Thermoanalytische und Infrarotspektroskopische Untersuchungen am System Polyvinylalkohol / Borsäure Zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften vom Fachbereich Chemie der Universität Dortmund genehmigte Dissertation von Dipl. Chem. Ralf Smolinski aus Gelsenkirchen Referent: Prof. Dr. R.W. Schmutzler Korreferent: Prof. Dr. A. Geiger Tag der mündlichen Prüfung: 07. Oktober 2003 why time takes too much time the time is now take it easy enjoy life every day forty-two INHALTSVERZEICHNIS Zusammenfassung......................................................................... III 1 Einleitung und Problemstellung .................................................. 1 1.1 Glas .................................................................................................................. 1 1.2 Brandschutzgläser ............................................................................................ 2 1.2.1 Eigenschaften gewöhnlicher Gläser unter Hitzeeinwirkung............................ 2 1.2.2 Brandschutzglas-Arten..................................................................................... 2 1.2.3 Produktion von Sicherheitsglas und Brandschutzglas ..................................... 4 1.3 Alternativen zur Brandschutzschicht im Brandschutzglas............................... 5 1.4 Zielsetzung der Arbeit...................................................................................... 6 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen ..................................................................................... 7 2.1 Borsäure ........................................................................................................... 7 2.2 Polyvinylalkohol .............................................................................................. 10 2.3 Bildung des Borsäure-Polyvinylalkohol-Komplexes....................................... 13 3 Experimenteller Teil ..................................................................... 14 3.1 Präparation der Proben..................................................................................... 14 3.2 Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimeter (DTSC).............................. 16 3.3 Thermowaage................................................................................................... 20 4 Messergebnisse .............................................................................. 23 4.1 Ergebnisse der kalorimetrischen Messungen (DSC)........................................ 23 4.1.1 Grundlinienbestimmung................................................................................... 24 4.1.2 Normierung der DSC-Diagramme ................................................................... 26 4.1.3 Beschreibung des normierten DSC-Diagrammes von Borsäure...................... 31 4.1.4 Beschreibung des normierten DSC-Diagrammes von Polyvinylalkohol......... 33 4.1.5 Beschreibung der normierten DSC-Diagramme der „Komplexe (F)“............. 35 4.1.6 Beschreibung der normierten DSC-Diagramme der „Komplexe (T)“............. 38 4.2 Ergebnisse der thermogravimetrischen Messungen (TG)................................ 41 4.2.1 Normierung der DTG-Diagramme................................................................... 42 4.2.2 Beschreibung des normierten DTG-Diagrammes von Borsäure ..................... 43 4.2.3 Beschreibung des normierten DTG-Diagrammes von Polyvinylalkohol ........ 45 4.2.4 Beschreibung der normierten DTG-Diagramme der „Komplexe (F)“ ............ 47 4.2.5 Beschreibung der normierten DTG-Diagramme der „Komplexe (T)“ ............ 51 4.3 Ergebnisse der Infrarot-Spektren ..................................................................... 55 5 Auswertung.................................................................................... 58 5.1 Auswertung der Schwingungsspektren ............................................................ 58 5.1.1 Schwingungsspektrum von Borsäure............................................................... 58 5.1.2 Schwingungsspektrum von Polyvinylalkohol.................................................. 60 5.1.3 Schwingungsspektren der „Komplexe (F)“ ..................................................... 63 5.1.4 Schwingungsspektren der „Komplexe (T)“ ..................................................... 67 5.2 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ .................................. 69 5.2.1 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ von Borsäure ........... 69 5.2.2 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ von Polyvinylalkohol und den „Komplexen“ F10 - F750 und T10 - T2000 .............................................. 71 5.2.3 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ der „Komplexe“ F1000 und F2000................................................................................................... 77 6 Fehlerbetrachtung......................................................................... 81 7 Diskussion ...................................................................................... 89 7.1 Thermoanalytische Betrachtung von Borsäure ................................................ 89 7.2 Thermoanalytische Betrachtung von Polyvinylalkohol ................................... 91 7.3 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe“ ........................................... 100 7.3.1 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe F10 - F750“............................ 101 7.3.2 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe (T)“ ..................................... 112 7.3.3 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe F1000 und F2000“ ................... 121 7.4 Schlussfolgerung.............................................................................................. 124 8 Anhang ........................................................................................... 126 8.1 Anhang DSC .................................................................................................... 126 8.2 Anhang TG....................................................................................................... 128 8.3 Anhang IK........................................................................................................ 136 Literaturverzeichnis.......................................................................................... 144 Danksagung...................................................................................................... 147 Lebenslauf ........................................................................................................ 148 III Zusammenfassung Im Zusammenhang mit der technischen Weiterentwicklung von Brandschutzgläsern werden kalorimetrische und thermogravimetrische Untersuchungen am System Polyvinylalkohol / Borsäure im Molverhältnis von 1:10 bis 1:2000 in einem Temperaturbereich von 30 °C bis 550 °C durchgeführt. Die Proben werden durch direkte Reaktion von PVA mit Borsäure in wässriger Lösung hergestellt. Die entstandenen Additivprodukte von Polyvinylalkohol und Borsäure sind laut beschriebener Literatur „Monodiol-Komplexe“, die mit Hilfe der Infrarotspektroskopie charakterisiert werden. Die infrarotspektroskopischen Untersuchungen zeigen bei zwei Verbindungen zusätzlich Absorptionsbanden der Borsäure, was darauf schließen lässt, dass bei diesen Additivprodukten Borsäure mitgerissen worden ist. Die kalorimetrischen Messungen werden mit einem Wärmeleitungs-Differenz-Scanning- Kalorimeter (DTSC) und die thermogravimetrischen Messungen mit einer Thermowaage durchgeführt. Bei den thermoanalytischen Untersuchungen (DSC- und DTG-Kurven) wird in einem Temperaturbereich von 30 - 250 °C die Desorption von adsorbiertem Wasser, in einem Temperaturbereich von 250 - 375 °C eine erste Zersetzungsstufe des Polymeren und von 375 - 550 °C eine weitere Zersetzungsstufe der gebildeten Additivprodukte beobachtet. Die ermittelte Änderung der Enthalpie pro Massenverlust der ersten Zersetzungsstufe zeigt einen Sprung zwischen reinem Polyvinylalkohol und dem ersten Additivprodukt mit einem Molverhältnis von 1 Mol PVA zu 10 Mol Borsäure. Bei den weiteren Verbindungen ergibt sich eine kontinuierliche Abnahme der Änderung der Enthalpie pro Massenverlust. Mit Hilfe der Inkrementenmethode wird versucht, die Änderung der Enthalpie pro Massenverlust der ersten Zersetzungsstufe zu modellieren. Dabei zeigt sich, dass sich der Polyvinylalkohol vorwiegend durch Dehydratation und Kettenspaltungen zu Aldehyden zersetzt und das es bei den Additivprodukten vermehrt zu pericyclischen Reaktionen kommt während mit wachsendem Borsäuregehalt die Kettenspaltungssreaktionen abzunehmen scheinen. 1 Einleitung und Problemstellung 1 1 Einleitung und Problemstellung 1.1 Glas Der Werkstoff Glas wird heute in vielen Bereichen genutzt. Dabei ist die Palette der Produkte, die aus Float-Glas hergestellt werden, groß. Isoliergläser, Sicherheitsgläser, Autoscheiben, Wärmedämmschutzgläser, elektrochrome Scheiben, Schallschutzgläser, Scheiben für photo- voltaische Systeme und Brandschutzgläser zeigen die Vielfalt der entstehenden Produkte. Die technischen Anforderungen an die einzelnen Gläser sind groß; physikalische und chemische Eigenschaften müssen spezifisch auf den Einsatzbereich abgestimmt werden. Dazu kommen wirtschaftliche Aspekte, da das fertige Produkt verkauft werden soll. Glas wird immer mehr als Bauteil in Gebäuden genutzt. Dabei spielen sicherheits- und brandschutztechnische Eigenschaften eine wichtige Rolle. Brandschutzgläser sollen verhindern, dass in einer gewissen Zeit die Ausbreitung von Flammen und Rauch voranschreitet. Dazu müssen die Gläser bestimmte Anforderungen erfüllen. Es wird zwischen zwei Feuerwiderstandsklassen unterschieden. G-Gläser sind gegen Feuer und Rauch widerstandsfähige Verglasungen. Sie verhindern jedoch nicht den Hitzedurchgang. F-Gläser sind feuerhemmende Bauteile und verhindern zusätzlich fast völlig den Hitzedurchgang. In der Regel sind für jedes Bauteil Prüfungen erforderlich. Diese Prüfungen bestehen in dem für alle G- und F-Verglasungen obligatorischen Norm-Brandversuch nach der ETK (Einheitstemperaturkurve) (Abb. 1.1). Im Verlauf dieser standardisierten Brandbean- spruchung muss die Verglasung im eingebauten Zustand funktionsfähig bleiben und sich als undurchlässig für Feuer und Rauch erweisen. Die Dauer der normgerecht zu bewältigenden Brandbeanspruchung wiederum richtet sich nach der angestrebten Feuerwiderstandsdauer. Die zusätzliche thermische Isolation der F-Gläser besteht, wenn sich die Oberfläche der feuerabgekehrten Seite bei einem Norm-Brandversuch in der vorgegebenen Zeit um nicht mehr als 140 °C im Mittel und 180 °C an einem Punkt über die Ausgangstemperatur erwärmt. Mit Hilfe des Wattebauschtestes wird zusätzlich eine Prüfung auf Selbstentzündung vorgenommen. 1 Einleitung und Problemstellung 2 20 40 60 80 100 Nur Raumabschluss Raumabschluss Branddauer in min + ∆T(mittel) < 140 °C + ∆T(max) < 180 °C Einheitstemperaturkurve ETK 1200 1000 800 600 400 200 0 Abbildung 1.1: Einheitstemperaturkurve [1]. 1.2 Brandschutzgläser 1.2.1 Eigenschaften gewöhnlicher Gläser unter Hitzeeinwirkung Glas ist nicht brennbar, bietet einem einmal ausgebrochenen Feuer im Gegensatz zu vielen anderen im Bau verwendeten Materialien keine Nahrung. Es ist jedoch durchlässig für Wärmestrahlung; seine geringe Biegezug-Festigkeit und thermische Spannungen innerhalb der Scheibe bei schnellem, einseitigem Aufheizen führen spontan zum Bruch. Von daher ist Glas ungeeignet für die Verwendung in feuerhemmenden Bauteilen. 1.2.2 Brandschutzglas-Arten Um Brandschutzgläser zu erhalten, muss die Neigung, unter Hitzeeinfluss zu springen, entweder deutlich vermindert oder durch zusätzliche Maßnahmen kompensiert werden. Das geschieht bei den verschiedenen Brandschutzglas-Arten auf ganz unterschiedliche Weise (Abb. 1.2): 1 Einleitung und Problemstellung 3 Brandschutzglas-Arten A) armierte Systeme Drahtspiegelglas Glasbausteine Profilglas B) monolithische Gläser Borosilikatglas Einscheiben- Sicherheits-Glas C) Verbund-Gläser Folie Brandschutzschicht Abbildung 1.2: Brandschutzglas-Arten [1]. A) armierte Systeme halten durch zusätzliche Strukturelemente die entstehenden Glasscherben zusammen. Dazu gehören das Drahtspiegelglas, die Glasbausteine und das Profilglas. B) monolithische Gläser verhindern das Springen der Scheiben, indem es durch Modifikation in der chemischen Zusammensetzung gelingt, den thermischen Ausdehnungskoeffizienten so zu verringern, dass thermische Spannungen praktisch vernachlässigbar werden. Ein Beispiel dafür sind Borosilikatgläser, die aufgrund ihrer speziellen Zusammensetzung einen sehr geringen thermischen Ausdehnungskoeffizienten haben und thermisch vorspannbar sind, so dass hier das Springen der Scheibe verhindert werden kann. Einscheiben-Sicherheits-Gläser sind vorgespannt und erhöhen so die Oberflächenspannung der Scheibe. Damit verbunden erhöht sich die Energiespeicherung im Glas. Erst bei der Überwindung dieser Energiebarriere zerfällt die Scheibe. C) Verbundgläser: Zu den Verbundgläsern gehört ein System, bei dem derartige Einscheiben- Sicherheits-Gläser durch eine EVA-Folie (EVA: Ethylen-Vinylacetat-Polymer) miteinander verbunden sind. Im Brandfall geht eine der beiden Scheiben zu Bruch und die Hitze bzw. der Rauch wird von der Folie eine bestimmte Zeit abgehalten. Nach einer gewissen Zeit beginnt die Folie zu brennen und trägt damit selbst zum Brand bei. 1 Einleitung und Problemstellung 4 Eine Weiterentwicklung stellen Gläser dar, bei denen feuerhemmende Schichten zwischen den Scheiben eingebettet sind. Zwei Scheiben aus nicht vorgespanntem Floatglas werden mit einer wasserhaltigen Alkalisilikatschicht [ M2O ⋅ n SiO2 ⋅ x H2O (n = 1, 2, 3, etc.) „Wasser- gläser“] und einem geringen Anteil an Glyzerin verbunden [1]. Die Vorteile der wasserhaltigen Alkalisilikatschicht bestehen in der hohen Absorption von Energie durch die Verdampfungsenthalpie des bei der Erwärmung freigesetzten Wassers. Durch den Verdampfungsprozess zeigt die Schicht ein gutes Quellverhalten. Der entstandene Schaum hat einen hohen Schmelzpunkt und bildet mit der gesprungenen feuerseitigen Scheibe eine feste Sandwich-Struktur, die einen Schutz gegenüber der ankommenden Hitze und dem Rauch bietet. Das „Wasserglas“ ist transparent und besitzt eine gute Haftung zum Glas. Die Nachteile der Schicht sind ihre Härte und Sprödigkeit. Dadurch wird sie leicht brüchig, besitzt nur eine geringe Eigenfestigkeit. Durch den Zusatz von Glyzerin wird der Verbund zwischen dem Glas und der Wasserglasschicht gestärkt, da Glyzerin eine gute Affinität zu beiden Komponenten besitzt. Glyzerin nimmt aufgrund seiner chemischen Eigenschaften das atmosphärische Wasser vor dem Eindringen in die Scheibe auf, und verhindert so, das es zur Trübung durch Feuchtigkeit kommt. Durch die Härte und Sprödigkeit der Alkalisilikatschicht entstehen bei einem Aufprall auf das Verbundglas scharfe Glasscherben, die häufig Verletzungen hervorrufen. Dadurch besitzt das Brandschutzglas keine guten Sicherheits- eigenschaften. Um auch den sicherheitstechnischen Normen zu genügen, wird eine Sicherheitsscheibe im Bauteil mit eingebunden. Die heutigen Sicherheitsgläser bestehen unter anderem aus einem Verbund aus zwei Floatglasscheiben und einer EVA-Folie. Dabei hält die Folie die entstandenen Splitter fest (siehe Abb. 1.2; Seite 3; Verbundgläser). Die Kombination von Brandschutz- und Sicherheitsglas erfüllt bis heute die bestmöglichen Eigenschaften bei einem Brandfall. 1.2.3 Produktion von Sicherheitsglas und Brandschutzglas Der technische Aufwand zur Herstellung einer Sicherheitsscheibe ist relativ gering. Die Kunststofffolie (in der Regel EVA) kann normal gelagert werden. Sie wird bei der Produktion in einem Raum mit niedriger Feuchtigkeit und einer Temperatur von 18 °C zwischen die Floatglasscheiben gelegt. In einem Autoklaven wird sie bei höherer Temperatur und unter Druck mit den Scheiben verbunden. 1 Einleitung und Problemstellung 5 Dagegen unterliegt die Produktion der Brandschutzschicht hohen technischen Ansprüchen. Eine planare Oberfläche und ein schwingungsfreies Aufliegen müssen für den Verbund zwischen Glas und Schicht vorhanden sein, um eine Gleichverteilung der Wasserglasschicht zu gewährleisten. Die wasserhaltige Alkalisilikatschicht wird bei 100 °C getrocknet. Ein Aufschäumen der Schicht muss verhindert werden, daher ist eine langsame Verdunstung von der freien Oberfläche erforderlich. Der Stofftransport innerhalb der Wasserglasschicht erfolgt nur durch Diffusion, diese wird mit zunehmender Verfestigung (Gelbildung) langsamer. Wegen der Sprödigkeit und Härte der Silikatschicht muss ihre Oberfläche so eben sein, dass sich die zweite Scheibe blasenfrei aufbringen lässt. Dieser Vorgang ist zeitintensiv. Nach der Trocknung wird die Glyzerinschicht aufgetragen, zum Schluss kommt es zum Verbund mit der zweiten Floatglasscheibe. Der Rand wird mit einer festen Silikatschicht abgedichtet. Ein unter wirtschaftlichen Aspekten wichtiges Ziel der Weiterentwicklung ist, die Standzeiten bei der Herstellung zu verringern und die Brandschutz- und Sicherheitseigenschaften zu kombinieren. 1.3 Alternativen zur Brandschutzschicht im Brandschutzglas Einen Fortschritt bei der Herstellung von Brandschutzglas kann man nur Erreichen, wenn die alternative Brandschutzschicht folgende Kriterien erfüllt: - allgemein erforderliche Materialeigenschaften: - mindest Transparenz, nach Möglichkeit klare Durchsichtigkeit - chemische Stabilität unter dem Einfluss von Licht im gesamten Temperaturbereich (- 30 °C bis 80 °C) der in Aussicht genommenen Anwendung - Haftung des Materials auf dem Glas - keine Phasenumwandlungen indem für die Anwendung charakteristischen Temperatur- bereich - Brandschutzeigenschaften: - hohe Energieabsorption - Schutz für einen bestimmten Zeitraum gegenüber Hitze, Rauch und Strahlung - Sicherheitseigenschaften: - mechanische Festigkeit bei Schlag- und Biegebeanspruchung - Verhinderung der Entstehung von scharfen Glasscherben 1 Einleitung und Problemstellung 6 Die Brandschutzschicht darf folglich dem Feuer nur wenig Nahrung bieten. Sie muss unter Hitzeeinschluss einen wärmeisolierenden Schaum bilden, der in einem gewissen Zeitraum Temperaturen bis 1000 °C stand hält und den direkten Durchgang der Wärmestrahlung verhindert. Als Materialien kommen deshalb nur anorganische oxidische Glasbildner in Frage. Da diese Substanzen nicht toxisch wirken dürfen (Bsp.: P2O5) reduziert sich die Auswahl auf SiO2 und B2O3. Nachteil beider Materialien ist ihre Sprödigkeit. Ein Anteil einer Polymerkomponente kann die Sprödigkeit des anorganischen Materials herabsetzen. Eine hohe Dichte an OH-Gruppen hilft, die anorganische Komponente chemisch zu binden, zum Beispiel durch Veresterung. Eine dieser Polymerkomponenten ist Polyvinylalkohol. 1.4 Zielsetzung der Arbeit Im Hinblick auf prinzipielle Alternativen zu den bisher verwendeten Alkalisilikatschichten in Brandschutzgläsern sollen Additivprodukte aus Borsäure (BS) [H3BO3] und Polyvinylalkohol (PVA) [-CH2CHOH-]n hergestellt und charakterisiert werden. Diese Komponenten können durch Esterbildung chemisch miteinander reagieren. Freie OH-Gruppen der Borsäure oder des PVA können u.U. einen guten Verbund zum Glas herstellen. Beim Erhitzen entsteht Bortrioxid [B2O3], das u.U. einen wärmeisolierenden Schaum bilden kann. Im Hinblick auf einen möglichen Einsatz in Brandschutzgläsern ist eine Untersuchung der thermischen Eigenschaften vordringlich. Deshalb sollen in dieser Arbeit die Additivprodukte durch die thermische Analyse charakterisiert werden. Die Energetik erlaubt Rückschlüsse auf die Energieabsorption als wesentlichem Kriterium für einen Brandschutz während der Massenverlust Rückschlüsse auf die Bildung gasförmiger Produkte ermöglicht, wie sie zum Aufschäumen der Restmasse – im Wesentlichen voraussichtlich Bortrioxid – auftreten müssen. Geeignete Methoden hierfür sind die Differenz-Scanning-Kalorimetrie (DSC). Sie gibt Hinweise auf Phasenumwandlungen und mögliche chemische Reaktionen in Abhängigkeit von der Temperatur; endotherme und exotherme Effekte geben Aufschlüsse über die energetischen Eigenschaften der Verbindungen. Die Thermogravimetrie (TG) zeichnet den Massenverlust einer Probe in einem bestimmten Temperaturintervall auf. Die thermogravimetrischen Diagramme geben Rückschlüsse über chemische Reaktionen im Material. Zusätzlich sollen die Additivprodukte durch IR-Spektroskopie charakterisiert werden. Hieraus kann man hoffen, einige grundlegende strukturelle Informationen zu erhalten. 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 7 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen Einige chemische und physikalische Eigenschaften der Ausgangssubstanzen Borsäure und Polyvinylalkohol werden im Hinblick für ihren Einsatz als Brandschutzmaterial näher beschrieben. 2.1 Borsäure Orthoborsäure [H3BO3] ist ein weißes Pulver und besitzt eine Molmasse von 61,84 g⋅mol-1. Der Schmelzpunkt liegt bei 169 °C [2]. Die spezifische Wärmekapazität beträgt bei 25 °C 81,34 J⋅K-1⋅mol-1 [3]. Die Orthoborsäure bildet eine zweidimensionale Schichtenstruktur, deren einzelne Ebenen durch Ausbildung linearer, unsymmetrischer O-H...O-Wasserstoff- brücken zu Stande kommen (Abb. 2.1; Seite 8). Die Wasserabspaltung der kristallinen Orthoborsäure erfolgt zwischen 100 °C und 130 °C [4, 5]. Es entsteht α-Metaborsäure (Abb. 2.2 A; Seite 8). Die orthorhombische Metaborsäure bildet ringförmige Moleküle (HBO2)3, denen der planare „Boroxin“-Ring B3O3 zugrunde liegt. Die einzelnen „Trihydroxyboroxin“- Moleküle, deren Boratome alle die Koordinationszahl 3 aufweisen, sind über Wasserstoff- brücken zu einer zweidimensionalen Schichtstruktur verknüpft. Metaborsäure existiert in zwei weiteren Modifikationen; β-Metaborsäure (Abb. 2.2 B; Seite 8), die monoklin aufgebaut ist, die aus der α-HBO2 nach Tagen bei 130 - 150 °C entsteht oder γ-HBO2, die eine kubische Struktur besitzt und deren Bildung über 150 °C nach Wochen erfolgt [6] (Abb. 2.2 C; Seite 8). Folglich entsteht als Zwischenstufe bei einem zügigen Aufheizvorgang nur die α-HBO2, die durch den weiteren Aufheizprozess bei 160 °C [4] langsam bis 520 °C weiteres Wasser verliert [5]. Dabei bildet sich eine glasige Schmelze, die sich schließlich unter Aufblähen in wasserfreies Bortrioxid verwandelt [4]. Beim schnellen Aufheizen entsteht Bortrioxid als amorphes Glas, die kristalline hexagonale Form des B2O3 wird nur beim sehr langsamen Aufheizen beobachtet [7]. Hier liegt Bortrioxid als dreidimensionales Netzwerk aus sich kreuzenden Zickzackketten von ecken-verknüpften planaren BO3-Tetraedern vor [6] (Abb. 2.2 D; Seite 8). H3BO3  → °−° C130C100 α-HBO2 + H2O  → °−° Tage,C150C130 β-HBO2 β-HBO2  → °> Wochen,C150 γ-HBO2  → °C520 ½ B2O3 + ½ H2O 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 8 Abbildung 2.1: Struktur von Borsäure [6]. Α) α−HBO2 Β) β-HBO2 C) γ-HBO2 D) B2O3 Abbildung 2.2: Struktur der Metaborsäuren und Bortrioxid [6]. 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 9 Die Borsäure ist eine sehr schwache Säure. Sie wirkt als OH--Akzeptor (Lewis-Säure bzw. Ansolvosäure). Borsäure in Wasser gelöst dissoziiert zu H+ und B(OH)4--Ionen. B(OH)3 + H2O ←→ H+ (aq) + B(OH)4- (aq) Der pKs-Wert liegt bei 9,25. Wässrige Boratlösungen enthalten nur bei hohen pH-Werten (pH > 12) ausschließlich das Ion B(OH)4-. Bei mittleren pH-Werten (pH = 4 - 12) existieren neben B(OH)4--Ionen auch Polyanionen. Im neutralen bis sauren Bereich hydrolysieren die Polyanionen zunehmend zu Orthoborsäure B(OH)3, die schließlich bei niedrigen pH-Werten (pH < 4) als einzige Spezies in Wasser vorliegt [6]. Die Löslichkeit der Borsäure beträgt bei 20 °C 5 g in 100 ml Wasser. Bei 30 °C sind es bereits 6,6 g in 100 ml H2O [8]. Latocha et al. [7] haben Borsäure thermoanalytisch untersucht. Bei einer Heizrate von 10 °C/min zeigt die DTA-Kurve bei einer Einwaage von 37,9 mg ein lokales endothermes Maximum bei 155 °C und ein absolutes endothermes Maximum bei 180 °C. Ein weiterer kleiner endothermer Peak ist bei 235 °C zu erkennen. Im weiteren Temperaturbereich bis 600 °C sind keine weiteren thermischen Ereignisse zu beobachten. Der steile Peak bei 180 °C weist auf den Schmelzpunkt der α-Metaborsäure hin, der bei 176 °C liegt [6, 7]. Bei der Interpretation von thermoanalytischen Kurven spielen die Parameter Probenbeschaf- fenheit, Heizrate, Einwaagemenge und umgebende Atmosphäre der untersuchten Substanzen eine wichtige Rolle. Ein exakter Vergleich ist nur bei gleichen Bedingungen sinnvoll. Die Bildung von Bortrioxid aus Borsäure folgt einem Zweistufenabbaumechanismus, indem - ausgehend von 2 Molekülen H3BO3 - zuerst 2 Moleküle Wasser und danach 1 Molekül Wasser abgespalten werden. Der theoretische Massenverlust in der ersten Zersetzungsstufe beträgt 29 % und in der zweiten Zersetzungsstufe 14,5 %. Der Restanteil beträgt 56,5 %. 2 H3BO3 → 2 HBO2 + 2 H2O → B2O3 + H2O 100 % 71 % 29 % 56,5 % 14,5 % 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 10 Die Änderung der molaren Reaktionsenthalpie Hr∆ von Borsäure zu Bortrioxid beträgt 95,25 kJ·mol-1 [6]. Eine detaillierte Betrachtungsweise der einzelnen Schritte ist nicht möglich, da im Temperaturintervall von 75 - 200 °C aufeinander folgende bzw. parallele Reaktionen ablaufen. Es handelt sich dabei um die Abspaltung von Wasser von der Borsäure, die weitere Abspaltung von Wasser von der gebildeten α-Metaborsäure zu Bortrioxid und um eventuelle Phasenumwandlungen. 2.2 Polyvinylalkohol Polyvinylalkohol (PVA) [-CH2CHOH-]n ist ein weißes Pulver. Technisch wird PVA durch Hydrolyse von Polyvinylacetat (PVAc) [-CH2CHOCOCH3-]n gewonnen. Je größer der Hydrolysegrad, desto weniger Acetylgruppen sind im Polyvinylalkohol vorhanden. Schmelz- punkt und Glasübergangspunkt hängen von Hydrolyse- und Polymerisationsgrad ab [9]. Poly- vinylalkohol mit einem Hydrolysegrad von 98 % und einem Polymerisationsgrad von circa 1500 besitzt bei einer Heizrate von 10 °C/min einen Schmelzpunkt von 225,8 °C. Er nimmt nur geringfügig mit der Heizrate ab [10, 11]. Die Schmelzwärme beträgt 2,5 - 2,7 kJ⋅mol-1 pro Vinylalkoholeinheit. PVA besitzt eine spezifische Wärmekapazität von 1,67 J⋅g-1⋅K-1 bzw. 73,48 J⋅mol-1⋅K-1 pro Vinyleinheit und eine Wärmeleitfähigkeit von 0,2 W⋅m-1⋅K-1 [12]. Polyvinylalkohol ist hygroskopisch: In der Literatur durchgeführte Untersuchungen zeigen, dass PVA beim Erhitzen bis 200 °C hauptsächlich Wasser desorbiert (abhängig von den äußeren Bedingungen) [13 - 15]. Ab 200 °C werden unterschiedliche Zersetzungsreaktionen beobachtet: Zunächst entsteht ein Polyen durch Dehydratation (Abb. 2.3) [13 - 20]. Danach kommt es zu mehreren Folgereaktionen. Die Kette wird unter Bildung von Aldehyden (bevorzugt Acetaldehyd und Crotonaldehyd) (Abb. 2.4) [13, 16, 17, 20 - 22] gespalten; die Polyene reagieren aber auch über Diels-Alder Reaktionen (Abb. 2.5) [14, 15, 19, 23 - 26] oder intramolekulare Zyklisierungen (Abb. 2.6) [15, 19, 26] zu substituierten Aromaten. 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 11 OH OH OH Dehydratation - H2O OH OH Abbildung 2.3: Zersetzungsreaktion 1: Dehydratation des Polyvinylalkohols. OH OH O Kettenspaltung + O Crotonaldehyd Acetaldehyd Abbildung 2.4: Zersetzungsreaktion 2: Kettenspaltung mit Bildung von Aldehyden. Diels-Alder Aromatisierung - 2 H2 Polyene substituiertesCyclohexen substituiertes Cyclohexen substituierter Aromat Abbildung 2.5: Zersetzungsreaktion 3: Diels-Alder Reaktion mit Aromatisierung. 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 12 Abbildung 2.6: Zersetzungsreaktion 4: intramolekulare Zyklisierung mit Aromatisierung. In weiteren Zersetzungsschritten oberhalb 350 °C zerfällt das Molekülgerüst. Es entsteht offenbar eine Vielzahl von Reaktionsprodukten. So wird in der Literatur von Zersetzungs- produkten wie Alkanen, Alkenen, Aromaten, Kohlenwasserstoffen, Kohlenmonoxid, Kohlen- dioxid und weiteren organischen Substanzen [13, 14, 16, 20, 22] berichtet. Der Anteil der entstehenden Produkte hängt vom Hydrolysegrad, der Molmasse, der Temperatur, dem Druck und der Atmosphäre ab. Eine thermogravimetrische Untersuchung der Zersetzungsschritte unter ähnlichen Bedin- gungen wie in dieser Arbeit liefert Thomas et al. [14]. Dort beträgt die Molmasse des PVA mit dem Hydrolysegrad von 99 % jedoch nur 24.000 g⋅mol-1 und die Heizrate ist mit 1 °C/min deutlich kleiner. Die Einwaage ist 10 mg; es wird unter dem Schutzgas Argon gemessen. Der Anteil an physikalisch gebundenem Wasser beträgt 6 %; aufgrund der kleinen Heizrate ist kein Schmelzpunkt zu erkennen. Das Polymer zersetzt sich bei 247 °C mit einem Massen- verlust von 55,9 %. Die zweite Zersetzungsstufe hat ihr Maximum bei 396 °C, der Massenverlust beträgt 24,5 %. Der Restmassenanteil bei 600 °C liegt bei 13,5 %. intramolekulare Zyklisierung Polyen substituiertes Cyclohexadien Aromatisierung - H2 substituiertes Cyclohexadien substituierter Aromat 2 Chemische und physikalische Eigenschaften der ausgewählten Substanzen 13 2.3 Bildung des Borsäure-Polyvinylalkohol-Komplexes Borsäure und Polyvinylalkohol sind beide weiße Pulver. Bei Zugabe von Borsäure zu einer wässrigen Lösung von Polyvinylalkohol bildet sich eine weiße, schleimige Fällung, die sich durch Rühren anfänglich wieder auflöst, nach weiterem Borsäurezusatz aber bestehen bleibt. Die Fällung ballt sich zu einem Klumpen zusammen, der leicht von der Flüssigkeit abzutrennen ist. Man erhält eine weiße, gummiartige Masse [27]. Aus B-NMR Untersuchungen geht hervor [28], dass hauptsächlich „Monodiol-Komplexe“ (Abb. 2.7) gebildet werden. Sie sind in Gegenwart von wenig Wasser in organischen Lösungsmitteln wie Alkohol und Pyridin löslich. Die Löslichkeit zeigt, dass hier kaum Vernetzungen zwischen den Makromolekülen durch „Didiol-Komplexe“ (Abb. 2.7) vorhanden sein können; diese Komplexe entstehen nur im alkalischen Milieu [27]. O B O OH n O B O OO n _ Didiol-Komplex Monodiol-Komplex OH OH + H3BO3 H+ + 3 H2O2 OH OH + H3BO3 + 2 H2O Abbildung 2.7: Struktur des „Monodiol-Komplexes“ und des „Didiol-Komplexes“. 3 Experimenteller Teil 14 3 Experimenteller Teil 3.1 Präparation der Proben Die Additivprodukte aus Borsäure (Molmasse 61,84 g⋅mol-1) und Polyvinylalkohol (PVA) (mittlere Molmasse 72.000 g⋅mol-1 mit einem Hydrolysegrad von 99 %) sollen durch zwei verschiedene Präparationsmethoden synthetisiert werden. Bei der Präparationsmethode „Feuchte Vermischung (F)“ werden Polyvinylalkohol und Borsäure in jeweils 50 ml demineralisiertem Wasser aufgelöst und anschließend unter Rühren vermischt. Es sollte ein homogenes Reaktionsgemisch mit homogenen Produkten entstehen. Bei der Präparations- methode „Trockene Vermischung (T)“ werden zuerst die beiden Ausgangssubstanzen PVA und Borsäure als pulverförmige Feststoffe miteinander vermengt, danach wird 100 ml des Lösungsmittels (H2O dem.) unter Rühren hinzugefügt. Die „Trockene Vermischung (T)“ dient zur Prüfung, ob bei einer technischen Realisierung (weniger Produktionsschritte erforderlich) sich die gleichen Eigenschaften bei den entstandenen Produkten ergeben wie bei der Präparationsmethode „Feuchte Vermischung (F)“. Die entstandenen „Monodiol-Komplexe“ werden je nach Konsistenz dekantiert oder filtriert. Die Rohausbeute wird im Vakuum über Diphosphorpentoxid (P2O5) getrocknet. Bei den Präparationsmethoden „Feuchte Vermischung (F)“ und „Trockene Vermischung (T)“ entstehen Feststoffe oder fein dispergierte Suspensionen über einer hellgelben oder klaren Flüssigkeit. Die Verbindungen sind sehr hart, mit zunehmender Borsäurekonzentration entstehen Pulver. Beim Vermischen der Lösungen zur Herstellung der „Monodiol-Komplexe“ F100 - F2000 tritt der Niederschlag unmittelbar nach dem Zusammengeben der Lösungen auf, was auf eine große Reaktionsgeschwindigkeit schließen lässt. Die nachfolgende Tabelle 3.1 zeigt die bei den verschiedenen Ansätzen gewählten Molverhältnisse sowie Besonderheiten der einzelnen „Monodiol-Komplexe“. 3 Experimenteller Teil 15 Tabelle 3.1: Molverhältnisse, Ansätze und Besonderheiten der „Monodiol-Komplexe“. „Feuchte Vermischung (F)“ Molverhältnis Ansatzmenge in g Bemerkungen PVA Borsäure (BS) PVA in 50 ml dem. Wasser BS in 50 ml dem. Wasser F10 1 10 7,200 0,062 hart und transparent mit Gelbstich F100 1 100 7,200 0,620 hart und weiß F250 1 250 7,200 1,550 sehr hart und weiß F500 1 500 7,200 3,100 hart und weiß mit Hohl- räumen F750 1 750 7,200 4,650 hart und weiß F1000 1 1000 7,200 6,200 weißes Pulver F2000 1 2000 3,600 6,200 weißes Pulver „Trockene Vermischung (T)“ Molverhältnis Ansatzmenge in g Bemerkungen PVA Borsäure PVA Borsäure (BS) in 100 ml dem. Wasser T10 1 10 7,200 0,062 hart und fast durchsichtig mit Gelbstich T100 1 100 7,200 0,620 teilweise transparent, teilweise weiß T250 1 250 7,200 1,550 teilweise transparent, teilweise weiß T500 1 500 7,200 3,100 sehr hart und weiß T750 1 750 7,200 4,650 hart und weiß T1000 1 1000 7,200 6,200 weißes Pulver T2000 1 2000 3,600 6,200 weißes Pulver 3 Experimenteller Teil 16 3.2 Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimeter (DTSC) Aufbau und Funktion von Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimetern (DTSC) in Zwillingsbauweise sind in der Literatur [29 - 32] ausführlich beschrieben und begründet. Sie beinhalten einen Ofen, durch den die Probe zusammen mit einer Vergleichsprobe zeitlinear über ein gewünschtes Temperaturintervall aufgeheizt wird. Als Messsignal wird die Temperaturdifferenz ∆T(t) zwischen Probe und Vergleichsprobe als Funktion der Zeit und damit als Funktion der Temperatur der Vergleichsprobe aufgezeichnet. Bei symmetrischem Aufbau der Zwillingsanordnung und stationärer Wärmeleitung zwischen Ofen und Probe bzw. Vergleichsprobe ist das Messsignal - die Temperaturdifferenz zwischen Probe und Vergleichsprobe - ein direktes Maß für die Differenz der Wärmströme zwischen Ofen und Probe bzw. Ofen und Vergleichsprobe. Abbildung 3.1 interpretiert die Wärmeströme innerhalb eines Wärmeleitungs-Differenz- Scanning-Kalorimeters (DTSC) [33]. Abbildung 3.1: Wärmeströme innerhalb eines Wärmeleitungs-Differenz-Scanning- Kalorimeters (DTSC). 3 Experimenteller Teil 17 Im Weiteren und in Abbildung 3.1 werden folgende Bezeichnungen verwendet: TU : Temperatur der Umgebung (TU = TUo + tT ⋅& ) TUo : Anfangstemperatur der Umgebung T& : Heizrate t : Zeit TP : Temperatur der Probe TV : Temperatur der Vergleichsprobe UPQ& : Wärmestrom von der Umgebung zur Probe UVQ& : Wärmestrom von der Umgebung zur Vergleichsprobe PVQ& : Wärmestrom zwischen Probe und Vergleichsprobe PQ& : Summe aller Wärmeströme in die Probe VQ& : Summe aller Wärmeströme in die Vergleichsprobe 1 : Umgebung (Ofen) 5 : Probe 2 : Wärmeleitstrecke 6 : Vergleichsprobe 3 : Auflage für Probenbehälter 7 : Vergleichsprobenbehälter 4 : Probenbehälter 8 : Auflage für Vergleichsprobenbehälter Beim verwendeten Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimeter (DTSC) der Fa. METTLER TOLEDO (DSC 30) sind fünf aufgedampfte Thermoelementpaare (Gold-Nickel- Thermosäule) auf der Oberseite der Probenauflage aus Quarz ein besonderes Konstruktions- merkmal. Sie sind durch eine Quarzschicht geschützt und isoliert. Dadurch ist ein gut geeigneter thermischer Kontakt zwischen dem Ofen (aus Silber) und dem Probenbehälter gewährleistet, der reproduzierbare Messungen von Wärmeflüssen zur Probe liefert. An der Messzelle befindet sich ein Spülgasanschluss, die Durchflussgeschwindigkeit wird mit einem Rotameter bestimmt. Weiter an der Zelle angeschlossen sind die Kühlung (mit flüssigem Stickstoff betrieben) und das Auswerte- und Steuergerät. Die Umgebung (Ofen) wird einer vorgegebenen zeitlich linearen Temperaturänderung T& = dTU/dt = konstant unterworfen. Von der Umgebung fließen Wärmeströme zur Probe UPQ& und zur Vergleichsprobe UVQ& . Die Differenz TU - TP bzw. TU - TV hängt von der Aufheiz- geschwindigkeit, der Wärmeleitfähigkeit, den Wärmeübergangszahlen und der Wärme- kapazität ab. Sind die Wärmeübergangszahlen von Probe und Vergleichsprobe gleich - bedingt durch die Zwillingsbauweise - wird beim Aufheizvorgang und stationärer Wärmeleitung bei gleicher Wärmekapazität von Probe und Vergleichsprobe die Temperatur- differenz Tp - Tv gleich Null. Ein „thermisches Ereignis“ in der Probe, d.h. eine Phasenum- wandlung, eine chemische Reaktion oder Ähnliches, bewirkt eine Veränderung der Aufheiz- 3 Experimenteller Teil 18 geschwindigkeit in der Probe gegenüber der Vergleichsprobe; es stellt sich eine Temperatur- differenz zwischen Probe und Vergleichsprobe ∆TPV ein. Bedingt durch die Zwillings- Bauweise ist das Integral ∫ ∆TPV dt proportional dem Integral ∫ ( PQ& - VQ& ) dt. PQ& und VQ& sind die effektiven Wärmeströme in die Probe und in die Vergleichsprobe, die sich aus UPQ& , UVQ& und PVQ& zusammensetzen. Dieses Integral ist ein Maß für die bei dem thermischen Ereignis verbrauchte oder freigesetzte Energie. Dies hat zur Folge, dass kleine und langsame zeitliche Schwankungen der Umgebungstemperatur die Temperaturdifferenz ∆TPV, also auch PQ& - VQ& nicht beeinflussen. Durch Messen der Temperaturdifferenz ∆TPV (t) und der Probentemperatur TP (t) lassen sich die Temperaturen, bei denen thermische Ereignisse auftreten und die dabei von der Probe aufgenommene oder abgegebene Energie ermitteln. Das Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimeter (DTSC) von METTLER TOLEDO (DSC 30) misst die Temperaturdifferenz ∆TPV und gibt über die installierte Software den Wärmestrom Q& = PQ& - VQ& aus. Der Zusammenhang zwischen ∆TPV und Q& ist in Gleichung (1) dargestellt. PVT)T(fQ ∆⋅=& (1) Der Kalibrierfaktor f (T) wird beim Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimeter DSC 30 empirisch bestimmt. Hierbei gilt: th PV R TQ ∆=& (2) Rth : thermischer Widerstand zwischen Probe und Vergleichsprobe Die Temperaturdifferenz ∆TPV wird mit Hilfe der oben beschriebenen Gold-Nickel- Thermosäule gemessen. Die Thermospannung ∆U ist proportional dem Temperatur- unterschied. ∆U = S ⋅ ∆TPV (3) S : Steilheit oder Empfindlichkeit der Thermosäule ⇒ SR UQ th ⋅ ∆ = & (4) Die beiden Größen im Nenner sind Funktionen der Messtemperatur. Sie werden als kalorimetrische Empfindlichkeit E zusammengefasst. E = Rth ⋅ S (5) 3 Experimenteller Teil 19 Für den Wärmestrom Q& gilt: sr EE UQ ⋅ ∆ = & (6) E wird in der Software des hier verwendeten Gerätes DSC 30 in einen temperaturabhängigen (relativen) Teil Er und einen temperaturunabhängigen, für die Messzelle spezifischen Teil Es, aufgespaltet. Die Temperaturfunktion von Er ist eine festprogrammierte Polynomfunktion, wobei T die Temperatur in °C bedeutet. Die Konstanten A, B und C werden durch Kalibrierung bestimmt. Er = A + B ⋅ T + C ⋅ T2 (7) mit A = 10773 B = 58,121 °C-1 C = 0,14689 °C-2 Die Kalibrierung erfolgt mit einem Standard-Aluminiumtiegel, der eine genau bekannte Menge an Indium, sowie in separaten Abteilen Blei und Zink enthält. Aufgrund der Schmelzvorgänge der drei Metalle werden die Werte A, B und C der Pt-100-Kennlinie ermittelt und direkt in die Liste der betriebstechnischen Daten eingetragen. Es wird dagegen durch Kalibrierung mittels der bekannten Schmelzwärme von Indium gemessen. Bei der genauen Kalibrierung wird mit Hilfe mehrerer Messungen die Empfind- lichkeit Es bestimmt und der Mittelwert der Einzelmessungen in die betriebstechnischen Daten des Gerätes eingetragen. Die Messung ergibt einen Wert von Es = 246,93 Punkte/mW. Bei einer digitalen Auflösung von 24 Punkten pro µV berechnet sich Es zu 10,29 µV/mW. 3 Experimenteller Teil 20 3.3 Thermowaage Die Funktion einer Thermowaage ist die Registrierung jeder Massenänderung einer Probe in einem festgelegten Temperaturbereich. Dabei wird die Wärme nicht durch Leitung, sondern durch Konvektion und Strahlung vom Ofen auf die Probe übertragen. Im dynamischen Betrieb gibt es dadurch bedingt eine relativ große Temperaturdifferenz zwischen Ofen und Probe. Diese Temperaturdifferenz zwischen Ofentemperatur und Probentemperatur bei stationärem Aufheizen, den Ofenvorhalt ∆T, beschreibt die Gleichung (8). ∆T = TOfen - TProbe = τlag⋅ T& (8) τlag : Temperaturausgleichsfunktion T& : Heizrate In Abbildung 3.2 wird beispielhaft der gesamte Verlauf der Ofen- und Probentemperatur während einer dynamischen Messung gezeigt. ENDE START STANDBY Effektiv erreichte Endtemperatur in dynamischer Phase 25 °C Temperatur T Ofentemperatur Probentemperatur Anzeige blinkt Ofenvorhalt ∆T Kombinierte Methode Dynamische Isotherme Messphase Dynamische Messphase Zeit t Abbildung 3.2: Ofenvorhalt der Thermowaage. 3 Experimenteller Teil 21 Die Temperaturausgleichsfunktion τlag kann annähernd durch ein Polynom 2.Grades dargestellt werden. τlag = C1 + C2 ⋅ T + C3 ⋅ 10-3 T2 (9) Durch Kalibrierung erhält man die Kennwerte für die Temperaturausgleichsfunktion τlag: C1 = 83,7 s C2 = - 0,185 s⋅C-1 C3 = 0,12 s⋅C-2 Zur Kalibrierung der Temperaturmessung wird von der sprunghaften Änderung der magnetischen Eigenschaften der Metalllegierungen Isatherm und Trafoperm und des Metalls Nickel beim Aufheizen Gebrauch gemacht. Diese Proben werden durch die Magnetkraft des am Ofen einzuhängenden Kalibriermagneten nach unten gezogen, was an der Waage als erhöhtes Gewicht registriert wird. Beim Fahren des Temperaturprogramms verlieren nun die einzelnen Metallproben bei ihren jeweiligen Curie-Temperaturen ihre ferromagnetische Eigenschaft und werden somit durch den Magneten kaum mehr beeinflusst. Beim Curie-Punkt jeder Probe wird das Gewicht der Kalibrierprobe sprunghaft etwas reduziert. Diese Fixpunkte erlauben die genaue Festlegung der Pt-100-Kennlinie. Die Thermowaage zeichnet pro Minute in gleichmäßigen Abständen drei Messwerte auf. Für jeden Messpunkt werden die Temperatur mit einer Auflösung von 0,33 °C und der Massenverlust der Probe mit einer Auflösung von 1 µg digital registriert. Die Restmasse wird als absolute und relative Masse aufgezeichnet. Weiterhin angezeigt werden die Start- und Endtemperatur des Massenverlustes und die Peakmaximumtemperatur. Bei der Peak- maximumtemperatur ist der Massenverlust pro Zeit am größten. (Maximum in der DTG- Kurve (Derivative-Thermo-Gravimetrie; Ableitung der TG-Kurve nach der Zeit). 3 Experimenteller Teil 22 Die Thermowaage TG 50 der Fa. METTLER TOLEDO besitzt folgenden Aufbau (Abb. 3.3): Waagschaale AbdeckungDurchführungMikrowaage Gehänge Zentrierschraube Wärmereflektoren Dichtungsring Spülgas Probenträger Ofen Reflektor Probe Kühlluft ein Kühlluft aus Spülgas Austritt Ofengehäuse Stopfen Thermowaage Abbildung 3.3: Thermowaage. Die Thermowaage TG 50 besteht aus den zwei Aufbauteilen Ofen und Mikrowaage. Die Proben, Einwaagen zwischen 1 und 50 mg, werden in einem Aluminiumoxidtiegel mit 0,07 ml Volumen vermessen. Der Ofen umhüllt den Probenträger mit Probe. Ein Wärme- reflektor umgibt den Ofen, um den Wärmeaustausch mit der Umgebung zu minimieren. Zusätzlich reguliert Kühlluft die Temperatur in der Umgebung des Ofens. Die Heizraten variieren von 0,1 bis 100 °C/min. Der Temperaturbereich erstreckt sich von Raumtemperatur bis 1000 °C. Die Reproduzierbarkeit der Probentemperatur liegt bei ± 2 °C. Der Wägebereich im dynamischen Bereich liegt bei 0 bis 150 mg, die Auflösung beträgt 1 µg. Über den Spülgasanschluss können verschiedene Gase in die Umgebung der Probe eingeführt werden. Vor dem Spülgaseintritt sind Wärmereflektoren angeordnet, die einen Wärmeübergang zum Eintritt und zur Mikrowaage verhindern. Der Probenträger ist über einen Gehänge mit der Waagschale der Mikrowaage verbunden. Die Mikrowaage registriert jede Gewichtsänderung der Probe. Sollten feste Probereste aus dem Probetiegel entweichen, so können sie aus dem Proberaum mit Hilfe eines Stopfens, den man leicht öffnen kann, entfernt werden. 4 Messergebnisse 23 4 Messergebnisse 4.1 Ergebnisse der kalorimetrischen Messungen (DSC) Die kalorimetrischen Messungen werden mit dem im vorigen Abschnitt beschriebenen Wärmeleitungs-Differenz-Scanning-Kalorimeter (DSC 30) der Fa. METTLER TOLEDO durchgeführt. Dabei werden folgende Bedingungen für alle Messungen gewählt. Heizrate/ °C⋅min-1 Temperaturintervall/ °C Gasatmo- sphäre Durchflussgeschwindig- keit/ml⋅min-1 Tiegeltyp 10 25 – 550 Stickstoff 200 Aluminium Von beiden Ausgangssubstanzen und jedem der hergestellten „Komplexe“ werden jeweils drei Proben vermessen. Es zeigt sich, dass bei allen Proben desselben „Komplexes“ dieselben thermischen Ereignisse auftreten (Abbildung 4.1; Seite 24). Die Temperaturmaxima hängen jedoch von der Korngröße der Probe und der Probenmasse ab. Daher ist eine Mittelwert- bildung zwischen den Proben nicht sinnvoll. Es wird bei den Ausgangssubstanzen und bei jedem der „Komplexe“ eine typische Kurve ausgewählt (im Anhang DSC fett gedruckt), die für Normierung, Beschreibung und Auswertung einer Messung repräsentativ ist. Im Anhang DSC befinden sich die Einzelmessungen. Aufgeführt sind die Peakmaximum- temperatur Tp bei den verschiedenen thermischen Ereignissen und die Einwaagemengen der Proben. Das Kürzel exo bedeutet, das die Peakmaximumtemperatur bei einem exothermen Ereignis erreicht wird, ansonsten handelt es sich immer um ein endothermes Ereignis. 4 Messergebnisse 24 DSC-Kurven der drei Einzelmessungen von "Komplex" T10 Messung 2 Messung 1 Messung 3 -1,6 -1,4 -1,2 -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C W är m ef lu ss in m W Abbildung 4.1: DSC-Kurven der drei Einzelmessungen von „Komplex“ T10. 4.1.1 Grundlinienbestimmung Bei den einzelnen Messungen haben die Probentiegel gegenüber dem Referenztiegel verschiedene Tiegelmassen und dadurch bedingt unterschiedliche Wärmekapazitäten. Bei jeder Einzelmessung gibt es somit eine Wärmestromdifferenz zwischen Probe und Referenz. Die Masse des Referenztiegels beträgt 50,00 mg. 10 Messungen werden durchgeführt, um die Abweichungen der Wärmeströme der einzelnen Tiegel zu untersuchen. Die geringste Abweichung eines Probentiegels beträgt 0,01 mg (opt), die obere Grenze liegt bei 0,15 mg (max) und die untere Grenze bei - 0,89 mg (min). Alle 10 Messungen liegen zwischen Maximum und Minimum mit den systematischen Abweichungen. Zur Veranschaulichung werden nur die Probentiegel (max), (opt) und (min) in der Abbildung 4.2 (Seite 25) dargestellt. 4 Messergebnisse 25 Wärmeflüsse der leeren Probentiegel maximal minimal optimal -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C W är m e flu s s in m W Abbildung 4.2: Wärmeflüsse der leeren Probentiegel. Der größte Unterschied zwischen der oberen (max) und unteren (min) Grenze beträgt bei 200 °C ca. 0,2 mW; zwischen 300 und 325 °C gleichen sich die Kurven an, danach wächst der Unterschied des Wärmestromes kontinuierlich und beträgt am Ende bei 550 °C ca. 0,4 mW. Die Kurve mit der geringsten Abweichung (opt) verläuft zwischen der oberen und unteren Grenze. Alle Probentiegel zeigen bis 400 °C eine kleinere scheinbare Wärmekapazität gegenüber dem Referenztiegel, ab ca. 400 °C besitzen die Probentiegel eine höhere scheinbare Wärmekapazität. Ursache hierfür ist vermutlich eine geringe Asymmetrie des Kalorimeters, die hier nicht weiter untersucht wird. Man erkennt den systematischen Verlauf der Wärmeflüsse der leeren Probentiegel. Da die Wärmeflüsse der leeren Probentiegel gegenüber den Wärmeflüssen der Proben sehr klein sind, wird auf eine Einzelauswertung verzichtet und der arithmetische Mittelwert der drei Einzelmessungen als Grundlinie festgelegt. 4 Messergebnisse 26 4.1.2 Normierung der DSC-Diagramme Bei den DSC-Messungen an verschiedenen Proben treten unterschiedliche Einwaagemengen auf. Für den quantitativen Vergleich und die quantitative Auswertung ist der Bezug auf gleiche Stoffmengen erforderlich. Für die Interpretation auf molekularer Ebene wird in der Regel die Stoffmenge zweckmäßig auf ein Mol bezogen. Jedoch sind die Molmassen der untersuchten Substanzen Borsäure, Polyvinylalkohol und der „Monodiol-Komplexe“ sehr unterschiedlich. Unter technischen Gesichtspunkten ist ein Bezug auf die Masseneinheit oder Volumeneinheit zweckmäßig, da sich die Dichten der „Monodiol-Komplexe“ nicht stark unterscheiden und somit die Masse durch das Volumen bei technischen Folien weitgehend vorgegeben ist. In dieser Arbeit wird im Hinblick auf die Interpretationsmöglichkeiten der Zersetzungsreaktionen der Bezug auf die Stoffmengeneinheit gewählt. Vor der Normierung auf die Stoffmenge wird von den aufgenommenen DSC-Kurven die im Kapitel 4.1.1 festgelegte Grundlinie abgezogen. Aus der Literatur ist bekannt [13 - 15], dass Polyvinylalkohol hygroskopisch ist und leicht Wasser adsorbiert. Die DSC-Kurve auf Seite 33 zeigt bis ca. 190 °C ein breites endothermes Band. In der Literatur wird dieser thermische Effekt als Desorption des adsorbierten Wassers gedeutet. Die TG-Messungen des Polyvinylalkohols ermitteln einen Massenverlust bis 190 °C von 9,0 % (Kapitel 4.2.3; Seite 46). Der eingesetzte Polyvinylalkohol mit der Molmasse von 72.000 g⋅mol-1 enthält trotz intensiver Trocknung über P2O5 adsorbiertes Wasser. Diese zusätzliche Molmasse, hervorgerufen durch das adsorbierte Wasser, kann mit Hilfe des Massenverlustes bis 190 °C ermittelt werden (siehe Tabelle 4.1; Seite 28). Somit ergibt sich für die eingesetzte Molmasse des PVA ein Wert von 79.128 g⋅mol-1. Bei der Bildung der „Monodiol-Komplexe“ F10 - F500 und T10 - T500 wird angesichts der schnellen spontanen Reaktion zwischen PVA und Borsäure von einer vollständigen Umsetzung ausgegangen. Die Molmasse der „Monodiol-Komplexe“ F10 - F500 und T10 - T500 lässt sich nach der folgenden Reaktionsgleichung berechnen (n = 1620; Polymerisationsgrad von PVA; m = 10, 100, 250, 500). CH3-(CH2CHOH)n-CH3 + m H3BO3 → CH3-[(CH2-CH)2BO2OH]m-(CH2CHOH)n-2mCH3 + 2m H2O 44 62 114 44 18 (Hinweis: Der Hydrolysegrad beträgt beim eingesetzten PVA 99 %. Dadurch bedingt sind 1 % Acetatgruppen = 16 Moleküle im Polyvinylalkohol vorhanden: Die Molmasse der Acetateinheit ist 86 g⋅mol-1. Sie wird bei der Molmassenbestimmung mit berücksichtigt). 4 Messergebnisse 27 Bei der Bildung der „Monodiol-Komplexe“ müssen jeweils zwei benachbarte OH-Gruppen des PVA mit der Borsäure reagieren. Da diese Veresterung bei ausreichendem Angebot an H3BO3 praktisch gleichzeitig an mehreren Stellen des PVA-Moleküls startet, bleiben im statistischen Mittel 1/e2 Hydroxylgruppen des PVA selbst dann unverestert, wenn die Borsäure im Überschuss vorliegt [34]. Dadurch können im Mittel maximal 700 Borsäure- moleküle mit 1400 Vinylgruppen komplexieren. Aus diesem Grund sollte die Molmasse bei den „Monodiol-Komplexen“ F750 - F2000 und T750 - T2000 ohne adsorbiertes Wasser einen Wert von 90.200 g⋅mol-1 nicht überschreiten können. Bei den „Monodiol-Komplexen“ F750 - F2000 und T750 - T2000 wird - nach Abzug des adsorbierten Wassers - der oben genannte Wert für die Molmasse verwendet. Angesichts der Tatsache, dass durch IR-spektroskopische Untersuchungen (Seite 66) „freie“ Borsäure in den „Monodiol-Komplexen“ F1000 und F2000 nachgewiesen wird, ist davon auszugehen, dass das Filtrat bei den „Monodiol-Komplexen“ F750 - F2000 und T750 - T2000 noch Borsäure enthalten hat. Eine quantitative Bestimmung wird jedoch als nicht Erfolg versprechend verworfen, denn offensichtlich haben die „Monodiol-Komplexe“ unterschiedliche Mengen - trotz sorgfältigen Waschens - mitgerissen. Anmerkung: Bei F1000 und F2000 sind Borsäuremoleküle bei der Präparation mitgerissen worden [siehe Ergebnisse der kalorimetrischen (Kapitel 4.1.5) und thermogravimetrischen (Kapitel 4.2.4) Messungen und der IR-Spektren (Kapitel 5.1.3)], die zu einer Erhöhung der Molmasse führen. Diese mitgerissenen Borsäuremoleküle sind in das Polymer als Matrix eingelagert. Sie werden im Weiteren als „freie“ Borsäure bezeichnet. Die Anpassungs- rechnungen (Kapitel 5.2.3) ermitteln 122 Mol „freie“ Borsäure pro Mol F1000 und 162 Mol „freie“ Borsäure pro Mol F2000. Im ersten Temperaturintervall werden bei diesen beiden „Monodiol-Komplexen“ zusätzlich zur Desorption von Wasser Borsäuremoleküle in Bor- trioxid unter Abspaltung von 3/2 Mol Wasser pro Mol Borsäure umgewandelt (siehe Tabelle 4.2; Seite 28). Die DSC-Kurven aller „Monodiol-Komplexe“ zeigen zunächst ein breites endothermes Band bis ca. 250 - 300 °C. Dieser thermische Effekt wird wie beim PVA als Desorption von adsorbiertem Wasser gedeutet. Diese zusätzliche Molmasse, hervorgerufen durch die adsor- bierten Wassermoleküle, wird mit Hilfe der TG-Messergebnisse (∆m1; Kapitel 4.2; Seite 41 ff) ermittelt. In Tabelle 4.1 werden die Molmassen der „Monodiol-Komplexe“ und der „Komplexe“ (mit adsorbierten Wasser) aufgeführt. 4 Messergebnisse 28 Tabelle 4.1: Molmasse der „Monodiol-Komplexe" [MMDK], Beitrag des adsorbierten Wassers [M(H2O)ads.] zur Molmasse und Molmasse der „Komplexe“ [M“Komplex“]. MMDK g⋅mol-1 ∆m1 % M (H2O)ads. g⋅mol-1 M“Komplex“ g⋅mol-1 PVA 72.000 9,0 7.128 79.128 F10 72.260 3,1 2.304 74.564 F100 74.600 13,7 11.844 86.444 F250 78.500 15,6 14.508 93.008 F500 85.000 12,9 12.582 97.582 F750 90.200 12,7 13.122 103.322 T10 72.260 5,8 4.446 76.706 T100 74.600 9,8 8.100 82.700 T250 78.500 9,2 7.956 86.456 T500 85.000 11,9 11.484 96.482 T750 90.200 12,5 12.888 103.088 T1000 90.200 15,2 16.164 106.364 T2000 90.200 14,2 14.922 105.122 Tabelle 4.2: Molmasse der „Monodiol-Komplexe" [MMDK], Beiträge der „freien“ Borsäure [M(BS)frei] und des adsorbierten Wassers [M(H2O)ads.] zur Molmasse und Molmasse der „Komplexe“ [M“Komplex“] bei F1000 und F2000. MMDK g⋅mol-1 „freie“ Borsäure M (BS)frei g⋅mol-1 ∆m des. Wasser % M (H2O)ads. g⋅mol-1 M“Komplex“ g⋅mol-1 F1000 90.200 122 7.564 19,8 24.156 121.920 F2000 90.200 162 10.004 23,0 29.952 130.196 Anmerkung: F1000 : ∆m1 = ∆m des. Wasser + ∆m Wasser aus der Borsäure F1000 : ∆m1 (%) = 19,8 % + 2,7 % = 22,5 % F2000 : ∆m1 = ∆m des. Wasser + ∆m Wasser aus der Borsäure F2000 : ∆m1 (%) = 23,0 % + 3,4 % = 26,4 % 4 Messergebnisse 29 Am Beispiel des „Komplexes“ T500 wird die Normierung explizit vorgeführt. Abbildung 4.3 zeigt die Grundlinienkorrektur des „Komplexes“ T500. Grundlinienkorrektur des "Komplexes" T500 Grundlinie DSC-Messkurve T500 DSC-Messkurve T500 T500-Grundlinie T500-Grundlinie -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C W är m ef lu ss in m W Abbildung 4.3: Grundlinienkorrektur des „Komplexes“ T500. Im Temperaturbereich von 30 - 350 °C verläuft die korrigierte Kurve oberhalb der Mess- kurve. Der Wärmefluss nimmt um 0,5 mW ab. Bereits ab 300 °C nähert sich die Messkurve der korrigierten Kurve an. Zwischen 360 °C und 445 °C stimmen die Wärmeströme überein. Nach 445 °C nimmt der Wärmefluss der korrigierten Kurve kontinuierlich bis ca. 0,6 mW zu. Es erfolgt die Normierung auf die Stoffmenge der eingesetzten Substanz. Beim „Komplex“ T500 beträgt die Einwaagemenge 8,59 mg. Die Molmasse des gebildeten „Komplexes“ ist 96.482 g⋅mol-1. Die Stoffmenge beträgt demnach 0,89⋅10-7 mol. Der nach der Grundlinien- korrektur erhaltene Wärmefluss wird durch die Stoffmenge geteilt. 500 500 T GrundT n QQQ && & − = (10) 4 Messergebnisse 30 Abbildung 4.4 zeigt die normierte Kurve des „Komplexes“ T500 im Vergleich mit der DSC- Messkurve. Vergleich der normierten Kurve des "Komplexes" T500 mit der DSC-Messkurve von T500 normierte Kurve DSC-Messkurve T500 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 W är m ef lu ss in m W Abbildung 4.4: Vergleich der normierten Kurve des „Komplexes“ T500 mit der DSC- Messkurve von T500. Nach der Normierung ändern sich die Peakflächen und die maximalen Werte der Wärme- flüsse bei den jeweiligen Peakmaximumtemperaturen. Die Temperaturwerte für die Maxima bleiben gleich. 4 Messergebnisse 31 4.1.3 Beschreibung des normierten DSC-Diagrammes von Borsäure Tabelle 4.3 zeigt die Parameter für die Normierung: Einwaage der Probe, die Molmasse der Borsäure und die daraus resultierende Stoffmenge. Tabelle 4.3: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge von Borsäure (DSC). Ausgangssubstanz Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol Borsäure 15,26 61,84 2,468⋅10-4 Abbildung 4.5 zeigt den Verlauf des DSC-Diagrammes der Borsäure nach der Normierung. normierte DSC-Kurve von Borsäure -0,4 -0,35 -0,3 -0,25 -0,2 -0,15 -0,1 -0,05 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l Abbildung 4.5: Normierte DSC-Kurve von Borsäure. 4 Messergebnisse 32 Aus der normierten Kurve ergeben sich bei den Peakmaximumtemperaturen Tp folgende molaren Wärmeflüsse Q& . Tabelle 4.4: Normierte molare Wärmeflüsse Q& bei den Peakmaximumtemperaturen Tp von Borsäure. Ausgangssubstanz 1.Tp/°C 1Q& /kW⋅mol-1 2.Tp/°C 2Q& /kW⋅mol-1 3.Tp/°C 3Q& /kW⋅mol-1 Borsäure 164 - 0,32 176 - 0,36 240 - 0,07 Die Kurve verläuft zwischen 30 - 90 °C parallel zur Abszisse. Zwischen 90 und 200 °C erstreckt sich ein breiter endothermer Peak mit einem lokalen Maximum bei 164 °C und einem absoluten Maximum bei 176 °C. Bei 164 °C ergibt sich ein molarer Wärmefluss von - 0,32 kW/mol, bei 176 °C von - 0,36 kW/mol. Zwischen 200 und 235 °C sind zwei weitere kleine endotherme Peaks zu erkennen; im Temperaturbereich von 235 - 340 °C zeigt die Kurve weitere kleine Peaks, wobei der größte endotherme Peak bei 240 °C liegt. Hier ist der Wert für den molaren Wärmefluss - 0,07 kW/mol. Im weiteren Verlauf zeigt die Kurve keine weiteren thermischen Ereignisse. Bei 475 °C ist noch eine kleine Stufe zu erkennen. Die normierte DSC-Kurve der Borsäure zeigt die thermischen Charakteristika, die im Wesentlichen aus der Literatur bekannt sind (Kapitel 2.1). 4 Messergebnisse 33 4.1.4 Beschreibung des normierten DSC-Diagrammes von Polyvinylalkohol Die Einwaage der Probe, die Molmasse des Polyvinylalkohols und die daraus resultierende Stoffmenge sind Parameter für die Normierung der DSC-Kurve des Polyvinylalkohols. Sie sind in Tabelle 4.5 aufgeführt. Tabelle 4.5: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge von Polyvinylalkohol (DSC). Ausgangssubstanz Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol PVA 7,33 79.128 0,926⋅10-7 Abbildung 4.6 zeigt den thermischen Verlauf von PVA nach der Normierung. normierte DSC-Kurve von PVA -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l Abbildung 4.6: Normierte DSC-Kurve von Polyvinylalkohol. 4 Messergebnisse 34 Tabelle 4.6 zeigt die normierten molaren Wärmeflüsse Q& bei den Peakmaximum- temperaturen Tp. Tabelle 4.6: Normierte molare Wärmeflüsse Q& bei den Peakmaximumtemperaturen Tp von Polyvinylalkohol. Ausgangssubstanz 1.Tp °C 1Q& kW⋅mol-1 2.Tp °C 2Q& kW⋅mol-1 3.Tp °C 3Q& kW⋅mol-1 4.Tp °C 4Q& kW⋅mol-1 PVA 138 - 55,1 220 - 81,4 301 - 178,9 431 - 11,5 Im Temperaturbereich zwischen 40 und 190 °C erstreckt sich ein breites endothermes Ereignis. Das Maximum liegt bei 138 °C mit einem molaren Wärmefluss von - 55,1 kW/mol. Der nächste endotherme Effekt schließt fast übergangslos an, verläuft aber steiler und hat sein Maximum bei 220 °C. Der molare Wärmefluss beträgt an dieser Stelle - 81,4 kW/mol. Das darauf folgende endotherme Ereignis liegt im Temperaturintervall von 235 °C bis 340 °C. Dabei ist bei 280 °C eine Schulter zu erkennen. Die Peakmaximumtemperatur liegt bei 301 °C, der molare Wärmefluss ist an dieser Stelle - 178,9 kW/mol. Die Kurve verläuft dann steil nach oben und berührt bei 368 °C die Abszisse. Danach erstreckt sich ein weiteres breites endothermes Band, das einen Maximalwert bei 431 °C und einem molaren Wärmefluss von - 11,5 kW/mol erreicht. Die normierte DSC-Kurve zeigt die wesentlichen Merkmale der in der Literatur beschrie- benen thermischen Eigenschaften von Polyvinylalkohol (siehe Kapitel 2.2). 4 Messergebnisse 35 4.1.5 Beschreibung der normierten DSC-Diagramme der „Komplexe (F)“ Tabelle 4.7 zeigt die Parameter für die Normierung: die Einwaage der Proben, die Molmassen der nach der Präparationsmethode hergestellten „Komplexe Feuchte Vermischung (F)“ und die daraus resultierenden Stoffmengen. Tabelle 4.7: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge der „Komplexe (F)“ (DSC). „Komplex“ Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol F10 13,68 74.564 1,835⋅10-7 F100 10,02 86.444 1,159⋅10-7 F250 11,88 93.008 1,277⋅10-7 F500 6,76 97.582 0,693⋅10-7 F750 8,97 103.322 0,868⋅10-7 F1000 5,60 121.920 0,459⋅10-7 F2000 8,17 130.196 0,628⋅10-7 Aus den normierten Kurven ergeben sich bei den Peakmaximumtemperaturen Tp die in Tabelle 4.8 aufgeführten molaren Wärmeflüsse Q& . Tabelle 4.8: Normierte molare Wärmeflüsse Q& bei den Peakmaximumtemperaturen Tp der „Komplexe (F)“. „Kom- plex“ 1.Tp °C 1Q& kW⋅mol-1 2.Tp °C 2Q& kW⋅mol-1 3.Tp exo °C 3Q& kW⋅mol-1 4.Tp exo °C 4Q& kW⋅mol-1 F10 217 - 71,6 334 - 106,1 386 + 12,8 ---- -------- F100 198 - 82,1 339 - 111,4 394 + 17,5 416 + 22,5 F250 176 - 77,8 332 - 81,9 393 + 14,3 411 + 56,3 F500 106 - 74,3 348 - 62,7 407 + 24,3 411 + 107,5 F750 132 - 84,8 348 - 48,4 403 + 23,5 411 + 107,7 F1000 134 - 176,0 161 - 101,1 398 + 71,6 ---- -------- F2000 136 - 235,8 160 - 145,8 404 + 9,7 ---- -------- 4 Messergebnisse 36 normierte DSC-Kurven von PVA, F10, F100, F250, F500 PVA F10 F100 F250 F500 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är em flu ss in kW /m o l 0 0 0 0 0 Abbildung 4.7: Normierte DSC-Kurven von PVA, F10, F100, F250 und F500. normierte DSC-Kurven von F500, F750, F1000, F2000 F500 F750 F1000 F2000 -250 -125 0 125 250 375 500 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l 0 0 0 -125 Abbildung 4.8: Normierte DSC-Kurven von F500, F750, F1000 und F2000. 4 Messergebnisse 37 Die Abbildungen 4.7 und 4.8 zeigen die normierten DSC-Kurven der „Komplexe (F)“ einschließlich der des reinen PVA. Dabei sind die Basislinien für die einzelnen Kurven jeweils um 125 kW/mol gegeneinander verschoben. Die Kurvenverläufe kann man in drei Temperaturbereiche einteilen. Im ersten Temperaturabschnitt von 30 °C bis 250 °C ist ein breiter endothermer „Rücken“ zu erkennen, der bei PVA bis einschließlich F100 zu höheren Temperaturen hin durch einen Peak begrenzt wird. Die maximalen molaren Wärmeflüsse liegen in diesem Bereich zwischen - 71,6 kW/mol und - 84,8 kW/mol. F1000 und F2000 besitzen im ersten Temperaturintervall zwei scharfe Peaks (1. und 2.Tp in Tabelle 4.8) mit hohen molaren Wärmeflüssen am Peakmaximum. Dabei ist der erste Peak stärker ausgeprägt als der zweite Peak. Die Kurvenform zeigt auffallende Ähnlichkeit mit der DSC-Kurvenform der Borsäure (Abbildung 4.5; Seite 31). Im zweiten Temperaturintervall von 250 °C bis 350 °C verschiebt sich die Peakmaximum- temperatur tendenziell zu höheren Temperaturen. Der molare Wärmefluss nimmt von PVA (- 178,9 kW/mol) zu F750 (- 48,4 kW/mol) auf fast ein Viertel ab. Die „Komplexe“ F1000 und F2000 zeigen keine thermischen Effekte in diesem Temperaturbereich. Der dritte Temperaturabschnitt (350 °C - 550 °C) zeigt ein ausgeprägtes exothermes Ereignis. Der flache exotherme Peak beim PVA und F10 verschiebt sich bei den anderen „Komplexen“ zu höheren Temperaturen. Ab F100 kommt zusätzlich ein zweiter exothermer Peak hinzu, der mit höherem Borsäureanteil immer spitzer wird. F750 hat zwischen den beiden exothermen Maxima einen endothermen Ausschlag. Der molare Wärmefluss am Maximum nimmt kontinuierlich zu. Bei den „Komplexen“ F1000 und F2000 ist das zweite exotherme Maximum nicht vorhanden. Der molare Wärmefluss am Peakmaximum ist bei F1000 groß gegenüber den anderen „Komplexen“; F2000 hat dagegen den kleinsten Wert aller „Komplexe“. Nach dem exothermen Ereignis folgt ein weiterer endothermer Effekt mit unterschiedlichen Maximalwerten der molaren Wärmeflüsse, die wie im ersten Temperaturabschnitt recht flach verlaufen und tendenziell mit höherem Borsäureanteil bei zunehmend höheren Temperaturen auftreten (F10 = 449 °C; F2000 = 465 °C). Die Werte liegen zwischen - 11,5 kW/mol (PVA) und - 39,3 kW/mol (F2000). 4 Messergebnisse 38 4.1.6 Beschreibung der normierten DSC-Diagramme der „Komplexe (T)“ Die Einwaage der Proben, die Molmassen der nach der Präparationsmethode „Trockene Vermischung (T) hergestellten Komplexe“ und die daraus resultierenden Stoffmengen werden in Tabelle 4.9 wiedergegeben. Tabelle 4.9: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge der „Komplexe (T)“ (DSC). „Komplex“ Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol T10 12,39 76.706 1,615⋅10-7 T100 10,50 82.700 1,270⋅10-7 T250 17,04 86.456 1,971⋅10-7 T500 8,59 96.482 0,890⋅10-7 T750 9,37 103.088 0,909⋅10-7 T1000 8,53 106.364 0,802⋅10-7 T2000 8,45 105.122 0,804⋅10-7 In Tabelle 4.10 sind die Peakmaximumtemperaturen Tp und die zugehörigen molaren Wärmeflüsse Q& zusammengestellt. Tabelle 4.10: Normierte molare Wärmeflüsse Q& bei den Peakmaximumtemperaturen Tp der „Komplexe (T)“. „Kom- plex“ 1.Tp °C 1Q& kW⋅mol-1 2.Tp °C 2Q& kW⋅mol-1 3.Tp exo °C 3Q& kW⋅mol-1 4.Tp exo °C 4Q& kW⋅mol-1 T10 213 - 67,1 330 - 106,6 383 + 10,3 ---- -------- T100 188 - 72,5 327 - 112,7 394 + 4,8 ---- -------- T250 163 - 55,0 348 - 64,5 396 + 22,6 407 + 66,6 T500 168 - 64,9 345 - 59,4 396 + 14,7 407 + 176,5 T750 188 - 70,6 352 - 56,7 402 + 44,2 408 + 134,4 T1000 195 - 71,0 351 - 47,7 400 + 36,1 408 + 115,5 T2000 114 - 90,6 356 - 47,8 407 + 17,9 415 + 62,6 4 Messergebnisse 39 Abbildung 4.9 zeigt die normierten DSC-Diagramme von PVA, T10 - T500, Abbildung 4.10 die der weiteren „Komplexe“ T500 - T2000 mit höherem Borsäureanteil. normierte DSC Kurven PVA, T10, T100, T250, T500 PVA T10 T100 T250 T500 -125,00 0,00 125,00 250,00 375,00 500,00 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l 0 0 0 0 -125 Abbildung 4.9: Normierte DSC-Kurven von PVA, T10, T100, T250 und T500. normierte DSC Kurven T500, T750, T1000, T2000 T500 T750 T1000 T2000 -125 0 125 250 375 500 625 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l 0 0 - 25 125 Abbildung 4.10: Normierte DSC-Kurven von T500, T750, T1000 und T2000. 4 Messergebnisse 40 Die Grundstruktur der DSC-Diagramme bei diesen „Komplexen“ ist der der „F-Komplexe“ ähnlich. Es zeigen sich jedoch einige auffällige Unterschiede, die offenbar auf die Präparationsmethode zurückzuführen sind. So zeigen die „Komplexe“ T10, T100 und T250 bei 51 °C, 73 °C und 75 °C eindeutig erkennbare thermische Ereignisse. Diese sind in keinem Fall mit einem Massenverlust in der TG verknüpft, so dass sie einer thermischen Umwandlung zugeordnet werden müssen. Die wahrscheinlichste thermische Umwandlung in diesem Temperaturbereich ist ein Glasübergang. In der DSC-Kurve des „Komplexes“ T500 ist bei knapp unter 100 °C noch eine wenig ausgeprägte Schulter zu erkennen, die unter Umständen ebenfalls auf einen Glasübergang zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund ist eventuell die Schulter in dem DSC-Diagramm des „Komplexes“ F500 bei ca. 75 - 80 °C ebenfalls durch einen Glasübergang bedingt, der jedoch bei allen anderen „F-Komplexen“ im DSC-Diagramm nicht feststellbar ist. Bei den hohen Borsäurekonzentrationen T1000 und T2000 entfallen die beiden bei F1000 und F2000 der „freien“ Borsäure zugerechneten Peaks bei ungefähr 150 °C. Im zweiten Temperaturabschnitt (250 - 375 °C) verschieben sich die Peakmaximum- temperaturen von PVA zu T2000 zu höheren Temperaturen wie bei den „Komplexen (F)“. Dabei sind die Kurvenformen für „Fi“ und „Ti-Komplexe“ einander sehr ähnlich. Es ergeben sich jedoch einige nicht sehr ausgeprägte quantitative Unterschiede bei den Peakmaximum- temperaturen und den molaren Wärmeflüssen, wie sie auch bei unterschiedlichen Proben desselben „Komplexes“ auftreten. Im dritten Temperaturbereich (375 - 550 °C) sind die Unterschiede zwischen den „F“ und „T-Komplexen“ sehr deutlich ausgeprägt. Hier nimmt die Struktur mit zwei dicht beieinander liegenden exothermen Ereignissen mit einem auf ein sehr kleines Temperaturintervall begrenzten aber ausgeprägten endothermen Ereignis dazwischen mit wachsendem Borsäure- gehalt zu. Der abschließende endotherme Verlauf der Diagramme zeigt bei allen „Komplexen“ das erwartete, nicht weiter strukturierte Aufheizen der Restmasse. Die molaren Wärmeflüsse betragen hier zwischen - 20 kW/mol und - 35 kW/mol. 4 Messergebnisse 41 4.2 Ergebnisse der thermogravimetrischen Messungen (TG) Die thermogravimetrischen Messungen werden mit der Thermowaage TG 50 von der Fa. METTLER TOLEDO ausgeführt. Dabei werden die gleichen Bedingungen für alle Messungen wie bei der Kalorimetrie gewählt. Heizrate/ °C⋅min-1 Temperaturintervall/ °C Gasatmo- sphäre Durchflussgeschwindig- keit/ml⋅min-1 Tiegeltyp 10 25 – 550 Stickstoff 200 Aluminiumoxid Von den Ausgangssubstanzen und den einzelnen “Komplexen” werden je drei Proben vermessen. Hier - wie bei den DSC-Messungen - zeigen die Messungen an den drei Proben des jeweils selben “Komplexes” dieselben thermischen Charakteristika (Abbildung 4.11; Seite 42), jedoch hängt die Zersetzungskinetik unter anderem von der Probenmasse und den Korngrößen ab. Dieses zeigt sich in Abbildung 4.11 beispielsweise in der Form des Peaks bei circa 430 °C, bei dem kleine systematische Unterschiede zwischen den Peakmaximum- temperaturen und den Werten für die maximalen Massenverluste pro Zeiteinheit beobachtet werden. Die integrierten relativen Massenverluste in diesem Bereich sind jedoch für alle drei Messungen innerhalb der Fehlergrenzen gleich. Deshalb wird für die Normierung, Beschrei- bung und Auswertung auch hier nicht zwischen den einzelnen Messungen gemittelt, sondern eine Messung ausgewählt, die im Anhang TG fett gedruckt ist. Im Anhang TG sind die Einzelmessungen der Ausgangssubstanzen und der “Komplexe” aufgeführt. Die Tabellen zeigen die Temperaturintervalle der Gewichtsverluste ∆Ti, die Peakmaximumtemperaturen PTi, die Einwaagemengen mEW, den absoluten und prozentualen Gewichtsverlust ∆mi und die absolute und relative Restmasse (mR). 4 Messergebnisse 42 DTG-Kurven der drei Einzelmessungen von "Komplex" T100 -0,0014 -0,0012 -0,001 -0,0008 -0,0006 -0,0004 -0,0002 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C M as se n v er lu st pr o Ze it in m g/ se c Abbildung 4.11: DTG-Kurven der drei Einzelmessungen von “Komplex” T100. 4.2.1 Normierung der DTG-Diagramme Die Normierung erfolgt, um einen Vergleich zwischen den DTG-Diagrammen der einzelnen “Komplexe” ziehen zu können. Normiert wird auf die Stoffmenge der eingesetzten Substanz, wobei hier dieselben Molmassen zugrunde gelegt werden, wie bei den kalorimetrischen Messungen. Die relativen Gewichtsverluste und die Peakmaximumtemperaturen ändern sich durch die Normierung nicht. Durch die Normierung verändern sich nur die absoluten Massenverluste pro Zeiteinheit (∆m/∆t). Am Beispiel des Polyvinylalkohols wird die Normierung dargestellt. Die Einwaagemenge des PVA beträgt 10,28 mg. Bei einer Molmasse einschließlich des adsorbierten Wassers von 79.128 g⋅mol-1 ergibt sich eine Stoffmenge von 1,30⋅10-7 mol. Bei der Normierung wird das Messsignal der DTG-Kurve ∆m/∆t durch die Stoffmenge nPVA geteilt. Es gilt: PVAn t/m t m ∆∆ = ∆ ∆ (11) 4 Messergebnisse 43 Abbildung 4.12 zeigt den Kurvenverlauf vor und nach der Normierung. Vergleich der normierten DTG-Kurve von Polyvinylalkohol mit der DTG-Kurve von PVA vor der Normierung normierte DTG-Kurve DTG-Kurve vor der Normierung -300 -280 -260 -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c. m o l -0,030 -0,028 -0,026 -0,024 -0,022 -0,020 -0,018 -0,016 -0,014 -0,012 -0,010 -0,008 -0,006 -0,004 -0,002 0,000 0,002 M as se n v er lu st pr o Ze it in m g/ se c Abbildung 4.12: Vergleich der normierten DTG-Kurve mit der DTG-Kurve von PVA vor der Normierung. 4.2.2 Beschreibung des normierten DTG-Diagrammes von Borsäure Tabelle 4.11: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge von Borsäure (DTG). Ausgangssubstanz Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol Borsäure 38,06 61,84 6,155⋅10-4 Aus der normierten DTG-Kurve von Borsäure ergeben sich die Massenverluste pro Zeit und Stoffmenge bei den Peakmaximumtemperaturen (Tabelle 4.12; Seite 44). 4 Messergebnisse 44 Tabelle 4.12: Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge t m ∆ ∆ bei den Peakmaximum- temperaturen PT von Borsäure. Ausgangssubstanz PT1 °C 1 1 t m ∆ ∆ mg/sec⋅mol PT2 °C 2 2 t m ∆ ∆ mg/sec⋅mol PT3 °C 3 3 t m ∆ ∆ mg/sec⋅mol Borsäure 143 - 63,25 172 - 34,21 235 - 17,10 In Abbildung 4.13 wird die normierte DTG-Kurve von Borsäure dargestellt. normierte DTG-Kurve von Borsäure -70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 10 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in m g/ se c. m o l Abbildung 4.13: Normierte DTG-Kurve von Borsäure. Zwischen 30 °C und 75 °C ist praktisch kein Massenverlust zu erkennen. Ab 75 °C erstreckt sich ein ausgeprägter Peak bis 210 °C (∆m1 = 37,2 % bei ∆T1 = 30 - 210 °C), der zwei Maxima aufweist. Das erste absolute Maximum liegt bei 143 °C, das zweite lokale Maximum bei 172 °C. Der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge ist beim ersten Maximum fast doppelt so groß wie beim zweiten Maximum. Orthoborsäure wandelt sich unter Wasser- abspaltung in α-Metaborsäure um. Ab 165 °C reagiert die α-Metaborsäure weiter zu Bor- trioxid. Dieser Prozess verläuft über einen großen Temperaturbereich. Dadurch sind zwischen 200 °C und 375 °C drei weitere kleinere Maxima zu erkennen. Bei 235 °C ergibt sich ein Wert von - 17,10 mg/sec⋅mol. Bei 247 °C ist der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge 4 Messergebnisse 45 - 13,85 mg/sec⋅mol und bei 269 °C liegt der Wert bei - 10,32 mg/sec⋅mol. Von 375 °C bis 550 °C ist nur noch ein minimaler Massenverlust zu beobachten (∆m2 = 8,1 % bei ∆T2 = 210 - 550 °C). Die Restmasse beträgt 54,7 %. Sie weicht vom erwarteten Ergebnis für die korrespondierende Menge an B2O3 um 1,8 % ab (siehe Kapitel 2.1; Seite 9). 4.2.3 Beschreibung des normierten DTG-Diagrammes von Polyvinylalkohol Tabelle 4.13: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge von Polyvinylalkohol (DTG). Ausgangssubstanz Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol Polyvinylalkohol 10,28 79.128 1,299⋅10-7 Die Massenverluste pro Zeit und Stoffmenge bei den Peakmaximumtemperaturen ergeben sich aus der normierten DTG-Kurve von PVA. Tabelle 4.14: Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge t m ∆ ∆ bei den Peakmaximum- temperaturen PT von Polyvinylalkohol. Ausgangssubstanz PT1 °C 1 1 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT2 °C 2 2 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT3 °C 3 3 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol Polyvinylalkohol 126 - 13,47 283 - 179,58 423 - 30,17 4 Messergebnisse 46 Die normierte DTG-Kurve von Polyvinylalkohol zeigt Abbildung 4.14. normierte DTG-Kurve von PVA -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c. m o l Abbildung 4.14: Normierte DTG-Kurve von Polyvinylalkohol. Zwischen 30 °C und 225 °C verliert PVA kontinuierlich etwas an Masse (∆m1 = 9,0 %). Bei 126 °C hat der Gewichtsverlust pro Zeit und Stoffmenge in diesem Temperaturbereich mit - 13,47 g/sec⋅mol zwar den größten Wert, dieser ist aber im Vergleich zu typischen Zer- setzungsreaktionen immer noch sehr klein. Der Polyvinylalkohol verliert hier im Wesent- lichen das adsorbierte Wasser. Der nächste sehr große Massenverlust (∆m2 = 70,5 %) liegt zwischen 225 °C und 375 °C. Mit - 179,58 g/sec⋅mol erreicht der Massenverlust des PVA bei 283 °C sein Maximum. Der Polyvinylalkohol zersetzt sich und bildet verschiedene Reaktionsprodukte (siehe Kapitel 2.2; Seite 11). Das dritte breite Intervall beginnt bei 375 °C und endet bei 500 °C mit einem Massenverlust von 13,9 %. Das Maximum liegt bei 423 °C und hat einen Wert von - 30,17 g/sec⋅mol. Die nicht flüchtigen Reaktionsprodukte und das Restgerüst zersetzen sich weiter in kleinere Moleküle. Die Restmasse beträgt nur 6,6 % der eingesetzten Probenmasse. 4 Messergebnisse 47 4.2.4 Beschreibung der normierten DTG-Diagramme der “Komplexe (F)” Tabelle 4.15: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge der “Komplexe (F)” (DTG). “Komplex” Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol F10 14,80 74.564 1,985⋅10-7 F100 30,72 86.444 3,554⋅10-7 F250 18,24 93.008 1,961⋅10-7 F500 14,45 97.582 1,481⋅10-7 F750 10,15 103.322 0,982⋅10-7 F1000 15,04 121.920 1,234⋅10-7 F2000 16,14 130.196 1,240⋅10-7 Aus den normierten DTG-Kurven ergeben sich die Massenverluste pro Zeit und Stoffmenge bei den Peakmaximumtemperaturen, wie sie in Tabelle 4.16 angegeben sind. Tabelle 4.16: Massenverluste pro Zeit und Stoffmenge t m ∆ ∆ bei den Peakmaximum- temperaturen PT der “Komplexe (F)”. “Kom- plex” PT1 °C 1 1 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT2 °C 2 2 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT3 °C 3 3 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT4 °C 4 4 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol F10 181 - 4,18 327 - 99,10 431 - 52,90 ---- -------- F100 180 - 34,95 352 - 126,85 413 - 115,60 ---- -------- F250 194 - 28,91 336 - 106,67 406 - 209,06 ---- -------- F500 136 - 24,78 362 - 91,17 413 - 604,40 ---- -------- F750 141 - 17,81 373 - 47,53 406 - 154,42 419 - 452,98 F1000 103 - 52,38 ---- -------- ---- -------- 418 - 208,70 F2000 109 - 76,79 ---- -------- ---- -------- 408 - 158,82 4 Messergebnisse 48 In Abbildung 4.15 sind die normierten DTG-Kurven von reinem Polyvinylalkohol und den “Komplexen (F)” dargestellt. Dabei sind die Messkurven jeweils um 300 g/sec⋅mol gegeneinander verschoben. normierte DTG-Kurven von PVA und den "Komplexen (F)" PVA F10 F100 F250 F500 F750 F1000 F2000 -300 0 300 600 900 1200 1500 1800 2100 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c. m o l 0 0 0 0 0 -300 0 Abbildung 4.15: Normierte DTG-Kurven von PVA und den “Komplexen (F)”. Die Kurvenverläufe lassen sich bei den “Komplexen” F10 - F750 in drei Temperaturbereiche einteilen. Dabei verschiebt sich die Obergrenze von 225 °C für den ersten Temperaturbereich bei F10 auf 300 °C bei F750. Das zweite Intervall beginnt bei 225 °C (F10) bzw. 300 °C (F750) und endet bei circa 390 °C. Der letzte Bereich erstreckt sich von circa 390 °C bis 550 °C. Bei den “Komplexen” F1000 und F2000 erfolgt die Aufteilung in zwei Temperaturintervalle (∆T1 = 30 - 325 °C; ∆T2 = 325 -550 °C). Tabelle 4.17 (Seite 49) zeigt den relativen Massenverlust in diesen drei bzw. zwei Temperaturbereichen sowie die insgesamt verbleibende Restmasse (mR: Restmasse). 4 Messergebnisse 49 Tabelle 4.17: Relativer Massenverlust und verbleibende Restmasse der Ausgangssubstanzen und der “Komplexe (F)”. ∆T1/°C ∆m1/% ∆T2/°C ∆m2/% ∆T3/°C ∆m3/% mR/% PVA 30-225 9,0 225-375 70,5 375-550 13,9 6,6 F10 30-225 3,1 225-390 64,3 390-550 24,0 8,6 F100 30-280 13,7 280-390 45,8 390-550 33,5 7,0 F250 30-275 15,6 275-380 29,6 380-550 43,2 11,6 F500 30-275 12,9 275-385 22,2 385-550 50,2 14,7 F750 30-300 12,7 300-390 11,7 390-550 55,9 19,7 ∆T1/°C ∆m1/% ∆T2/°C ∆m2/% mR/% F1000 30-325 22,5 325-550 50,0 27,5 F2000 30-325 26,4 325-550 38,7 34,9 Borsäure 30-210 37,2 210-550 8,1 54,7 Im ersten Temperaturbereich wachsen die relativen Massenverluste von 3,1 % bei F10 zunächst bis zum etwa 1 ½-fachen dessen, was beim reinen PVA beobachtet wird. Nur bei F1000 und F2000 ergeben sich Werte deutlich über 20 %. Hier ist ein breiter Peak bei Temperaturen zu erkennen, bei denen die “freie” Borsäure beginnt, sich thermisch zu zersetzen. Der erste Massenverlust ist im Wesentlichen bedingt durch die Desorption von Wasser aus dem “Komplex”. Dabei zeigt sich, dass die “Komplexe” F100 - F750 trotz intensiver Trocknung über P2O5 im Mittel pro Polymereinheit circa 0,5 Wassermoleküle gebunden haben. Der “Komplex” F10 hat eine signifikant geringere Menge an Wasser als reines PVA adsorbiert. Die Massenverluste im Bereich von ca. 105 °C bei F1000 und F2000 sind - auch im Vergleich aller Messdaten - eher auf die Zersetzung der beim Ausfällen der “Komplexe” mitgerissenen Borsäure als auf eine Desorption von Wasser zurückzuführen. Im zweiten Temperaturbereich steigt die Peakmaximumtemperatur für die “Komplexe” F10 bis F750 an, Ausnahme bildet hier F250. Die größte Intensität des Peaks besitzt F100 mit - 126,85 g/sec⋅mol, die geringste Intensität F750 mit nur - 47,53 g/sec⋅mol. Der relative Mas- senverlust nimmt kontinuierlich von F10 nach F750 ab. Hierbei scheint es sich um die bei PVA dominierenden Abbaureaktionen zu handeln. Diese setzen mit wachsendem Anteil der “Monodiol-Komplexe” anscheinend erst bei höheren Temperaturen mit nennenswerter Reaktionsgeschwindigkeit ein, so dass die “Komplexe” mit zunehmendem Borsäuregehalt über eine wachsende thermische Stabilität verfügen. 4 Messergebnisse 50 Im dritten Temperaturbereich bildet sich ein Peak zwischen 400 °C und 500 °C heraus, der mit wachsendem Borsäuregehalt intensiver wird und sich zunehmend auf Temperaturen zwischen 400 °C und 425 °C konzentriert. Dieser spaltet bei F750 klar erkennbar in zwei aufeinander folgende thermische Ereignisse auf. Bei den beiden “Komplexen” F1000 und F2000 gehen diese Zersetzungspeaks wieder in einen breiten, wenig charakteristisch strukturierten Zersetzungsbereich über. Sowohl im zweiten als auch im dritten Temperaturbereich ist bei den relativen Massenverlusten ein eindeutiger Trend in Abhängigkeit vom Borsäuregehalt zu erkennen, doch ist der relative Massenverlust nicht proportional zum Borsäuregehalt. Insbesondere im dritten Temperaturintervall kann damit ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei im Wesentlichen nur um die Zersetzung der zyklischen Monodiol-Ester-Baueinheiten handelt. Die Restmasse sollte im Wesentlichen aus Bortrioxid und dem nicht flüchtigen Rest aus den Crackprodukten des Makromoleküls bestehen. Dabei ist die zu erwartende “Untergrenze” die vollständige Umsetzung der eingesetzten H3BO3 zu B2O3 (Bor bildet in dem untersuchten Temperaturintervall keine leichtflüchtigen Verbindungen). Tabelle 4.18 zeigt einen Vergleich zwischen der erwarteten und der beobachteten Restmasse. Tabelle 4.18: Vergleich zwischen erwarteter und beobachteter Restmasse der “Komplexe (F)”. F10 F100 F250 F500 F750 F1000* F2000* Experiment 8,6 7,0 11,6 14,7 19,7 27,5 34,9 “Untergrenze” 0,5 4,1 9,4 17,9 23,7 21,1 20,0 *zusätzlich “freie” Borsäure im “Komplex”. Der beobachtete Restmassenanteil ist in den meisten Fällen größer als der erwartete Restmassenanteil (Ausnahme F500, F750). Dies ist zu erwarten, da zusätzlich bei maximaler Umsetzung von Borsäure zu Bortrioxid ein gewisser Anteil an Restmasse aus den Crackprodukten stammt (PVA hat eine Restmasse von 6,6 %). Bei F500 und F750 kann es bei der Präparation zu einer unvollständigen Komplexierung gekommen sein. Dadurch werden insgesamt weniger Borsäuremoleküle zu Bortrioxid umgesetzt und damit verbunden nimmt auch die zu erwartende Restmasse ab. 4 Messergebnisse 51 4.2.5 Beschreibung der normierten DTG-Diagramme der “Komplexe (T)” Tabelle 4.19: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge der “Komplexe (T)” (DTG). “Komplex” Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol T10 19,99 76.706 2,606⋅10-7 T100 15,24 82.700 1,843⋅10-7 T250 24,00 86.456 2,776⋅10-7 T500 11,89 96.482 1,232⋅10-7 T750 14,97 103.088 1,452⋅10-7 T1000 14,16 106.364 1,331⋅10-7 T2000 11,57 105.122 1,101⋅10-7 Tabelle 4.20 zeigt die Massenverluste pro Zeit und Stoffmenge bei den Peakmaximum- temperaturen der “Komplexe (T)”. In Abbildung 4.16 sind die DTG-Messungen für die “Komplexe (T)” in gleicher Art und mit gleicher Skalierung wie in Abbildung 4.15 für die “Komplexe (F)” aufgeführt. Tabelle 4.20: Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge t m ∆ ∆ bei den Peakmaximum- temperaturen PT der “Komplexe (T)”. “Kom- plex” PT1 °C 1 1 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT2 °C 2 2 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT3 °C 3 3 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol PT4 °C 4 4 t m ∆ ∆ g/sec⋅mol T10 150 - 9,90 332 - 98,81 437 - 67,46 ---- -------- T100 151 - 15,36 333 - 103,39 433 - 99,96 ---- -------- T250 175 - 14,70 356 - 109,87 402 - 227,85 ---- -------- T500 154 - 16,23 358 - 56,15 402 - 212,36 412 - 330,67 T750 164 - 19,49 361 - 40,15 395 - 984,19 416 - 437,28 T1000 157 - 16,30 364 - 35,08 393 - 898,91 418 - 655,99 T2000 101 - 20,44 ---- -------- 403 - 199,88 418 - 230,96 4 Messergebnisse 52 normierte DTG-Kurven von PVA und den "Komplexen (T)" PVA T10 T100 T250 T500 T750 T1000 T2000 -600 -300 0 300 600 900 1200 1500 1800 2100 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c . m o l 0 0 0 0 0 0 0 0 -300 -600 Abbildung 4.16 : Normierte DTG-Kurven von PVA und den “Komplexen (T)”. Die Kurvenverläufe werden wie bei den “Komplexen (F)” in drei Temperaturintervalle eingeteilt. In Tabelle 4.21 wird der relative Massenverlust und die verbleibende Restmasse (mR: Restmasse) der Ausgangssubstanzen und der „T-Komplexe“ gezeigt. Tabelle 4.21: Relativer Massenverlust und verbleibende Restmasse der Ausgangssubstanzen und der “Komplexe (T)”. ∆T1/°C ∆m1/% ∆T2/°C ∆m2/% ∆T3/°C ∆m3/% mR/% PVA 30-225 9,0 225-375 70,5 375-550 13,9 6,6 T10 30-250 5,8 250-385 62,8 385-550 26,0 5,4 T100 30-250 9,8 250-375 45,3 375-550 37,6 7,3 T250 30-275 9,2 275-385 34,3 385-550 44,9 11,6 T500 30-290 11,9 290-385 17,7 385-550 53,4 17,0 T750 30-300 12,5 300-380 12,2 380-550 62,6 12,7 T1000 30-300 15,2 300-385 8,3 385-550 58,2 18,3 T2000 30-325 14,2 325-385 7,5 385-550 55,1 23,2 ∆T1/°C ∆m1/% ∆T2/°C ∆m2/% mR/% Borsäure 30-210 37,2 210-550 8,1 54,7 4 Messergebnisse 53 Im ersten Temperaturbereich ergeben sich relative Massenverluste von 5,8 % bei T10 bis zu 15,2 % bei T1000. Dabei steigen hier die Massenverluste innerhalb der Streuung der Ergebnisse annähernd monoton mit dem Borsäuregehalt an. Auffällig ist auch hier, dass der “Komplex” mit nur 10 mol Borsäure auf 1 Mol PVA in diesem Temperaturabschnitt einen deutlich niedrigeren Massenverlust - genau wie F10 - als reines PVA aufweist. Die maximalen Werte für den Gewichtsverlust pro Zeit und Stoffmenge variieren von - 9,9 g/sec⋅mol bei T10 bis zu - 20,44 g/sec⋅mol bei T2000. Bei den “Komplexen” T1000 und T2000 ist im Gegensatz zu den “Komplexen” F1000 und F2000 kein breiter Peak zu erkennen. Damit ist, wie auch die IR-spektroskopischen Messungen zeigen, in diesen “Komplexen” keine “freie” Borsäure mitgerissen worden. Im zweiten Temperaturbereich zeigt sich qualitativ und weitgehend quantitativ bei den “Komplexen” T10 - T750 das gleiche Verhalten wie bei den “Komplexen” F10 - F750. Der Massenverlust in diesem Intervall nimmt monoton mit wachsendem Borsäuregehalt ab, die Peakmaximumtemperaturen verschieben sich zu höheren Werten und ab etwa 390 °C setzt ein deutlich gegen diesen Bereich abgegrenztes Zersetzungsereignis ein. Die “Komplexe” T1000 und T2000 zeigen in diesem Temperaturabschnitt - im Gegensatz zu den “Komplexen” F1000 und F2000 - ebenfalls einen Massenverlust, ohne dass sich hier jedoch ein erkennbares Maximum der Reaktionsgeschwindigkeit zeigen würde. Im Vergleich mit den “Komplexen (F)” ergeben sich im dritten Temperaturintervall deutliche Unterschiede. Die Kurvenformen der “Komplexe” T10, F10 und T100 sind ähnlich; dagegen tritt bei F100 das dritte Peakmaximum bereits bei 413 °C auf und ist vergleichbar mit den “Komplexen” T250 und F250. Der “Komplex” T500 besitzt im Gegensatz zu F500 bereits zwei Peakmaxima. T750 und T1000 besitzen zwei extrem scharfe Peaks mit sehr großen Massenverlusten pro Zeit und Stoffmenge an den Peakmaxima. Die ausgeprägten Maxima sind bei den “Komplexen” F750 und F1000 nicht zu erkennen. Erst die Kurvenformen der “Komplexe” T2000 und F2000 sind dann wieder annähernd gleich. Die zwei unterschiedlichen Zersetzungsreaktionen bei T750 und T1000 sind beide exotherm mit einer hohen Auslöseschwelle. Durch die anscheinend explosionsartigen Zersetzungs- reaktionen bei diesen beiden “Komplexen” kann Masse durch Herausschleudern aus dem Probentiegel verloren gegangen sein. Ein weiterer Hinweis für mögliche mechanische Massenverluste zeigen die Unregelmäßigkeiten der Gewichtsverluste im dritten Temperatur- bereich bei den “Komplexen” T500 - T2000. Diese Unregelmäßigkeiten bei den Massen- verlusten finden sich mit umgekehrten Vorzeichen bei den Restmassen wieder. 4 Messergebnisse 54 Die Restmasse der “T-Komplexe” sollte wie bei den “F-Komplexen” im Wesentlichen aus Bortrioxid und den nicht flüchtigen Substanzen aus den Zersetzungsprodukten des Polymeren bestehen. Ein Vergleich zwischen erwarteter und beobachteter Restmasse der “Komplexe (T)” zeigt Tabelle 4.22. Tabelle 4.22: Vergleich zwischen erwarteter und beobachteter Restmasse der “Komplexe (T)”. T10 T100 T250 T500 T750 T1000 T2000 Experiment 5,4 7,3 11,6 17,0 12,7 18,3 23,2 “Untergrenze” 0,5 4,2 10,1 18,1 23,8 23,0 23,3 Wie bei den “F-Komplexen” sind die beobachteten Restmassen bei niedrigem Borsäuregehalt gegenüber den erwarteten Restmassen zu groß, hervorgerufen durch einen gewissen Anteil an Restmasse aus den Crackprodukten. Ab dem “Komplex” T500 ist der beobachtete Restmassenanteil kleiner als die erwartete “Untergrenze”. Wie bei den “Komplexen (F)” kann Borsäure im Filtrat verloren gegangen sein; bei T750 und T1000 lassen die extrem scharfen Peaks in der DTG-Kurve darauf schließen, dass auch mechanische Massenverluste möglich sind. 4 Messergebnisse 55 4.3 Ergebnisse der Infrarot-Spektren Die Fourier-Transform-Infrarot-Spektren der Borsäure-Polyvinylalkohol-Komplexe werden mit dem Spektrometer BRUKER IFS 113 V aufgenommen. 2500 mg KBr werden mit den jeweiligen Einwaagemengen der jeweils fein pulverisierten „Komplexe“ (siehe Tabelle 4.23) mechanisch vermischt, danach Presslinge mit einer Masse von 200 mg hergestellt und bei Raumtemperatur vermessen. In Tabelle 4.24 und 4.25 sind die Schwingungsfrequenzen von PVA, Borsäure und den „Komplexen“ wiedergegeben. Tabelle 4.23: Einwaage, Molmasse und Stoffmenge von PVA, Borsäure und den „F- und T- Komplexen“ für die IR-Spektren. „Komplex“ Einwaage/mg Molmasse/g⋅mol-1 Stoffmenge/mol F10 30 74.564 4,03⋅10-7 F100 35 86.444 4,03⋅10-7 F250 37 93.008 4,03⋅10-7 F500 39 97.582 4,03⋅10-7 F750 42 103.322 4,03⋅10-7 F1000 49 121.920 4,03⋅10-7 F2000 52 130.196 4,03⋅10-7 T10 31 76.706 4,03⋅10-7 T100 33 82.700 4,03⋅10-7 T250 35 86.456 4,03⋅10-7 T500 39 96.482 4,03⋅10-7 T750 42 103.088 4,03⋅10-7 T1000 43 106.364 4,03⋅10-7 T2000 42 105.122 4,03⋅10-7 PVA 32 79.128 4,03⋅10-7 Borsäure 25 62 4,03⋅10-4 4 Messergebnisse 56 Tabelle 4.24: Schwingungsfrequenzen (in cm-1) der Ausgangssubstanzen PVA und Borsäure und der „Komplexe der Präparationsmethode feuchte Vermischung (F)“. PVA F10 F100 F250 F500 F750 F1000 F2000 BS 548 547 548 601 665 666 665 681 656 664 648 690 690 710 687 692 677 769 770 771 787 797 789 784 849 840 837 837 836 843 884 884 884 921 917 920 924 925 925 927 926 1097 1094 1098 1107 1126 1144 1143 1146 1196 1196 1193 1230 1236 1280 1285 1287 1306 1288 1289 1335 1334 1336 1337 1339 1358 1341 1341 1380 1383 1429 1442 1436 1433 1437 1452 1436 1446 1454 1571 1538 1656 1662 1662 1653 1653 1662 1617 1635 1720 1715 1715 1715 1717 1730 1718 1717 2001 2029 2261 2261 2262 2361 2362 2361 2516 2503 2519 2910 2944 2940 2942 2942 2948 2966 2954 2950 3197 3225 3191 3386 3400 3390 3398 3428 3444 4 Messergebnisse 57 Tabelle 4.25: Schwingungsfrequenzen (in cm-1) der Ausgangssubstanzen PVA und Borsäure und der „Komplexe der Präparationsmethode trockene Vermischung (T)“: PVA T10 T100 T250 T500 T750 T1000 T2000 BS 548 601 663 664 662 665 662 664 648 694 692 692 677 769 773 780 773 767 772 784 849 842 841 836 841 845 851 827 884 921 921 921 922 920 913 917 1097 1098 1099 1100 1102 1111 1109 1143 1144 1193 1230 1289 1287 1289 1291 1286 1335 1335 1335 1337 1340 1338 1338 1338 1380 1376 1429 1441 1439 1432 1457 1437 1440 1432 1454 1571 1552 1550 1656 1659 1656 1656 1635 1653 1650 1642 1720 1713 1720 1713 1750 1750 1716 2001 2029 2264 2262 2366 2361 2510 2519 2910 2944 2927 2923 2928 2922 2953 2953 2952 3191 3386 3417 3438 3428 3433 3443 3460 3431 5 Auswertung 58 5 Auswertung 5.1 Auswertung der Schwingungsspektren 5.1.1 Schwingungsspektrum von Borsäure Das Schwingungsspektrum der Borsäure ist genau untersucht worden. In mehreren Veröffent- lichungen sind die verschiedenen Absorptionsbanden detailliert beschrieben. Das hier aufgenommene Spektrum (Abb. 5.1) zeigt die in der Literatur [35 - 39] beschrie- benen Schwingungsfrequenzen. (siehe [*] Tabelle 5.1; Seite 59). Schwingungsspektrum von Borsäure 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 4006008001000120014001600180020002200240026002800300032003400360038004000 Wellenzahl in cm-1 Tr a n s m is s io n Abbildung 5.1: Schwingungsspektrum von Borsäure. Im Folgenden soll kurz die in der Literatur vorgenommene Zuordnung der Banden beschrieben werden. Demnach ist die erste Absorptionsbande bei 548 cm-1, die sehr stark ausgeprägt ist, eine B-O3-Beugeschwingung. Weitere B-O3-Beugeschwingungen „aus der Ebene“ sind bei 648 cm-1 und 677 cm-1 zu erkennen. Bei 784 cm-1 beobachtet man die O-H- Drehschwingung, die sehr breit und stark ist. Die Bande bei 884 cm-1 entspricht der B-O- Streckschwingung. Sehr ausgeprägt ist die B-O-H-Beugeschwingung bei 1193 cm-1. Eine weitere sehr starke und breite Absorptionsbande ist bei 1454 cm-1 zu erkennen. Hierbei handelt es sich um die symmetrische B-O-Streckschwingung. Zwischen 2001 und 2519 cm-1 5 Auswertung 59 gibt es eine Reihe von Kombinationsschwingungen, die schwächer ausgeprägt sind. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Kombinationen verschiedener B-O-H-Beuge- und B-O- Streckschwingungen. Die sehr breite Bande bei 3191 cm-1 ist die O-H-Streckschwingung der Borsäure. Von diesen Schwingungsbanden, die in der kristallinen Borsäure beobachtet werden, werden in den „Komplexen“ im Wesentlichen jene zu beobachten sein, bei denen die lokale Umgebung (Bindungen zu Nachbaratomen, „reduzierte Masse“ des Oszillators) durch die Komplexbildung wenig verändert wird. Dieses darf im Wesentlichen für die B-O3- Beugeschwingungen „aus der Ebene“, die O-H-Drehschwingung und die O-H-Streck- schwingung erwartet werden. In Tabelle 5.1 werden die Schwingungsfrequenzen aus der Literatur mit den hier beobachteten Schwingungsfrequenzen von H3BO3 [*] verglichen. Tabelle 5.1: Vergleich der beobachteten Schwingungsfrequenzen von Borsäure mit denen aus der Literatur. H3BO3[35] H3BO3[36] H3BO3[37] H3BO3[38] H3BO3[39] H3BO3[*] Zuordnung 542 540 s 544 s 547 s 542 s 548 vs δ-B-O3 635 648 s,b 639 s 647 m 642 m 648 s γ-B-O3 720 671 m 674 vw 677 w γ-B-O3 824 s,b 800 s,b 798 s,b 808 s,b 784 m,b t-O-H 880 882 vw 882 w,sp 882 m 880 sh,w 884 m,sp ν-B-O 1190 1197 s 1183 s,sp 1195 s 1185 s 1193 s γ-B-O-H 1450 1450 s,b 1428 vs,b 1460 vs,b 1440 vs,b 1454 vs,b νs-B-O 1995 2008 w 1985 vw 2005 vw 1995 vw 2001 vw ν-B-O + γ-B-O-H 2023 2042 vw 2025 vw 2040 vw 2010 vw 2029 vw ν-B-O + γ-B-O-H 2256 2280 m 2240 m 2268 m 2252 m 2262 m γ-B-O-H + γ-B-O-H 2370 2330 w 2352 vw 2345 w 2361 w γ-B-O-H + γ-B-O-H 2500 2505 m 2475 w 2502 vw 2515 w 2519 w γ-B-O-H + νs-B-O 3210 3200 s,b 3150 s,b 3210 s 3220 s,b 3191 s,b ν-O-H 5 Auswertung 60 5.1.2 Schwingungsspektrum von Polyvinylalkohol Das IR-Spektrum von Polyvinylalkohol ist bekannt und mehrere Veröffentlichungen haben sich mit der Zuordnung der Absorptionsbanden beschäftigt. In der nachfolgenden Tabelle 5.2 (Seite 62) sind die Wellenzahlen und ihre Zuordnung von Finch [40], Krimm et al. [41], Tadokoro [42] und aus der Bibliothek „Sadtler Basic Polymers [43]“ aufgeführt. Das in dieser Arbeit aufgenommene Spektrum (Abb. 5.2) - mit [*] in Tabelle 5.2 bezeichnet - stimmt im Wesentlichen mit den in der Literatur beschriebenen Spektren überein. Teilweise sind einige Absorptionsbanden nicht vorhanden, andere wieder überlagert, andere sind nicht in allen Spektren aus der Literatur vorhanden. Schwingungsspektrum von Polyvinylalkohol 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 4006008001000120014001600180020002200240026002800300032003400360038004000 Wellenzahl in cm-1 Tr a n s m is s io n Abbildung 5.2: Schwingungsspektrum von Polyvinylalkohol. Im Folgenden wird die in der Literatur vorgenommene Zuordnung der Banden kurz wiedergegeben. Bei 601 cm-1 ist die Nickschwingung der O-H-Gruppe. Die nächste sehr scharfe Bande bei 849 cm-1 wird einer C-H2-Schaukelschwingung zugeordnet. Für die schwache Bande bei 921 cm-1 gibt es unterschiedliche Interpretationen. Krimm et al. vermuten eine C-H2-Schaukel- schwingung und Tadokoro eine Gerüstschwingung. Finch sieht eine symmetrische C-O- Schwingung, die in syndiotaktischen Polymeren auftritt. Lebedeva et al. [44] sprechen von 5 Auswertung 61 einer Bande, die sensitiv ist für amorphe Bereiche und syndiotaktische Kettensegmente im Polymer. Kenney und Willcockson [45] vermuten bei 921 cm-1 ein Taktizitätsband. Der scharfe Peak bei 1097 cm-1 ist die C-O-Streckschwingung. Die Bande bei 1144 cm-1 weist auf die Kristallinität des Polymeren hin [40, 42, 45 - 48]. Die Schulter bei 1230 cm-1 ist eine C-H-Nickschwingung. Die Bande bei 1335 cm-1 ist die Kombination einer O-H- Beugeschwingung und einer C-H-Nickschwingung. Der sehr schwache Peak bei 1380 cm-1 ist eine C-H-Beugeschwingung. Eine weitere breite Bande liegt bei 1429 cm-1. In der Literatur sind zwei Banden zwischen 1420 und 1440 cm-1 bei Finch und Tadokoro beschrieben; es handelt sich dabei einmal um eine Kombination einer O-H-Beugeschwingung und einer C-H2-Streckschwingung und zum anderen um eine C-H2-Beugeschwingung. Polyvinylalkohol wird durch die Herstellung bedingt immer einige Carbonylgruppen enthalten. Die zugehörige C=O-Streckschwingung absorbiert bei 1571 cm-1. Die Bande bei 1656 cm-1 ist charakteris- tisch für eine Schwingung, die von adsorbiertem Wasser am Polymeren herrührt. Die Absorp- tionsbande bei 1720 cm-1 wird der Acetylgruppe im PVA, die hier zu 1% vorhanden ist, zugeordnet [49]. Bei 2910 cm-1 als Schulter und bei 2944 cm-1 sind die symmetrische und asymmetrische C-H2-Streckschwingung zu erkennen. Die sehr starke und breite Bande bei 3386 cm-1 ist die O-H-Streckschwingung. Durch die Veresterung mit der kristallinen Borsäure ist zu Vermuten, das sich im Wesent- lichen die O-H-Nickschwingung, die O-H-Beugeschwingung und die O-H-Streckschwingung in den „Komplexen“ verändern. Tabelle 5.2 (Seite 62) zeigt einen Vergleich der beobachteten Schwingungsfrequenzen von PVA [*] mit denen aus der Literatur. 5 Auswertung 62 Tabelle 5.2: Vergleich der beobachteten Schwingungsfrequenzen von Polyvinylalkohol mit denen aus der Literatur. PVA [40] PVA [41] PVA [42] PVA [43] PVA [*] Zuordnung 610 610 w,b 594 601 s,b γ ω -O-H 640 m,b 640 m,b γ ω -O-H 825 sh 825 sh 835 sh γr-C-H2 850 m 851 m 849 m 848 849 s γr-C-H2 916 m 917 w 913 w 916 921 w νs-(CO),syn.[40,44,45]; γr-C-H2[41];Gerüst [42] 1096 s 1096 s 1093 s 1095 1097 s ν-(C-O) 1144 m 1144 m 1141 m 1143 1144 m kristallin-sensitiv 1235 w 1235 w 1232 w 1238 1230 sh γ ω -C-H 1326 m 1326 m 1326 m 1328 1335 m δ-O-H + γ ω -C-H 1376 w 1376 w 1376 w 1380 vw δ-C-H 1420 s 1430 s 1420 s 1430 1429 s,b δ-O-H + ν-C-H2 1440 s 1446 s 1440 s δ-C-H2 (1595) var. 1570 1571 m ν-C=O (1659) var. 1656 w H2O ads. (1740) var. 1712 1720 w ν-CH3CO 2840 sh 2840 sh 2840 sh ν-C-H 2910 s 2910 s 2910 s 2910 2910 sh νs-C-H2 2942 s 2942 s 2945 s 2942 2944 s νas-C-H2 3340 vs 3340 vs,b 3340 vs 3342 3386 vs,b ν-O-H w,vw : weak, very weak ; m : medium ; s,vs : strong, very strong: b ; broad; sp : sharp sh : shoulder; var. = variabel; syn : syndiotaktisch δ : Beugeschwingung γ : „aus der Ebene“ Beugeschwingung t : Drehschwingung r : Schaukelschwingung („rocking“) ω : Nickschwingung („wagging“) νas,s : (a)symmetrische Streckschwingung 5 Auswertung 63 5.1.3 Schwingungsspektren der „Komplexe (F)“ Die Abbildungen 5.3 (Transmission im Bereich 400 - 2000 cm-1) und 5.4 (Transmission im Bereich 2000 - 4000 cm-1) zeigen die IR-Spektren der „Komplexe“ F10 - F2000 mit PVA und Borsäure. Die Schwingungsspektren der „Komplexe (F)“ lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen einteilen. Die „Komplexe“ F10 - F750, deren Absorptionsbanden weitgehend mit denen des Polyvinylalkohols korrelieren und die „Komplexe“ F1000 und F2000, die typische Absorptions- banden der kristallinen Borsäure sowie typische Absorptionsbanden der „Komplexe“ ent- halten. Die Übereinstimmung der IR-Banden von F1000 und F2000 mit denen der Borsäure gibt einen Hinweis darauf, dass „freie“ Borsäure mit im „Komplex“ vorhanden ist. Schwingungsspektren der "Komplexe (F)" im Bereich 400-2000 cm-1 PVA F10 F100 F250 F500 F1000 F2000 Borsäure F750 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 2,40 40050060070080090010001100120013001400150016001700180019002000 Wellenzahl in cm-1 Tr a n s m is s io n Abbildung 5.3: Schwingungsspektren der „Komplexe (F)“ im Bereich 400 - 2000 cm-1. Die B-O3-Beugeschwingungen bei 548 cm-1, 648 cm-1 und 677 cm-1 sind in den „Komplexen“ F1000 und F2000 gut zu erkennen. Bei den „Komplexen“ F250, F500 und F750 sind die beiden letztgenannten der drei IR-Banden vorhanden, bei F100 ist es die Absorptionsbande bei 665 cm-1, die im Spektrum zu sehen ist. Das zusätzliche Auftreten von B-O3-Beugeschwingungen zeigt, das mit steigendem Borsäureanteil sich mehr „Monodiol-Komplexe“ ausbilden. 5 Auswertung 64 Die Bande bei ca. 770 cm-1 wird mit wachsendem Borsäuregehalt intensiver und verschiebt sich leicht zu höheren Wellenzahlen bis F750. Ab F1000 wird die Absorptionsbande von der O-H-Drehschwingung der Borsäure überlagert. Durch die abnehmende Anzahl von Borsäure- molekülen im „Komplex“ wird die O-H-Drehschwingung schwächer. Die C-H2-Schaukel- schwingung vom PVA bei 849 cm-1 erscheint in den „Komplexen“ F10 - F750. Die B-O-Streck- schwingung bei 884 cm-1 ist bei den „Komplexen“ F1000 und F2000 zu beobachten; ein weiteres Merkmal für die „freie“ Borsäure im „Komplex“. Die Absorptionsbande bei 921 cm-1 ist in allen Spektren zu erkennen und wird beim PVA als C-H2-Schaukelschwingung, syndiotak- tische symmetrische C-O-Streckschwingung, Gerüstschwingung oder Taktizitätsbande zuge- ordnet. Die Bande bei 1097 cm-1 (C-O-Streckschwingung von PVA) wird bereits ab F10 zu einer breiten nicht strukturierten Bande, die den Peak bei 1144 cm-1 vom PVA mit einschließt. Diese Bande wird beim PVA einer Kristallinitätsbande zugeordnet. Die B-O-H-Beugeschwingung bei 1193 cm-1 in den „Komplexen“ F1000 und F2000 ist ein weiterer Hinweis dafür, das „freie“ Borsäuremoleküle in den Verbindungen vorhanden sind. Bei 1300 cm-1 ist eine neue, wenig ausgeprägte Bande, die Kobahashi et al. [50] als PVA-BS- Komplex-Bande bezeichnen. Bei F10 und F100 nur als Schulter zu erkennen, tritt sie bei den anderen „Komplexen“ als schwache Bande auf. Mit zunehmendem Borsäureanteil zeigt sich damit die kontinuierliche Bildung von „Monodiol-Komplexen“. Die Kombination von C-H-Nickschwingung und O-H-Beugeschwingung aus dem PVA bei 1335 cm-1 ist in allen „Komplexen“ zu erkennen; die C-H-Beugeschwingung bei 1380 cm-1 ist nur bei F10 noch sehr schwach ausgeprägt und verschwindet bei den anderen „Komplexen“. Zwischen 1400 und 1500 cm-1 ist eine sehr breite Absorptionsbande zu beobachten. Es handelt sich um die C-H2-Beugeschwingung (1420 cm-1), O-H-Beugeschwingung und C-H2- Streckschwingung (1440 cm-1) aus dem Polyvinylalkohol und um die B-O-Streckschwingung (1454 cm-1) aus der Borsäure. Tendenziell verschiebt sich die Bande zu höheren Wellen- zahlen. Es ist allerdings keine systematische Verschiebung der Wellenzahlen zu erkennen. Die Bande bei 1656 cm-1, die von adsorbiertem Wasser im „Komplex“ stammt, ist bei allen „Komplexen“ zu beobachten und zeigt, das alle „Komplexe“ Wasser adsorbiert haben. Die Absorptionsbande der Acetylgruppe bei 1720 cm-1 ist in allen „Komplexen“ vorhanden. Sie wird bei der Komplexbildung nicht tangiert und verändert so ihre Lage und Form nicht. 5 Auswertung 65 Abbildung 5.4 zeigt das Schwingungsspektrum der „Komplexe (F)“ im Bereich 2000 - 4000 cm-1. Schwingungsspektren der "Komplexe (F)" im Bereich 2000-4000 cm-1 PVA F10 F100 F250 F500 F1000 F2000 Borsäure F750 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 2,40 200021002200230024002500260027002800290030003100320033003400350036003700380039004000 Wellenzahl in cm-1 Tr a n s m is s io n Abbildung 5.4: Schwingungsspektren der „Komplexe (F)“ im Bereich 2000 - 4000 cm-1. Die Kombinationsschwingungen bei 2262 cm-1, 2361 cm-1 (B-O-H-Beugeschwingung + B-O-H-Beugeschwingung) und 2519 cm-1 (B-O-H-Beugeschwingung + B-O-Streckschwin- gung) sind bei den „Komplexen“ F1000 und F2000 zu beobachten. Dies ist ein weiterer Hinweis für „freie“ Borsäure in diesen „Komplexen“. Die symmetrische und asymmetrische C-H2-Streckschwingung ist in allen „Komplexen“ vorhanden. Die Absorptionsbande im Bereich 2910 - 2940 cm-1 ist sehr breit, die beiden Schwingungen sind überlagert. Im Wesentlichen ist kein ausgeprägter systematischer Intensitätsgang zu erkennen. Zwischen 3200 und 3600 cm-1 ist eine sehr breite Absorptionsbande zu beobachten, die O-H- Streckschwingung, die in allen „Komplexen“ vorkommt. 5 Auswertung 66 Die Schwingungsspektren der „Komplexe (F) nach der Präparationsmethode feuchte Vermischung“ zeigen bei F1000 und F2000 typische Absorptionsbanden der kristallinen Borsäure, die bei der Veresterung mit Polyvinylalkohol nicht mehr vorhanden sein dürften. Die entstandenen Verbindungen werden neben den „Monodiol-Komplexen“ auch einen Anteil an „freier“ Borsäure enthalten. Sie unterscheiden sich somit von den anderen „Komplexen“ F10 - F750. In der Diskussion sind sie daher separat von den anderen „Komplexen“ zu betrachten. Die Absorptionsbanden bei 665 cm-1 und 770 cm-1 und die sehr schwache Bande bei 1300 cm-1 - als PVA-BS-Komplex-Bande vermutet - geben einen Hinweis für den sukzessiven Anstieg des Gehalts an „Monodiol-Komplexen“ in den Verbindungen. Die anderen Absorp- tionsbanden bestätigen das Vorhandensein der erwarteten Schwingungen im „Komplex“. 5 Auswertung 67 5.1.4 Schwingungsspektren der „Komplexe (T)“ Die IR-Spektren der „Komplexe“ T10 - T2000 mit PVA und Borsäure zeigen die Abbildungen 5.5 und 5.6. Schwingungsspektren der "Komplexe (T)" im Bereich 400-2000 cm-1 PVA T10 T100 T250 T500 T750 T1000 T2000 Borsäure 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 40050060070080090010001100120013001400150016001700180019002000 Wellenzahl in cm-1 Tr a n s m is s io n Abbildung 5.5: Schwingungsspektren der „Komplexe (T)“ im Bereich 400 - 2000 cm-1. Schwingungsspektren der "Komplexe (T)" im Bereich 2000-4000 cm-1 PVA T10 T100 T250 T500 T750 T1000 T2000 Borsäure 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 200021002200230024002500260027002800290030003100320033003400350036003700380039004000 Wellenzahl in cm-1 Tr a n s m is s io n Abbildung 5.6: Schwingungsspektren der „Komplexe (T)“ im Bereich 2000 - 4000 cm-1. 5 Auswertung 68 Die Banden der „Komplexe (T)“ stimmen überwiegend mit den Absorptionsbanden der „Komplexe (F)“ überein. Das Spektrum des „Komplexes“ T500 fällt deutlich aus dem allgemeinen Gang heraus. Ursache hierfür ist wahrscheinlich, dass sich die Probe aufgrund ihrer Härte und Zähigkeit sehr schlecht zerkleinern ließ, so dass der sich auf das Spektrum auswirkende Gehalt an „Komplex“ vermutlich sehr klein war. Deutliche Unterschiede gibt es bei den mit hoher Borsäurekonzentration präparierten „Komplexen“ T1000 und T2000. Beim „Komplex“ T1000 sind die Banden 851 cm-1 (C-H2-Schaukelschwingung), 1109 cm-1 (C-O-Streckschwingung) und 3386 cm-1 (O-H-Streckschwingung vom PVA) im Gegensatz zum „Komplex“ F1000 zu erkennen. Es fehlen die Absorptionsbanden 548 cm-1 (B-O- Beugeschwingung), 884 cm-1 (symmetrische B-O-Streckschwingung), 1193 cm-1 (B-O-H- Beugeschwingung), 2262 cm-1, 2361 cm-1 und 2519 cm-1 (Kombinationsschwingungen), 3191 cm-1 (O-H-Streckschwingung der Borsäure), die Charakteristika für Schwingungen der kristallinen Borsäure sind. Die beobachteten Schwingungsfrequenzen lassen den Schluss zu, dass keine „freie“ Borsäure im „Komplex“ gebunden ist. Beim „Komplex“ T2000 sind die Kombinationsschwingungen 2262 cm-1, 2361 cm-1 und 2519 cm–1 sehr schwach zu erkennen. Ob „freie“ Borsäure mit im „Komplex“ gebunden ist, kann mit Hilfe der Ergebnisse der IR-Spektroskopie nicht eindeutig beantwortet werden. Die IR-Spektren der „Komplexe der Präparationsmethode trockene Vermischung (T)“ zeigen im Wesentlichen die gleichen Absorptionsbanden wie die „Komplexe der Präparations- methode feuchte Vermischung (F)“. Unterschiede gibt es - wie schon erwähnt - bei den „Komplexen“ mit hohem Borsäuregehalt. Hier sind charakteristische Absorptionsbanden der Borsäure nicht vorhanden (Ausnahme sind die sehr schwachen Kombinationsschwingungen bei 2262 cm-1, 2361 cm-1 und 2519 cm–1 bei T2000). „Freie“ Borsäure wird in diesen „Komplexen“ vermutlich bei der Präparation nicht mitgerissen worden sein. 5 Auswertung 69 5.2 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ Bei der Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ aus thermoanalytischen Diagrammen wird eine Basislinie benötigt, die das Gebiet der latenten Wärme (Umwandlungswärme) oder Reaktionsenthalpie von der „fühlbaren Wärme“ (in der Wärmekapazität cp gespeicherte Wärme) abtrennt. Bei nicht überlappenden Peaks ohne wesentliche Verschiebung der DSC-Kurve - d.h. ohne cp-Änderung über den betrachteten Effekt - wird allgemein die Verbindungsgerade von einem Punkt vor dem Effekt zu einem Punkt nach dem Effekt verwendet. In Fällen mit deutlicher cp-Änderung ist die „Integral- Basislinie“ optimal, welche der cp-Änderung durch das thermische Ereignis proportional zum Umsatz Rechnung trägt. Die Änderungen der molaren Enthalpie H∆ (im Folgenden „Enthalpie“ genannt) erhält man durch Integration der Fläche zwischen Basislinie und Messkurve. Die Enthalpie/Zeit-Diagramme werden mit Hilfe der vorgegebenen Heizrate in Wärmefluss/Temperatur-Diagramme umgerechnet (siehe Gleichungen (15) und (16), Seite 73). 5.2.1 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ von Borsäure Abbildung 5.7 zeigt die Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie von Borsäure. Anfang und Ende der Messkurve zeigen annähernd den gleichen molaren Wärmefluss, so dass die Basislinie fast parallel zur Abszisse verläuft. Die Ergebnisse der TG-Kurve zeigen im betrachteten Temperaturintervall einen Massenverlust. Als Folge hiervon würde man eine Änderung der Wärmekapazität der Probe erwarten. Bei höheren Temperaturen wird die molare Wärmekapazität - bedingt durch Anregung höherer frequenter Schwingungen im Molekül - anwachsen. Im Rahmen der Messgenauigkeit scheinen sich beide Effekte zufällig gerade zu kompensieren, so dass der molare Wärmefluss am Anfang und am Ende in etwa gleich groß ist und somit die Basislinie fast waagerecht verläuft. 5 Auswertung 70 Änderung der molaren Enthalpie von Borsäure ∆mH1 : 75 - 200 °C = 79,5 kJ/mol ∆mH2 : 200 - 340 °C = 14,0 kJ/mol normierte DSC-Kurve der Borsäure Basislinie -0,4 -0,35 -0,3 -0,25 -0,2 -0,15 -0,1 -0,05 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l Abbildung 5.7: Änderung der molaren Enthalpie von Borsäure. Mit Hilfe der normierten DTG-Kurve der Borsäure (Abb. 4.13; Seite 44) werden die Integrationsgrenzen zu 75 - 200 °C und 200 - 340 °C festgelegt. Eine weitere Unterteilung des ersten Intervalls erscheint aufgrund der Überlappung der beiden thermischen Ereignisse als nicht sinnvoll. Im ersten Intervall ergibt sich eine Änderung der molaren Enthalpie von (79,5 ± 2,0) kJ⋅mol-1, im zweiten Intervall von (14,0 ± 2,0) kJ⋅mol-1. (generell: In den Abbildungen sind die molaren Enthalpien mit dem Index „m“ für molar versehen, ∆mH). Tabelle 5.3: Änderung der molaren Enthalpie H∆ von Borsäure. ∆T / °C ∆ H / kJ⋅mol-1 75-200 79,5 ± 2,0 200-340 14,0 ± 2,0 75-340 93,5 ± 4,0 5 Auswertung 71 5.2.2 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ von Polyvinylalkohol und den „Komplexen“ F10 - F750 und T10 - T2000 Bei PVA und den „Komplexen“ verläuft schon bei niedrigen Temperaturen die Messkurve nicht parallel zur Abszisse. In diesem Temperaturbereich zeigen die TG-Untersuchungen bereits Massenverluste der Proben. In der Literatur [13 - 15] wird dieser Massenverlust als Desorption von Wasser interpretiert. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Wärmefluss durch die Wasserabgabe. Eine Basislinie ist somit in diesem Temperaturbereich schwer zu konstruieren. Ab 200 °C werden weitere thermische Ereignisse beobachtet, die zum Teil mit erheblichen Massenverlusten verbunden sind. Hier können die Verbindungsgerade vor und nach dem thermischen Effekt (ohne Massenverlust) und die “Integral-Basislinie“ (mit Massenverlust) eingesetzt werden. Am Beispiel des Polyvinylalkohols wird die Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ in den jeweiligen Temperaturbereichen (Abb. 5.8) explizit gezeigt. Änderung der molaren Enthalpie von Polyvinylalkohol ∆mH1 : 30-190 °C = 16100 kJ/mol ∆mHm : 190-240 °C = 3850 kJ/mol ∆mH2 : 240-350 °C = 46700 kJ/mol ∆mH3 : 350-415 °C = - 2600 kJ/mol -200 -150 -100 -50 0 50 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l Differenzkurve DSC-Messkurve Integral- Basislinie ∆mH2 ∆mHm ∆mH3 Abbildung 5.8: Änderung der molaren Enthalpie von Polyvinylalkohol. 5 Auswertung 72 Im ersten Temperaturbereich von 30 - 190 °C verliert PVA physikalisch gebundenes Wasser. Der molare Wärmefluss Q& des., der durch die Desorption des Wassers bedingt ist, kann mit Hilfe der DTG-Kurven des Polyvinylalkohols und der molaren Verdampfungsenthalpie von Wasser abgeschätzt werden. Dabei wird die Verdampfungsenthalpie des Wassers als untere Grenze für die Desorptionsenthalpie verwendet. Dann gilt: OH 2v .des 2 M t ]C100)[OH(Hm Q ∆ °°∆⋅∆ = & (12) t m ∆ ∆ : Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge ∆v H ө (H2O)[100 °C] : molare Verdampfungsenthalpie von Wasser bei 100 °C M (H2O) : Molmasse von Wasser Die Differenz der Messkurven von Q& PVA - Q& des. (in Abb. 5.8, Seite 71, „Differenzkurve“ genannt) ergibt den molaren Wärmefluss zur PVA-Probe ohne desorbierendes Wasser. Bei PVA, den „Komplexen“ F10 - F750 und T10 - T2000 zeigt die „Differenzkurve“ keine weiteren thermischen Effekte in diesem Temperaturintervall. Ausnahme bilden die „Komplexe“ F1000 und F2000, die separat behandelt werden (Kapitel 5.2.3; Seite 77). Die Bestimmung der Desorptionsenthalpie 1H∆ des Wassers pro Mol Polyvinylalkohol zeigt Gleichung (13). )EW(mM ]C100[)OH(HmM H OH 2v1.ads,PVA 1 2 ⋅ °°∆⋅∆⋅ =∆ (13) 1H∆ : Desorptionsenthalpie des Wassers pro Mol PVA MPVA,ads. : Molmasse von Polyvinylalkohol mit adsorbiertem Wasser ∆m1 : Massenverlust im 1.Temperaturintervall ∆v H ө (H2O)[100 °C] : molare Verdampfungsenthalpie von Wasser bei 100 °C M (H2O) : Molmasse von Wasser m (EW) : Masse der Einwaage 5 Auswertung 73 Fehlerquellen sind die Bestimmung der Molmasse von Polyvinylalkohol mit Hilfe der TG- Kurve, der Massenverlust im ersten Temperaturbereich und die molare Verdampfungs- enthalpie des Wassers, die temperaturabhängig ist. Hinzu kommt, dass die Verdampfungs- enthalpie des Wassers als untere Grenze für die Desorptionsenthalpie verwendet wird. Die untere Grenze für die Desorptionsenthalpie 1H∆ des Wassers auf ein Mol PVA bezogen, die aus ∆m1 (TG) und ∆v H ө (H2O)[100 °C] ermittelt wird, beträgt für Polyvinylalkohol (16100 ± 2750) kJ⋅mol-1 und ist eine Abschätzung. Im Temperaturintervall von 190 - 240 °C tritt beim PVA und den „Komplexen“ F10, T10 sowie T100 ein thermisches Ereignis auf, bei dem in der TG-Kurve kein Massenverlust beobachtet wird. Hierbei handelt es sich um eine Phasenumwandlung, welche in der Literatur [10, 11] als Schmelzen beschrieben wird. Hier wird die Verbindungsgerade zwischen Anfang und Ende des thermischen Ereignisses als Basislinie verwendet. Bei den anderen „Komplexen“ ist ein Schmelzen nur in Verbindung mit einer Zersetzung zu vermuten, da alle thermischen Ereignisse mit einem Massenverlust verbunden sind. Im weiteren Temperatur- verlauf treten thermische Ereignisse mit Massenverlusten auf. Mit Hilfe des Massen- quotienten aus der TG-Kurve wird eine „umsatzproportionale Wärmekapazitätsänderung“ und so ein Wärmefluss bestimmt, der die „Integral-Basislinie“ bildet. Dies ist eine Abschätzung, da eine konstante massenbezogene Wärmekapazität angenommen wird. Der molare Wärmefluss ]DSC[QIB& der „Integral-Basislinie“ errechnet sich nach Gleichung (14): )T(m )T(m)T(Q]DSC[Q o oIB ⋅= && (14) Q& IB[DSC] : molarer Wärmefluss der „Integral-Basislinie“ Q& (To) : molarer Wärmefluss bei der Starttemperatur To m (T) : Masse bei der Temperatur T m (To) : Masse bei der Starttemperatur To Die Integration der Fläche unterhalb oder oberhalb dieser Basislinie liefert die Änderung der molaren Enthalpie DSCH∆ für das thermische Ereignis (Gleichung (15)): ( )∫ −=∆ E o t t IBDSC dt)t](DSC[Q)t(QH && (15) Mit dt = T dT & ergeben sich die angezeigten molaren Wärmefluss/Temperatur-Diagramme. ( )∫ −⋅=∆ E o T T IBDSC dT)T](DSC[Q)T(QT 1H &&& (16) 5 Auswertung 74 Ist das thermische Ereignis beendet, sollte die Messkurve mit der Basislinie zusammen- kommen. Dies ist bei PVA und den PVA-Borsäure-Komplexen bei ca. 450 °C der Fall; bis zu dieser Temperatur sind verschiedene thermische Ereignisse hintereinander geschaltet. Oberhalb von 450 °C sind in den DTG-Kurven keine nennenswerten Massenverluste mehr zu beobachten. Bereits geringe Änderungen der Oberflächengüte des Tiegels können bei diesen Temperaturen größere Einflüsse auf die Basislinie haben, so dass eine Auswertung der Änderung der molaren Enthalpie nur bei deutlich erkennbaren Peaks sinnvoll ist. Die nachfolgende Tabelle 5.4 zeigt die so ermittelte Änderung der molaren Enthalpie H∆ mit denen in Kapitel 6 ermittelten Fehlern (minus bedeutet: exotherme Enthalpieänderung). Tabelle 5.4: Änderung der molaren Enthalpie von Polyvinylalkohol und den „Komplexen“. Polyvinylalkohol: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-190 16100 ± 2750 190-240 3850 ± 250 240-350 46700 ± 3700 350-415 - 2600 ± 250 30-415 64050 ± 6950 „Komplex“ F10: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-180 5200 ± 1400 180-245 3400 ± 100 245-370 28200 ± 1450 370-430 - 5300 ± 300 30-430 31500 ± 3250 „Komplex“ F100: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-275 26750 ± 4700 275-375 20150 ± 450 375-430 - 6700 ± 250 30-430 40200 ± 5400 5 Auswertung 75 „Komplex“ F250: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-295 32800 ± 5650 295-365 9000 ± 1350 365-425 - 10650 ± 3650 30-425 31150 ± 10650 „Komplex“ F500: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-270 28450 ± 2400 270-375 9100 ± 350 375-425 - 9100 ± 600 30-425 28450 ± 3350 „Komplex“ F750: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-295 29650 ± 3300 295-375 1550 ± 400 375-425 - 9100 ± 1550 30-425 22100 ± 5250 „Komplex“ F1000: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-350 54500 ± 8800 80-180 9750 ± 1500 350-430 - 13900 ± 700 30-430 50350 ± 11000 „Komplex“ F2000: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-345 67650 ± 8900 80-180 13000 ± 1600 345-430 - 8700 ± 1400 30-430 71950 ± 11900 5 Auswertung 76 „Komplex“ T10: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-180 10050 ± 2350 180-255 2950 ± 150 255-365 27000 ± 1900 365-430 - 4800 ± 600 30-430 35200 ± 5000 „Komplex“ T100: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-165 18300 ± 4200 165-245 2550 ± 100 245-355 20900 ± 250 355-425 - 6500 ± 150 30-425 35250 ± 4700 „Komplex“ T250: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-280 17950 ± 3500 280-375 8900 ± 350 375-450 - 7750 ± 550 30-450 19100 ± 4400 „Komplex“ T500: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-265 25950 ± 5500 265-375 7300 ± 550 375-425 - 10150 ± 1200 30-425 23100 ± 7250 „Komplex“ T750: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-280 29100 ± 4650 280-375 5300 ± 100 375-425 - 9100 ± 900 30-425 25300 ± 5650 5 Auswertung 77 „Komplex“ T1000: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-290 36500 ± 7450 290-375 2400 ± 300 375-425 - 9700 ± 2050 30-425 29200 ± 9800 „Komplex“ T2000: ∆T / °C H∆ / kJ⋅mol-1 30-290 33700 ± 4200 290-380 3200 ± 200 380-430 - 6600 ± 2050 30-430 30300 ± 6450 5.2.3 Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ der „Komplexe“ F1000 und F2000 Die Abbildung 5.9 zeigt das Wärmefluss/Temperatur Diagramm von „Komplex“ F1000. Änderung der molaren Enthalpie von "Komplex" F1000 ∆mH3 : 350 - 430 °C = - 13900 kJ/mol ∆mH3 DSC-Kurve F1000 Differenzkurve Integral-Basislinie -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l Abbildung 5.9: Änderung der molaren Enthalpie von „Komplex“ F1000. 5 Auswertung 78 Im Temperaturbereich zwischen 80 °C und 180 °C verläuft die „Differenzkurve“ nicht parallel zur Abszisse. Der ungewöhnliche Kurvenverlauf kommt dadurch zu Stande, dass der Beginn des thermischen Ereignisses in der DTG-Kurve bereits um 30 °C früher einsetzt. Zwischen 350 °C und 430 °C wird die molare Reaktionsenthalpie mit Hilfe der „Integral- Basislinie“ berechnet. Für F1000 ergibt sich eine Änderung der molaren Enthalpie 3H∆ von - 13.900 kJ·mol-1. Die Änderung der molaren Enthalpie 3H∆ bei F2000 (- 8.700 kJ·mol-1) wird wie bei F1000 mit Hilfe der „Integral-Basislinie“ bestimmt. Die FT-IR-Spektren zeigen bei den „Komplexen“ F1000 und F2000 typische Schwingungs- frequenzen der Borsäure. F1000 und F2000 haben im ersten Temperaturintervall in der DSC- Kurve zwei scharfe Peaks (Abb. 4.8; Seite 36), deren Kurvenform wesentliche Merkmale der Kurvenform der Borsäure aufweisen. Die Peakmaximumtemperaturen sind jedoch sowohl bei F1000 als auch bei F2000 gegenüber der reinen Borsäure zu niedrigeren Temperaturen verschoben. Bei Latocha et al. [7] haben schon kleine Veränderungen von Heizrate und Probenmasse einen Einfluss auf die Peakform und die Peakmaximumtemperaturen von kristalliner Borsäure gezeigt. Hier befindet sich die mitgerissene „freie“ Borsäure im „Komplex“, d.h. in einer anderen molekularen Umgebung (Matrix), so dass es zu den Temperaturverschiebungen kommen kann. Dadurch ist die ermittelte „Differenzkurve“ wenig aussagekräftig (siehe Abb. 5.9; Seite 77) und somit die Bestimmung der molaren Enthalpie schwierig. Den Massenanteil an „freier“ Borsäure im „Komplex“ kann man aus der TG-Kurve oder aus der DSC-Kurve ermitteln. Bei beiden Kurven gibt es Probleme, die „Basislinie“ festzulegen (siehe Abb. 7.8; Seite 121). Bei der Auswertung aus den jeweils drei Kurven hat sich gezeigt, dass die DSC-Kurven eine bessere Reproduzierbarkeit beim Vergleich der Peakflächen erzielen und das der Kurvenverlauf eine klarere Trennung zwischen Desorption von Wasser und dem thermischen Ereignis bedingt durch den Wasserverlust aus der Borsäure zulässt. Deshalb wird hier die Änderung der Enthalpie der Probe bedingt durch die thermische Zer- setzung der „freien“ Borsäure im „Komplex“ (als frei,BSHˆ∆ bezeichnet) in dem Temperaturin- tervall von ca. 80 °C bis 180 °C mit der Änderung der Enthalpie von 1g Borsäure BSHˆ∆ (aus den DSC-Messungen der kristallinen Borsäure; Kapitel 4.1.3; Seite 31; BSHˆ∆ = 1300 J·g-1) beim gleichen thermischen Ereignis verglichen. 5 Auswertung 79 Der Massenanteil der „freien“ Borsäure pro Gramm „Komplex“ wird aus dem Quotienten der Änderung der Enthalpie der Probe und der Änderung der Enthalpie von 1g Borsäure berechnet. BS frei,BS "Komplex" frei,BS Hˆ Hˆ g1 m ∆ ∆ = (17) Der resultierende Massenverlust der Probe an Wasser durch die Reaktion H3BO3 → 3/2 H2O + 1/2 B2O3 erhält man so zu: OH BOH frei,BS BorsäurederausWasser 2 33 M2 3 M m m ⋅=∆ (18) Im ersten Temperaturintervall ergibt sich der Massenverlust ∆m1 der beiden „Komplexe“ F1000 und F2000 aus zwei Anteilen: aus der Desorption des Wassers ∆mdes. Wasser und der Zersetzung der „freien“ Borsäure ∆mWasser aus der Borsäure. Auf ein Gramm Einwaage bezogen lässt sich somit der verbliebene Anteil für das desorbierte Wasser ermitteln. ∆mdes. Wasser = ∆m1 - ∆mWasser aus der Borsäure (19) Mit Hilfe dieser Massenanteile lassen sich die Beiträge des adsorbierten Wassers M(H2O)ads. und der „freien“ Borsäure M(BS)frei zur Molmasse pro „Mol“ des jeweiligen „Komplexes“ abschätzen. Tabelle 4.2 (Seite 28) zeigt, wie sich die Molmasse der „Komplexe“ F1000 und F2000 aus der Molmasse des gebildeten „Monodiol-Komplexes“, der Molmasse des am „Monodiol- Komplex“ adsorbierten Wassers M(H2O)ads. sowie der mitgerissenen „freien“ Borsäure M(BS)frei zusammensetzt. Die zusätzliche Änderung der molaren Enthalpie durch die Reaktion von Borsäure zu Bortrioxid frei,BSH∆ lässt sich mit Gleichung (20) bestimmen: "Komplex"frei,BSfrei,BS MHˆH ⋅∆=∆ (20) 5 Auswertung 80 Tabelle 5.5 zeigt alle ermittelten Größen zur Bestimmung der zusätzlichen Änderung der molaren Enthalpie durch die Reaktion von Borsäure zu Bortrioxid frei,BSH∆ für die „Komplexe“ F1000 und F2000. Tabelle 5.5: Parameter zur Bestimmung der zusätzlichen Änderung der molaren Enthalpie durch die Reaktion von Borsäure zu Bortrioxid frei,BSH∆ für die „Komplexe“ F1000 und F2000. Parameter Einheit F1000 F2000 frei,BSHˆ∆ J·g-1 80,00 100,00 mBS,frei / 1 g „Komplex“ 0,06 0,08 ∆m Wasser aus der Borsäure / m (EW) % 2,70 3,40 ∆mdes. Wasser / m (EW) % 19,80 23,00 ∆m1 % 22,50 26,40 M“Komplex“ g·mol-1 121.920,00 130.196,00 frei,BSH∆ kJ·mol-1 9.750,00 13.000,00 6 Fehlerbetrachtung 81 6 Fehlerbetrachtung Um Aussagen über die Genauigkeit der im Rahmen dieser Arbeit gemessenen thermo- analytischen Diagramme machen zu können, sind die nachfolgenden Fehlerquellen zu diskutieren. In vielen Fällen handelt es sich um eine Fehlerabschätzung. Das liegt an der Beschaffenheit der Proben, die in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der „Komplexe“ sehr unterschiedlich sein kann (siehe Kapitel 3.1; Seite 14). - Fehler bei der Herstellung der „Komplexe“ Die Einwaage von PVA und Borsäure erfolgt mit einer Genauigkeit von ± 1 mg. Die Zugabe des Lösungsmittels Wasser mit einem Messzylinder hat eine Reproduzierbarkeit von ± 1 ml. Diese Fehler sind gegenüber den anderen Fehlerquellen vernachlässigbar. - Fehler bei der Bestimmung der Peakmaximumtemperatur Tp durch die DSC Bei den Peakmaximumtemperaturen aus den DSC-Messungen treten im ersten Tempera- turintervall Schwankungen bei einzelnen „Komplexen“ bis zu 20 °C auf. Grund dafür ist der Vorgang der Desorption, der durch Desorptionskinetik und Stofftransport gesteuert wird. Somit erhält man hier durch die Peakmaximumtemperaturen wenige Informationen. Die Integration der Fläche und die daraus berechnete Änderung der molaren Enthalpie sind für die Interpretation der Ergebnisse interessanter. In den weiteren Temperaturbereichen ist die Schwankungsbreite kleiner (∆Tp = 10 °C). Der Hauptfehler bei der Bestimmung der Peakmaximumtemperaturen liegt in der Probenbeschaffenheit. Weitere Einflussgrößen für eventuelle Schwankungen der Peak- maximumtemperatur sind die Heizrate, die auf ± 0,1 °C eingestellt werden kann; die Durchflussgeschwindigkeit des Gases Stickstoff, dessen Fehler bei ± 10 ml/min liegt; der Wärmeübergang zwischen Probe und Umgebung, die Wärmeleitfähigkeit, die Wärme- kapazität und der Temperaturgradient innerhalb der Probe. Diese Fehler sind gegenüber dem Fehler, der durch die Beschaffenheit der Proben entsteht, zu vernachlässigen. - Fehler bei der Bestimmung des Wärmeflusses durch die DSC Nach der Durchführung der Kalibrierung wird eine Genauigkeit von ± 0,5 % laut Her- steller bei den Wärmeflüssen erreicht. 6 Fehlerbetrachtung 82 - Fehler bei der Bestimmung des Massenverlustes der Proben durch die Thermowaage Der Fehler bei der Bestimmung der Kinetik des Massenverlustes der Proben durch die Thermowaage hängt von der Probenbeschaffenheit ab. Trotz der unterschiedlichen Korngröße verschiedener Proben desselben „Komplexes“ ist eine relativ gute Repro- duzierbarkeit für den Massenverlust ∆m zu beobachten. Der Fehler liegt bei ± 2 %. - Fehler bei der Bestimmung der Peakmaximumtemperatur PT durch die Thermowaage Es treten sehr große Schwankungen (bis zu 35 °C) bei einigen „Komplexen“ im ersten Temperaturintervall auf. Der größte Fehler resultiert auch hier aus der Beschaffenheit der Proben. Eventuelle Schwankungen der anderen eingestellten Einflussgrößen (Wärme- übergang durch Konvektion und Strahlung vom Ofen auf die Probe; Wägeungenauigkeit; Gasdurchfluss, Heizrate) können vernachlässigt werden. In den weiteren Temperatur- bereichen ist der Fehler der Peakmaximumtemperatur kleiner. Die größte beobachtete Abweichung zwischen Proben desselben „Komplexes“ beträgt ± 5 °C. Die Korrelation der Peakmaximumtemperaturen aus den DSC-Kurven und den DTG-Kurven spielt für die Interpretation der Ergebnisse eine Rolle; hier sind teilweise Abweichungen von 30 °C zwischen Tp und PT zu beobachten, was nicht auf Messfehler oder Abweichungen zwischen Proben desselben „Komplexes“ zurückgeführt werden kann. - Fehler bei der Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ Der Fehler bei der Bestimmung der molaren Enthalpie wird hauptsächlich durch die Festlegung der Basislinie hervorgerufen. Die drei verschiedenen Auswertemethoden („Basislinie“ der Borsäure; „Differenzkurve“; „Integral-Basislinie“) ergeben unterschied- liche Fehler. Die „Basislinie“ der Borsäure wird als die Verbindungsgerade vom Startpunkt bis zum Endpunkt des thermischen Ereignisses, welche tangential beginnt und endet, festgelegt. Start- und Endpunkt sind mit einem Fehler behaftet. Bei einer Toleranz von 5 °C für den Beginn und das Ende des thermischen Ereignisses ergibt sich für die Änderungen der molaren Enthalpie der Borsäure ein maximaler Fehler von ± 2 kJ⋅mol-1. 6 Fehlerbetrachtung 83 Die Fehlerabschätzung für die molare Enthalpie von Polyvinylalkohol und den „Komplexen“ wird in den ersten Temperaturbereich („Differenzkurve“) und die weiteren Temperatur- bereiche („Integral-Basislinie“) unterteilt. Die Fehler bei der Bestimmung der molaren Schmelzenthalpie und der zusätzlichen molaren Enthalpie, hervorgerufen durch „freie“ Borsäure bei den „Komplexen“ F1000 und F2000, werden separat aufgeführt. Fehlerabschätzung im ersten Temperaturbereich Die Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie im ersten Temperaturintervall von Polyvinylalkohol und den „Komplexen“ setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen (siehe Kapitel 5.2.2; Gleichung 13; Seite 72). Die Fehler sind in Tabelle 6.1 (Seite 84) zusammengefasst. Bei der Auswertung muss im Temperaturbereich bis 190 °C (PVA) bzw. bis 300 °C (F2000) der Massenverlust der Proben (bestimmt durch TG-Messungen) und die Desorptionsenthalpie von Wasser berücksichtigt werden. Dabei wird die molare Verdampfungsenthalpie des Wassers als untere Grenze für die Desorptionsenthalpie verwendet, was eine systematische Fehlerquelle bei allen Verbindungen beinhaltet. Angesichts der hier verbundenen Unsicherheit wurde die Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie des Wassers bei der Bestimmung der Änderung der molaren Enthalpie in diesem Temperaturbereich vernachlässigt. Der prozentuale Anteil des Massenverlustes )EW(m/m(%)m 11 ∆=∆ der Proben hat zwischen den drei Einzelmessungen desselben „Komplexes“ Abweichungen, die Tabelle 6.1 in Spalte 3 (SB) angegeben sind. Daraus ergeben sich die absoluten und relativen Fehler für PVA und die „Komplexe“ (direkt durch ∆m1 und indirekt bei der Molmasse des „Komplexes“), die in Tabelle 6.1, Spalte 4, zusammengefasst sind. Wenn die Desorptionsenthalpie eine vergleichbare Temperaturabhängigkeit wie die molare Verdampfungsenthalpie hätte, würde durch die Vernachlässigung der Temperaturabhängig- keit ein Fehler entstehen, der in Tabelle 6.1, Spalte 5, als (∆ H = f(T)) angegeben ist. Den additiv zusammengesetzten Gesamtfehler zeigen die Spalte 6 (in kJ⋅mol-1) und Spalte 7 (in %). 6 Fehlerbetrachtung 84 Tabelle 6.1: Fehlerabschätzung der Desorptionsenthalpie des Wassers pro Mol PVA ∆ H 1 im ersten Temperaturbereich. ∆ H 1 SB ∆m1 abs. Fehler rel. Fehler Fehler ∆ H =f(T) abs. Fehler ges. Fehler ges. Fehler kJ⋅mol-1 % kJ⋅mol-1 % % kJ⋅mol-1 kJ⋅mol-1 % PVA 16100 1,0 1950 12,1 5,0 800 2750 17,1 F10 5200 1,0 1150 22,1 4,8 250 1400 26,9 F100 26750 1,5 3400 12,7 4,9 1300 4700 17,6 F250 32800 1,6 4000 12,2 5,0 1650 5650 17,2 F500 28450 0,4 1000 3,5 4,9 1400 2400 8,4 F750 29650 0,6 1850 6,2 4,9 1450 3300 11,0 F1000 54500 1,8 6100 11,2 5,0 2650 8800 16,1 F2000 67650 1,8 5550 8,2 5,0 3400 8900 13,1 T10 10050 1,0 1850 18,4 5,0 500 2350 23,4 T100 18300 1,6 3300 18,0 4,9 900 4200 23,0 T250 17950 1,2 2600 14,5 5,0 900 3500 19,5 T500 25950 1,7 4200 16,2 5,0 1300 5500 21,2 T750 29100 1,2 3200 11,0 5,0 1450 4650 16,0 T1000 36500 2,0 5650 15,5 4,9 1800 7450 20,4 T2000 33700 0,9 2500 7,4 5,0 1700 4200 12,5 6 Fehlerbetrachtung 85 Die Bestimmung der molaren Schmelzenthalpie ∆ H m erfolgt durch Integration zwischen „Basislinie“ und DSC-Messkurve. Der Startpunkt der Integrationsgrenze To ist schwer zu bestimmen, da die „Differenzkurve“ aufgrund des DTG-Signales verrauscht ist. Die Tabelle 6.2 zeigt die maximale Abweichung durch Variation des Startpunktes der Integrationsgrenze To um 5 °C nach dem Glätten der „Differenzkurve“. Tabelle 6.2: Fehlerabschätzung der molaren Schmelzenthalpie ∆ H m von PVA, F10, T10 und T100. PVA F10 T10 T100 ∆ H m / kJ⋅mol-1 3850 3400 2950 2550 ∆ H m / kJ⋅mol-1 maximale Abweichung 250 100 150 100 Fehler / % 6,5 2,9 5,1 3,9 Bei der Berechnung der zusätzlichen molaren Enthalpie ∆ H BS der „freien“ Borsäure der „Komplexe“ F1000 und F2000 ist eine Fehlerquelle die Bestimmung der auf 1 g Masse bezogene Enthalpieänderung BSHˆ∆ , die auf ± 20 J·g-1 bei der Borsäure und auf ± 10 J·g-1 bei den „Komplexen“ genau bestimmt werden kann. Eine weitere Fehlerquelle ist der Massenverlust ∆m1, der eine Schwankungsbreite von jeweils ± 1,8 % (siehe Tabelle 6.1) aufweist. Für die zusätzliche Änderung der molaren Enthalpie durch die Reaktion von Borsäure zu Bortrioxid frei,BSH∆ für die „Komplexe“ F1000 und F2000 ergeben sich dadurch folgende Fehler: F1000 = (9750 ± 1500) kJ⋅mol-1 F2000 = (13000 ± 1600) kJ⋅mol-1 6 Fehlerbetrachtung 86 Fehlerabschätzung im zweiten und dritten Temperaturbereich Die Änderung der molaren Enthalpie in den weiteren Temperaturbereichen wird mit Hilfe der „Integral-Basislinie“ bestimmt. Der Hauptfehler liegt dabei in der Festlegung der „Integral- Basislinie“. Die thermischen Ereignisse haben in den DSC- und DTG-Kurven unter- schiedliche Onset-Temperaturen. Diese Unterschiede sind nicht durch Messfehler erklärbar. Dadurch ergibt sich eine Unsicherheit bei der Festlegung der unteren Integrationsgrenze von Gleichung (16) (Seite 73). ( )∫ −=∆ E o T T IBDSC dT)T](DSC[Q)T(QT 1H &&& (16) Die maximale Abweichung ergibt sich, wenn anstelle To aus der DSC-Kurve die Start- temperatur To aus der DTG-Kurve für die Berechnung von Q& IB und daraus ∆ H heran- gezogen wird. Dafür gilt: Q& IB [DTG](T) = Q& (To) ⋅ )T(m )T(m 0 (21) mit To aus der DTG-Kurve. Die Änderung der molaren Enthalpie DTGH∆ erhält man aus Gleichung (22): ( )∫ −=∆ E o T T IBDTG dT)T](DTG[Q)T(QT 1H &&& (22) Der resultierende Fehler bei der Änderung der molaren Enthalpie ergibt sich zu: ∆ H Fehler = ∆ H DSC - ∆ H DTG Ein weiterer Fehler entsteht durch die Annahme, dass die massenbezogene Wärmekapazität konstant bleibt. Der hieraus resultierende Fehler ist vermutlich klein gegenüber dem Fehler, der sich bei der Festlegung der „Integral-Basislinie“ ergibt. 6 Fehlerbetrachtung 87 Die nachfolgenden Tabellen zeigen die Fehlerabschätzung ∆ H Fehler im zweiten (Tabelle 6.3) und im dritten (Tabelle 6.4) Temperaturintervall. Tabelle 6.3: Fehlerabschätzung der Änderung der molaren Enthalpie ∆ H 2 im zweiten Temperaturbereich. Substanz ∆T2 °C To (DSC) °C ∆ H DSC kJ⋅mol-1 To (DTG) °C ∆ H DTG kJ⋅mol-1 ∆ H Fehler kJ⋅mol-1 Fehler % PVA 240-340 239 46700 218 43000 3700 7,9 F10 245-370 243 28200 232 26750 1450 5,1 F100 275-375 273 20150 277 20600 450 2,2 F250 295-365 293 9000 265 7650 1350 15,1 F500 270-375 271 9100 278 9450 350 3,8 F750 295-375 296 1550 311 1950 400 25,9 T10 255-365 254 27000 239 25100 1900 7,1 T100 245-355 245 20900 248 21150 250 1,2 T250 280-375 279 8900 272 8550 350 3,7 T500 265-375 264 7300 278 7850 550 7,8 T750 280-375 279 5300 283 5400 100 2,2 T1000 290-375 291 2400 305 2700 300 12,2 T2000 290-380 292 3200 301 3400 200 5,5 6 Fehlerbetrachtung 88 Tabelle 6.4: Fehlerabschätzung der Änderung der molaren Enthalpie ∆ H 3 im dritten Temperaturbereich. Substanz ∆T3 °C To (DSC) °C ∆ H DSC kJ⋅mol-1 To (DTG) °C ∆ H DTG kJ⋅mol-1 ∆ H Fehler kJ⋅mol-1 Fehler % PVA 350-415 239 - 2600 218 - 2850 250 9,6 F10 370-430 243 - 5300 232 - 5600 300 6,1 F100 375-430 273 - 6700 277 - 6450 250 3,6 F250 365-425 293 - 10650 265 - 14300 3650 25,1 F500 375-425 271 - 9100 278 - 8500 600 6,6 F750 375-425 296 - 9100 311 - 7550 1550 16,9 F1000 350-430 296 - 13900 307 - 13200 700 5,0 F2000 345-430 297 - 8700 311 - 7300 1400 16,1 T10 365-430 254 - 4800 239 - 5400 600 13,0 T100 355-425 245 - 6500 248 - 6350 150 2,0 T250 375-450 279 - 7750 272 - 8300 550 7,1 T500 375-425 264 - 10150 278 - 8950 1200 11,9 T750 375-425 279 - 9100 283 - 8200 900 9,7 T1000 375-425 291 - 9700 305 - 7650 2050 21,2 T2000 380-430 292 - 6600 301 - 4550 2050 31,3 7 Diskussion 89 7 Diskussion Die FT-IR Spektren zeigen eine starke Übereinstimmung zwischen Polyvinylalkohol und den „Komplexen“ F10 - F750 bzw. T10 - T2000. Außerdem geben Sie einen Hinweis auf die Bildung von „Monodiol-Komplexen“ in allen Verbindungen. Weiterhin sind in den FT-IR Spektren von F1000 und F2000 Schwingungsfrequenzen der kristallinen Borsäure zu erkennen, so dass vermutlich „freie“ Borsäure bei diesen beiden Verbindungen mitgerissen worden ist. In der Diskussion werden zunächst die thermoanalytischen Diagramme von Borsäure und Polyvinyl- alkohol diskutiert. Die Interpretation der thermoanalytischen Daten der Ausgangssubstanzen ist hilfreich zur Deutung der thermoanalytischen Diagramme der „Komplexe (F) und (T)“. Die beiden „Komplexe“ F1000 und F2000 werden separat diskutiert, da sie sich von den anderen „Komplexen“ durch die mitgerissene Borsäure unterscheiden. Die thermoanalytische Betrach- tung liefert energetische und gravimetrische Ergebnisse im Hinblick auf die Eignung der „Komplexe“ als Brandschutzfolie. 7.1 Thermoanalytische Betrachtung von Borsäure Die Abbildung 7.1 zeigt das thermoanalytische Diagramm der Borsäure. Thermoanalytisches Diagramm von Borsäure ∆mH1 : 75-200 °C = 79,5 kJ/mol ∆mH2 : 200-340 °C = 14,0 kJ/mol 240 176 164 235 172 143 -0,4 -0,35 -0,3 -0,25 -0,2 -0,15 -0,1 -0,05 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-210 °C = 37,2 % 210-550 °C = 8,1 % Rest : 54,7 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in m g/ s e c m o l DSC-Kurve DTG-Kurve Abbildung 7.1: Thermoanalytisches Diagramm von Borsäure. 7 Diskussion 90 Das thermoanalytische Diagramm zeigt die in dieser Arbeit aufgenommene DSC- und DTG- Kurve. Zwischen 75 und 200 °C zeigen DSC- und DTG-Kurve zwei thermische Ereignisse mit Peakmaxima, die sich stark überlagern und somit nicht zu trennen sind. Der erste Peak in beiden Kurven deutet auf die Dehydratation von Orthoborsäure [H3BO3] zu α-Metaborsäure [HBO2] hin, denn aus der Literatur ist bekannt (siehe Kapitel 2.1; Seite 7ff), dass Ortho- borsäure [H3BO3] zwischen 100 und 130 °C Wasser abspaltet und α-Metaborsäure [HBO2] entsteht. Die Probe verliert bis 210 °C 37,2 % an Masse. Der theoretische Massenverlust an Wasser bei der Umwandlung von Borsäure zu Metaborsäure beträgt 29,0 %, so dass die erste Zersetzungsstufe schon vor dem Ende des thermischen Ereignisses bei 210 °C beendet und α- Metaborsäure entstanden ist. In der DSC-Kurve ist bei 176 °C ein spitzer intensiver Peak zu erkennen, der Massenverlust ist dort relativ gering. Dies lässt darauf schließen, dass es sich beim zweiten Peakmaximum in der DSC-Kurve um den Schmelzpeak der α-Metaborsäure handelt. In der DTG-Kurve ist ein zweites Peakmaximum bei 172 °C. Dieses Peakmaximum gibt einen Hinweis auf eine weitere Wasserabspaltung der gebildeten Metaborsäure, die bei einem schnellen Aufheizvorgang eine glasige Schmelze bildet und über einen großen Tempe- raturbereich (von 165 °C bis 340 °C) sich in Bortrioxid umwandelt. Die Zacken ab 200 °C in den beiden Kurven könnten Wasserbläschen sein, die aus der Schmelze herausdiffundieren. Der Massenverlust ∆m beträgt über das gesamte Temperaturintervall von 30 °C bis 550 °C insgesamt (45,3 ± 2,0) % und stimmt gut mit dem theoretischen Massenverlust von 43,5 % für die Bildung von Bortrioxid aus Borsäure überein. Die ermittelte Gesamtänderung der molaren Enthalpie H∆ zwischen 75 und 340 °C beträgt (93,5 ± 4,0) kJ⋅mol-1 und liegt im Rahmen der Messgenauigkeit bei der erwarteten molaren Reaktionsenthalpie Hr∆ von 95,25 kJ⋅mol -1[3]. Nicht einfach zu erklären ist, dass der Massenverlust in der TG systematisch bei 20 – 30 °C niedrigeren Temperaturen abzulaufen scheint als das entsprechende thermische Ereignis in der DSC-Kurve. Aus der Literatur [7] ist aber bekannt, dass bei der Borsäure in DSC- und DTG-Kurven die thermischen Ereignisse bei hoher Heizrate gegeneinander verschoben sind. Die thermoanalytischen Daten zeigen bei der Gesamtänderung der molaren Enthalpie H∆ und dem Massenverlust ∆m eine gute Übereinstimmung mit den Literaturdaten. Die chemische Reaktion der Borsäure zu Bortrioxid über die Zwischenstufe der α-Metaborsäure ist erkennbar. Der Phasenübergang der α-Metaborsäure bei 176 °C ist wahrscheinlich. Durch die schlechte Korrelation zwischen DSC- und DTG-Kurve bis 200 °C und durch die hohe Heizrate sind aber keine detaillierten Interpretationen der chemischen und physikalischen Vorgänge für die Borsäure möglich. 7 Diskussion 91 7.2 Thermoanalytische Betrachtung von Polyvinylalkohol Wie in Kapitel 2.2 (Seite 10) ausführlich beschrieben, kann Polyvinylalkohol bis 200 °C adsorbiertes Wasser desorbieren. Seine Schmelztemperatur liegt bei ca. 226 °C. Ab 200 °C zersetzt sich Polyvinylalkohol unter thermischer Belastung. Eine Vielzahl an Zersetzungs- reaktionen ist möglich. Dabei kommt es bevorzugt zur Dehydratation des Polymeren unter Bildung von Polyenen, zur Kettenspaltung mit Bildung von Aldehyden und - nach Polyenbildung - zu Diels-Alder Reaktionen und intramolekularen Zyklisierungen (peri- cyclische Reaktionen). Die wichtigsten Zersetzungsreaktionen werden schon in Kapitel 2.2 und in den Abbildungen 2.3 - 2.6 vorgestellt. Weitere aber seltener auftretende Zersetzungs- reaktionen sind die Kettenspaltung mit Bildung von Ketonen und Aldehyden [16, 21]; die Kettenspaltung mit Bildung von Aldehyden und cis/trans methyl-terminierten Polyenen [15] und Radikal-Reaktionen zu substituierten Olefinen und aliphatischen Produkten [16, 24]. In der zweiten Zersetzungsstufe (ab 350 °C) kommt es zur Crackung der noch vorhandenen Produkte. Abbildung 7.2 zeigt die thermoanalytischen Daten von Polyvinylalkohol. Thermoanalytisches Diagramm von Polyvinylalkohol ∆mH1 : 30-190 °C = 16100 kJ/mol ∆mHm : 190-240 °C = 3850 kJ/mol ∆mH2 : 240-350 °C = 46700 kJ/mol ∆mH3 : 350-415 °C = - 2600 kJ/mol DSC-Kurve 431 138 220 301 DTG-Kurve126 283 423 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-225 °C = 9,0 % 225-375 °C = 70,5 % 375-550 ° C = 13,9 % Rest : 6,6 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Abbildung 7.2: Thermoanalytisches Diagramm von PVA. Im ersten Temperaturbereich bis etwa 200 °C verringert sich der molare Wärmefluss in der DSC-Kurve kontinuierlich bis 138 °C (1.Tp) und steigt dann bis 190 °C wieder an. Der 7 Diskussion 92 Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge erstreckt sich über das gesamte Temperaturintervall, das angegebene Maximum bei 126 °C ist sehr schwach ausgeprägt. Bei Kaesche-Krischer und Heinrich [13], Thomas et al. [14] und bei Gilman et al. [15] wird der Massenverlust in diesem Temperaturbereich als Desorption von physikalisch gebundenem Wasser beschrieben. Er liegt bei diesen Autoren trotz intensiver Trocknung bei 1,5 bis 6 %; in dieser Arbeit beträgt er 9 %. Grund kann der „Grill-Effekt“ sein, der darauf beruht, dass die Oberfläche rasch trocknet, im Korn jedoch Wasser eingeschlossen bleibt [51]. Der hohe Anteil an physikalisch gebundenem Wasser liefert einen Beitrag zur molaren Enthalpie ∆ H 1 des PVA von (16100 ± 2750) kJ·mol-1, wenn man - auf ein Mol Wasser bezogen - die Desorptionsenthalpie als annähernd gleich der molaren Verdampfungsenthalpie des Wassers abschätzt. Zwischen 190 und 230 °C ist in der DTG-Kurve kein Massenverlust zu erkennen; die DSC- Kurve hat dagegen einen ausgeprägten Peak mit einem Maximum bei 220 °C. Es handelt sich um den Schmelzpunkt von PVA. Die Schmelztemperatur liegt um 6 °C niedriger als die von Tubbs [10] und Nishimura et al. [11] angegebene von 226 °C. Tubbs untersuchte das Schmelzverhalten von Polyvinylalkohol mit hoher Kristallinität bei verschiedenen Heizraten. Er stellte fest, dass es nur bei hohen Heizraten (≥ 10 °C/min) zu einem eindeutig im DSC- Diagramm identifizierbaren Schmelzvorgang kommt; bei niedrigen Heizraten beginnt das Polymer sich vorher schon zu zersetzen. Nach einer von Flory [52] aufgestellten Methode errechnete Tubbs eine molare Schmelzenthalpie von 0,64 kcal·mol-1 bezogen auf die Vinylalkoholeinheit. Daraus ergibt sich für PVA mit einer Molmasse von 72000 g⋅mol-1 bei einem Hydrolysegrad von 99 % (+ 1% Acetatgruppen), (entspricht 1620 Vinylalkohol- einheiten) eine molare Schmelzenthalpie von 4338 kJ·mol-1. Nishimura ermittelte eine Schmelzenthalpie von 55,8 J·g-1. Für PVA mit der Molmasse von 72000 g⋅mol-1 ergibt sich damit eine molare Schmelzenthalpie von 4017,6 kJ·mol-1. Die hier ermittelte molare Schmelzenthalpie von (3850 ± 250) kJ·mol-1 stimmt im Rahmen der Messgenauigkeit gut mit den Werten von Tubbs und Nishimura überein und bestätigt die gewählte Auswertungs- methode. Zwischen 230 °C und 550 °C wird der Polyvinylalkohol zersetzt. Die Zersetzung des Polymeren hängt von umgebender Atmosphäre, Temperatur, Druck, Molmasse, Kristallinität, Einwaage und Morphologie ab. Die Vielzahl der Parameter lässt darauf schließen, dass mehrere Zersetzungsmechanismen und Zersetzungsprodukte möglich sind. Die DSC-Kurve zeigt zwischen 240 °C und 350 °C einen ausgeprägten endothermen Peak, der einer ersten 7 Diskussion 93 Zersetzungsstufe zuzuordnen ist. Bei 280 °C ist eine Schulter zu erkennen. Dies deutet auf parallele und überlagerte Zersetzungsreaktionen hin. Ab 350 °C schließt sich ein wenig ausgeprägtes exothermes Ereignis bis etwa 415 °C an, ein weiteres endothermes Ereignis endet bei ca. 500 °C bis schließlich die DSC-Kurve in die Basislinie übergeht. In der DTG-Kurve beginnt der erste Zersetzungsschritt bei 225 °C und endet bei 375 °C. Es folgt der Übergang in die zweite Zersetzungsstufe, die bei 500 °C endet. Es fällt auf, dass die Peakmaximumtemperaturen von DSC- und DTG-Kurve nicht zusam- menfallen. Dieses Verhalten wird bei allen drei Einzelmessungen beobachtet, so dass der Bereich mit der maximalen Zersetzungsgeschwindigkeit nicht mit dem größten Wärmefluss gekoppelt ist. Auch dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass die Zersetzung von PVA in diesem Temperaturintervall durch mehr als nur eine Reaktion bestimmt wird. Mögliche Szenarien sollen im Folgenden erläutert werden. Es ist bekannt [13 - 20], dass Polyvinylalkohol ab 200 °C Wasser abspaltet und sich Polyene bilden. (Abbildung 2.3; Seite 11). Weitere bevorzugte Zersetzungsreaktionen sind die Ketten- spaltung mit Bildung von Aldehyden, die mit einem relativ großen Massenverlust verbunden ist (Abbildung 2.4; Seite 11) sowie die Diels-Alder Reaktion (Abbildung 2.5; Seite 11) und die intramolekulare Zyklisierung (Abbildung 2.6; Seite 12), die mit einem sehr geringen Massenverlust verbunden sind. Literaturdaten für die molaren Standardreaktionsenthalpien ( )iH0r∆ der Zersetzungsreak- tionen 1 ≤ i ≤ 4 existieren bisher nicht. Für die weitere Auswertung und Interpretation der Messergebnisse sollen diese daher mit der Inkrementenmethode nach Franklin [53] abgeschätzt werden. Bei Franklin’s Methode wird für organische Verbindungen im idealen Gaszustand die molare Standardbildungsenthalpie 0f H∆ bei 298 K mit Hilfe von Gruppenbeiträgen, so genannter „Inkremente“ ( 0IK H∆ ), bestimmt. Mit Hilfe des Kirchhoffschen Gesetzes lassen sich die molaren Standardbildungsenthalpien bei höheren Temperaturen berechnen. Die molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ ergibt sich aus der Summe der molaren Standard- bildungsenthalpien der Produkte abzüglich der Summe der molaren Standardbildungs- enthalpien der Edukte [ 0r H∆ = 0f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed)]. Für die Dehydratation des Polyvinylalkohols wird beispielhaft die molare Standardreaktions- enthalpie bei 327 °C (600 K) mit Hilfe der Inkrementenmethode berechnet. Für die weiteren Zersetzungsreaktionen befinden sich die entsprechenden Angaben im ANHANG IK. 7 Diskussion 94 Die so bestimmte molare Standardreaktionsenthalpie ist aufgrund der Methode, der Temperatur und des nicht idealen Gaszustandes nur eine Abschätzung. Die hierbei vernachlässigten Verdampfungs- und Kondensationsenthalpien der nicht gasförmigen Edukte bzw. Produkte werden sich nur zum Teil kompensieren. Vorzeichen und Größenordnung der ( )iH0r∆ -Werte sind jedoch im Rahmen einer qualitativen und halb- quantitativen Diskussion sicher aussagekräftig. Zersetzungsreaktion 1: Dehydratation des Polyvinylalkohols Das Edukt PVA besteht aus CH2-, CH- und OH-Gruppen. Nach der Abspaltung von einem Wassermolekül entsteht im PVA eine Doppelbindung. Die molare Standardbildungsenthalpie eines repräsentativen Segmentes des Eduktes setzt sich in diesem Beispiel aus drei CH2-, drei CH- und drei OH-Gruppen, die molare Standardbildungsenthalpie des Produkt-Segmentes aus zwei CH2-, zwei CH-, zwei OH-Gruppen und einer CH=CH-Gruppe zusammen. Mit Hilfe der einzelnen Gruppenbeiträge bei 327 °C und der molaren Standardbildungsenthalpie von Wasser [54] lässt sich die molare Standardreaktionsenthalpie berechnen. Tabelle 7.1: Gruppenbeiträge und molare Standardbildungsenthalpie von Wasser zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der Dehydratation von Polyvinylalkohol. „Inkremente“ -CH2- -CH- -OH -CH=CH- H2O 0 IK H∆ in kJ·mol.1 - 23,63 - 4,39 - 186,61 + 71,84 0 f H∆ in kJ·mol-1 - 244,75 molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 3 x -CH2- + 3 x -CH- + 3 x -OH 3⋅(-23,63) + 3⋅(-4,39) + 3⋅(-186,61) = - 643,89 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 2 x -CH2- + 2 x -CH- + 2 x -OH + 1 x -CH=CH- + 1 x H2O 2⋅(-23,63) + 2⋅(-4,39) + 2⋅(-186,61) + 1⋅(+71,84) + 1⋅(-244,75) = - 602,17 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = - 602,17 kJ·mol-1 – (- 643,89 kJ·mol-1) = + 41,72 kJ·mol-1 OH OH OH Dehydratation - H2O OH OH 7 Diskussion 95 Tabelle 7.2 zeigt die nach der Inkrementenmethode ermittelte molare Standardreaktions- enthalpie 0r H∆ sowie die Enthalpieänderung pro Gramm Massenverlust 0r H∆ /∆m bei einer Zersetzung durch diese Reaktion für die Zersetzungsreaktionen Dehydratation, Ketten- spaltung, Diels-Alder Reaktion mit Aromatisierung und intramolekulare Zyklisierung mit Aromatisierung sowie die Bildung von Acetaldehyd und Crotonaldehyd aus Vinylalkohol und Essigsäure aus Acetat (1 % Acetatgruppen im PVA). Auf die Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ für die seltener auftretenden Zersetzungsreaktionen wird verzichtet, da diese Reaktionen in der Literatur nur als Nebenreaktionen auftreten. Dabei muss beachtet werden, dass für die Bildung von Crotonaldehyd eine Dehydratation des Polyvinylalkohols vorausgegangen sein muss. Für die Diels-Alder Reaktion und die intra- molekulare Zyklisierung sind drei Dehydratisierungen nötig. Tabelle 7.2: Molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ und die Enthalpieänderung pro Gramm Massenverlust 0r H∆ /∆m. 0 r H∆ in kJ·mol-1 0r H∆ /∆m in kJ·g-1 ZR 1 Dehydratation + 41,72 + 2,32 ZR 2 Kettenspaltung + 47,34 + 0,42 ZR 3 Diels-Alder + Aromat. - 120,70 - 30,18 ZR 4 intram. Zyklisierung + Arom. - 133,10 - 66,55 Acetaldehyd aus Vinylalkohol + 23,67 + 0,54 Crotonaldehyd aus Vinylalkohol + 65,39 + 0,74 Essigsäure aus Acetat + 44,63 + 0,74 (Hinweis: Der Massenverlust pro Formelumsatz beträgt bei der Dehydratation 18 g·mol-1 (Wasser); bei der Kettenspaltung 114 g·mol-1 (Acetaldehyd und Crotonaldehyd); bei der Diels-Alder Reaktion mit Aromatisierung 4 g·mol-1 (Wasserstoff); bei der intramolekularen Zyklisierung 2 g·mol-1 (Wasserstoff); beim Acetaldehyd 44 g·mol-1; beim Crotonaldehyd 88 g·mol-1 (Crotonaldehyd und Wasser) und bei der Essigsäure 60 g·mol-1. 7 Diskussion 96 Eine bestmögliche Anpassung zwischen der experimentell ermittelten Änderung der molaren Enthalpie 2H∆ und der auf der Inkrementenmethode basierten molaren Standardreaktions- enthalpie 02r H∆ im zweiten Temperaturintervall kann nur unter Berücksichtigung des Massenverlustes ∆m2 erfolgen, da alle vier Zersetzungsreaktionen mit einem Massenverlust verbunden sind. Die TG-Messung liefert für PVA einen Massenverlust bezogen auf 79.128 g·mol-1 von (70,5 ± 2,0) % in der ersten Zersetzungsstufe zwischen 225 - 375 °C. Die Änderung der molaren Enthalpie 2H∆ beträgt (46700 ± 3700) kJ⋅mol-1. Der hier eingesetzte Polyvinyl- alkohol mit einer mittleren Molmasse von 72.000 g⋅mol-1 (ohne adsorbiertem Wasser) besitzt 1620 OH-Gruppen. Beim Versuch, die Änderung der molaren Enthalpie und den Massenverlust der PVA-Proben mit Hilfe der bevorzugten Zersetzungsreaktionen zu modellieren, zeigt sich, dass in diesem Temperaturintervall die pericyclischen Reaktionen noch keine nennenswerte Rolle spielen, da diese das Vorhandensein großer Mengen geeignet angeordneter Doppelbindungen voraussetzt. Beschränkt man sich auf die Abspaltung von Wasser, Acetaldehyd und Crotonaldehyd aus den Vinylalkoholeinheiten, so ergibt sich eine erhebliche Variationsbreite zwischen diesen Reaktionen. Abbildung 7.3 zeigt, wie viel Mol Wasser, Acetaldehyd und Crotonaldehyd pro Mol PVA bei einem vorgegebenen Verhältnis von Crotonaldehyd zu Acetaldehyd entstehen müssen, um sowohl den beobachteten Massenverlust als auch die beobachtete Änderung der molaren Enthalpie erklären zu können. Dabei wurde berücksichtigt, dass mindestens der Bruchteil 1/e2 aller OH-Gruppen aus statistischen Gründen nicht durch Polyen-Bildung unter den hier vorliegenden Bedingungen abgespalten werden kann. Die verbleibenden Fragmente der PVA-Moleküle müssen hinreichend langkettig sein, damit sie bei Temperaturen bis 375 °C nicht verdampfen. Dieses Argument spricht dafür, dass die Acetaldehydabspaltung bevorzugt von den Kettenenden her erfolgt, so dass hier die Statistik nicht anzuwenden ist. 7 Diskussion 97 Anzahl der gasförmigen Produkte durch Dehydratation und Kettenspaltung im zweiten Temperaturintervall bei der Zersetzung von Polyvinylalkohol bei einem vorgegebenen Anzahlverhältnis von Crotonaldehyd zu Acetaldehyd Crotonaldehyd Wasser Acetaldehyd 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1 Anzahlverhältnis Crotonaldehyd / Acetaldehyd Er fo rd er lic he A n za hl an R ea kt io n en Abbildung 7.3: Anzahl der gasförmigen Produkte durch Dehydratation und Kettenspaltung im zweiten Temperaturintervall bei der Zersetzung von Polyvinylalkohol bei einem vorge- gebenen Anzahlverhältnis von Crotonaldehyd zu Acetaldehyd. Bei den aus der Literatur [16, 20, 22] bekannten Untersuchungen der thermischen Zersetzung von Polyvinylalkohol werden die PVA-Proben im Vakuum sehr schnell auf die gewünschte Zersetzungstemperatur (240 °C bzw. 450 °C) aufgeheizt. Die entstehenden Zersetzungs- produkte werden gaschromatografisch identifiziert. Dabei erhält man als Hauptprodukte vorwiegend Wasser, Acetaldehyd, Crotonaldehyd und Essigsäure. Leider wurde bei diesen Untersuchungen die Zersetzungstemperatur nicht variiert, so dass ein Vergleich mit den hier durchgeführten Messungen infolge der unterschiedlichen Temperaturabhängigkeit der Zersetzungsreaktionen kaum möglich ist. In Tabelle 7.3 wird die bestmögliche Anpassung zwischen ermittelter molarer Enthalpie 2H∆ und der molaren Standardreaktionsenthalpie 02r H∆ unter Berücksichtigung des Massen- verlustes ∆m2 ohne die pericyclischen Reaktionen und mit Berücksichtigung der Acetat- abspaltung zu Essigsäure bei einem Anzahlverhältnis von 1 zwischen Crotonaldehyd und Acetaldehyd aufgeführt. 7 Diskussion 98 Tabelle 7.3: Anpassung zwischen 2H∆ und 0 2r H∆ unter Berücksichtigung der Zersetzungs- reaktionen 1 - 2 und des Massenverlustes ∆m2 für PVA. PVA Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 678 15,4 + 28.286 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 374 16 53,9 1,2 + 17.705 + 714 SUMME 70,5 + 46.705 ∆m2 in % 2H∆ in kJ·mol-1 Experimentelles Ergebnis 70,5 + 46.700 Eine mögliche Erklärung der Verschiebung der DSC- und DTG-Kurve gegeneinander in Abbildung 7.2 ergibt sich dadurch, dass die Beiträge der Wasser-, Acetaldehyd- und Crotonaldehydabspaltung zum Massenverlust und zur Enthalpieänderung der Probe sehr unterschiedlich sind und so ein Zusammenfallen der Peaks in der DSC- und DTG-Kurve nicht zu erwarten ist. Im dritten Temperaturbereich schließt sich dann ein weiterer Massenverlust von 13,9 % an; es verbleibt ein nicht flüchtiger Rest von 6,6 %. Zwischen 350 °C und 415 °C zeigt die DSC- Kurve ein exothermes Ereignis mit einer Änderung der molaren Enthalpie von (– 2600 ± 250) kJ·mol-1. Während des exothermen Ereignisses geht nur wenig Masse verloren (siehe DTG- Kurve in diesem Temperaturabschnitt). Eine denkbare Erklärung für das exotherme Ereignis ist, dass die nach der ersten Zersetzungsstufe verbleibenden Polyene eine Diels-Alder Reaktion und/oder eine intramolekulare Zyklisierung mit anschließender Aromatisierung eingehen, da beide Reaktionen exotherm und mit einem geringen Massenverlust verbunden sind. Bei weiterer Temperaturerhöhung über 415 °C kommt es zur Pyrolyse. Aus der Literatur ist bekannt [13, 14, 16, 20, 22] (siehe Kapitel 2.2; Seite 12), dass bei diesen Temperaturen vorwiegend Zersetzungsprodukte wie Alkane, Alkene, Aromaten, Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid und weitere organische Verbindungen als Gase ent- weichen. Eine genaue Charakterisierung der einzelnen Zersetzungsschritte ist mit Hilfe der thermischen Daten nicht möglich. Der verbleibende Rest besteht laut Thomas et al. [14] und Vasile et al. [22] aus Crackprodukten mit hohem Kohlenstoffanteil. 7 Diskussion 99 Ein Vergleich der thermogravimetrischen Daten mit der Literatur [14, 22, 26, 55] zeigt, dass die beobachteten TG (DTG)-Kurven von Polyvinylalkohol im Wesentlichen den gleichen Kurvenverlauf wie die in Abbildung 7.2 normierte DTG-Kurve haben. Eine genaue Betrachtung der Zersetzungsschritte unter ähnlichen Bedingungen wie in dieser Arbeit liefert nur Thomas et al. [14] (Seite 12). Bei einer Einwaage von 10 mg und einer mittleren Molmasse von 24000 g·mol-1 ist der Anteil an physikalisch gebundenem Wasser um 3 % niedriger, aufgrund der kleinen Heizrate von 1 °C/min ist kein Schmelzpunkt zu er- kennen, das Polymer zersetzt sich bereits bei 247 °C mit einem um 14,6 % geringeren Massenverlust als in dieser Arbeit. Die zweite Zersetzungsstufe hat ihr Maximum bei 396 °C, der Massenverlust liegt im dritten Temperaturabschnitt um 10,6 % höher. Die Restmasse ist doppelt so groß. Bereits die Variation von Heizrate und Molmasse bewirkt Verschiebungen bei Peakmaxi- mumtemperaturen und Massenverlusten, doch stimmen die in dieser Arbeit experimentell ermittelten thermogravimetrischen Daten relativ gut mit den Messungen von Thomas et al. überein. Die thermoanalytischen Daten und die bestmögliche Anpassungsrechnung lassen den Schluss zu, dass bei einem kontinuierlichen, schnellen Aufheizprozess Polyvinylalkohol zunächst von physikalisch gebundenem Wasser befreit wird. Ab 200 °C erkennt man einen Schmelzbereich von PVA, ab 230 °C spaltet es durch Dehydratation und Kettenspaltung vorwiegend Wasser, Crotonaldehyd und Acetaldehyd ab und wird zu einem Polyen. Ab 350 °C wird das Polyen in verschiedene gasförmige Produkte pyrolysiert wobei es um 400 °C vereinzelt zu pericyclischen Reaktionen kommen kann, denn in diesem Temperaturbereich ist ein exothermes Ereignis zu beobachten. Die Restmasse wird im Wesentlichen aus Crack- produkten mit hohem Kohlenstoffanteil bestehen. Die Gesamtänderung der molaren Enthalpie beträgt (64050 ± 6950) kJ·mol-1, wobei es eine exotherme Änderung der molaren Enthalpie 3H∆ im Temperaturbereich zwischen 350 °C und 415 °C von (- 2600 ± 250) kJ·mol-1 gibt. Durch das dynamische Verfahren der DSC und die hohen Heizraten sind exakte Temperatur- bereiche nicht abzugrenzen. Die Gesamtänderung der molaren Enthalpie ist mit einer Unsicherheit von etwa 10 % behaftet. Gut reproduzierbar sind die Messdaten der TG-Kurve. Insgesamt zeigt aber das thermoanalytische Diagramm die wichtigsten Reaktionsschritte des Polyvinylalkohols bei seiner Zersetzung im untersuchten Temperaturintervall und die energetischen Verhältnisse des PVA, die für die weitere Diskussion der „Komplexe“ wichtig sind. 7 Diskussion 100 7.3 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe“ Im Folgenden wird die thermische Zersetzung der „Komplexe (F)“, die nach der „feuchten Präparationsmethode“ hergestellt werden, diskutiert. Im Anschluss erfolgt der Vergleich mit den „Komplexen (T)“ der „trockenen Präparationsmethode“. Die „Komplexe“ F1000 und F2000 werden separat aufgeführt, da sich ihre thermoanalytischen Diagramme von denen der anderen „Komplexe“ deutlich unterscheiden. Die thermoanalytischen Diagramme werden wie beim PVA in drei Temperaturbereiche (30 - ca. 275 °C; ca. 275 - 375 °C; 375 - 550 °C) unterteilt. Das thermoanalytische Diagramm des Polyvinylalkohols ist in den Abbildungen 7.6 (Komplexe „F“) und 7.7 (Komplexe „T“) vorangestellt, um die Veränderungen durch die sukzessive Zunahme der Borsäure im „Komplex“ deutlich zu machen. Ein Vergleich mit dem thermoanalytischen Diagramm der reinen Borsäure erfolgt mit Hilfe der Abbildung 7.1 (Seite 89), da sich die molaren Wärmeflüsse und der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge stark von PVA und den „Komplexen“ unterscheiden. Die Abbildungen 7.4 und 7.5 zeigen die Enthalpieänderungen pro Massenverlust im zweiten und dritten Temperaturbereich 2H ~∆ und 3H ~∆ mit steigendem Borsäuregehalt. Enthalpieänderung pro Massenverlust im zweiten Temperaturbereich T2000 T1000 T750T500 T250 T100T10 PVA F2000F1000 F10 F100 F250 F500 F750 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 0 250 500 750 1000 1250 1500 1750 2000 Mol Borsäure / Mol PVA En th a lp ie än de ru n g pr o M a s s e n v e rlu s t i n kJ /g Abbildung 7.4: Enthalpieänderung pro Massenverlust im zweiten Temperaturbereich. 7 Diskussion 101 In Abbildung 7.4 ist ein deutlicher Sprung von PVA zu F10 bzw. T10 bei der Enthalpie- änderung pro Massenverlust 2H ~∆ im zweiten Temperaturbereich zu erkennen. Insgesamt nimmt bei den „F-Komplexen“ 2H ~∆ mit höherem Borsäuregehalt deutlich ab. Eine Ausnahme bildet hier der „Komplex“ F500. Bei den „T-Komplexen“ sind die Enthalpie- änderungen pro Massenverlust bis zu einem Molverhältnis von 1 Mol PVA zu 250 Mol Borsäure annähernd gleich den Werten der „F-Komplexe“; ab T500 erkennt man ein relativ konstantes Niveau um + 0,4 kJ·g-1. Enthalpieänderung pro Massenverlust im dritten Temperaturbereich T2000 T1000 T750 T500 T250 T100 PVA T10 F2000 F1000 F750 F500 F250 F100 F10 -0,35 -0,3 -0,25 -0,2 -0,15 -0,1 -0,05 0 0 250 500 750 1000 1250 1500 1750 2000 Mol Borsäure / Mol PVA En th a lp ie än de ru n g pr o M s s s e n v e rlu s t i n kJ /g Abbildung 7.5: Enthalpieänderung pro Massenverlust im dritten Temperaturbereich. Die Enthalpieänderung pro Massenverlust im dritten Temperaturbereich nimmt dem Betrage nach kontinuierlich von T10 (ca. - 0,25 kJ·g-1) zu T2000 (ca. - 0,12 kJ·g-1) ab. Die „F-Komplexe“ liegen in der Regel mit ihren Enthalpieänderungen pro Massenverlust dem Betrage nach bei höheren Werten. Der Polyvinylalkohol liegt im Gegensatz zum zweiten Temperaturintervall nahe bei den „Komplexen“ T10 bzw. F10 (Abweichung: ca. 0,05 kJ·g-1). 7.3.1 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe“ F10 - F750 Abbildung 7.6 zeigt die thermoanalytischen Diagramme von Polyvinylalkohol und den „Komplexen (F)“ (Hinweis: Beachten Sie den Wechsel der Skalierung von F100 zu F250). 7 Diskussion 102 Thermoanalytisches Diagramm von Polyvinylalkohol ∆mH1 : 30-190 °C = 16100 kJ/mol ∆mHm : 190-240 °C = 3850 kJ/mol ∆mH2 : 240-350 °C = 46700 kJ/mol ∆mH3 : 350-415 °C = - 2600 kJ/mol DSC-Kurve431 138 220 301 DTG-Kurve 126 283 423 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-225 °C = 9,0 % 225-375 °C = 70,5 % 375-550 ° C = 13,9 % Rest : 6,6 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" F10 ∆mH1 : 30-180 °C = 5200 kJ/mol ∆mHm : 180-245 °C = 3400 kJ/mol ∆mH2 : 245-370 °C = 28200 kJ/mol ∆mH3 : 370-430 °C = - 5300 kJ/mol DSC-Kurve 386 334 217 447 DTG-Kurve431 327 181 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-225 °C = 3,1 % 225-375 °C = 64,3 % 375-550 ° C = 24,0 % Rest : 8,6 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" F100 ∆mH1 : 30-275 °C = 26750 kJ/mol ∆mH2 : 275-375 °C = 20150 kJ/mol ∆mH3 : 375-430 °C = - 6700 kJ/mol DSC-Kurve 416 198 339 394 180 352 413 DTG-Kurve -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-280 °C = 13,7 % 280-390 °C = 45,8 % 390-550 °C = 33,5 % Rest : 7,0 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l 7 Diskussion 103 Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" F250 ∆mH1 : 30-295 °C = 32800 kJ/mol ∆mH2 : 295-365 °C = 9000 kJ/mol ∆mH3 : 365-425 °C = - 10650 kJ/mol 393 332176 411 DSC-Kurve 336 406 194 DTG-Kurve -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-275 °C = 15,6 % 275-380 °C = 29,6 % 380-550 °C = 43,2 % Rest : 11,6 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -640 -600 -560 -520 -480 -440 -400 -360 -320 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" F500 ∆mH1 : 30-270 °C = 28450 kJ/mol ∆mH2: 270-375 °C = 9100 kJ/mol ∆mH3 : 375-425 °C = - 9100 kJ/mol DSC-Kurve 407 348106 411 DTG-Kurve 413 362 136 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-275 °C = 12,9 % 275-385 °C = 22,2 % 385-550 °C = 50,2 % Rest : 14,7 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -640 -600 -560 -520 -480 -440 -400 -360 -320 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" F750 ∆mH1 : 30-295 °C = 29650 kJ/mol ∆mH2 : 295-375 °C = 1550 kJ/mol ∆mH3 : 375-425 °C = - 9100 kJ/mol DSC-Kurve 411 132 348 403 DTG-Kurve141 373 419 406 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-300 °C = 12,7 % 300-390 °C = 11,7 % 390-550 °C = 55,9 % Rest : 19,7 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -640 -600 -560 -520 -480 -440 -400 -360 -320 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Abbildung 7.6: Thermoanalytische Diagramme von PVA und den „Komplexen (F)“. 7 Diskussion 104 Wie beim PVA deuten der breite endotherme Peak und die kleinen molaren Wärmeflüsse im ersten Temperaturintervall auf die Desorption des physikalisch gebundenen Wassers hin. Dieser Prozess wird durch die Desorptionskinetik und den Stofftransport des adsorbierten Wassers an die Oberfläche bestimmt. Die große Schwankungsbreite der Peakmaximum- temperaturen gibt einen Hinweis auf die unterschiedliche Beschaffenheit der Proben. Der „Komplex“ F250 besitzt offenbar die größte Affinität zu Wasser; insgesamt ist die Adsorptionsfähigkeit der „Komplexe“ ab einem Molverhältnis von 1:100 trotz intensiver Trocknung sehr gut, so dass durch die Desorption eine relativ große Änderung der molaren Enthalpie 1H∆ auftritt. Die steiler werdende Peakform ab 190 °C bei F10 und F100 ist ein Hinweis auf einen Schmelzpeak. Bei den anderen „Komplexen“ ist dieser Schmelzpeak nicht feststellbar. Die Peakmaximumtemperatur und die molare Schmelzenthalpie mH∆ sind bei F10 im Rahmen der Messgenauigkeit vergleichbar mit PVA. Der sehr geringe Anteil an „Monodiol-Komplexen“ im „Komplex“ F10 zeigt in der DSC-Kurve noch keine großen Veränderungen im Schmelzverhalten des Polymeren. Bei F100 verschiebt sich die Peakmaximumtemperatur zu niedrigeren Temperaturen und eine molare Schmelzenthalpie mH∆ ist hier nicht mehr sinnvoll ermittelbar. Ab dem „Komplex“ F250, der keinen erkennbaren Schmelzpeak hat, erkennt man deutlicher den Einfluss der „Monodiol-Komplexe“ auf das Schmelzverhalten des Polymeren. Zwischen ca. 275 °C und 375 °C zeigen die DSC-Kurven einen breiten endothermen Peak. Die Peakmaxima der DSC-Kurven und der DTG-Kurven klaffen im Gegensatz zu PVA nicht mehr so weit auseinander. Die asymmetrische Peakform in der DTG-Kurve - anders als beim Polyvinylalkohol - deutet auf konkurrierende Reaktionen hin. Der Massenverlust ∆m2 nimmt mit zunehmendem Borsäureanteil stark ab. 2H∆ nimmt stufenweise ab. Dabei sinkt 2H∆ auf die Hälfte von F100 zu F250 und weiter auf ein Fünftel von F500 zu F750. Im Vergleich mit dem Polyvinylalkohol ist bereits beim „Komplex“ F10 die Änderung der molaren Enthalpie 2H∆ und der molare Wärmefluss am Peakmaximum um die Hälfte geringer. Die Peakmaximumtemperatur hat sich um 33 °C in der DSC-Kurve und um 44 °C in der DTG-Kurve zu höherer Temperatur verschoben. Die Änderung der Enthalpie pro Massen- verlust 2H ~∆ ist bei F10 deutlich kleiner als bei PVA; der Massenverlust pro Zeit und 7 Diskussion 105 Stoffmenge am Peakmaximum nimmt ebenfalls stark ab. Nur der über das gesamte zweite Temperaturintervall integrierte Massenverlust zeigt mit einer Abnahme von 70,5 % (PVA) auf 64,3 % (F10) keine so deutliche Veränderung wie die anderen Messgrößen. Diese Veränderungen bei F10 deuten auf eine andere Zersetzungskinetik gegenüber PVA hin. Die veränderten Messkurven geben einen Hinweis auf die Stabilität der „Monodiol- Komplexe“ in diesem Temperaturabschnitt. Offensichtlich beeinflusst bereits ein sehr geringer Anteil an Borsäure das thermische Verhalten des „Komplexes“ relativ stark in dem Sinne, dass sowohl das Einsetzen als auch das Maximum des Massenverlustes deutlich zu höheren Temperaturen verschoben wird. Gleiches gilt für das thermische Ereignis in der DSC-Kurve. Bei einer Zersetzung der „Monodiol-Komplexe“ in zweiten Temperaturabschnitt würde man nur graduelle Veränderungen in den thermoanalytischen Diagrammen gegenüber dem Polyvinylalkohol erwarten. Im Polyvinylalkohol wird durch einen Vergleich zwischen der experimentell bestimmten Änderung der molaren Enthalpie H∆ 2 und der molaren Standardreaktionsenthalpie 02r H∆ der Zersetzungsreaktionen 1 - 4 unter Berücksichtigung des Massenverlustes ∆m2 versucht, die möglichen Reaktionen der ersten Zersetzungsstufe zu deuten. Die bestmögliche Anpas- sung ermittelt beim PVA bevorzugt die Dehydratation zum Polyen und die Kettenspaltung zu Aldehyden. Die Diels-Alder Reaktion und die intramolekulare Zyklisierung finden nach dieser Modellierung im zweiten Temperaturintervall nicht oder nur vereinzelt statt. Unter der Annahme, das es bei den „Komplexen“ zu denselben bevorzugten vier Zersetzungs- reaktionen kommt und das die „Monodiol-Komplexe“ bis ca. 375 °C stabil sind und somit sich in diesem Temperaturabschnitt nicht zersetzen, wird die gleiche Anpassung wie beim PVA vorgenommen. Dabei können weniger Hydroxylgruppen abgespalten werden, da diese durch die Reaktion mit Borsäure blockiert sind. Tabelle 7.4 zeigt die bestmögliche Anpassung zwischen der aus den DSC- Kurven ermittelten Änderung der molaren Enthalpie H∆ 2 und der molaren Standardreaktionsenthalpie 02r H∆ unter Berücksichtigung des Massenverlustes ∆m2. 7 Diskussion 106 Die Tabelle 7.4 zeigt nur die bestmögliche Anpassung. Diels-Alder Reaktion und intra- molekulare Zyklisierung folgen ähnlichen Mechanismen (pericyclische Reaktionen). Ihre nach der Inkrementenmethode abgeschätzte molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ unterscheidet sich nur geringfügig, so dass beide Reaktionen nebeneinander möglich sind. Beim PVA hat sich weiter gezeigt, dass man das Anzahlverhältnis zwischen Acetaldehyd und Crotonaldehyd stark variieren kann um zu den experimentell ermittelten Werten zu gelangen. Durch die Hinzunahme der pericyclischen Reaktionen wird dieses Anzahlverhältnis zwar eingeschränkt, lässt sich aber immer noch variieren, so dass die Anpassung qualitative und günstigstenfalls halbquantitative Tendenzen im Abbaumechanismus aufzeigen soll, da eine experimentelle Analyse der Zersetzungsprodukte nicht vorliegt. Tabelle 7.4: Anpassung zwischen H∆ 2 und 02r H∆ unter Berücksichtigung der Zersetzungs- reaktionen 1 - 4 und ∆m2 für die „Komplexe (F)“. F10 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 830 20,1 + 34.628 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 275 16 42,0 1,3 + 13.019 + 714 Diels-Alder 167 0,9 - 20.157 SUMME 64,3 + 28.204 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 64,3 + 28.200 F100 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 822 17,1 + 34.294 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 202 16 26,7 1,1 + 9.563 + 714 Diels-Alder 202 0,9 - 24.381 SUMME 45,8 + 20.190 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 45,8 + 20.150 7 Diskussion 107 F250 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 745 14,4 + 31.081 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 112 16 13,7 1,0 + 5.302 + 714 intramolekulare Zyklisierung 211 0,5 - 28.084 SUMME 29,6 + 9.013 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 29,6 + 9.000 F500 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 335 6,2 + 13.976 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 101 16 11,9 1,0 + 4.781 + 714 intramolekulare Zyklisierung 78 0,2 - 10.382 SUMME 19,3 + 9.089 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 22,2 + 9.100 F750 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 155 2,7 + 6.467 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 17 16 1,9 0,9 + 805 + 714 intramolekulare Zyklisierung 46 0,1 - 6.123 SUMME 5,6 + 1.863 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 11,7 + 1.550 7 Diskussion 108 Unter den gemachten Annahmen gelingt bei den Komplexen F10, F100 und F250 eine genaue Anpassung des Massenverlustes ∆m2 und der Änderung der molaren Enthalpie H∆ 2. Für F500 und F750 ist eine konsistente Anpassung für beide Messgrößen nicht mehr möglich. Bei optimaler Anpassung der Änderung der molaren Enthalpie H∆ 2 ergibt sich ein zu geringer Massenverlust. Die jeweils bestmögliche Anpassung zeigt von F10 zu F750 eine Abnahme der Dehydratation und insbesondere der Kettenspaltung. Dies ist zu erwarten, denn mit steigendem Borsäuregehalt nimmt die Anzahl an freien Hydroxylgruppen im „Komplex“ ab. Im Gegensatz zum Polyvinylalkohol ermittelt die Anpassung eine relativ große Anzahl an Diels- Alder Reaktionen bzw. intramolekularen Zyklisierungen. Setzt man die Reaktions- mechanismen ins Verhältnis ergibt sich ein relativ konstantes Anzahlverhältnis von ca. 0,25 der pericyclischen Reaktionen gegenüber der Dehydratation. Das Anzahlverhältnis von Kettenspaltungen gegenüber Diels-Alder-Reaktionen bzw. intramolekularen Zyklisierungen und der Dehydratation nimmt dagegen von F10 zu F750 ab. Eine Ausnahme bildet der „Komplex“ F500 - dieser fällt auch in Abbildung 7.4 (Seite 100) aus dem allgemeinen Trend heraus - dort wäre nach der vorgenommenen bestmöglichen Anpassung wieder eine vermehrte Abspaltung von Aldehyden zu erwarten. Eine mögliche Erklärung für den Anstieg der pericyclischen Reaktionen gegenüber den Kettenspaltungen kann die Ausübung eines induktiven Effektes durch die „Monodiol- Komplexe“ sein. In der Nähe der „Monodiol-Komplexe“ kommt es zu Dienophilen, die leicht mit konjugierten Dienen reagieren. Das Boratom im „Monodiol-Komplex“ mit seiner freien Koordinationsstelle dient als Lewis-Säure und kann somit die pericyclische Reaktion katalysieren. Durch den Anstieg der Anzahl der „Monodiol-Komplexe“ im einzelnen Polymermolekül wird auch die Aldehydabspaltung, die - wie schon beim PVA erwähnt - vermutlich von den Kettenenden startet, blockiert. Die Modellierung der Zersetzung der „Komplexe“ deutet schon beim „Komplex“ F10 auf eine starke Verschiebung der Gewichte der Hauptzersetzungsreaktionen gegenüber PVA hin. Insgesamt scheint die Bedeutung der Dehydratationsreaktion unter Bildung von Polyenen mit wachsendem Borsäuregehalt gegenüber der Abspaltung von Aldehyden zuzunehmen. Dabei verschiebt sich die Temperatur für das Maximum des Massenverlustes stärker zu höheren 7 Diskussion 109 Temperaturen als die Peakmaximumtemperatur in der DSC-Kurve, so dass schließlich ab dem „Komplex“ F500 die DTG-Kurve signifikant oberhalb der DSC-Kurve liegt. Dies ist ein weiterer Hinweis für den Anstieg der pericyclischen Reaktionen gegenüber den Kettenspaltungen mit höherem Borsäuregehalt. Der Übergang vom zweiten in den dritten Temperaturbereich (ca. 375 - 550 °C) ist fließend. Dem endothermen Ereignis im zweiten Temperaturintervall schließt sich direkt ein exothermes Ereignis im dritten Temperaturabschnitt an. Dabei verändert sich der exotherme Peak von F10 zu F100. Der Peak wird spitzer und hat bei F100 bereits zwei Maxima aufzuweisen. Bei den weiteren „Komplexen“ bildet sich dann das zweite Maximum stärker gegenüber dem ersten Maximum aus. Der molare Wärmefluss am Maximum nimmt von F10 zu F750 stark zu. Die größte molare exotherme Enthalpieänderung 3H∆ besitzt F250 mit - 10650 kJ⋅mol-1. Ab ca. 425 °C gibt es ein weiteres endothermes Ereignis. In der DTG-Kurve liegt die Peakmaximumtemperatur in einem Bereich um 410 °C (Ausnahme: F10 = 431 °C); der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge steigert sich auf fast das 10-fache von F10 zu F750; der integrierte Massenverlust über das gesamte Temperatur- intervall ∆m3 nimmt jedoch kontinuierlich ab. Die Enthalpieänderung pro Massenverlust 3H~∆ nimmt dem Betrage nach von F10 nach F750 ab. Die Interpretation in diesem Temperaturabschnitt erweist sich als sehr schwierig. Beim PVA kann der exotherme Peak durch vereinzelte Diels-Alder Reaktionen bzw. intramolekulare Zyklisierungen gedeutet werden. Danach folgt die Pyrolyse zu einer Vielzahl an Verbin- dungen. Dabei können einzelne Reaktionen exotherm, andere wieder endotherm verlaufen. Bei F10 ermittelt die Anpassungsrechnung bereits 167 Diels-Alder Reaktionen. Durch die hohe Anzahl an Dehydratationen (830) sind theoretisch nach der ersten Zersetzungsstufe noch genügend konjugierte Doppelbindungen vorhanden, so dass weitere pericyclische Reaktionen erfolgen können, die den exothermen Verlauf in der DSC-Kurve erklären. Der „Komplex“ F100 besitzt dagegen bereits nach der Modellierung der ersten Zersetzungsstufe viel zu wenig konjugierte Doppelbindungen. Der exotherme Peak lässt sich somit nicht mehr alleine durch Diels-Alder Reaktionen bzw. intramolekulare Zyklisierungen erklären. 7 Diskussion 110 Im dritten Temperaturabschnitt führt die sukzessive Erhöhung der „Monodiol-Komplexe“ zu Zersetzungsreaktionen, die insgesamt ein exothermes Ereignis in der DSC-Kurve zeigen, mit einem großen Massenverlust verbunden sind (DTG-Kurven) und dessen Reaktions- geschwindigkeit sehr stark ansteigt, denn der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge wächst enorm an. Der Restmassenanteil nimmt von F10 zu F750 zu. Die Zusammensetzung der Restmasse sollte im Wesentlichen aus Bortrioxid und Verbindungen mit hohem Kohlenstoffanteil bestehen. Der Vergleich zwischen erwarteter und beobachteter Restmasse (Tabelle 4.18; Seite 50) zeigt, dass bis zum „Komplex“ F250 die aus der Borsäure und PVA gebildeten „Monodiol- Komplexe“ vollständig zu Bortrioxid reagieren können. Der weitere Anteil (im Wesentlichen Crackprodukte mit hohem Kohlenstoffanteil) liegt bei F10 mit 8,1 % etwas höher als beim PVA (6,6 %), bei F100 und F250 mit 2,9 % bzw. 3,2 % etwas niedriger. Die „Komplexe“ mit hohem Borsäuregehalt haben dagegen eine Restmasse, die etwas kleiner als der erwartete Anteil ist. Grund hierfür kann eine unvollständige Komplexierung zu „Monodiol-Komplexen“ sein. Damit verbunden wird dann weniger Bortrioxid entstehen und die erwartete Restmasse nimmt ab. DSC- und DTG-Kurven der „Komplexe (F)“ kann man in drei Temperaturabschnitte einteilen. Im ersten Temperaturintervall wird das bei der Herstellung physikalisch gebundene Wasser desorbiert. Die „Komplexe“ F10 und F100 zeigen zusätzlich einen Schmelzpeak, der bei den anderen „Komplexen“ nicht feststellbar ist. Im zweiten Temperaturbereich erfolgt die erste Zersetzungsstufe der „Komplexe (F)“. Mit Hilfe der aus der Literatur bekannten bevorzugten Zersetzungsreaktionen des Polyvinylalkohols sind für die experimentell ermittelte molare Enthalpie H∆ 2 aus der DSC-Kurve unter Berücksichtigung des Massen- verlustes ∆m2 Anpassungsrechnungen der nach der Inkrementenmethode bestimmten Stan- dardreaktionsenthalpie 0r H∆ dieser Zersetzungsreaktionen durchgeführt worden. Diese Ergebnisse zeigen im Gegensatz zu PVA bereits beim „Komplex“ F10 einen relativ hohen Anteil an pericyclischen Reaktionen. Bereits kleine Borsäurekonzentrationen beeinflussen sehr stark die Zersetzungsmechanismen. Mit Zunahme der „Monodiol-Komplexe“ wächst die Anzahl an Diels-Alder Reaktionen bzw. intramolekularen Zyklisierungen gegenüber den Kettenspaltungen an. Mögliche Erklärung ist der ausgeübte induktive Effekt und die Lewis- Acidität der „Monodiol-Komplexe“ und die gleichzeitige Blockierung des Fortganges der 7 Diskussion 111 Kettenspaltungen. Im dritten Temperaturabschnitt werden die „Monodiol-Komplexe“ und das noch vorhandene Kettengerüst zersetzt. Diese Zersetzung führt insgesamt zu einem exo- thermen Ereignis. Dabei nimmt der Massenverlust und damit der Anteil gasförmiger Produkte in diesem Temperaturbereich mit wachsendem Borsäuregehalt zu (siehe Tabelle 4.17; Seite 49). Die Reaktionsgeschwindigkeit der Zersetzungen wächst stark an. Ab ca. 425 °C schließt sich ein weiteres endothermes Ereignis an. Die Restmasse sollte im Wesentlichen aus Bortrioxid und Verbindungen mit hohem Kohlenstoffanteil bestehen. Der Vergleich zwischen erwarteter und beobachteter Restmasse liefert bis F250 ein vernünftiges Ergebnis, ab F500 weicht die praktische Restmasse von der erwarteten Restmasse ab. Grund hierfür kann eine unvollständige „Komplexierung“ bei der Herstellung sein. 7 Diskussion 112 7.3.2 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe (T)“ In diesem Kapitel erfolgt ein Vergleich zwischen den thermoanalytischen Diagrammen der „Komplexe (T)“ und der „Komplexe (F)“. Dabei werden im Wesentlichen die Unterschiede in den drei Temperaturbereichen herausgestellt. Die Abbildung 7.7 zeigt die thermoanalytischen Diagramme von PVA und den „Komplexen (T)“. (Hinweis: Beachten Sie den Wechsel der Skalierung für den Übergang von T100 auf T250; T500 auf T750 und T1000 auf T2000!) Thermoanalytisches Diagramm von Polyvinylalkohol ∆mH1 : 30-190 °C = 16100 kJ/mol ∆mHm : 190-240 °C = 3850 kJ/mol ∆mH2 : 240-350 °C = 46700 kJ/mol ∆mH3 : 350-415 °C = - 2600 kJ/mol DSC-Kurve431 138 220 301 DTG-Kurve 126 283 423 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-225 °C = 9,0 % 225-375 °C = 70,5 % 375-550 ° C = 13,9 % Rest : 6,6 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T10 ∆mH1 : 30-180 °C = 10050 kJ/mol ∆mHm 180-255 °C = 2950 kJ/mol ∆mH2 : 255-365 °C = 27000 kJ/mol ∆mH3 : 365-430 °C = - 4800 kJ/mol 51 DSC-Kurve 383 330 213 454 DTG-Kurve437 332 150 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-250 °C = 5,8 % 250-385 °C = 62,8 % 385-550 ° C = 26,0 % Rest : 5,4 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l 7 Diskussion 113 Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T100 ∆mH1 : 30-165 °C = 18300 kJ/mol ∆mHm : 165-200 °C = 2550 kJ/mol ∆mH2 : 245-355 °C = 20900 kJ/mol ∆mH3 : 355-425 °C = - 6500 kJ/mol 73 DSC-Kurve 394 452 188 327 DTG-Kurve 151 333 433 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-250 °C = 9,8 % 250-375 °C = 45,3 % 375-550 ° C = 37,6 % Rest : 7,3 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -240 -220 -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T250 ∆mH1 : 30-280 °C = 17950 kJ/mol ∆mH2 : 280-375 °C = 8900 kJ/mol ∆mH3 : 375-450 °C = - 7750 kJ/mol 75 DSC-Kurve 348 396 163 407 DTG-Kurve 402 356 175 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-275 °C = 9,2 % 275-385 °C = 34,3 % 385-550 ° C = 44,9 % Rest : 11,6 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -640 -600 -560 -520 -480 -440 -400 -360 -320 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T500 ∆mH1 : 30-265 °C = 25950 kJ/mol ∆mH2 : 265-375 °C = 7300 kJ/mol ∆mH3 : 375-425 °C = - 10150 kJ/mol DSC-Kurve 396 345 168 407 DTG-Kurve 402 412 358 154 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-290 °C = 11,9 % 290-385 °C = 17,7 % 385-550 °C = 53,4 % Rest : 17,0 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -640 -600 -560 -520 -480 -440 -400 -360 -320 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l 7 Diskussion 114 Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T750 ∆mH1 : 30-280 °C = 29100 kJ/mol ∆mH2 : 280-375 °C = 5300 kJ/mol ∆mH3 : 375-425 °C = - 9100 kJ/mol DSC-Kurve 408 188 402 352 DTG-Kurve 361164 395 416 -90 -60 -30 0 30 60 90 120 150 180 210 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-300 °C = 12,5 % 300-380 °C = 12,2 % 380-550 °C = 62,6 % Rest : 12,7 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -1000 -900 -800 -700 -600 -500 -400 -300 -200 -100 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T1000 ∆mH1 : 30-290 °C = 36500 kJ/mol ∆mH2 : 290-375 °C = 2400 kJ/mol ∆mH3 : 375-425 °C = - 9700 kJ/mol DSC-Kurve 351 400 195 408 DTG-Kurve 364 418 393 157 -90 -60 -30 0 30 60 90 120 150 180 210 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-300 °C = 15,2 % 300-385 °C = 8,3 % 385-550 ° C = 58,2 % Rest : 18,3 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -1000 -900 -800 -700 -600 -500 -400 -300 -200 -100 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" T2000 ∆mH1 : 30-290 °C = 33700 kJ/mol ∆mH2 : 290-380 °C = 3200 kJ/mol ∆mH3 : 380-430 °C = - 6600 kJ/mol DSC-Kurve 415 114 407 356 DTG-Kurve101 403 418 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-325 °C = 14,2 % 325-385 °C = 7,5 % 385-550 ° C = 55,1 % Rest : 23,2 % m o la re r W är m e flu s s in kW /m o l -640 -600 -560 -520 -480 -440 -400 -360 -320 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 M a s s e n v e rlu s t p ro Ze it u n d St o ffm e n ge in g/ s e c m o l Abbildung 7.7: Thermoanalytische Diagramme von PVA und den „Komplexen (T)“. 7 Diskussion 115 Das Herstellungsverfahren der „Komplexe (T)“ basiert auf der Durchmischung der beiden Pulver und der anschließenden Zugabe des Lösungsmittels Wasser. Dies lässt vermuten, dass neben der Reaktionskinetik auch die Lösungskinetik bei der Bildung der „Komplexe“ eine Rolle spielt. Die „T-Komplexe“ können dadurch einen etwas anderen molekularen Aufbau als die „F-Komplexe“ aufweisen. Dies kann Auswirkungen auf die energetischen und gravimet- rischen Verhältnisse und somit auf die thermoanalytischen Diagramme haben. Einen ersten Hinweis auf eine veränderte Struktur der „Komplexe (T)“ sind im ersten Temperaturintervall die Glasübergangspunkte bei T10 - T250, die bei F10 - F250 nicht feststellbar sind. Dabei steigt die Glasübergangstemperatur von T10 zu T250 an. Dies ist auf die erhöhte Anzahl der „Monodiol-Komplexe“ zurückzuführen, die die Kettenbeweglichkeit einschränkt [56 - 58] und die Drehung um das Rückgrat der Kette verhindert [59, 60]. Bei den „Komplexen“ mit hoher Borsäurekonzentration (ab T500) ist im entsprechenden Temperatur- intervall kein Glasübergangspunkt feststellbar. Hier kann es bedingt durch die erhöhte Desorption des Wassers zu einer Überlagerung der thermischen Effekte kommen. Sonst zeigen die DSC- und DTG-Kurven der „Komplexe (T)“ im ersten Temperaturintervall nur graduelle Veränderungen gegenüber den „Komplexen (F)“. Der breite endotherme Peak, die große Schwankungsbreite bei den Peakmaximumtemperaturen, die molaren Wärmeflüsse, der Massenverlust und die Änderung der molaren Enthalpie deuten auf die Desorption des physikalisch gebundenen Wassers im „Komplex“ hin. Ein Schmelzpeak ist bis T100 feststellbar. Bei den „T-Komplexen“ besitzt T1000 die größte Affinität zu Wasser. Dies ist ein Unterschied zu den „F-Komplexen“, denn dort zeigt bereits F250 die höchste Adsorptions- fähigkeit. Zwischen ca. 250 °C bis 375 °C zeigen die DSC- und DTG-Kurven der „T-Komplexe“ ähnliche Kurvenverläufe wie die „F-Komplexe“. In der DSC-Kurve erkennt man einen breiten endothermen Peak, der sich von T10 bis T2000 abschwächt. Die zweite Peakmaximum- temperatur steigt mit höherem Borsäureanteil leicht an. Der molare Wärmefluss verringert sich von T100 zu T250 auf etwa die Hälfte und bleibt dann bis T2000 fast konstant. Die DTG-Kurve zeigt eine sprunghafte Zunahme der zweiten Peakmaximumtemperatur um 23 °C von T100 zu T250. Mit weiterem Anstieg der Borsäurekonzentration bleibt PT2 im Rahmen der Messgenauigkeit konstant. Beim Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge erfolgt die sprunghafte Änderung zwischen T250 und T500. Der Massenverlust ∆m2 im gesamten zweiten Temperaturintervall und die Änderung der molaren Enthalpie 2H∆ nehmen von T10 7 Diskussion 116 zu T2000 stark ab. Die Werte für die Peakmaximumtemperatur in der DTG-Kurve liegen ab T250 systematisch um etwa 10 °C höher als in der DSC-Kurve. Ein Vergleich der Messergebnisse mit den „Komplexen (F)“ zeigt nur bei Einzelwerten graduelle Abweichungen. Bei den „Komplexen (F)“ wurde versucht, mit Hilfe der bevorzugten Zersetzungsreaktionen des Polyvinylalkohols, eine Anpassung zwischen der Änderung der molaren Enthalpie 2H∆ und der molaren Standardreaktionsenthalpie 02r H∆ unter Berücksichtigung des Massen- verlustes ∆m2 herzustellen. Die dabei gemachten Annahmen sind bei den „Komplexen (F)“ erläutert (Seite 105). Für die „Komplexe (T)“ sind in Tabelle 7.5 die bestmöglichen Anpassungen zusammengestellt. Tabelle 7.5: Anpassung zwischen H∆ 2 und 02r H∆ unter Berücksichtigung der Zersetzungs- reaktionen 1 - 4 und ∆m2 für die „Komplexe (T)“. T10 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 824 19,3 + 34.377 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 278 16 41,4 1,2 + 13.161 + 714 Diels-Alder 176 0,9 - 21.243 SUMME 62,8 + 27.009 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 62,8 + 27.000 T100 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 878 19,1 + 36.630 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 174 16 24,0 1,2 + 8.237 + 714 Diels-Alder 204 1,0 - 20.958 SUMME 45,3 + 21.260 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 45,3 + 20.900 7 Diskussion 117 T250 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 745 15,5 + 31.081 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 112 16 14,8 1,1 + 5.302 + 714 intramolekulare Zyklisierung 211 0,5 - 28.084 SUMME 31,9 + 9.013 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 34,3 + 8.900 T500 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 373 6,9 + 15.562 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 82 16 9,7 1,0 + 3.882 + 714 intramolekulare Zyklisierung 97 0,2 - 12.911 SUMME 17,8 + 7.247 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 17,7 + 7.300 T750 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 83 1,4 + 3.463 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 53 16 5,9 0,9 + 2.509 + 714 intramolekulare Zyklisierung 10 0,1 - 1.331 SUMME 8,3 + 5.355 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 12,2 + 5.300 7 Diskussion 118 T1000 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 143 2,4 + 5.966 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 23 16 2,5 0,9 + 1.089 + 714 intramolekulare Zyklisierung 40 0,1 - 5.324 SUMME 5,9 + 2.445 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 8,3 + 2.400 T2000 Anzahl an Reaktionen Beiträge zu ∆m in % Beiträge zu 02r H∆ in kJ·mol-1 Dehydratation 127 2,2 + 5.298 Kettenspaltung Essigsäure aus Acetat 31 16 3,4 0,9 + 1.468 + 714 intramolekulare Zyklisierung 32 0,1 - 4.259 SUMME 6,6 + 3.221 ∆m2 in % ∆ 2H in kJ·mol -1 Experimentelles Ergebnis 7,5 + 3.200 Die Anpassungsrechnungen zeigen im Rahmen der Messgenauigkeit bei den „Komplexen“ T10 - T500 eine optimale Übereinstimmung für H∆ 2 und ∆m2. Bei T750, T1000 und T2000 ergeben sich bei optimaler Anpassung der molaren Enthalpien zu niedrige Massenverluste. Das Anzahlverhältnis an Reaktionen zwischen Dehydratation und Kettenspaltung bzw. pericyclischen Reaktionen liegt wie bei den „F-Komplexen“ konstant bei ca. 0,25 (Ausnahme: T750). Nur beim „Komplex“ T750 - bei den „F-Komplexen“ ist es F500 - überwiegen die Kettenspaltungen gegenüber den pericyclischen Reaktionen. Er bildet somit eine Ausnahme von dem oben genannten konstanten Anzahlverhältnis. Die experimentellen Ergebnisse und die Anpassungsrechnungen der „T-Komplexe“ in diesem zweiten Temperaturabschnitt zeigen insgesamt nur graduelle Veränderungen bei einigen Zusammensetzungen gegenüber den „F-Komplexen“. 7 Diskussion 119 Der dritte Temperaturbereich (ca. 375 °C bis 500 °C) schließt direkt an das zweite Tempera- turintervall an. DSC- und DTG-Kurven zeigen bei einigen „T-Komplexen“ im Vergleich zu den „F-Komplexen“ in diesem Temperaturabschnitt deutliche Unterschiede. Bis T100 ist ein breiter exothermer Peak in der DSC-Kurve zu erkennen; ab T250 hat das exotherme Ereignis zwei Peakmaxima. Bei T500 wird der zweite Peak intensiver und ab T750 tritt ein endothermer Ausschlag zwischen den beiden exothermen Peaks auf. Bei den „F-Komplexen“ beginnt die Separation der Peaks bereits bei F100; F250 und F500 haben eine ähnliche Peakform wie T250 und T500; bei F750 sind die zwei exothermen Peaks weniger stark ausgeprägt. Die Peakmaximumtemperaturen steigen bei den „Komplexen (T)“ wie bei den „Komplexen (F)“ kontinuierlich an. Die Änderung der molaren exothermen Enthalpie 3H∆ steigt von T10 zu T500 auf das 5-fache an und hat bei T500 ihren Maximalwert mit - 10.150 kJ·mol-1, der vergleichbar mit dem Maximalwert der „F-Komplexe“ ist (F250 = - 10.650 kJ·mol-1). In der DTG-Kurve liegt die Peakmaximumtemperatur PT3 von T100 bei 433 °C, während PT3 von F100 bereits bei 413 °C auftritt. Der Massenverlust ∆m3 der „T-Komplexe“ und der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge steigt bis T750 an und fällt danach bis T2000 wieder leicht ab. Hier gibt es nur graduelle Unterschiede zu den „F-Komplexen“. Auffällig sind die zwei extrem scharfen Peaks der „Komplexe“ T750 und T1000, die in dieser Form bei keinem der „F-Komplexe“ zu erkennen sind. Eine Interpretation der Zersetzungsreaktionen ist in diesem Temperaturbereich mit Hilfe der experimentellen Daten nicht möglich. Die Separation der beiden exothermen Peaks beginnt im Gegensatz zu den „F-Komplexen“ erst bei einem Molverhältnis von 1:250; der ausgeprägte endotherme Ausschlag zwischen den beiden exothermen Peaks ist bei einem Überschuss an Borsäure im „Komplex“ zu erkennen. Dabei zeigen die „Komplexe“ T750 und T1000 zwei extrem scharfe Peaks in der DTG-Kurve, die auf eine explosionsartige Zersetzung hinweisen. Dagegen wird beim „Komplex“ T2000, der im Wesentlichen die gleiche Anzahl an „Monodiol-Komplexen“ wie T750 und T1000 besitzen sollte, eine andere Kurvenform in der DTG-Kurve beobachtet. Dies deutet auf eine andere Zersetzungskinetik hin. Die unterschied- liche Kurvenform bei T2000 gibt einen Hinweis darauf, dass durch die Präparationsmethode bedingt, sich auf molekularer Ebene eine etwas andere Struktur bei T2000 als bei T750 und T1000 ausgebildet hat. 7 Diskussion 120 Der Restmassenanteil nimmt auch bei den „T-Komplexen“ mit höherem Borsäureanteil zu. Die Restmasse sollte wie bei den „F-Komplexen“ im Wesentlichen aus Bortrioxid und Verbindungen mit hohem Kohlenstoffanteil bestehen. Setzt man vollständige Umsetzung aller Borsäuremoleküle zu Bortrioxid voraus, nimmt der Anteil der Verbindungen aus Crack- produkten mit wachsendem Borsäuregehalt der „Komplexe“ ab. Bei T500 und T2000 sind die beobachteten Restmassen etwas kleiner als die erwartete Restmasse. Hier kann - wie bei den „F-Komplexen“ - etwas Borsäure im Filtrat verloren gegangen sein. Auffällig ist, dass bei den „Komplexen“ T750 und T1000 die beobachteten Restmassen wesentlich kleiner als die erwartete „Untergrenze“ an Restmassenanteil sind. Dies lässt darauf schließen, dass hier Massen- verluste durch Herausschleudern bei den explosionsartigen Zersetzungen im dritten Tempera- turbereich entstanden sind (siehe Tabelle 4.22; Seite 54). Die „T-Komplexe“ zeigen in ihren thermischen Eigenschaften gegenüber den „F-Komplexen“ bis etwa 375 °C nur graduelle Unterschiede. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal bei den „Komplexen“ T10 - T250 in diesem Temperaturbereich sind die Glasübergangstemperaturen. Sie geben einen ersten Hinweis darauf, dass - durch das Herstellungsverfahren bedingt - die „T-Komplexe“ einen etwas anderen molekularen Aufbau als die „F-Komplexe“ besitzen. Ab 375 °C gibt es einige deutliche Unterschiede zwischen „T- und F-Komplexen“ (weiterer Hinweis auf die veränderte Struktur der „Komplexe“). Bei den „T-Komplexen“ beginnt die Aufspaltung in zwei exotherme Peaks erst bei einem Molverhältnis von 1:250; die „Komplexe“ T750 und T1000 besitzen zwei extrem scharfe Peaks in der DTG-Kurve, was auf explosionsartige Zersetzungen hinweist. Da die beobachteten Restmassen dieser „Komplexe“ wesentlich kleiner als die erwartete Restmasse ist, wird es vermutlich bei den explosions- artigen Zersetzungen auch mechanische Massenverluste gegeben haben. 7 Diskussion 121 7.3.3 Thermoanalytische Betrachtung der „Komplexe“ F1000 und F2000 Die nach der „feuchten Präparationsmethode“ hergestellten „Komplexe“ F1000 und F2000 unter- scheiden sich in ihren thermischen Eigenschaften von den anderen „F- und T-Komplexen“. Die IR-Spektren geben einen Hinweis darauf, dass in den beiden „Komplexen“ Borsäure- moleküle bei der Präparation mitgerissen worden sind. Diese Borsäuremoleküle - als „freie“ Borsäure bezeichnet - haben einen Einfluss auf die molekulare Struktur der beiden „Komple- xe“. Die dadurch bedingten signifikanten Unterschiede gegenüber den anderen „F-Komple- xen“ und den „T-Komplexen“ zeigen die thermoanalytischen Diagramme in Abbildung 7.8. Thermoanalytsiches Diagramm von "Komplex" F1000 ∆mH1 : 30-350 °C = 54500 kJ/mol ∆mHBS : 80-180 °C = 9750 kJ/mol ∆mΗ3 : 350-430 °C = - 13900 kJ/mol 161 398 134 DSC-Kurve 418 103 DTG-Kurve -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 40 80 120 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-325°C = 22,5 % 325-550 °C = 50,0 % Rest : 27,5 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l Thermoanalytisches Diagramm von "Komplex" F2000 ∆mH1 : 30-345 °C = 67650 kJ/mol ∆mHBS : 80-180 °C = 13000 kJ/mol ∆mH3 : 345-430 °C = - 8700 kJ/mol DSC-Kurve 136 160 404 DTG-Kurve 408 109 -280 -240 -200 -160 -120 -80 -40 0 40 80 120 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur in °C Gewichtsverlust : 30-325°C = 26,4 % 225-375 °C = 38,7 % Rest : 34,9 % m o la re r W är m ef lu ss in kW /m o l -200 -180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 M as se n v er lu st pr o Ze it u n d St o ffm en ge in g/ se c m o l Abbildung 7.8: Thermoanalytische Diagramme der „Komplexe“ F1000 und F2000. 7 Diskussion 122 Im ersten Temperaturbereich zeigen die beiden „Komplexe“ gegenüber den anderen „Komplexen“ in der DSC-Kurve zwei scharfe Peaks. Dabei hat die Kurvenform auffällige Ähnlichkeit mit der DSC-Kurve der Borsäure. In der DTG-Kurve ist bei ca. 105 °C ein breiter Peak erkennbar, der eher auf die Zersetzung der beim Ausfällen der „Komplexe“ mitgeris- senen Borsäure als auf die Desorption von Wasser schließen lässt. Der Massenverlust im ersten Temperaturintervall ist gegenüber den anderen „Komplexen“ deutlich erhöht. Der Massenverlust, der durch die Desorption des adsorbierten Wassers hervorgerufen wird, liegt mit 19,8 % (F1000) bzw. 23,0 % (F2000) bereits wesentlich höher als bei den anderen „Komplexen“ (siehe Tabelle 4.2; Seite 28). Hinzu kommt noch der Massenverlust, der durch die Zersetzung der Borsäure zu Bortrioxid in diesem Temperaturabschnitt bedingt ist. Der relativ hohe Massenverlust, der sich im Wesentlichen durch das Verdampfen des Wassers zeigt, ist mit einer relativ hohen Änderung der molaren Enthalpie 1H∆ verbunden. Der molare Wärmefluss und der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge am Peakmaximum im ersten Temperaturintervall unterscheiden sich in diesem Temperaturbereich durch deutlich höhere Werte von den anderen „Komplexen“. Dies ist im Wesentlichen auf die Zersetzungs- reaktion der Borsäure zurückzuführen. Ein Schmelzbereich ist mit der ausgewählten Methode nicht beobachtbar. Im zweiten Temperaturabschnitt (ca. 300 °C bis ca. 375 °C) zeigen die DSC- und DTG- Kurven der beiden „Komplexe“ F1000 und F2000 keine thermischen Ereignisse. Der entstandene „Komplex“, bestehend im Wesentlichen aus „Monodiol-Komplexen“ und Bortrioxid, ist in diesem Temperaturbereich thermisch stabil. Die anderen „F- und T-Komplexe“ mit hohem Borsäuregehalt (F750; T750 - T2000) zeigen dagegen auch in dem zweiten Temperaturintervall Zersetzungsreaktionen. In der DSC-Kurve ist im dritten Temperaturintervall nur ein ausgeprägter exothermer Peak bei beiden "Komplexen“ zu erkennen. Die anderen „Komplexe“ mit hohem Borsäuregehalt besitzen dagegen zwei deutlich getrennte exotherme Peaks, von denen der bei höherer Temperatur ausgeprägter ist. In den DTG-Kurven tritt bei F1000 und F2000 ein wenig strukturierter breiter Peak auf, der in dieser Form nur noch beim „Komplex“ T2000 zu beobachten ist. Die anderen „Komplexe“ mit einem Borsäureüberschuss (F750, T750 und T1000), zeigen dagegen zwei ausgeprägte scharfe Peaks zwischen 400 °C und 425 °C. Der molare Wärmefluss ist bei F1000 gegenüber allen anderen „Komplexen“ deutlich erhöht. Dagegen besitzt F2000 den kleinsten molaren 7 Diskussion 123 Wärmefluss am dritten Peakmaximum. Der Massenverlust gegenüber F750 ist bei F1000 etwas, bei F2000 deutlich kleiner. Der Massenverlust pro Zeit und Stoffmenge am Peakmaximum ist bei F1000 und F2000 gegenüber den anderen „Komplexen“ mit hohem Borsäuregehalt deutlich kleiner. Die molare exotherme Enthalpie 3H∆ liegt im Bereich der „Komplexe“ F750 und T750 - T2000. Die Enthalpie pro Massenverlust 3H ~∆ von F1000 und F2000 ist gegenüber T1000 und T2000 erniedrigt. Die unterschiedlichen Kurvenverläufe in den thermoanalytischen Diagrammen zwischen F1000 und F2000 einerseits und T1000 und T2000 andererseits geben einen Hinweis darauf, dass das im ersten Temperaturbereich gebildete Bortrioxid einen Einfluss auf die Zersetzungskinetik im dritten Temperaturabschnitt haben wird. Der beobachtete Restmassenanteil ist bei F1000 und F2000 größer als die erwartete „Unter- grenze“ an Restmasse aus einer vollständigen Reaktion aller Borsäuremoleküle zu Bortrioxid. Dies lässt darauf schließen, dass neben dem entstandenen B2O3 ein Anteil an Verbindungen mit hohem Kohlenstoffanteil als Restmasse vorliegt. Die Unterschiede zwischen F1000 und F2000 einerseits und T1000 und T2000 andererseits zeigen, dass bei einem Überschuss an Borsäure die Präparationsmethode einen deutlichen Einfluss auf die thermischen Eigenschaften der „Komplexe“ - im Gegensatz zu den „Komplexen“ mit niedrigerem Borsäuregehalt - besitzt. Die eingesetzte Stoffmenge wirkt sich auch noch bei einem Überschuss an Borsäure - Veränderungen von F750 zu F2000 bzw. T750 zu T2000 - auf das thermische Verhalten der „Komplexe“ aus. 7 Diskussion 124 7.4 Schlussfolgerung Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass PVA spontan und mit ausreichend großer Reaktionsgeschwindigkeit mit Borsäure chemisch reagiert. Beide hier angewendeten Präparationsmethoden würden sich als technische Prozesse realisieren lassen. Aus der Literatur ist bekannt, dass sich bei der Reaktion zwischen Polyvinylalkohol und Borsäure überwiegend „Monodiol-Komplexe“ bilden, was mit den IR-spektroskopischen Messungen dieser Arbeit konsistent ist. Jedoch lässt die Schwerlöslichkeit der entstehenden Reaktionsprodukte zusätzlich auf eine zumindest anteilige dreidimensionale Vernetzung der linearen PVA-Moleküle durch die Borsäure schließen. Die thermoanalytischen Untersuchungen zeigen eine hohe Stabilität der „Komplexe“ bis etwa 375 °C, wobei sich eine deutliche Abhängigkeit der thermischen Eigenschaften vom PVA/Borsäure-Verhältnis zeigt, während ein signifikanter Einfluss der Präparationsmethode auf diese Eigenschaften hauptsächlich bei Temperaturen oberhalb 375 °C festgestellt wurde. Überraschend ist, dass auch ein stöchiometrischer Überschuss an Borsäure die thermischen Eigenschaften der „Komplexe“ noch beeinflusst, wobei hier zugleich der deutlichste Einfluss der Präparationsmethode festgestellt wurde. Die kalorimetrischen Untersuchungen zeigen bis circa 375 °C bei allen Verbindungen ausschließlich endotherme Effekte. Bei höheren Temperaturen sind die thermischen Ereignisse größtenteils exotherm. Fast alle thermischen Ereignisse sind von Massenverlusten begleitet entsprechend einer thermischen Zersetzung unter Entstehung dampf- oder gasförmiger Produkte. Bei Temperaturen bis circa 250 °C (je nach „Komplex“ unterschiedlich) ist bei allen Verbindungen hauptsächlich Wasser als dampfförmiges Zersetzungsprodukt zu erwarten. Das freigesetzte Wasserdampfvolumen beträgt je nach „Komplex“ bis ca. 250 °C zwischen 0,4 m3 und 0,8 m3 pro kg Polyvinylalkohol-Borsäure- Komplex. Die bis zu diesen Temperaturen beobachtete Restmasse würde grundsätzlich ausreichen, um einen thermisch isolierenden Schaum auszubilden. 7 Diskussion 125 Ab circa 250 °C werden weitere gasförmige Zersetzungsprodukte frei. Die Modellierung legt nahe, dass es sich hierbei überwiegend um organisch-chemische und damit brennbare Reaktionsprodukte handelt. Zusätzlich sind diese Zersetzungsreaktionen oberhalb von etwa 400 °C hauptsächlich exotherm. Dabei hängt die Zersetzungskinetik in diesem Temperatur- bereich erheblich von der Präparationsmethode ab. Die verbleibenden Restmassen sind im Vergleich zu den entstehenden Gasvolumina sehr klein, so dass in diesem Temperatur- abschnitt ein mechanisch ausreichend stabiler thermisch isolierender Schaum nicht mehr erwartet werden kann. Die hier am System Polyvinylalkohol / Borsäure gemachten Beobachtungen lassen sich qualitativ auch auf andere organisch-chemische Polymersysteme mit anorganischen Liganden übertragen. Die verhältnismäßig gute thermische Stabilität bis etwa 250 - 300 °C würde durchaus eine Verzögerung der Ausbreitung eines Brandes bewirken können, sie reicht aber für ein Brandschutzglas nicht aus. Die brennbaren Zersetzungsprodukte bei höheren Temperaturen und die exothermen Zersetzungsreaktionen und die nur geringe Masse sind für Brandschutzzwecke ungeeignet. Diese Feststellung trifft sicher auch auf andere Polymersysteme mit nennenswertem organisch-chemischen Anteil zu. Insofern bleibt die Silikatschicht in Brandschutzgläsern vorerst unverzichtbar. Auf dieser Grundlage wäre ein Verbundsystem von einem Glas, einer Polymerschicht, der Silikatschicht, einer Polymerschicht und wieder eine Glasscheibe möglich. Die Polymerfolie könnte die Sicherheitsprobleme auf beiden Seiten (Freisetzen von scharfen Splittern bei mechanischem Bruch) lösen und bei der Produktion den Ausgleich kleiner Unebenheiten der Silikatschicht ermöglichen. Nächste Aufgaben wären vordringlich die Untersuchung der Haftung der Polyvinylalkohol- Borsäure-Komplexe auf dem Glas und auf der Silikatschicht sowie die Möglichkeiten zur reproduzierbaren Erzeugung transparenter Polyvinylalkohol/Borsäure Polymerfolien. 8 Anhang 126 8 Anhang Anhang DSC: Peakmaximumtemperaturen der kalorimetrischen Messungen. Borsäure Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp/°C 4.Tp/°C Messung 1 12,57 166 180 238 ---- Messung 2 11,50 159 174 249 ---- Messung 3 15,26 164 176 240 ---- Mittelwert 163 177 242 ---- PVA Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp/°C 4.Tp/°C Messung 1 7,33 138 220 301 431 Messung 2 10,52 127 219 305 435 Messung 3 5,40 136 224 300 430 Mittelwert 134 221 302 432 „Komplexe (F)“ F10 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp/°C Messung 1 6,90 215 328 388 444 Messung 2 13,68 217 334 386 447 Messung 3 14,19 220 335 386 452 Mittelwert 217 332 387 448 F100 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 11,22 198 333 394 415 Messung 2 11,70 189 340 395 415 Messung 3 10,02 198 339 394 416 Mittelwert 195 337 394 415 F250 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 8,86 159 336 393 411 Messung 2 11,88 176 332 393 411 Messung 3 5,07 179 338 396 413 Mittelwert 171 335 394 412 F500 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 8,75 119 349 405 409 Messung 2 6,76 106 348 407 411 Messung 3 5,85 105 341 404 412 Mittelwert 110 346 405 411 F750 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 8,97 132 348 403 411 Messung 2 10,44 135 346 402 409 Messung 3 11,69 126 358 403 411 Mittelwert 131 351 403 410 F1000 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp/°C Messung 1 6,32 142 168 392 ---- Messung 2 6,55 130 159 396 ---- Messung 3 5,60 134 161 398 ---- Mittelwert 135 160 395 ---- 8 Anhang 127 F2000 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp/°C Messung 1 6,58 143 158 404 ---- Messung 2 8,17 136 160 404 ---- Messung 3 7,38 135 167 401 ---- Mittelwert 138 162 403 ---- „Komplexe (T)“ T10 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp/°C Messung 1 11,14 211 331 383 457 Messung 2 12,39 213 330 383 454 Messung 3 13,03 215 335 385 461 Mittelwert 213 332 384 457 T100 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp/°C Messung 1 10,50 188 327 394 452 Messung 2 7,65 181 324 396 446 Messung 3 7,53 189 326 392 450 Mittelwert 186 326 394 449 T250 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 9,03 164 352 397 408 Messung 2 10,90 156 347 396 407 Messung 3 17,04 163 348 396 407 Mittelwert 161 349 396 407 T500 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 9,97 178 349 392 403 Messung 2 8,59 168 345 396 407 Messung 3 11,86 158 344 393 408 Mittelwert 168 346 394 406 T750 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 12,52 191 352 401 409 Messung 2 9,37 188 352 402 408 Messung 3 6,38 180 352 404 411 Mittelwert 186 352 402 409 T1000 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 8,53 195 351 400 408 Messung 2 8,72 193 352 402 409 Messung 3 10,55 196 354 401 407 Mittelwert 195 352 401 408 T2000 Einwaage/mg 1.Tp/°C 2.Tp/°C 3.Tp exo/°C 4.Tp exo/°C Messung 1 8,69 115 361 405 415 Messung 2 8,45 114 356 407 415 Messung 3 8,08 120 354 406 415 Mittelwert 116 357 406 415 8 Anhang 128 Anhang TG: Ergebnisse der thermogravimetrischen Messungen. a) Borsäure mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse Borsäure Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 38,06 (100 %) 27,03 (100 %) 43,54 (100 %) ∆T1/°C 30 – 210 30 – 215 30 – 210 ∆m1/mg 14,14 (37,2 %) 10,14 (37,5 %) 15,57 (35,7 %) (36,8 %) PT1/°C 143 145 150 146 PT2/°C 172 176 174 174 ∆T2/°C 210 – 550 215 – 550 210 – 550 ∆m2/mg 3,10 ( 8,1 %) 2,56 ( 9,5 %) 3,29 ( 7,6 %) ( 8,4 %) PT3/°C 235 230 240 235 mR/mg 20,82 (54,7 %) 14,33 (53,0 %) 24,68 (56,7 %) (54,8 %) b) Polyvinylalkohol PVA Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 7,30 (100 %) 7,80 (100 %) 10,28 (100 %) ∆T1/°C 30 – 230 30 – 225 30 – 225 ∆m1/mg 0,72 ( 9,9 %) 0,63 ( 8,0 %) 0,92 ( 9,0 %) ( 9,0 %) PT1/°C 109 101 126 112 ∆T2/°C 230 – 375 225 – 380 225 – 375 ∆m2/mg 5,15 (70,5 %) 5,31 (68,1 %) 7,25 (70,5 %) (69,7 %) PT2/°C 275 285 283 281 ∆T3/°C 375 – 550 380 – 550 375 – 550 ∆m3/mg 1,10 (15,1 %) 1,19 (15,3 %) 1,43 (13,9 %) (14,8 %) PT3/°C 417 427 423 422 mR/mg 0,33 ( 4,5 %) 0,67 ( 8,6 %) 0,68 ( 6,6 %) ( 6,5 %) 8 Anhang 129 c) „Komplexe (F)“ mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse F10 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 16,12 (100 %) 14,80 (100 %) 14,97 (100 %) ∆T1/°C 30 – 240 30 – 225 30 – 230 ∆m1/mg 0,61 ( 3,8 %) 0,46 ( 3,1 %) 0,85 ( 5,7 %) ( 4,2 %) PT1/°C 168 181 188 179 ∆T2/°C 240 – 385 225 – 390 230 – 385 ∆m2/mg 10,69 (66,3 %) 9,52 (64,3 %) 9,22 (61,6 %) (64,1 %) PT2/°C 318 327 328 324 ∆T3/°C 385 – 550 390 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 3,96 (24,6 %) 3,55 (24,0 %) 3,48 (23,2 %) (23,9 %) PT3/°C 432 431 438 434 mR/mg 0,86 ( 5,3 %) 1,27 ( 8,6 %) 1,42 ( 9,5 %) ( 7,8 %) F100 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 18,98 (100 %) 21,31 (100 %) 30,72 (100 %) ∆T1/°C 30 – 270 30 – 270 30 – 280 ∆m1/mg 2,31 (12,2 %) 2,71 (12,7 %) 4,20 (13,7 %) (12,9 %) PT1/°C 173 198 180 184 ∆T2/°C 270 – 380 270 – 385 280 – 390 ∆m2/mg 9,25 (48,7 %) 9,03 (42,4 %) 14,07 (45,8 %) (45,6 %) PT2/°C 350 355 352 352 ∆T3/°C 380 – 550 385 – 550 390 – 550 ∆m3/mg 6,09 (32,1 %) 7,68 (36,0 %) 10,28 (33,5 %) (33,9 %) PT3/°C 413 410 413 412 mR/mg 1,33 ( 7,0 %) 1,89 ( 8,9 %) 2,17 ( 7,0 %) ( 7,6 %) 8 Anhang 130 mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse F250 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 18,24 (100 %) 14,45 (100 %) 12,23 (100 %) ∆T1/°C 30 – 275 30 – 270 30 – 275 ∆m1/mg 2,85 (15,6 %) 2,24 (15,5 %) 2,11 (17,2 %) (16,1 %) PT1/°C 194 200 193 196 ∆T2/°C 275 – 380 270 – 375 275 – 380 ∆m2/mg 5,39 (29,6 %) 4,09 (28,3 %) 3,62 (29,6 %) (29,2 %) PT2/°C 336 338 340 338 ∆T3/°C 380 – 550 375 – 550 380 – 550 ∆m3/mg 7,88 (43,2 %) 6,52 (45,1 %) 5,39 (44,1 %) (44,1 %) PT3/°C 406 404 410 407 mR/mg 2,12 (11,6 %) 1,60 (11,1 %) 1,11 ( 9,1 %) (10,6 %) F500 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 14,45 (100 %) 12,70 (100 %) 16,99 (100 %) ∆T1/°C 30 – 275 30 – 275 30 – 280 ∆m1/mg 1,87 (12,9 %) 1,59 (12,5 %) 2,19 (12,9 %) (12,8 %) PT1/°C 136 122 157 138 ∆T2/°C 275 – 385 275 – 390 280 – 385 ∆m2/mg 3,20 (22,2 %) 2,96 (23,3 %) 3,48 (20,5 %) (22,0 %) PT2/°C 362 363 359 361 ∆T3/°C 385 – 550 390 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 7,25 (50,2 %) 6,51 (51,3 %) 8,51 (50,1 %) (50,5 %) PT3/°C 413 410 410 411 mR/mg 2,13 (14,7 %) 1,64 (12,9 %) 2,81 (16,5 %) (14,7 %) 8 Anhang 131 mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse F750 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 10,15 (100 %) 12,36 (100 %) 21,76 (100 %) ∆T1/°C 30 – 300 30 – 280 30 – 300 ∆m1/mg 1,29 (12,7 %) 1,59 (12,9 %) 2,62 (12,1 %) (12,6 %) PT1/°C 141 138 159 146 ∆T2/°C 300 – 390 280 – 385 300 – 395 ∆m2/mg 1,19 (11,7 %) 1,57 (12,7 %) 2,16 ( 9,9 %) (11,4 %) PT2/°C 373 365 373 370 °C ∆T3/°C 390 – 550 385 – 550 395 – 550 ∆m3/mg 5,67 (55,9 %) 6,80 (55,0 %) 13,06 (60,0 %) (57,0 %) PT3/°C 406 ------ 403 405 PT4/°C 419 418 417 418 mR/mg 2,00 (19,7 %) 2,40 (19,4 %) 3,92 (18,0 %) (19,0 %) F1000 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 15,04 (100 %) 12,87 (100 %) 11,68 (100 %) ∆T1/°C 30 – 325 30 – 330 30 – 310 ∆m1/mg 3,38 (22,5 %) 3,11 (24,2 %) 2,46 (21,1 %) (22,6 %) PT1/°C 103 103 112 106 ∆T2/°C 325 – 550 330 – 550 310 – 550 ∆m2/mg 7,52 (50,0 %) 6,21 (48,2 %) 6,44 (55,1 %) (51,1 %) PT2/°C 418 410 413 414 mR/mg 4,14 (27,5 %) 3,55 (27,6 %) 2,78 (23,8 %) (26,3 %) 8 Anhang 132 mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse F2000 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 12,90 (100 %) 16,14 (100 %) 17,41 (100 %) ∆T1/°C 30 – 325 30 – 325 30 – 325 ∆m1/mg 3,17 (24,6 %) 4,26 (26,4 %) 4,81 (27,6 %) (26,2 %) PT1/°C 105 109 113 109 ∆T2/°C 325 – 550 325 – 550 325 – 550 ∆m2/mg 4,88 (37,8 %) 6,24 (38,7 %) 5,97 (34,3 %) (36,9 %) PT2/°C 408 408 418 411 mR/mg 4,85 (37,6 %) 5,64 (34,9 %) 6,63 (38,1 %) (36,9 %) d) „Komplexe (T)“ T10 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 8,45 (100 %) 13,21 (100 %) 19,99 (100 %) ∆T1/°C 30 – 250 30 – 225 30 – 250 ∆m1/mg 0,57 ( 6,8 %) 0,82 ( 6,2 %) 1,15 ( 5,8 %) ( 6,3 %) PT1/°C 135 152 150 146 ∆T2/°C 235 – 390 225 – 380 250 – 385 ∆m2/mg 4,95 (58,6 %) 8,48 (64,2 %) 12,56 (62,8 %) (61,9 %) PT2/°C 330 340 332 334 ∆T3/°C 390 – 550 380 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 2,13 (25,1 %) 3,59 (27,2 %) 5,20 (26,0 %) (26,1 %) PT3/°C 433 440 437 437 mR/mg 0,80 ( 9,5 %) 0,32 ( 2,4 %) 1,08 ( 5,4 %) ( 5,7 %) 8 Anhang 133 mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse T100 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 9,23 (100 %) 11,94 (100 %) 15,24 (100 %) ∆T1/°C 30 – 250 30 – 240 30 – 250 ∆m1/mg 0,88 ( 9,5 %) 0,98 ( 8,2 %) 1,49 ( 9,8 %) ( 9,2 %) PT1/°C 171 137 151 153 ∆T2/°C 250 – 375 240 – 380 250 – 375 ∆m2/mg 4,38 (47,4 %) 5,27 (44,1 %) 6,91 (45,3 %) (45,6 %) PT2/°C 329 338 333 333 ∆T3/°C 375 – 550 380 – 550 375 – 550 ∆m3/mg 3,55 (38,5 %) 4,54 (38,0 %) 5,74 (37,6 %) (38,0 %) PT3/°C 425 432 433 430 mR/mg 0,42 ( 4,6 %) 1,15 ( 9,7 %) 1,11 ( 7,3 %) ( 7,2 %) T250 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 39,01 (100 %) 24,00 (100 %) 26,25 (100 %) ∆T1/°C 30 – 300 30 – 275 30 – 290 ∆m1/mg 3,41 ( 8,7 %) 2,21 ( 9,2 %) 2,73 (10,4 %) ( 9,4 %) PT1/°C 173 175 164 171 ∆T2/°C 300 – 380 275 – 385 290 – 385 ∆m2/mg 13,23 (33,9 %) 8,23 (34,3 %) 9,26 (35,3 %) (34,5 %) PT2/°C 355 356 360 357 ∆T3/°C 380 – 550 385 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 17,59 (45,1 %) 10,77 (44,9 %) 11,20 (42,7 %) (44,2 %) PT3/°C 400 402 405 402 mR/mg 4,78 (12,3 %) 2,79 (11,6 %) 3,06 (11,6 %) (11,8 %) 8 Anhang 134 mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse T500 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 14,27 (100 %) 19,75 (100 %) 11,89 (100 %) ∆T1/°C 30 – 300 30 – 275 30 – 290 ∆m1/mg 1,46 (10,2 %) 2,37 (12,0 %) 1,41 (11,9 %) (11,4 %) PT1/°C 141 175 154 157 ∆T2/°C 300 – 380 275 – 385 290 – 385 ∆m2/mg 2,68 (18,8 %) 3,56 (18,0 %) 2,11 (17,7 %) (18,1 %) PT2/°C 357 355 358 357 ∆T3/°C 380 – 550 385 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 7,89 (55,3 %) 10,33 (52,3 %) 6,35 (53,4 %) (53,7 %) PT3/°C 407 402 402 404 PT4/°C ------- 410 412 411 mR/mg 2,24 (15,7 %) 3,49 (17,7 %) 2,02 (17,0 %) (16,8 %) T750 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 21,62 (100 %) 15,62 (100 %) 14,97 (100 %) ∆T1/°C 30 – 305 30 – 300 30 – 300 ∆m1/mg 2,81 (13,0 %) 1,77 (11,3 %) 1,88 (12,5 %) (12,3 %) PT1/°C 157 182 164 168 ∆T2/°C 305 – 385 300 – 385 300 – 380 ∆m2/mg 2,73 (12,6 %) 1,82 (11,7 %) 1,81 (12,2 %) (12,1 %) PT2/°C 357 355 361 358 ∆T3/°C 385 – 550 385 – 550 380 – 550 ∆m3/mg 13,56 (62,7 %) 9,04 (57,9 %) 9,37 (62,6 %) (61,1 %) PT3/°C 395 396 395 395 PT4/°C 415 ------- 416 416 mR/mg 2,52 (11,7 %) 2,99 (19,1 %) 1,91 (12,7 %) (14,5 %) 8 Anhang 135 mEW : Masse der Einwaage ∆T : Temperaturintervall ∆m : Gewichtsverlust PT : Peakmaximumtemperatur mR : Restmasse T1000 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 22,76 (100 %) 14,16 (100 %) 14,97 (100 %) ∆T1/°C 30 – 320 30 – 300 30 – 300 ∆m1/mg 3,73 (16,4 %) 2,15 (15,2 %) 1,98 (13,2 %) (14,9 %) PT1/°C 136 157 165 153 ∆T2/°C 320 – 380 300 – 385 300 – 385 ∆m2/mg 1,73 ( 7,6 %) 1,17 ( 8,3 %) 1,41 ( 9,4 %) ( 8,4 %) PT2/°C 362 364 364 363 ∆T3/°C 380 – 550 385 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 13,73 (60,3 %) 8,25 (58,2 %) 8,64 (57,7 %) (58,7 %) PT3/°C 395 393 395 394 PT4/°C 417 418 417 417 mR/mg 3,57 (15,7 %) 2,59 (18,3 %) 2,94 (19,7 %) (17,9 %) T2000 Messung 1 Messung 2 Messung 3 Mittelwert mEW/mg 11,07 (100 %) 11,56 (100 %) 13,13 (100 %) ∆T1/°C 30 – 320 30 – 325 30 – 330 ∆m1/mg 1,67 (15,1 %) 1,65 (14,2 %) 1,87 (14,2 %) (14,5 %) PT1/°C 128 101 104 111 ∆T2/°C 320 – 385 325 – 385 330 – 385 ∆m2/mg 0,85 ( 7,7 %) 0,87 ( 7,5 %) 0,86 ( 6,6 %) ( 7,3 %) PT2/°C ------ ------ ------ ------ ∆T3/°C 385 – 550 385 – 550 385 – 550 ∆m3/mg 6,05 (54,6 %) 6,37 (55,1 %) 7,50 (57,1 %) (55,6 %) PT3/°C 402 403 ------- 403 PT4/°C 415 418 415 416 mR/mg 2,50 (22,6 %) 2,68 (23,2 %) 2,90 (22,1 %) (22,6 %) 8 Anhang 136 Anhang IK: Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ nach Franklin. Zersetzungsreaktion 2: Kettenspaltung mit Bildung von Crotonaldehyd und Acetaldehyd. Tabelle IK 1: Gruppenbeiträge zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der Kettenspaltung von PVA zu Crotonaldehyd und Acetaldehyd. „Inkremente“ -CH2- -CH- -OH -CH=CH- -CH3 -CHO 0 IK H∆ in kJ·mol-1 - 23,63 - 4,39 - 186,61 + 71,84 - 48,70 - 142,26 molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 2 x -CH2- + 2 x -CH- + 2 x -OH + 1 x -CH=CH- 2⋅(-23,63) + 2⋅(-4,39) + 2⋅(-186,61) + 1⋅(+71,84) = - 357,42 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 1 x -CH=CH- + 2 x -CH3 + 2 x -CHO 1⋅(+71,84) + 2⋅(-48,70) + 2⋅(-142,26) = - 310,08 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = - 310,08 kJ·mol-1 – (- 357,42 kJ·mol-1) = + 47,34 kJ·mol-1 OH OH O Kettenspaltung + O Crotonaldehyd Acetaldehyd 8 Anhang 137 Zersetzungsreaktion 3 : Diels-Alder Reaktion mit Aromatisierung. Die molare Standardreaktionsenthalpie der beiden Reaktionsschritte wird separat berechnet. Die molare Standardbildungsenthalpie von H2 wird gleich Null gesetzt. Tabelle IK 2: Gruppenbeiträge zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der Diels-Alder Reaktion mit anschließender Aromatisierung. „Inkremente“ -CH=CH- -CH- -CH (aromatisch) -C- (aromatisch) 0 IK H∆ in kJ·mol-1 + 71,84 - 4,39 + 11,67 + 17,87 für die Diels-Alder Reaktion ergibt sich: molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 7 x -CH=CH- 7⋅(+71,84) = + 502,88 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 5 x -CH=CH- + 4 x -CH- 5⋅(+71,84) + 4⋅(-4,39) = + 341,64 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = + 341,64 kJ·mol-1 – (+ 502,88 kJ·mol-1) = - 161,24 kJ·mol-1 Diels-Alder Aromatisierung - 2 H2 Polyene substituiertes Cyclohexen substituiertes Cyclohexen substituierter Aromat 8 Anhang 138 für die Aromatisierung ergibt sich: molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 5 x -CH=CH- + 4 x -CH- 5⋅(+71,84) + 4⋅(-4,39) = + 341,64 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 4 x -CH=CH- + 2 x -CH (aromatisch) + 4 x -C- (aromatisch) 4⋅(+71,84) + 2⋅(+11,67) + 4⋅(+17,87) = + 382,18 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = + 382,18 kJ·mol-1 – (+ 341,64 kJ·mol-1) = + 40,54 kJ·mol-1 für die Gesamtreaktion ergibt sich: 0 r H∆ = + 382,18 kJ·mol-1 – (+ 502,88 kJ·mol-1) = - 120,70 kJ·mol-1 8 Anhang 139 Zersetzungsreaktion 4: intramolekulare Zyklisierung mit Aromatisierung. Die molare Standardreaktionsenthalpie der beiden Reaktionsschritte wird separat berechnet. Die molare Standardbildungsenthalpie von H2 wird gleich Null gesetzt. Tabelle IK 3: Gruppenbeiträge zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der intramolekularen Zyklisierung mit anschließender Aromatisierung. „Inkremente“ -CH=CH- -CH- -CH (aromatisch) -C- (aromatisch) 0 IK H∆ in kJ·mol-1 + 71,84 - 4,39 + 11,67 + 17,87 für die intramolekulare Zyklisierung ergibt sich: molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 5 x -CH=CH- 5⋅(+71,84) = + 359,20 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 4 x -CH=CH- + 2 x -CH- 4⋅(+71,84) + 2⋅(-4,39) = + 278,58 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = + 278,58 kJ·mol-1 – (+ 359,20 kJ·mol-1) = - 80,62 kJ·mol-1 intramolekulare Zyklisierung Polyen substituiertes Cyclohexadien Aromatisierung - H2 substituiertes Cyclohexadien substituierter Aromat 8 Anhang 140 für die Aromatisierung ergibt sich: molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 4 x -CH=CH- + 2 x -CH- 4⋅(+71,84) + 2⋅(-4,39) = + 278,58 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 2 x -CH=CH- + 4 x -CH (aromatisch) + 2 x -C- (aromatisch) 2⋅(+71,84) + 4⋅(+11,67) + 2⋅(+17,87) = + 226,10 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = + 226,10 kJ·mol-1 – (+ 278,58 kJ·mol-1) = - 52,48 kJ·mol-1 für die Gesamtreaktion ergibt sich: 0 r H∆ = + 226,10 kJ·mol-1 – (+ 359,20 kJ·mol-1) = - 133,10 kJ·mol-1 8 Anhang 141 Bildung von Acetaldehyd aus Vinylalkohol: O O n OH OH n + Tabelle IK 4: Gruppenbeiträge zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der Bildung von Acetaldehyd aus Vinylalkohol. „Inkremente“ -CH2- -CH- -OH -CH3 -CHO 0 IK H∆ in kJ·mol-1 - 23,63 - 4,39 - 186,61 - 48,70 - 142,26 molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): -CH2- + -CH- + -OH (-23,63) + (-4,39) + (-186,61) = - 214,63 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): -CH3 + -CHO (-48,70) + (-142,26) = - 190,96 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = - 190,96 kJ·mol-1 – (- 214,63 kJ·mol-1) = + 23,67 kJ·mol-1 8 Anhang 142 Bildung von Crotonaldehyd aus Vinylalkohol: OH OH n O n - H2O Tabelle IK 5: Gruppenbeiträge zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der Bildung von Crotonaldehyd aus Vinylalkohol. „Inkremente“ -CH2- -CH- -OH -CH=CH- -CH3 -CHO H2O 0 IK H∆ in kJ·mol-1 - 23,63 - 4,39 - 186,61 + 71,84 - 48,70 - 142,26 0 f H∆ in kJ·mol-1 - 244,75 molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 2 x -CH2- + 2 x -CH- + 2 x -OH 2⋅(-23,63) + 2⋅(-4,39) + 2⋅(-186,61) = - 429,26 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 1 x -CH=CH- + 1 x -CH3 + 1 x -CHO + 1 x H2O 1⋅(+71,84) + 1⋅(-48,70) + 1⋅(-142,26) + 1⋅(-244,75) = - 363,87 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = - 363,87 kJ·mol-1 – (- 429,26 kJ·mol-1) = + 65,39 kJ·mol-1 8 Anhang 143 Bildung von Essigsäure aus Vinylacetat: O OH OH + O OH Tabelle IK 6: Gruppenbeiträge zur Berechnung der molaren Standardreaktionsenthalpie der Bildung von Essigsäure aus Vinylacetat. „Inkremente“ -CH2- -CH- -OH -CH=CH- -CH3 -COO- -COOH 0 IK H∆ in kJ·mol-1 - 23,63 - 4,39 - 186,61 + 71,84 - 48,70 - 333,88 - 389,11 molare Standardbildungsenthalpie Edukt 0f H∆ (Ed): 2 x -CH2- + 2 x -CH- + 1 x -OH + 1 x -COO- + 1 x -CH3 2⋅(-23,63) + 2⋅(-4,39) + 1⋅(-186,61) + 1⋅(-333,88) + 1⋅(-48,70)= - 625,23 kJ·mol-1 molare Standardbildungsenthalpie Produkt 0f H∆ (Pr): 1 x -CH=CH- + 1 x -CH2- + 1 x -CH- + 1 x -OH + 1 x -CH3 + 1 x -COOH 1⋅(+71,84) + 1⋅(-23,63) + 1⋅(-4,39) + 1⋅(-186,61) + 1⋅(-48,70) + 1⋅(-389,11)= - 580,60 kJ·mol-1 molare Standardreaktionsenthalpie 0r H∆ : 0 r H∆ = 0 f H∆ (Pr) - 0f H∆ (Ed) = - 580,6 kJ·mol-1 – (- 625,23 kJ·mol-1) = + 44,63 kJ·mol-1 8 Anhang 144 Literaturverzeichnis [1] : Nolte H.H., „PYRODOR UND PYROSTOP“; Produktvorteile, Anwendungs- beispiele, Systemvielfalt, INTERSCHUTZ, Vortragsveranstaltung, (1994); S.2 ff [2] : Zachariasen W.H., Acta Crystallogr., (1954); 7: S.305 ff [3] : Johnston H.L., Kerr E.C., J. 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Meinen Kollegen und Freunden Andre, Dieter, Mattin, Thomas, Ulli, Stefan, Franek, Rainer, Andi, Rolf und Norbert danke ich für die stetige positive Unterstützung und die vielen schönen Stunden. Nur mit eurer Mithilfe konnte diese Arbeit gelingen. Bei Robert, Christian, Otto, Michael, Kevin, Helmut, Heiko, Rainer, Ralf, Elisabeth, Inge, Claudia, Annika, Andrea, Susanne, Ilona, Ulla, Gabi, Martina und Diana bedanke ich mich für interessante und lehrreiche Erkenntnisse während meiner Promotion. Mein ganz besonderer Dank gilt aber meinen Eltern, die immer an mich geglaubt haben und die mich auf meinen nicht immer einfachen Weg mit aller Liebe begleitet und unterstützt haben. 8 Anhang 148 Lebenslauf Name Ralf Smolinski Geburtsdatum 12. Januar 1967 Geburtsort Bochum-Wattenscheid Ausbildung 1973 – 1977 Grundschule Schonnebecker Str. in Gelsenkirchen-Rotthausen 1977 – 1983 Gymnasium Schulzentrum in Gelsenkirchen-Ückendorf 1983 – 1986 Ricarda-Huch Gymnasium in Gelsenkirchen Juni 1986 Abitur 1986 – 1993 Studium der Chemie an der Universität Dortmund Juni 1992 – Februar 1993 Diplomarbeit bei der Pilkington AG Gelsenkirchen mit dem Thema:„Untersuchungen der Glasübergangstemperatur von n-Butylacrylat / Hydroxyalkylacrylat Copolymeren als Vergussmasse für photovoltaische Systeme“ Februar 1993 Diplom in Chemie Juni 1992 – Juni 1996 freier Mitarbeiter bei der Pilkington AG in Gelsenkirchen im Sicherheits- und Brandschutzlabor Juli 1996 Beginn der Promotion am Lehrstuhl für Physikalische Chemie Ia der Universität Dortmund Juli 1998 – August 1999 wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Dortmund September 1999 – Juli 2003 wissenschaftlicher Angestellter an der Universität Dortmund