Mario Werner
Der WWW-Server der HBI-Stuttgart:
Eine Idee nimmt Formen an


Workshop:
Aufbau und Pflege eines WWW-Servers: der tägliche Kleinkram mit WWW und HTML

Abstract:

Das Publizieren im WWW scheint kinderleicht zu sein. Texte, die man in das weltweite Netz legen könnte, gibt es genügend. Man braucht sie nur noch mit ein paar Tags verzieren, zwei oder drei URLs einbauen und schon ist man im WWW.
Trotzdem, eine Frage bleibt: Wo liegt das Geheimnis der wenigen guten WWW-Server, auf die ich immer wieder mit Neid blicke?
Eine Frage, die sich sehr schnell relativiert, wenn ich mir bewußt mache, welche Tätigkeitsmerkmale ich als Publisher im Internet in Personalunion wahrnehme. Meist decke ich nämlich die gesamte Bandbreite vom Autor bis zum Vertrieb ab.
Wichtig sind also die Idee und das Konzept, die hinter einer Seite und einem Server stehen.

Vorbemerkung

Die HBI-Stuttgart betreibt seit dem Frühjahr 1995 einen WWW-Server im Internet. Erwachsen ist das Angebot aus einem Projekt, das im Sommersemester '96 bereits zum vierten Male durchgeführt wird1. Im ersten Semester ging es darum eine "Auffahrt auf die Datenautobahn für Informationsspezialisten" zu schaffen. In den folgenden Semestern wurde das Angebot des HBI-Servers kontinuierlich erweitert.
Die Teilnehmer des Projektes wurden dabei im Wesentlichen mit drei Aufgaben konfrontiert:

  1. Pflege der vorhandenen Seiten
  2. Erweiterung des Angebotes durch Erstellung neuer Seiten
  3. Unterstützung von Einrichtungen aus dem BID-Bereich (z. B. Mediothek in Stuttgart) bei der Erstellung und Erweiterung von Internet-Angeboten in unterschiedlichster Weise.
Mittlerweile ist ein breites Angebot auf dem HBI-Server entstanden, daß sich in drei große Bereiche gliedern läßt:
  1. Das Dienstleistungsangebot für Informationsspezialisten, die eigentliche "Auffahrt auf die Datenautobahn"
  2. Die Selbstdarstellung der Hochschule
  3. Verschiedenes
Zu 1.: Das Dienstleistungsangebot für Informationsspezialisten umfaßt Zu 2.: Die Selbstdarstellung der Hochschule umfaßt Zu 3.: Unter Verschiedenes findet man Nach dieser kurzen Vorstellung des HBI-Servers möchte ich einige Punkte beleuchten, die man bedenken sollte, wenn man als Anbieter im WWW auftreten möchte. Es handelt sich hierbei um einige wenige Aspekte, die entscheidend sein werden, wenn der Markt im Internet aufgeteilt wird. Die zur Zeit noch vorherrschende Goldgräberstimmung wird sehr bald in einen harten Wettbewerb umschlagen, den nur etwa 10 % der Anbieter überleben werden. Im Folgenden möchte ich die Gesichtspunkte ansprechen, die meines Erachtens entscheidend sein werden, wenn sich die Spreu vom Weizen trennt.

Die Konzeption des Servers: das A und O

Eine durchdachte inhaltliche Konzeption scheint mir das A und O eines Servers zu sein. Vergleichbar mit einem Systematischen Katalog, dem Herz einer Bibliothek, ist es wichtig, die Dokumente in einem durchdachten strukturellen Zusammenhang abzulegen und anzubieten.
Dabei können die rein physische Ablage, die der inneren Verwaltung dient und die Anlage, die sich nach außen darstellt durchaus unterschiedlich strukturiert sein.

Für die rein physische Ablage wird sich meist eine Art Provenienz-Prinzip anbieten, das heißt einzelne Autoren und Autorengruppen erhalten Verzeichnisse zugewiesen in denen sie sich frei entfalten können. Diese Verwaltung wird oft von einem Administrator des Rechenzentrums übernommen.

Die Anlage die sich dem User darstellt, sollte freilich einer eindeutigen Systematik folgen, die, ohne daß man sich durch viele Dokumente durchklicken muß, schnell zum Volltext führt. Dabei liegt eine Betonung auf "schnell". Schnell bedeutet, daß der User über möglichst wenig Bildschirmseiten zum Zieldokument kommt.
Eine zweite Betonung liegt auf der "Eindeutigkeit" der Systematik. Viele Systematiken sind selbst gestrickt und orientieren sich daher an lokalen Gegebenheiten (z. B. Fächerkombinationen an einzelnen Fakultäten), die der WWW-User, nicht kennen kann. Das bedeutet für den User, daß er sich auf jedem Server neu orientieren muß, und das wiederum kostet Zeit und Geld.

Mir drängt sich hier der Eindruck auf, daß wir im WWW den üblichen Fehler machen, der ein untrügliches Kennzeichen der Geschichte des Bibliothekswesens ist. Nämlich daß wir das Rad immer wieder neu erfinden wollen, weil wir halt doch etwas besser sind als unsere Kollegen.

Ein Redaktionsteam, das nach innen ordnet und koordiniert, aber nach außen mit anderen Redaktionsteams kooperiert, ist also unverzichtbar. Wer aber soll dies alles nun leisten? Eine enge Zusammenarbeit von Rechenzentrum und Bibliothek ist notwendig und sollte sich personell darin niederschlagen, daß die Redaktionsteams sowohl mit Informationsspezialisten als auch mit Informatikern besetzt sind.

Das Layout des einzelnen Dokumentes

Genauso wichtig wie die Konzeption des Servers, ist das Layout des einzelnen Dokumentes. Zunächst einmal ist ein einheitlicher Stil aller Seiten einer Institution anzustreben, was einerseits dem User die Orientierung erleichtert und andererseits die corporate identity der Institution2 zum Ausdruck bringt.
Dabei bietet HTML zunächst einmal wenig Möglichkeiten das Layout zu beeinflussen, da es für die logische Strukturierung (z. B. Überschrift erster Ordnung; hervorgehoben; Adresse) gedacht ist. Der Wunsch der Anwender nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten führte jedoch dazu, daß HTML mit jeder Version mehr Möglichkeiten gestalterischer Art (fett, kursiv, durchgestrichen) enthält.
Die erweiterten Layout-Möglichkeiten lassen sich idealerweise mit Hilfe eines Stylesheets einbauen, daß dann z. B. für alle Dokumente einer Institution gültig ist. Die Vorteile des Stylesheets liegen auf der Hand: Globale Änderungen des Layout brauchen nur an einem Dokument durchgeführt werden. Die genaue Syntax befindet sich aber noch in der Diskussion3.

Eine weitere gestalterische Möglichkeit ist der Einbau von graphischen Elementen, hierbei tun sich allerdings zwei Gefahrenquellen auf:

  1. Es besteht die Gefahr, die Seite zu überladen.
  2. Die Grafik nimmt zu viele Resourcen in Anspruch.
Zu 1.: Um dieser Gefahr vorzubeugen ist es wichtig, eine Ausgewogenheit zu schaffen, bei der die graphischen Elemente die Präsentation des Inhalts unterstützen, aber nicht zum Selbstzweck werden.

Zu 2.: Nicht jeder hat einen schnellen Internet-Zugang, viele User müssen über Modem und teure Provider ins Internet einsteigen. Das bedeutet, je bunter eine Seite ist, desto langsamer und teurer und damit für eine bestimmte Usergruppe auch unattraktiver wird sie.
Ideal wäre es natürlich, wenn man alternativ eine reine Textseite anbieten könnte. Es ist aber auch möglich, Seiten zu schreiben, die sowohl mit, als auch ohne Darstellung der eingebauten Grafiken (Die meisten Browser bieten dem User mittlerweile die Möglichkeit zu entscheiden, ob Graphiken automatisch geladen werden sollen oder nicht.) attraktiv und nutzbar sind.

Auch die Frage, für wen die Seiten gedacht sind, scheint mir nicht ganz uninteressant, so daß ich sie noch einmal ansprechen möchte. Dabei sind zwei Aspekte interessant: der erste ist die Ausstattung der User jetzt und in der Zukunft, der andere ist die Frage, wie lange wird die einzelne Seite im Netz verfügbar und von Interesse sein. Je länger eine Seite also voraussichtlich verfügbar sein wird, desto eher kann ich leistungsfähige Hard- und Software beim User voraussetzen. Es empfiehlt sich hier sogar in die Zukunft zu investieren, damit das Dokument vom gestalterischen Standpunkt aus betrachtet nicht an Attraktivität verliert.

Eine weitere interessante Möglichkeit das Aussehen einer Seite entscheidend zu beeinflussen, ist die Arbeit mit Farben. Sie können zum Beispiel problemlos neongelbe Schrift auf einem feuerroten Hintergrund darstellen, man wird diese Seite mit Sicherheit nicht vergessen, ob man den Server allerdings wieder besuchen wird ohne einen Augenarzt neben sich zu haben, ist stark zu bezweifeln. Bedenken Sie also, daß die von Ihnen gewählte Farbkombination auch ergonomischen Anforderungen entgegenkommt.

HTML 3.0 versus Netscape

Rund 80 % aller Internet-User arbeiten mit einem Browser von Netscape4. Dies hat Vor- und Nachteile.
Bekanntermaßen haben die verschiedenen Browser je nach Entwicklungsstand unterschiedliche Fähigkeiten und vor allem unterschiedliche Voreinstellungen (z. B. wird Text in Tabellenfeldern teilweise linksbündig, teilweise zentriert dargestellt). Der Autor weiß also, wie seine Seiten bei 4/5 aller User auf dem Bildschirm erscheinen werden, was sicherlich als Vorteil zu sehen ist.

Sehen wir aber einmal von der Monopolisierung des Marktes ab, dann scheint ein Nachteil zu überwiegen. Einige Netscape-Funktionen, die nicht HTML-Standard sind (hierzu gehören z. B. Hintergrundgraphiken oder die Möglichkeit Text zu zentrieren oder blinken zu lassen), verleiten dazu, sie trotzdem einzubauen.
Dies bedeutet allerdings, daß, sollte Netscape diesen großen Marktanteil wieder einbüßen oder einfach diese Funktionen wieder aus den Browsern herausnehmen, die Dokumente Tags enthalten, die bestenfalls nicht dargestellt werden können, im schlechteren Fall allerdings zu Fehlanzeigen führen.

Pflege von Dokumenten

Dieselbe Sorgfalt, die man bei der Erstellung von Dokumenten aufwendet, sollte man auch bei der Pflege walten lassen. Dabei ist der Pflegeaufwand je nach Dokumenttyp unterschiedlich groß.
Internetdokumente lassen sich theoretisch in zwei Typen einteilen.
Da wäre zunächst einmal der Typ der Volltexte, er enthält Informationen, wobei die Hypertextfunktionen kaum eine Rolle spielen.
Der zweite Typ ist der der Metafiles. Hierbei handelt es sich um Dokumente, die wenig bis keine Informationen enthalten, sondern fast nur aus Hyperlinks bestehen, die zu der Information oder zu weiteren Metafiles führen.
Die zwei genannten Typen kommen in reiner Form wohl kaum vor. In der Praxis sehen wir uns wohl meist einer Mischform beider gegenüber.
Die Pflege ist je nach Typus unterschiedlich. Shakespeares Sonette als Volltext bedürfen sicherlich keiner Pflege, denn einmal eingegeben werden sich hier keine Änderungen mehr ergeben. Informationen über Öffnungszeiten oder Neuerwerbungen müssen natürlich immer auf dem aktuellen Stand sein und entsprechend oft korrigiert werden. Der Pflegeaufwand ist in diesem Fall aber absehbar und planbar.
Metafiles bedürfen einer anderen Art von Pflege, denn hier müssen die Links so oft als möglich verifiziert und gegebenenfalls geändert werden. Metafiles die auf einen fremden Server verweisen benötigen daher in der Regel einer sehr viel intensiveren Pflege, als Volltexte.

Zusammenfassende Thesen:

  1. Konzeption, Organisation und Struktur eines Servers sind ein entscheidendes Kriterium, wenn es um die Frage geht, ob ein Server überregionale Bedeutung erlangt oder zum bloßen Inhouse-Informationssystem verkommt.
  2. Nutzen sie alle gestalterischen Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, aber gehen Sie verantwortungsvoll mit Ihren Resourcen an Bytes und Tags um.
  3. Um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen, sollten Sie sich auf der sicheren Seite bewegen und ausschließlich sanktionierte HTML-Funktionen nutzen.
  4. Stellen Sie eine regelmäßig Pflege sicher, wenn Ihr Server nicht an Attraktivität verlieren soll.
Um im Internet überleben zu können reicht es nicht aus gut zu sein. Das Angebot ist so groß, daß ein einmal enttäuschter User ihren Server nie wieder aufsuchen wird. Sie müssen also allen Kriterien für einen guten Server gerecht werden, und das auf jeder ihrer Seiten zu jeder Zeit.

E-Mail: werner@hbi-stuttgart.de
Homepage: http://www.uni-stuttgart.de/UNIuser/hbi/privhome/werner.m


1 Zur Entwicklung des Servers in den einzelnen Semestern siehe auch:

2 Dies läßt sich z. B. auch sehr gut mit Hilfe von Hintergründen erreichen, die beispielsweise den Namen oder das Signet der Institution enthalten können.

3 Den jeweils aktuellen Diskussionsentwurf für die Syntax von Stylesheets finden Sie auf dem Server des W3-Konsortiums (URL: http://www.w3.org)

4 Browser-Watch. In: Pl@net 1/95, S. 17