Klaus Peter Hommes, StB Düsseldorf
Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken zusammen?!
Projektbericht "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken"


"Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken zusammen?!" ist Frage und Auftrag zugleich, der Titel nennt implizit die zwei Hauptaspekte, die im folgenden thematisiert werden:

  1. Können und sollen Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken kooperieren?
  2. Wie kann eine solche Kooperation aussehen?
Der Titel drückt aber auch die Antwort aus: Die Aufgabe der Bibliotheken, Öffentlicher wie wissenschaftlicher Bibliotheken, Bücher, Medien und Informationen für die NutzerInnen bereitzustellen, um so den demokratischen Auftrag des Grundgesetzes zu erfüllen, kann in Zukunft nur durch eine umfassende Kooperation erfüllt werden. Das Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken" leistet für nordrhein-westfälische Bibliotheken hierzu einen entscheidenden Beitrag.

Trotz vereinzelter Ansätze arbeiten Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland am Beginn des Informationszeitalters weitgehend aneinander vorbei. Doch nicht nur die Bibliothekssparten untereinander kooperieren nur selten, auch Kooperationen zwischen Öffentlichen untereinander sind ebenso wie Kooperationen wissenschaftlicher Bibliotheken untereinander noch in einem erheblichen Maße ausbaufähig. Dies gilt sowohl für die kommunale, wie auch für die regionale und nationale Ebene.

Es gibt Ansätze sowohl für spartenspezifische und spartenübergreifende Kooperationen. Das mit Landesmitteln geförderte Sondersammelgebietsprogramm der nordrhein-westfälischen Großstadtbibliotheken gehört hier ebenso dazu wie die mit DFG-Mitteln geförderten Sondersammelgebiete der wissenschaftlichen Bibliotheken. Der regionale und überregionale Leihverkehr beruht auf Kooperationen ebenso wie die regionalen Bibliotheksverbünde, die Zeitschriftendatenbank und die Lekoratskooperation für Öffentliche Bibliotheken. Es gibt mithin gut funktionierende Kooperationen, auch zwischen Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken. soweit scheint also die "virtuelle Bibliothek" aus Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Ordnung zu sein. Die finanziellen Problem der Kommunen und der Länder sowie der technologische Fortschritt erfordern jedoch neue, umfassendere Konzepte für Kooperationen im Interesse der künftigen Sicherstellung des Zugangs zu Informationen für die NuterzerInnen der Bibliotheken.

Die mentale Grenze dieser Kooperationen findet sich u.a. in dem Informationsstand über die jeweils andere Bibliothekssparte. Nur wenige Fachperiodika wenden sich an alle Bibliothekssparten. Mit "ProLibris" gibt es ab 1996 eine gemeinsame Fachzeitschrift in Nordrhein-Westfalen für alle Bibliothekssparten, die helfen soll, die bestehenden Informationsdefizite zu beseitigen. Das weitverbreitete Informationsdefizit über die Aufgaben, Funktionen und Probleme der jeweils anderen Bibliothekssparte führt dazu, daß ungeachtet der anderen realen Probleme, hauptsächlich finanzieller Art - ich komme hierauf noch zurück -, Kooperationsmöglichkeiten nicht erkannt und somit nicht realisiert werden können. Die mentale Grenze, das noch weitverbreitete Insistieren auf instituts- und spartenspezifischen Belangen, ist eine Denkbarriere, die eine zukunftssichere Informationsversorgung der NutzerInnen der Bibliotheken unnötig behindert. Die Verbreitung des Internet in Bibliotheken hat hieran noch wenig ändern können. Dies hängt nicht nur mit dem derzeit noch geringen Verbreitungsgrad von Internet in deutschen Öffentlichen Bibliotheken zusammen.

Das Informationsdefizit ist m.E. besonders gravierend, was kommunale Bibliotheken angeht. Deshalb werde ich zunächst die wesentlichen Aufgaben und Probleme Öffentlicher Bibliotheken benennen, bevor auf dieser Grundlage nach Kooperationsmöglichkeiten gesucht werden kann. Zum Schluß werde ich zukunftsorientierte Ansätze der Kooperation Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken nennen.

1 Aufgaben, Funktionen und Probleme Öffentlicher Bibliotheken

Öffentliche Bibliotheken werden oft mit Kinder- und Jugendbüchern sowie Belletristik assoziiert. Diese Verbindung wird nicht nur im politischen Raum vollzogen, sondern leider auch noch häufig von FachkollegInnen. Die Ursachen sind auf zwei Seiten zu suchen: Zum einen zeigt dies sehr deutlich Defizite der Öffentlichkeitsarbeit der Kommunalen Bibliotheken als Gesamtheit auf, zum anderen das Beharrungsvermögen tradierter Vorstellungen über eine Institution auch bei FachkollegInnen.

Zwar können Zahlen nur begrenzt Aufschluß geben, doch um zumindest die Größenordnung zu verdeutlichen, um die es bei der Informationsversorgung durch die Öffentlcihen Bibliotheken geht, einige Zahlen aus der Deutschen Bibliotheksstatistik, wissend um deren Unzulänglichkeiten:1

1994 gab es 2.134 Öffentliche Bibliotheken mit hauptamtlichem Personal in 4.397 Standorten mit einem Bestand von 106.130.100 Medieneinheiten, der 271.333.550 mal ausgeliehen wurde. Die Bedeutung der Ausleihe wird in dem Vergleich Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken deutlich: Unter den zwanzig ausleihstärksten deutschen Bibliotheken befindet sich gerade eine wissenschaftliche Bibliothek, die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln auf Platz 16. (Tabelle 1)

Tabelle 1: Ausleihe deutscher Bibliotheken 1994
Bibliothek Ausleihe 1994
1 München StB 9534225
2 Hamburg HÖB 9270242
3 Hannover StB 3456458
4 Stuttgart StB 3192337
5 Köln StB 3022730
6 Düsseldorf StB 2868027
7 Dresden StB 2842396
8 Frankfurt StB 2824359
9 Leipzig StB 2499448
10 Essen StB 2388179
11 Duisburg StB 2384945
12 Berlin AGB 2304138
13 Bremen StB 2048342
14 Dortmund StuLB 1926647
15 Nürnberg StB 1889801
16 Köln UuStB 1850144
17 Reinickendorf 1678676
18 Münster StB 1674307
19 Halle StuRegB 1607778
20 Bielefeld StB 1600000

Die Gesamtausgaben von 1.350.477.918 DM enthalten die Ausgaben von 882.646.469 DM für 13.446 Personalstellen sowie für den Erwerb von 6.417.868 Medien in Höhe von 150.679.914 DM. Von den 106.130.100 ME Öffentlicher Bibliotheken sind über 40 % (42.904.079 ME) Sachliteratur. Die Einzelfallbetrachtung verdeutlicht den Bestandsaufbau mit Schwerpunkt Sachliteratur: Die Stadtbüchereien Düsseldorf, 1994 bestehend aus einer Zentralbibliothek und 15 Stadtteilbibliotheken sowie einer Fahrbibliothek, haben bei einem Gesamtbestand von 943.008 ME einen Anteil von über 54 % Sachliteratur (512.545 ME).

Die Zahlen zeigen zumindest eins: Öffentliche Bibliotheken sind gefragt, sie betreiben ein Massengeschäft. Sie erfüllen ihre Aufgabe; Informationen uneingeschränkt öffentlich zugänglich zu machen, mit einem hohen Zuspruch. Jede BewohnerIn in Deutschland hat, statistisch gesehen, über 3 Medien aus Öffentlichen Bibliotheken entliehen. Öffentliche Bibliotheken zählen somit zu den am stärksten konsultierten gesellschaftlichen Einrichtungen in Deutschland. Sie zählen zwar nicht zu dem Bereich der Repräsentationskultur, also der Bühnen- und Museumskultur, sie werden aber wie diese kommunalen Kultureinrichtungen nicht nur von den BürgerInnen der jeweiligen Kommune, sondern auch von BürgerInnen der Region genutzt.

Einzelfalluntersuchungen bestätigen die Benutzerorientierung Öffentlicher Bibliotheken. Die im Sommer 1995 durchgeführte 2. Nutzerbefragung bei den Stadtbüchereien Düsseldorf erbrachte neue aufschlußreiche Erkenntnisse.2 Die Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf wird von Berufstätigen (39,4 %) und Studenten (22,7 %) benutzt, die mindestens einmal im Monat (92,4%) hauptsächlich zwischen 17 und 20 Uhr (55 %) die Bibliothek aufsuchen. Untersuchungen in anderen Kommunen zeigen, "daß Öffentliche Bibliotheken primär von einer breiten Bildungselite genutzt werden".3 Der Bruch mit der Öffentlichen Bibliothek wird nicht wie vielfach behauptet mit dem Eintritt in das Berufsleben nach der Ausbildung vollzogen.

Auf Öffentliche Bibliotheken kommen neue Aufgaben zu, die sie im Interesse einer allgemein öffentlich zugänglichen Informationsversorgung zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben wahrnehmen müssen. Nur Bibliotheken, Öffentliche wie wissenschaftliche bieten die Gewähr, daß mit der rasanten Zunahme elektronischer Informationssysteme und der damit einhergehenden Potenzierung der Informationsflut kein Rückgang der Demokratisierung des Wissens und der Information droht. Der Zugang zu den aktuellen, nur elektronisch verfügbaren Informationsressourcen macht aus dem prinzipiell demokratischen Wissen erneut ein Wissen, das nur unter bestimmten Voraussetzungen erlangt werden kann. Die erforderlichen technischen Voraussetzungen haben finanzielle Implikationen, die die Verfügbarkeit der nur auf diese Weise verbreiteten Informationen einschränkt. Einige, besonders aktuelle, Informationen sind aufgrund der hierfür benötigten technischen Ausrüstung nicht mehr für alle Mitglieder einer Gesellschaft erreichbar.4
Öffentliche Bibliotheken werden von den Kommunen getragen, ohne daß diese hierzu explizit gesetzlich verpflichtet sind, sie zählen zu den sogenannten "freiwilligen kommunalen Aufgaben". Der Stellenwert dieser freiwilligen kommunalen Aufgaben wird deutlich bei der Konsolidierung der Öffentlichen Haushalte. Für die Kommunen ist dies einer der möglichen "Spartöpfe". Die Folgen sind schnell beschrieben: sinkende Erwerbungsetats, Schließung von Stadtteilbibliotheken, mangelnde Investitionen in Gebäude und technische Ausstattung. Die Finanzkrise betrifft nicht allein kommunale Bibliotheken in Klein- oder Mittelstädten, sondern auch Großstädte, sie betrifft nicht nur Öffentliche Bibliotheken, sondern auch wissenschaftliche Bibliotheken. Der Innovationszyklus in den Informationsbereichen, Hardware und Software, ist bekanntlich kurz, Kommunikationswege teuer, die Folge ist, daß besonders Öffentliche Bibliotheken den Anschluß an die aktuelle Informationsversorgung verloren haben.

Der permanente Legitimationsdruck Öffentlicher Bibliotheken innerhalb der Kommunalverwaltungen hat bei den Öffentlichen Bibliotheken zu der Erkenntnis geführt, daß sie initiativ und innovativ sein und werden müssen, um die Institution "Öffentliche Bibliothek" nicht um ihrer selbst willen, sondern im Interesse ihres Auftrags, der umfassenden Informationsversorgung der BürgerInnen, wenn auch verändert fortführen zu können. Trotz des sich verändernden Zugriff auf Medienbestände in Folge der gesellschaftlichen Ausweitung von Internet sehe ich keine privatwirtschaftliche Alternative, die diese Funkktion der Öffentlichen Bibliothek übernehmen könnnte. Ich werde hierauf noch zurückkommen.

Die Haushaltskonsolidierungen führten bei den Kommunen, früher als bei anderen Gebietskörperschaften, zu der Einführung von neuen Organisations- und Steuerungsmodellen. Sehr oft waren Öffentliche Bibliotheken innerhalb der Kommunalverwaltung als Pilotämter beteiligt. Der Mut, neue Strukturen zu erproben und hierbei die bibliothekarischen Kompetenzen in der Informationsgewinnung und -weiterverarbeitung praxisorientiert anzuwenden, haben das Ansehen der beteiligten Bibliotheken innerhalb der Verwaltung gesteigert. Die Kehrseite der Pilotfunktion besteht darin, daß oft Widerstände innerhalb der Kommunalverwaltung überwunden werden müssen, da aufgrund der finanziellen Situation der Kommunen oft nicht genügend Geld zur Weiterqualifikation der kommunal Bediensteten zur Verfügung steht. Der Anschluß an technologische Entwicklungen erfolgt bei den meisten Kommunen verspätet, auch weil der Wissenstransfer nicht wie bei Universitäten institutionell abgesichert ist.

Der momentan günstige publizistische Rückenwind für Bibliotheken, die als Garanten wider den Analphabetismus auch in seinen sekundären und tertiären Formen angesehen werden,5 hat mittlerweile mache Kommunal- und Landespolitiker aufgeschreckt. Öffentliche Bibliotheken werden verstärkt aufgefordert, zu prüfen, inwieweit sie neben der Wahrnehmung ihrer bisherigen Aufgaben auch Internet für ihre BenutzerInnen zugänglich machen können. So weit, so gut, doch der enge Finanzrahmen setzt für die Erfüllung von herkömmlichen und neuen Aufgaben enge Grenzen.

2 Können und sollen Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken kooperieren?

Kooperationen im Leihverkehr und im Aufbau hochspezialisierter Printbestände sind zwischen deutschen Bibliotheken unterschiedlicher Unterhaltsträger seit langem etabliert. Diese Kooperation resultiert aus dem umfangreichen Medienangebot, das keine Bibliothek alleine sichten, finanzieren und aufbewahren kann. Bislang haben diese Kooperationen keine direkten finanziellen Konsequenzen. Der bisher praktizierte kooperative Bestandsaufbau erfolgt zwischen Bibliotheken vergleichbarer Unterhaltsträger, der traditionelle Leihverkehr beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Mit den elektronischen Medien und Kommunikationswegen wird jedoch nicht nur die Informationsflut weiter zunehmen, sondern die bislang vernachlässigbaren juristischen und finanziellen Fragen werden die Kooperationspraxis von Bibliotheken unterschiedlicher Unterhaltsträger bestimmen. Die Finanzierung der Kooperation von Bibliotheken unterschiedlicher Unterhaltsträger ist die entscheidende Aufgabe, die gelöst werden muß, denn eine Alternative zu dieser Kooperation angesichts der Informationsflut sehe ich nicht. Auf Bundes- und Landesebene exitieren mehrere Initiativen, um die Informationsversorgung für die Wissenschaft sicherzustellen.6 Auffallend ist, daß in allen diesem Memoranden Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft mit keinem Wort erwähnt werden. Dies ist umso erstaunlicher, als die universitäre Informationsversorgung ohne die Unterstützung kommunaler Bibliotheken kollabiert wäre. Das gesamtgesellschaftliche Informationsbedürfnis durch die immer stärker werdende Verwissenschaftlichung der Berufswelt und der Alltagsbewältigung kommt in der Nutzungsfrequenz Öffentlicher Bibliotheken jedoch ungleich stärker zum Ausdruck als in der primär für eine Institution arbeitenden Hochschulbibliothek.7

Die Konzentration auf die Sicherstellung der universitären Informationsversorgung drückt die berechtigte Sorge um den Fortbestand der wissenschaftlichen Bibliotheken als Institutionen aus.8 Die sich vollziehenden Wandlungen der Informationsdistribution durch die Informationsgesellschaft treffen die wissenschaftlichen Bibliotheken ungleich stärker als die kommunale Bibliotheken.9 Künftig müssen besonders wissenschaftliche Bibliotheken stärker mit Informationsbrokern konkurrieren, in einigen Fachdisziplinen ist bereits heute die Informationsversorgung durch die Hochschulbibliothek obsolet geworden.10 Kommunale Bibliotheken können sich im schlimmsten Fall, wenn andere Informationsanbieter wesentliche Teile der aktuellen Informationsversorgung übernehmen sollten, auf einen kulturellen Auftrag berufen, der die Leseförderung explizit unfaßt.11 Denn auch für die Dechiffrierung von Onlineinformationen in einer Informationsgesellschaft wird die Kulturtechnik Lesen unersetzlich bleiben.

Die Kooperation Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken ist aus mehreren Gründen notwendig und sinnvoll. Ob nun Medien und Informationen für den aktuellen Tagesbedarf oder auch für künftige Generationen gesammelt, erschlossen und dargeboten werden, die gegenwärtigen BenutzerInnen entscheiden sich oftmals aufgrund des vorhandenen Service für die Benutzung einer Bibliothek. Öffentliche Bibliotheken sind hierbei vielfach kompetenter als wissenschaftliche Bibliotheken. Die bereits bestehenden Kooperationen im Bestandsaufbau und die Unterfinanzierung aller Bibliothekssparten führen dazu, daß ein hoher Prozentsatz der BenutzerInnen mehrere Bibliotheken benutzen.

Die Stärken Öffentlicher Bibliotheken, wie Benutzerorientierung, Öffentlichkeitsarbeit, Legitimation der Institution gegenüber dem Unterhaltsträger, Aufgeschlossenheit bei neuen Steuerungsmodellen, betreffen Aufgabenbereiche, die auf wissenschaftliche Bibliotheken erst zukommen. Auch Hochschulbibliotheken müssen sich aufgrund der Globalhaushalte der Hochschule in zunehmenden Maße innerhalb der Institution Hochschule legitimieren, zumal in einigen Forschungsbereichen die Institution Hochschulbibliothek nicht mehr benötigt wird. Die Stärken der Hochschulbibliotheken, wie Know-how-Transfer innerhalb der Hochschule, Nutzung von Datenkommunikation für betriebsinterne und benutzerorientierte Arbeiten, institutionalisierte Fortbildung, müssen im Interesse einer Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen Informationsversorgung auch nichtuniversitären Bibliotheken zugänglich gemacht werden.

3 Wie kann eine solche Kooperation aussehen?

Ein institutioneller Rahmen für die Kooperation von Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken existiert bereits, dies sind die regionalen Bibliotheksverbünde. Bislang kooperieren jedoch vorrangig nur wissenschaftliche Bibliotheken bei dem Nachweis ihrer Medienbestände. Vorrangig heißt, daß einige wenige Öffentliche Bibliotheken an dieser Form der Kooperation partizipieren. Einen Ansatz möchte ich genauer vorstellen.

3.1 Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken"

Als das Projekt "Katalogisierungsverbund Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken - eine Untersuchung der Rahmenbedingungen über die Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken am bestehenden Verbundsystem wissenschaftlicher Bibliotheken" im Jahr 1992 von der Arbeitsgemeinschaft der Großstadtbibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. geplant und konzipiert wurde,12 war die Nutzung von Internet kein aktuelles Thema in den deutschen wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken. Selbst als das bei den Stadtbüchereien Düsseldorf angesiedelte Projekt, das vollständig vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport finanziert wird, Mitte 1994 die Arbeit aufnehmen konnte, war Internet kaum ein Thema für wissenschaftliche, mit Sicherheit kein Thema für Öffentliche Bibliotheken.

Das Projekt hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen einer Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken am nordrhein-westfälischen Bibliotheksverbund des Hochschulbibliothekszentrums des Landes Nordrhein-Westfalen (HBZ) zu ermitteln. Dies umfaßt insbesondere:

Das Projekt hat das Ziel, die technischen, bibliothekarischen, finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen einer institutionalisierten Kooperation Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken zu ermitteln und zu erproben.

Konzept und Auftrag des Projekts sind somit prima vista unabhängig von der Nutzung des Internet, antizipieren aber bereits 1992 das Motto der 1. Inetbib-Tagung: "Weiter auf dem Weg zur virtuellen Bibliothek".

Die Anforderungen Öffentlicher Bibliotheken an einen gemeinsamen Bibliotheksverbund für Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken resultieren aus der benutzerorientierten Konzeption sowie der Finanzierungsmöglichkeit der technischen Ausstattung. Eine Befragung der nordrhein-westfälischen Öffentlichen Bibliotheken ergab ein großes Interesse an einer Verbundteilnahme, von der eine Rationalisierung betriebsinterner Arbeitsabläufe durch die umfassendere Nutzung von Fremddaten sowie eine Verbesserung der benutzerorientierten Dienste durch neue Recherchemöglichkeiten erwartet werden.13

An drei Projektbibliotheken (Stadtbüchereien Düsseldorf, Stadtbüchereien Hattingen und Stadtbibliothek Köln) mit unterschiedlichen lokalen Bibliothekssystemen werden die bibliothekarischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Verbundteilnahme untersucht.

Die Benutzerorierntierung Öffentlicher Bibliotheken hat zur Konsequenz, daß Rationalisierungen vordringlich bei den betriebsinternen Arbeiten gefunden werden müssen. Das Aufgabenspektrum wächst, ohne daß zusätzliches Personal eingestellt werden kann. Die Medienzusammensetzung Öffentlicher Bibliotheken erzwingt geradezu eine konsequente Nutzung von bibliographischen Daten der Deutschen Bibliothek, der Einkaufszentrale für Bibliotheken (ekz) und der regionalen Verbunddaten.14 Die öffentliche Abteilung der Stadtbibliothek Ulm, Verbundteilnehmer am Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) seit Juni 1995, spricht von einer Frenddatennutzungsquote von über 98 %.15 Die unterschiedlichen Regelwerke Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken für die Formalerschließung werden zunehmend obsolet: Mögen diese spartenspezifischen Regelwerke im Zeitalter eindimensionaler Kataloge noch sinnvoll gewesen wein, so wird dieser Sinn beim Einsatz von Normdateien und OPAC vollends fragwürdig. Der Nachweis von Medienbeständen Öffentlicher Bibliotheken in den regionalen Verbunddatenbanken bringt evidentermaßen auch eine Verbesserung der Medienversorgung für die Hochschulangehörigen: Ein qualitativ und quantitativ umfangreicheres Medienangebot kann genutzt werden. Die Vorteile für Öffentliche Bibliotheken liegen nicht allein in dem Zugriff auf umfangreichere Medienbestände, sondern auch in der Optimierung betriebsinterner Arbeitsabläufe durch konsequente Nutzung von Fremddaten. Darüberhinaus wird sich erweisen, ob das bisherige Dogma von dem kommunalspezifischen Bestandsaufbau aufgrund der dann möglichen empirischen Überprüfung nicht revidiert werden muß.

Die Probleme einer Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken sollen nicht verschwiegen werden: Technische Probleme sind zu lösen, da Öffentliche Bibliotheken eine Vielfalt lokaler Bibliothekssysteme einsetzen, die alle bislang nur herstellerspezifische Kommunikationsschnittstellen aufweisen; finanzielle Probleme sind zu beheben, wobei die konkreten Auswirkungen auf die Arbeit der Bibliothekszentralen noch zu ermitteln sind. Kommunale Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen sind bereits heute Teil einer "virtuellen nordrhein-westfälischen Landesbibliothek". Die Sondersammelgebietsbestände der Großstadtbibliotheken werden vom HBZ in der Verbunddatenbank nachgewiesen, sie stehen für die regionale Literaturversorgung unmittelbar zur Verfügung. Die Verbundteilnahme kommunaler Bibliotheken hat finanzielle Konsequenzen durch neue Kosten für die Datenkommunikation und die erforderliche Anpassung der lokalen Bibliothekssysteme. Die Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken macht deutlich, daß kommunal finanzierte Bibliotheken ihre regionale Aufgaben wahrnehmen wollen. Hierzu ist aber die finanzielle Unterstützung des Landes erforderlich.

3.2 Projekt "Passive Verbundteilnahme kleiner und mittlerer Bibliotheken"

Daas begleitende Projekt "Passive Verbundteilnahme kleiner und mittlerer Bibliotheken", ebenfalls finanziert durch das Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen ermöglichte 1995 die Nutzung der Recherchedatenbank des HBZ durch zehn nordrhein-westfälischen Öffentlichen Bibliotheken. Die Teilnahme an diesem Projekt erschloß den Bibliotheken neue Benutzerschichten und führte zu einer Imagesteigerung innerhalb der Kommunalverwaltung.16

3.3 Weitere Kooperationsfelder

Das Projekt der Arbeitsgemeinschaft Hochschulbibliotheken des vbnw, "Internetbasiertes Informationssystem" ist ebenso wie das Fernleihprojekt "JASON" ohne Beteiligung Öffentlicher Bibliotheken geplant und angelaufen. Im Projekt "SUBITO" sind Öffentliche Bibliotheken mit lediglich zwei Personen vertreten. Die Bewältigung dieser beiden Aufgabenfelder, die Aufbereitung und Vermittlung von Informationen aus und auf neuen Distributionswegen, basieren auf Kooperationen unterschiedlicher Partner. Indem das Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken" erfolgreich die Voraussetzungen für eine Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken am Bibliotheksverbund des HBZ ermittelt, wird zugleich die Voraussetzung dafür geschaffen, das auch zukünftig Bibliotheken aller Unterhaltsträger die entscheidenden Garanten der allgemein zugänglichen Informationsversorgung bilden werden, die für die politische und wirtschaftliche Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft erforderlich ist.

Ich glaube sagen zu können, daß die Öffentlichen Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen und in anderen Bundesländern die Relevanz einer zukunftsorientierten Sicherstellung von öffentlich zugänglichen Informationen erkannt haben, die nur in Kooperation mit Bibliotheken anderer Unterhaltsträger geleistet werden kann. Der institutionelle Rahmen ist vorhanden: Die regionalen Bibliotheksverbünde sind zu Dienstleistungszentralen für Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, zu Landesbibliothekszentren, auszubauen.

Die Diskussion hierüber ist in Gang gekommen, sie wird auch auf landespolitischer Ebene geführt. Durch das Projekt wurde eine Podiumsdiskussion "Die Zukunft Öffentlicher Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen" angeregt, die am 7. Februar 1996 stattfand, an der u.a. die Ministerien für Stadtentwicklung, Kultur und Sport, Frau Brusis und Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien teilgenommen haben.17 Die Podiumsdiskussion zeigte die Katalysatorfunktion des Projekts für die Orientierung der Öffentlichen Bibliotheken in der beginnenden Informationsgesellschaft. Der Dialog über die zukünftigen Aufgaben nicht nur der Öffentlichen Bibliotheken hat begonnen, es liegt nun an uns, daß er im Interesse der Sicherstellung der allgemeinen Informationsversorgung in den skizzierten Bahnen fortgesetzt wird.


1 Die Zahlen stammen aus: DBS - Deutsche Bibliotheksstatistik 1994. Teil A und Teil B. Berlin 1995.

2 Vgl. Norbert Kamp, Heike Regier: "Sind Sie weiterhin mit uns zufrieden?" Zweite Nutzerbefragung bei den Stadtbüchereien Düsseldorf. In: Buch und Bibliothek. 48(1996), H. 1, S. 54-57.

3 Carola Salm: Nutzerbefragung der Stadtbüchereien Düsseldorf. In: Die effektive Bibliothek: Endbericht des Projekts "Anwendung und Erprobung einer Marketingkonzeption für Öffentliche Bibliotheken". Berlin 1992. Bd 2, S. 5.

4 Vgl. Norbert Kamp, Klaus Peter Hommes: Informationen im Netz - Neue Aufgaben für Öffentliche Bibliotheken. In: Der Städtetag. 48. (1995), H. 9, S. 645-647.

5 Vgl. Hilmar Hoffmann: Die Chance des Lesers. In: Die Informationsgesellschaft. Hrsg. vom Bundesministerium für Wirtschaft. Bonn 1994. S. 22-23.

6 Vgl. Wissenschaftliche Information im elektronischen Zeitalter. Bericht der Sachverständigenkommission Elektronischer Fachinformation (EFI) an den Hochschulen Bayern. Juli 1995; Internetbasiertes Informationssystem. Vorlage der Arbeitsgruppe "PC-gestützte Dienste" der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulbibliotheken NRW im Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. September 1995 sowie Neue Informations-Infrastrukturen für Forschung und Lehre. Empfehlungen des Bibliotheksausschusses und der Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dezember 1995.

7 Vgl. hierzu besonders die Deutsche Bibliotheksstatistik, Teil A. Der Anteil an Fachmedien überwiegt sowohl beim Bestand als auch bei der Nachfrage bei weitem den Anteil der Unterhaltungsmedien. In diesem Zusammenhang zeigt ein Vergleich der Nachfrage der Bestände der Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken sehr nachdrücklich, daß unter den zehn ausleihstärksten Bibliotheken keine wissenschaftliche Bibliothek zu finden ist.

8 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Bibliotheksausschuß. Elektronische Publikationen im Literatur- und Informationsangebot wissenschaftlicher Bibliotheken. In: ZfBB 42. 1995. S. 445 - 463.

9 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Bibliotheksausschuß. Elektronische Publikationen im Literatur- und Informationsangebot wissenschaftlicher Bibliotheken. In: ZfBB 42. 1995. S. 445 - 463.

10 Vgl. hierzu z.B. Margarete Payer: Die virtuelle Bibliothek: Erschließung der Ressourcen. In: Bibliotheksdienst 29.1995. S. 1278-1287, bes. S.1278f.

11 Vgl. die 3. Empfehlung der KMK zum Öffentlichen Bibliothekswesen. Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 9.9.1994.

12 Zum Projekt vgl. Norbert Kamp: Das Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken", In: biblio 1993, S. 20-24; Norbert Kamp: Projekt Verbundkatalogisierung: Eine Zukunftsperspektive für Öffentliche Bibliotheken? In: Mitteilungsblatt NRW 44. 1994. S. 82-87.

13 Vgl. Klaus Peter Hommes: Das Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken". In Mitteilungsblatt NRW 45.1995. S. 1-20: Stadtbüchereien Düsseldorf, Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken". Zwischenbericht und Tätigkeitsbericht 1995. Düsseldorf 1996. S. 3-5.

14 Vgl. Klaus Peter Hommes: Voraussetzungen und Anforderungen Öffentlicher Bibliotheken für eine Verbundteilnahme. In: ProLibris 1 (1996) H.2: Stadtbüchereien Düsseldorf, Projekt "Verbundkatalogisierung für Öffentliche Bibliotheken". Zwischenbericht und Tätigkeitsbericht 1995. Düsseldorf 1996. S. 3-5.

15 Vgl. Jürgen Lange: Gespenstisches aus Ulm? Öffentliche Bibliotheken im SWB - ein Erfahrungsbericht der Stadtbibliothek Ulm. URL: http://www.swbv.uni-konstanz.de/wwwroot/text/nu95_oeb.html.

16 Vgl. den Bericht von Frauke Untiedt und Petra Büning, der in ProLibris 1 (1996) H. 2. erscheinen wird.

17 Vgl. Klaus Peter Hommes: Der Beginn eines Dialogs zwischen Bibliotheken und Politik. Podiumsdiskussion "Die Zukunft der Öffentlcihen Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen". Erscheint in: Buch und Bibliothek. 58 (1996). H. 4. sowie im Internet unter der URL: http://www.hbz-nrw.de/hbz/proj/gstadt/podium.html.