzelnen Institutionen (z.B. Dezernaten) und ihren jeweils spezifischen IT-Systemen zuordnen. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass sich die Integration auf die Integration der jeweils relevanten Daten reduzieren lässt. Abbildung 2: Identifikation von Integrationspunkten zweier Systeme Abbildung 2 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Am Beispiel zweier Systeme, einem hypothetischen eLearning-System zur Durchführung von Lehrveranstaltungen mit Prüfungsmöglichkeiten und dem System HIS-POS zur Prüfungsverwaltung im akademischen Prüfungsamt, wird im Use-Case-Diagramm gezeigt, welche Aktivitäten von welchen Akteuren in den jeweiligen Systemen erledigt werden. Die einzige Überschneidung der beiden Systeme tritt hier bei den betroffenen Daten auf. Der hier beispielhaft skizzierte Sachverhalt erleichtert zum einen die technische Umsetzung von Integrationen. Zum anderen wird auch die organisatorische Umsetzung erleichtert, da Änderungen in Arbeitsabläufen und Modifikationen in laufenden Systemen bezogen auf einzelne Verwaltungssysteme schrittweise durchgeführt werden können und entsprechend nur einen kleinen Anwenderkreis betreffen. Lehrender Organisator Korrektor/Prüfer «» «» Recherche durchführen «» «» Lehrmaterial erstellen Lerner «» «» Material abrufen/ anzeigen «» «»Recherchen «» «» Material erstellen/ bearbeiten «» «» Über Leistungsstand informieren «» «» Bewertung abgeben «» «» Lehrmaterial distributieren Lehrmaterial Lernmaterial «» «»Korrigieren «» «» Veranstaltung organisieren Gast «» «» Über Personen informieren «» «» Über Lehrangebot informieren «» «» Allgemeine Informationen einholen Prüfungs-// Bewertungs- Studien informationen Raumdaten / Belegung Evaluations daten Personendaten Veranstaltungs daten Personaldezernat Techn. Betriebe Haushaltsdezernat / Organisation Studentensekretariat / Akad. Dezernat Prüfungsamt «» «»Bewerten «» «»Finanzen planen «» «» Personaldaten erheben/pflegen «» «» Strukturen Planen / Darstellen Hochschul- struktur/ Organisation Studierenden- daten «» «» Studium organisieren «» «» Prüfung anmelden « » « » Prüfung dokumentieren «» «» Räume / Gebäude verwalten «» «» Studenten verwalten » »Studienordungverwalten eLearning -Bsp . HIS-POS 2. Dortmunder Bildungsforum Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen 46 Informationssysteme der Verwaltung der Universität Dortmund Um einen Eindruck über die Möglichkeiten bzgl. der Integration von eLearning und Verwaltungsinformationssystemen an der Universität Dortmund zu vermitteln, soll im Folgenden ein tabellarischer Überblick über die hier in der Verwaltung eingesetzten IT- Systeme mit ihren Funktionsbereichen und den für eLearning-Systeme relevanten Datensätzen gegeben werden: Institution IT-System Funktionsbereiche Datenbank Datensätze Studierendensekr etariat HISZUL HISSOS Bewerbung zu Studiengängen, Zulassung, Einschreibung, Rückmeldung, Fachwechsel, Exmatrikulation, Beurlaubung, … Selbstbedienungsfunktionen (Adressänderung, Bescheinigungsdruck, …) Vergabe und Überprüfung von Berechtigungen bei Immatrikulation und Rückmeldung (EDV-Accounts, Bibliothek, ...) Informix gemeinsame Datenbank HISSOS/POS (Prüfungsamt) Studierenden- Stammdaten, Studierenden- Studiengang Prüfungsamt HISPOS Erfassen der Prüfungsleistungen, Prüfungsanmeldung, Erstellen von Prüfungsbescheiden, … Erstellung von Zeugnissen, Erstellen der Bescheinigungen … Selbstbedienungsfunktionen (Prüfungsanmeldung, Noten- verbuchung und Notenabfrage, …) Informix gemeinsame Datenbank HISSOS/POS (Studierenden- Sekretariat) Studierenden- Stammdaten, Studierenden- Studiengang, Leistungsdaten, Prüfungsord- nungsdaten, Prüferdaten Personaldezernat HISSVA Einrichtung von Stellen Stellenbewirtschaftung Einstellen, Betreuen und Ausscheiden von Beschäftigten … Informix Datenbank HISSVA Personaldaten Lehrenden- Stammdaten Technische Betriebe Agiplan BuiSy Philips Telefonanlage Verwaltung der Gebäude und Raumausstattung insbesondere der Raumtechnik, Raumdisposition / -reservierung, Schlüsselverwaltung, Verwaltung der Telefon- und Kommunikationstechnik. Datenbank BuiSy interne Daten Philips- Telefonanlage Raumdaten, Gebäudedaten, Telefonverzeich nis Dezernat für DV- Elektronisches Vorlesungsver Informix, Studierenden 2. Dortmunder Bildungsforum Hochschulinformationssysteme und eLearning Plattformen 47 Institution IT-System Funktionsbereiche Datenbank Datensätze Angelegenheiten, Hochschulplanung HISLSF (Nachfolge ISIS- W3) zeichnis Lehrveranstaltungsorganisation (Raumvergabe, Anmeldungen …) Organisation des Studiums (Stundenplan, Studienplan, Anmeldungen …) Verknüpfung von Lehrveranstaltungen und Studienleistungen (credit points) Lehrendenverzeichnis Forschungsbericht eigene Datenbank HISLSF strukturell an HISSOS/POS angelehnt Integrationen zu SOS/POS und SVA Integration zu BuiSy geplant Import von ISIS+W3 Gleiche Technologie wie Selbstbedienungs -funktionen in SOS/POS (enge Integration geplant) Stammdaten, Studierenden Studiengang Prüfungsord- nungsdaten, Lehrendendate n [1] Doberkat, Engels, Hausmann, Lohmann, Veltmann: Anforderungen an eine eLearning-Plattform –Innovation und Integration-, Studie im Auftrag des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung in NRW, April 2002 http://www.uni-paderborn.de/cs/ag-engels/Papers/2002/Studie_elp.pdf 2. Dortmunder Bildungsforum 48 Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz: Ergebnisse der Evaluation des Projektes Schule & Co. Stefanie Leffelsend leffelsend@ifs.uni-dortmund.de Institut für Schulentwicklungsforschung (IfS), Universität Dortmund Einleitung Bei dem Projekt Schule und Co. handelt es sich um eine gemeinsame Initiative des Ministeriums für Schule Wissenschaft und Forschung des Landes NRW und der Bertelsmannstiftung. 1997 startete das Projekt mit der allgemeinen Zielsetzung die Lern- und Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen in Schulen der Zielregionen Herford und Leverkusen zu verbessern [1]. Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, wurden zunächst drei thematische Handlungsfelder benannt, in denen konkrete Maßnahmen eingeleitet wurden: a) Verbesserung der Kooperation und Führung innerhalb der Schulen b) Verbesserung der Kooperation der Schulen mit dem Umfeld c) Verbesserung der pädagogischen Arbeit. Die ersten beiden Handlungsfelder sind dem Bereich der Schulentwicklung zuzuordnen. Handlungsleitende Ziele waren diesbezüglich die qualitätsorientierte Selbststeuerung der Schulen bzw. die Entwicklung regionaler Bildungslandschaften und geeigneter Unterstützungssysteme. Das dritte Handlungsfeld bezieht sich hingegen auf Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung, und verfolgt letztlich das Ziel, das eigenverantwortliche und situationsangemessene Lernen der Schüler/innen zu verbessern. Auf diesem Bereich liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit. Im Sommer 2002 wurde das Projekt nach fünfjähriger Laufzeit beendet. Im Rahmen der Projektevaluation wurde unter anderem eine quantitative Schülerbefragung durchgeführt, um die Auswirkungen der Unterrichtsentwicklung aus Schülersicht zu beleuchten. Im Rahmen dieses Artikels wird ein kleiner Ausschnitt der Ergebnisse dieser Evaluation vorgestellt. Unterrichtsentwicklung im Projekt Schule & Co. In Schule & Co. wurde Unterrichtsentwicklung als ein kontinuierlicher Prozess begriffen, der auf Ebene der Lehrer/innen ebenso ansetzen muss wie bei den Schülerinnen und Schülern. Dahinter steht die Idee, dass das langfristige Ziel der verbesserten Lernkompetenzen und Leistungen auf Schülerseite nur dann erreicht werden kann, wenn auch die Lehrkräfte diese Kompetenzen zuvor a) selbst erworben haben und b) ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln können. Eine zentrale Größe der Unterrichtsentwicklung stellte das Training von methodischen Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen dar. Aufbauend auf einem bereits erprobten Konzept von Klippert [2] wurden schrittweise systematische Trainingsmaßnahmen von den Lehrkräften in Teams erarbeitet und anschließend in den Schulalltag integriert. Die Lehrer/innen nahmen also zunächst selbst an Fortbildungen teil, in denen ihnen die Grundideen der Trainings so vermittelt wurden, dass sie später in der Lage waren, (a) eigene, an die inhaltlichen Bedürfnisse ihrer individuellen Schülerschaft angepasste Trainings zu entwickeln, und (b) diese Trainings in geeigneter und altersangemessener Form in der Schule durchzuführen. Die zunehmende systematische Durchführung von Schülertrainings an den einzelnen Schulen sollte durch sogenannte Pflegemaßnahmen unterstützt werden: An das Training anschließend und auch darüber hinausgehend wurde 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 49 angestrebt, die dort erworbenen Kompetenzen in den regulären Unterricht zu übertragen, zu routinisieren und zu vertiefen. Bei aller Freiheit in der inhaltlichen Gestaltung der Trainings, gab es dennoch gewisse Rahmenvorgaben. So wurden zunächst drei verschiedene Trainingsblöcke unterschieden: ⇒ Lern- und Arbeitstechniken ⇒ verbale und nonverbale Formen der Kommunikation ⇒ Teamentwicklung Weiterhin wurde vorgegeben, dass alle Schulen mit dem Trainingsblock „Lern- und Arbeitstechniken“ beginnen sollten. Die inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen Trainingseinheit lag dann jedoch in den Händen der verantwortlichen Lehrpersonen, und sollte situations- und altersspezifisch angelegt sein. So wurden gerade zum Themenblock „Lern- und Arbeitstechniken“ viele verschiedene Einheiten entwickelt. Das reichte von einer Trainingseinheit zum ordentlichen Ablegen von Unterrichtsmaterialien („Lochen und abheften“) in Grundschulen bis zur Vermittlung komplexer Methoden wie Mind-Map- Erstellung oder Literaturrecherche. Anschließend konnten die beiden anderen Trainingsblöcke je nach individuellen Vorlieben angeschlossen werden. Empirische Untersuchung Zielsetzung der Untersuchung Im Rahmen der Gesamtevaluation des Projektes kommt der Schülerperspektive eine besondere Bedeutung zu. Um den Nutzen der Trainingsmaßnahmen und der anschließenden Umsetzung der Trainingsinhalte im regulären Unterricht abschätzen zu können, ist die Wahrnehmung der Schüler/innen von dieser Maßnahme von entscheidender Bedeutung. Was kommt überhaupt bei den Schülerinnen und Schülern an? Wie bewerten sie die Trainings? Von welchen neuerworbenen Kompetenzen berichten sie? Im Rahmen des vorliegenden Aufsatzes stehen die folgenden Fragen im Mittelpunkt: ⇒ In welchem Umfang wurden die Trainings durchgeführt? ⇒ In welchem Umfang fanden Trainingselemente Eingang in den Unterricht? ⇒ Welchen Einfluss haben Trainingsteilnahme und Methodenpräsenz im Unterricht auf verschiedene Schüler- und Klassenmerkmale? Stichprobe Um diesen Fragen nach zu gehen, wurde am Ende der Projektlaufzeit eine quantitative Schülerbefragung durchgeführt. An dieser Befragung nahmen insgesamt 3238 Schüler/innen aus 152 Schulklassen aus 50 Schulen unterschiedlicher Schulstufen und Schulformen in den Regionen Herford und Leverkusen teil. In der Primarstufe wurden Schülerinnen des 4., in der Sekundarstufe 1 Schüler/innen des 7. Schuljahres befragt. Außerdem wurden die Schüler/innen des ersten Jahres am Berufskolleg in die Stichprobe aufgenommen. Die Verteilung der Schüler/innen auf die Schulformen ist in Tabelle 1 dargestellt. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 50 Tabelle 1: Verteilung der Schüler/innen auf Schulstufen Schulstufe / Form Anzahl Schulen Anzahl Klassen Anzahl Schüler Primarstufe 17 42 855 Sek.1 gesamt 23 79 1943 Berufskolleg 5 20 328 Sonderschule 5 11 112 Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse beziehen sich allein auf die Regelschulen im Bereich Primarstufe und Sekundarstufe 1. Da die Analysen auf Ebene aggregierter Klassendaten durchgeführt wurden, wurden Berufskollegs und Sonderschulen auf Grund geringer Fallzahlen von der Analyse ausgeschlossen. Durchführung der Befragung Die Befragung wurde Ende Mai 2002 in den Projektschulen von Lehrerinnen und Lehrern der jeweiligen Steuergruppe durchgeführt. Die Lehrkräfte wurden über die Durchführungsbestimmungen schriftlich informiert. Es wurde darauf geachtet, dass diese Lehrer möglichst nicht selbst in der befragten Klasse unterrichteten. Auf keinen Fall sollten sie Klassenlehrer der von ihnen befragten Klasse sein. Dadurch sollte vermieden werden, dass die Schüler/innen befürchten, ihre Angaben könnten von einem ihrer Lehrer durchgesehen werden. Es wurde den Lehrern freigestellt, ob sie die Items in der Klasse vorlesen und damit die Schnelligkeit des Ausfüllens steuern wollten, oder ob sie die Schüler/innen den Bogen selbstständig in eigenem Tempo bearbeiten ließen. Ergebnisse Welche Trainings wurden durchgeführt? In Tabelle 2 wird aufgeschlüsselt, wie viele Klassen in den beiden Schulstufen laut Angabe der Lehrer/innen die einzelnen Trainingsbausteine absolviert haben. Es wird deutlich, dass bis zum Erhebungszeitpunkt im Mai 2002 am häufigsten ein Training der Lern- und Arbeitstechniken (LAT) durchgeführt wurde. Dies war zu erwarten, da dieser Trainingsblock verbindlich als erste Einheit vorgegeben war. Immerhin 12 respektive 19 % der befragten Klassen hatten noch kein Training absolviert. Auffällig ist der Unterschied zwischen Grund- und weiterführenden Schulen im Bereich Kommunikation. Während gut 60% der Klassen an beiden Schulstufen ein zusätzliches Training zur Teamentwicklung gemacht haben, unterscheidet sich die Durchführungshäufigkeit für die Kommunikationstrainings deutlich. 88% der vierten Grundschulklassen haben ein solches Training durchlaufen, aber nur 47% der siebten Klassen der weiterführenden Regelschulen. Den höheren Trainingseinsatz in den Grundschulen erkennt man auch daran, dass in über zwei Dritteln der Grundschulklassen alle drei Trainingseinheiten bereits durchlaufen wurden, wobei dies nur von 41% der siebten Klassen der Sekundarstufe 1 erreicht wurde. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 51 Tabelle 2: durchgeführte Trainings (laut Lehrerangabe) Anzahl durchgeführter Trainingsblöcke LAT Komm. Team. 0 3 Primarstufe 88% 88% 69% 12% 69% Sekundarstufe 1 81% 47% 60% 19% 41% Interessant ist hier natürlich auch die Frage, welche Kompetenzen den Schülerinnen und Schülern in diesen Trainings vermittelt wurden. Um dies zu klären, wurde eine Reihe typischer Trainingsinhalte zusammengestellt, und die Befragten sollten für jedes „Trainingselement“ angeben, ob sie dies im Training behandelt haben oder nicht. Die Liste der Elemente war an die Schulstufe angepasst. In Tabelle 3 sind die am häufigsten genannten Elemente getrennt nach Schulstufe zusammengestellt. Obwohl nur ein eher geringer Teil der Schüler/innen überhaupt an einem Training zur Teamentwicklung teilgenommen hat, werden Gruppen- und Partnerarbeit als besonders häufige Trainingselemente von Schülerinnen und Schülern beider Schulstufen genannt. Diese Unstimmigkeit kann aus (mindestens) zwei Gründen resultieren: zum einen kann es sein, dass die Schüler/innen zwischen Trainingseinheit und regulärem Unterricht nicht hinreichend gut trennen können; zum anderen erscheint es auch plausibel, dass in den Trainings zur Kommunikation und zur Lern- und Arbeitstechnik ebenfalls Elemente der Gruppen- und Partnerarbeit zur Anwendung gekommen sind. Tabelle 3: häufig genannte Trainingselemente (getrennt nach Schulform) Primarstufe Sekundarstufe 1 Wie man in einer Gruppe zusammenarbeitet 94% Wie man im Text wichtige Stellen markiert 91% Wie man mit einem Partner zusammenarbeitet 91% Wie man in einer Gruppe zusammenarbeitet 90% Wie man unbekannte Wörter nachschlägt 83% Wie man mit einem Partner zusammenarbeitet 84% Wie man etwas frei vorträgt 82% Wie man aus einem Text diewichtigen Informationen herauszieht 84% Wie man Sachen gut auswendig lernen kann 81% Wie man ein Plakat / eine Wandzeitung erstellt 81% In welchem Umfang finden Trainingselemente Eingang in den Unterricht? Die Schüler/innen gaben im Fragebogen an, welche Trainingselemente im Unterrichtsalltag praktiziert wurden. Unter der Fragestellung „Wie oft machst Du diese Sachen im Unterricht?“ wurde ihnen die bereits bekannte Liste mit einzelnen Elementen vorgelegt. Auf einer vierstufigen Häufigkeitsskala konnten sie angeben, wie oft die Elemente im Unterricht vorkommen (1=(fast) nie bis 4=sehr oft). Für die Datenauswertung wurde der Mittelwert über alle abgefragten Elemente ermittelt. Hohe Werte stehen also dafür, dass viele der abgefragten Elemente häufig im Unterricht praktiziert werden, also für hohe Methodenpräsenz im Unterricht. Niedrige Werte ergeben sich, wenn nur wenige Elemente in den Unterricht übernommen wurden. In der nachstehenden Abbildung werden die Mittelwerte zwischen denjenigen Klassen, die mindestens ein Training absolviert haben und denjenigen, die noch kein Training mitgemacht 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 52 haben verglichen. Die grafische Darstellung zeigt, dass sich kein systematischer Unterschied zwischen „trainierten“ und „untrainierten“ Klassen nachweisen lässt (siehe Abbildung 1). Die Mittelwerte liegen nah beieinander, und die Wertebereiche überlappen sich deutlich. Abbildung 1: 1 2 3 4 Prim. Sek.1 fast nie mit Training (63) ohne Training (15) sehr oft mit Training (37) ohne Training (5) Mittelwert 25%-Perzentil 75%-Perzentil 10%-Perzentil 90%-Perzentil Aus diesen Daten lässt sich schlussfolgern, dass die Methodenpräsenz im Unterricht nicht primär von der Trainingdurchführung abhängt. Auch in den Klassen, in denen keine expliziten Trainings durchgeführt wurden, waren die Trainingselemente durchaus im regulären Unterricht vorhanden. Welchen Einfluss haben Trainingsteilnahme und Methodenpräsenz im Unterricht sowie weitere Klassenvariablen auf verschiedene leistungsbezogene Schülermerkmale? Zentrales Anliegen von Schule und Co. war die Verbesserung der Lernleistung und der Methodenkompetenz der Schüler/innen. Leider war es im Rahmen der Evaluation nicht möglich einen objektiven Schulleistungstest einzusetzen. Alternativ dazu haben wir verschiedene Selbsteinschätzungen der Schüler hinsichtlich ihrer schulischen Leistung erhoben, die in der Analyse als abhängige Variable berücksichtigt werden sollten. Im Einzelnen sind dies a) spezifische Methodenkompetenz: die Schüler/innen gaben für die Liste möglicher Trainingselemente auf einer vierstufigen Skala an, wie gut sie dies jeweils können; über die einzelnen Einschätzungen wurde gemittelt, so dass ein Gesamtindex pro Schüler/in resultiert. b) Fähigkeitsselbstkonzept: die Schüler gaben für eine Reihe von selbstbeschreibenden Aussagen (z.B. „Ich bin ein guter Schüler“) auf einer vierstufigen Skala an, wie gut diese auf sie zutreffen. Über die sechs Items wurde der Mittelwert gebildet, so dass ein Skalenwert pro Schüler/in resultiert. Die interne Konsistenz dieser Skala lag bei α=.84 für die Gesamtstichprobe. c) Einsatz von Lernstrategien: Der Einsatz von Lernstrategien ist ein wichtiger Indikator für selbstreguliertes Lernen [3] [4]. Wir erfassten die Häufigkeit des Einsatzes von Elaborations- und Wiederholungsstrategien [5] an Hand der vierstufigen Selbstbeurteilung für 3 Items zum Thema Elaborationsstrategien (z.B. „Ich denke mir Beispiele zum Lernstoff aus“) und 6 Items für Wiederholungsstrategien (z.B. „ich versuche möglichst viel auswendig zu lernen“). Die interne Konsistenz der beiden Skalen lag bei α=.59 für Elaboration bzw. α=.70 für Wiederholung. d) metakognitives Wissen: schließlich erfragten wir das Wissen der Schüler/innen über die eigenen Stärken und Schwächen beim Lernen. Dieses selbstreflexive, metakognitive Wissen ist ebenfalls eine bedeutsame Komponente in Prozessen des eigenverantwortlichen, selbstregulierten Lernens [6]. Auch hier ließ sich eine reliable 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 53 Skala aus Items bilden (α=.63). Ein typisches Item für diese Skala lautet „Ich weiß selbst, wie ich etwas am besten lernen kann“. Auf der Seite der Einflussvariablen, von denen wir Effekte auf die hier genannten Zielvariablen erwarteten, sind natürlich zunächst die Trainingsteilnahme – operationalisiert über die Anzahl absolvierter Trainings – und die Methodenpräsenz im Unterricht zu nennen. Darüber hinaus gibt es aber weitere Merkmale des Klassenkontextes, die hier berücksichtigt werden sollen. So wurde weiterhin erfasst a) Variabilität der Lehr-Lern-Formen: Für eine Reihe unterschiedlicher Unterrichtssettings (vom Frontalunterricht bis zum Einsatz von Wochenplänen) konnten die Schüler/innen angeben, wie häufig diese in ihrem Unterricht vorkommen. Es wurde der Mittelwert über diese Angaben berechnet. Ein hoher Indexwert ergibt sich, wenn die Schüler angeben, dass viele unterschiedliche Formen mit hoher Häufigkeit praktiziert werden. b) Qualität des Lehrerhandelns: Die Einschätzung der Lehrkräfte durch die Schüler mag ebenfalls einen Einfluss auf die leistungsbezogenen Merkmale nehmen. Wir erfassten dieses Konstrukt über sechs Items, die auf die Aspekte Vermittlungskompetenz, Motivierung sowie Diagnose und Förderung abzielen (z.B. „Unsere Lehrer/innen können gut erklären“). c) Anteil deutschsprachiger Schüler: die Leistung der Schüler innerhalb einer Klasse kann auch von soziodemografischen Faktoren abhängen. Als einen relativ leicht zu erhebenden Indikator erfassten wird pro Klasse den Anteil an Schülerinnen und Schülern, die zu Hause (fast) nie deutsch sprechen. In Regressionsanalysen mit klassenweise aggregierten Daten wurden nun die Zusammenhänge zwischen den abhängigen und unabhängigen Variablen untersucht. Dabei führten wir die Berechnungen für die beiden Schulstufen getrennt durch. Diese Vorgehensweise erwies sich als sinnvoll, da die Angaben der Grundschüler/innen in allen Items eine systematische, positive Verzerrung aufweisen. Während die Streuung der Werte innerhalb der beiden Schulstufen vergleichbar sind, liegen die Mittelwerte bei den Grundschüler/innen durchgängig höher. Ergebnisse für die Primarstufe Die Regressionsanalysen zeigen, dass nur zwei der aufgenommenen Prädiktoren einen signifikanten Zusammenhang zu den abhängigen Variablen aufweisen (siehe Abbildung 2). Die Methodenpräsenz im Unterricht erweist sich als signifikanter Prädiktor für den Einsatz der Lernstrategien und die spezifische Methodenkompetenz. Hingegen werden das metakognitive Wissen und das Selbstkonzept als Schüler (also die stärker selbstbeschreibenden Variablen) durch die wahrgenommene Qualität des Lehrerhandelns vorhergesagt. Die Zusammenhänge fallen durchweg positiv aus: der vielfältige Einsatz der Trainingselemente im regulären Unterricht steht mit einem hohen Einsatz der Lernstrategien in Beziehung und führt darüber hinaus zu einer höheren (selbsteingeschätzten) Methodenkompetenz. Andererseits kann ein motivierender Lehrer, der den Stoff gut vermitteln und auf die Schüler individuell eingehen kann, bei den Schülerinnen und Schülern ein positives Fähigkeitsselbstkonzept fördern und darüber hinaus ihre selbstreflexiven Kompetenzen stärken. Insgesamt muss jedoch betont werden, dass die Anpassungsgüte der Regressionsgleichungen nur unzureichend gelingt. Mit Fit-Werten zwischen R2=.19 und .30 ist die Modellgüte nur als subotimal zu bezeichnen. Andere als die hier erfassten Variablen des Klassenkontextes könnten hier zu einer höheren Varianzaufklärung beitragen. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 54 Abbildung 2: Ergebnisse der Regressionsanalyse (Primarstufe) Methodenkompetenz (R2=.30) Trainingsteilnahme Methodenpräsenz im Unterricht Anteil deutschsprachiger Schüler/innen Variabilität der Lehr-Lern-Formen Qualität des Lehrerhandelns kennzeichnen signifikante Zusammenhänge; p < .05 Memorierstrategie (R2=.19) Elaborierstrategie (R2=.22) Selbstreflexivität (R2=.27) Selbstkonzept (R2=.22) Ergebnisse für die Sekundarstufe 1 Noch unspezifischer fallen die Ergebnisse in den weiterführenden Schulen aus (siehe Abbildung 3). Für die beiden Variablen zum Lernstrategieeinsatz und das Schülerselbstkonzept sind die gewählten Prädiktoren nicht in der Lage, einen nennenswerten Anteil der Varianz aufzuklären. Hingegen ergibt sich wie in der Grundschule ein signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen der Methodenpräsenz und der entsprechenden Kompetenz. Wenn zahlreiche Trainingselemente im Unterricht praktiziert werden, schätzen die Schüler/innen ihre diesbezüglichen Kompetenzen hoch ein. Die Methodenpräsenz ist auch für das metakognitive Wissen ein wichtiger Prädiktor. Zusätzlich gibt es einen signifikanten Zusammenhang mit dem Anteil deutschsprachiger Schüler. Das Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen ist in den Klassen im Durchschnitt besonders hoch ausgeprägt, in denen vielfältige Trainingselemente im Unterricht praktiziert werden, und in denen andererseits der Anteil deutschsprachiger Schülerinnen und Schüler besonders hoch ist. 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 55 Abbildung 3: Ergebnisse der Regressionsanalyse (Sekundarstufe 1) Methodenkompetenz (R2=.43) Trainingsteilnahme Methodenpräsenz im Unterricht Anteil deutschsprachiger Schüler/innen Variabilität der Lehr-Lern-Formen Qualität des Lehrerhandelns kennzeichnen signifikante Zusammenhänge; p < .05 Memorierstrategie (R2=.04) Elaborierstrategie (R2=.05) Selbstreflexivität (R2=.32) Selbstkonzept (R2=.08) Diskussion Generell zeigen die Ergebnisse der Schülerbefragung, dass die Teilnahme an den Trainings innerhalb des Projektes recht hoch ausfiel. Insbesondere an den Grundschulen absolvierten viele Klassen des vierten Schuljahres sogar alle drei Trainingsblöcke. Andererseits ist es bemerkenswert, dass selbst in den Klassen, in denen keine Trainings durchgeführt wurden, die typischen Trainingselemente durchaus im regulären Unterricht praktiziert werden. Wie lässt sich dieser Befund interpretieren? Einerseits kann es sein, dass gerade diejenigen Klassen, in denen schon im Vorfeld der Unterricht durch vielfältige Methoden angereichert war, keine Motivation mehr hatten, ein entsprechendes Training zu absolvieren. Andererseits erscheint auch ein Transfereffekt plausibel: die Lehrer haben durch ihre vorbereitende Fortbildung Wissen um die Trainingselemente und ihre Vermittlung erworben, und haben diese in den Unterricht bereits integriert, bevor das eigentlich Training mit der Klasse stattgefunden hat. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass bei der Analyse der Trainingswirkungen die Methoden- präsenz im Unterricht als wichtige unabhängige Variable berücksichtigt werden muss, stellt sich doch die Frage, ob die Trainings auch über die Nutzung der Trainingskomponenten im Unterricht hinausgehend einen Einfluss auf die leistungsbezogenen Schülermerkmale haben. Dieser Frage gingen wir durch regressionsanalytische Berechnungen nach, wobei wir die auf Klassenebene aggregierten Daten nutzten. Wir überprüften also, welche Zusammenhänge zwischen der durchschnittlichen Schülerleistung pro Klasse und verschiedenen Klassen- und Unterrichtsvariablen bestehen. Die Zusammenhänge fielen relativ schwach aus, doch sind folgende Ergebnisse berichtenswert. Zunächst ist festzustellen, dass die Trainingsteilnahme an sich – erfasst über die Anzahl absolvierter Trainings – mit keiner der erfassten leistungsthematischen Variablen in Zusammenhang steht. Hingegen konnte durch die Methodenpräsenz im Unterricht ein nennenswerter Varianzanteil erklärt werden für die Anwendung von Lernstrategien (in der Grundschule), die spezifische Methodenkompetenz (in Grund- und weiterführender Schule) sowie für das metakognitive, selbstreflexive Wissen (in der Sekundarstufe 1). In den Grundschulen erwies sich die Qualität des Lehrerhandelns als bedeutsam für die Selbstreflexivität und das Schülerselbstbild. Lehrkräfte werden insbesondere in denjenigen Klassen positiv und kompetent wahrgenommen, deren Schüler/innen die eigenen Kompeten- zen gut einschätzen können, und sich gleichzeitig für gute Schüler halten. In den weiterfüh- renden Schulen wird das Ausmaß metakognitiven Wissens hingegen stärker durch Anteil deutschsprachiger Schüler/innen vorhergesagt werden. Hier kann vermutet werden, dass es eine Konfundierung mit der jeweiligen Schulform gibt, liegt doch der Anteil ausländischer 2. Dortmunder Bildungsforum Unterrichtsentwicklung und Methodenkompetenz 56 Schüler/innen in den Hauptschulen mit fast 45% gut drei mal so hoch, wie in den teilnehmen- den Gymnasien mit 13%. Möglicherweise spielt die Vermittlung von metakognitivem, selbst- reflexivem Wissen in den Hauptschulen eine weniger bedeutsame Rolle als in den Gymnasien. Insgesamt konnte sich in diesen Auswertungen die Bedeutung der Trainingseinheiten für die leistungsthematischen Selbsteinschätzungen der Schüler/innen nicht bestätigen. Hingegen erwies sich der Einsatz der Trainingsbestandteile in den Unterricht als eine Variable, die mit positiven Leistungskennwerten einhergeht. Daraus die Folgerung zu ziehen, dass die durch das Projekt Schule und Co. angeregte Form der Unterrichtsentwicklung durch den Einsatz von Trainings erfolglos war, erscheint jedoch zu kurz gegriffen [7]. Zum einen ist auf die „Weichheit“ der Daten hinzuweisen, basieren doch alle Kennwerte auf Selbsteinschätzungen der Schüler/innen. Gleichzeitig konnten wir nur eine interne Differenzierung der Projektschulen vornehmen, „echte“ Kontrollschulen, die am Projekt gar nicht beteiligt waren, gab es nicht. Dies impliziert, dass zumindest die Lehrkräfte über die Inhalte und prinzipiellen Möglichkeiten der Trainings informiert waren. Transfereffekte sind daher nicht auszuschließen. Ohne die Entwicklung der Trainingsprogramme, wäre die Vielfalt der Methoden im Unterricht möglicherweise in allen Klassen geringer ausgefallen. Insofern ist zu vermuten, dass die Trainings eher einen Stein ins Rollen bringen konnten, der dann auf vielfältige Weise indirekte Effekte nach sich ziehen konnte, als dass sie für sich genommen bereits die entscheidende, direkte Wirkungsgröße darstellten. Literatur: [1] Klippert, Heinz ; Lohre, Wilfried [Hrsg.]:Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur : pädagogische Schulentwicklung in den Regionen Herford und Leverkusen. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 1999. – ISBN 3-89204-409-0 [2] Klippert, Heinz: Pädagogische Schulentwicklung : Planungs- und Arbeitshilfen zur Förderung einer neuen Lernkultur. Weinheim : Beltz, 2000. – ISBN 3-407-62405-0 [3] Boekarts, M. (1999). Self-regulated learning: Where we are today. International Journal of Educational Research, 31, 445-457. [4] Artelt, C., Demmrich, A. & Baumert, J. (2001). Selbstreguliertes Lernen. In: Baumert, Jürgen [Hrsg.]: PISA 2000 – Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske & Budrich, 2001. – ISBN 3-8100-3344-8, S. 271-298 [5] Weinstein, C. E. ; Mayer, R. E.: The teaching of learning strategies. In Wittrock, Merlin C. [Hrsg.]: Handbook of research on teaching : a project of the American Educational Research Association. - 3. ed., 6. print. (S. 315-227). New York: Macmillan, 1986. – ISBN 0-02-900310-5, S. 315-327 [6] Pintrich, P.R. ; Wolters, C. ; Baxter, G.:Assessing metacognition and self-regulated learning. In: Schraw, Gregory [Hrsg.]: Issues in the measurement of metacognition. Lincoln, NE: Buros Inst. of Mental Measurements, 2000. – ISBN 0-910674-45-0 [7] Holtappels, H.G. & Leffelsend, S. (2003). Entwicklung überfachlicher Kompetenzen durch Schülertrainings und Unterrichtsentwicklung (Forschungsbericht). Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. 2. Dortmunder Bildungsforum 57 Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des Partizipativen Produktivitätsmanagement (PPM) Dr. Daniel Sodenkamp (unter Mitarbeit von Prof. Dr. Uwe Kleinbeck, Sven Hollmann, Thomas Berg & Britta Ahringhoff) {sodenkamp;kleinbeck;hollmann;berg;ahringhoff}@fb14.uni-dortmund.de Lehrstuhl für Angewandte Organisationspsychologie, Fakultät Humanwissenschaften und Theologie, Universität Dortmund Was bedeutet Dienstleistungsarbeit? Wozu ist sie notwendig? Der Begriff der Dienstleistung ist vergleichsweise jung und markiert das veränderte Verständnis im mittlerweile abgeschlossenen Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt. Noch lange nicht an einem Endpunkt angelangt ist dagegen die Gestaltung der „perfekten“ Dienstleistung, die einen Kunden so nachhaltig und dauerhaft zufrieden stellt, dass er „immer wieder kommt“. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine fortdauernde Aufgabe, die möglicherweise nie zu einem endgültigen Abschluss gelangt. Der Begriff „Dienstleistungsarbeit“ verleiht diesem im globalen Überlebenswettbewerb notwendigen Prozess daher einen treffenden Ausdruck. Ohne Zweifel muss Dienstleistungsarbeit zuvörderst von einem Unternehmen selbst gestaltet werden. Entscheidungs- und handlungsrelevante Kriterien wie Marktlage, Wettbewerbsfähigkeit der Produkte, Erwartungen der Kunden uvm. kennt niemand besser als das Unternehmen. Ohne Zweifel gibt es aber auch ergänzende Maßnahmen, die den anspruchsvollen Prozess der Gestaltung von Dienstleistungsarbeit erfolgreich begleiten können. Eine solche Maßnahme, das von Dortmunder Organisationspsychologen mitentwickelte „Partizipative Produktivitätsmanagement (PPM)“, wird nachfolgend vorgestellt und am Beispiel zweier Dienstleister erläutert, die die Methode in ihren Organisationen eingeführt haben. Dabei handelt es sich in einem Fall um eine Produktionsabteilung des internationalen Konzerns 3M, der mit einer Palette von über 50.000 Produkten in unterschiedlichen Bereichen tätig ist – vor allem in der Chemie und in life-sciences-Branchen. Im anderen Fall um verschiedene Stationen eines vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe betriebenen psychiatrischen Krankenhauses. Die Unterschiedlichkeit dieser und vieler weiterer Anwendungsfelder, in denen PPM erfolgreich implementiert wurde, zeigt bereits die breite Einsatzbarkeit der Methode (für einen Überblick s. [1]). Um eine Metapher zu verwenden: PPM ist der Stoff, aus dem sich jeder Dienstleister einen passenden Anzug maßschneidern kann, durch den er in die Lage versetzt wird, kunden- und dienstleistungsorientiert zu arbeiten. Wie das geht, wird im Anschluss gezeigt. Zunächst zu den Details der Methode. PPM: Die Methode PPM, im Kern eine Methode zur Messung und Verbesserung der Leistung von Arbeitsgruppen, besteht aus vier aufeinander aufbauenden Schritten, mit deren Hilfe ein eigenes Mess- und Rückmeldesystem für jede teilnehmende Arbeitsgruppe entwickelt wird [2]. Das Gros der zu erledigenden Arbeiten wird durch die Gruppe selbst übernommen, die dabei durch ihren unmittelbaren Vorgesetzten und einen PPM-Moderator unterstützt wird. Zu vorab definierten Zeitpunkten der Systementwicklung finden moderierte Besprechungen mit den nächsthöheren Vorgesetzten statt. PPM integriert also bottom-up und top-down Elemente und baut auf dem Prinzip des sozialen Konsenses innerhalb einer Organisation auf. Die vier Entwicklungsschritte werden nunmehr anhand einer PPM-Gruppe von 3M erläutert, wobei das Beispiel dieser Gruppe im nachfolgenden Abschnitt vertieft wird. 2. Dortmunder Bildungsforum Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des PPM 58 Im 1. Schritt sind zunächst die Aufgabenbereiche einer Gruppe zu identifizieren. Aufgabenbereiche stecken den Rahmen für alle Aktivitäten ab, mittels derer die Gruppe zum Gesamterfolg eines Unternehmens beiträgt. Es ist darauf zu achten, dass hier alle wesentlichen Aufgaben, Funktionen und Pflichten einer Gruppe berücksichtigt werden. Für jeden Aufgabenbereich gilt es im 2. Schritt, einen oder mehrere geeignete Indikatoren zu finden. Dabei handelt es sich um Messgrößen, die anzeigen, wie gut die Gruppe ihre jeweiligen Aufgabenbereiche erfüllt. Indikatoren sind gewöhnlich quantitative Leistungsmaße, können jedoch auch auf eher qualitativen Urteilen beruhen. Das Messsystem einer Arbeitsgruppe des Unternehmens 3M, die mit der Verarbeitung von Schleifpapierbändern beschäftigt ist und PPM eingeführt hat, ist in Tabelle 1 dargestellt. Aufgabenbereiche und Indikatoren sind in den Spalten links abgetragen, wobei für jeden Indikator Ausprägungen zu definieren sind, die besonders schlechte, mittlere bzw. gute Werte darstellen. Diese entsprechend als Minimum, Durchschnittswert oder Maximum bezeichneten Werte sind in der Tabelle 1 nicht abgetragen, um das Beispiel übersichtlich zu halten. Sie dürfen aber auf keinen Fall mit den Produktivitätswerten in den rechten Spalten verwechselt werden, die nun im Zusammenhang der PPM-Bewertungskurven erläutert werden. Tabelle 1: PPM-System einer Gruppe von Produktionsarbeitern bei 3M (verkürzt) ProduktivitätswerteAufgabenbereich Indikatoren Team (T) bzw. über- greifend (Ü) Max Min Produzierte Bänder pro Mannstunde T + 100 - 100 Ergebnis des Qualitätsaudits T + 80 - 80 Einen hohen Ausstoß bei hoher Güte gewährleisten Prozentualer Re- klamationsanteil Ü + 40 - 40 Service intern T + 70 - 70Einen guten Lieferservice sichern Service extern Ü + 45 - 45 Die im 3. Schritt festzulegenden Bewertungskurven beschreiben und veranschaulichen die Beziehungen zwischen den möglichen Ausprägungen der Indikatoren und den damit aus Sicht der Beteiligten verbundenen Produktivitätsbeiträgen. Dazu werden die Indikatoren nach ihrer Bedeutsamkeit für die Gesamtproduktivität einer Gruppe gewichtet. Abbildung 1 zeigt die Bewertungskurve für den ersten Indikator des PPM-Systems der Tab. 1, also für die `Produzierten Bänder pro Mannstunde`. Die horizontale Achse spiegelt den potenziellen Ausprägungsbereich des Indikators wider, der sich nach den Festlegungen der Gruppe von 11 (Minimum) über 16 (Durchschnittswert) bis 19 Bänder (Maximum) erstreckt. Auf der vertikalen Achse sind die jeweiligen Produktivitätswerte abgetragen, die mit den Indikatorwerten einhergehen. Die Produktivitätsskala, die von + 100 (maximale Produktivität) bis – 100 (minimale Produktivität) reicht, weist einen Nullpunkt auf, der dem Durchschnittswert entspricht. Für jeden Indikator ist eine solche Bewertungskurve zu erstellen; die Vorgehensweise wird im Detail von Pritchard et al. [2] beschrieben. 2. Dortmunder Bildungsforum Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des PPM 59 - 1 0 0 - 8 0 - 6 0 - 4 0 - 2 0 0 2 0 4 0 6 0 8 0 1 0 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 P r o d u z i e r t e B ä n d e r p r o M a n n s t u n d e P r o d u k t i v i t ä t Abbildung 1: Beispiel einer Bewertungskurve (dargestellt am ersten Indikator aus Tab. 1) Im abschließenden 4. Schritt sind die mit dem Messsystem ermittelten Daten in ein Rückmeldesystem zu überführen, was die Sammlung und Aufbereitung aller Indikatorwerte über einen bestimmten Zeitraum hinweg voraussetzt. Die beteiligten Gruppen holen anschließend fortlaufend Feedback über ihre Produktivitätsentwicklungen in den einzelnen Indikatoren ein und erkennen so ihre guten und weniger guten Leistungen. Aus dem Feedback erkennen die Arbeitsgruppen Handlungsansätze, durch die sie im folgenden Rückmeldezeitraum Produktivitätsverbesserungen realisieren können. Gestaltung technischer, interner Dienstleistungen mit Hilfe von PPM Zielsetzung In der Regel wird der Dienstleistungsbegriff auf das Verhältnis eines Dienstleistungserbringers (business) zu einem zahlenden Kunden (customer) oder zweier Business-Partner untereinander bezogen. Eine häufig vernachlässigter Aspekt betrifft die interne Dienstleistungserbringung an der Schnittstelle benachbarter Arbeitsgruppen eines Unternehmens. Ziel jeder internen Dienstleistungserbringung muss die Minimierung von Reibungsverlusten bei gleichzeitiger Aktivierung synergetischen Handelns sein. Nicht selten wird dafür die Metapher gewählt, dass Arbeitsgruppen über den eigenen Tellerrand hinausblicken und zusammenarbeiten sollen. Mit dieser Zielsetzung wurde PPM im Schleifmittel-Produktionsbereich des Unternehmens 3M eingeführt [3]. Vor Projektbeginn arbeiteten dort vier Produktionsgruppen relativ isoliert nebeneinander. Da die zu verarbeitenden Bändertypen hinsichtlich bestimmter Merkmale wie Schnittbreite, Material, Körnung usw. recht unterschiedlich waren, war die weitgehende Autarkie jeder Produktionslinie praktikabel, jedoch nicht optimal. Denn die zu erledigenden Verarbeitungsschritte wiesen so viele Gemeinsamkeiten auf, dass eine engere Kooperation der Teams sinnvoll schien und von den Vorgesetzten gewünscht wurde. Damit verbanden sich viele Erwartungen, etwa die einer besseren Kommunikation, eines fachbezogenen Informations- und Wissensaustauschs sowie einer selbstständigen und gruppenübergreifenden Vertretungsregelung. Die betroffenen Gruppen selbst nahmen diese Anregungen positiv auf, weil sie ihrerseits Erwartungen an die Einführung von PPM knüpften, so z. B. eine verbesserte gruppenübergreifende Kommunikation. Die Produktionsgruppen nutzten die Methode zur Formulierung teambezogener und teamübergreifender Indikatoren. Teambezogene Indikatoren dienten zur Messung und Verbesserung der eigenen, d. h. ausschließlich von einer Gruppe selbst beeinflussbaren, Leistung. Für die teamübergreifenden Indikatoren waren dagegen alle vier Produktionsgruppen gemeinsam verantwortlich. Es war den Mitarbeitern bewusst, dass gute Ergebnisse in den teamübergreifenden Indikatoren nur durch eine enge Kooperation und Kommunikation aller vier Teams möglich sein würde. Ein 2. Dortmunder Bildungsforum Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des PPM 60 erster Schritt hierzu war mit der gemeinsamen Aushandlung und von allen Mitarbeitern anerkannten Festlegung der teamübergreifenden Indikatoren getan. Vorgehen Das Vorgehen wird nun am Beispiel der beiden Indikatoren „Service intern“ und „Service extern“ demonstriert, die beide zum Aufgabenbereich „Einen guten Lieferservice sichern“ gehören (s. Tabelle 1). Der interne Service misst die Erledigungsquote einer jeder Gruppe separat vorgegebenen Liste aller innerhalb einer festgelegten Zeitspanne zu erledigenden Aufträge. Dieser Indikator ist von der betreffenden Gruppe beeinflussbar, ohne dass diese hierzu der Hilfestellung oder der Vorarbeiten einer anderen Arbeitsgruppe bedarf. Der Indikator `Service extern` misst den Anteil eingehaltener Terminzusagen gegenüber dem Kunden im prozentualen Verhältnis zu allen angenommenen Aufträgen. Das bedeutet, dass jede einzelne Produktionsgruppe den Erfüllungsgrad dieses teamübergreifenden Indikators zwar mitbeeinflusst, aber eben nicht allein beeinflusst. Vielmehr spiegelt dieser Indikator die Gesamtleistung aller Produktionsteams wider. In der dritten Spalte der Tabelle 1 werden die festgelegten Indikatoren einer der beiden Kategorien zugeordnet (Teambezogen = T bzw. Teamübergreifend = Ü), wobei die Zuordnung durch die Gruppen nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgte. Den teamübergreifenden Indikatoren kommt eine ganz wesentliche Funktion zu, indem sie den Gedanken der internen Dienstleistungserbringung stärken. So muss jede Gruppe ein Verständnis dafür entwickeln, dass sie – neben allen anderen Aufgaben – eben auch eine Dienstleisterfunktion gegenüber jeder benachbarten Arbeitsgruppe zu erfüllen hat. Nur, wenn alle Gruppen dies verstehen und entsprechend handeln, funktioniert die interne Dienstleistungerbringung. Wie gut dies realisiert wird, zeigt sich in den Ergebnissen der teamübergreifenden Indikatoren. Ergebnisse Alle Ergebnisse teambezogener und –übergreifender Indikatoren im Unternehmen 3M sind bei Sodenkamp [3] über einen langjährigen Zeitraum dargestellt und lassen sich wie folgt zusammenfassen. In einem der teamübergreifenden Indikatoren ist eine signifikante Produktivitätsverbesserung infolge der Einführung von PPM festzustellen. Für die beiden weiteren Indikatoren dieser Kategorie ergeben sich tendenziell positive Entwicklungen, die allerdings das konventionelle Signifikanzniveau verfehlen. Zudem werden die Ergebnisse besser, je länger die Rückmeldephase von PPM anhält. Gleichwohl sind die Resultate der teamübergreifenden weniger positiv als die der teambezogenen Indikatoren, die sich nahezu ausnahmslos auch im statistischen Sinn verbessern [3]. Zwei Ursachen könnten hierzu beigetragen haben. Eher spekulativ ist die Annahme, dass teamübergreifende Indikatoren mit Verantwortungsdiffusion einhergehen, da sie vom einzelnen Mitarbeiter zu einem schwächeren Anteil als teambezogene Indikatoren beeinflusst werden. Eventuelles Rückzugsverhalten (etwa social loafing) Einzelner wäre somit bei teamübergreifenden Indikatoren schwerer erkennbar und könnte, ohne dass hierfür jedoch konkrete Hinweise im vorliegenden Feld vorlagen, in diesem Sinn eine Rolle gespielt haben. Eine wahrscheinliche zweite Ursache für die beschriebene Befundlage ist in den Indikatorgewichtungen zu sehen. Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, wurden teambezogene Indikatoren generell höher gewichtet als Teamübergreifende. Dieses Vorgehen fand seine Begründung darin, dass teambezogene Indikatoren unmittelbar und vollständig durch die jeweilige Gruppe beeinflusst werden können, wogegen teamübergreifende Indikatoren nur begrenzt der Kontrolle einzelner Gruppen unterliegen. Es wäre schlichtweg rational, wenn die Gruppen ihr Verhalten so ausgerichtet haben, dass sie eine möglichst gute Gesamtbewertung erzielen und ihr Augenmerk daher zunächst auf die hoch gewichteten, also die teambezogenen, Indikatoren richten. 2. Dortmunder Bildungsforum Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des PPM 61 Trifft der letztgenannte Begründungsstrang zu, wofür einiges spricht, so dürfte sich die verstärkte Beachtung der den internen Dienstleistungsgedanken betonenden teamübergreifenden Indikatoren relativ einfach herbeiführen lassen. Hierzu müssten lediglich die Indikatorgewichtungen (Tab. 1) so verändert werden, dass den teamübergreifenden Indikatoren eine höhere Bedeutung beigemessen wird. Es ist zu erwarten, dass sich das Verhalten der betroffenen Mitarbeiter dann hieran orientieren wird, da sie unverändert nach einer möglichst positiven Gesamtbewertung streben werden. Gestaltung sozialer Dienstleistungen mit Hilfe von PPM Zentrale Merkmale und Probleme der Messung sozialer Dienstleistungen Ein zentrales Problem im sozialen und karitativen Bereich, z. B. in einem Krankenhaus, besteht in der Bestimmung dessen, was die Qualität einer Dienstleistung ausmacht [4]. Anders als in der industriellen Produktion können nicht die Eigenschaften eines materiellen, zeitlich überdauernden Produkts bestimmt werden. Ein wesentliches Kennzeichen sozialer Dienstleistungserbringung besteht darin, dass sie eine begrenzte zeitliche Ausdehnung besitzt, d. h. die Qualität der Dienstleistung kann entweder nur direkt zum Zeitpunkt ihrer Erbringung oder anhand der durch sie hervorgerufenen Effekte geprüft werden. Soziale Dienstleistungen sind nicht standardisierbar: Gute Qualität bedeutet eben nicht, immer wieder die gleichen, bestimmten Normen entsprechenden, Produkte zu erzeugen oder stets die gleichen normierbaren Dienstleistungen zu erbringen. Vielmehr besteht gute Qualität darin, auf bestimmte, nicht genau vorhersehbare Problemlagen, von Hilfsbedürftigen in situationsangemessener Weise flexibel zu reagieren [5]. Schließlich ist ein Merkmal guter Qualität von Dienstleistungsarbeit im sozialen Bereich, dass der Kunde (im Krankenhaus der Patient) – anders als in der Industrie – eben nicht wiederkommt. Das gilt insbesondere für psychiatrische Kliniken, in denen oft Erkrankungen mit vergleichsweise hohen Rückfallquoten zu behandeln sind. Anforderungen an die Messung sozialer Dienstleistungen Hollmann, Schmidt und Vogel [4] leiten aus der hier nur skizzierten Analyse der spezifischen Struktur der Arbeit in Sozial- und Humandienstleistungen fünf Anforderungen an ein System zur Produktivitäts- und Qualitätssteigerung in diesem Bereich ab: • Die Messung sollte vor allem situationsangepasste Reaktionen erfassen und nicht auf die standardisierte Ausführung von Teilschritten fokussieren. • Sowohl die Prozess- wie auch die Ergebnisqualität der Arbeit sollte erfasst werden. • Die verschiedenen Anforderungen, die an Unternehmen im sozialen Dienstleistungs- bereich gestellt werden, müssen abbildbar sein. • Die Anforderungen müssen dabei auch im Verhältnis zueinander abgebildet werden können, „so dass Prioritäten für Qualitätsbemühungen bestimmt werden können“ • Das System sollte die Mitarbeiter motivieren, die Qualität ihrer geleisteten Arbeit zu steigern bzw. zu erhalten. PPM als Methode zur Messung sozialer Dienstleistungen Dieser Anforderungskatalog macht deutlich, dass Ansätze wie z. B. die DIN ISO 9000ff., die auf die Standardisierung von Abläufen durch Kontrolle und Anweisung setzen, nur begrenzt zu einer wirksamen Qualitätssicherung beitragen können. Es fehlt hier vor allem an kurzzyklischen Messungen der Ergebnisqualität; eine effektive Steuerung einer sozialen Organisation wird dadurch eher erschwert. Vor diesem Hintergrund beschreiben Hollmann et al.[4] die Implementierung von PPM als Alternativansatz zur Qualitätssicherung in mehreren Stationen eines psychiatrischen Krankenhauses. Tabelle 2 gibt die Aufgabenbereiche und Indikatoren einer geschlossenen Akutstation dieser Klinik wieder. Tabelle 2: Aufgabenbereiche und Indikatoren eines PPM-Systems für die Beschäftigten einer Akutstation eines psychiatrischen Krankenhauses 2. Dortmunder Bildungsforum Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des PPM 62 Aufgabenbereiche Indikatoren Prozentsatz von Patienten mit Ausgangserlaubnis Begleitung, Betreuung und Behandlung psychisch Kranker in der Krise Prozentsatz der Patienten, bei denen in der Visite sowohl von der Bezugspflegeperson als auch vom Therapeuten und vom Patienten selbst Besserung festgestellt wird Einhalten der gesetzlichen Vorgaben Prozentsatz der Max-Punkte bei Durchsicht der Dokumentationen Anzahl der vorhandenen Pflege- und Therapieplanungen bezogen auf die Anzahl der Planungen, die vorhanden sein sollten Einheitliches und reflektiertes Arbeiten sicherstellen Anzahl der im Team vorgestellten Pflege- und Therapieplanungen bezogen auf die Anzahl der vorhandenen Planungen Transparenz gegenüber der interessierten Öffentlichkeit Prozent der maximal erreichbaren Punkte bei der Befragung von Angehörigen Teampflege Prozentsatz der maximal erreichten Punkte bei der Einschätzung durch das Team Ergebnisse und Erfahrungen Die Erfahrungen mit der Erarbeitung und Anwendung von PPM als Instrument zur Qualitätssicherung in einer Klinik für Psychiatrie zeigen, dass es den Teams möglich ist, Indikatoren zur umfassenden Erfassung der eigenen Arbeitsqualität zu finden [4]. Die klare und mit den Vorgesetzten abgestimmte Definition von Arbeitsaufgaben und deren Gewichtung macht allen Beteiligten deutlich, was für diese Arbeitsgruppe bzw. Station „Qualität“ bedeutet. Die Rückmeldung der gewichteten Qualitätsdaten hilft dem Team bei der effektiven Qualitätssicherung, Prioritäten so zu setzen, dass sich die Anstrengungen der Arbeitsgruppe besonders günstig auf die Gesamtqualität auswirken. Hollmann et al. [4] betonen schließlich, dass es bei der Erarbeitung eines PPM-Systems im sozialen Bereich besonders darauf ankommt, die Sorgen der Arbeitsgruppen, wonach die erhobenen Daten zu Rationalisierungsmaßnahmen genutzt werden könnten, ernst zu nehmen. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Über ihren eigentlichen Zweck zur Messung und Verbesserung der Produktivität von Gruppenleistungen hinaus hat die Methode PPM sich als taugliches Instrument zur Gestaltung von Dienstleistungsarbeit erwiesen. Es empfiehlt sich, Mitarbeiter an der Entwicklung von PPM-Systemen zu beteiligen. Dies lässt eine hohe Zielbindung und aktive Rolle der beteiligten Mitarbeiter bei der Gestaltung von Dienstleistungsarbeit erwarten. PPM ist schließlich einerseits so allgemein und umfassend, dass es auf jede Dienstleistungsbranche anzuwenden ist; andererseits lässt sich die Methode für jede Art der Dienstleistungserbringung maßgeschneidert konkretisieren. 2. Dortmunder Bildungsforum Technische und soziale Dienstleistungsarbeit mit Hilfe des PPM 63 Literatur [1] Pritchard, R. D.; Paquin, A. R. ; DeCuir, A. D.; McCormick, M. J.; & Bly, P. R.; The Measurement and Improvement of Organizational Productivity: An Overview of ProMES. In: Pritchard, Robert D. [Hrsg]: Improving organizational performance with the productivity measurement and enhancement system : an international collaboration. Hauppauge, N.Y. : Nova Science, 2002. - ISBN 1-590-33222-9 [2] Pritchard, Robert D.; Kleinbeck, Uwe ; Schmidt, Klaus-Helmut: Das Managementsystem PPM – durch Mitarbeiterbeteiligung zu höherer Produktivität (Innovatives Personalmanagement ; 2) München : Beck, 1993. – ISBN 3-406-35884-5 [3] Sodenkamp, Daniel: Förderung von komplexen Leistungen durch Ziele und Rückmeldung – Einführung des Managementsystems PPM in einem mittelständischen Betrieb. Dortmund, Univ. Diss, 2002. - http://eldorado.uni- dortmund.de:8080/FB14/lg3/forschung/2002/Sodenkamp/sodenkampunt.pdf [4] Hollmann, S. ; Schmidt, K. H. ; Vogel, K.: Partizipatives Produktivitätsmanagement als Instrument der Qualitätssicherung für soziale Dienstleistungen In: Pflegemagazin, 1 (2000), S. 14-20. [5] Heiner, M.: Selbstevaluation als Qualitätssicherung und Qualifizierung der psychosozialen Arbeit. In: Hermer, Matthias [Hrsg] Evaluation der psychiatrischen [6] Versorgung in der Bundesrepublik : zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Opladen: Leske & Budrich, 1995. - ISBN: 3-8100-1377-3