Klaus Tochtermann, Universität Dormund, Lehrstuhl Informatik 1
Hyper-G und virtuelle Bibliotheken


Zusammenfassung:

In jüngster Zeit öffnen sich Bibliotheken in zunehmendem Maße dem Internet und bieten Dienstleistungen über eigene WWW-Server an. In diesem Beitrag wird nun Hyper-G, ein hypermediales Internet-Informationssystem der 2. Generation, vorgestellt, das neben der Dokumentverwaltung auch Möglichkeiten zur Strukturierung und konsistenten Verwaltung großer Dokumentbestände bietet. Zunächst werden wesentliche Konzepte von Hyper-G allgemein vorgestellt. Um begriffliche Mißverständnisse zu vermeiden, werden Begriffe wie "traditionelle", "Internet-basierte" und "virtuelle" Bibliothek erklärt und gegeneinander abgegrenzt. Anschließend wird ausführlich darauf eingegangen, wie Hyper-G in virtuellen Bibliotheken gewinnbringend eingesetzt werden kann. Zum Abschluß des Beitrages wird kurz vorgestellt, mit welchem Themen–schwerpunkt der Lehrstuhl Informatik 1 der Universität Dortmund Hyper-G in virtuellen Bibliotheken verwendet.

1. Einleitung

Der Ausbau weltweiter elektronischer Netze, insbesondere des World Wide Web (WWW oder abgekürzt Web), ermöglicht neue Formen der Vermittlung von Informationen. Das WWW bildet auf der Basis des Internets, das ein weltweiter Verbund von Rechnernetzen ist, ein logisches Netzwerk aus über Hypertextverweisen miteinander verbundenen Dokumenten. Die Dokumente liegen ihrerseits auf verschiedenen Internet-Rechnern und werden dort über Web-Server zugänglich gemacht. Die Dienste eines Web-Servers, etwa Bereitstellen eines Dokumentes, werden über Web-Klienten oder Web-Browser genutzt. Der derzeit am weitesten verbreitete Web-Browser ist sicherlich Netscape.
Die neuen Möglichkeiten zur Informationsvermittlung wurden insbesondere von Hochschulbibliotheken erkannt, so daß diese in zunehmendem Maße im WWW vorhandene Informationen erschließen und bereitstellen. In diesem Beitrag wird nun Hyper-G, ein Internet-Informationssystem der 2. Generation, vorgestellt. Hyper-G ist WWW-kompatibel und umfaßt einen Server und Klienten, über die nicht nur Dokumente von einem Server angefordert sondern auch neue Dokumente und Verweise in einen Server eingefügt werden können. Die Möglichkeiten von Hyper-G werden vor dem Hintergrund des Einsatzes in virtuellen Bibliotheken diskutiert.
Der Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst führt Kapitel 2 Hyper-G ganz allgemein und in aller Kürze ein. Da die Verwendung der Begriffe "Internet-basierte Bibliothek" und "virtuelle Bibliothek" derzeit noch etwas willkürlich ist, werden in Kapitel 3 diese Begriffe für diesen Beitrag gegeneinander abgegrenzt. Kapitel 4 stellt dann ausführlich zentrale Konzepte von Hyper-G und deren Anwendungsmöglichkeit in virtuellen Bibliotheken vor. Kapitel 5 geht schließlich noch kurz darauf ein, mit welchem Forschungsschwerpunkt Hyper-G im Kontext virtueller Bibliotheken am Lehrstuhl Informatik 1 der Universität Dortmund eingesetzt wird. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und Ausblick in Kapitel 6.

2. Einführung in Hyper-G

Hyper-G ist ein auf einer Client/Server-Technologie basierendes hypermediales Internet-Informationssystem, das an der Technischen Universität Graz (daher das G in Hyper-G) unter Leitung von Hermann Maurer und Frank Kappe entwickelt wird. Die erste Freigabe des Systems erfolgte im Juli 1994, und seitdem sind regelmäßig neue Versionen des Systems der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden. Zudem wurde im Dezember 1995 das Hyper-G-Consortium (URL: http://server.hgc.org/) ins Leben gerufen. Ziel dieser Einrichtung ist es, Aktivitäten um Hyper-G zu beobachten und die Weiterentwicklung von Hyper-G zu koordinieren.
Wenn man von Hyper-G spricht, so meint man stets den gesamten Produktumfang, der aus einem Server, Klienten sowie zahlreichen Zusatzwerkzeugen besteht. Der Server kann auf verschiedenen Rechnerplattformen installiert werden, etwa auf SUN Sparc, HP 700, DEC-Stationen, SGI oder IBM PC (unter Linux). Als Klienten stehen Harmony für Unix/X11 und Amadeus für Microsoft Windows zur Verfügung. Im Gegensatz zu bekannten Klienten, wie Netscape, bieten Harmony und Amadeus neben der reinen Lesefunktionalität auch Autorenfunktionalität an. Hierauf wird in diesem Beitrag jedoch nicht eingegangen. Vielmehr sei auf die Literatur am Ende dieses Kapitels verwiesen. Zu den Zusatzwerkzeugen zählt etwa Haradmin zum Einrichten von Benutzer- oder Gruppenaccounts.
Hyper-G zeichnet sich insbesondere durch folgende Eigenschaften aus:

Weitere Eigenschaften und ihr Einsatz im Kontext virtueller Bibliotheken werden in Kapitel 4 dieser Ausarbeitung angesprochen.
Als weitergehende Literatur zu Hyper-G sind die Bücher "Hyper-G - Das Internet-Informationssystem der 2. Generation" von W. Dalitz und G. Heyer [DaHe95], das 1996 erscheinende Buch "Hyper-G - The Second Generation Web Solution" von H. Maurer [Mau96] sowie der Zeitschriftenartikel von U. Flohr [Flo95] zu empfehlen.

3. Begriffsbestimmung

Bislang lassen sich Begriffe wie "virtuelle Bibliothek", "elektronische Bibliothek", "digitale Bibliothek" oder "Internet-basierte Bibliothek" noch nicht klar gegeneinander abgrenzen, was insbesondere im Vorwort des Source Book on Digital Libraries [Fox93] durch die Sätze Now, the term "Digital Library" is more in vogue than "Electronic Library", ... . Regardless of the name, the intent is clear. zum Ausdruck kommt.
Für diesen Beitrag soll es genügen, die Begriffe "traditionelle Bibliothek", "virtuelle Bibliothek" und "Internet-basierte Bibliothek" voneinander abzugrenzen.

3.1 Kriterien für die weitere Begriffsbestimmung

Zunächst werden Kriterien festgelegt, anhand derer die unterschiedlichen Bibliotheksformen abgegrenzt werden können. Zu diesem Zweck werden die Elemente "Daten", "Metadaten" und "Dienste" aus [NüFu94] übernommen. Unter Daten wird dabei der Bestand einer Bibliothek verstanden. Metadaten sind demgegenüber Daten über eine Bibliothek und den von ihr angebotenen Bestand. Dienste sind schließlich Funktionen, die auf Daten und Metadaten angewendet werden. Es sei erwähnt, daß in der Literatur auch andere Ansätze zur Charakterisierung von Bibliotheksformen zu finden sind. So werden etwa in [MaMa95] Unterschiede zwischen verschiedenen Bibliotheksformen anhand einer physikalischen Komponente (Gebäude, Räume, Regale, Bücher usw.), einer intellektuellen Komponente (Sachkataloge, OPAC, usw.) und dem Menschen als Bindeglied zwischen diesen beiden Komponenten herausgearbeitet.
Für die folgenden Abschnitte ist es auch erforderlich, zwischen den verschiedenen Personengruppen zu unterscheiden, die im Zusammenhang von Bibliotheken anzutreffen sind. Für diese Ausarbeitung genügt eine Trennung zwischen Benutzern und Bibliothekaren. Unter Benutzer fallen all die Personen, die den Dokumentbestand einer Bibliothek benutzen, also etwa Bücher ausleihen. Auch wenn auf Bibliotheksseite verschiedene Personengruppen verschiedene Aufgabenbereiche haben, soll es hier genügen, nur von Bibliothekaren zu sprechen. Damit sind demnach all die Personen gemeint, die für das Erwerben, Erfassen, Ausleihen usw. von Dokumenten zuständig sind. Eine dritte Gruppe, die im Kontext von Bibliotheken auftritt, nämlich die der Verlage, Buchhandlungen usw., soll hier nicht weiter berücksichtigt werden. Der Grund hierfür liegt darin, daß im folgenden nur die Strukturen innerhalb einer Bibliothek und die Beziehungen zwischen Benutzern und Bibliothekaren betrachtet werden.

3.2 Traditionelle Bibliothek

Der Begriff "traditionelle Bibliothek" wird verwendet, wenn Bibliotheken im herkömmlichen Sinne gemeint sind, also solche, deren Bestand aus einer lokalen Sammlung gedruckter Monographien und Zeitschriften besteht. Gedruckte Monographien, Zeitschriften etc. einer traditionellen Bibliothek werden im folgenden auch als materialisierte Daten bezeichnet, um sie von digitalen Daten, die nur in digitaler Form vorliegen, deutlicher absetzen zu können. Metadaten liegen in Form von Katalogen, wie systematische Kataloge oder Schlagwortkataloge, vor. Diese Metadaten können dabei sowohl in gedruckter als auch in elektronischer Form als Online-Katalog (OPAC) vorliegen. Entscheidend ist jedoch, daß ein Online-Katalog einer traditionellen Bibliothek nur deren eigenen Dokumentbestand oder Teile desselben nachweist. Typische Dienste einer traditionellen Bibliothek sind Erwerben, Erschließen, und Vermittlung von Literatur.

3.3 Internet-basierte Bibliothek

Der Dokumentbestand einer Internet-basierten Bibliothek umfaßt nur materialisierte Daten; digitale Daten, etwa elektronische Bücher, liegen nicht vor. Im Gegensatz zum Online-Katalog einer traditionellen Bibliothek werden nicht nur Metadaten über den eigenen Dokumentbestand sondern auch digital erfaßte Metadaten über Ressourcen angeboten, die nicht zur Bibliothek gehören, im Internet aber verfügbar sind. Diese angebotenen Metadaten über Internet-Ressourcen können nach verschiedenen Gesichtspunkten erschlossen sein und in Form eines aus URLs bestehenden Katalogs vorliegen. Derartige Kataloge über Internet-Ressourcen werden auch über das Internet den Benutzern zur Verfügung gestellt. Neben den Katalogen können in Internet-basierten Bibliotheken auch klassische Bibliotheksdienste über das Internet abgewickelt werden. Naheliegend ist es, hier zunächst bereits vorhandene Online-Dienste, etwa Literaturrecherche in einem OPAC, an die technologischen Randbedingungen des Internets anzupassen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, daß Internet-basierte Bibliotheken einen WWW-Server betreiben, an den Benutzer mittels HTML-Formularen Anfragen stellen können. Eine solche Anfrage wird in eine Anfrage eines bereits existierenden Online-Dienstes überführt. Das Ergebnis dieses Dienstes wird schließlich seinerseits als HTML-Seite aufbereitet, die dem Benutzer auf seinem WWW-Browser dargestellt wird.
Internet-basierte Bibliotheken können also als Erweiterung und Ergänzung traditioneller Bibliotheken hinsichtlich der bereitgestellten Metadaten und der angebotenen Dienste verstanden werden. Zumindest in Deutschland ist dies die derzeit am häufigsten anzutreffende Bibliotheksform, auch wenn häufig andere der eingangs genannten Begriffe verwendet werden.

3.4 Virtuelle Bibliothek

In virtuellen Bibliotheken liegt der gesamte Dokumentbestand in digitaler Form vor. Aufgrund dieser technologischen Randbedingung ist es möglich, daß nicht nur typische Dokumente, wie Bücher, einer traditionellen Bibliothek sondern auch ausführbare Progamme zum Dokumentbestand zählen können. Im Gegensatz zu traditionellen Bibliotheken, die definiert sind als der Ort, wo ihr Bestand aufgestellt ist [Nag95], kann der Bestand einer virtuellen Bibliothek über zahlreiche, an unterschiedlichen Orten aufgestellten Rechnern verteilt sein. Darüber hinaus sind auch alle Metadaten einer virtuellen Bibliothek in digitaler Form verfügbar. Schließlich bieten virtuelle Bibliotheken geeignete elektronische Dienste an, die zum Teil bekannten Diensten traditioneller Bibliotheken entsprechen, etwa Möglichkeiten für das Auffinden oder Archivieren digitaler Dokumente. Zusätzlich können aber auch Dienste angeboten werden, die in dieser Form nicht in traditionellen Bibliotheken existieren. Beispielsweise wird es in virtuellen Bibliotheken möglich sein, daß Benutzer die für sie relevanten Dokumente oder Teile daraus über persönliche Hypermedia-Verweise miteinander in Beziehung setzen. Aufgrund dieser Möglichkeiten können Benutzer neue, virtuelle Dokumente anlegen.
Mit diesem Begriffsverständnis können virtuelle Bibliotheken auch als verteilte und vernetzte Informationssysteme verstanden werden, deren Datenbestand eine heterogene Sammlung digitaler Dokumente ist, etwa Programme, Videos, Audios, Texte, Grafiken. Insbesondere schließt dieses Verständnis materialisierte Daten und Metadaten in virtuellen Bibliotheken aus. Auch die angebotenen Dienste sind auf digitale Dokumentbestände abgestimmt. Somit wird hier unter virtueller Bibliothek eine neue, zusätzliche Bibliotheksform verstanden und nicht eine Ergänzung traditioneller Bibliotheken.

3.5 Zusammenspiel zwischen traditioneller und virtueller Bibliothek

Für die Zukunft bleibt abzuwarten, in welcher Form sich traditionelle und virtuelle Bibliotheken ergänzen werden. Drei Szenarien sind hier denkbar:

  1. Virtuelle Bibliotheken nehmen eine ergänzende Rolle neben traditionellen Bibliotheken ein und bieten ausschließlich digitale Dokumente und damit verbundene Informationsdienste an.
  2. Langfristig existieren ausschließlich virtuelle Bibliotheken. Die existierenden Dokumentbestände traditioneller Bibliotheken werden digitalisiert und neue Dokumente werden nur in digitaler Form aufgenommen. Traditionelle Bibliotheken würden so von virtuellen Bibliotheken abgelöst.
  3. Es gibt weder virtuelle noch traditionelle Bibliotheken. Vielmehr werden Bibliotheken, wie wir sie bislang kennen, zusätzlich digitale Dokumente und damit verbundene Informationsdienste anbieten.
Zum momentanen Zeitpunkt werden Szenario 1 und 3 als am realistischsten eingeschätzt. Auf Informatikseite laufen etwa Aktivitäten zum Aufbau ausschließlich virtueller Spezialbibliotheken. Beispielsweise wird an der Texas A&M University, USA, im Rahmen des Projektes CoLib (Collaborative Hypermedia Library System) [Sch94] eine virtuelle Bibliothek aufgebaut, die ca. 20.000 in Texas ansässige Pflanzenarten nachweist. Der aufzubauende Bibliotheksbestand wird keine Bücher sondern digitale Repräsentationen real existierender Samenkeime enthalten. Erwähnenswert ist hier auch das an der Harvard Universität durchgeführte Perseus Projekt [MaCr94]. Diese virtuelle Bibliothek beinhaltet nur Dokumente, die sich mit der griechischen Sprache und der Kultur der Griechen beschäftigen. Zum Bestand zählen mehrere hundert griechische Texte und deren Übersetzung ins Englische. Darüber hinaus enthält diese virtuelle Bibliothek ca. 25.000 Bilder von Artefakten, Landkarten und Gebäuden.
Für Szenario 3 spricht, daß derzeit zahlreiche traditionelle Bibliotheken in Deutschland Aspekte Internet-basierter Bibliotheken integrieren. Die kanonische Weiterentwicklung besteht darin, daß traditionelle Bibliotheken Dokumente, die aus der eigenen Einrichtung stammen, etwa Dissertationen und Diplomarbeiten an einer Universität, auch in digitaler Form aufnehmen und vermitteln. Liegen erst einmal digitale Dokumente vor, so werden auch bald Anforderung an die Anpassung bzw. Erweiterung der darauf anwendbaren Dienste erforderlich.

4. Einsatz von Hyper-G in virtuellen Bibliotheken

In diesem Kapitel werden wesentliche Möglichkeiten von Hyper-G vor dem Hintergrund des Einsatzes von Hyper-G in Internet-basierten und virtuellen Bibliotheken vorgestellt.

4.1 Kollektionen

Hyper-G bietet mit Kollektionen ein Konzept zum übersichtlichen Aufbau von Informationsstrukturen, das mit Ordnern bei grafischen Benutzungsoberflächen verglichen werden kann. So muß jedes Dokument in mindestens einer Kollektion vorkommen; diese können selbst wiederum andere Kollektionen enthalten. Es sei jedoch betont, daß Kollektionen zur logischen Strukturierung dienen und daher völlig unabhängig vom Dateisystems des verwendeten Rechners sind.
Mit Hilfe von Kollektionen kann in virtuellen Bibliotheken die erschlossene Literatur dem jeweils verwendeten Katalogtyp entsprechend organisiert und Benutzern übersichtlich präsentiert werden. Ein systematischer Katalog kann beispielsweise über Kollektionen repräsentiert werden, deren Titel den Notationen des Kataloges entsprechen. Die Bücher, die zu einer Notation gehören, sind Dokumente in der entsprechenden Hyper-G-Kollektion. Zu jedem erfaßten Buch kann es ein Hyper-G-Dokument geben, das als Inhalt beispielsweise die Titelaufnahme und den Standort des Buches enthält.
Die folgende Abbildung 4.1 zeigt einen Ausschnitt des Sachkataloges des Hyper-G-Servers der Universitätsbibliothek aus Graz. Auf diesem Server sind u.a. unter den 10 Swets Kategorien 2466 Zeitschriften (Stand: 2/1996) mit Standortangaben und einem Verweis zur Adresse des Standortes zu finden.
Die Abbildung veranschaulicht, wie der Sachkatalog mit dem Klienten Harmony dargestellt wird. Ausgehend von der Kollektion "Graz University Libraries: Journals and Articles" gelangt man über die Swets Kategorie "Medicine" zu dem Schlagwort "Dentistry". Beide Elemente werden über Hyper-G-Kollektionen repräsentiert. Weiterhin wird aus der Abbildung ersichtlich, daß in der Kollektion "Caries Research" ein Dokument "Caries Research" liegt. Der Inhalt dieses Dokumentes enthält Informationen über eine entsprechende Zeitschrift und deren Standort in der Grazer Bibliothek (aus dem Bild nicht erkennbar). In der Kollektion "1995 - Volume 29, Number 5" wird eine entsprechende Ausgabe dieser Zeitschrift nachgewiesen. Benutzer haben die Möglichkeit, durch die genannten Kollektionen zu navigieren und auf Dokumente zuzugreifen, ohne Verweise zu verwenden.

Abbildung 4.1

4.2 Benutzerkonzept und Zugriffsrechte

Hyper-G bietet ein Benutzer- und Gruppenkonzept, die sich eng an die entsprechenden Unixkonzepte anlehnen, aber völlig unabhängig von Benutzer- und Gruppeneinträgen auf dem jeweiligen Rechner sind. Es ist also möglich, daß Benutzer einen Hyper-G-Zugang bekommen, ohne einen eingetragenen Zugang auf irgendeinem Rechner zu haben. Für die Benutzung einer virtuellen Bibliothek können daher kostengünstige Rechner mit bekannten, meist kostenlos verfügbaren Web-Browsern bereitgestellt werden. Über diese Web-Browser sprechen die Benutzer den Hyper-G-Server der Bibliothek an und loggen sich dort mit dem persönlichen Zugang ein (vgl. auch 4.2.1).
Ein Benutzer- bzw. Gruppenzugang besteht aus einem Loginnamen und zugehörigem Paßwort. Benutzer können zu Gruppen zusammengefaßt werden, für die ein gemeinsamer Zugriff auf Objekte über diese Gruppenzugehörigkeit definiert werden kann. Für jedes Objekt, etwa Kollektionen, Dokumente, Verweise, in Hyper-G kann festgelegt werden, welche Gruppe oder welcher Benutzer welchen Zugriff darauf hat. Dabei wird zwischen den drei Zugriffsarten lesen, verändern und löschen unterschieden.
Im folgenden werden Beispiele angegeben, die den Einsatz von Zugriffsrechten in virtuellen Bibliotheken veranschaulichen.

4.2.1 Zugriffsrechte auf Kollektionen

Über Zugriffsrechte und Gruppenzugehörigkeit können Arbeitsbereiche in Form von Kollektionen für Bibliotheksangestellte von denen der Benutzer getrennt werden. In den Arbeitsbereichen auf Bibliotheksseite finden die üblichen Aktivitäten zur Literaturversorgung statt. Weitere Unterteilungen nach Aktivitäten können beispielsweise Arbeitsbereiche für Literaturerwerbung, -erschließung und -vermittlung voneinander abgrenzen. Um den Ablauf dennoch transparent zu gestalten, kann der Arbeitsbereich einer Gruppe für die jeweils anderen Gruppen lesbar gemacht werden. Schließlich können Benutzer eine Heimatkollektion eingerichtet bekommen, auf die nur sie Zugriff haben. Diese Heimatkollektion kann als persönlicher Arbeitsbereich in einer virtuellen Bibliothek verwendet werden. Für diesen Zweck müssen sich Benutzer nur auf dem Bibliotheksserver eintragen lassen, um dann von beliebigen anderen Rechnern mittels Klienten auf ihren Bereich zugreifen zu können.
Neben registrierten Benutzern und Gruppen besteht auch die Möglichkeit als nicht registrierter, also anonymer Benutzer auf den Dokumentbestand eines Hyper-G-Servers zuzugreifen. Anonyme Benutzer haben prinzipiell kein Schreibrecht und dürfen nur lesend auf für sie verfügbar gemachten Kollektionen, Dokumente oder andere Hyper-G-Objekte zugreifen. Für eine virtuelle Bibliothek an einer Hochschule könnte hierüber zwischen Hochschulangehörigen und Externen unterschieden werden. Alle Hochschulangehörigen erhalten einen persönlichen Benutzerzugang und damit Zugang auf Kollektionen und die darin enthaltenen Dokumente, die für Hochschulangehörige vorgesehen sind. Externe müssen sich demgegenüber als anonyme Benutzer beim Server anmelden und erhalten dann auch nur den Zugriff auf einen Teil des gesamten Bestandes.

4.2.2 Zugriffsrechte auf Dokumente und Verweise

Dokumente können durch die Vergabe von Zugriffsrechten zum Lesen, zum Modifizieren oder zum Löschen freigegeben werden. Die von Bibliotheksseite erstellten Dokumente, etwa Kataloge, können somit den Benutzern nur zum Lesen zur Verfügung gestellt werden. Neue Einträge in einen Katalog können bis zu ihrer Freigabe nur Bibliotheksangestellten, aber keinem Benutzer zum Lesen und Modifizieren freigegeben werden. Demgegenüber können Benutzer selbst festlegen, wer alles auf die Dokumente der persönlichen Heimatkollektion (persönlicher Arbeitsbereich) in welcher Form Zugriff haben soll.
Ähnlich hierzu verhält es sich mit der Vergabe von Zugriffsrechten an Verweise. Ein Leserecht auf Verweise bedeutet, daß die Verweise nur für die berechtigten Benutzer oder Gruppen sichtbar sind und somit nur von diesen gefolgt werden können. Mit dem Modifikationsrecht können von den berechtigten Personen z.B. Attribute, wie Gebühr (siehe 4.5), verändert werden. Über das Leserecht von Verweisen können Dokumentbestände in Abhängigkeit bestimmter Zielgruppen miteinander verbunden werden. Beispielsweise kann eine Online-Hilfe zu einem Sachkatalog für Studienanfänger nur erste, einsteigende Informationen dadurch anbieten, daß Verweise zu tiefergehenden Kenntnissen für diese Benutzergruppe nicht lesbar, also nicht sichtbar, gemacht werden. Fortgeschrittenen könnten demgegenüber Leserecht für diese Verweise eingeräumt werden, womit auch speziellere Hilfen zugänglich werden.

4.3 Verweiskonsistenz

Ein großes Problem, das beim Aufbau und bei der Wartung von Informationsstrukturen immer wieder entsteht, ist die Wahrung der Verweiskonsistenz. Wird beispielsweise ein Dokument gelöscht, so ist sicherzustellen, daß keine Verweise mehr auf dieses Dokument zeigen. Ist dies dennoch der Fall, so spricht man von hängenden Verweisen, also Verweisen deren Ziel nicht mehr definiert ist. Hängende Verweise führen im WWW zu der bekannten Fehlermeldung Error 404: Not found - file doesn't exist or is read protected [even tried multi]. Ähnlich verhält es sich, wenn Dokumente eines WWW-Servers verschoben oder umbenannt werden. Da das Ziel eines Verweises über den Namen einer Datei in einer Ordner-Hierarchie auf einem bestimmten Rechner definiert ist, führt das Verschieben der Datei in einen anderen Ordner bzw. das Umbenennen der Datei zu hängenden Verweisen, obwohl das Ziel an sich noch existiert.
Virtuelle Bibliotheken werden mit dem Problem der Verweiskonsistenz etwa dann konfrontiert, wenn Internet-Ressourcen erschlossen werden. Der Grund liegt darin, daß bei der derzeitigen Anarchie im WWW keine Aussagen über die Dauer der Gültigkeit einer erschlossenen Internet-Ressource gemacht werden können. Kataloge, über die Benutzer auf solche Internet-Ressourcen zugreifen können, können daher kaum gewährleisten, daß alle erfaßten Ressourcen auch tatsächlich (noch) existieren.
Hyper-G bietet nun verschiedene Möglichkeiten, um die Verweiskonsistenz in Informationsstrukturen zu wahren. Wird ein Dokument gelöscht, so kann der Benutzer angeben, ob alle eingehenden und alle ausgehenden Verweise ebenfalls gelöscht werden sollen. Durch das Löschen der eingehenden Verweise werden hängende Verweise vermieden. Werden die eingehenden Verweise nicht mit gelöscht, so entstehen zwar hängende Verweise, Hyper-G erkennt dies aber und zeigt diese hängenden Verweise Benutzern nicht an. Das heißt, Hyper-G präsentiert Benutzern nur Verweise, deren Ziel auch tatsächlich definiert ist und denen somit gefolgt werden kann. Beim Editieren von Dokumenten werden jedoch alle Verweise, auch die hängenden, angezeigt. Solche hängenden Verweise können unter bestimmten Randbedingungen in Hyper-G wieder automatisch vervollständigt werden. Dies wird im folgenden am Beispiel illustriert: Jedes Dokument eines Hyper-G-Servers hat einen systemweit eindeutigen Namen, der vom Benutzer festgelegt werden kann. Dieser Name wird nur für interne Zwecke benötigt und ist vom Titel eines Dokumentes zu unterscheiden. Der Titel eines Dokumentes ist die für Leser sichtbare, ausführliche Bezeichnung eines Dokumentes. Im Kollektionenbrowser, wie er in Abbildung 4.1 dargestellt ist, werden beispielsweise alle Kollektionen und Dokumente mit ihrem Titel dargestellt. Es existiere nun ein Verweis von einem Dokument mit Namen A zu einem Dokument mit Namen B. Wird das Dokument mit Namen B gelöscht, ohne daß die eingehenden Verweise gelöscht werden, so entsteht ein hängender Verweis, der vom Dokument A ausgeht. Wird nun ein neues Dokument angelegt, daß den Namen B erhält, so wird der hängende Verweis automatisch wieder zu einem Verweis vom Dokument mit Namen A zum nun neuen Dokument mit Namen B vervollständigt.
Aufgrund der systemweit eindeutigen Identifikation von Dokumenten können Dokumente beliebig in der Informationsstruktur verschoben werden, ohne daß die Verweiskonsistenz verloren geht. Auch ein Umbenennen des Titels hat keine Auswirkungen auf Verweise, da die Titel von Dokumenten unabhängig von deren Namen vergeben werden können.

4.4 Lizenzierung

Ein noch weitgehend offenes Gebiet ist die Klärung des Urheber- und Vertriebsrechtes im Internet und damit auch in virtuellen Bibliotheken. So sind beispielsweise in [Sam95] Szenarien beschrieben, in denen Verlage überflüssig werden, da bei elektronischen Büchern keine Produktionskosten mehr anfallen und die Autoren somit ihre Bücher selbst über das Internet vertreiben können.
In Hyper-G wird nun ein Konzept zur Lizenzierung angeboten, das sich an Beobachtungen in traditionellen Bibliotheken anlehnt. Traditionelle Bibliotheken können zu einem Zeitpunkt nur soviele Exemplare eines Buches verleihen, wie angeschafft wurden. Übertragen auf Hyper-G heißt das, daß für Kollektionen und Dokumente festgelegt werden kann, wieviele Lizenzen davon verfügbar sind. Zu einem Zeitpunkt dürfen dann nur soviel Benutzer auf eine Kollektion bzw. ein Dokument zugreifen, wie Lizenzen dafür existieren. Wurden beispielsweise für ein Dokument drei Lizenzen erworben, so dürfen auch nur drei Benutzer zeitgleich dieses Dokument einsehen. Eine Kollektion bzw. ein Dokument wird wieder freigegeben, wenn ein Benutzer, der eine der Lizenzen für sich in Anspruch genommen hat, eine bestimmte Zeit lang nicht darauf zugegriffen hat. Dies entspricht dem Zurückstellen eines Buches in ein Regal einer traditionellen Bibliothek.

4.5 Gebühren

Sowohl Dokumente als auch Verweise können mit einer Gebühr versehen werden. Diese ist bei Dokumenten zu entrichten, wenn auf sie zugegriffen wird. Bei Verweisen fällt die Gebühr an, wenn ihnen gefolgt werden soll. Zum Entrichten der Gebühren kann jeder Benutzer einen bestimmten Betrag auf ein Hyper-G-Konto einzahlen, von dem die entstehenden Gebühren abgebucht werden. Ist das Konto eines Benutzers leer, kann dieser kostenpflichtige Dokumente nicht mehr einsehen und kostenpflichtigen Verweisen nicht mehr folgen. Diese Möglichkeiten können ausgenutzt werden, wenn über Kostenmodelle wie "pay per view" bestimmte Serviceleistungen von seiten der Bibliothek berechnet werden.

5. Forschungsaktivitäten am Lehrstuhl Informatik 1

Am Lehrstuhl Informatik 1 der Universität Dortmund wird Hyper-G im Kontext einer Internet-basierten Bibliothek mit dem Themenschwerpunkt "Kommunikation und Kooperation in virtuellen Bibliotheken" eingesetzt. Dabei steht derzeit weniger ein möglichst umfangreicher Dokumentbestand im Vordergrund als vielmehr das Konzipieren, Implementieren und Evaluieren verschiedener Dienste, die zum Arbeiten mit Internet-basierten Bibliotheken erforderlich erscheinen. Die jeweiligen Forschungsaktivitäten werden zum einen in Form von Diplomarbeiten durchgeführt. Zum anderen unterstützt die Max-Kade-Foundation, New York (USA), unsere Aktivitäten, so daß eine Zusammenarbeit mit einer entsprechenden Gruppe am Center for the Study of Digital Libraries an der Texas A&M University (USA) möglich wird. Bibliothekarisches Wissen wird dankenswerter Weise von seiten der Universitätsbibliothek Dortmund bereitgestellt.

5.1 Der Dokumentbestand

Als Dokumentbestand wird der Handapparat der Lehrstuhlbibliothek verwendet. Dieser umfaßt derzeit ca. 500 Dokumente, die formal katalogisiert sind. Die Katalogisierungsdaten liegen in elektronischer Form vor und werden derzeit als HTML-Dokumente aufbereitet und in dem Hyper-G-Server abgelegt. Digitale Dokumente werden in der Anfangsphase nicht vorliegen, obwohl auch daran gedacht wird, zu einem späteren Zeitpunkt Forschungsberichte u.ä. in digitaler Form bereitzustellen.
Wenn man bedenkt, daß in der Universitätsbibliothek Dortmund ca. 2,5 Mio. Dokumente verfügbar sind, muß unser Dokumentbestand aus bibliothekarischer Sicht natürlich als sehr sehr klein eingestuft werden. Allerdings meinen wir, daß er ausreichend Möglichkeiten für bibliothekarische Szenarien bietet, da viele Aktivitäten, wie Literaturerwerbung, Literaturerschließung und Literaturvermittlung grundsätzlich abgedeckt werden. Natürlich ist zu hoffen, daß zu einem späteren Zeitpunkt ein Teil unserer Forschungsergebnisse auch in großen Bibliotheken, etwa in einer Universitätsbibliothek, Anwendung finden wird.

5.2 Die einzelnen Forschungsvorhaben

Traditionelle Bibliotheken sind Kommunikations- und Kooperationstreffpunkte, an denen man Kollegen zum Austausch trifft oder an denen man sich von Bibliotheksseite beraten läßt [Nag95], [LeMa95]. In den Forschungsvorhaben am Lehrstuhl Informatik 1 wird nun untersucht, in welcher Form Möglichkeiten zur Kommunikation und Kooperation zunächst in Internet-basierten später aber auch in virtuellen Bibliotheken angeboten werden können. Drei zeitlich versetzte Forschungsvorhaben, die z.T. aufeinander aufbauen, sollen hierzu Beiträge liefern.
Im Rahmen des ersten Vorhabens geht es darum, verschiedene Nutzertypen Internet-basierter Bibliotheken zu identifizieren und anschließend durch entsprechende Dienste zu unterstützen. Dabei sollen zunächst Dienste traditioneller Bibliotheken auf Randbedingungen in Internet-basierten Bibliotheken abgestimmt und implementiert werden. Weiterhin wird untersucht, ob aufgrund der verwendeten Technologien neue Dienste in Internet-basierten Bibliotheken erforderlich oder möglich werden. Auch diese Dienste sollen teilweise implementiert werden. Wichtig hierbei ist es, daß in diesem ersten Schritt die Dienste der jeweiligen Nutzertypen unabhängig voneinander sind. Aspekte der Kooperation und Kommunikation werden hier also noch nicht behandelt. Das Ziel ist es vielmehr, durch diese Arbeit eine Grundfunktionalität für den Betrieb einer Internet-basierten Bibliothek bereitzustellen. Ein mit dieser Arbeit verbundener Anspruch besteht weiterhin darin, die Dienste so zu implementieren, daß sie auch in der Internet-basierten Lehrstuhlbibliothek zum täglichen Arbeiten eingesetzt werden können. Wir erhoffen uns hierdurch insbesondere Rückmeldungen, Anregungen, Kritik bezüglich der neuen, in traditionellen Bibliotheken nicht vorhandenen Dienste.
In einem zweiten Vorhaben geht es darum, Arbeitsabläufe und Abhängigkeiten zwischen diesen Abläufen in traditionellen Bibliotheken zu identifizieren und auf Internet-basierte Bibliotheken anzupassen. Dabei wird z.T. auf Ergebnisse des ersten Vorhabens zurückgegriffen. Darüber hinaus soll aber auch untersucht werden, welche neuen Möglichkeiten in diesem Zusammenhang entstehen. Als ein erstes Ergebnis lassen sich hier sogenannte Profildienste nennen. Über einen solchen Dienst können Benutzer festlegen, an welchen Themen sie interessiert sind. Wird nun ein neues Buch erfaßt, so prüft der Profildienst, welche Benutzer an dem Thema des Buches interessiert sind und informiert diese automatisch über den Neuerwerb. Aspekte der Kommunikation und Kooperation werden hier in spezieller Ausprägung behandelt. So muß der Bibliothekar nicht wissen, welche Profildienste existieren und Benutzer über den Erwerb neuer Dokumente informieren. Wir bezeichnen diese Ausprägung als indirekte Kommunikation und Kooperation, da die Beteiligten nicht direkt voneinander Kenntnis haben müssen, sondern nur über weitere Instanzen, wie programmierte bibliothekarische Hilfskräfte, knowledge roboters (knowbots) und Profildiensten, in Kontakt zueinander stehen.
Im dritten Vorhaben geht es um direkte Kommunikation und Kooperation zwischen Nutzern einer Internet-basierten Bibliothek. Bei der direkten Kommunikation und Kooperation findet ein direkter Informationsaustausch zwischen den Beteiligten statt. Eine zusätzliche Instanz, wie sie die indirekte Kommunikations- und Kooperationsform erfordert, ist hier nicht notwendig. Die direkte Kommunikation und Kooperation lassen sich noch aufteilen in synchrone und asynchrone Zusammenarbeit. Synchrone Zusammenarbeit liegt dann vor, wenn alle Beteiligten zeitgleich an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten. Bei asynchroner Zusammenarbeit bearbeiten die Beteiligten zwar eine Aufgabe, allerdings zu verschiedenen Zeitpunkten. Das dritte Vorhaben wird zunächst nur direkte, asynchrone Kommunikations- und Kooperationsformen untersuchen. Ein Szenario sieht etwa so aus, daß Benutzer persönliche Arbeitsbereiche in einer Internet-basierten Bibliothek haben, etwa eigene Kollektionen auf einem Hyper-G-Server. Ferner gibt es einen Arbeitsbereich der Bibliothek, an den Anfragen, etwa bzgl. einer Literaturrecherche, gestellt werden können. Auf Bibliotheksseite kann diese Anfrage zu einem beliebigen Zeitpunkt bearbeitet werden. Da dort bekannt ist, von wem die Anfrage gestellt wurde, kann das Ergebnis später in dem Arbeitsbereich des jeweiligen Benutzers abgelegt werden.

6. Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Ausarbeitung wurde ein erster Beitrag zur Klärung der Begriffe "traditionelle Bibliothek", "Internet-basierte Bibliothek" und "virtuelle Bibliothek" geleistet. Schließlich wurden ausgewählte Konzepte von Hyper-G vor dem Hintergrund des Einsatzes in virtuellen Bibliotheken vorgestellt. Unter Ausnutzung dieser Konzepte werden am Lehrstuhl Informatik 1 der Universität Dortmund verschiedene auf Hyper-G aufsetzende Forschungsvorhaben durchgeführt. Diese Forschungsvorhaben können unter dem Titel "Kommunikation und Kooperation in virtuellen Bibliotheken" zusammengefaßt werden.
Hyper-G stellt mit seinen Konzepten sicherlich viele Möglichkeiten zur Verfügung, die im Kontext virtueller Bibliotheken hilfreich sind. Diese These wird zusätzlich durch die Tatsache unterstützt, daß Hyper-G als Bibliotheksserver der drei Grazer Universitäten eingesetzt wird. Dort liegt ein Dokumentbestand von 330.000 Dokumenten vor (Stand Oktober 1995). Zudem wird Hyper-G als Server der TU Graz eingesetzt. Dieser Server verwaltet ca. 190.000 Dokumente, die über 170.000 Verweise miteinander verbunden sind. 810 Benutzer, die in 22 Benutzergruppen aufgeteilt sind, wurden eingerichtet. Im August 1995 wurden 4,2 Millionen Transaktionen auf dem Server registriert. Diese Zahlen belegen, daß Hyper-G über das Stadium eines Prototypen hinaus ist und durchaus hohen Anforderungen gewachsen ist.
Auf dem Weg zur virtuellen Bibliothek wird in der Zukunft eine enge Kooperation zwischen Bibliotheken und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, etwa Informatikern und Informationswissenschaftlern, erforderlich sein. Auch wenn derzeit WWW-Server einfach zu installieren und HTML-Seiten einfach zu erzeugen sind, können Bibliotheken nicht auf die Erfahrungen der letzten 10 Jahre aus den Bereichen Hypertext/Hypermedia und Benutzungsschnittstellen verzichten. Im Bereich Hypertext/Hypermedia hat man sich lange Zeit mit Fragen wie etwa "Was sind gute Hypertextdokumente?", "Wie sieht eine gute Hypertextrhetorik aus?", "Wie lassen sich große Hypertextdokumente übersichtlich strukturieren?" auseinandergesetzt. Dieser Wissenstransfer ist notwendig, um zu vermeiden, daß in Bibliotheksservern HTML-Seiten vorkommen, in denen man als Benutzer Minuten braucht, um vom Anfang bis zum Ende der Seite zu scrollen. Mit derartig aufbereiteten Informationsangeboten wird die virtuelle Bibliothek kaum Akzeptanz auf Benutzerseite erreichen. Aber auch Wissenschaftler müssen sich den Bibliotheken öffnen. Es ist sicher falsch, aus der technischen Kompetenz eines Informatikers auch dessen bibliothekarische Kompetenz abzuleiten. Nur weil man die Systematik eines systematischen Kataloges versteht und etwa Werkzeuge zur Wartung solcher Kataloge entwickeln kann, ist man noch lange nicht in der Lage, einen systematischen Katalog für einen vorhandenen Dokumentbestand sachadäquat anzulegen. So sollten zukünftige Entwicklungen und Systeme unter Berücksichtigung von Bedürfnissen und Anforderungen der Bibliotheken vorangetrieben werden.

8. Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Frau Nagelsmeier-Linke, Frau Schönfelder, Frau Alde und Herrn Schaarwächter von der Universitätsbibliothek Dortmund. Sie sind stets offen für Fragen sowie Diskussionen und ermöglichen unseren Diplomanden sogar die Durchführung eines Praktikums an der Universitätsbibliothek Dortmund. Auf diese Weise wird erforderliches bibliothekarisches Grundwissen in unsere Arbeitsgruppe am Lehrstuhl Informatik 1 eingebracht.

9. Literatur

[DaHe95]
W. Dalitz, G. Heyer; Hyper-G Das Internet-Informationssystem der 2. Generation; dpunkt Verlag Heidelberg, 1995.

[DL94]
J.L. Schnase, J. Leggett, R. Furuta, T. Metcalfe; Proceedings of the 1st Annual Conference on the Theory and Practice of Digital Libraries: Digital Libraries 1994, Texas A&M University, 1994, URL: http://www.csdl.tamu.edu/DL94/ (Stand: 2/96).

[Flo95]
U. Flohr; Hyper-G Organizes the Web; Byte, Nov. 1995, S. 59-64.

[Fox93]
E. Fox; Source Book on Digital Libraries; in: Report for the National Science Foundation, Technical Report TR-93-35, Dept. of Computer Science, Virginia Tech. USA. URL: http://fox.cs.vt.edu/DLSB.html (Stand: 2/96).

[LeMa95]
D. Levy, C. Marshall; Going Digital: A Look at Assumptions Underlying Digital Libraries; Communications of the ACM 38, 4, April 1995, S. 77-84.

[MaMa95]
G. Marchionini, H. Maurer; The roles of Digital Libraries in Teaching and Learning; Communications of the ACM 38, 4, April 1995, S. 67-75.

[Mau96]
H. Maurer; Vorabversion des Buches: Hyper-G The Second Generation Web Solution; erscheint 1996 bei Addison Wesley.

[MaCr94]
G. Marchionini, G. Crane: Evaluating hypermedia and learning: Methods and results from the Perseus Project. ACM Transactions on Information Systems 12, 1, Jan. 1994, S. 5-34. [Nag95]

[Nag95]

M. Nagelsmeier-Linke
Antrittsvortrag von Frau Nagelsmeier-Linke als Bibliotheksleiterin der Universitätsbibliothek Dortmund; gehalten am 17.12.1995 im Audimax der Universität Dortmund.

[NüFu94]
P. Nürnberg, R. Furuta, J. Leggett; Digital Libraries: Issues and Architectures; in [DL94].

[Sch94]
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