Bewegungsorientierte Interventionen und depressive Erkran- kungen Ein Prä-Post-Vergleich von zwei unterschiedlich akzentuierten bewegungs- therapeutischen Interventionen vorgelegt von Alexander Heimbeck als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) in der Fakultät Rehabilitationswissenschaften der Universität Dortmund Dortmund 2008 Betreuer: Prof. Gerd Hölter Betreuer: Prof. Edgar Geissner – ii – Vorwort und Danksagung Eine Menge Menschen war beteiligt, damit diese Arbeit überhaupt entstehen konnte. Allen möchte ich für die Unterstützung Danke sagen, auch wenn an dieser Stelle nicht jeder Ein- zelne namentlich genannt werden kann. Die Datenerhebung wurde in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee durchgeführt. An dieser Stelle möchte ich mich zunächst für die guten wissen- schaftlichen Rahmenbedingungen vor allem beim ärztlichen Leiter und Chefarzt, Hr. Prof. Manfred Fichter bedanken. Des Weiteren möchte ich mich bei Hr. Prof. Edgar Geissner für die Zeit bedanken, die er sich genommen hat, um in anregenden inhaltlichen Diskussionen dem Projekt zu einer kla- ren Struktur zu verhelfen. Besonders möchte ich mich bei Oberarzt Hr. Dr. Christian Ehrig bedanken für die sehr un- terstützende und motivierende Haltung, die er mir gegenüber und dem Projekt gezeigt hat. Auch meinem Team der Abteilung Sport und Bewegungstherapie, das das Projekt organisa- torisch mitgetragen und auch inhaltlich mit Diskussionen begleitet hat, möchte ich einen großen Dank aussprechen. Bei Hr. Prof. Gerd Hölter bedanke ich mich für die engagierte Betreuung. Vor allem die un- terstützenden und fruchtbaren Diskussionen in den verschiedenen Doktorandenkolloquien motivierten mich. An dieser Stelle gebührt natürlich auch allen Probandinnen und Probanden ein großes Dan- keschön, für die große Geduld beim Fragbogenausfüllen, die hohe Motivation in den teilge- nommenen Stunden und die zusätzlichen Mühen, die durch die Studienteilnahme entstan- den sind. Einen großen Dank sage ich auch meiner Mutter, Erna Heimbeck, die mich sehr wohlwol- lend unterstütze, meinem Vater, Ludwig Heimbeck, der immer wieder motivierend im Hinter- grund stand, aber auch meinem Bruder, Fabian Heimbeck, der bei technischen Problemen am Computer immer ein kompetenter und geduldiger Ansprechpartner war. Der ganz besondere Dank aber gilt meiner Frau Marion, meinen Kindern Valentin, Emma und Quirin, die mit ihrer Geduld und Nervenstärke es überhaupt ermöglichten, dass neben dem normalen Alltag diese Dissertation entstehen konnte. Inhaltsverzeichnis – iii – Inhaltsverzeichnis Vorwort und Danksagung ..................................................................................................... ii Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. iii Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. vi Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ vii Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... viii 1 Einleitung ......................................................................................................................... 1 1.1 Epidemiologie ............................................................................................................ 3 1.2 Verlauf ....................................................................................................................... 4 1.3 Komorbidität depressiver Störungen......................................................................... 5 1.3.1 Psychiatrische Komorbidität .............................................................................. 5 1.3.2 Kardiovaskuläre und andere somatische komorbide Erkrankungen einer depressiven Störung.......................................................................................... 6 1.4 Symptomatik-Diagnostik .......................................................................................... 7 1.5 Therapie der Depression ......................................................................................... 9 1.5.1 Psychopharmaka............................................................................................... 9 1.5.2 Psychotherapie................................................................................................ 11 1.5.3 Ergänzende Therapieverfahren....................................................................... 12 2 Bewegungstherapie und Depression.......................................................................... 13 2.1 Körperliche Aktivität in epidemiologischen Längsschnittstudien............................. 13 2.2 Metaanalysen .......................................................................................................... 15 2.3 Darstellung einzelner Untersuchungen ................................................................... 17 2.4 Wirkfaktoren ............................................................................................................ 23 2.4.1 Physiologische Erklärungsansätze.................................................................. 23 2.4.2 Psychologische Erklärungsansätze................................................................. 24 2.5 Zusammenfassende Betrachtung des Kapitels und Ausblick ................................. 27 3 Verständnis klinischer Bewegungstherapie............................................................... 29 4 Ätiologiemodelle............................................................................................................ 33 4.1 Biomedizinische Krankheitsmodelle........................................................................ 33 4.1.1 Störungen im Neurotransmittersystem............................................................ 33 4.1.2 Erbliche und genetische Faktoren................................................................... 36 4.1.3 Risikofaktoren für das Entstehen einer depressiven Störung ......................... 37 4.2 Psychosomatische Modellvorstellungen ................................................................. 39 4.2.1 Psychodynamische Modelle............................................................................ 39 4.2.2 Verhaltenstheoretische Modelle ...................................................................... 42 4.2.3 Vulnerabilität und Life Events......................................................................... 43 4.2.4 Multifaktorieller Erklärungsansatz ................................................................... 46 4.3 Gesundheitsorientierte Ätiologiemodelle................................................................. 47 Inhaltsverzeichnis – iv – 4.3.1 Modell der Resilienz ........................................................................................ 47 4.3.2 Salutogenesemodell ........................................................................................ 49 5 Salutogenese und Depression – Integration bestehender Modelle ......................... 54 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven 57 6.1 Differenzierung von Zielen ...................................................................................... 57 6.2 Von Richtzielen zu Feinzielen, Ziele aus der Theorie............................................. 59 6.3 Auswahl an Verfahren/Methoden klinischer Bewegungstherapie........................... 64 6.3.1 Sporttherapeutische Verfahren ....................................................................... 66 6.3.2 Entspannungstechniken .................................................................................. 66 6.3.4 Leiborientierte Methoden................................................................................. 68 6.3.5 Methoden der Körperpsychotherapie .............................................................. 70 6.3.6 Methoden der Gesprächsführung.................................................................... 72 7 Fragestellung, Hypothesen und Operationalisierung ............................................... 74 8 Methode.......................................................................................................................... 76 8.1 Rekrutierung der Probanden ................................................................................... 76 8.2 Stichprobe ............................................................................................................... 76 8.2.1 Dropouts .......................................................................................................... 76 8.2.2 Überprüfung der Dropout-Patienten auf systematische Unterschiede zum Zeitpunkt t2....................................................................................................... 77 8.2.3 Demografische Daten...................................................................................... 77 8.3 Untersuchungsverfahren und Messmethoden ........................................................ 79 8.3.1 Das Beck-Depressions-Inventar (BDI) ............................................................ 80 8.3.2 Der Fragebogen Sens of Coherence (SOC) ................................................... 81 8.3.3 Der Fragebogen zu Achtsamkeit/Aufmerksamkeit und Bewusstheit; Mindful Attention Awareness Scale (MAAS)................................................................ 82 8.3.4 Der Fragebogen zum Konstrukt des spielerischen Welterlebens (SPW) ....... 82 8.3.5 Der Fragebogen zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen zu Krankheit und Gesundheit (KKG) ........................................................................................... 83 8.3.6 Bewertung der Therapie.................................................................................. 84 8.3.7 Der Fragebogen habituelle körperliche Aktivität (HKA)................................... 85 8.3.8 Hausaufgabenbogen „Ideen für Vorsätze zu Hause“...................................... 86 8.3.9 Überprüfung der Ideen für die Vorsätze zu Hause.......................................... 87 8.3.10 Der 2-km-Walkingtest ................................................................................... 87 8.4 Untersuchungsplan ................................................................................................. 88 8.5 Ablauf der Interventionsgruppen ............................................................................. 90 8.5.1 Intervention: Gruppe Ausdauertraining ........................................................... 92 8.5.2 Intervention: Gruppe störungsspezifische Bewegungstherapie...................... 92 8.5.3 Gruppe störungsspezifische klinische Bewegungstherapie............................ 94 8.6 Statistische Verfahren ............................................................................................. 97 Inhaltsverzeichnis – v – 9 Ergebnisse ..................................................................................................................... 99 9.1 Entwicklung der depressiven Symptomatik........................................................... 101 9.2 Ergebnisse bezüglich psychosozialer Aspekte ..................................................... 102 9.2.1 Ergebnisse bezüglich bewegungstherapeutisch relevanter psychosozialer Parameter...................................................................................................... 102 9.2.2 Übergeordneter psychosozialer Aspekt – Kohärenzgefühl ........................... 113 9.3 Ergebnisse zur Fragestellung der physiologischen Parameter körperlicher Fit- ness ......................................................................................................................... 114 10 Diskussion ................................................................................................................... 117 10.1 Störungsspezifische Bewegungstherapie vs. Standardtherapie – depressive Symptomatik............................................................................................................ 117 10.2 Beeinflussung psychosozialer Aspekte ............................................................... 120 10.2.1 Bewegungstherapeutisch relevante psychosoziale Aspekte...................... 120 10.2.2 Übergeordneter Aspekt – Kohärenzgefühl ................................................. 129 10.3 Körperliche Fitness – 2-km-Walkingtest .............................................................. 131 10.4 Zusammenfassung .............................................................................................. 132 10.5 Fazit ..................................................................................................................... 134 11 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 136 12 Anhang ......................................................................................................................... 165 Tabellenverzeichnis – vi – Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Zusammenfassung affektiver Störungen nach ICD-10 ..........................................8 Tabelle 2: Zusammenfassung typischer depressiver Symptome............................................8 Tabelle 3: Die wichtigsten Wirkstoffgruppen aktueller Antidepressiva im Überblick.............10 Tabelle 4: Zusammenfassung Literaturrecherche bezüglich körperlicher Aktivität und Depression............................................................................................................17 Tabelle 5: Zusammenfassung psychodynamischer Modellvorstellungen.............................41 Tabelle 6: Typische Copingstrategien ...................................................................................45 Tabelle 7: Diagnostische und biografische Daten der Stichprobe und ihre Verteilung auf beide Interventionsgruppen. ...........................................................................78 Tabelle 8: Standardtherapieprogramm der medizinisch psychosomatischen Klinik Roseneck..............................................................................................................91 Tabelle 9: Überblick der verschiedenen bewegungstherapeutischen Interventionsgruppen............................................................................................91 Tabelle 10: Vorstellung der einzelnen Module störungsspezifische BWT für Patienten mit Depression......................................................................................................94 Tabelle 11: Zusammenfassung der statistischen Kennwerte zu den untersuchten Variablen.............................................................................................................100 Tabelle 12: Vergleichsstichprobe zum KKG..........................................................................106 Tabelle 13: Ergebnisse und Häufigkeiten im Walkingtest .....................................................115 Abbildungsverzeichnis – vii – Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Beziehungsgefüge der Selbstwirksamkeit ........................................................27 Abbildung 2: Ausgewählte bewegungstherapeutische Verfahren..........................................29 Abbildung 3: Klinische Bewegungstherapie im Schnittpunkt von Medizin, Psychologie und Bewegungswissenschaft ............................................................................30 Abbildung 4: Salutogenesemodell nach ANTONOVSKY ...........................................................52 Abbildung 5: Einordnung dargestellter Erklärungsmodelle der depressiven Störung in das Salutogenesemodell ...................................................................................56 Abbildung 6: Faktoren der Zielbestimmung ...........................................................................59 Abbildung 7: Grafische Darstellung des Untersuchungsdesigns ...........................................88 Abbildung 8: Grafische Darstellung des Untersuchungsdesigns und der Messinstru- mente.................................................................................................................89 Abbildung 9: Grafische Darstellung des Verlaufs der depressiven Symptomatik anhand des BDI...............................................................................................102 Abbildung 10: Veränderung der Achtsamkeit (MAAS) zu den drei Messzeitpunkten............103 Abbildung 11: Veränderung des spielerischen Welterlebens zu den drei Messzeit- punkten............................................................................................................103 Abbildung 12: Veränderung der habituellen körperlichen Aktivität ........................................105 Abbildung 13: Bewertung ausgewählter Wirkfaktoren in der Therapie ..................................108 Abbildung 14: Geplante Teilnahme an einer professionellen Sportgruppe im Verein, Fitnessstudio etc. ............................................................................................109 Abbildung 15: Geplante vs. tatsächliche Teilnahme an einem professionell angeleiteten Sportprogramm ...............................................................................................111 Abbildung 16: Geplanter und durchgeführter Umfang an körperlicher Aktivität in der Gesamtstichprobe ...........................................................................................112 Abbildung 17: Veränderung des Kohärenzsinns (SOC) zu den drei Messzeitpunkten .........114 Abkürzungsverzeichnis – viii – Abkürzungsverzeichnis ANOVA: Analysis of Variance BEW: Fragebogen: Awareness – Mindfulness BDI: Becks Depression Inventar BKT-Kur Köperkoordinationstest BWT: Bewegungstherapie d. E.: depressive Episode DBT: Depressionsbewältigungstherapie DSM: Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen EKT: Elektrokrampftherapie ES: Effect Size FKKS: Frankfurter Körperkonzeptskalen GSK: Grundlagen Sozialer Kompetenz HKA: Habituelle körperliche Aktivität Hfmax: Maximale Herzfrequenz IBT: Integrative Bewegungstherapie ICD: International Classification of Diseases KBT: Konzentrative Bewegungstherapie KLC Fragebogen zu Kontrollüberzeugungen klin: klinisch KKG: Gesundheits-Krankheitsbezogene Kontrollüberzeugung M: Mean MANOVA: Multiple Analysis of Variance MAAS: Mindfull Awareness Attention Scale NNB: Nicht näher benannt n. s.: nicht signifikant p: probability r: Rangkorrelationskoeffizient SCL-R: Symptom Check List – Revised SD: Standard Deviation SOC: Sense of Coherence SPAK: Sportliche Aktivität SPW: Spielerisches Welterleben 1 Einleitung – 1 – 1 Einleitung Es scheint, dass die Anzahl der an Depression erkrankten Menschen zu- nimmt. So schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass trotz der zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen affektive Störungen bis zum Jahr 2020 den zweiten Platz in der Häufigkeit nach kardiovaskulären Erkrankungen einnehmen werden (WELTGESUNDHEITSBERICHT 2001). Das Krankheitsbild und die Symptomatik der Depression sind jedem Menschen in seinen unterschiedlichen Ausprägungen geläufig. Ebenfalls bekannt sind die etablierten Therapiemethoden, Antidepressiva oder Psychotherapie, welche sehr gut erforscht sind. Andere Therapiemethoden werden bestenfalls als Begleittherapie genannt (HAUTZINGER 1997). Auch die Sport- und Bewe- gungstherapie (BWT) wird nur als ergänzende Therapiemethode angeführt oder als Möglichkeit der Therapie gar nicht erst erwähnt (WOLFERSDORF 2001; HÖFLER 2006), und das obwohl deren Wirksamkeit in der Reduzierung der depressiven Symptomatik gut nachgewiesen ist (MUTRIE 2000). Die man- gelnde Anerkennung anderer Fachdisziplinen trotz gut nachgewiesener Ef- fekte lässt die Frage nach den Ursachen offen. Zum Teil mögen berufspoliti- sche Gründe oder bestimmte Therapietraditionen eine Rolle spielen. Zwei tiefer liegende Motive dürften jedoch die oft mangelnde methodische Qualität der durchgeführten Studien und das fast ausschließlich am Symptom orien- tierte Vorgehen sein. Das Hauptanliegen der meisten durchgeführten Unter- suchungen ist die Frage, ob ein durchgeführtes Ausdauertraining bzw. Kraft- training kurz- oder längerfristig Effekte auf die depressive Symptomatik zeigt. Depressionsauslösende und -aufrechterhaltende Faktoren werden außer Acht gelassen, genauso wie die Tatsache, dass die Sport und Bewegungs- therapie ein weites Feld mit vielen unterschiedlichen Verfahren ist. Die Idee der Arbeit ist, bisherige bewegungstherapeutische Interventionen zur Therapie von Depression zusammenzufassen und ein theoriegeleitetes indikationsspezifisches Modell zu erarbeiten, das krankheitsauslösende und -aufrechterhaltende Faktoren sowie ein breiteres Spektrum bewegungsthe- rapeutischer Maßnahmen integriert. Im Sinne eines evidenzbasierten Vorge- hens erfolgt eine empirische Überprüfung des neu vorgestellten Modells. Die Verfahren, die in den meisten Studien untersucht werden, sind Ausdau- ertraining oder Krafttraining. Diese werden in der vorliegenden Arbeit als 1 Einleitung – 2 – Standardtherapie bezeichnet. Das als neu vorgestellte Verfahren müsste streng genommen jeweils mit der genauen Bezeichnung „indikationsspezifi- sche klinische Bewegungstherapie bei Depression“ benannt werden. Wegen besserer Verständlichkeit und Lesbarkeit wird nur der Begriff störungsspezifi- sche Bewegungstherapie verwendet. HÖLTER definiert den Begriff „klinische BWT“ als „Oberbegriff für alle Methoden, die Bewegung, Spiel und Sport als Bewegungs- und Ausdruckshandlung mit instrumentellen, sensiblen, sozialen und symbolischen Funktionen verstehen und in Prävention, Rehabilitation und Therapie nutzen“ (2008, 35). Die Mehrdimensionalität und die damit ver- bundene mögliche Verfahrensvielfalt kommen dabei deutlich zum Ausdruck. Wenn unter Bewegungstherapie klinische BWT verstanden wird, zielen the- rapeutische Maßnahmen auch auf krankheitsauslösende sowie -aufrechterhaltende Aspekte und Verhaltensweisen ab. Hierzu gibt es zwar in Ansätzen indikationsspezifische bewegungstherapeutische Konzepte, die aber nicht ausreichend empirisch überprüft sind. Der Text gliedert sich in zwei große Abschnitte. Die Kapitel eins bis sechs beschäftigen sich mit den theoretischen Grundlagen der relevanten Themen- gebiete. Im ersten Kapitel der Arbeit wird ein allgemeiner Überblick über die Thematik gegeben. Das zweite Kapitel fasst den Stand der Forschung be- züglich Bewegungstherapie und Depression zusammen. Es erklärt aus ver- schiedenen Sichtweisen vermutete Wirkfaktoren bezüglich bewegungsthera- peutischer Interventionen und gibt einen Hinweis auf vorhandene Schwächen der bisherigen Untersuchungen. Im dritten Kapitel erfolgt daraufhin eine allgemeine Erläuterung klinischer Bewegungstherapie mit der Idee, vor allem die Mehrdimensionalität der Sport- und Bewegungstherapie zum Ausdruck zu bringen. Da die Studie speziell für Menschen mit Depression durchgeführt wurde, ist es eine logi- sche Konsequenz, sich in dieser Arbeit auf wichtige Erklärungsmodelle zur Entstehung der Krankheit zu beziehen (Kap. 4). Da die verschiedenen Ätio- logiemodelle und die daraus resultierenden Aspekte unverbunden nebenein- ander existieren, dient das in Kapitel fünf vorgestellte Salutogenesemodell zur Einordnung typischer krankheitsbezogener Defizite und Ressourcen. Die daraus abzuleitenden bewegungstherapeutischen Ziele sind im Kapitel sechs dargestellt. 1 Einleitung – 3 – Die Kapitel sieben bis zehn gehen auf Fragen zur Durchführung der Studie ein und umfassen die Auswertung der Daten, Ergebnisse sowie Schlussfol- gerungen, die aus der Arbeit zu ziehen sind. Der folgende Abschnitt des ersten Kapitels gibt einen allgemeinen Überblick zur Häufigkeit sowie zum Verlauf der Krankheit, zur depressiven Symptoma- tik und Komorbidität der depressiven Störung. 1.1 Epidemiologie Affektive Störungen sind nach dem WELTGESUNDHEITSBERICHT der WHO (2001) die dritthäufigste Erkrankung in den sog. Industrienationen. Es wird geschätzt, dass trotz der zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen affektive Störungen nach kardiovaskulären Erkrankungen bis zum Jahr 2020 den zweiten Platz in der Häufigkeit einnehmen werden. In einer US-amerikanischen Studie (NCS; KESSLER ET AL. 1997) liegt die Le- benszeitprävalenz der Major Depression bei 17,1 % für die Allgemeinbevöl- kerung. Die Einjahresprävalenz liegt bei 10,3 %. Ähnliche Werte ermitteln sowohl die niederländische NEMESIS-Studie (BIJL ET AL. 1998) mit 15,4 % Lebenszeitprävalenz als auch WITTCHEN ET AL. (2000) für die Bundesrepublik mit 8,3 % Einjahresprävalenz. KESSLER ET AL. (2003) und WITTCHEN & JACOBI (2005) stimmen überein, dass Frauen ca. zweimal so häufig an Depressionen erkranken wie Männer. Für das Auftreten einer depressiven Störung ergibt sich ein statistisch rele- vanter Altersunterschied. So zeigen die Jahrgänge nach dem Zweiten Welt- krieg das doppelte Risiko, an einer Depression zu erkranken, wie Angehörige des Jahrgangs 1905 (BARTH 2004, 16). HAUTZINGER (1997, 164) beschreibt ebenfalls, dass sich der Altersgipfel für das erstmalige Auftreten einer De- pression von 30 bis 40 Jahren auf 18 bis 30 Jahre vorverlagert hat. BARTH (2004) diskutiert als Gründe für Altersunterschiede nicht nur mögliche ätiolo- gisch relevante Faktoren wie erhöhte sozioökonomische Belastungen im jun- gen Erwachsenenalter oder eine intrinsische Reduktion der Vulnerabilität im höheren Lebensalter, sondern auch methodische Artefakte, wie erhöhte so- matische Komorbidität und Exzessmortalität Depressiver, Erinnerungseffek- 1 Einleitung – 4 – te, fehlerhafte Bewertung depressiver Symptome und reduzierte Validität der Erhebungsinstrumente im höheren Lebensalter. 1.2 Verlauf Der Beginn und der Verlauf depressiver Störungen sind variabel. Der Beginn kann nach einem besonderen Ereignis sehr plötzlich auftreten, aber in der Regel sich über Wochen oder Monate hinziehen. Häufig werden einige Sym- ptome einer Depression nicht sofort bemerkt oder nicht als solche gedeutet (Schlafstörungen, Libidoverlust, Appetitmangel usw.). Neueren Arbeiten zu- folge liegt der Median der Phasendauer für Ersterkrankungen bei 5 Monaten (HAUTZINGER 1997, 168). Nach KELLER ET AL. (1992) sind innerhalb eines Zeit- raumes von 6 Monaten 50 % aller Erkrankungen wieder abgeklungen. Der Krankheitsverlauf ist meist durch einen episodenhaften, rezidivierenden Cha- rakter geprägt. Die Zykluslänge bei periodisch verlaufenden unipolaren Er- krankungen liegt im Schnitt bei 4,5 bis 5 Jahren (HAUTZINGER 1997, 168). PI- CINELLI UND WILKINSON (1994) geben Rezidivraten von 26 % innerhalb eines Jahres an, die sich im Zeitraum von zehn und mehr Jahren auf 76 % auswei- ten. Als bedeutsamer Risikofaktor für einen chronischen Verlauf wird die An- zahl vorausgegangener Episoden bewertet; während das Rückfallrisiko nach der ersten Episode bei ca. 50 % liegt (GRADY ET AL. 1997), steigt es nach der zweiten Episode auf 75 % und nach der dritten auf über 90 % (NIMH CON- SENSUS DEVELOPMENT CONFERENCE STATEMENT 1985) an. Scheinbar bleiben nach einer depressiven Erkrankung biologische Auffälligkeiten zurück (KORS- ZUN 2002, NEUMEISTER 2005). Ähnlich wie bei chronischen Schmerzsyndro- men, das „Schmerzgedächtnis“, hinterlassen Depressionen neurobiologische Auffälligkeiten im Stoffwechsel und Spuren im Gehirn, wie z. B. ein vermin- dertes Volumen des Hippocampus. Daraus kann man folgern, dass eine zeitnahe und ausreichende Behandlung einer depressiven Episode eine prä- ventive Wirkung bezüglich rezidivierender Episoden haben könnte. Mögli- cherweise lassen zukünftig Untersuchungen des Hirnstoffwechsels Voraus- sagen zu, ob eine erhöhte Gefahr erneuter depressiver Symptome besteht. Patienten mit akut bevorstehendem Rückfall zeigen in PET-Untersuchungen vor dem Auftreten erneuter behandlungsbedürftiger Symptome eine vermin- 1 Einleitung – 5 – derte Aktivität des Stoffwechsels im orbitofrontalen Cortex, im dorsolateralen praefrontalen Cortex und im Thalamus (BREMNER 2000). Nach einer schwe- ren depressiven Episode bleiben meist Symptome zurück. Neuere Untersu- chungen gehen von einem Kontinuum aus, an dessen einem Ende ge- ringgradige depressive Syndrome wie dysthyme Störungen, wiederkehrende kurze depressive Episoden oder subsyndromale symptomatische Depressio- nen stehen, sowie am anderen Ende die voll ausgeprägten und schweren rezidivierenden depressiven Störungen. Die Tendenz geht dahin, dass es sich nicht um jeweils grundverschiedene Erkrankungen handelt, sondern um Syndrome eines Krankheitsspektrums (KENNEDY 2004). Folglich könnte da- von ausgegangen werden, dass die Symptomatik der Betroffenen in diesem Spektrum je nach Lebensabschnitt, Belastungen und im Verlauf der Zeit fluk- tuiert. 1.3 Komorbidität depressiver Störungen Es ist bekannt, dass das Vorliegen einer depressiven Störung mit einer Viel- zahl an komorbiden Störungen assoziiert ist. Da Bewegung, mit der sich die- se Arbeit hauptsächlich beschäftigt, auf viele dieser begleitenden Krankhei- ten, wie z. B. die koronare Herzkrankheit, einen positiven Einfluss hat, wird im Folgenden der Zusammenhang zu unterschiedlichen komorbiden Erkran- kungen kurz dargestellt. 1.3.1 Psychiatrische Komorbidität Psychische Störungen haben eine hohe Rate an Komorbidität. KESSLER ET AL. (2003) beschreiben in der „NCS-R“-Studie, dass fast 79 % der untersuch- ten Personen zusätzlich zur bestehenden Diagnose „Major Depression“ die DSM-IV-Kriterien für eine weitere psychiatrische Diagnose erfüllen. Die NE- MESIS-Studie zeigt eine Komorbiditätsrate aller Achse-I-Störungen nach DSM-IV-Kriterien, bezogen auf die Lebenszeit von 45 % mit einer Diagnose von 22,6 % mit zwei, 10,9 % mit drei und 11,4 % mit vier Diagnosen. REGIER ET AL. (1998) beschreiben, dass 42,2 % der Studienteilnehmer mit einer Ma- jor Depression auch die Kriterien für eine komorbide Angststörung erfüllen. 1 Einleitung – 6 – 1.3.2 Kardiovaskuläre und andere somatische komorbide Erkrankun- gen einer depressiven Störung Die Einjahresprävalenzen einer Major Depression werden auf ca. 10 % ge- schätzt (NCS; KESSLER ET AL. 1994). Die Prävalenzrate für den Fall, eine De- pression zu entwickeln, liegt hingegen bei stationär behandelten Patienten für koronare Herzerkrankung bei 18 %, mit einem akuten Myokardinfarkt bei 18 %, für terminale Niereninsuffizienz bei 30 %, für chronische Schmerzen bei 32 % und für Pankreaskarzinom bei 33 % und damit weit über der der Allgemeinbevölkerung (BARTH 2004, 28). Nach WELLS ET AL. (1989) weisen Probanden mit einer affektiven Störung die höchste Rate an chronischen somatischen Erkrankungen im Vergleich zur Normalbevölkerung auf. BARTH (2004, 29) weist unter der Nennung einer Anzahl an Arbeiten darauf hin, dass die häufigste Todesursache depressiver Probanden kardiovaskuläre und cerebrovaskuläre Erkrankungen sind, ähnlich wie in der Allgemeinbevöl- kerung, jedoch mit dem Unterschied, dass die Mortalität von Depressiven in dem untersuchten Vierjahreszeitraum bei 32,4 % im Vergleich zur Kontroll- gruppe bei 14 % liegt (MURPHY ET AL. 1988, zit. nach BARTH 2004). KETTERER (2006/2000) geht sogar so weit zu sagen, dass die Ursachen, die zu einer Depression beitragen, so unterschwellig sind, dass sie vielleicht nie diagnos- tiziert werden, aber Prädiktoren für Morbidität und Mortalität koronarer Herzerkrankung darstellen. Metaanalysen z. B. von MUSELMAN ET AL. (1998) unterstützen die Aussage, dass das Vorliegen einer depressiven Störung als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer kardiovaskulären Er- krankung interpretiert werden kann. Auch für einen Apoplex wird das Vorhandensein einer depressiven Sympto- matik als unabhängiger Risikofaktor diskutiert (EVERSON ET AL. 1998). Das Vorliegen einer depressiven Störung als Risikofaktor für eine somatische Erkrankung wurde besprochen. Im Folgenden werden weitere Beispiele für das Risiko einer Depression als Komorbidität im Rahmen einer somatischen Erkrankung aufgezeigt. So sind nach einem Schlaganfall etwa 30 bis 50 % der Betroffenen nach ROBINSON & STARKSTEIN (1990) an einer Depression erkrankt. Bei Parkinsonpatienten schätzt man die Prävalenzraten auf 20 bis 30 % (WHYTE & MULSANT 2002). 1 Einleitung – 7 – Für Menschen mit Diabetes Mellitus berechnen GAVARD ET AL. (1993) ein dreifach erhöhtes Risiko, an einer Depression zu erkranken. In der Literatur bezüglich risikobehafteter Lebensstile und der Ausprägung genannter Erkrankungen wird körperliche Inaktivität immer wieder als Risiko- faktor benannt (SMITS & ZVOLENSKY 2006; GRACE ET AL. 2007; CARLSSON ET AL. 2006). Eine große Anzahl an Untersuchungen belegt die Wirksamkeit physischer Aktivität bei den oben erwähnten komorbiden Erkrankungen, egal ob in Prä- vention oder in der Rehabilitation. Als Beispiele für die Wirksamkeit von Be- wegung bei Angststörungen sind Arbeiten von BROOCKS (1997), aktueller von BROMAN-FULKS (2004), GAUL-ALACOVA ET AL. (2005) oder LARUN ET AL. (2006) zu nennen. Für Diabetes können beispielhaft Arbeiten von LOGANATHAN ET AL. (2006) oder BRODERICK ET AL. (2003) angeführt werden, für kardiovaskulä- re Erkrankungen WISLOFF ET AL. (2006) und ADAMU (2006) oder für die Krebsnachsorge DEMARK-WAHNFRIED (2006). 1.4 Symptomatik-Diagnostik Zur Operationalisierung und Objektivierung der Diagnostik depressiver Stö- rungen werden verschiedene Kriterien vorgeschlagen. Weit verbreitet ist das amerikanische „Diagnotic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM- IV). Durch die Weltgesundheitsorganisation wurde das „International Classifi- cation of Diseases“ überarbeitet, so dass nun die weltweit gültige 10. Revisi- on (ICD-10) vorliegt, das hierzulande das verbindliche Diagnosesystem dar- stellt (vgl. HAUTZINGER 1998, 5). Beiden Klassifikationssystemen gemeinsam ist die weitgehende Verpflichtung zur deskriptiven, auf wissenschaftlichen Evidenzen basierenden, möglichst hoher Zuverlässigkeit verpflichteter Dia- gnostik. 1 Einleitung – 8 – Tabelle 1: Zusammenfassung affektiver Störungen nach ICD-10 Diagnostische Kategorien ICD 10 Manische Episode (F30) Bipolare Störung (F31) • hypomanische Episode • mit psychotischen Symptomen • ohne psychotische Symptome Depressive Episode (F32) • ohne somatische Symptome • mit somatischen Symptomen • ohne psychotische Symptome • mit psychotischen Symptomen Rezidivierende depressive Störung (F33) • mit/ohne somatische/n Symptome/n • mit/ohne psychotische/n Symptome/n Depressive Episoden gelten als „leicht“, wenn 4 bis 5, als „mittelschwer“, wenn 6 bis 7, und als „schwer“, wenn 8 und mehr der in Tabelle 2 aufgeliste- ten depressiven Symptome gleichzeitig vorliegen. Tabelle 2: Zusammenfassung typischer depressiver Symptome Depressive Episode mindestens 5 der folgenden Symptome gleichzeitig während eines Zeitraumes von mind. 2 Wochen (depressive Stimmung oder Interessensverlust muss darunter sein): • depressive Verstimmung • deutlich vermindertes Interesse oder Freude • Gewichtszunahme/-verlust • Schlaflosigkeit • Unruhe, Hemmung, Verlangsamung • Müdigkeit, Energieverlust • Wertlosigkeit, Schuld • Konzentrationsprobleme • Todeswunsch, Suizidideen 1 Einleitung – 9 – 1.5 Therapie der Depression Die am besten untersuchten therapeutischen Ansätze der depressiven Stö- rung sind die Pharmakotherapie und die Psychotherapie, hier insbesondere die Verhaltenstherapie. Tiefenpsychologisch oder analytisch fundierte Me- thoden haben zwar eine lange Therapietradition, es existieren jedoch wenige empirische Studien. Andere Interventionen werden als therapiebegleitende Maßnahmen beschrieben. Die allgemeine Bewegungstherapie gehört zu die- sen begleitenden Maßnahmen. Da die Effekte von Sport und körperlicher Aktivität gut nachgewiesen sind und das Thema der Bewegungstherapie in dieser Arbeit eine besondere Stellung einnimmt, wird es an gesonderter Stel- le genauer beschrieben. 1.5.1 Psychopharmaka Die Pharmakotherapie der Depression beruht auf zahlreichen Substanzgrup- pen und Substanzen, deren pharmakologischer Wirkmechanismus außeror- dentlich heterogen ist. Folgende Tabelle fasst die einzelnen Wirkstoffgruppen, Wirkungen und Ne- benwirkungen zusammen. 1 Einleitung – 10 – Tabelle 3: Die wichtigsten Wirkstoffgruppen aktueller Antidepressiva im Überblick (Höffler 2006) Wirkstoffgruppe Wirkstoff Wirkung unerwünschte Wirkungen Nichtselektive Monoamin- Rückaufnahme Inhibitoren (NSMRI) Amitriptylin Clomipramin Trimipramim Doxepin u. a. Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt. Erhöhung der serotonergen und noradrenergen Neurotransmission Mundtrockenheit, Obstipation Gewichstzunahme Sedierung, Schwindel, Blutdruckabfall u. a. Selektive Serotonin- Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) Citalopram Fluoxetin Sertralin u. a. Erhöhung der zentralen serotonergen Neurotransmission durch selektive Hemmung der Rückaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt Übelkeit, Erbrechen, Unruhe, Schlafstörungen, Störungen der Sexualfunktion u. a. Monoaminoxidase-(MAO-) Inhibitoren Moclobemid Tranylcypromin Hemmung des Enzyms Monoaminooxidase (MAO), auf diese Weise Hemmung des Abbaus von biogenen Aminen. Dadurch Anreicherung der Amine im Plasma und in der Zelle (Präsynapse). So stehen die Transmitter für eine Signalübertragung im erhöhten Maß zur Verfügung Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Schlafstörungen u. a. Neuere Antidepressiva: Selektive Serotonin- /Noradrenalin Rückaufnahmeinhibitoren (SSNRI) Selektiver Noradrenalin rückaufnahme-Inhibitor (SNRI) SSNRI: Venlaflaxin, Duloxetin SNRI: Reboxetin selektive Beeinflussung der serotogenen oder noradrenergenen Neurotransmission, bei relativ günstigem Nebenwirkungsprofil Sedierung, Benommenheit, Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Obstipation Schwitzen, Übelkeit u. a. Alpha2-Adrenozeptor- Antagonisten Alpha2-Adrenozeptor- Antagonisten: Minaserin, Mirtazipin selektive Beeinflussung der serotogenen oder noradrenergenen Neurotransmission, bei relativ günstigem Nebenwirkungsprofil Sedierung, Benommenheit, Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Obstipation Schwitzen, Übelkeit u. a. Bei der Behandlung mit Antidepressiva treten häufig Nebenwirkungen auf wie z. B. Mundtrockenheit, Sedierung, Blutdrucksenkung, Libidostörungen, Koordinationsstörungen, Schwitzen, Sehstörungen, Magen-Darm-Probleme, Verstopfung, Zittern, Kopfschmerzen, die zum Teil sehr unangenehm sein können, sich jedoch oft nach wenigen Tagen deutlich zurückbilden oder ganz verschwinden. Eine solche Erfahrung führt jedoch oft zu zusätzlicher Unsi- cherheit und damit zu verminderter Compliance von Patienten. Alles in allem bildet die Pharmakotherapie neben der Psychotherapie in Deutschland eine tragende Säule der Behandlung depressiver Patienten, obwohl Kritik bezüglich der Wirksamkeit seitens der Wissenschaft durchaus geäußert wird. KIRSCH ET AL. (1998, 22) bemerken hierzu in einer durchgeführten Metaanalyse: „These data raise the possibility that the apparent drug effect (25 % of the drug response) is actually an active placebo effect. Examination of pre-post effect sizes among depressed individuals assigned to no-treatment or wait-list control groups suggest that approximately one quarter of the drug response is due to the administration of an active medication, one half is a placebo effect, and the remaining quarter is due to other nonspecific factors.” 1 Einleitung – 11 – In einem aktuelleren Artikel von MONCRIEFF & KIRSCH (2005, 156) geht die Tendenz der Bewertung einer Therapie mit Antidepressiva in die gleiche Richtung: „The NICE review data suggest that selective serotonin reuptake inhibitors do not have a clinically meaningful advantage over placebo, which is consistent with other recent meta-analyses. In addition, methodological artefacts may account for the small effect seen. Evidence that antidepressants are more effective in more severe conditions is not strong, and data on long term outcome of depression and suicide do not provide convincing evidence of benefit.“ FRITZE bemerkt in der Ausgabe 05/2005 des Arznei-Telegramms das erhöhte Risiko für Suizidalität bei der Behandlung von Depressionen mit Serotonin- Wiederaufnahmehemmer v. a. zu Beginn der Therapie. „Seit Anfang der 90er Jahre nehmen Hinweise aus Versuchen mit gesunden Probanden, Fallserien und randomisierten klinischen Studien zu, dass selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Paroxetin (SEROXAT u. a.) Selbsttö- tungstendenzen verstärken können.“ Auch wenn die Behandlung mit Antide- pressiva eine unverzichtbare Säule in der Therapie Depressiver darstellt, so unterstreicht die vorhandene Datenlage eine durchaus kritische Sichtweise dieser Behandlungsmethode. Dazu bleibt anzumerken, dass, obwohl es „sta- te of the art“ ist, jegliche Ausprägung der Depression mit Psychopharmaka zu behandeln, deren Wirkungsweise keinesfalls so gut abgesichert ist wie gemeinhin angenommen wird (MÜHLIG 2007). 1.5.2 Psychotherapie Psychotherapeutische Verfahren haben sich mittlerweile in der Therapie von Depressionen etabliert. Insbesondere für verhaltenstherapeutische Methoden gibt es eine Vielzahl an Nachweisen der Wirksamkeit. Aktuelle Studien bei- spielsweise von FAVA (2004) zeigen, dass depressive Patienten durch die Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie bei einem Sechs-Jahres- Follow-up signifikant weniger häufig rückfällig sind als Patienten, die aus- schließlich mit Psychopharmaka behandelt wurden. Auch die Ergebnisse von CASACALENDA (2002) zeigen, dass Psychotherapie zur ersten Wahl bei einer depressiven Störung gehört. Auch wenn manche Autoren argumentieren (RIFKIN 2003), dass aufgrund mangelnder Placebobedingungen bei einigen Studien nicht generell von der Wirksamkeit psychotherapeutischer Maßnah- men ausgegangen werden kann, so ist doch durch groß angelegte Studien, 1 Einleitung – 12 – wie die Studie des US-amerikanischen National Institute of Mental Health (ELKIN ET AL. 1994), die Wirksamkeit im Prinzip nachgewiesen. Auch die be- rechneten Effektstärken, z. T. über 1.0 (vgl. LAMBERT 2004, 139 ff.), ver- schiedener Studien weisen auf die große Wirksamkeit von vor allem verhal- tenstherapeutisch orientierten psychotherapeutischen Verfahren hin. Besonders schwer Depressive profitieren vor allem von medikamentöser Therapie, während bei weniger stark beeinträchtigten Patienten die oft auftre- tenden unerwünschten Nebenwirkungen im Vordergrund stehen können. In diesem Zusammenhang ist die Compliance des Patienten zu sehen und der Faktor der Selbstwirksamkeit zu nennen. Die Effekte von Psychotherapien treten langsamer ein als die von Pharmakotherapien, halten dafür nach Ab- setzen der Therapie aber länger an (POSER 2001, 474). 1.5.3 Ergänzende Therapieverfahren Alle anderen Therapieverfahren wie Licht-, Elektrokrampf-, Ergo-, Sozial- und Musiktherapie, aber auch die Sport- und Bewegungstherapie werden als er- gänzende oder begleitende Therapiemaßnahme empfohlen. 2 Bewegungstherapie und Depression – 13 – 2 Bewegungstherapie und Depression Die Bedeutung von Sport- und Bewegungstherapie in der Therapie von De- pressionen ist als randständig anzusehen, obwohl durchaus viele, mittlerwei- le qualitativ hochwertige Studien zum Thema Depression und antidepressive Wirksamkeit körperlicher Aktivität existieren. In verschiedenen Lehrbüchern wird Bewegungstherapie entweder gar nicht erwähnt (HAUTZINGER 1997) oder nur als therapiebegleitende Maßnahme beschrieben (WOLFERSDORF 2001). Die folgenden Kapitel geben einen Überblick über wichtige Studien zum Thema Depression und körperliche Aktivität bzw. Bewegungstherapie. Des Weiteren werden vermutete Wirkfaktoren vorgestellt. 2.1 Körperliche Aktivität in epidemiologischen Längs- schnittstudien Es gibt mittlerweile starke Hinweise, dass körperliche Aktivität in einem weit gefassten Sinne mit der Entwicklung einer depressiven Störung zusammen- hängt. Menschen mit einem niedrigeren Aktivitätsniveau neigen eher dazu, eine Depression zu entwickeln. FARMER ET AL. (1988) konnten in einer Studie mit 1497 Probanden in einem Achtjahreszeitraum feststellen, dass Frauen, die nicht oder wenig körperlich aktiv waren, ein doppeltes Risiko hatten, an einer Depression zu erkranken, wie Frauen mit mäßiger bis hoher körperli- cher Aktivität. Für männliche Teilnehmer der Studie konnte der Zusammen- hang nicht festgestellt werden, wobei körperlich nicht aktive Männer, die zu Beginn der Studie eine Depression hatten, mit einer hohen Wahrscheinlich- keit auch nach acht Jahren wieder oder noch als depressiv eingestuft wur- den. 1991 brachten CAMACHO ET AL. eine große und lang angelegte Studie mit Da- ten aus der „Alameda County Study“ zu diesem Thema heraus. Im Zeitraum von 1965 bis 1983 wurden 1799 Probanden hinsichtlich ihrer körperlichen Aktivität und der Entwicklung depressiver Symptome beobachtet. Studien- teilnehmer, die zu Beginn der Studie wenig Aktivität zeigten, hatten zum Fol- low-up 1974 ein signifikant erhöhtes Risiko, an einer Depression erkrankt zu 2 Bewegungstherapie und Depression – 14 – sein, im Gegensatz zu den Personen, die ein hohes Maß an körperlicher Ak- tivität angaben. Das relative Risiko lag bei den Frauen bei 1,7 und den Män- nern bei 1,8. Für Menschen, die 1965 und 1974 ein niedriges Aktivitätsmaß zeigten, wurde ein 1,22-fach erhöhtes Risiko errechnet, 1983 an einer De- pression erkrankt zu sein. Für Personen, die zuerst ein hohes Maß an Aktivi- tät hatten und 1974 ein niedriges Niveau angaben, war die Wahrscheinlich- keit 1,61-fach erhöht. Bei Menschen mit der Angabe eines zuerst niedrigen und dann hohen Maßes an Aktivität lag ein 1,11-fach erhöhtes Risiko vor. WEYERER (1992) kommt in einer Erhebung in Bayern mit 1536 Teilnehmern über einen Zeitraum von fünf Jahren zu ähnlichen Ergebnissen. Körperlich nicht Aktive haben ein 3,15-fach erhöhtes Risiko einer depressiven Störung. Menschen, die sich nur unregelmäßig bewegten, hatten ein 1,55-fach erhöh- tes Risiko im Gegensatz zu denen, die sich regelmäßig bewegten. Im Unter- schied zur Studie von CAMACHO war der Mangel an körperlicher Bewegung kein Prädiktor für das Erkrankungsrisiko nach fünf Jahren. PAFFENBARGER ET AL. (1994) bestätigen in einer Längsschnittuntersuchung die bisher getroffenen Aussagen. Junge Männer im Alter von 23 bis 27 Jah- ren haben den Ergebnissen der Studie zufolge eine um 27 % erniedrigte Wahrscheinlichkeit, an einer depressiven Störung zu erkranken, wenn sie zum ersten Messzeitpunkt mehr als drei Stunden pro Woche sportlich aktiv waren, als Gleichaltrige, die nur eine Stunde Sport oder weniger treiben. PAFFENBARGER ET AL. (1994) machen sogar Aussagen hinsichtlich eines Zu- sammenhangs der Höhe des wöchentlichen Gesamtenergieverbrauchs und des relativen Risikos einer Depression. So haben Personen, die mehr als 2500 kcal pro Woche verbrauchen, ein um 28 % vermindertes Risiko im Ver- gleich zu Personen, die nur 2499 bis 1000 kcal verbrauchen. Menschen mit einem Energieverbrauch von 1000 bis 2499 kcal pro Woche haben immer noch ein um 17 % vermindertes Risiko, eine Depression zu entwickeln, im Gegensatz zu Studienteilnehmern, die noch weniger Aktivität angaben. Die angeführten Beispiele zeigen eine Verbindung zwischen körperlicher In- aktivität und der Ausprägung einer Depression. Außer in der Studie von WEYERER (1992) kann das Maß der körperlichen Aktivität als Prädiktor für das Auftreten einer Depression interpretiert werden. Da nicht alle Ergebnisse 2 Bewegungstherapie und Depression – 15 – statistisch signifikant waren, ist es sicherlich nötig, die Ergebnisse mit mehr Datenmaterial in Zukunft zu untermauern. 2.2 Metaanalysen Zwei Metaanalysen zum Thema Wirksamkeit von Bewegungstherapie bei Depression zeigen Hinweise auf positive Effekte (MC DONALD & HODGDON 1991; NORTH, MC CULLAGH & TRAN 1990). Die Ergebnisse von Metaanalysen hängen in besonderem Maße von der Qualität der zugrunde liegenden Daten ab. So ist als ein Kritikpunkt zu den beiden genannten Metaanalysen anzu- führen, dass kaum Untersuchungen mit klinischen Stichproben in die Be- rechnung eingingen. CRAFT & LANDERS (1998) versuchten diesen Punkt zu berücksichtigen und nahmen in ihre Metaanalyse nur Studien mit Patienten auf, welche die dia- gnostischen Kriterien einer depressiven Störung erfüllten. Diese Metaanalyse schließt 30 Studien ein, davon viele unveröffentlichte Dissertationen. Die Arbeit stimmt mit den vorher angeführten Studien im Hinblick darauf ü- berein, dass Bewegung und Sport positive Effekte auf die Entwicklung von Depressionen haben (NORTH ET AL. 1990, CALFAS & TAYLOR 2004, CRAFT & LANDERS 1998). Die Ergebnisse der verschiedenen Arbeiten sind konsistent und weisen Effektstärken zwischen -0.53 und -0.72 auf. LAWLOR UND HOPKER (2001) schlossen in ihre Analyse nur randomisierte Stu- dien mit klinischen Stichproben ein und fanden eine Effektstärke von -1.1 für die sportlichen Übungsgruppen im Vergleich mit den Kontrollgruppen ohne Behandlung. Ferner geht aus dieser Arbeit hervor, dass es keinen Unter- schied für die Veränderung der depressiven Symptomatik macht, ob „aerobic oder non-aerobic training“, meist in Form von Ausdauertraining (aerob) oder Krafttraining (non-aerob), stattfindet. LAWLOR & HOPKER verweisen aber auf das Fehlen von Studien mit adäquaten Katamnesen. Aus den ihr vorliegenden Zahlen schließt MUTRIE (2000), dass ein kausaler Zusammenhang zwischen vermehrter körperlicher Aktivität und der Vermin- derung depressiver Symptomatik besteht: „although the small number of stu- dies involved means that this must be a cautious conclusion.“ Sie argumen- tiert weiter, dass die acht Kriterien HILLS (1965, zit. nach MUTRIE 2000) für 2 Bewegungstherapie und Depression – 16 – den Beweis eines Kausalzusammenhangs erfüllt seien. Ein aktuellerer Über- sichtsartikel von CRAFT & PERNA (2004) fasst die bisherigen Ergebnisse ähn- lich positiv zusammen: „therefore […] the meta-analytic data provide support for the efficacy of exercise in reducing symptoms of depression. […] there is strong evidence to advocate the use of exercise as a potentially powerful adjunct to existing treatments.” STATHOPOULOU (2006) gibt in einer Metaanalyse für elf ausschließlich ran- domisierte Studien eine Effektstärke von 1.42 an und unterstützt die bisher gemachten Aussagen über die Wirksamkeit sport- und bewegungstherapeu- tischer, überwiegend übungszentrierter Maßnahmen wie Ausdauer oder Krafttraining. Dennoch bleibt festzustellen, dass der gefundene Zusammenhang vorsichtig formuliert bleiben muss. Mehrere Autoren sind sich einig (MUTRIE 2000, LAW- LOR & HOPKER 2001, VAN DE VLIET 2002), dass die Qualität der zugrunde lie- genden Studien oft mangelhaft ist. So fehlen Untersuchungen mit großen Gruppen, randomisierte Stichproben sind in der Vergangenheit eher die Aus- nahme, die Beschreibung des Interventionsprogramms ist oft lückenhaft, die Kontrolle von Störvariablen findet nicht statt oder fehlt in der Beschreibung, es gibt praktisch keine Blindversuche, außerdem sind Studien mit klinischen Stichproben eher unterrepräsentiert und es wird nichts gesagt über Drop- Out-Raten genauso wie das Fehlen langfristiger Katamnesezeiträume be- mängelt wird. In die Analyse von LAWLOR & HOPKER 2001 geht beispielsweise nur eine Studie mit einem längeren Follow-up-Zeitraum ein. Allerdings kann gerade diese Studie keine unterschiedlichen Effekte zu den Kontrollgruppen (kognitive Therapie und Meditation) nachweisen. Alle anderen Studien, größ- tenteils unveröffentlichte Arbeiten, maßen ihre Effekte direkt nach der Inter- vention ohne Katamnese. Als relativ gesichert gilt, dass • aerobes Ausdauertraining die gleichen Effekte auf milde bis schwere Depressionen ausübt wie andere Interventionen, beispielsweise Kraft- training oder Antidepressiva. 2 Bewegungstherapie und Depression – 17 – • bewegungstherapeutische Maßnahmen häufig als wirksam beschrie- ben werden. Aber auch wenn keine methodische Mängel bestehen, sind Kausalzusammenhänge nur sehr schwer nachzuweisen. • in den vorliegenden Studien keine negativen Nebenwirkungen be- schrieben werden. • als optimale Trainingsumfänge gelten: dreimal pro Woche 30 bis 60 Minuten mindestens über acht Wochen. 2.3 Darstellung einzelner Untersuchungen Die nachstehende Tabelle 4 gibt einen Überblick ausgewählter Studien (peer-reviewed) zur Wirkung verschiedener Trainingsprogramme auf Patien- ten mit klinisch relevanter Depression. Tabelle 4: Zusammenfassung Literaturrecherche bezüglich körperlicher Aktivität und Depression Autoren n Treatmentgruppen Design (Wochen/Intensität/ Häufigkeit/Dauer) Statistisch signifikan- te Ergebnisse Martinsen et al. (1985) 49 A. aerobes Training + Psychotherapie B. Psychotherapie 9/50-70 % VO2max/ 3/60 Min. A > B Doyne et al. (1987) 40 A. Walking/Laufen B. Krafttraining C. Warteliste 8/80 % Hfmax (A) oder <50-60 % Hfmax (B)/4/30 Min. Gruppe A und B signifi- kante Verbesserung der Symptome, A = B Hannaford et al. (1988) 25 A. Laufen B. Unspezifische sportliche Aktivität 8/60-80 % Hfmax/ 3/60 Min. Signifikante Verbesse- rung der Symptomatik, A = B Sexton et al. (1989) 52 A. Walking B. Running 8/angenehmes Tem- po (A) oder 70 % Hfmax (B)/3-4/30 Min. Signifikante Verbesse- rung der Symptomatik A = B Martinsen et al. (1989) 99 A. aerobes Training B. Kraft und Flexibili- tätstraining 8/ ?/ 3/ 60 Min. Beide Gruppen Verbes- serungen in depressiver Symptomatik, nur Aus- dauergruppe Verbesse- rung bei Vo2max Singh et al. 32 A: Krafttraining 10/ ?/ 3/ ? Signifikante Verbesse- 2 Bewegungstherapie und Depression – 18 – (1997) B: Aufmerksamkeits- training rung in A: und B. Ver- besserung in A > B Erkelens & Golz (1998) 60 A. aerobes Training B. aerobes Trai- ning/Einbeziehung psychologischer Aspekte 12/ ?/ 2-3/ ? Beide Gruppen Verbes- serung depressiver Symptomatik A = B Blumenthal et al. (1999) 156 A. Walking/Jogging B. Antidepressiva C. A + B 16/70-85 % Hfmax/ 4/45 Min. Sign. Verbesserung un- ter allen Bedingungen A = B = C Pennix et al. (2002) 439 A. Ausdauertraining B Krafttraining 12/50-70 % Hfmax/3 /60 Min. A. Sign. Verbesserung Hölter et al. (2002) 122 A. Körpertherapie und Psychotherapie insg. 13,5h/Woche für die Dauer eines Klinikaufenthalts Sign. Verbesserung der Untersuchten Variablen (SOC, FKKS, KLC, BKT-KUR) Dimeo et al. (2001) 12 A. Ausdauertraining 10d/70-85 % Hfmax/ 10/30 Min. Sign. Verbesserung Dunn et al. (2005) 80 A. Ausdauertraining (PHD) B. Ausdauertraining (LD) C. Placebo 12/17.5kcal/kg/week 5X od. 3X 12/7.0kcal/kg/week 5X od. 3X Flexibilitätstr. Signifikant größere Ver- besserung in A als B und C. Knubben et al. (2006) 38 A. Walking B. Flexibilitätstrai- ning und Entspan- nungsübungen 10d/70-85 % Hfmax/ 10/30 Min. Signifikant größere Ver- besserung der Sym- ptome in A. Heimbeck & Süttinger (2007) 30 A. Walking B. allg. BWT 4/50-60 % Hf/3/50 Min. Signifikante Verbesse- rung in A und B. Aus verschiedenen Arbeiten ist zu folgern, dass sowohl Trainingsprogramme mit dem Inhalt Ausdauertraining als auch Kraft- bzw. Flexibilitätstraining die gleichen symptommildernden Wirkungen auf die depressive Symptomatik haben (DOYNE ET AL. 1987, MARTINSEN ET AL. 1989). Darüber hinaus zeigt sich in diesen Studien, dass auch nicht sportspezifische Inhalte, wie Entspan- nungstraining, Meditation, Rückenschule etc., wie sie oft für Kontrollgruppen verwendet werden, zu ähnlich symptomreduzierenden Ergebnissen führen. Eine Verbesserung der kardiovaskulären Fitness ist nicht unbedingt nötig, 2 Bewegungstherapie und Depression – 19 – um Symptommilderung zu erreichen (HANNAFORD, HARRELL & COX 1988, AL- FERMANN & STOLL 1997). HEIMBECK UND SÜTTINGER 2007 untersuchten die kurzfristige Wirkung zweier unterschiedlicher bewegungstherapeutischer Programme (Ausdauertraining vs. störungsspezifische Bewegungstherapie) auf 30 klinisch depressive Patienten. Das Ausdauertraining wurde über vier Wochen dreimal pro Woche jeweils 50 Minuten durchgeführt, störungsspezi- fische BWT mit themenspezifischen Inhalten erhielten die Patienten ebenfalls insgesamt 150 Minuten pro Woche eher als ruhiges Angebot. Beide Pro- gramme hatten dieselbe Wirkung auf die kurzfristige Befindlichkeit, gemes- sen vor und nach der Einheit (Vitalität, intrapsychisches Gleichgewicht, Vigili- tät), erhoben mit dem Basler Befindlichkeitsfragebogen. Einige neuere Untersuchungen deuten auf größere Effekte durch aerobes Ausdauertraining hin. PENNIX ET AL. 2002 untersuchten 439 ältere Personen über 60 Jahre mit einer anfänglich mittleren oder hohen depressiven Sym- ptomatik, gemessen mit dem Center For Epidemiologic Studies Depression Scale (CES-D). Die Versuchspersonen wurden zufällig den Gruppen „ge- sundheitliche Psychoedukation“ (Kontrollgruppe), „Krafttraining“ oder „Aus- dauertraining“ zugeteilt. Die Depressivität sowie funktionale Merkmale wie Gehgeschwindigkeit, Schmerz etc. wurden sowohl zu Beginn als auch nach 3, 9 und 18 Monaten gemessen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe und der Krafttrainingsgruppe war die Verbesserung der depressiven Symptomatik in der Ausdauertrainingsgruppe signifikant besser. Die größten Verbesserun- gen ergaben sich für die Personen mit der größten Compliance. Ähnliche Ergebnisse liefert eine Studie von DUNN ET AL. (2005), in der die Dosierung von körperlichem Training genauer untersucht wurde. Insgesamt wurden 80 Probanden den Versuchsbedingungen oder der Placebo- kontrollgrupe zugeteilt. Die Versuchsbedingungen waren vier unterschiedli- che Gruppen. Eine Gruppe bekam aerobes Ausdauertraining mit der Intensi- tät von 17,5 kcal/kg/Woche mit fünf Trainingseinheiten, die zweite Gruppe die gleiche Intensität mit nur drei Trainingseinheiten. Die dritte Gruppe bekam ein Ausdauertraining mit der Intensität von 7,0 kcal/kg/Woche mit fünf Einhei- ten und die vierte Gruppe erhielt ebenfalls eines mit der gleichen niedrigen Intensität, jedoch wieder nur mit drei Trainingseinheiten. In der Placebogrup- pe wurde ein Flexibilitätstraining durchgeführt. Aufnahmebedingung für die 2 Bewegungstherapie und Depression – 20 – Studie war die Diagnose einer Major Depression, diagnostiziert durch das „Structured Clinical Interview for Depression“ (SCID), und ein Wert von 12– 25 in der Hamilton Rating Scale for Depression. Der Haupteffekt war eine signifikante Verminderung der Depressivität, gemessen mit der Hamilton De- pressionsskala nach 12 Wochen. Für die Gruppen mit dem intensiveren Training ergab sich eine Verbesserung von 47 % der Skalenwerte, für die Gruppen mit der niedrigeren Trainingsintensität eine Verbesserung von 30 % und für die Placebogruppe 29 %. Es hatte keinen Einfluss, ob die Trainings- häufigkeit bei dreimal oder fünfmal pro Woche lag. Die genannten Unter- schiede sind signifikant. Die Autoren messen damit einem Ausdauertraining mit der Intensität von 17,5 kcal/kg/Woche eine größere Wirksamkeit bei als Trainingsformen mit niedrigerer Intensität. Eine weitere Studie von SINGH (1997) zeigt, dass „Krafttraining“ eine effektive antidepressive Therapie darzustellen scheint. Hierfür wurden 32 ältere Pro- banden (über 60 Jahre) randomisiert und entweder einer Placebokontroll- gruppe mit Aufmerksamkeitstraining oder einer Kraftsportgruppe zugeteilt und über 10 Wochen in den jeweiligen Gruppen betreut. Die Kraftsportgrup- pe unterschied sich signifikant von der Kontrollgruppe, es konnte ein Einfluss der Intensität des Trainings auf die Abnahme der Depression festgestellt werden. Im Vergleich zu etablierten Therapieformen wie der Pharmakotherapie sind die abgebildeten Effekte ähnlich. Nach anfänglich verzögerter Wirkung wer- den dieselben Werte in der Symptommilderung erreicht wie in der Therapie mit Antidepressiva oder es werden psychotherapieverstärkende Effekte be- richtet (BLUMENTHAL ET AL. 1999, GREIST ET AL. 1979, MARTINSEN ET AL. 1985). Durch das verzögerte Einsetzten der Wirkung wird im Allgemeinen davon ausgegangen, wie im vorherigen Kapitel schon erwähnt, dass als Mindest- maß für eine optimale bewegungstherapeutische Intervention von acht Wo- chen auszugehen ist. Demgegenüber konnten DIMEO ET AL. (2001) und auch KNUBBEN ET AL. (2006) in ihren Studien die Wirksamkeit von Ausdauertraining auf die Befindlichkeit von Menschen mit klinischer Depression in einem kurzen Zeitraum (10 Tage) nachweisen. KNUBBEN (2006) verglich eine Gruppe „Walking“ (n = 20) mit einer Kontrollgruppe (n = 18) „Stretching und Entspannungsübungen“. Die 2 Bewegungstherapie und Depression – 21 – Reduzierung depressiver Symptome war in der Walkinggruppe schon nach 10 Tagen signifikant größer, sodass davon ausgegangen werden kann, dass auch kurzfristiger angelegte Programme Wirkung zeigen können. Als optimale Trainingsumfänge gelten dreimal 30 bis 60 Minuten pro Woche Bei moderater Intensität (Hf: 60-80 % Hfmax) sind keine Nebenwirkungen zu erwarten (MUTRIE 2000) bzw. zu beobachten. Bewegungstherapeutische Maßnahmen werden von den Patienten subjektiv als hilfreich (HÖLTER, BEUDELS & BRAND 2002), oft auch hilfreicher als Psy- chotherapie oder Psychopharmakotherapie (SEXTON 1989) bewertet. Die Er- gebnisse von BABYAK (2000) zeigen, dass Patienten, die an einem Sportpro- gramm teilnahmen, signifikant weniger Rückfälle zeigen als Studienteilnehmer mit Medikation. Auch wenn das Ergebnis nichts über die Wirksamkeit klinischer Bewegungstherapie aussagt, ist zu vermuten, dass hier Zusammenhänge mit einer Erhöhung der Selbstwirksamkeit, die auch als Wirkfaktor diskutiert wird, beobachtet werden können (vgl. VAN DE VLIET 2002). Insgesamt ist festzustellen, dass überwiegend Studien durchgeführt werden, in denen die Wirkung übungszentrierter Maßnahmen, wie Ausdauertraining, Flexibilitätstraining oder Krafttraining, auf das Ausmaß der Depression, er- fasst mit Messinstrumenten wie dem Beck Depressionsinventar (BDI), über- prüft wird. Es gibt wenige Untersuchungen, die versuchen, den Einfluss des bewussten Einsatzes von Bewegung auf bestimmte Aspekte der Persönlich- keitsmerkmale und Verhaltenseigenschaften von Depressiven zu untersu- chen. Andere Verfahren klinischer Bewegungstherapie wie Entspannungstraining, Feldenkrais, Yoga, Sport und Spiel usw. finden kaum Beachtung in der For- schung, obwohl durchaus theoriegeleitete, depressionsspezifische Ansätze bestehen (HAAS 1999 u. 2001). Diese Maßnahmen, die im erlebnistherapeu- tischen Sinne besonders geeignet sind, Persönlichkeitsmerkmale und Ver- haltensmuster zu beeinflussen und die auch unter dem Begriff Bewegungs- therapie subsumiert werden, werden bestenfalls als Kontrollgruppe verwendet. 2 Bewegungstherapie und Depression – 22 – Es gibt wenige Ausnahmen, wie die Studien von KNAPEN ET AL. 2003 oder HÖLTER ET AL. 2002, die bestätigen können, dass Patienten eine „ganzheitli- chere“ Herangehensweise im Sinne klinischer BWT ebenfalls als hilfreich empfinden und sich dabei auch Symptomreduktionen beobachten lassen. ERKELENS UND GOLZ (1998) gehen mit einer lang angelegten sowie umfas- send beschriebenen Studie ebenfalls in diese Richtung und stellten 1998 das Berliner Sportprogramm zur Behandlung depressiver Störungen vor. Die Autoren leiten aus HAUTZINGERS (1997) mulitfaktoriellem Modell zur Ent- stehung von Depressionen bestimmte Übungsformen ab, die bei der bewe- gungstherapeutischen Behandlung von Depressionen indiziert sind. ERKELENS & GOLZ (1998) untersuchen die Wirkungen des Sporttreibens an 60 depressiven Untersuchungsteilnehmern. Das Programm bestand aus 32 therapeutischen Einheiten über den Zeitraum von 12 Wochen mit einer Fre- quenz von zwei- bis dreimal pro Woche. Im Zentrum der Maßnahme standen Ausdaueraktivitäten wie Laufen und Gehen. Allerdings wurde die Aktivität in vielfältige Wahrnehmungs-, Besinnungs- und Entspannungsphasen einge- bettet, sodass letztendlich ein komplexes sport- und bewegungstherapeuti- sches Programm entstand. Besonders interessant ist die Differenzierung in eine sportliche und eine psychologische Variante des Programms: Während das Bewegungsprogramm bei beiden gleich war, wurden in der psychologi- schen Variante ausgewählte Aspekte aus der kognitiven Verhaltenstherapie, wie z. B. Anspruchsniveauregulierung oder die Auseinandersetzung mit der erlernten Hilflosigkeit, thematisiert. Im Vergleich zu einer randomisierten Kon- trollgruppe (n = 20) zeigten sich bei 70 % der Teilnehmer der beiden sport- therapeutischen Versuchsgruppen (n = 36) Langzeitwirkungen im Hinblick auf die Depression (sowohl nach eigener Einschätzung als auch im Fremdur- teil), auf gesundheitliche Beschwerden sowie auf ausgewählte kognitive und physiologische Variablen und dies über einen Zeitraum von vier Jahren. Ein Unterschied zwischen der sportlichen Variante und der psychologischen Va- riante war nicht festzustellen, was die Autoren z. T. auf die geringe psycho- therapeutische Erfahrung der Leiter zurückführen (die Studie wird auch be- schrieben in MACZKOWIAK, HÖLTER & OTTEN 2007). Das Fehlen weiterer Studien, welche die Thematik umfassender und nicht nur symptomorientiert untersuchen, ist auf der einen Seite verwunderlich, da 2 Bewegungstherapie und Depression – 23 – mit den verschiedenen Methoden der Bewegungstherapie die vielschichtigen Aspekte einer Depression gut bearbeitet werden können, und auf der ande- ren Seite verständlich, da diese Methoden vom jeweiligen Therapeuten erst selbst gelernt, verstanden, erfahren und schließlich zur Anwendung gebracht werden müssen, sodass die Methode eines einfachen Krafttrainings oder Ausdauertrainings in der Therapie Depressiver leichter umzusetzen ist. Wenn man sich von Symptomen leiten lässt, ist außerdem sehr schnell die Überlegung getroffen, dass bei einer Depression natürlich die Aktivierung im Sinne von Ausdauersport das therapeutische Hauptanliegen ist. Damit ist aber Bewegungstherapie tatsächlich nur reines Beiwerk zu anderen Thera- pieformen und beraubt sich selbst seiner vorhandenen Möglichkeiten. Die aktuelle Diskussion und die Wiederentdeckung des Körpers in der Psy- chotherapie (GEUTER 2006) zeigen, dass im Bereich der Körperpsychothera- pie großer Diskussions- und Forschungsbedarf besteht. Unter klinischer Be- wegungstherapie ist aber mehr als Körperpsychotherapie und mehr als Ausdauertraining zu verstehen (vgl. Deimel & HÖLTER 2008 und Kap. 3). Die im Anschluss erörterten Wirkfaktoren körperlicher Bewegung und sportli- cher Aktivität bei Depression zeigen, dass die bestehenden Erklärungsansät- ze zur positiven Wirkung erhöhter körperlicher Aktivität nicht ausgereift sind und jedes der im folgenden genannten Modelle für sich genommen nur Teil- aspekte eines komplexen Spektrums an Wirkfaktoren erklären kann. Die ein- zelnen Modelle sind nicht in einem übergeordneten Modell eingeordnet und existieren nebeneinander. Die Literatur der vergangenen Jahre (ABELE 1994, ERKELENS & GOLZ 1998, TKACHUK 1999, VAN DEVLIET 2004, CRAFT UND PERNA 2004, MARTINSEN 2005) bringt keine neuen Modelle hervor, dabei wird auch nicht versucht, die vorhandenen Modelle zu integrieren. 2.4 Wirkfaktoren 2.4.1 Physiologische Erklärungsansätze Ausgehend von einem biomedizinischen Krankheitsmodell wird in den phy- siologischen Erklärungsansätzen versucht, die Veränderung des psychi- schen Befindens durch eine Veränderung bestimmter physiologischer Para- meter zu erklären. 2 Bewegungstherapie und Depression – 24 – 2.4.1.1 Veränderung des Katecholaminhaushaltes Die „Serotoninhypothese“ basiert auf der Annahme, dass bei Menschen mit einer depressiven Symptomatik die Höhe des Serumspiegels von Seratonin entweder die Ursache einer Depression ist oder die Vulnerabilität für das Entstehen einer Depression erhöht (siehe auch Kap. 4.1.1). 2.4.1.2 Veränderung des Endorphinspiegels Die Veränderung des Endorphinspiegels veranlasste zur Vermutung, eine Erhöhung der Konzentration des „Glückshormons“ habe positive Wirkung auf die Ausprägung einer depressiven Störung. Dieser Zusammenhang wird in Kapitel 4.1.1 näher beschrieben. 2.4.1.3 Thermoregulationshypothese Die „Thermoregulationshypothese“ besagt, dass ein Ansteigen der Körper- kerntemperatur verantwortlich ist für die Reduktion depressiver Symptome. DE VRIES (1981) erklärt, dass der Temperaturanstieg in bestimmten Regio- nen des menschlichen Gehirns, wie dem Stammhirn, zu Gefühlen von Ent- spanntheit und gesenktem Muskeltonus führen kann. Diese These hat mehr Bedeutung in der Therapie von Angstpatienten, weil hier die Beobachtung gemacht wurde, dass ein Mensch mit niedrigem Muskeltonus die Angst vor den ihn sonst ängstigenden Objekten verliert (WOLPE 1966, zit. nach ERKE- LENS UND GOLZ 1998). 2.4.1.4 Verbesserte Durchblutung des zentralen Nervensystems Es wird allgemein davon ausgegangen, dass eine erhöhte Funktionsbereit- schaft unterschiedlicher körperlicher Ebenen in der Summe dazu führt, aus- gleichend auf das zentrale Nervensystem und die neuronale Aktivität zu wir- ken (KOSTRUBALA 1986, zit. in ERKELENS & GOLZ 1998). 2.4.2 Psychologische Erklärungsansätze Neben den am biomedizinischen Modell orientierten Erklärungsversuchen gibt es auch einige psychologische Erklärungsmodelle. 2 Bewegungstherapie und Depression – 25 – 2.4.2.1 Ablenkungshypothese Durch körperliche Aktivität findet eine Ablenkung von Sorgen und depressi- ven Gedanken statt (BAHRKE & MORGAN 1978). Auch wenn der Gedanken- gang logisch erscheint, ist nach der zeitlichen Konstanz der gewonnenen Effekte zu fragen. Wird einerseits davon ausgegangen, dass längerfristige Veränderungen depressiver Symptomatik durchaus durch kumulative Effekte kurzfristiger positiver Befindlichkeitsveränderungen zu Stande kommen kön- nen, so ist andererseits zu vermuten, dass es zwar möglich scheint, sich von einem grundlegenden Problem (evtl. durch Sport) kurzfristig abzulenken und eine Stimmungssteigerung zu erfahren, dies aber, aus der praktischen Erfah- rung abgeleitet, auf die habituelle Befindlichkeit kaum Einfluss hat, so lange ein bestehendes Problem nicht gelöst ist. SCHWENKMEZGER & SCHLICHT (1994) fordern aus diesem Grund eine stärkere Differenzierung der beobach- teten Effekte in Bezug zur Zeit sowie eine Unterteilung in Effekte auf das ak- tuelle Wohlbefinden und das habituelle Wohlbefinden. Eher ist zu vermuten, dass eine kurzfristige Stimmungssteigerung einen „Gratifikationsmechanis- mus“ darstellt, der zu regelmäßiger körperlicher Aktivität motiviert, und über diese stetig wirkende Verhaltensveränderung eine gewünschte positive Stimmungsveränderung auf habitueller Ebene erreicht werden kann. Dies entspricht aber nicht mehr der ursprünglichen These, sondern spricht mehr für Thesen wie „Erweiterung der Handlungskompetenz“ (SCHWENKMEZGER 1985) „positive Effekte auf die Selbstkompetenz“ (BIERHOFF-ALFERMANN 1986) oder die Selbstwirksamkeitshypothese, die im Folgenden näher erklärt wird. 2.4.2.2 Selbstwirksamkeitshypothese Ein umfassenderes Konzept zur Erklärung der Wirksamkeit von Bewegung ist das Modell der Selbstwirksamkeit. Grundlage ist die Selbstwirksamkeits- theorie BANDURAS (1986). Sie geht davon aus, dass Selbstwirksamkeit ent- weder aufgrund eigener Erfahrung oder der Modellwirkung anderer Men- schen erlernt werden kann. BANDURA unterscheidet zwischen Selbstwirksamkeitserwartungen und Konsequenzerwartungen. Unter Selbst- wirksamkeitserwartung versteht er die Überzeugung einer Person, in der La- ge zu sein, ein bestimmtes Verhalten organisieren und ausführen zu können. 2 Bewegungstherapie und Depression – 26 – Konsequenzerwartungen beziehen sich auf die Einschätzung möglicher Kon- sequenzen, die sich aus einem gezeigten Verhalten ergeben. Die Einschät- zung, genügend Ausdauerleistungsfähigkeit für einen Dauerlauf zu besitzen, ist eine Selbstwirksamkeitserwartung hinsichtlich seines Leistungsniveaus. Die Folgen, die man daraus erwartet, wie eine Steigerung der Stimmung, sind eine Konsequenzerwartung. Es werden drei Arten von Konsequenzer- wartungen unterschieden: körperliche, soziale und selbst-evaluative Konse- quenzen. Eine körperliche Konsequenz (Stimmungssteigerung) wurde gera- de genannt. Soziale Konsequenzen sind Lob, Annerkennung, aber auch Tadel durch andere im negativen Sinne. Persönliche Ziele und Normen steu- ern menschliches Handeln und dienen damit als Messinstrument (selbst- evaluative Konsequenzen), ob Handlungen zur eigenen Zufriedenheit, z. B. zum Zugewinn an Selbstwertgefühl, ausgeführt wurden oder nicht. Selbstwirksamkeitserwartungen lassen sich in drei Dimensionen einteilen: Niveau, Stärke und Generalität. Mit „Niveau“ ist gemeint, ob eine anstehende Handlung als Herausforderung bzw. Unter- oder Überforderung gesehen wird. „Stärke“ von Selbstwirksamkeitserwartung heißt, wie schnell jemand angesichts einer Herausforderung oder wiederholten Scheiterns aufgibt oder dennoch weitermacht. „Generalität“ beschreibt, ob jemand das Muster verall- gemeinern kann, wenn ihm eine Handlung gelingt, und sich als wirksam er- lebt. Selbstwirksamkeitserwartungen haben Einfluss auf das menschliche Verhal- ten und Erleben über die folgenden vier Prozesse: kognitive, motivationale, emotionale und Selektionsprozesse. Kognitive Prozesse sind dafür verant- wortlich, ob eher Erfolgs- oder Misserfolgsszenarien visualisiert werden. Auf der motivationalen Ebene unterscheidet BANDURA drei Funktionsweisen. So beeinflusst Selbstwirksamkeit Kausalattributionen, Konsequenzerwartungen und persönliche Standards. Auf der emotionalen Ebene werden zwei Funkti- onsweisen der Selbstwirksamkeit postuliert, welche mit den Begriffen „Co- ping efficacy“ (Bewältigungswirksamkeit) und „tought control efficacy“ (Ge- dankenkontrollwirksamkeit) bezeichnet werden. Vor allem bei Depressionen ist die Form der Gedankenkontrollwirksamkeit von Bedeutung. Darunter wird die wahrgenommene Fähigkeit verstanden, das ständige Nachdenken und Grübeln nach einer gewissen Zeit auch beenden zu können. Selektionspro- 2 Bewegungstherapie und Depression – 27 – zesse steuern bis zu einem gewissen Grad den Lebensweg von Menschen. Menschen fühlen sich von Aktivitäten regelrecht angezogen, wenn sie der Meinung sind, für die Herausforderung über die nötigen Kompetenzen zu verfügen, umgekehrt meiden Menschen für sie nicht zu bewältigende oder zu schwierige Aufgaben (vgl. FUCHS 1997, 87 f.). Folgende Vereinfachung dient noch einmal der Zusammenfassung. Die Höhe der angenommenen Selbstwirksamkeit und die Wahrnehmung ei- ner „Gesundheitsbedrohung“ lassen Menschen ab einer bestimmten Schwel- le eine sportliche Handlung aufnehmen. Dabei erfahren sie Bestätigung durch Selbstwirksamkeit sowie durch die Konsequenzen ihrer Handlung, was eine erhöhte bewegungsspezifische Motivation zur Folge haben kann, die wiederum Einfluss auf die Höhe der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit hat usw. Annahme der Selbstwirksamkeit Aufnahme von sportlichen Aktivitäten erhöhte sportspezifische Motivation Erfahrung der Selbstwirksamkeit Abbildung 1: Beziehungsgefüge der Selbstwirksamkeit (nach HUBER 1996, 102) 2.5 Zusammenfassende Betrachtung des Kapitels und Ausblick Das Kapitel gibt einige der wichtigsten Theorien bezüglich bewegungsthera- peutischer Wirkfaktoren wieder. Es entsteht der Eindruck, dass die verschie- denen Theorien ohne Verbindung nebeneinander existieren sowie keine Theorie für sich der Komplexität der Depression gerecht werden kann. Der 2 Bewegungstherapie und Depression – 28 – Erklärungsversuch über die Selbstwirksamkeit scheint der am weitesten durchdachte Ansatz zu sein, indem er versucht, komplexe Zusammenhänge darzustellen, wie es bei einem tieferen Verständnis für eine Depression nötig ist. Einfache Modelle zur Erklärung der Wirksamkeit von Bewegungs- und Sport- therapie, wie sie bisher gemacht werden, reichen nicht aus, um der Viel- schichtigkeit depressiver Störungen Rechnung zu tragen. Es ist notwendig, unterschiedliche Wirkfaktoren bewegungstherapeutischer Maßnahmen und wichtige ätiologische Variablen der Depression in einem Gesamtmodell, das über eine Gültigkeit für die klinische Bewegungstherapie verfügt, miteinander zu integrieren. Das heißt, dass ausgehend von einem Gesamtmodell, in dem die wichtigsten ätiologischen Faktoren berücksichtigt werden, Therapieziele gefunden werden müssen, um schließlich die bewegungstherapeutischen Verfahren zu benennen, mit denen die Therapieziele erreicht werden kön- nen. Zusammenfassung: Kapitel 2 beschreibt Sport und Bewegung als wirksames Instrument der Therapie bei Depressionen und benennt methodische Schwächen der vorliegenden kli- nischen Studien. Bisher existieren fast ausschließlich Studien zu übungszentrierten, auf Symptomminderung angelegte Untersuchungen. Das Krankheitsgeschehen ist vielschichtig und komplex, es ist nötig, dies in bewegungstherapeutischen Maßnahmen zu berücksichti- gen. Dies macht die Entwicklung eines übergreifenden Modells notwendig, in dem möglichst viele Aspekte des Krankheitsgeschehens Berücksichtigung finden, aus dem sich die Thera- pieziele ableiten lassen, die mit bewegungstherapeutischen Verfahren zu bearbeiten sind. 3 Verständnis klinischer Bewegungstherapie – 29 – 3 Verständnis klinischer Bewegungstherapie Wie in Kapitel 2 geschildert ist das bewegungstherapeutische Standardvor- gehen in der Behandlung von Depressionen sehr übungszentriert auf Aus- dauertraining ausgerichtet. Die Möglichkeiten, Bewegung als Therapie zu nutzen, sind jedoch vielfältig. Die gebräuchlichsten Bezeichnungen mit dem Anspruch, eine größere Gruppe von Verfahren zu bündeln, sind nach DEIMEL & HÖLTER (2008) die Physiotherapie, die Sport- und Bewegungstherapie so- wie die Körperpsychotherapie. In der Vergangenheit gab es weitere Versuche, einzelne Methoden und Ver- fahren zu ordnen. So schlug PETZOLD (1985) die Unterscheidung in übungs-, erlebnis-, konfliktzentrierte und multimodale bzw. integrative Verfahren vor. HÖLTER (1993) verortet die in der Klinik gebräuchlichsten Verfahren auf ei- nem Kontinuum zwischen Physis und Psyche, wie in der folgenden Abbil- dung 2 zu sehen ist. Integrative Bewegungs- therapie Konzentrative Bewegungs- therapie MototherapieFeldenkraisKranken-gymnastik Sport- therapie PHYSIOTHERAPIE PSYCHOTHERAPIE Massage Kommunikative Bewegungstherapie TanztherapieAtemtherapie Abbildung 2: Ausgewählte bewegungstherapeutische Verfahren (nach HÖLTER 1993) GEUTER unterscheidet verschiedene Verfahren nach den ihnen zugrunde liegenden Körperbildern, wie z. B. dem expressiv-energetischen, dem sich bewegenden-erkundenden und dem des berührten dialogischen Körpers (1996, 100). Diese Versuche sind nach DEIMEL & HÖLTER (2008) aber aus verschiedenen Gründen unbefriedigend geblieben. Sie führen dies haupt- sächlich auf berufspolitische Gründe zurück. Jedes Konzept versucht sich abzugrenzen, um sich am Markt behaupten zu können. So werden bei den eher am Sport und der Medizin orientierten Methoden, wie Sport- oder Phy- 3 Verständnis klinischer Bewegungstherapie – 30 – siotherapie und z. T. auch Psychomotorik, die Aspekte des Übens und Trai- nierens sowie der Selbstwirksamkeit betont, jedoch der Beziehungs- und dia- logische Aspekt, wie in der Körperpsychotherapie, weniger thematisiert. Die- se Abgrenzung geschieht, obwohl durchaus die Chancen einer Integration der Methoden und die Mehrdimensionalität von Bewegung als Therapie er- kannt wurden. So haben bspw. HÖHMANN-KOST (2002, 24) oder auch HUBER & SCHÜLE (2000, 3) den Anspruch, dass bewegungstherapeutische Maß- nahmen neben der funktionellen Dimension in gleichem Maße die pädagogi- sche und psychosoziale Dimension mit einbeziehen sollen. Bewegungs- wissenschaften Psychologie Medizin Allgemeine Bewegungstherapie • Bewegungslehre -> Psychomotorik • Sportpsychologie • Sportpädagogik -> Psychomotorik • Adapted PhysicalActivity •Psychomotorik •Klinische Psychologie •Psychotherapie -> Körperpsycho- therapien •Psychiatrie -> Psychomotorik •Neurologie •Psychosomatik -> Subjektive Anatomie • Physikalische Medizin - Physiotherapie - Sport- therapie - Kommunikative - Konzentrative BT - Integrative BT - Tanz u. BT Klinische Bewegungstherapie im Schnittpunkt von Bewegungswissenschaften, Medizin und Psychologie Abbildung 3: Klinische Bewegungstherapie im Schnittpunkt von Medizin, Psychologie und Bewegungswissenschaft (nach DEIMEL UND HÖLTER 2008) Gleichwohl diese Diskussion in der Theorie von Interesse ist, so ist für die Praxis und die betroffenen Patienten mehr die tatsächliche Wirksamkeit der einzelnen Verfahren von Bedeutung. Im zweiten Kapitel wurde eine Anzahl an Studien angeführt, die eine positive Wirkung von Bewegungstherapie bzw. körperlicher Aktivität nachweisen konnten. Die meisten Studien unter- suchen, wie in Kapitel 2 beschrieben, Ausdauertraining oder eine andere Form eher übungszentrierter Maßnahmen, wie Krafttraining oder Flexibilitäts- 3 Verständnis klinischer Bewegungstherapie – 31 – training. Es existieren wenige andere Studien, die daneben die psychosozia- len und pädagogischen Komponenten mit einbeziehen (ERKELENS & GOLZ 1998, HEIMBECK & SÜTTINGER 2007). Der Großteil der angeführten Studien hat eines gemeinsam: Sie unterschei- den sich nicht bezogen auf die Wirksamkeit hinsichtlich einer positiven Be- einflussung der depressiven Symptomatik. „Offensichtlich gibt es für die un- terschiedlichen Verfahren und ihre Varianten gemeinsam wirkende Elemente, die über die Spezifik der jeweiligen theoretischen Modellvorstel- lungen und ihre praktische Anwendung hinausgeht“ (DEIMEL & HÖLTER 2008, 3). Diese Überlegungen würden für die klinische Bewegungstherapie bedeuten, ähnlichen Bestrebungen wie in der Psychotherapie zu folgen. GRAWE (1999) leitet aus der Diskrepanz zwischen eigenständigen Theorien bzw. eigenstän- digen Methoden zu den tatsächlich empirisch nachweisbaren Effekten die Forderung nach einer schulübergreifenden Psychotherapie ab. „Er versteht hierunter nicht die Etablierung einer neuen Methode, [...] sondern eine Sicht- weise, die einerseits nach integrierenden Faktoren sucht[,] andererseits den Kriterien der empirisch-wissenschaftlichen Forschung standhält“ (DEIMEL & HÖLTER 2008, 3). WAMPOLD (2001, 208) untermauert eine fachübergreifende Sichtweise mit konkreten Zahlen. Demnach sind positive Effekte einer erfolg- reichen Therapie nur zu 15 % auf die durchgeführten therapeutischen Tech- niken zurückzuführen. Der weitaus größere Teil entfällt auf andere Faktoren, wie allgemeine Effekte, z. B. die therapeutische Beziehung (30 %), Effekte, die außerhalb des therapeutischen Einflusses liegen (40 %), oder auch Pla- ceboeffekte (15 %). Nach WAMPOLD geht es in Zukunft verstärkt darum, diese fachübergreifenden Effekte und Einflussfaktoren zu untersuchen. Ähnliches gilt für die klinische Bewegungstherapie. Anstatt unterschiedliche Verfahren gegeneinander abzugrenzen, ist es hilfreicher, nach Integration der verschie- denen Verfahren zu suchen, um mit unterschiedlichen Methoden je nach Er- wartungen, Interesse und Möglichkeiten des Patienten therapierelevante Themen zu bearbeiten. Orientierung sollte mehr an den möglichen bzw. zur Therapie notwendigen Zielen und Themen erfolgen, wie an den einzelnen Bewegungstherapieschulen. Ein plakatives Beispiel soll diesen Sachverhalt kurz erläutern. Ein ausgebildeter Boxtrainer wird im Detail einem Patienten 3 Verständnis klinischer Bewegungstherapie – 32 – wahrscheinlich die Technik zum Boxsacktraining perfekt erklären können. Hat dieser Trainer aber auch das nötige psychologische Know-how, die da- mit verbundenen psychologischen Themen (Möglichkeiten der Katharsis, Abgrenzung etc.) zu erarbeiten? Wahrscheinlich eher nicht. Beim Einsatz bestimmter Methoden geht es also nicht um kleinstes methodisch- technisches Detailwissen, sondern vielmehr um die Fähigkeit, Inhalte, die polyvalent brauchbar sind (vgl. WILLKE 2007, 172), zu erkennen und zum richtigen Zeitpunkt zum Einsatz zu bringen, was natürlich ein hohes Maß an Selbsterfahrung des Therapeuten voraussetzt. Welche Bedeutung diese Überlegungen für die Praxis haben, ist im Kapitel 6 zu erfahren, nachdem wichtige Aspekte der Ätiologie der Depression einge- führt und in das Salutogenesemodell eingeordnet wurden. 4 Ätiologiemodelle – 33 – 4 Ätiologiemodelle Als erstes werden Modelle aus pathogenetischer und anschließend aus ge- sundheitsorientierter Sichtweise vorgestellt. 4.1 Biomedizinische Krankheitsmodelle Leicht verständliche Ursache-Wirkungszusammenhänge geben dem Men- schen Sicherheit in der direkten Erklärung seiner Erlebnisse. So ist auch der Erfolg des biomedizinischen Modells zu begründen. Nur wo es einen krank- machenden Erreger gibt, kann auch Krankheit entstehen. Die Entdeckung dieses Zusammenhangs hat wahrscheinlich Millionen von Menschen das frühzeitige, mit viel Leid verbundene Ableben erspart. FRANKE (2006, 122) zeigt die Reichweite des Modells auf und bemerkt, dass das medizinische Modell immer noch vorherrschend ist, damit aber auch Probleme im Verständnis chronischer und psychischer Erkrankungen ver- bunden sind, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Im Folgenden werden, passend zum biomedizinischen Verständnis, Ätiolo- giemodelle beschrieben, die das Entstehen einer Depression in einem relativ einfachen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung suchen. 4.1.1 Störungen im Neurotransmittersystem In den letzten 40 Jahren wurden zur Erklärung für die Entstehung depressi- ver Erkrankungen verschiedene „Amin-Hypothesen“ formuliert. Dazu ist ins- gesamt festzustellen, „dass Depressionen kaum auf die Störungen eines Transmittersystems oder eines Rezeptors alleine, sondern eher auf Dysba- lancen multipler Transmittersysteme zurückzuführen“ (HAUTZINGER 1997) sind. Störungen im Transmittersystem sind eher als Vulnerabilitäts- oder den Krankheitsverlauf komplizierende Einflüsse anzusehen. Daraus lässt sich folgern, dass Mängel und Fehlregulationen im Aminhaushalt keine notwendi- ge Bedingung für affektive Störungen darstellen, ebenso wenig wie Rezepto- renveränderungen zwangsläufig eine Depression induzieren (HAUTZINGER 1997/HAUTZINGER 1998). QUITKIN ET AL. (1996, 139) kommen sogar zur An- sicht, dass nicht klar ist, ob „die Depression die biochemischen Veränderun- gen verursacht, oder ob diese physiologischen Faktoren ihrerseits die affekti- 4 Ätiologiemodelle – 34 – ven und körperlichen Veränderungen auslösen, die mit einer Depression ein- hergehen.“ LARISCH (2001) scheint jedoch Beweise für krankheitsüberdau- ernde neurobiologische Merkmale gefunden zu haben. Bekannte biologische Hypothesen sind die sog. Katecholaminhypothese, die Serotoninhypothese, die Hypothese des Noradrenerg-cholinergenen Ungleichgewichtes und die ß- Endorphinhypothesen, außerdem gibt es Hinweise auf Störungen im neuro- endokrinologischen System (Störung der Hypothalamus-Hypophysen- Schilddrüsenachse (HPT) und eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse (HPA). Da für körperliche Aktivitäten und damit bewegungstherapeutische Maßnah- men die Seratoninhypothese und die Theorien um das ß-Endorphin am meis- ten Bedeutung erlangten, wird kurz darauf eingegangen: Serotonin-Hypothese Die beobachtete antidepressive Wirkung von Pharmaka, die die serotonerge, noradrenerge und dopaminerge Neurotransmission im Gehirn verstärken, ist bis heute Veranlassung zu aktiver Forschungstätigkeit, um die Serotoninhy- pothese der Depression weiterzuentwickeln (CHARNEY ET AL. 1981; DELGADO 2000; LARISCH 2001). In einer Übersichtsarbeit von MAES & MELTZER (1995) finden sich drei Hypothesen für den Zusammenhang von Serotonin und De- pression: 1: Eine Störung der serotonergen Aktivität des Gehirns ist die Ursache der Depression. 2: Durch eine verringerte Aktivität des serotonergen Systems besteht eine erhöhte Vulnerabilität, eine Depression zu entwickeln. 3: Heute von keiner Bedeutung mehr ist die Hypothese, dass eine erhöhte Aktivität des serotonergen Systems verantwortlich ist für eine erhöhte Vulne- rabilität für eine Depression. Stand der Forschung anhand von Post-mortem-Untersuchungen, Liquor- und Blutuntersuchungen, Untersuchungen zerebraler Rezeptoren in vivo (Mes- sungen mit Positronen-Emissionstomografie und Einzelphotonen- Emissionstomografie) ist, dass es Hinweise auf eine Beteiligung des Seroto- nins an einer Depression gibt (MANN ET AL. 1986; VAN PRAAG ET AL. 1970; KUNG ET AL. 1989). Andere Studien kommen jedoch zu genau gegenteiligen 4 Ätiologiemodelle – 35 – Aussagen (YATES & FERRIER 1990; GJERRIS 1990; LAWRENCE 1993), dass Se- rotonin keine Rolle bei der Entwicklung einer Depression spielt. „Somit kann mit Sicherheit angenommen werden, dass nicht alle Patienten, die an einer Depression erkranken[,] auch obligat eine Störung der serotonergen Trans- mission aufweisen“ (LARISCH 2001, 45). Die Ergebnisse sprechen dafür, dass durch die verringerte Aktivität des serotonergen Systems eine erhöhte Vulne- rabilität besteht, eine Depression zu entwickeln. So ist es denkbar, dass eine serotonerge Funktionsstörung die biologische Ursache für die Entwicklung einer Depression in einem Individuum ist, bei einem weiteren depressiven Patienten aber keine Auffälligkeiten des serotonergen Systems oder sogar überhaupt keine biologische Abnormalität vorliegt. LARSICH (2001) weist in weiteren Experimenten nach, dass bei Patienten mit einer genetischen Prä- disposition für eine Depression nicht nur in der akuten Krankheitsphase, sondern auch im symptomfreien Intervall Störungen innerhalb des serotoner- gen Systems belegbar sind. Die Wirkung von Bewegung und Ausdauertraining auf das serotonerge Sys- tem mit einer aufwändigen Apparatur zu untersuchen, derer man zurzeit be- darf, um neurophysiologische Vorgänge im Gehirn sichtbar zu machen, ist noch nicht möglich. Es existieren aber Ergebnisse bezüglich der Wirkung auf eine Veränderung der serotonergen (5-HAT) Neurotransmission von Aus- dauertraining bei Ratten und Mäusen. DROSTE ET AL. (2006), GREENWOOD (2005) und MEEUSEN (2005) bestätigen die antidepressive und Angst min- dernde Wirkung durch die Effekte körperlicher Aktivität bzw. die Wirkung auf das serotonerge System, zumindest bei Ratten und Mäusen. ß–Endorphin Eine neuroendokrinologische Substanz, das β-Endorphin, ein endogenes Opiat, bedarf besonderer Erwähnung. Weniger, weil es in der Ätiologie der Depression eine große Rolle spielen würde, sondern mehr, weil es immer wieder, vor allem in Sportzeitschriften, als Mittel gegen Depression, als Bo- tenstoff für Glück, als Ursache für euphorische Zustände beim Laufen („run- ners-high“) oder sogar als Grund für Laufsucht angeführt wird. β-Endorphin besitzt eine analgetische Wirkung. Mit ein Grund für die Entde- ckung war die Idee, dass es chemische Substanzen geben müsste, die der 4 Ätiologiemodelle – 36 – Körper selbst produziert sowie ausschüttet und die es einem Athleten erlau- ben, höhere Intensitäten über eine längere Periode ertragen zu können (HOWLEY ET AL. 1970, zit. nach STOLL, 1997). GOLDSTEIN entdeckte 1976 das Endorphin. Studien von CARR et al. (1981) oder HOLLMANN & DEMEIRLEIR (1989) zeigen einen signifikanten Anstieg der Endorphinkonzentration im Blutplasma, allerdings nur bei einer intensiven aeroben Belastung (85 % der Hf-max) oder anaeroben Ausbelastung, d. h. einer Belastung, die über 4 mmol Laktat/l liegt. Weitere Untersuchungen von z. B. STOLL & WAGNER (1994) legen den Schluss nahe, dass positive Stimmungssteigerungen nur bei trainierten Sportlern, bzw. Menschen, die eine gewisse Intensität der Be- lastung über mind. 30 Minuten aufrechterhalten können, durch β-Endorphin erklärt werden können. Insgesamt gibt es auch in der Methodik und Diagnos- tik zum Nachweis eines Effektes der Wirksamkeit von β-Endorphin erhebli- che Mängel (STOLL 1997, 14). Studien, welche die Wirkung unterschiedlicher Intensitäten bestimmter Interventionen auf die Stimmung messen, kommen ebenfalls zum Schluss, dass eine Stimmungssteigerung nicht auf eine β- Endorphin-Sekretion zurückzuführen sein muss. ALLFERMANN & STOLL (1996) sowie SÜTTINGER & HEIMBECK (2007) können bestätigen, dass Entspannungs- training bzw. störungsspezifische klinische Bewegungstherapie auf die Stimmung letztendlich den gleichen Einfluss hat wie Ausdauertraining. STOLL (1997) schließt sich SCHLICHT (1994) an, wenn er sagt: „Endorphine bilden derzeit eine spektakuläre, auch eine mögliche, aber noch keine hinrei- chend bewährte Erklärung für Stimmungssteigerungen anschließend an eine sportliche Belastung. Betrachtet man die Endorphin-Theorie unter streng pharmakologischen und naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten, verliert der Ansatz immer mehr an Bedeutung“. 4.1.2 Erbliche und genetische Faktoren Ätiologiemodelle, die die Entstehung von Krankheit durch erbliche, geneti- sche Faktoren sowie durch Risikofaktoren zu erklären versuchen, können ebenfalls in eine biomedizinische und damit pathogenetische Sichtweise von Krankheit eingeordnet werden. Das Auftreten von Depressionen bei den Eltern verdoppelt etwa das Risiko einer Depression bei den Kindern (WEISSMANN ET AL. 2005). Die Entschlüsse- lung der im Zusammenhang mit der Entstehung einer Depression stehenden 4 Ätiologiemodelle – 37 – Gene steht erst am Anfang. Bekannt ist inzwischen, dass Mutationen des Gens P2RX7 die Anfälligkeit für Depressionen bei Menschen und im Tierver- such steigern können. Stresshormone vermindern die Aktivität dieses Gens und können so bei entsprechender Veranlagung auslösend sein. Aus den Erkenntnissen der Genetik werden sich zukünftig wahrscheinlich neue The- rapieoptionen ergeben (BARDEN ET AL. 2006). 4.1.3 Risikofaktoren für das Entstehen einer depressiven Störung Die Erforschung von Risikofaktoren für die Entstehung bestimmter, vor allem degenerativer, chronischer oder psychischer Erkrankungen wurde notwen- dig, weil das einfache biomedizinische Modell für die Erklärungen dieser Er- krankungen nicht mehr ausreichte. Dies stellt eine Erweiterung der biomedi- zinischen Sichtweise dar, ist aber immer noch an den Erklärungsmodellen in der Entstehung von Krankheit orientiert. Mit der Framingham-Studie begann 1948 die systematische Untersuchung der Bevölkerung der Stadt Framingham auf Ursachen und Risiken der Koronaren Herzkrankheit und Arteriosklerose. Die Idee der Risikofaktoren- forschung ist, durch die Identifikation von Risken eine bessere Prävention möglich zu machen. Risikofaktoren sind z. B. nicht zu ändernde Variablen, wie das Alter, Geschlecht oder genetische Dispositionen. Darüber hinaus werden vor allem in epidemiologischen Studien Zusammenhänge zwischen Faktoren untersucht, die hinsichtlich der Entwicklung einer Erkrankung wirk- sam sind. Bekannte Risikofaktoren für die Entstehung einer depressiven Störung sind weibliches Geschlecht (z. B. KESSLER ET AL. 1994), fehlende soziale Unter- stützung, niedriges Einkommen sowie niedriges Bildungsniveau (BJIL ET AL. 1998), kritische Lebensereignisse und Belastungen in der Kindheit (BROWN 1989; KENDLER ET AL. 2002). Dagegen scheinen verheiratete Personen mit höherer Bildung und beruflich (sicherer) Anstellung sowie einem Wohn- und Lebensraum in eher ländlich-kleinstädtischer Umgebung die niedrigsten Risi- ken für die Entwicklung einer Depression zu haben (WEISSMAN ET AL. 1990). Auch das Vorhandensein von chronischen somatischen Erkrankungen bein- haltet ein erhöhtes Risiko, an einer depressiven Störung zu erkranken. (WELLS ET AL. 1988). Nach KESSLER ET AL. (1997) sind psychopathologische Faktoren von hoher Relevanz. REGIER (1998) bestätigt KESSLER hierin, indem 4 Ätiologiemodelle – 38 – er eine Angststörung als einen der wichtigsten Risikofaktoren für die Entste- hung einer depressiven Störung benennt. Ebenso gibt es deutliche Hinweise, dass das Vorliegen einer somatoformen Störung die Entstehung einer De- pression begünstigt (WITTCHEN & PERKONIGG 1996). Eine positive Familienanamnese erweist sich anscheinend ebenfalls als be- deutsamer Risikofaktor (BARTH 2004). So verdoppelt das Auftreten einer De- pression bei den Eltern etwa das Risiko für Kinder, auch eine Depression zu entwickeln. Dabei besteht die Tendenz, dass der Erkrankungsbeginn früher als bei den Eltern bzw. Großeltern auftritt (WEISSMAN ET AL. 2005). Traumata und Missbrauchserfahrungen, vor allem in der frühen Kindheit, lö- sen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Depressionen aus. So zeigen in ei- ner Studie, in der 1931 Frauen mit Missbrauchserfahrung mit anderen Frau- en verglichen wurden, erstere eine vierfach höhere Wahrscheinlichkeit als Erwachsene, eine Depression zu entwickeln. Über die genannten Punkte hinaus gibt es den Risikofaktor „Bewegungs- mangel“, der sich in verschiedenen Studien als bedeutsam erweist (FARMER ET AL. 1988; CAMACHO ET AL. 1991; WEYERER 1992; PAFFENBARGER ET AL. 1994), aber in den bekannten Veröffentlichungen als relevanter Faktor nicht zu finden ist. Die Studien stimmen in der wichtigsten Aussage über ein, dass Menschen, die wenig körperlich aktiv sind, ein höheres Risiko zeigen, an ei- ner Depression zu erkranken. In einer Längsschnittuntersuchung berichten FARMER ET AL. (1988) von einer Untersuchung mit 1497 Personen, die hin- sichtlich ihrer körperlicher Aktivität und Depression untersucht wurden. Die Studie zeigte, dass Frauen, die in einem Zeitraum von acht Jahren nicht oder wenig körperlich aktiv waren, ein doppelt so hohes Risiko hatten, eine De- pression zu entwickeln, als Frauen, die oft oder mäßig oft sportlich aktiv wa- ren. Der Einfluss des Alters, des Verdienstes, der Beschäftigung, Bildung, wie auch krankheitsbedingte Einflüsse wurden statistisch erfasst und kontrol- liert. Für die männlichen Studienteilnehmer gab es keine signifikanten Effek- te, außer der starke Hinweis darauf, dass Männer, die zu Beginn der Studie körperlich nicht aktiv waren und gleichzeitig depressiv, dies auch nach acht Jahren wieder waren. Die Zusammenfassung der Studie durch MUTRIE (2000, 49) zeigt beispielhaft, aber eindrücklich, die Bedeutung körperlicher Aktivität als Risikofaktor in der Entwicklung einer depressiven Störung. 4 Ätiologiemodelle – 39 – 4.2 Psychosomatische Modellvorstellungen Der Versuch, Begriffe wie Psychosomatik oder psychosomatische Medizin zu definieren, führt zu Grundsatzfragen heutiger Medizin. Mit der Hinwendung zu einer naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise körperlicher und organi- scher Aspekte von Krankheiten hat die Schulmedizin, und das steht außer Frage, mehr erreicht als andere Herangehensweisen. Dabei ging es immer um biomechanische, chemische, elektrische oder biologische Wirkungszu- sammenhänge, um Krankheiten im Idealfall ursächlich bekämpfen zu können (vgl. KLINKENBERG 2005, 24). Auch Sigmund Freuds Definition der Seele als „psychischer Apparat“ drückt die dualistische Sichtweise des biomedizini- schen Krankheitsmodells aus (UEXKÜLL/WESIAK 1996). Der Begriff „Psycho- somatik“ beansprucht eine „ganzheitliche“, Psyche wie Soma umfassende Herangehensweise. Die wesentlichen Unterschiede zum traditionellen bio- medizinischen Krankheitsmodell liegen in der Wahrnehmung sowie Berück- sichtigung wissenschafts- und erkenntnistheoretischer Voraussetzungen. Diese lehren, dass auch Wissenschaften geschlossene Erfahrungssysteme darstellen, die ihre spezifische Realität erzeugen, und Menschen nicht nach den Gesetzen mechanischer Kausalität funktionieren (KLINKENBERG 2005, 24). „Aufgrund von systemischen und erkenntnistheoretischen Ansätzen ist heute die Tendenz erkennbar, ‚Psychosomatik’ als eine den anderen medizinischen Fach- disziplinen übergeordnete und in der Praxis in ihnen zu verankernde medizini- sche Disziplin mit einem eigenständigen diagnostischen und therapeutischen In- strumentarium zu verstehen.“ (KLINKENBERG 2005, 25) 4.2.1 Psychodynamische Modelle Zielsetzung der Psychoanalyse ist es, Motive des Verhaltens einer Person zu erkennen und Handlungsweisen zu verstehen. Die Psychoanalyse versucht zurückschauend, das momentane Verhalten in einen sinnvollen Kontext mit vergangenen Erfahrungen zu bringen. Dieses Vorgehen entspricht dem menschlichen Bedürfnis nach Kausalität und eigener Geschichte. In der Psy- choanalyse sind unbewusste Motive und Konflikte das eigentlich Interessie- rende (vgl. MAYER 2005). Die folgende Zusammenfassung (Tabelle 5) erfolgt nach WILL (2001, 397 ff.), der sehr prägnant vier typische zentrale Grundkonflikte der Depression aus 4 Ätiologiemodelle – 40 – Sicht der klassischen Modelle der Psychodynamik beschreibt. Die genannten Konflikte entstehen aus einer frühkindlichen Mangelerfahrung bezüglich Zu- wendung, Förderung und Anerkennung, sodass ein orales bzw. narzissti- sches Defizit vorhanden ist. Ein globales Gefühl des existenziellen „Nichts- wertseins, Nichtskönnen, Ungeliebtseins“ führt zu einer oralen Überbedürftigkeit, hohen Verletzbarkeit sowie einem starken Bedürfnis nach Anerkennung und Normorientiertheit. Scheiternde Kompensationsversuche haben eine symbiotische, überangepasste Beziehungsgestaltung zur Folge, genauso wie Aggressionsgehemmtheit oder überhöhte Leistungs- und Nor- mansprüche, die letztendlich zu unten aufgeführten Konflikten führen, welche schließlich symptomauslösend sind (vgl. WOLFERSDORF & RUPPRECHT 2001). 4 Ätiologiemodelle – 41 – Tabelle 5: Zusammenfassung psychodynamischer Modellvorstellungen (WOLFERSDORF & RUPRECHT 2001, 389) Der Konflikt um die Ambivalenz von Liebe und Hass, um Schuld- vorwürfe – Über-Ich oder Schuld-Depression Der Konflikt um Abhängigkeitswünsche und -ängste – Die Abhän- gigkeits-Depression Das Modell Sigmund Freuds und Karl Abrahams geht von einem grund- legenden Ambivalenzkonflikt aus. Nach außen besonders lieb und nett, aber innerlich brodelt es, ohne Möglichkeit die Spannungen abzubauen. Die aufgestaute Aggression wendet sich gegen das eigene Selbst und wird, um keine Schuld auf sich zu laden, nicht gegen den Auslöser ge- richtet. Der Depressive beginnt das Objekt in sein Über-Ich aufzuneh- men und sich selbst mit dem gehassten Objekt zu identifizieren. Es entsteht die Vorstellung des Depressiven, er selbst sei ganz böse, das Objekt ganz gut. Geradezu spezifisch ist, dass Konflikte nicht mit dem Gegenüber ausgelebt werden, sondern der Betroffene sich interperso- nell zurückzieht. Ich brauche ganz viel, aber ich bekomme viel zu wenig. Orale Optimis- ten überspielen diese dauernde Frustration mit der Suche nach Ge- nuss. Orale Pessimisten nehmen hingegen eine gekränkte Vorwurfs- haltung ein, da ihnen zum Glück immer etwas fehlt, alles vorenthalten wird, auch das was ihnen zusteht. Es werden zwei Möglichkeiten be- schrieben, wie Depressive mit diesen Konflikten umgehen: einerseits sich von einem versorgenden Anderen abhängig (dependent) zu ma- chen, andererseits zu versuchen, unabhängig zu werden und andern Menschen all das zu geben, was man selbst sowieso nie bekommt (altruistische Abtretung), was sehr häufig als Helfersyndrom bei Pfle- genden sowie anderen helfenden Berufen zu finden ist. Der Konflikt um Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit – Die Ich- Depression aus Hilf- und Hoffnungslosigkeit Der Konflikt um Ich-Ideal, Selbstentwertung und Narzissmus – Die narzisstische Depression Später an einem depressiven Syndrom Leidende haben nach diesem Modell in ihrer Lebensgeschichte oftmals Situationen erlebt, denen sie hilf- und machtlos ausgeliefert waren. Die Welt erscheint als nicht be- einflussbar. Der Mensch verzweifelt über den Verlust der eigenen Fä- higkeiten und Funktionen. Er verallgemeinert diesen Verlust und zieht sich zurück. Damit befindet er sich in einem Teufelskreis, in dem er sich in seinem Verhalten und Erleben immer wieder bestätigt sieht. Das Modell ist oftmals anzutreffen bei Depressionen in Zusammenhang mit schweren Krankheiten und belastender Lebenssituationen. Übergroße ideelle Erwartungen an Liebesobjekte oder auf das Selbst bezogen werden nicht erfüllt. Der Depressive fühlt sich wertlos und klein. Dadurch entsteht eine Diskrepanz zwischen dem Ich-Ideal und der Realität. Der Depressive erlebt eine narzisstische Kränkung. Er kann nicht, wie er will. Er nimmt sich mit vielen Makeln behaftet wahr, genauso, wie er es häufig mit seinem Gegenüber tut. 4 Ätiologiemodelle – 42 – 4.2.2 Verhaltenstheoretische Modelle Verhaltenstheoretische Modelle entwickelten sich aus dem Interesse, wel- chen Einfluss Lernprozesse und Umwelt auf menschliches Verhalten sowie Erleben haben. Die Psychoanalyse betrachtet das Verhalten eines Men- schen als Ausdruck für innere psychische Prozesse, sieht also unbewusst ablaufende Vorgänge als das Wesentliche an. Die Verhaltenstheorie kon- zentriert sich hauptsächlich auf das Verhalten und Erleben. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Modellen werden nicht kausale, sondern funktionale Zusammenhänge zur Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung von Störungen angenommen. Störungen entstehen nicht in der Person, sondern werden als gelernte Reaktion in der Auseinandersetzung mit äußeren Bedin- gungen betrachtet (vgl. FRANKE 2006, 140). Zur Erklärung depressiver Stö- rung liegen verschiedene Modellannahmen vor. 4.2.2.1 Theorie der gelernten Hilflosigkeit SELIGMAN (1975) sowie ABRAMSON, SEELIGMANN & TEASDALE (1978) gehen davon aus, dass die Erfahrung der Hilflosigkeit, das Gefühl, über bedeutsa- me Aspekte der Umwelt keine Kontrolle ausüben zu können, zu emotionalen, kognitiven, motivationalen und vegetativen Veränderungen führt, deren Merkmale einer Depression ähnlich sind. Entscheidend ist dabei der subjek- tive Prozess der kognitiven Verarbeitung: Das Individuum geht davon aus, dass auch zukünftige Situationen nicht bewältigt werden können und attribu- iert dieses Misslingen intern auf die eigene Person, stabil über einen größe- ren Zeitraum sowie global über viele Situationen. Zusammengefasst ist De- pression das Ergebnis der Erfahrung der Nicht-Kontrolle über subjektiv bedeutsame, aversive Bedingungen. Letztendlich konnte anhand empirischer Studien bislang nicht geklärt werden (KAMMERER & HAUTZINGER, 1988), ob das Modell der gelernten Hilflosigkeit als Erklärungsansatz dienen kann oder ob es nur Hinweise auf den Attributionsstil ermöglicht. 4.2.2.2 Kognitive Theorie der Depression Belastenden zurückliegenden Ereignissen schreibt BECK (1981) die Verant- wortung für eine kognitive Störung als Grundlage für die Entwicklung einer Depression zu. Die vorhandenen kognitiven Strukturen verzerren das Bild 4 Ätiologiemodelle – 43 – der Realität. Sie sind z. B. gekennzeichnet durch willkürliche Schlussfolge- rungen, Generalisierungen, moralisch-absolutistisches Denken, ungenaues Benennen oder überhöhte Ansprüche. Diese kognitiven Muster laufen un- freiwillig, automatisch und wiederholt ab. Die Schemata sind überdauernde, stabile Muster der selektiven Wahrnehmung, Kodierung und Bewertung von Reizen. Sie entstehen durch Lernerfahrungen im Sozialisationsprozess durch Traumata oder subtraumatische chronische Belastungen und sind stark au- tomatisiert. Aus den Verarbeitungsmustern resultiert die sog. negative Tria- de, eine negative Sicht der Welt, der eigenen Person und der Zukunft. 4.2.2.3 Das „Verstärkerverlustmodell“ Aus Sicht der Verstärkungstheorie tritt Depression als erlerntes Verhalten in Folge eines Verlustes von positiver Verstärkung auf. Ein Mangel an reak- tionskontingenter Verstärkung wirkt depressionsauslösend und im Sinne sog. Löschungsbedingungen auch depressionsaufrechterhaltend (LEWINSOHN, 1974). Für die Rate an positiver Verstärkung sind unter anderem die Anzahl und Intensität an verstärkenden Ereignissen verantwortlich, genauso wie situative Aspekte, z. B. Verlusterlebnisse oder soziale Isolation (siehe hierzu auch WOLFERSDORF & RUPPRECHT 2001, 392). Bestätigung erfährt das Modell durch die Feststellung zu den Auswirkungen depressiven Verhaltens auf die Sozialpartner. Depressive lösen bei den In- teraktionspartnern negatives Befinden, Abwehr, Ablehnung und Vermeidung aus (HAUTZINGER & HECKEL-GUHRENZ 1991), was zu einem Verlust positiver Verstärkung sowie immer mehr Rückzug führt und damit in einer negativen Spirale mündet. 4.2.3 Vulnerabilität und Life Events Lebensereignisse Unter Lebensereignissen sind alle Dinge zu verstehen, die zu Veränderun- gen im Leben führen. Life Events sollen außerdem von außen erkennbar sein und nicht nur subjektive Bedeutung haben (FRANKE 2006). Auch wenn die allgemeine Life-Event-Forschung (HOLMES & RAHE 1967; vgl. FRANKE 2006) davon ausgeht, dass es weniger ausschlaggebend ist, ob posi- tive oder negative Erlebnisse auftreten, beurteilen BROWN UND HARRIS (1978) 4 Ätiologiemodelle – 44 – v. a. chronische Lebensschwierigkeiten und aversive Lebensereignisse als die zentralen Faktoren für das Auftreten einer Depression. Da aversive Lebensereignisse sowie der Verlust tragender Säulen der Identi- tät als leidvolle Erfahrung erlebt werden, soll in diesem Zusammenhang kurz auf dieses Thema eingegangen werden. WEYER-MENKHOFF (2005, 18) be- schreibt fünf tragende Säulen der Identität (Leib, soziales Netzwerk, Ar- beit/Freizeit, Werte, Materielles). Der Mensch steht im ständigen Spannungs- feld zwischen nötigem Wandel durch äußere Einflüsse und dem Wusch nach Kontinuität. Die früher starren und traditionell geprägten Rollenbilder haben in den letzten Jahrzehnten an Macht verloren, was für die Entwicklung des Individuums Vorteile, aber auch größere Unsicherheiten sowie Unkalkulier- barkeiten mit sich bringt. Angesichts einer komplexer werdenden Welt mit Gesellschaften, in denen Orientierung und soziale Stabilität zunehmend brü- chig werden, nimmt es nicht wunder, dass gesellschaftliche Labilisierung, neben den (riskanten) Freiheiten (KEUPP 1997), die sie bietet, für den Einzel- nen erschwerende Bedingungen schafft, die ihn in seinen persönlichen Iden- titätsbemühungen größeren Gefährdungen aussetzen als bislang gegeben (vgl. WEYER-MENKHOFF 2005, 17). „Rollenflexibilität und affektive Neutralität werden so zu Anpassungsnotwendigkeiten, um in hochdifferenzierten Ge- sellschaften sozial überleben zu können“ (BETTE 1999, 153). Daraus folgt, dass die Fixierung auf nur eine Säule der Identität in eine Sackgasse führen kann. Seine gesamte Identität auf Basis von Karriere und Arbeit zu gründen, kann bei Verlust, Mobbing oder narzistischen Kränkungen, wie im klinischen Alltag häufig zu beobachten, zu Problemen führen, verbunden mit depressi- ver Symptomatik, Burn-Out etc. Vulnerabilität Der Begriff der Vulnerabilität beschreibt, ob auslösende Faktoren, wie Le- bensereignisse, auch eine krankheitsauslösende Wirkung haben, also inwie- weit eine Person „empfänglich“ ist für krankheitsauslösende Reize. Nach BROWN & HARRIS (1978) spielt hier der Mangel an einer emotionalen, intimen, positiven und unterstützenden Sozialbeziehung die größte Rolle. Da belas- tende Lebensereignisse bei allen Menschen unterschiedlich verarbeitet wer- den, liegt es nahe, nicht nur nach vermeintlich festen Bedingungsvariablen 4 Ätiologiemodelle – 45 – wie genetischer Ausstattung, sozialer Schichtzugehörigkeit usw. zu suchen, sondern nach individuellen kognitiven sowie emotionalen Variablen zu for- schen, die den Umgang mit Stressoren beeinflussen. Dem Verständnis von Stress als individuellen auslösenden Faktor kommt in der Behandlung von Depressionen besondere Bedeutung zu. Während im medizinisch-biologischen Sinne eine Person, die an einer Depression leidet, krank ist, somit therapiebedürftig und abhängig von Experten (die entschei- den, welches Medikament, welche Behandlung etc. eingesetzt werden), hat sie mit der oben genannten Sichtweise die Möglichkeit, selbst in kleinen Schritten an einer gesünderen persönlichen Entwicklung zu arbeiten. Der Zustand der Krankheit bleibt nicht irreversibel. Entscheidend für die betroffene Person ist, welche Bedeutung auftretenden Stressoren beigemessen wird. Der Coping-Prozess verläuft dabei in zwei Phasen: In der ersten Phase, dem „Appraisal“, erfolgt die Bewertung, ob ein Reiz re- levant ist und ob er positiv oder negativ bewertet wird. Weiterhin kommt es im sog. „Appraisal“ zu einer Bewertung von Relevanz, Konsequenzen und Motivationen. Nach der ersten Bewertung folgt im zweiten Schritt ein Ab- gleich mit den vorhandenen Ressourcen. Damit findet eine Überprüfung statt, welche Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten jemand besitzt, die Situa- tion zu bewältigen. In der folgenden Zusammenfassung (Tab. 6) sind typische Copingstrategien angeführt. Tabelle 6: Typische Copingstrategien (nach Franke 2006, 108) Typische Strategien instrumentellen Copings Typische Strategien emotionsbezogenen Co- pings - Einholen von Informationen (Wissen um das Warum, Selbsthilfegruppen etc.) - Einholen sozialer Unterstützung (Freunde, Verwandte um Hilfe bitten) - problemorientiertes Handeln (Problem- analyse, Situation verändern, Hilfe bei Professionellen suchen) - kognitives Umstrukturieren (z. B. generalisie- rende Gedanken umwandeln) - sich innerlich distanzieren (Haltung eines The- rapeuten einnehmen, sich ablenken) - Gefühlsausdruck (weinen, Wut zum Ausdruck bringen, zur Musik tanzen etc.) 4 Ätiologiemodelle – 46 – Sowohl beim instrumentellen Coping als auch beim emotionalen Coping wei- sen Personen mit depressiver Störung Defizite auf. Da die Krankheit oft nicht als Krankheit, sondern als Schwäche und eigene Unfähigkeit gedeutet wird, fehlt die Fähigkeit einer realen Bewertung und infolgedessen die Möglichkeit, geeignete Copingstrategien anzuwenden, wie das Einholen von Informatio- nen, sozialer Unterstützung oder kognitives Umstrukturieren. 4.2.4 Multifaktorieller Erklärungsansatz HAUTZINGER (1983) entwickelte aufgrund eigener negativer Befunde zu den kognitiven Theorien der Depression sowie unter Berücksichtigung anderer kritisch orientierter Arbeiten zu einem rein kognitiven Erklärungsmodell einen multidimensionalen Erklärungsansatz für die Entstehung und Aufrechterhal- tung von Depressionen. In seinem Modell sieht HAUTZINGER eine reziproke Beziehung zwischen in- ternen, personengebundenen, prädispositionellen Faktoren und externen, umgebungsbedingten Faktoren, die eine (unipolare) Depression auslösen können. Depressive Erkrankungen sind nach diesem Modell das Endresultat einer durch situative, umgebungsgebundene Auslöser initiierten Veränderung des Verhaltens, des Empfindens, des Erlebens, des Denkens und körperli- cher Vorgänge (vgl. ERKELENS & GOLZ 1998, 53). Die multiplen Verbindungsschleifen zwischen den verschiedenen Faktoren erklären, weshalb bei weit verbreiteter und gleicher Belastung immer nur ein Teil der betroffenen Personen eine Depression entwickeln. Sie erlauben aber auch zu verstehen, wie ein einsetzender Prozess depressiver Beschwerden unterbrochen werden kann bzw. zum Stillstand und zur Rückbildung kommt (HAUTZINGER 1997, 187). Da die prädispositionalen Faktoren wie Persönlichkeit, Vulnerabilität, Umge- bungsbedingungen, Vorgeschichte und Immunitäten einen direkten Einfluss auf alle weiteren Elemente in diesem Modell haben, sowie auch die Dauer und das erneute Auftreten eine depressive Episode bestimmen, verdienen laut ERKELENS UND GOLZ (1998, 59 ff.) Behandlungsprogramme, die diese Faktoren beeinflussen, den Vorzug. 4 Ätiologiemodelle – 47 – 4.3 Gesundheitsorientierte Ätiologiemodelle Im ersten Teil des vierten Kapitels wurde die Ätiologie der Depression aus überwiegend pathogenetischer Sicht beschrieben. Der folgende Abschnitt stellt die Entstehung und Einordnung der Depression aus gesundheitstheore- tischer Sicht dar. Beispiele für gesundheitstheoretische Modelle sind das Modell der Resilienz, das Salutogenesemodell ANTONOVSKYS (1979, 1987) oder das interaktionisti- sche Anforderungs-Ressourcen Modell von Becker (vgl. VIEHHAUSER 2000, 24). Den genannten Ansätzen ist die Suche nach protektiven Faktoren ge- meinsam. Das Modell von Becker ist „in vielerlei Hinsicht als Weiterentwick- lung des salutogenetischen Modells zu betrachten“ (VIEHHAUSER 2000, 33). Das Salutogenesemodell ist allgemeiner gehalten, womit es einen höheren integrativen Wert hat. Außerdem ist es im pädagogischen Bereich bekannter und kann auf die Bereiche Gesundheitsförderung sowie Prävention, Psycho- somatik und Psychotherapie und andere Gebiete übertragen werden (vgl. HAMSEN 2003, 73; HÖLTER 1993, 22). Aus diesen Gründen wird das Saluto- genesemodell in dieser Arbeit favorisiert. Dennoch wird auch das Modell der Resilienz kurz erklärt, da in der Literatur einige interessante Aspekte hinsichtlich Resilienz und Depression existieren. 4.3.1 Modell der Resilienz Die Resilienzforschung beschäftigt sich mit der Frage, warum Menschen, die unter gleichen oder ähnlich widrigen Lebensbedingungen leben und mit ver- gleichbaren negativen Lebensereignissen konfrontiert wurden, unterschiedli- che Reaktionen zeigen. Manche Menschen bewältigen solche Lebensereig- nisse, ohne Schaden davon zu nehmen, und gehen sogar gestärkt aus diesen Krisen hervor, während andere Traumata erleiden und therapiebe- dürftig werden. Der Begriff Resilienz wird als positiver Gegenbegriff zur Vulnerabilität ver- wendet. „Mit Resilienz bezeichnet man die psychologische bzw. die psycho- physiologische Widerstandfähigkeit, die Menschen befähigt, psychologische und psychophysische Belastungen (stress, hyperstress, strain) unbeschädigt auszuhalten und zu meistern“ (MÜLLER & PETZOLD 2004, 3). MURPHY ET AL. 4 Ätiologiemodelle – 48 – (zit. nach WEYER-MENKHOFF 2005, 15) fanden bei Risikogruppen von Kindern folgende zwei wirksame Strategien bei Belastung: „1. Die Kompetenz, routinemäßige Lösungswege, die in Belastungssituatio- nen nicht mehr greifen, zugunsten anderer Strategien zu überschreiten. 2. die Kompetenz, das innere Gleichgewicht zu regulieren, um starke Span- nungen, negativen Emotionen und Störungen kognitiver Funktionen zu ent- gehen.“ Nach HOLTMANN & SCHMIDT (2004) wird sich Resilienz als Konzept nur be- haupten können, wenn es jenseits der aus der Risikoforschung gewonnenen Erkenntnisse einen praktischen und theoretischen Beitrag zum Verständnis kindlicher und jugendlicher Psychopathologie leistet. Sonst bestünde für die Resilienzforschung die Gefahr, lediglich eine „Risikoforschung mit umgekehr- ten Vorzeichen“ zu betreiben (LAUCHT ET AL. 1997, 263; vgl. HOLTMANN & SCHMIDT 2004). Das heißt, Merkmale von Resilienz sollten 1) besonders oder ausschließlich wirksam sein, auch wenn eine risikoerhö- hende Gefährdung vorliegt, 2) einen Puffereffekt ausüben sowie 3) bereits zeitlich vor dem risikoerhöhenden Ereignis Bestand haben, um dessen Auswirkungen modulieren zu können (vgl. HOLTMANN & SCHMIDT 2004). Besondere Bedeutung der Resilienz bei Depression Psychologische und neurologische Befunde weisen darauf hin, dass der Mensch eine außergewöhnliche interindividuelle Variabilität im affektiven Umgang mit emotionalen Herausforderungen oder belastenden Situationen besitzt. Die individuellen Unterschiede in der emotionalen Reaktivität und Regulation hat DAVIDSON (2000) mit dem Begriff „affektiver Stil“ benannt. Während einige Individuen durch Belastungen und Stress lang anhaltend emotional beeinträchtigt werden, kommt es bei anderen trotz vergleichbarer Belastung zu einer raschen Erholung ohne weitergehende gravierende Aus- wirkungen auf das psychische Wohlbefinden. Das Aufrechterhalten oder ra- sche Wiederherstellen eines im hohen Maße positiven Affektes und Wohlfüh- lens im Angesicht ausgeprägter Widrigkeiten wird von einigen Autoren als 4 Ätiologiemodelle – 49 – „affektive Resilienz“ bezeichnet (vgl. DAVIDSON 2000). Dies bedeutet nicht, dass resiliente Individuen keinen negativen Affekt erlebten, sondern dass dieser Affekt nicht anhaltend ist sowie nicht zu einer dauerhaften psychopa- thologischen Beeinträchtigung führt. Von Bedeutung für affektive Resilienz scheint insbesondere der zeitliche Ablauf der emotionalen Antwort auf belas- tende Ereignisse zu sein, d. h., wie lange die affektive Reaktion auf eine Be- lastung anhält und wie schnell danach Erholung einsetzt. Diese sog. affektive Chronometrie (DAVIDSON 1998) bleibt dem Einzelnen unbewusst, ist aber objektiven physiologischen Methoden zugänglich. Laut DAVIDSON (2000) bestehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachse- nen große Differenzen im Hinblick auf elektrophysiologische Maße präfronta- ler Hirnaktivität. Die interindividuelle Variabilität der präfrontalen Hirnaktivität ist verbunden mit Unterschieden in der emotionalen Reaktivität (WHEELER, DAVIDSON & TOMARKEN 1993). Individuen mit einer eher linksseitigen präfron- talen Aktivierung reagieren insgesamt positiver auf präsentierte Reize. HORN & HAUTZINGER (2003) unterstreichen die Befunde großer interindividueller Unterschiede bezüglich der Entwicklung depressiver Symptomatik, wenn sie sagen, dass bei einer depressiven Störung die Fähigkeit, die eigenen Emoti- onen wahrzunehmen, diese zu verbalisieren, ein Konzept zu entwickeln und dieses mit anderen kommunizieren zu können, eingeschränkt sind. Auch Er- gebnisse von DE JONG-MEYER & BARNHOFER (2002) zeigen, dass depressive Patienten Schwierigkeiten haben, auf emotionale Hinweisworte hin (z. B. glücklich, traurig) eine örtlich und zeitlich spezifische Erinnerung zu berich- ten. 4.3.2 Salutogenesemodell ANTONOVSKY (1979, 1987) hat die gesundheitstheoretische Forschung um die salutogenetische Perspektive bereichert. Er stellt in innovativer Weise den pathogenetischen Faktoren einen krankheitsprotektiven Ansatz gegenüber, der sich primär mit der Frage befasst, warum Menschen trotz oft widriger Umstände gesund bleiben. Gesundheit wird bei ihm als labiler Zustand aufgefasst (er verwendet den Begriff der Entropie), zu dessen Erhalt aktive Anstrengungen erforderlich sind. GRUPE (1982) verweist in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des Wohlbefindens darauf hin, dass Wohlbefinden nur über „Handlung und Erfah- 4 Ätiologiemodelle – 50 – rung erreicht“ wird (GRUPE 1982, 198). Dabei wird deutlich, dass ein Mensch nicht passiv darauf warten kann, dass sich Wohlbefinden und damit eine Di- mension von Gesundheit automatisch einstellt (FRANKE 1990, 314). Gesundheit und Krankheit fasst ANTONOVSKY entsprechend nicht als dicho- tomes Geschehen auf, sondern als gegenüberliegende Pole eines Konti- nuums (vgl. SACK UND LAMPRECHT 1998, 327). Er geht davon aus, dass der Mensch in seinem Alltag zahlreichen belasten- den Faktoren (Stressoren) ausgesetzt ist, die ihn aus seinem homöostati- schen Zustand bringen. Stress ist bei Antonovsky definiert als „Herausforde- rung, für die es keine unmittelbar verfügbaren oder automatisch adaptiven Reaktionen gibt“ (ANTONOVSKY 1997, 43). Die Annahme, dass „Stressoren immanent schädlich sind, [ist] wenig stichhaltig“ (ANTONOVSKY 1997, 26). Er meint, dass sie in erster Linie nur Anpassungsreaktionen erfordern, die den Menschen herausfordern, sich neu zu orientieren. Erst wenn der Stressor in eine Überforderung mündet, kann von Stress im negativen Sinne gesprochen werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Reiz unterschiedliche Bewertung erfahren kann. So ist es möglich, dass für unterschiedliche Individuen ein und derselbe Reiz als neutral oder Spannung erzeugend empfunden werden kann. ANTONOVSKY unterscheidet zwischen physikalischen, biochemischen und psychosozialen Stressoren (BENGEL 1998, 33). Dem Modell zufolge kommt bei der Bewältigung des durch Stress hervorge- rufenen Spannungszustandes zwei individuellen Ressourcen eine wichtige Funktion zu. Das sind zum einen die sog. generalisierten Widerstandsquel- len, zum anderen eine hohe Ausprägung auf der habituellen Persönlichkeits- dimension, der sog. Kohärenzsinn. Generelle Widerstandsquellen beziehen sich sowohl auf individuelle Fakto- ren (körperliche Faktoren; soziale, kognitive emotionale Faktoren; Intelligenz; Copingstrategien etc.) als auch auf soziale, materielle und kulturelle Umge- bungsbedingungen (soziale Unterstützung; finanzielle Absicherung; kulturelle Stabilität etc.) Generelle Widerstandsquellen bringen größere Ordnung in das System Mensch. Sie prägen kontinuierlich in positiver Art und Weise die Lebenser- fahrungen und ermöglichen dem Menschen, bedeutsame sowie kohärente 4 Ätiologiemodelle – 51 – Lebenserfahrungen zu machen, die wiederum das Kohärenzgefühl beein- flussen (vgl. BENGEL 1998, 34). Nach ANTONOVSKY wird der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand eines Menschen im Wesentlichen durch eine individuelle, psychologische Einfluss- größe bestimmt: die allgemeine Grundhaltung eines Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben. Er bezeichnet diese Grundhaltung mit dem eben schon erwähnten Begriff Kohärenzgefühl (vgl. BENGEL 1998, 29). Nach ANTONOVSKYS Überlegungen setzt sich das Kohärenzgefühl aus drei Komponenten zusammen: 1. Gefühl der Verstehbarkeit (sense of comprehensibility): Kognitive Verarbeitungsmuster bestimmen, inwieweit Reize von einem Individuum als chaotisch, willkürlich oder unerklärlich eingeordnet oder zu strukturierten Informationen verarbeitet werden können. 2. Gefühl der Handhabbarkeit (sense of manageability): Diese Komponente beschreibt das Ausmaß, in dem wahrgenommen wird, dass geeignete Ressourcen zur Verfügung stehen, um Anforde- rungen zu begegnen. 3. Gefühl von Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit (sense of meaningful- ness): Damit ist das Ausmaß gemeint, in dem das Leben als emotional sinn- voll empfunden wird (Antonovsky 1997, 35 f.). 4 Ätiologiemodelle – 52 – Kohärenzsinn Handhabbarkeit Verstehbarkeit Bedeutsamkeit Endogene und exogene StressorenGeneralisierte Widerstandsquellen Gesundheit Krankheit Gesundheit - Krankheit - Kontinuum Abbildung 4: Salutogenesemodell nach ANTONOVSKY (1997) ANTONOVSKY bezeichnet den Kohärenzsinn als stabile Persönlichkeitseigen- schaft, die sich ein Mensch im Laufe seiner Entwicklung erwirbt. Erste Konsistenzerfahrungen werden im Säuglings- und Kleinkindalter durch den Familienalltag sowie die Bedeutsamkeit der eigenen Person im sozialen Kontakt erworben. Auch wenn in der Adoleszenz größere Veränderungen noch möglich sind, da dem Heranwachsenden viele Wahlmöglichkeiten of- fenstehen und viele Lebensbereiche noch nicht festgelegt sind, manifestiert sich das Kohärenzgefühl bis zum zehnten Lebensjahr. Mit etwa 30 Jahren ist nach Auffassung ANTONOVSKYS das Kohärenzgefühl ausgebildet und seiner Ansicht nach stabil (vgl. BENGEL 1998, 31). Eine grundlegende Veränderung des Kohärenzgefühls hält ANTONOVSKY nur begrenzt möglich. Es ist „utopisch […] zu erwarten, dass eine Begegnung oder auch eine Reihe von Begeg- nungen zwischen Klient und Kliniker das SOC (= Kohärenzsinn) signifikant verändern kann. Die eigene Weltsicht, die sich während Jahrzehnten ausge- bildet hat, ist ein zu tief verwurzeltes Phänomen, als dass es in solchen Be- gegnungen verändert werden könnte.“ (ANTONOVSKY 1997, 118). Mittlerweile gibt es Untersuchungen, die belegen, dass die Annahmen ANTONOVSKYS zu pessimistisch waren. In einer Studie von SACK UND LAMPRECHT (1997), in der untersucht wurde, ob sich der Kohärenzsinn durch ressourcenfördernde Psy- 4 Ätiologiemodelle – 53 – chotherapie beeinflussen lasse, stellte sich heraus, dass die Stabilitätshypo- these für den Kohärenzsinn nicht haltbar ist. „Setzt man voraus, dass der Fragebogen ‚sense of coherence’ (SOC) ausreichend gut misst, so stehen unsere Ergebnisse im Widerspruch zur Annahme ANTONOVSKYS, dass das von ihm beschriebene Konstrukt zeit- und behandlungsstabil ist“ (BECKER 1998, zit. in WEYER-MENKHOFF 2005, 10). WEYER-MENKHOFF (2005, 10) ar- gumentiert weiter, dass allein die gesellschaftliche Realität, wie die sozio- ökonomischen Folgen des Eintritts in den Beruf, für eine über die dritte Le- bensdekade hinausreichende Veränderbarkeit des SOC spricht. In einer Studie von SACK & LAMPRECHT 1997 gibt es Hinweise, dass die ge- fundene Veränderung des SOC durch Psychotherapie, v. a. aber durch die Veränderung der Dimensionen Verstehbarkeit und Handhabbarkeit ausgelöst wird. SACK UND LAMPRECHT folgerten somit, dass die Skala „Sinnhaftigkeit“ am ehesten eine „Trait“-Eigenschaft darstellt sowie möglicherweise am meis- ten dem von ANTONOVSKY zeit- und behandlungsstabilen Kohärenzsinn ent- spricht (nach VIEHHAUSER 2000, 81). Faktorenanalytisch ist die Trennung in die drei oben genannten Dimensionen des Kohärenzsinns nach neueren Un- tersuchungen kritisch zu beurteilen (LUTZ 1998, AMELANG & SCHMIDT- RATHJENS 2000). Zusammenfassung: Der erste Teil des vierten Kapitels beschreibt die Entstehung der De- pression aus der Sicht von biomedizinischen und psychosomatischen Modellvorstellungen. Es wird deutlich, dass Depression nicht als „einfache“ Krankheit zu sehen ist, deren Ursache es nur noch genauer zu erforschen gilt, damit eine endgültige Therapie möglich wird, son- dern dass Depression als Krankheit zu verstehen ist, die vielschichtige und komplexe Ent- stehungsmuster hat. Um weitere wichtige relevante Aspekte der Ätiologie der Depression für die bewegungsthe- rapeutische Arbeit berücksichtigen und die verschiedenen nebeneinander existierenden Ätiologiemodelle in einem Modell integrieren zu können, wurde das Salutogenesemodell ANTONOVSKYS, welches in er Bewegungstherapie ausreichend bekannt ist, eingeführt. 5 Salutogenese und Depression – Integration bestehender Modelle – 54 – 5 Salutogenese und Depression – Integration bestehen- der Modelle ANTONOVSKYS Konzept ist nicht fertig; es beinhaltet Unklares, Widersprüchli- ches, und manches scheint nicht zu Ende gedacht. Es bietet z. B. die Mög- lichkeit, Erklärungsmodelle, die nebeneinander existieren, inhaltlich mitein- ander zu verknüpfen. Da dies in der Form für die klinische Bewegungstherapie bei Depressionen nicht existiert, werden im Folgenden zentrale Aspekte depressiver Störungen und das Modell der Salutogenese miteinander in Verbindung gebracht. Zuvor aber werden in diesem Zusammenhang noch zwei weitere, eher un- spezifische Faktoren für das Entstehen einer Depression, dennoch aber für eine störungsspezifische klinische Bewegungstherapie relevante Aspekte, die bisher noch nicht angeführt wurden, beschrieben. Neben den bisher genannten Protektivfaktoren von ANTONOVSKY nennt VIEH- HAUSER (2000) den Punkt „euthyme Ressourcen“. Der Wirkfaktor euthymes Erleben ist nicht derart spezifisch ist, als dass man davon ausgehen kann, dass sich bei einem Mangel oder Verlust automatisch eine Depression ent- wickelt, sondern sich ein Verlust unspezifisch auf die allgemeine körperliche wie psychische Gesundheit auswirkt. Das Konzept des euthymen Erlebens von LUTZ (2002, 1) beschäftigt sich mit allem, „was der Seele gut tut. […] Euthymes Erleben und Handeln ist mit positiven Emotionen, wie beispiels- weise Freude, Entspannung oder Ausgeglichenheit verknüpft, immer ist es mit Wohlbefinden verbunden.“ LUX (1996, zit. in VIEHHAUSER 2002) konnte feststellen, dass Personen in positiver Stimmung Belastungen seltener sowie weniger intensiv erleben und sie auf eine konstruktive Art und Weise bewälti- gen. Verhalten, das positive Stimmung erzeugen könnte, ist bei Menschen mit Depression eingeschränkt. Gefühle werden nur aus einer negativen Weltsicht wahrgenommen und eine Emotionsregulation, die verantwortlich dafür ist, positives Verhalten als solches zu bewerten, findet verlangsamt statt. Eng mit der Genussfähigkeit ist die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsfokussie- rung verbunden. LUTZ (2000, 448) geht davon aus, dass die „Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit auf angenehme Dinge richten zu können […], die Wahr- 5 Salutogenese und Depression – Integration bestehender Modelle – 55 – scheinlichkeit erhöht, dass angenehmes Erleben auftreten kann. […] Dieser Regulationsmechanismus dürfte grundlegend für ein Verständnis von seeli- scher Gesundheit sein.“ Die Metaanalysen bzw. Übersichtsarbeiten von GROSSMAN (2004), BAER (2003), BROWN & RYAN (2003) und BISHOP (2002) zeigen einen Zusammenhang zwischen seelischer Gesundheit sowie der Fähigkeit, die Aufmerksamkeitsfokussierung bewusst regulieren zu können. Im Englischen ist dieser Begriff als „Mindfulness-based Stress Reduction“ bekannt. Aus Sicht der klinischen Bewegungstherapie gibt es eine weitere Form der Genussfähigkeit und somit des Wohlbefindens, die von Bedeutung ist und damit gut in das Konzept des euthymen Erlebens integriert werden kann. CSIKSZENTMIHALYI (1975) formuliert das Konzept des „Flow“. Der Begriff steht für das Erlebnis, vollkommen in der herausfordernden Tätigkeit aufzugehen, die man gerade ausführt, und von der man bei sachorientiertem Tun getra- gen werden kann, wenn eine angemessene Spanne zwischen der Schwie- rigkeit einer Aufgabe und eigener Fähigkeit gerade den „Strom erzeugt“ der einen die Zeit „im Fluss“ erleben lässt (vgl. LEIST 1993, 61). Durch die Sym- ptomatik der Depression (Kap 1.4), dem ständigen Grübeln und Fixiertsein, der mangelnden Aktivität, schließt sich Flow-Erleben als Ressource für Men- schen mit einer depressiven Störung aus. Die im Kapitel 4 genannten Aspekte zur Entstehung von Depression sowie die geraden eben genannten Punkte werden nun in das Salutogenesemodell eingeordnet. 5 Salutogenese und Depression – Integration bestehender Modelle – 56 – Gesundheits-Krankeits-Kontinuum Sressoren (Risikofaktoren) Psychosoziale Stressoren Physikalische und biochemische Stressoren Coping Spannungs- zustand Generalisierte Widerstands- faktoren Generalisierte psychosoziale Widerstands- faktoren Generalisierte genetische und konstitutionelle Widerstands- faktoren Kohärenzsinn Biochemische und genetische Defizite (Kap. 4.1) • Katecholamin – Hypothese • Serortonin – Hypothese • Noradrenerg-cholinerges Ungleichgewicht • β-Endorphin • Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden- Achse • Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse Materielle Defizite Risikofaktorenforschung: • niedriger Bildungsstatus • geringe finanzielle Absicherung • soziale Randschicht Psychosoziale Stessoren • Psychodynamische Modelle (Kap. 4.2.1) • Verhaltenstheoretische Modelle (Kap. 4.2.2) • Epidemiologische Forschung (Kap. 1.1) • Negative Liveevents (Kap. 4.1.3) • mangelnde körperliche Aktivität (Kap. 2.1) Ergebnisse der Hirnforschung • Chronologische Reizverarbeitung (Kap. 4.3.1) • Bahnung der Depression (Kap. 1.2) • Genetische Ausstattung (Kap. 4.1.2) Mikrosoziokulturelle Ressourcen • Defizite in der wahrgenommenen Unterstützung • sozialer Rückzug • depressive Symptomatik (Kap. 1.4) Makrosoziokulturelle Ressourcen • kulturelle Stabilität Strategien • Muster kognitiver Stile (Kap. 4.2.2) • depressionstypische Persönlichkeitsmerkmale • Defizite euthyme Ressourcen (Kap. 5) • Defizite Flowerleben (Kap. 5) •Defizite in der Emotionsregulation (4.3.1) Abbildung 5: Einordnung dargestellter Erklärungsmodelle der depressiven Störung in das Salutogenesemodell (in Anlehnung an KNOLL 1997, 200 f.; HAMSEN 2003, 82) Aus Abbildung 5 geht deutlich hervor, dass aus Sicht des Modells der Salu- togenese aufseiten der Stressoren hohe Belastungen wirken, diesen aber auf der Seite der generalisierten Widerstandsquellen große Defizite gegenüber- stehen, sodass nach den vorangegangenen Überlegungen davon ausgegan- gen werden kann, dass der Kohärenzsinn bei Menschen mit einer depressi- ven Störung gering ausgeprägt ist. Diese Schlussfolgerung entspricht der Feststellung verschiedener empirischer Studien zu dem Thema (siehe auch Zusammenfassung bei BENGEL 1998, 115 ff.). Nachdem keine Hierarchisie- rung der Widerstandsquellen und Stressoren vorgenommen wurde, sondern alle Variablen gleichwertig nebeneinander stehen können, erlaubt das Modell eine individuelle Gewichtung einzelner Faktoren, was für das Verständnis der individuellen Anamnese von entscheidender Bedeutung ist. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 57 – 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungs- therapie mit Depressiven Bevor in diesem Kapitel die Rede von konkreten bewegungstherapeutischen Zielen sein wird, sind bestimmte Sachverhalte zum Problem der Zielfindung sowie der Auswahl von Verfahren/Methoden im therapeutischen Prozess zu klären. Für die Formulierung von Erziehungszielen gibt es in der Pädagogik eine Reihe von formalen Verfahren, wie zum Beispiel auch die in der Arbeit ver- wendete Möglichkeit der Darstellung von Zielen in einer hierarchischen An- ordnung, vom sog. Richtziel zum Grobziel und schließlich zum Feinziel. Die- se Ableitung scheint auf den ersten Blick logisch und einleuchtend zu sein, beinhaltet aber eine sog. Deduktionsproblematik (HÖLTER 1993, 19). Es ist in der Theorie nicht möglich, ein Ziel aus dem anderen einfach abzuleiten, da in einem therapeutischen Prozess zu viele Einflussvariablen in Wechselwirkung miteinander stehen, die berücksichtigt werden müssten. Therapieziele haben Auswirkung auf die verwendeten Methoden und Inhalte, werden selbst aber auch von den verwendeten Methoden und Inhalten beeinflusst (sog. Implika- tionszusammenhang, vgl. BLANKERTZ 1971, 94). Neben den Methoden und Inhalten haben auch der Therapeut, die Rahmenbedingungen oder das Ver- halten des Patienten selbst wiederum Einfluss auf die Zielformulierung. Das ganze Bedingungsgefüge wird somit sehr komplex. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, wird im Folgenden der Differen- zierung von Zielen sowie der klaren Darstellung von verwendeten Methoden Platz eingeräumt. 6.1 Differenzierung von Zielen Wie in Abbildung 6 zu erkennen ist, laufen bei der therapeutischen Zielset- zung mehrere Stränge zusammen. Ein Strang sind die von PETZOLD ET AL. (1997/1998) benannten Ziele, die aus der Metatheorie abgeleitet und im nächsten Abschnitt näher erläutert werden. Ein weiterer Strang ist der Therapeut, dessen Ausbildung, Persönlichkeit und Besonderheiten. Der Bewegungstherapeut als Spezialist für Bewegung und Körpererfahrung legt besonderen Wert auf die Ziele „Verbesserung der 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 58 – Wahrnehmung von körperlichen Empfindungen“ sowie „Vermitteln der Zu- sammenhänge von Physis und Psyche“. Ein dritter Strang ist das therapeutische Setting. Die Klinik als Kontext stellt wöchentlich einmal 100 Minuten Gruppenbewegungstherapie zur Verfügung. In der Gruppe mit Gleichbetroffenen ist es für die teilnehmenden Patienten möglich, Mitgefühl, Verständnis und Solidarität zu erleben. Außerdem wer- den vielfältige Modelle zum Verständnis sowie zur Verarbeitung der Sym- ptomatik bereitgestellt (vgl. WILLKE 2007, 170). Daraus resultierende Ziele können sein: Kontakt zu anderen finden, sich anderen gegenüber öffnen und mitteilen lernen. Ein vierter Strang schließlich umfasst die Ziele, die sich spezifisch aus den Leiden, Vorstellungen und Erwartungen des Patienten ergeben (vgl. WILLKE 2007, 169). Die Ziele von Patienten sind individuell sehr unterschiedlich. HAAS (1999, 214 ff.) unterscheidet Themen erster und zweiter Ordnung. Themen erster Ordnung sind individuelle Themen, die der Patient aus sei- nem persönlichen Lebenszusammenhang in die Therapie, als persönliche Zielsetzung, einbringt. Themen zweiter Ordnung können durch die angebo- tenen Inhalte in der bewegungstherapeutischen Arbeit ausgelöst werden (vgl. WILLKE 2007, 173 ff.). Da klinische Bewegungstherapie meist als Gruppen- therapie stattfindet, kann zwar Wünschen und Erwartungen, also den primä- ren bzw. individuellen Themen, der Vorrang eingeräumt werden, es bietet sich aber an, die Therapieangebote so zu gestallten, dass der Bewegungs- therapeut zuerst mögliche relevante Themen (Themen zweiter Ordnung) präsentiert. Damit dies möglich wird, müssen auf einer übergeordneten Ebe- ne klare Zielvorstellungen für die Therapie gegeben sein. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 59 – Symptomatik, Lebenssituation, Geschichte, Wünsche des Patienten etc. Ausbildung, Persönlichkeit, Spezialitäten, Therapieerfahrung des Therapeuten etc. fundierte therapeutische Therapiekonzepte Institution, Zeit, Raum, Stand des Prozesses etc. Ziele aus der Theorie Ziele des Therapeuten Ziele aus dem Kontext Ziele des Patienten Therapieziele Abbildung 6: Faktoren der Zielbestimmung (vgl. WILKE 2007, 170) Die Arbeit folgt der Auffassung PETZOLDS (1988, 208), Ziele den Methoden gegenüber Vorrang zu gewähren. Die Ziele bestimmen die Methode und nicht umgekehrt, deshalb müssen wir jeweils das Ziel-Mittel-Verhältnis heu- ristisch bestimmen. Methoden dürfen sich nicht verselbstständigen und die Ziele, oder den therapeutischen Prozess, der die Ziele hervorbringt, determi- nieren sowie dominieren. Aus diesem Grund werden nun zuerst Ziele aus der Theorie abgeleitet beschrieben. 6.2 Von Richtzielen zu Feinzielen, Ziele aus der Theorie Wie in Kapitel 3 geschildert, ist das Ziel der im Allgemeinen empfohlenen bewegungstherapeutischen Standardtherapie die primäre Aktivierung des Patienten, verbunden mit dem Wirkfaktor Selbstwirksamkeit (siehe Kap. 2.4.2.2). Geht man jedoch von der Mehrdimensionalität der Sport- und Bewegungstherapie aus, wie im Kapitel 3 beschrieben, so wird klar, dass bei einer psychischen Erkrankung wie der Depression nicht nur funktionale As- pekte und damit übungszentrierte Inhalte eine Rolle spielen dürfen. HÖLTER (1993) benennt für die Mototherapie vier Basisziele, die auch für die indikationsspezifische klinische Bewegungstherapie bei Depression eine Rol- 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 60 – le spielen: Aktivierung, Freizeitgestaltung, Vermittlung von Fertigkeit und Wissen sowie Bewegung als Medium der Psychotherapie. Neben der Aktivie- rung, geht es vor allem darum, die Bewegungstherapie als Medium der Psy- chotherapie sowie als Möglichkeit zu nutzen, um Wissen über Zusammen- hänge der Krankheit zu vermitteln (Psychoedukation). Dies setzt aber voraus, dass dem Bewegungstherapeuten mögliche Therapieziele und die daraus resultierenden Themen bekannt sind. Das Richtziel ergibt sich aus verschiedenen Theoriemodellen der Depressi- on. In den vorangegangenen Kapiteln wurden einige wichtige Modelle erör- tert und in das Salutogenesemodell eingeordnet. Dabei wurde klar, dass vie- len spannungserzeugenden Faktoren wenige Ressourcen gegenüberstehen (Kap. 4 und 5). Das Richtziel lautet somit ganz allgemein, spannungserzeu- gende Faktoren durch die Möglichkeiten der klinischen Bewegungstherapie zu mildern und bestimmte protektive Faktoren zu erhöhen. Um der Forderung nach der Mehrdimensionalität klinischer BWT gerecht zu werden, wie die Einordnung der verschiedenen spannungerzeugenden Fak- toren in das Salutogenesemodell zeigt, müssen dabei physikali- sche/biochemische Stressoren und psychosoziale Stressoren als depressi- onsförderliche Faktoren berücksichtigt werden. Das heißt, das Richtziel, mögliche Stressoren abzubauen, muss sich auf die beiden genannten Fakto- ren der biochemischen und psychosozialen Stressoren erstrecken. Daraus lassen sich konkrete Grobziele ableiten, wie in der folgenden Abbildung er- sichtlich. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 61 – Grobziel: •Verminderung biochemischer Defizite •Erhöhung psychosozialer Ressourcen und Erarbeitung kognitiver Strategien •Verbesserung der Emotions-/ Aufmerksamkeits-/ und Spannungsregulation •Verbesserung wahrgenommener sozialer Unterstützung •Bewusstmachung körperlicher – seelischer Zusammenhänge • Wiederaufbau von euthymen Erleben Feinziel: Erhöhung der körperlichen Aktivität/ Primäre Aktivierung Erkennen und Umstrukturierung von Kognitionen und Handlungen Gefühle verbalisieren, Gedankenstop, Förderung körperlicher und psychischer Entspannungsfähigkeit Emotionale Entlastung, Hilfe Annehmen, Erleben von Gemeinschaft Nähe – Distanz; Förderung von Abgrenzungsfähigkeit; Förderung von Selbstvertrauen Bedürftigkeit/ eigene Wünsche/ Lebensfreude/ Kraft/ Zielgerichtetheit Verfahren*: Sporttherapeutische Verfahren zur Aktivierung (z. B. Walking, kleine Spiele, Sportspiele) Tanztherapie, sporttherapeutische Methoden, Entspannungstechniken, KBT, IBT, Taj Chi, Entspannungstechniken, Tanztherapie, Atemtherapie, Meditation Feldenkrais, KBT, Entspannungstechniken, sporttherapeutische Verfahren, erlebnispädagogische Verfahren KBT, IBT, Tanztherapie, Kleine Spiele, Massagen, primäre Aktivierung, * Die genannten Verfahren sind als Beispiele zu verstehen. Sie können nach Ziel des Therapeuten und Bedürfnisse der Patienten übungszentriert, erlebnis- bzw. ressourcenorientiert oder konfliktzentriert angewandt werden. Abbildung 7: Auswahl an Zielen und möglichen Verfahren störungsspezifischer klini- scher BWT für Patienten mit Depression Die Verminderung biochemischer Defizite ist durch eine übungszentrierte Aktivierung zu erreichen und liegt in den Möglichkeiten sporttherapeutischer Inhalte (Ausdauertraining wie Walking, Radfahren etc.) Die relevanten Wirk- faktoren wurden unter 4.1.1 besprochen. Die Erhöhung psychosozialer Ressourcen dagegen gestaltet sich dem Krankheitsbild entsprechend komplexer. Die oft typischen, der Depression eigenen spannungserzeugenden Muster lassen sich nicht nur ausschließlich durch Aktivierung behandeln. Um psychosoziale Stressoren zu minimieren, ist es notwendig, Bewegung als Medium der Psychotherapie zu nutzen. Da- bei geht es um eine Bewusstmachung und Verbesserung der Wahrnehmung von Handlungsstrategien, das Erkennen eigener Verhaltensweisen sowie der damit verbundenen körperlichen und psychischen Zusammenhänge. Mögliche wichtige Feinziele, die eng mit diesen Grobzielen in Verbindung stehen, sind zu lernen, unterdrückte Emotionen wahrzunehmen, mit dem Ge- fühl der Schuld umzugehen (Kap. 4.2.1), ein Gefühl für Nähe und Distanz zu entwickeln oder an einer besseren Abgrenzungsfähigkeit zu arbeiten (Kap. 4.2.1 und 4.2.2). Weitere mögliche Feinziele sind Vertrau- 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 62 – en/Selbstvertrauen zu stärken (Kap. 4.2.2) und nicht nur Hilfe geben, son- dern zu lernen, auch Hilfe anzunehmen (Kap. 4.2.1). Im Folgenden werden einige Beispiele von Inhalten mit bewegungstherapeu- tischen Verfahren, genannte Ziele und deren Themen zu bearbeiten, vorge- stellt. Überlegungen in der Praxis: Eine Möglichkeit, unterdrückte Emotionen erlebbar zu machen, ist die Arbeit mit dem Box- sack. Auf den Boxsack einzuschlagen mit der Vorstellung bestimmter belastender Ereignisse kann zu einer emotionalen Entlastung führen. Auf den Boxsack einzuschlagen und gleichzei- tig versuchen, Sätze (laut) zu formulieren, wie z. B. „das reicht“ oder „mit mir nicht mehr“, kann helfen, in der Vergangenheit negativ erlebte Gefühle neu zu sortieren und neue Hand- lungsperspektiven für die Zukunft eröffnen. Das genannte Feinziel „Erhöhung der Abgren- zungsfähigkeit“ spielt dabei ebenfalls eine große Rolle (siehe zu dieser Thematik auch BARTLOG 1993, 185). Eine Übung zur Erreichung des Feinzieles Hilfe geben und annehmen kann zum Beispiel sein, dass sich zwei Personen hintereinander Rücken an Bauch aufstellen. Die Person, die vorne steht, lässt sich in die Hände der hinteren fallen. Die Person vorne fällt der hinteren sozusagen zur Last und muss sich auf die stützenden Hände verlassen. Dieses „zur Last fallen“ kann thematisiert werden, genauso die Kraft, die nötig ist, um die vordere Person zu fangen und der ehrliche Umgang mit dieser Kraft (wo sind meine Grenzen). Eine oft durchgeführte Übung zur Entwicklung für ein Gefühl von Nähe und Distanz ist das Aufeinanderzugehen in verschiedenen Varianten. Eine Person steht an Ort und Stelle und beobachtet erst einmal nur ihre momentane Befindlichkeit sowie körperlichen Reaktionen. Die andere Person geht auf diese Person zu und unterschreitet deutlich die Distanz, die von der ersten Person als gerade noch angenehm erfühlt wird. In einem zweiten Schritt wechselt die an Ort und Stelle stehende Person die Position (auf einem Stuhl stehend oder am Boden hockend) und fühlt auch hier wieder die momentane Befindlichkeit. Als eine Möglichkeit der Übung kann thematisiert werden, in welcher Position man sich wohler fühlte, und was es einen erleichtern könnte, z. B. auch einmal über dem andern zu stehen. Die Übung kann ausgebaut werden, indem auf die andere Person zugegangen wird, wobei verschiede Aufgaben zu erfüllen sind, z. B. die andere Person verbal zurückzudrängen etc. Nähe zuzulassen als eine bewegungstherapeutische Möglichkeit kann bedeuten zu lernen, sich berühren zu lassen und mitzuteilen, wo das gerade in Ordnung, vielleicht sogar ange- nehm ist, aber auch zu sagen, wo und wann diese Nähe aber auch nicht gewünscht wird. Neben der Möglichkeit daran zu arbeiten, spannungserzeugende Faktoren zu minimieren, zeichnet sich die klinische Bewegungstherapie vor allem da- durch aus, protektive Faktoren zu stärken. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 63 – Grobziele zur Stärkung der protektiven Faktoren sind die Förderung der Fä- higkeiten zur Emotions- und Aufmerksamkeitsregulation, der Fähigkeit euthymes Erleben wiederzuentdecken sowie die Möglichkeiten der sozialen Integration. Aspekte, die eng mit diesen Grobzielen in Verbindung stehen, wurden im Kapitel 5 (euthymes Erleben, Aufmerksamkeitsregulation) sowie in Kap 4.3.1 (chronologische Reizverarbeitung und Emotionsregulation bei Depressiven) beschrieben. Der soziale Rückzug und die daraus abzuleitende Notwendigkeit einer sozialen Integration ergeben sich aus der in Kap. 4.2.2.3 beschriebenen Ablehnung der Sozialpartner Depressiver. Feinziele zur Emotionsregulation Depressiver können sein: Lernen der Ge- fühlswahrnehmung und -verbalisierung sowie über Bewegung Ausdruck für bestimmte Gefühle zu finden. Feinziele zur Fähigkeit der Aufmerksamkeits- regulation sind zum Beispiel zu lernen, einen Gedankenstopp zu setzen, Ge- danken und Gefühle nicht zu bewerten oder sich immer wieder im „Hier und Jetzt“ zu fokussieren. Feinziele zur Erlangung des Grobzieles „Wiederentdeckung euthymen Erle- bens“ können sein: eigene Bedürfnisse erkennen, Wiederaufbau von Aktivitä- ten, Berührung annehmen, Nähe zu lassen. Das Grobziel Verminderung des sozialen Rückzuges kann beispielhaft ope- rationalisiert werden in Wiederaufbau von Gruppenaktivitäten, Förderung der Verbalisierungs- und Kommunikationsfähigkeit bezüglich eigener Bedürfnisse und Grenzen, Erleben von Gruppenzugehörigkeit. Genauso wie im Abschnitt zur Verminderung spannungserzeugender Stres- soren werden die nun folgenden Beispiele wiederum als eine Möglichkeit von vielen bewegungstherapeutischen Interventionen beschrieben, um die ge- nannten Ziele und deren Themen zu bearbeiten. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 64 – Überlegungen für die Praxis Eine Möglichkeit, negative wie positive Emotionen zum Ausdruck zu bringen, sind die Mög- lichkeiten des Tanzes. Zum Rhythmus der Musik auf den Boden zu stampfen, kann helfen, Emotionen wie Wut oder Aggression zum Ausdruck zu bringen. Auch bietet der Tanz die Möglichkeit, dem oft verloren gegangenen Lebensgefühl der Leichtigkeit nachzuspüren und evtl. es in Bewegung umzusetzen. Ein weiteres Beispiel, emotionale Erleichterung zu erlan- gen, ist die Möglichkeit des Schüttelns zur Musik, um bildlich die Dinge, die einen belasten, abzuschütteln. Um das Ziel einer Erhöhung der Aufmerksamkeitsregulationsfähigkeit zu erlangen, eignen sich in besonderem Maße Übungen aus der Atemtherapie, der Meditation, Qi Gong oder Tai-Chi. Es besteht die Aufgabe, daran zu arbeiten, Gedanken, Emotionen, Bilder usw., die eigentlich nicht zur Übung gehören, immer wieder gehen zu lassen. Das heißt, offen zu wer- den für die Gegenwart, auch wenn das beispielsweise „nur“ die Aufmerksamkeit auf den Atemstrom ist. Möglichkeiten, euthymes Erleben mit bewegungstherapeutischen Mitteln zu fördern, können sein: ein bewusstes Naturerlebnis (Beobachten des Sonnenaufganges), gemeinsam zu spie- len (Bsp. Schwungtuch), eine Massage (Igelball oder mit den Händen), sich zur Musik zu bewegen, den feuchten, kühlen Boden unter den nackten Füssen zu spüren etc. Soziale Integration geschieht immer dann, wenn ein Mensch sich zugehörig fühlt. Das kann z. B. geschehen in einem Kreistanz, beim gemeinsamen Lösen einer Aufgabe bzw. schwie- rigen Herausforderung oder im Gespräch zum Verbalisieren des Erlebten. 6.3 Auswahl an Verfahren/Methoden klinischer Bewegungs- therapie Nach WILLKE (2007, 167) sind Methoden übergeordnete Strategien von Handlungen, die auf bestimmte Ziele ausgerichtet und über bestimmte theo- retische Konzepte legitimiert sind. Sie sind keine konkreten Handlungsan- weisungen oder Übungsfolgen. Interventionen sind die konkreten Handlun- gen, die ein Therapeut in den Prozess eingibt, die aber aus der konkreten Therapiesituation entstehen und aufgrund des komplexen Bedingungsgefü- ges nicht theoretisch erörtert werden können. In den vorangegangenen Kapiteln wurden immer wieder bewegungsthera- peutische Methoden erwähnt. Da nicht jeder Leser mit den genannten Me- thoden vertraut ist, werden sie im Folgenden jeweils kurz vorgestellt. Die Auf- listung der Verfahren erfolgt ohne Gewichtung und lose nebeneinander. Am Anfang stehen die eher sporttherapeutischen auf Funktion ausgerichteten 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 65 – Methoden, am Ende die körperpsychotherapeutischen Verfahren, die eher auf innere Aspekte von Bewegung abzielen. Diese Vorstellung ist als Überblick zu möglichen Inhalten und Zielen der je- weiligen Methode gedacht. Eine umfassende Beschreibung und ein tieferes Verständnis der jeweiligen Methoden zu geben, ist an dieser Stelle nicht möglich. Jede genannte Methode verfügt z. T. über eigene Lehrbücher und/oder oft über mehrjährige Ausbildungen. An entsprechender Stelle er- folgt im Text jeweils der Hinweis auf die Literatur, um dem interessierten Le- ser die Möglichkeit zu geben, sich dort umfassender zu informieren. PETZOLD (1985) schlug vor, Methoden nach übungs-, erlebnis- und konflikt- zentrierte Verfahren zu unterscheiden. Die vorliegende Arbeit folgt diesem Ansatz. Alle im Folgenden vorgestellten Verfahren und Techniken können diesen von PETZOLD (1985) vorgeschlagenen Kategorien zugeordnet werden. Je nach Ausbildungsstand und Fähigkeit des Therapeuten, den Bedürfnissen des Patienten und der Zielsetzung können die unterschiedlichen Methoden entweder im übungszentrierten Sinne, konfliktzentriert oder erlebniszentriert eingesetzt werden. Überlegungen für die Praxis: Anhand des schon einmal erwähnten Beispieles des Boxsackes soll dies noch einmal ver- anschaulicht werden. Am Boxsack zu boxen kann unter Umständen sehr aufdeckend und konfliktzentriert sein. Häufig sind dabei die Themen Hilflosigkeit, Schuld sowie Wut verbun- den mit Erinnerungen aus der Vergangenheit. In der Therapie den Fokus auf die vorhande- nen Kräfte zu richten, d. h. den Boxsack zu nutzen, um am Thema Abgrenzung zu arbeiten, bedeutet erlebniszentriert vorzugehen bzw. Ressourcen zu stärken. Der Boxsack kann aber auch als ausschließliches Medium der Aktivierung im Sinne von körperlichem Fitnesstraining eingesetzt werden. Dieses Vorgehen ist als übungszentriert zu bezeichnen (siehe auch BARTLOG 1993, 185). Die im Folgenden vorgestellten bewegungstherapeutischen Verfahren kön- nen und sollen nicht das ganze Spektrum der vorhandenen Möglichkeiten bewegungstherapeutischer Interventionsformen erfassen. Die genannten Verfahren wurden vom Studienleiter/Therapeuten in der Aus- bildung und in Fortbildungen erlernt sowie in der Studie entsprechend des Ausbildungsstandes im Sinne eines eklektizistischen Vorgehens angewandt. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 66 – Die positive persönliche Erfahrung des Therapeuten mit den genannten Me- thoden ist verantwortlich für die Zusammenstellung, die aus diesem Grund keine theoretische Fundierung hat, die Auswahl einzelner Methoden, wie in diesem Kapitel deutlich wird, sehr wohl. Die Zusammenstellung ausgewählter Methoden ist ein Vorschlag, mit verschiedenen Möglichkeiten klinischer Be- wegungstherapie Ziele, die im vorausgegangenen Kapitel erläutert wurden, zu erarbeiten. 6.3.1 Sporttherapeutische Verfahren Es ist unbestritten, dass der Sporttherapie mehrere, auch psychosoziale Di- mensionen zugrunde liegen (HUBER & SCHÜLE 2000). In dem vorliegenden Konzept werden darunter die Methoden verstanden, die mit Aspekten des Sports die Funktionalität des Körpers ansprechen. Als Methoden finden Aus- dauertraining (Jogging, Walking, Nordic Walking etc.), Gymnastiken oder Sportspiele (Badminton, Volleyball etc.) Anwendung. In der Behandlung de- pressiver Patienten findet vor allem das klassische Ausdauertraining Beach- tung und wird von Therapeuten als unterstützende Maßnahme zur Aktivie- rung empfohlen. 6.3.2 Entspannungstechniken Nach TITELBAUM (1988) hat Entspannung v. a. drei wesentliche Funktionen: (1) Präventiv schützt sie Körperorgane vor unnötiger Beanspruchung, (2) aus therapeutischer Sicht fördert sie Stressabbau und (3) als Bewältigungsstra- tegie ermöglicht sie es, innerlich zur Ruhe zu kommen sowie klar und effi- zient zu denken. Bei manchen Verfahren stehen physiologische Aspekte wie Muskelspannung und vegetative Funktionen im Vordergrund, andere richten den Blick auf psychologische Elemente. Jede der im Folgenden genannten Methoden hat neben dem Gesichtspunkt der Entspannung weitere inhaltliche Aspekte, die aber an dieser Stelle nicht thematisiert werden sollen. Die genannten Verfahren wurden überwiegend als Entspannungstechniken angewandt. • Atemtherapie • Tai-Chi • Qi Gong • Meditation 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 67 – Atemtherapie – Der erfahrbare Atem nach MIDDENDORF (1995) Bei dieser Therapieform wird mit dem so genannten „zugelassenen Atem“ gearbeitet und der Erfahrung, dass zwischen „Atem, Sammlung und Empfin- dung“ eine gegenseitige Wechselwirkung besteht, die bei gleichzeitiger Ba- lance zwischen „Hingabe und Achtsamkeit“ eine bewusste Entwicklung aller Ebenen (je nach Hinwendung) des Klienten möglich machen soll. a) Mechanisch besteht eine Wechselwirkung zwischen Atembewegung sowie zahlreichen Körperorganen und deren Funktionen. b) Kreislaufdynamisch hängt die Atembewegung eng mit der Herzfunkti- on sowie dem Körper- und Lungenkreislauf zusammen. c) Chemisch wird über die Atmung die Sauerstoffversorgung, der Koh- lendioxidspiegel, die Ionenkonzentration und damit die gesamte Stoff- wechsellage beeinflusst. d) Nervös-reflektorisch wirkt sich die Atmung über nervliche Verflechtun- gen auf die Organe und deren Funktionen aus. e) Zentral-nervös besteht ein tief greifender Einfluss der Organmotorik, vor allem der Atem-Motorik, auf die Großhirn- und Bewusstseinsvor- gänge des Menschen und damit auf sein Empfindungs- sowie Ge- fühlsleben. In der Formatio Reticularis strömen alle Informationen zusammen, die im Körper bzw. Gehirn entstehen. Jeder Reiz, von außen oder innen kommend, verändert die Art und Weise zu atmen, was vom Patienten differenziert erlebt und empfunden werden kann. Tai-Chi – Qi Gong Tai-Chi lässt sich mit „das höchste Prinzip” übersetzen. Es handelt sich hier- bei um eine Kampfkunst und damit eine Übungsform, in der Prinzipien von Yin und Yang sowie deren Anwendungen enthalten sind. Qi Gong bedeutet soviel wie „den Atem üben“. Einige Stile betonen dabei mehr äußere, andere eher innere Aspekte. Tai-Chi und Qi Gong sind Meditation in Bewegung und Bewegung in Meditation. Die Konzentration dabei auf das „Dantian“, die Quelle des Qi, der Lebensenergie, ist keine äußerliche, sondern eine rein innerliche Aktivität. Die Bewegungsmeditation und Konzentration auf die At- 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 68 – mung fördert außerdem das Körperbewusstsein sowie die Konzentrations- und Entspannungsfähigkeit (OLSON 2005). Meditation Meditation umfasst alle Techniken, die dafür sorgen, dass Körper, Geist und Seele in einen Zustand bewusster Achtsamkeit gleiten. Der Strom ständig fließender Gedanken wird zur Ruhe gebracht und auf einen Bereich bzw. einen Punkt fokussiert, bis ein Zustand des inneren Stillwerdens eintritt. (GIENGER 2005, 11f.). Das Hier und Jetzt ist der Schlüsselbegriff, die Gegen- wart ist das Wichtigste. Die meisten Menschen „haben die Neigung, ängstlich in die Vergangenheit oder Zukunft zu denken, anstatt ihre volle Aufmerksam- keit ihren augenblicklichen Handlungen, Worten und Gedanken zu widmen“ (DESHIMARU-ROSHI 1978, 19). Dies gilt besonders für Menschen mit einer Depression, die ständig in dysfunktionalen kognitiven Mustern gefangen sind. 6.3.4 Leiborientierte Methoden Leiborientierte Methoden versuchen, eine eher psychologisch ausgerichtete Sichtweise von Bewegung mit einer eher auf Funktion ausgerichteten Sicht- weise zu verbinden (siehe Kap 3). Die folgenden Verfahren wurden in der Studie verwendet. Dabei ist Spiel und Berührung besser als Inhalt bestimm- ter Methoden zu bezeichnen als eine eigene Methode an sich (z. B. Spiel bei Mototherapie oder Berührung in der Massage). Dennoch wird in diesem Zu- sammenhang auf die beiden Punkte eingegangen, da sie unverzichtbare Be- standteile vieler bewegungstherapeutischer Einheiten darstellen. Feldenkrais Die Feldenkraismethode kennzeichnet sich durch die Übereinstimmung we- sentlicher Grundannahmen der kognitiven Verhaltenstherapie. Strategien, die durch die Methode erlernt wurden, können auch in den Alltag, auf andere Lebensbereiche transferiert werden. Insbesondere gilt das für die Offenheit, neuen Situationen zu begegnen und daraus zu lernen. Dies bezieht sich auf das Tun mit kleinem Aufwand, die Imagination von Teilaspekten einer Bewe- gung/Situation, das Zulassen aller Zielgerichtetheit, das bewusste (richtige) Falschmachen, das Verfolgen eigener Interessen und das Einrichten von Pausen, wann immer gewünscht (vgl. KLINKENBERG 2005). 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 69 – Genau genommen handelt es sich bei der Methode um einen Prozess der Selbsterziehung zu Bewusstheit anhand körperlicher Bewegung. „Bewusst- heit heißt weitaus mehr als das bloße Bewusst-Sein und mehr als nur Spü- ren. Bewusstheit ist Innesein, was jemand zu tun vorhat und wie er es aus- führt“ (KLINKENBERG 2005, 66). Spiele Als Sportspiele werden häufig die klassischen Sportspiele mit Wettkampfcha- rakter wie Fußball, Volleyball, Hockey oder Ähnliches bezeichnet. Daneben existieren aber weitere Ausprägungen des Spiels, wie kooperative Spiele (Spiele mit einer gemeinsam zu lösenden Aufgabe), Abenteuerspiele (Spiele mit erhöhtem Spannungspotential und ungewissem Ausgang), kleine Spiele (Spiele ohne großen Aufwand), New Games (Spiele ohne Sieger) etc. Als Grund für Spiel wird oft die Freude am Tun oder das Handeln ohne weit rei- chende Konsequenzen genannt. Motivationsfaktoren sind u. a. Neugierde, Bewegungsdrang, Explorationsbedürfnis, Bedürfnis nach Anerkennung oder nach Leistung (vgl. DILLMANN & EBINGHAUS 2004, 46). Im Rahmen der Studie wurden v. a. kleine Spiele eingesetzt. Als kleines Spiel wird eine „von einem bestimmten Spielgedanken bzw. einer Aufgabe ausgehenden Folge von freudvollen Handlungen, die durch motorische Leis- tung und soziale Aktivität bestimmt werden“ (DÖBLER & DÖBLER 1998, 15), bezeichnet. Dabei sollen folgende Punkte erfüllt werden: Ein kleines Spiel soll keine zu großen Vorrichtungen erfordern, leicht erlernbar sein und doch, regelrecht begründet, alle Mitspieler einbeziehen und motivierend sein (vgl. DÖBLER & DÖBLER 1998, 15f.). Kleine Spiele legen Wert auf den freien Spiel- charakter, ohne notwendige Fertigkeiten und haben daher keine festgelegte Zielsetzung. Sie eignen sich besonders als Einstieg in die Therapiestunde, zum Kennenlernen, um Zeit als genussvoll zu erleben, sich abzulenken oder zur Aktivierung. Selbstmassage – Partnermassage – Berührung (vgl. FOSSHAGE 2002, 67ff.) Die Haut ist eines der größten Sinnesorgane des menschlichen Körpers und darf allein schon aus diesem Grund in einer ganzheitlich orientierten BWT nicht außer Acht gelassen werden. Berührung ist neben der physikalischen 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 70 – Ebene immer auch verbunden mit einer Geste der Zuwendung auf Bezie- hungsebene. Entweder berührt sich der Mensch alleine oder er berührt sich in zwischenmenschlichen Beziehungen mit anderen. Berührung muss daher behutsam erfolgen und ist vielleicht zu Beginn einer Therapie erst einmal nicht möglich. Eine Geste der Berührung kann vielseitig sein. Sie kann Ge- borgenheit und Schutz vermitteln, aber auch aufwühlen und aktivierend oder lösend sein. Je nach Bedarf und Indikation kann mit Gegenständen wie Handtüchern, Kirschkernsäcken, Igelbällen oder mit der bloßen Hand berührt und massiert werden. Erlebnispädagogik Der Begriff Erlebnispädagogik ist bei FISCHER & ZIEGENSPECK (2000, 28) er- klärt als „zielgerichtete und auf Ganzheitlichkeit angelegte Planung, Vorberei- tung, Durchführung und Auswertung erlebnispädagogischer Prozessgestal- tung mit dem Ziel, Selbst- und Umweltveränderungen im emotional- erlebnishaften, sozial-kognitiven und praktisch-aktionalen Kontext zu bewir- ken“. Die Elemente der Erlebnispädagogik ermöglichen handlungsorientier- tes Lernen und bieten durch den hohen Motivationsgehalt der Aufgaben die Möglichkeit, vorhandene Handlungsmuster zu hinterfragen und neue aufzu- zeigen (LUCKNER & NADLER 1997). Die Aufgaben der Erlebnispädagogik haben aktivierenden Charakter. Sie bereiten auf den Aufbau eines sozialen Netzwerkes vor, da sie Ressourcen, aber auch Hindernisse im sozialen Kontakt mit anderen, die in der Gruppe angesprochen und bearbeitet werden können, schnell zutage fördern. 6.3.5 Methoden der Körperpsychotherapie Körperpsychotherapie ist die Bezeichnung für Therapiemethoden, die die psychischen und körperlichen Dimensionen menschlichen Erlebens gleich- wertig behandeln. Sie teilen die Annahme, dass Körper und Psyche eine Einheit bilden. Fast alle nutzen die Körperwahrnehmung als Möglichkeit, un- bewusste psychische Prozesse aufzudecken und ins Bewusstsein zu brin- gen. Körperpsychotherapiemethoden arbeiten erfahrungsorientiert, was be- deutet, dass das momentane und vor allem körperliche Erleben während des Therapieprozesses im Fokus der Aufmerksamkeit steht. 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 71 – Als eher körperpsychotherapeutische Methoden sind die Tanztherapie, die Integrative Bewegungstherapie und die konzentrative Bewegungstherapie zu nennen (vgl. MARLOCK 2006) Tanztherapie Tanztherapie versteht sich als psychotherapeutisches Verfahren, das körper- liche Bewegung und Tanz verwendet, um die physische und psychische In- tegration des Individuums zu fördern. In diesem handlungsorientierten The- rapieverfahren werden künstlerische und kreative Prozesse genutzt. Der Begriff Tanztherapie verweist auf die im Tanz gründenden geschichtlichen Wurzeln sowie auf die praktische Verwendung tänzerischer und choreografi- scher Mittel. Angestrebt wird dabei nicht das Erlernen spezieller Bewegungs- und Verhaltensrepertoires. Vielmehr ist das subjektive Erleben der eigenen Identität auf der kinästhetischen, der intrapsychischen und der interaktionel- len Ebene Ausgangspunkt und Gegenstand tanztherapeutischer Arbeit. Es wird angenommen, dass das zur Verfügung stehende Bewegungsrepertoire eines Menschen seine Handlungs- und Bewältigungskompetenz repräsen- tiert (siehe WILKE 2007). Integrative Bewegungstherapie (IBT) IBT sieht den Menschen als Körper-Seele-Geist-Subjekt in seinem sozialen und ökologischen Umfeld. In dieser Arbeit steht der Leib, der beseelte Kör- per, in der Gesamtheit seiner psychophysiologischen Funktionen und die ihm eingefleischte Geschichte mit ihren Stress- und Entlastungsereignissen im Mittelpunkt der Therapie. Die Integrative Bewegungstherapie bezieht Er- kenntnisse der Neurowissenschaften, der Immunologie und der Sensopsy- chomotorik genauso ein wie Erfahrungen aus körperpsychotherapeutischen sowie bewegungstherapeutischen Traditionen und der Leibphilosophie. Sie fördert das Kennenlernen und Beeinflussen von leiblichen, d. h. psychopysio- logischen Funktionen wie Atmung, Puls, Spannung/Entspannung, Elastizi- tät/Flexibilität, Erholungsverhalten und wirkt stabilisierend sowie harmonisie- rend durch die Förderung und Verbesserung psychophysischer Funktionen (vgl. HÖHMANN-KOST 2002). 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 72 – Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) Wahrnehmung und Bewegung werden in der KBT als Grundlage von Erfah- rung und Handeln des Menschen für den therapeutischen Prozess genutzt. Erinnerungen, die im Laufe des Lebens Haltung und Verhalten geprägt ha- ben, werden durch konzentratives Sich-Bewegen und Sich-Wahrnehmen reaktiviert. Im Umgang mit Materialien und Menschen können sowohl konkre- te Erfahrung als auch symbolischer Bedeutungsgehalt erlebbar gemacht werden. Im anschließenden Gespräch werden vor dem Hintergrund ent- wicklungs- und tiefenpsychologischer Denkmodelle Erfahrungen ausge- tauscht sowie die körperliche Erfahrung reflektiert (vgl. GRÄF 2000). 6.3.6 Methoden der Gesprächsführung Bisher wurden Methoden der Bewegungsführung dargestellt. Die Vorstellung eines weiteren Aspektes erscheint notwendig, da in der Therapie Erlebtes auch zwischen dem Therapeuten und dem Patienten kommuniziert werden soll. Dies stellt eine Erweiterung des rein auf Bewegungsführung gerichteten Handelns dar. Wesentliche Gesichtspunkte der therapeutischen Gesprächsführung sind aktives Zuhören und verschiedene Möglichkeiten der Reflexion. Aktives Zuhören Unter aktivem Zuhören wird in der interpersonellen Kommunikation die ge- fühlsbetonte (affektive) Reaktion eines Gesprächspartners auf die Botschaft eines Sprechers verstanden. Dabei legt der Zuhörer besonderen Wert auf Begegnung unter Einschluss der emotionalen Ebene, der nonverbalen Äuße- rungen und des gegenseitigen prinzipiellen Wohlwollens. Nach ROGERS (1999) sind folgende drei Punkte grundlegende Axiome, die er auch für die nondirektive Gesprächsführung im therapeutischen Rahmen postuliert hat: 1. Empathische und offene Grundhaltung 2. Authentisches und kongruentes Auftreten 3. Akzeptanz und bedingungslose positive Beachtung der anderen Person 6 Ziele der störungsspezifischen klinischen Bewegungstherapie mit Depressiven – 73 – Reflexion Unabdingbar für einen therapeutischen Prozess ist die zielabhängige Evalua- tion und damit Reflexion der Therapieeinheiten mit dem Patienten. PRIEST & GASS (1997) nennen für den Bereich der Erlebnispädagogik sechs unterschiedliche Methoden der Reflexion, die sich gut in das Modell der klini- schen Bewegungstherapie integrieren lassen. 1. „Die Erfahrung für sich sprechen lassen“ 2. „Interpretation des Erlebten durch den Therapeuten“ 3. „Fragen stellen nach dem Erlebnis“ 4. „Fragen stellen vor dem Erlebnis” 5. „Einbettung der Erfahrung in einen bestimmten Rahmen“ 6. „Indirektes Verweisen auf Erfahrungsmöglichkeiten“ 7 Fragestellung, Hypothesen und Operationalisierung – 74 – 7 Fragestellung, Hypothesen und Operationalisierung Im Theorieteil der Arbeit wurde deutlich gemacht, dass mittlerweile viele em- pirische Belege (Metaanalysen) existieren, die Effekte einer klinischen Be- wegungstherapie auf die depressive Symptomatik belegen. Dabei wurde auf verschiednen Ebenen Kritik geübt, und auf die oft mangelnde Qualität oder das ausschließlich übungszentrierte Vorgehen der durchgeführten Studien hingewiesen. Der erneute empirische Nachweis dieser gut belegten Befunde steht auch im Mittelpunkt dieser Arbeit, allerdings bezogen auf eine größere Population als die meisten bekannten Studien und eine Differenzierung innerhalb des be- wegungstherapeutischen Vorgehens. In die Evaluation wurden zusätzlich interventionsspezifische Parameter aufgenommen, die so noch nicht im Längsschnitt an einer großen Stichprobe genauer untersucht worden sind. Darüber hinaus ist die Einbeziehung einer Katamnesephase von 6 Monaten und einer anschließenden erneuten Testüberprüfung bisher in dieser Form noch nicht evaluiert worden. Zentrale Fragestellung: In Bezug auf die Symptomreduktion werden bei beiden bewegungstherapeu- tischen Interventionsformen (allgemein-übungszentriert vs. störungsspezi- fisch-erlebnisorientiert) – ähnlich wie in anderen Evaluationsstudien auch – bedeutsame Effekte in den untersuchten Messzeitpunkten erwartet. Zentrale Hypothese: Die beiden Interventionsformen haben Effekte auf aus- gewählte Parameter einer Depression im Verlauf der Messzeitpunkte. Operationalisierung: Die zentrale Hypothese der Studie lässt sich aufteilen in die Untersuchung dreier Parameter. Die Untergliederung erfolgt in a) einen symptombezogenen Aspekt, in b) psychosoziale und c) in physiologische Aspekte. a) Symptombezogener Parameter: depressive Symptomatik Operationalisierung: Die depressive Symptomatik wird mittels des Beck Depression Inventars (BDI) erfasst. Die Testdaten werden zu Beginn und zum Ende der stationären Behandlung sowie nach einer 6-monatigen Katamnesephase erhoben. 7 Fragestellung, Hypothesen und Operationalisierung – 75 – b) Die psychosozialen Parameter sind aufgeteilt in psychosoziale bewe- gungstherapeutisch relevante Parameter und einen übergeordneten psychosozialen Aspekt (Kohärenzgefühl). Operationalisierung: Die untersuchten Variablen werden mit den in der Methodik genannten Verfahren gemessen. Die Testdaten werden zu Beginn und zum Ende der stationären Behandlung sowie nach einer 6-monatigen Katamnesephase erhoben. c) Physiologischer Parameter: aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit/körper- liche Fitness Operationalisierung: Die Ausdauerleistungsfähigkeit wird zu t0 und t1 mittels des 2-km-Walkingtests erhoben. Nebenhypothesen: Die Nebenhypothesen werden gerichtet formuliert, da durch die Inhalte von differenzierten Effekten ausgegangen werden kann. Die Operationalisierung ist entsprechend der zentralen Fragestellung vorzuneh- men und wird nicht extra wiederholt. a) Die störungsspezifische BWT ist nachhaltiger in der Wirkung auf die depressive Symptomatik zum Zeitpunkt nach dem stationären Aufent- halt und in der Katamnese, da die Inhalte kognitiv besser verankert sind. b) Die störungsspezifische BWT ist nachhaltiger in der Wirkung auf die psychosozialen Aspekte zum Zeitpunkt nach dem stationären Aufent- halt und der Katamnese, da die Inhalte kognitiv besser verankert sind. c) Die übungszentrierte Standardbehandlung ist im Hinblick auf den phy- siologischen Parameter wirkungsvoller, da sie zielgerichteter auf den Konditionsaufbau angelegt ist. 8 Methode – 76 – 8 Methode 8.1 Rekrutierung der Probanden Die Patienten rekrutieren sich aus allen Stationen (außer Essstörungsstatio- nen) der medizinisch-psychosomatischen Klinik Roseneck. Sie werden nach der Aufnahme, bei Vorlage einer entsprechenden Anamnese, persönlich vom Studienleiter angesprochen. Die Studienteilnehmer werden in einem Vorge- spräch über Inhalte, Ziele, Freiwilligkeit der Teilnahme und datenschutzrecht- liche Bestimmungen aufgeklärt. Nachdem die Studie im Rahmen des allge- meinen stationären Behandlungsprogrammes der Klinik durchgeführt wird, ist es nicht zu vermeiden, dass Patienten über die jeweilige Interventionsgruppe hinaus auch an Teilen des restlichen sport- und bewegungstherapeutischen Programms teilnehmen, dies wird protokolliert. Die an der Studie teilneh- menden Patienten werden den beiden Interventionsgruppen konsekutiv zu- geteilt. 8.2 Stichprobe Die Stichprobe besteht zum Zweitpunkt t0 der Studie aus n = 103 Patienten. Indikation zur Teilnahme an der Studie ist eine Diagnose „depressive Stö- rung“ nach ICD-10 gleich welcher Ausprägung, diagnostiziert durch den Arzt oder Psychotherapeuten des Patienten auf der jeweiligen Station und egal ob eine einzelne oder eine rezidivierende Episode vorliegt. Weitere Bedingung ist ein Wert aus dem BDI größer 18. Ausschlusskriterien sind orthopädische Probleme, die so groß sind, dass sie die körperliche Bewegung stark beein- trächtigen, sowie Patienten mit akuten kardiovaskulären Problemen bzw. akuten Psychosen. 8.2.1 Dropouts Fünf unvollständige Datensätze wurden zur Berechnung komplett entfernt, sodass in die Berechnung der biografischen Daten n = 98 komplette Daten- sätze eingehen. Der Rücklauf der Daten liegt zum Messzeitpunkt t1 somit bei 94,1 %. Die unvollständigen Datensätzen von fünf Patienten setzten sich wie folgt zusammen: Einer der fünf Patienten verübte Suizid, ein Patient fand die 8 Methode – 77 – erlebnisorientierte BWT zu wenig aktiv, zwei Patienten reisten unerwartet ab, einer davon wurde in die Psychiatrie verlegt, ein Datensatz war trotz Beteue- rung der Patientin, ihn abgegeben zu haben, nicht auffindbar. 8.2.2 Überprüfung der Dropout-Patienten auf systematische Unter- schiede zum Zeitpunkt t2 Zur Bewertung möglicher systematischer Dropouts werden nach Erfüllung der Einschlusskriterien Patienten ohne Rücklauf sechs Monate nach Entlas- sung (t2, n = 80) mit der Untersuchungsstichprobe (n = 98) bezüglich relevan- ter Gruppenunterschiede bei der Aufnahme (t0) verglichen (T-Test bzw. x2- Test). Sowohl bei den soziodemografischen Variablen (Alter, Geschlecht, Hauptdiagnosen nach ICD-10, Schulbildung, Einnahme von Psychopharma- ka, Anzahl der zusätzlich bestehenden Komorbiditäten) als auch in den Wer- ten des BDI, der habituellen körperlichen Aktivität (Arbeitsplatz-, Sport-, Frei- zeitindex) sowie der Anzahl der Tage des stationären Aufenthaltes bei Entlassung (t1) ergeben sich keine Gruppenunterschiede. Insofern bestehen keine Hinweise auf Störeinflüsse durch systematische Dropouts. 8.2.3 Demografische Daten In Tabelle 7 sind die wichtigsten diagnostischen und biografischen Daten der Studienteilnehmer zusammengefasst. Durch die Einbindung der bewegungs- therapeutischen Intervention in das Klinikprogramm gibt es über die be- schriebenen Dropouts hinaus keine weiteren. Für die Beurteilung der Ver- gleichbarkeit der beiden Gruppen werden die Variablen Beck- Depressionsinventar, Diagnose, Anzahl an Komorbiditäten, Geschlecht und Schulbildung, medikamentöse Behandlung, die habituelle Aktivität, die Auf- enthaltsdauer und die relative Teilnahme am Sportprogramm hinsichtlich be- stehender Gruppenunterschiede zu t0 überprüft. Die Überprüfung erfolgt mit- hilfe des Chi-Quadrat-Tests für nonparametrische Daten. Intervallskalierte Daten werden mithilfe des t-Tests kontrolliert. Die Normalverteilung wird mit- tels des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft (vgl. BORTZ, LIENERT & BOEHN- KE 1990). Da keine signifikanten Gruppenunterschiede bestehen (p > 0.5), kann eine Vergleichbarkeit der Gruppen bezüglich der erhobenen Variablen zum Mess- zeitpunkt t0 angenommen werden. 8 Methode – 78 – Tabelle 7: Diagnostische und biografische Daten der Stichprobe und ihre Verteilung auf beide Interventionsgruppen. Gruppe Ausdauert. Gruppe klin. BWT Total Merkmalsbereich n = 53 n = 45 n = 98 Signifikanztest Alter M SD M SD M SD t df p 47,02 8,23 48,5 9,03 47,7 8,6 - .868 .39 n. s. Geschlecht: N % n % n % χ2 df p M 20 37,8 21 46,7 41 41,8 W 33 62,2 24 53,3 57 58,2 .798 1 n. s. Schulbildung: N % n % n % χ2 df p Hauptschule 10 19 7 16 17 17,5 Gymnasium 25 47 27 60 52 53 Realschule 11 21 6 13 17 17,5 Andere 7 13 5 11 12 12 1,73 3 n. s. Diagnose* n % n % n % χ2 df p d. E. leicht 4 8 4 9 8 8 d. E. mittel 39 74 34 76 73 75 d. E. schwer 9 17 7 15 16 16 depressive Störung n.n.b. 1 1 0 0 1 1 2,29 6 n. s. Psychopharmaka n % n % n % χ2 df p Ja 21 40 15 36 31 32 Nein 32 60 30 69 56 68 .414 1 n. s. Komorbiditäten n % n % n % χ2 df p 0 11 21 10 22 21 21 1 12 23 18 40 30 31 2 19 35 14 31 33 34 Mehr 11 21 3 7 14 14 8,74 6 n .s Depression BDI t0 M SD M SD M SD t df p 29,23 8,75 26,2 6,43 27,8 7,89 1,94 96 n. s. habituelle Aktivität t0 M SD M SD M SD t df p 2,58 .60 2,7 .69 2,64 .64 -.93 95 n . s Anzahl der Tage des Aufenthaltes M SD M SD M SD χ2 df p 34,45 12,6 37,1 11,8 35,7 12,3 33,8 42 n . s. Teilnahme am restl. Sportprogramm M SD M SD M SD χ2 df p 10,08 9,58 8,33 7,08 9,28 8,53 33,9 27 n. s. * Anmerkung: Die Diagnosen einfache und rezidivierende depressive Störung wurden zusammengefasst. 8 Methode – 79 – 8.3 Untersuchungsverfahren und Messmethoden Zur Erfassung der depressiven Symptomatik kommen verschiedene Verfah- ren zum Einsatz. Die vorliegende Arbeit lässt sich bei der Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher bewegungstherapeutischer Interventionsformen auf drei wesentliche Aspekte aufteilen: (1) Reduktion von depressiven Sym- ptomen, (2) Auswirkung auf psychosoziale Aspekte und (3) Wirkung auf phy- siologische Parameter. Um die Wirkung des Treatments auf depressive Symptome zu untersuchen, wird das Back-Depression-Inventar (BDI) verwendet. Psychosoziale Aspekte werden unterteilt in einen übergeordneten Aspekt, die Auswirkung des Treatments auf das Kohärenzerleben, gemessen mit dem Fragebogen Sense of Coherence (SOC) und bewegungstherapeutisch relevante psychosoziale Aspekte. Eine Operationalisierung psychosozialer Aspekte, die Einfluss auf den Kohärenzsinn nehmen und eine hohe bewe- gungstherapeutische Relevanz erfahren, wird durch folgende Variablen vor- genommen: Zur Erfassung der Aufmerksamkeitsregulationsfähigkeit wird die Mindfulness Awareness Atention Scale (MAAS) verwendet. Die spielerische Grundeinstel- lung zum Leben wird mit einer Subskala des Konstruktes zum spielerischen Welterleben (SPW) erfasst. Die körperliche Aktivität wird mit dem Fragebo- gen habituelle körperliche Aktivität (HKA) gemessen. Krankheits- und ge- sundheitsbezogene Kontrollüberzeugungen werden mit dem Fragebogen zu gesundheits- und krankheitsbezogenen Kontrollüberzeugungen (KKG) er- fasst. Konkrete inhaltliche Aspekte zu den Therapieeinheiten in diesem Zu- sammenhang werden mit einem Fragebogen, der die Vorsätze für zu Hause misst, überprüft. Die körperliche Fitness als physiologischer Parameter findet Ausdruck in der aeroben Leistungsfähigkeit und wird mit dem 2-km-Walkingtest gemessen. Die Auswahl der Fragebögen und Verfahren erfolgt nach folgenden Kriterien: a) Passung zur grundlegenden Theorie, b) Praktikabilität (Umfang und Dauer für das Ausfüllen der Fragebögen und c) inhaltlicher Bezug zu den Interven- tionen. Die einzelnen Fragebögen und Verfahren werden im nächsten Ab- schnitt vorgestellt. 8 Methode – 80 – 8.3.1 Das Beck-Depressions-Inventar (BDI) Das Beck-Depressions-Inventar (BDI) enthält 21 Gruppen von Aussagen, durch die typische depressive Symptome erfragt werden. Jede der 21 Grup- pen enthält vier Aussagen, welche die Symptomatik in aufsteigender Schwe- re und zunehmender Beeinträchtigung von 0 = nicht vorhanden, über 1 = leichte Ausprägung, 2 = mäßige Ausprägung und 3 = starke Ausprägung be- schreiben. Der Proband wählt aus jeder Gruppe die Aussage, die seine ge- genwärtige Lage (letzte Woche bis einschließlich heute) am besten be- schreibt. Das BDI kann einzeln oder in Gruppen bei Personen zwischen 18 und 80 Jahren eingesetzt werden. Auch wenn es sich beim BDI um ein In- strument zur Messung der Schwere depressiver Störungen beim Patienten handelt, ist zu beachten, dass mit Selbstausfüllen keine Diagnose gestellt werden kann. Die Rate gesunder Personen, die fälschlicherweise als positiv, sprich depressiv bewertet wurden, ist mit 27 % recht hoch (ROBERT ET AL. 1990). Nach COYNE (1994) ist das BDI eher für eine mäßige und mittelgradi- ge depressive Symptomatik angelegt. Eine mit dem BDI entdeckte deutliche Auffälligkeit (durch einen hohen Summenwert) ist in der Regel von klinisch ernsthafter Depression zu unterscheiden. Die Auswertung erfolgt durch Addition der einzelnen angekreuzten Aussa- gen. Pro Gruppe gilt, wenn mehrere angekreuzt sind, nur die am höchsten gemachte Aussage. Werte unter 11 dürfen als normal angesehen werden. Werte zwischen 11 und 17 weisen auf eine mild bis mäßige Ausprägung de- pressiver Symptome hin. Als klinisch relevant gilt der Punktwert von 18 und darüber. Die innere Konsistenz (Cronbach’s α) des BDI wird mit zufrieden stellenden 0,88 angegeben. Innere und äußere Validität ist gegeben. Als Maß der inne- ren Validität lassen sich Korrelationen des BDI mit anderen Beurteilungsin- strumenten depressiver Symptomatik betrachten. Dabei liegen die Werte bei Selbstbeurteilungsinstrumenten zw. 0,71 und 0,89 (p < 0,001), bei Fremdbe- urteilung bei 0,34 bis 0,61 (p < 0,01). Als Maß der äußeren Validität zählt, ob das BDI sensitiv genug ist, Therapie bedingte Veränderungen zu erfassen. Das Manual gibt auch hier bei unter- schiedlichen Stichproben ausreichende Kennwerte an. 8 Methode – 81 – 8.3.2 Der Fragebogen Sens of Coherence (SOC) Das Konstrukt der Salutogenese zeigt einen hohen negativen Zusammen- hang zu psychischer Gesundheit, wie Ängstlichkeit und Depressivität; d. h. Menschen, die einen hohen SOC haben, sind weniger ängstlich und depres- siv als Menschen mit niedrigem SOC. Menschen mit hohem Kohärenzgefühl nehmen Anforderungen oder Ereignisse eher als Herausforderung, weniger als Bedrohung wahr, sie können auftretenden Stress besser bewältigen (vgl. BENGEL 1998, 87). Das Modell versucht soziale, psychologische, biochemi- sche, emotionale und kognitive Aspekte bei der Erklärung von Gesundheit zu berücksichtigen. Dadurch hat das Modell hohen Integrationswert, ist aber durch die daraus entstehende Komplexität einer empirischen Überprüfung nur schwer zugänglich (BENGEL 1998, 89). Verschiedene Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Einteilung des Kohärenzsinns in drei Subdimensionen, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Bedeutsamkeit, wie sie von ANTONOVSKY vorgenommen wurde, anhand des von ihm entwickelten Fragebogen Sense of Coherence (SOC), empirisch nicht zufrieden stellend nachzuweisen ist (AMELANG & SCHMIDT 2000, LUTZ ET AL. 1998, SCHUHMACHER 2000). Aufgrund des hohen Integrationswertes wird das Gesamtkonstrukt in der Un- tersuchung verwendet, aber aus genannten Gründen wird auf die getrennte Interpretation der Subskalen verzichtet. Der Fragebogen setzt sich insgesamt aus 29 Items zusammen, die sich auf die Bereiche der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit des All- tages beziehen. Die Likertskalen von eins bis sieben sind unsystematisch positiv oder negativ gepolt, so dass eine mögliche Beeinflussung auf die Be- antwortung der jeweiligen Frage ausgeschlossen werden kann. Aus den ein- zelnen Daten bildet sich ein Summenwert, der je nach Ergebnis einem nied- rigen bzw. hohen Kohärenzgefühl zugeordnet werden kann. Der Fragebogen zeigt mit 0.91 eine gute interne Konsistenz (Cronbach’s α) (HANNÖVER 2004, 179). 8 Methode – 82 – 8.3.3 Der Fragebogen zu Achtsamkeit/Aufmerksamkeit und Bewusst- heit; Mindful Attention Awareness Scale (MAAS) Achtsamkeit und die Möglichkeit, Aufmerksamkeit bewusst zu lenken, sind Eigenschaften, von denen angenommen wird, dass sie zum Abbau von Stress und damit zu psychischem Wohlbefinden beitragen. Der Fragebogen zu Achtsamkeit/Aufmerksamkeit und Bewusstheit überprüft dieses Konzept. Er besteht aus 15 Items, welche die Häufigkeit gemachter Erfahrungen be- züglich Achtsamkeit/Aufmerksamkeit und Bewusstheit überprüfen. Mithilfe einer sechsstufigen Likertskala werden die Antworten von 1 „fast immer“ bis 6 „fast nie“ gestuft. Die Ergebnisse werden addiert und daraus das arithmeti- sche Mittel gebildet. Ein hoher Wert bedeutet ein hohes Maß an Achtsamkeit. Faktorenanalytische Untersuchungen zeigen ausreichende Ladungen, die im Mittel bei 0,52 liegen. Dabei zeigen einige Faktoren eine relativ geringe La- dung, die aber im Fragebogen belassen wurde, mit dem Argument, dass in ähnlichen Konstrukten geringere Faktorenladungen nicht untypisch sind (BROWN & RYAN 2003). Die Test-Retest-Reliabilität ist nach Aussage der Au- toren gegeben. Cronbach’s α erreicht einen Wert von 0,81. In einer Veröf- fentlichung von BROWN & RYAN 2003 sind Studien zur Validität mit unter- schiedlichen Stichproben und in Bezug zu anderen Konstrukten hinsichtlich psychischer Gesundheit angegeben. Die vorliegende deutsche Version des Fragebogens wurde von HÖLTER übersetzt sowie geprüft und liegt in einer nicht veröffentlichen Diplomarbeit vor. 8.3.4 Der Fragebogen zum Konstrukt des spielerischen Welterlebens (SPW) Spielerische Weltsicht zeichnet sich durch eine besondere spielerische Leichtigkeit im Umgang mit schweren Situationen aus. Eine spielerische Grundhaltung hilft, negativen Stress zu vermeiden, und kann durch flexible Herangehensweisen an kritische Situationen neue Lösungswege eröffnen. Das Wissen, Schwierigkeiten allein oder mit fremder Hilfe meistern zu kön- nen, ist eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit (vgl. DILLMANN & EBING- HAUS 2004). 8 Methode – 83 – Mit dem Fragebogen „spielerisches Welterleben“ wurde ein Instrument ent- wickelt, das den Zusammenhang von spielerischer Weltsicht und psychischer Gesundheit überprüft. Der Fragebogen besteht aus 50 Items, die sich den Faktoren Optimismus, Abenteuerlust, Interaktion, Spiel als Teil der Lebens- wirklichkeit, Coping und Fantasie zuordnen lassen. Für die vorliegende Untersuchung wurde die Subskala „Spiel als Teil der Le- benswirklichkeit“ mit 12 Items verwendet. Dieser Faktor bildet die Basis für das Konstrukt der „spielerischen Weltsicht“. Mit ihm wird die Rolle des Spiels im Leben des Befragten ermittelt. Dadurch, dass der Spielbegriff nicht einge- grenzt wird, sollen individuelle Assoziationen zum Spiel hervorgerufen wer- den. Es stehen hier generelle Einstellungen zum Spiel im Vordergrund und nicht spezielle Aspekte (vgl. DILLMANN & EBINGHAUS 2004, 97). Somit eignet sich diese Subkategorie besonders, die Weltsicht bezüglich des Spiels von Menschen mit einer Depression zu beurteilen. Der eingesetzte Fragebogen wurde neu entwickelt. DILLMANN & EBINGHAUS (2004, 86) gehen davon aus, dass Durchführungsobjektivität und Auswer- tungsobjektivität gegeben sind. Über die Interpretationsobjektivität können noch keine Angaben gemacht werden. Es kann aber durch die Logik der Auswertung angenommen werden, dass auch diese gegeben ist. Hohe Wer- te bedeuten eine geringe Bedeutung des Spiels in der Lebenswirklichkeit, niedrige Werte bedeuten hohe Bedeutung des Spiels in der Lebenswirklich- keit. Die durchgeführten Faktorenanalysen und Reliabilitätsanalysen zeigen laut DILLMANN & EBINGHAUS (2004, 85-95) zufrieden stellende Gütekriterien. 8.3.5 Der Fragebogen zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen zu Krankheit und Gesundheit (KKG) Der KKG dient zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen über Krankheit und Gesundheit. Bei der Konstruktion des Fragebogens ist von der sozialen Lern- theorie ROTTERS (1972) ausgegangen worden, inwieweit eine Person ten- denziell die Kontrolle über Ereignisse entweder als selbst verursacht oder außerhalb ihres Einflusses interpretiert. Zur Erhebung solcher Erwartungs- haltungen legte ROTTER den LOC-I-E-Fragebogen vor, mit dem bestimmt werden sollte, in welchem Ausmaß Personen zu internalen bzw. externalen Kontrollüberzeugungen neigen. Das eindimensionale Konzept wurde durch 8 Methode – 84 – ein dreidimensionales Konzept ersetzt, welches neben der Internalität zwei externale Kontrollüberzeugungen unterscheidet: zum einen die fatalistische Externalität, bei der die Erwartung besteht, dass Ereignisse vom Schicksal bzw. Zufall abhängen, und zum anderen die soziale Externalität, bei der an- genommen wird, dass der Eintritt von Ereignissen durch andere Personen bestimmt wird, die mehr Einfluss besitzen oder mächtiger erlebt werden. Der vorliegende Fragebogen basiert auf dem dreidimensionalen Kontrollüberzeu- gungskonzept, dass Gesundheit und Krankheit a) durch die eigene Person kontrollierbar (KKG-I), b) durch andere (außen stehende) Personen (KKG-P) kontrollierbar und c) nicht kontrollierbar (KKG-C) sind (Zufall- bzw. Schick- salsabhängigkeit des eigenen Gesundheitszustandes). Jede der drei Kon- trollüberzeugungen wird mit sieben Items erfasst, die mithilfe sechsstufiger Likert-Skalen zu beantworten sind. Die Auswertung der Skalen erfolgt mittels Addition und Umpolung, so dass der niedrigste Gesamtrohwert, der möglich ist, 7 beträgt und der höchste 42. Die Durchführungs- und Auswertobjektivität sind durch die formale Fassung und Auswertmethode des Fragebogens gewährleistet. Die Retest-Reliabilität wird zwischen .66 und .78 angegeben. Die internen Konsistenzen liegen zwi- schen .64 und .77. Die mittleren Reabilitätskoeffizienten werden auf die rela- tiv geringe Itemzahl sowie die Heterogenität der Items zurückgeführt. Die Konstruktvalidität wurde mithilfe einer Faktorenanalyse geprüft. Die theore- tisch begründete Differenzierung der Subskalen lässt sich sowohl durch die Faktorenanalyse als auch durch die Interkorrelationsergebnisse belegen. Kriterienbezogene Validitäten zu krankheitsbezogenen und nicht krankheits- bezogenen Variablen sind gegeben. So wird in verschiedenen Stichproben und Analysen eine diskriminative Validität des KKG-Fragebogens belegt und gezeigt, dass in den Subskalen des KKG Persönlichkeitsaspekte erfasst werden, die durch andere Instrumente nicht abgedeckt sind (vgl. LOHAUS & SCHMITT 1989). 8.3.6 Bewertung der Therapie Die Einschätzung, wie hilfreich die unterschiedlichen Therapiebausteine empfunden werden, erfolgt mittels einer fünfstufigen Skala von 1 = „sehr ge- holfen“ bis 5 = „nicht geholfen“ in Anlehnung an GOLDSTEIN ET AL. (1972; vgl. DEIMEL 1998) und unter Vorlage des in der Klinik zur Basisdokumentation 8 Methode – 85 – verwendeten Fragebogens zur Patientenzufriedenheit. Die verwendeten Ska- len wurden so modifiziert, dass alle insgesamt möglichen Therapiebausteine bewertet werden können, so dass sich außerdem ein sechster Skalenpunkt „nicht zutreffend“ ergab. 8.3.7 Der Fragebogen habituelle körperliche Aktivität (HKA) Der Fragebogen zur Erfassung der habituellen körperlichen Aktivität (WAG- NER & SINGER 2003), der sich weitestgehend auf die Originalfassung von BAECKE ET AL. (1982) zurückführen lässt, bezieht sich nicht nur auf die be- wusste sportliche Aktivität, da unter körperlicher Aktivität (physical activity) die Summe aller Prozesse zu verstehen ist, bei denen durch aktive Muskel- kontraktionen Bewegungen des menschlichen Körpers hervorgerufen wer- den. Demgegenüber ist mit strukturierten körperlichen Aktivitäten der be- wusste Einsatz von Bewegung verbunden (z. B. ein zielgerichtetes Trainings- programm). Das englische „physical activity“ ist von jeher weiter gefasst und benennt auch körperliche Aktivitäten im Beruf oder in Haus und Garten wie einen bewusst aktiveren Lebensstil als physical activity. Damit geht es in der Diskussion des Fragebogens nicht nur um einen erhöhten Fitnesslevel durch bewusstes zielgerichtetes sportliches Training, sondern auch darum, inwie- weit in allen Lebensbereichen ein aktiver Lebensstil praktiziert wird, also im Sinne wie bewegungsfreundlich der Alltag auch in Beruf und Freizeit gestal- tet ist. Der Fragebogen ist dementsprechend in drei Teile gegliedert. Der ers- te Teil besteht aus sieben Items zur berufsbezogenen Aktivität (SPA), die sich mithilfe einer fünfstufigen Likert-Skala beantworten lassen. Der zweite Teil bezieht sich auf die sportliche Aktivität (SPAK) mit vier Fragen nach der konkreten sportlichen Aktivität und deren Umfang sowie Häufigkeit und der dritte Teil bezieht sich mit weiteren drei Fragen auf die habituelle Aktivität in der Freizeit (SFZ), die wiederum mithilfe einer fünfstufigen Likert-Skala be- antwortet werden. Als Ergebnis dient jeweils der Mittelwert der addierten Rohwerte. Ein hoher Wert in der entsprechenden Skala bedeutet auch ein hohes Maß an körperlicher Aktivität. Durch faktorenanalytische Überprüfung an verschiedenen Stichproben konn- te die Trennung in drei Subskalen und damit die Testvalidität bestätigt wer- den. Durch multiple Regressionsanalysen konnte nachgewiesen werden, dass die Berücksichtigung nur eines Teils des Fragebogens zu einer geringe- 8 Methode – 86 – ren Varianzaufklärung bei der „gesamten körperlichen Aktivität“ führt als die Berücksichtigung aller drei Bereiche. Die Reabilitätsmaße liegen in den Ska- len Sportindex und Arbeitsindex hinreichend hoch (zwischen 0,88 und 0,75). Die interne Konsistenz (Cronbach-Alpha) und die Testhalbierungs-Reliabilität (Split-Half) des Freizeitaktivitätsindex liegen demgegenüber in einem Bereich (0,48-0,64), der zwar nicht für die Erfassung inter-individueller Unterschiede, wohl aber für die Erfassung von Gruppenunterschieden als ausreichend er- scheint. 8.3.8 Hausaufgabenbogen „Ideen für Vorsätze zu Hause“ Ziel beider bewegungstherapeutischer Interventionen ist es unter anderem, die Patienten anzuhalten, sich auch für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt Gedanken über die Fortführung körperlichen Aktivitäten zu machen. Mithilfe des Fragebogens „Ideen für zu Hause“ wird den Patienten eine Hilfestellung für die Strukturierung geboten. Der Fragebogen ist ein Eigenkonstrukt und bezieht sich auf vermittelte Stundeninhalte (z. B. die Information: mind. 3-mal pro Woche Walking ist ein optimaler Umfang oder für die erste Zeit nach der Klinik Sport in der Gruppe einzuplanen, wäre günstig). Ziel des Fragebogens ist es zu überprüfen, ob sich die Teilnehmer hinsichtlich ihres Antwortverhal- tens in folgenden Punkten unterscheiden. Unter Punkt 1 war anzugeben, ob geplant wird, sich einer Sport-/Gymnastik-/ Bewegungsgruppe unter „professioneller“ Leitung anzuschließen, beispiels- weise im Verein, in Gruppen über die Krankenkasse oder im Fitnessstudio. Es gab die drei Antwortmöglichkeiten: JA/Nein/Weiß nicht. Unter Punkt 2 soll die Art der geplanten Aktivität genannt werden. Dieser Punkt hat in der Auswertung keine Relevanz. Punkt 3 beinhaltet die Angabe über den Umfang der körperlichen Aktivität. Dabei können Zahlen und Häufigkeiten angegeben werden. Folgende Eintei- lung in Anlehnung an ein „Gesundheitsminimalprogramm“ und ein sog. „Ge- sundheitsoptimalprogramm nach ZINTL (1997) wurden vorgenommen: „Keine Aktivität“, wenn keine Aktivität geplant wurde; „Niedriges Aktivitätsniveau“ bei einem wöchentlichen Trainingspensum von bis zu 60 Minuten; ab 61 bis 120 Minuten pro Woche wird das Aktivitätsniveau als „mittel“ bezeichnet. Alles, was darüber geht, bekommt die Bezeichnung „hohes Aktivitätsniveau“. 8 Methode – 87 – Unter Punkt 4 soll genannt werden, ob man die geplante Aktivität alleine oder nicht alleine durchführen will. Nicht alleine bedeutet zum Beispiel mit einem Freund/einer Freundin, dem Ehepartner etc. Punkt 5 beinhaltet Überlegungen zu einem aktiveren bzw. bewussteren Le- bensstil. Es sollen sich Eckpunkte für den Alltag überlegt werden, wo die Ideen aus den verschiedenen Interventionsgruppen als Eckpunkte in den Alltag transportiert werden können, wie zum Beispiel anstatt des Aufzuges die Treppe zu benützen oder Achtsamkeit im Alltag zu üben. 8.3.9 Überprüfung der Ideen für die Vorsätze zu Hause Mit dem Fragebogen „Überprüfung der Ideen für zu Hause“ werden die An- gaben des vorher beschriebenen Fragebogens auf ihre Durchführung zwi- schen den Messzeitpunkten t1 und t2 überprüft. Dabei bezieht sich Punkt 1 darauf, ob die Idee, an einer Sportgruppe oder Ähnlichem teilzunehmen, umgesetzt wurde oder nicht. Punkt 2 macht noch einmal Angaben über den Umfang körperlicher Aktivität pro Woche. Die Bewertung erfolgt gleich dem Fragebogen „Ideen für zu Hause“. Punkt 3 bezieht sich auf die gemachten Angaben bezüglich der Durchfüh- rung der genannten Aktivität, ob alleine oder zusammen mit Bekann- ten/Freunden/Verwandten. Im letzten Punkt wurde nach der Durchführung der angegebenen Eckpunkte gefragt. Die Bewertung erfolgt entsprechend des Fragebogens „Ideen für zu Hause“. 8.3.10 Der 2-km-Walkingtest Der 2-km-Walkingtest wird zur quantitativen Erfassung der Ausdauerleis- tungsfähigkeit eingesetzt. Hierfür werden eine 2 km lange flache Gehstrecke sowie eine Stoppuhr und ein Herzfrequenzmessgerät benötigt. Die Testper- son hat die Aufgabe, die vorgegebene Gehstrecke in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen. Das Gehen erfolgt mit forciertem Armeinsatz. Es darf nicht gelaufen werden. Es wird eine Reliabilität zwischen 0,75 und 0,93 angege- ben. Für den Walkingtest wurde eine Reihe von Validitätsstudien durchge- führt, wobei insbesondre die maximale Sauerstoffaufnahme als Außenkriteri- um herangezogen wurde. Korrelationskoeffizienten von 0,75 bis 0,97 8 Methode – 88 – bestätigen auf Basis regressionsanalytischer Untersuchungen die Aussage- kraft des Walkingtest. Wesentliche Faktoren für brauchbare Testaussagen sind eine korrekte Testdurchführung sowie eine exakte Bestimmung der Pulswerte. Der Walkingtest ist eine einfach durchzuführende Testalternative zu anderen Ausdauertests. Er ist vor allem dann die Methode der Wahl, wenn die Test- personen nicht sehr leistungsfähig sind. Die Bewertung und Interpretation erfolgt rechnerisch durch eine Formel, durch die ein Leistungsindex errechnet wird, der eine Klassifikation der Test- ergebnisse in fünf Stufen von „sehr gut“ bis „sehr schwach“ gestattet (vgl. BÖS ET AL. 1992). 8.4 Untersuchungsplan Die Studie wurde innerhalb des Zeitraumes Juni 2005 bis November 2006 an der medizinisch-psychosomatischen Klinik Roseneck durchgeführt. Dabei wird die vorgestellte indikationsspezifische klinische Bewegungstherapie für Patienten mit Depression mit der bewegungstherapeutischen Standardthera- pie „Ausdauertraining“ verglichen. Die beiden Interventionsgruppen werden „on top of“ Psychotherapie (Gruppen- und Einzeltherapien) evaluiert. Die Studie lässt sich als kontrollierter Zweigruppen-Versuchsplan grafisch wie folgt darstellen. Aufnahme to Stationäre Stan- dardbehand- lung/Interventions- gruppen Entlassung t1 6 Monate nach Entlassung t2 Abbildung 7: Grafische Darstellung des Untersuchungsdesigns Der erste Teil der Studie beinhaltet eine Teilnahme an den unterschiedlichen bewegungstherapeutischen Interventionsprogrammen zusätzlich zum verhal- tenstherapeutisch orientierten Standardprogramm der Klinik. Der zweite Teil besteht aus einer Katamnese sechs Monate nach der Beendigung des Kli- nikaufenthaltes. 8 Methode – 89 – Da die Probanden den verschiedenen Interventionsgruppen zwar zufällig (konsekutiv), je nach Aufnahme der Patienten, zugeteilt werden, aber nicht randomisiert werden können, liegt der Untersuchung ein quasiexperimentel- les kontrolliertes Design zugrunde. Es gibt drei Messzeitpunkte, zu denen die Versuchsteilnehmer mit Fragebögen sowie einem Walkingtest hinsichtlich ihrer psychophysischen Befindlichkeit, körperlichen Fitness und habituellen Aktivität befragt bzw. getestet werden. Die Fragebögen werden von den Pa- tienten selbstständig ausgefüllt. Die soziodemografischen Daten werden rou- tinemäßig von der Klinik bei der Aufnahme erhoben und zur Verfügung ge- stellt. Daten über Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) werden aus den Behandlungsakten entnommen. Der Walkingtest wird durch eine angelernte Diplomandin der Sportwissenschaften durchgeführt. Der erste Messzeitpunkt (t0) war bei Aufnahme in die Klinik nach einem Vor- gespräch. Messzeitpunkt zwei (t1) war bei Beendigung des bewegungsthera- peutischen Programms zum Ende des Aufenthaltes. Der dritte Messzeitpunkt (t2) war sechs Monate nach Beendigung des stationären Aufenthaltes durch ein persönliches Anschreiben der Studienteilnehmer. Der Versuchsleiter ist diplomierter Sportwissenschaftler und war gleichzeitig Gruppenleiter in bei- den Interventionsgruppen. Aufnahme t0 BDI SOC HKA SPW MAAS KKG Walkingtest Stationäre Behandlung/ Interventions- gruppen Entlassung t1 BDI SOC HKA SPW MAAS KKG Walkingtest Bewertung der Therapie Ideen für zu Hau- se Katamne- se 6 Monate nach Ent- lassung t2 BDI SOC HKA SPW MAAS KKG Überprüfung der Vorsätze für zu Hau- se Abbildung 8: Grafische Darstellung des Untersuchungsdesigns und der Messinstru- mente Die Evaluation eines Elementes einer komplexen stationären multimodalen Behandlung bringt eine Reihe methodischer Probleme mit sich. Der Einfluss 8 Methode – 90 – auf den Gesamttherapieverlauf einzelner Variablen ist nur schwer zu bestimmen, sodass die Effekte durch das Zusammenwirken verschiedener Therapieformen in einem Deckeneffekt münden können und sich die Unter- schiede in Versuchs- und Kontrollgruppe verkleinern. Durch eine möglichst spezifische Auswahl der Messverfahren wird versucht, dem zu begegnen. Aus ethischen Gründen ist ein Vorenthalten einer bereits als bekannt wirk- samen Therapie (z. B. eine Gruppe gar keine Bewegungstherapie) während eines stationären Aufenthaltes nicht möglich gewesen. 8.5 Ablauf der Interventionsgruppen Im Folgenden werden über das allgemeine Konzept einer theoriegeleiteten klinischen indikationsspezifischen Bewegungstherapie hinaus, wie in den Kapiteln 1 bis 6 geschildert, die konkreten Inhalte der einzelnen Interventi- onsgruppen kurz dargestellt. Für wissenschaftliche Zwecke muss eine Stan- dardisierung wegen der Überprüfbarkeit sowie Wiederholbarkeit der Ver- suchsbedingungen und damit der unabhängigen Variable gegeben sein. Die bewegungstherapeutischen Interventionen finden im Rahmen des allge- meinen stationären verhaltenstherapeutisch orientierten Behandlungspro- gramms der medizinisch-psychosomatischen Klinik Roseneck statt. Das Standardbehandlungsprogramm für Menschen mit einer depressiven Störung beinhaltet die Therapiebausteine, wie in Tabelle 8 ersichtlich. Alle bewegungstherapeutischen Gruppen wurden vom selben Sporttherapeu- ten mit sportwissenschaftlicher Ausbildung geleitet. 8 Methode – 91 – Tabelle 8: Standardtherapieprogramm der medizinisch psychosomatischen Klinik Roseneck Therapie Zeitlicher Umfang Depressionsbewältigungstherapie (DBT) 2-mal 100 Min. /Woche über vier Wochen Stationsgruppe: Allgemeine Gruppentherapie 2-mal 100 Min./Woche den gesamten Auf- enthalt Gruppe Grundlagen sozialer Kompetenz (GSK) 2-mal 100 Min./Woche über vier Wochen Einzeltherapie 1-2 Termine à ca. 60 Min./Woche Bei Bedarf: Soziotherapie Biofeedback Co-Kontakte Physikalische Therapie Gestaltungstherapie Sporttherapie nach Bedarf geregelt Das Standardbehandlungsprogramm ist für alle Patienten gleich. Das zusätz- lich verordnete sporttherapeutische Programm wie Walking, Gymnastik, Atemtherapie etc. kann, zusätzlich zu den Interventionsgruppen durchge- führt, theoretisch zu unterschiedlichen Therapieeffekten führen. Aus diesem Grund wird die Teilnahme am restlichen Sportprogramm protokolliert. Aus der folgenden Tabelle ist der zeitliche Rahmen der beiden unterschiedlichen Interventionsgruppen im Rahmen der Studie ersichtlich. Tabelle 9: Überblick der verschiedenen bewegungstherapeutischen Interventions- gruppen. Gruppe Ausdauertraining Gruppe störungsspezifische Bewegungstherapie 3 Einheiten pro Woche pro Einheit 50 Min. 1 Einheit pro Woche à 50 Min. Meditation am Morgen 1 Einheit pro Woche à 100 Min. indikationsspezifische Bewegungstherapie Inhalt: Walking Inhalt: an Themen orientiertes Arbeiten, unterschiedli- che Methoden, Reflexion 8 Methode – 92 – 8.5.1 Intervention: Gruppe Ausdauertraining Der Umfang der Ausdauersportgruppe besteht aus dreimal wöchentlich je- weils 50-minütigem morgendlichen Walking bzw. bei Interesse Nordic Wal- king. Die Stunde wird mit allgemeinen Lockerungsübungen im Sinne eines Warm-up’s begonnen und mit einer kurzen Einheit Dehnübungen beendet (jeweils ca. 5 Min.). Die Intensität des Walkings liegt zu Beginn der Teilnah- me unter einer submaximalen Ausbelastung der Patienten. Im Sinne einer Aktivierung geht es darum, erst eine motivationale Grundlage für die Pro- gression der Ausdauerleistungsfähigkeit zu schaffen. Mit zunehmender Teil- nahmehäufigkeit steigern sich beim Großteil der Patienten das Tempo und damit auch die Länge der Gehstrecke, so dass ein submaximaler Trainings- bereich erreicht wird. Die Herzfrequenz wird über mitgeführte Polaruhren be- stimmt. Die Trainingsintensität wird nach der Formel (SCHMITH 1983) 70 % Auslastung = 170 HF/Min. – 1/2 Lebensalter (± 10/Min.) errechnet. Inhaltlich gibt es außer zu geeigneten Trainingsumfängen, Intensitäten und Techniker- läuterungen keine weiteren Erklärungen. Der Fokus wird bewusst auf das unspezifische, unreflektierte Erleben gerichtet. Unreflektiert bedeutet dabei, dass vom Leiter der Gruppe kein Gespräch begonnen oder angeleitet wird, indem das Erlebte miteinander zu besprechen ist. Die Zielsetzung der Gruppe Ausdauertraining ist eine Aktivierung und ein Training des Herzkreislaufsystems zu erreichen. Die Ziele auf der Metaebene sind: Verbesserung der Einstellung zum Sport, Verbesserung bezüglich der Motivation, Sport zu treiben, Verbesserung der Selbstwirksamkeit (siehe Kap. 2). 8.5.2 Intervention: Gruppe störungsspezifische Bewegungstherapie a) Morgenmeditation Die Intervention Meditation am Morgen in der Natur findet in einem Zeitrah- men von 50 Minuten einmal pro Woche statt. Hierfür werden Orte aufge- sucht, die in wenigen Minuten gut zu Fuß zu erreichen sind und eine anspre- chende Umgebung bieten, beispielsweise Ausblick auf den Chiemsee oder auf die Berge, Orte im Wald, an denen das Licht und Schattenspiel beson- ders auffällig sind, Orte der Stille, die abgeschieden vom üblichen Verkehrs- lärm sind etc. Der Fokus der Übungen liegt auf „Ankommen in den Tag“, 8 Methode – 93 – „Aufmerksamkeitslenkung ins Hier und Jetzt“ sowie „Stille“ (vgl. HORN & HAUTZINGER 2003/BISHOP 2002). Dabei werden Elemente aus dem Tai-Chi, Qi Gong, der Atemtherapie und Meditation angewandt. Es wird sowohl vor den Übungen wie danach Zeit geboten, über die aktuelle Befindlichkeit zu sprechen sowie evtl. Stimmungsveränderungen zu beschreiben und mitzutei- len. Außerdem wird Raum eingeräumt, Erfahrungen aus der letzen Stunde einzubringen und die damit evtl. verbundenen Themen mitzuteilen. b) Themenbezogene Therapieeinheiten In folgender Tabelle sind die einzelnen Module der indikationsspezifischen bewegungstherapeutischen Einheiten aufgelistet. Die Erläuterung zu den einzelnen Zielen, Themen, Aspekten, Interventionen und Verfahren finden sich in den entsprechenden Kapiteln dieser Arbeit wieder (Kap. 5 und 6). Die Dauer der Therapieeinheiten beträgt einmal pro Woche 100 Minuten über den Zeitraum des Aufenthaltes in der Klinik. Die Einheiten der Bewegungstherapie haben in verschiedenen Turnhallen der Klinik stattgefunden. Die gestellten Hausaufgaben beziehen sich auf die jeweilige Stundeninhalte und werden so gestellt, dass eine freiwillige Bearbeitung möglich ist. Die Aufgaben sind, sich nochmals Zeit zu nehmen, gedanklich das Thema der Stunden zu vertiefen (z. B.: Wo kann ich den Alltag so strukturieren, dass Zeit bleibt für Genuss?), zu versuchen, einen Transfer zum Alltag herzustel- len (z. B.: Wo und wann ist es möglich bzw. nötig, seine Abgrenzungsfähig- keit zu üben, welche Emotionen sind damit verbunden?), oder sich schriftlich Notizen zu machen über bestimmte Dinge (z. B.: Welche Wünsche und Be- dürfnisse begleiten mich im Alltag, ohne dass ich sie eigentlich wahrneh- me?). 8 Methode – 94 – 8.5.3 Gruppe störungsspezifische klinische Bewegungstherapie Tabelle 10: Vorstellung der einzelnen Module störungsspezifische BWT für Patienten mit Depression Modul Ziele Interventionen/ Verfahren spielerisches Welterleben Erleben von Gruppenzugehörigkeit/Angenommensein kleine Spiele (Einheit 1) Förderung bewegungstherapeutisch spezifischer Therapiemotivati- on Partner-/Selbstmassage Entwicklung und Wiederentdeckung hedonistischer Nischen Hausaufgaben: Strukturierung des All- tages, finden von hedonistischen Ni- schen Erkennen eigener Grenzen Abgrenzungsfähigkeit erhöhen, damit verbunden: Tai-Chi (Push-Hands) Umgang mit vorhandenen Ressour- cen Überprüfung von Handlungsstrategien Überprüfung von Rollenerwartungen Erlernen bewusster Abgabe körperlicher Bewegungskontrolle Elemente aus der Tanztherapie Elemente aus der KBT (Einheit 2) Hausaufgaben: Transfer in den Alltag, wo ist Abgrenzung möglich und welche Gefühle entstehen dabei? Gefühle Sensibilisierung für das Thema Gefühle Elemente aus der Tanztherapie Umgang mit Spannung und Gefühlsanalyse Elemente aus der KBT negativen Gefühlen Körperliche Warnsignale erkennen Übungen zur Spannungsregulation (Einheit 3) Lernen Gefühle wahrzunehmen, zu verbalisieren, zu kommunizie- ren Strategien finden für den Umgang mit negativen Gefühlen Wahrnehmungsübungen Hausaufgaben: Übungen zur Span- nungsregulation überlegen und durchfüh- ren 8 Methode – 95 – Aufmerksamkeitsfokussierung Aufmerksamkeitsregulationsfähigkeit erhöhen Elemente aus dem Feldenkrais inneres Gleichgewicht Gedankenstopp Gleichgewichtsübungen körperliche Mitte/Zentrum Gedankenberuhigung Atemtherapie Erleben innerer Ruhe Meditation (Einheit 4) Finden und Erspüren einer körperlichen Mitte Hausaufgaben: Üben im Zimmer, in der Natur Eigene Bedürfnisse und Wünsche erkennen; Boden unter den Fü- ßen/Sicherheit/ Entwicklung eines bewussteren Umgangs mit den Ressourcen des eigenen Körpers Übungen aus der Feldenkraismethode Elemente aus der KBT Halt finden Erkennen von Unterstützungsmöglichkeiten und Hausaufgaben: Kleine Wünsche im Sicherheiten im Alltag (soziale Unterstützung, Wissen um Alltag notieren. Bewusstmachung des (Einheit 5) psychisch emotionale körperliche Zusammenhänge, Wissen um sozialen Netzwerkes. Wem vertraue ich, eigene Fähigkeiten, Wissen und Spüren eigener Bedürfnisse erhö- hen um mir evtl. Hilfe zu holen? Im Mittelpunkt stehen/Raum einnehmen/eigener Rhythmus Bewusstmachung körperlich-seelischer Zusammenhänge Eigenen Rhythmus wahrnehmen, beibehalten Elemente aus der Atemtherapie, Tönen- Übungen zur Stimmbildung Sich stimmlich zeigen, in den Raum stellen, sich zutrauen, Elemente aus der Atemtherapie (Einheit 6) laut zu werden Tanztherapie Erhöhung der Abgrenzungsfähigkeit Erlernen von Strategien zum Umgang mit der Schuldthematik, darf ich laut werden? Hausaufgaben: Üben laut zu sprechen in der Gruppe Aufrecht durchs Leben Bewusstmachung körperlich-seelischer Zusammenhänge Übungen aus der Feldenkraismethode (Einheit 7) Aufrichteimpuls des Kopfes erkennen; Öffnung des Brustkorbes und Veränderung der Schulterposition wahrnehmen Hausaufgaben: Umsetzung und Übung im Alltag Emotionale Verankerung, Wahrnehmung eines selbstbewussteren Körperausdrucks Erkennen von Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten der 8 Methode – 96 – Umsetzung im Alltag Mitte des Körpers, inneres Gleichgewicht, Zentrum, körperliches Bewusstmachung körperlich-seelischer Zusammenhänge Übungen aus der Feldenkraismethode Qi Gong Zuhause Becken-Kreuzbein als körperliche Mitte erkennen, Gefühl für Tai-Chi körperliche Stabilität aus einem Lockerlassen im Übungen aus der Krankengymnastik (Einheit 8) Rücken entwickeln, durchlässig werden für auftretende (Extension der LWS) (mechanische) Kräfte, Erkennen des Zusammenhangs: erst durch Lösen und damit verbundenes Sinken im Rücken wird Aufrichtung möglich 8 Methode – 97 – 8.6 Statistische Verfahren Nach Erfüllung der Einschlusskriterien werden die konsekutiv aufgenomme- nen Patienten abwechselnd für jeweils etwa fünf Wochen der Interventions- gruppe (störungsspezifische Bewegungstherapie für depressive Patienten) bzw. der Kontrollbedingung (Standardtherapie Ausdauertraining) zugewie- sen. Die Studienteilnehmer werden längsschnittlich bei Aufnahme (to), Ent- lassung (t1) sowie postalisch sechs Monate nach Entlassung (t2) befragt. In die Auswertung werden Patienten mit vollständigen Angaben bei Aufnahme und bei Entlassung (t1) einbezogen. Zum Katamnesezeitpunkt liegen 80 (78,4 %) von 98 Fragebogenpaketen vor. Die Datenausfälle zwischen t1 und t2 werden durch die Daten der Aufnahme ersetzt. Fehlende Werte werden so in konservativer Weise als unveränderte Werte betrachtet. Zur Kontrolle von Verzerrungen durch systematische Drop- outs werden Abbrecher der Verlaufsbefragung anhand relevanter soziode- mografischen und depressionsspezifischer Merkmale mit der Untersu- chungsstichprobe verglichen. In diese Auswertung gingen n = 18 Patienten ohne Rücklauf zu t2 ein. Zur Bewertung des Verlaufes unterschiedlicher bewegungstherapeutischer Therapiemaßnahmen in der psychosomatischen Behandlung depressiver Patienten werden verschiedene Verfahren angewandt. Für normalverteilte Zielgrößen wird eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit einem Messwieder- holungsfaktor mit drei Verlaufszeitpunkten (to bis t2) und der t-Test für ver- bundene Beobachtungen bei zwei Messzeitpunkten durchgeführt. Bei nicht normalverteilten Zielgrößen wird der Friedman-Test zum Vergleich der be- trachteten Messzeitpunkte eingesetzt. Post-Hoc-Vergleiche erfolgen je nach Verteilung mittels linearer Kontraste oder des Tests von SCHAICH-HAMERLE. Zur Überprüfung der Normalverteilung wird der Kolmogorov-Smirnov-Test (vgl. BORTZ, LIENERT & BOEHNKE 1990) verwendet. Die Varianzhomogenität wird mithilfe des Levene-Tests (vgl. DAYTON 1970) geprüft. Zur Bewertung der praktischen Relevanz der Effekte wird darüber hinaus das Effektstärkemaß d nach Cohen in Form der „standardized effect size“ (MPrä- test-MPosttest/SDPrätest) (COHEN 1998; vgl. auch MAIER-RIEHLE & ZWINGMANN, 2000) berechnet. Werte mit d = 0,020 können nach einer üblichen Konventi- 8 Methode – 98 – on als schwache Effekte, Werte um d = 0,50 als mittlere Effekte und Werte über d = 0,80 als starke Effekte beurteilt werden (BORTZ & DÖRING 1995, 568). Die Auswertungen erfolgten mit dem Statistikprogramm SPSS für Win- dows in der Version 10.0. In der folgenden tabellarischen Auflistung (Tab. 11) sind die zentralen Ergebnisse der Studie zusammengefasst 9 Ergebnisse – 99 – 9 Ergebnisse Die Ergebnisse werden entsprechend der Reihenfolge im Kapitel Fragestel- lung dargestellt. Dabei wird immer zuerst Bezug genommen auf die erste Hypothese und die Frage nach generellen Effekten beantwortet. Anschlie- ßend werden die Ergebnisse bezüglich der zweiten zentralen Fragestellung angeführt und evtl. bestehende Gruppenunterschiede untersucht. Am Ende der jeweiligen Ergebnisdarstellung erfolgt die Annahme oder Ablehnung der jeweiligen Hypothese. Die statistischen Kennwerte der jeweiligen statistischen Prüfungen hinsicht- lich der Unterschiedsfragestellungen sind der nachstehenden Tabelle 11 zu entnehmen. 9 Ergebnisse – 100 – Tabelle 11: Zusammenfassung der statistischen Kennwerte zu den untersuchten Variablen Merkmalsbereich Prüfgrößen: Haupteffekt: Gruppe p: Gruppe Aufnahme (to) Entlassung( t1) 6 Monate (t2) Haupteffekt: Zeit p: Zeit Esd post hocb N M (SD) M (SD) M (SD) Haupteffelt: Interaktion p: Interaktion (dt0-t2) Becks Depressionsinventar: Gruppe Ausdauertraining 45 29,23 8,75 17,58 12,4 19,81 12,15 1,08 c***d*** Becks Depressionsinventar: Gruppe störungssp. BWT 53 26,18 6,43 11,58 8,21 17,2 9,41 1,4 Kohärenzgefühl SOC: Gruppe Ausdauertraining 45 100,87 27,63 115,98 28,27 112,91 27,92 -0,43 c***,d**** Kohärenzgefühl SOC: Gruppe störungssp. BWT 53 106,67 20,8 123,02 23,92 119,51 19,98 -0,62 spielerisches Welterleben: Gruppe Ausdauertraining 45 29,62 12,61 27,74 11,86 27,83 11,7 0,14 c***,d** spielerisches Welterleben: Gruppe störungssp. BWT 53 28,79 10,26 24,16 8,77 25,91 10,52 0,28 Achtsamkeit: Gruppe Ausdauertraining 45 3,02 0,64 3,26 0,73 3,36 0,7 -0,37 c***, d*** Achtsamkeit: Gruppe störungssp. BWT 53 3,24 0,65 3,48 0,61 3,44 0,73 -0,36 KKG - internal: Gruppe Ausdauertraining 45 27,62 4,97 28,1 4,43 28,1 4,62 -0,09 KKG - internal: Gruppe störungssp. BWT 53 27,89 4,62 29,11 4,05 29,22 3,95 -0,26 KKG-soziale Externalität: Gruppe Ausdauertraining 45 22,38 5,48 23,55 5,19 21,75 5,17 0,11 KKG-soziale Externalität: Gruppe störungssp. BWT 53 23,02 4,68 24,09 4,6 24,09 4,84 -0,23 KKG- fatalisitische Externalität: Gruppe Ausdauertraining 45 20,66 6,96 20,77 6,02 19,11 6,17 0,22 KKG- fatalisitische Externalität: Gruppe störungssp. BWT 53 18,59 6,99 18,38 5,16 20,2 6,61 -0,23 Arbeitsplatzindex: Gruppe Ausdauertraining 45 2,43 0,75 2,37 0,77 0,08 Arbeitsplatzindex: Gruppe klinische BWT 53 2,56 0,92 2,52 0,58 0,04 Freizeitindex: Gruppe Ausdauertraining 45 2,75 0,99 3,06 0,93 -0,76 Freizeitindex: Gruppe störungssp. BWT 53 2,94 0,98 3 0,58 -0,43 Sportindex: Gruppe Ausdauertraining 45 2,48 0,78 2,72 0,75 -0,3 Sportindex:Gruppe störungssp. BWT 53 2,6 0,9 2,82 0,86 -0,24 Anmerkungen: a) der Unterschied ist nach Adjustierung aufgrund multiplen Testens mit padj=0,260 nicht mehr signifikant (Adjustierung nach Bonferroni und Holm). b) Post-Hoc-Vergleiche erfolgten je nach Verteilung mittels linearer Kontraste oder dem Test von Schaich-Hamerle c) t0-t1, d) t0-t2, e) t1-t2 d) Effektstärkenmaß d nach Cohen *p< 0,05; **p < 0,001; ***p < 0,001; n.s. p > 0,05 F = 0 ,07 F = 4, 44 F = 1, 81 n. s. 0,029* n. s. F = 0, 54 F = 11, 25 F = 0, 16 n. s. 0,001* n. s. F = 1, 05 F = 0,03 F = 5, 52 n. s. n .s. a n. s. F = 0, 95 F = 0, 84 F = 0, 12 n. s. n .s. n. s. F = 1, 19 F = 2,43 F = 0, 62 n. s. n .s. n. s. F = 1, 78 F = 2,78 F = 1,95 n. s. n .s. n. s. F = 2, 16 F = 12,19 F = 0, 82 n. s. 0,000*** n. s. n. s. 0,000*** n. s. F = 5,07 F = 114, 04 F = 2, 15 F = 1, 99 F = 36, 15 F = 0, 54 n. s. 0,000*** n. s. F = 1, 06 F = 8, 57 F = 1, 44 n. s. 0,000*** n. s. 9 Ergebnisse – 101 – 9.1 Entwicklung der depressiven Symptomatik Ziel der Untersuchung ist es, nur klinisch relevante Depressionen (BDI > 18) in die Studie aufzunehmen. Mit einem Mittelwert im BDI zum Messzeitpunkt to mit M = 27,83 (SD = 7,89) wird dieses Ziel erfüllt. Im Verlauf des stationä- ren Aufenthaltes und sechs Monate danach ergibt sich eine Verbesserung der depressiven Symptomatik für beide bewegungstherapeutischen Interven- tionsgruppen, die als hochsignifikant einzustufen ist (p < 0.001). Die Verbes- serung der depressiven Symptomatik zwischen Therapiebeginn und Katam- nesezeitpunkt lässt sich v. a. auf die hochsignifikante Verbesserung zwischen den Messzeitpunkten t0 und t1 zurückführen (p < 0.001). Zwischen t1 und t2 erfolgt ein hochsignifikanter Anstieg der Werte im BDI und damit eine Verschlechterung der depressiven Symptomatik (p < 0.001). Die zentrale Hypothese a) zum symptombezogenen Parameter ist anzuneh- men. Beide Interventionsformen zeigen signifikante Effekte im Verlauf zu t1 und zu t2. Beide Interventionsgruppen unterscheiden sich zur Baseline t0 hinsichtlich der Ausprägung der depressiven Symptomatik nicht signifikant (p = 0,056). Das heißt, es kann von einer Vergleichbarkeit beider Gruppen ausgegangen werden. Der Verlauf der Werte im Vergleich der beiden Interventionsgruppen zeigt über die drei Messzeitpunkte keinen signifikant bedeutsamen Unter- schied (siehe Tabelle 11). Die Effekte sind mit 1,08 für die Gruppe Ausdauer- training und 1,40 für die Gruppe störungsspezifische BWT als groß zu beur- teilen. Die Nebenhypothese a) wird für den symptombezogenen Parameter verwor- fen, die störungsspezifische BWT unterscheidet sich in ihrer Wirkung auf die depressive Symptomatik vom Standardvorgehen nicht im Verlauf der drei Messzeitpunkte. 9 Ergebnisse – 102 – Veränderung der depressiven Symptomatik 0 5 10 15 20 25 30 35 to t1 t2 Messzeitpunkte BD I Gruppe Ausdauer Gruppe klin. BWT Abbildung 9: Grafische Darstellung des Verlaufs der depressiven Symptomatik anhand des BDI 9.2 Ergebnisse bezüglich psychosozialer Aspekte Zur Beantwortung der Fragen bezüglich psychosozialer Aspekte wird die Un- tergliederung aus der Fragestellung beibehalten und es werden zuerst die Ergebnisse bezüglich bewegungstherapeutisch relevanter psychosozialer Aspekte sowie anschließend die Ergebnisse des Kohärenzerlebens darge- stellt. 9.2.1 Ergebnisse bezüglich bewegungstherapeutisch relevanter psy- chosozialer Parameter Achtsamkeit: In der Mindful Attention Awareness Scale (MAAS) sind zwi- schen den Messzeitpunkten to und t2 für beide Gruppen in gleichem Maße hochsignifikante Veränderungen (p < 0,001) in Richtung einer besseren Aufmerksamkeitsregulationsfähigkeit festzustellen. Diese Veränderungen ergeben sich aus der positiven Entwicklung zwischen dem Beginn des stati- onären Aufenthalts (to) und dem Ende der Therapie (t1). Die Veränderung zwischen diesen beiden Messzeitpunkten ist hoch signifikant (p < 0,001), während sich die Werte zwischen t1 und t2 nicht mehr signifikant verändern. Die Effekte mit einer Stärke von -0,53 für die Gruppe Ausdauertraining und -0,31 sind als mittel zu beurteilen. 9 Ergebnisse – 103 – Veränderung der Achtsamkeit/ Bewußtheit 2,7 2,8 2,9 3 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 to t1 t2 Messzeitpunkte BE W Gruppe Ausdauer Gruppe klin. BWT Abbildung 10: Veränderung der Achtsamkeit (MAAS) zu den drei Messzeitpunkten Der Verlauf der Werte im Vergleich der beiden Interventionsgruppen zeigt über die drei Messzeitpunkte keinen signifikant bedeutsamen Unterschied (p = 0,44). Spielerisches Welterleben: Im Fragebogen zum spielerischen Welterleben, in dem Spiel als Teil der Lebenswirklichkeit beurteilt wird, ergeben sich zwi- schen Anfang und Ende der Untersuchung (to-t2) hoch signifikante Verände- rungen (p < 0,001) für beide Gruppen. Diese Veränderungen resultieren v. a. aus Modifikationen zwischen to und t1 (p < 0,001), da sich zwischen den Messzeitpunkten t1 und t2 keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Verlaufes feststellen lassen. Die Effektstärken von 0,14 für die Gruppe Aus- dauertraining und 0,28 für die Gruppe störungsspezifische BWT sind als schwach zu beurteilen. Veränderung des spielerischen Welterlebens 0 5 10 15 20 25 30 35 to t1 t2 Messzeitpunkte SP W Gruppe Ausdauer Gruppe klin. BWT Abbildung 11: Veränderung des spielerischen Welterlebens zu den drei Messzeitpunk- ten 9 Ergebnisse – 104 – Der Verlauf der Werte im Vergleich der beiden Interventionsgruppen zeigt über die drei Messzeitpunkte keinen signifikant bedeutsamen Unterschied (p = 0,24). Habituelle körperliche Aktivität: Der Fragebogen zur habituellen körperlichen Aktivität untergliedert sich in die folgenden drei Subkategorien: den Arbeits- index bezüglich der körperlichen Aktivität am Arbeitsplatz, den Sportindex, der den bewussten Einsatz von Bewegung misst, und den Freizeitindex, der nach alltäglichen Bewegungen fragt. Der Fragebogen wurde nur zu den Messzeitpunkten to und t2 eingesetzt. Arbeitsindex (SPA): Zum Beginn der Therapie (t0) liegt der auf den Arbeits- platz bezogene Index der habituellen körperlichen Aktivität bei M = 2,43 bzw. 2,56. Depressive Patienten unterscheiden sich damit nicht von einer gesun- den Vergleichsstichprobe (WAGNER & SINGER 2003, 391), was die Aktivität am Arbeitsplatz betrifft. Der Mittelwert zum Messzeitpunkt t2 nimmt leicht ab (t2: M = 2,44/SD = 0,68). Der Unterschied ist aber nicht signifikant. Es lassen sich im Verlauf der Werte keine Gruppenunterschiede hinsichtlich des Ein- flusses einer bewegungstherapeutischen Interventionsform feststellen. Die Effektstärken 0,08 für die Gruppe Ausdauertraining und 0,04 für die stö- rungsspezifische BWT sind als schwach einzustufen. Sportindex (SPAK): Der Wert des Sportindex steigt vom Beginn des stationä- ren Aufenthaltes bis zum Ende der Untersuchung, sechs Monate nach dem stationären Aufenthalt, hoch signifikant an (p < 0,001). Die Werte zu t0 sind, verglichen mit einer gesunden Vergleichsstichprobe, unter den angegebenen Mittelwerten (Männer > 3, Frauen > 2,7; vgl. WAGNER & SINGER 2003, 391). Es lassen sich im Verlauf der Werte keine Gruppenunterschiede hinsichtlich des Einflusses einer bewegungstherapeutischen Interventionsform feststel- len. Die Effektstärken mit -0,3 für die Gruppe Ausdauertraining und -0,24 für die Gruppe störungsspezifische BWT sind als schwache Effekte einzustufen. Der Zusammenhang mit der relativen Teilnahmehäufigkeit zeigt, inwieweit die Teilnahmehäufigkeit von der Veränderung des Sporttreibens (bewusste körperliche Aktivität) abhängt. Hierfür wird die relative Teilnahmehäufigkeit (mögliche Termine in Relation zu tatsächlich wahrgenommenen Terminen) 9 Ergebnisse – 105 – mit der Differenz aus den Werten des Fragebogens SPAK zu t1 und t2 korre- liert. Es kann ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Veränderung im Sportindex und der relativen Teilnahmehäufigkeit am Bewegungstherapiean- gebot festgestellt werden (p = 0,02, r = 0,25). Das heißt, die Probanden, die am regelmäßigsten die angebotenen Termine wahrgenommen haben, haben die größte Veränderung in Richtung mehr körperliche Aktivität. Die Teilneh- mer beider Gruppen haben gleich häufig an den angebotenen Terminen teil- genommen. Es ergibt sich kein signifikanter bedeutsamer Gruppenunter- schied (p > 0.5) bezüglich der Interventionsform. Freizeitindex (SFZ): Die Veränderung des Wertes zur körperlichen Aktivität in der Freizeit ist für beide Gruppen signifikant (p < 0, 05). Die Werte von t0 zu t2 nähern sich der gesunden Vergleichsstichprobe an (vgl. WAGNER & SINGER 2003, 391). Es lassen sich im Verlauf der Werte keine Gruppenunterschiede hinsichtlich des Einflusses einer bewegungstherapeutischen Interventions- form feststellen (p = 0,182). Die Effektstärken mit -0,76 für die Gruppe Aus- dauertraining und -0,43 für die Gruppe störungsspezifische BWT sind als mittlere Effektstärken einzuordnen. Veränderungen der habituellen körperlichen AKtivität nach Gruppen 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3 3,1 3,2 t0 t2Messzeitpunkte In de x Arbeitsplatzindex Gruppe Ausdauertraining Arbeitsplatzindex Gruppe klinische BWT Sportindex Gruppe Ausdauertraining Sportindex Gruppe klinische BWT Freizeitindex Gruppe Ausdauertraining Freizeitindex Gruppe klinische BWT Abbildung 12: Veränderung der habituellen körperlichen Aktivität 9 Ergebnisse – 106 – Gesundheits- und krankheitsbezogene Kontrollüberzeugungen: Der Frage- bogen zu gesundheits- und krankheitsbezogenen Kontrollüberzeugungen (KKG) teilt sich auf in die drei Subkategorien Internalität (KKG-I), soziale Ex- ternalität (KKG-P) und fatalistische Externalität (KKG-C). KKG-I: Es ergeben sich keinerlei signifikante Veränderung der Werte der in- ternalen krankheits- und gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugung für beide Gruppen in gleichem Maße, weder im Verlauf noch zwischen den Gruppen. KKP-P: Es ergeben sich keinerlei signifikante Veränderung der Werte der sozialen Externalität für beide Gruppen in gleichem Maße, weder im Verlauf noch zwischen den Gruppen. KKG-C: Es ergeben sich keinerlei signifikante Veränderung der Werte der fatalistischen krankheits- und gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugung für beide Gruppen in gleichem Maße. Es wird ein Einfluss der Intervention auf eine der beiden Untersuchungsgruppen festgestellt (p < 0,01), der aller- dings nach Adjustierung aufgrund multiplen Testens nicht mehr als signifikant zu beurteilen ist (padj = 0,260). Die Ergebnisse der untersuchten depressiven Patienten weichen in keiner der untersuchten Variablen auffällig von den Werten gesunder Probanden einer Vergleichsstichprobe ab. Für alle Effektstärken, die sich zum Fragebogen gesundheits- und krank- heitsbezogene Kontrollüberzeugung berechnen lassen, ergeben sich unbe- deutende Effektstärken -0,09 bis -0,26 (siehe Tabelle 11). Tabelle 12: Vergleichsstichprobe zum KKG (vgl. LOHAUS & SCHMITT 1989) KKG Gesunde Depressive zu t0 Internalität 26,87 27,75 soziale Externalität 22,2 22,68 fatalistische Externalität 19,72 19,72 9 Ergebnisse – 107 – Subjektive Bewertung der Therapie Die Patienten wurden am Ende des Aufenthaltes danach gefragt, welche Wirkfaktoren sie für den Erfolg ihrer Therapie hilfreich empfinden. Geantwor- tet wurde mittels einer Likertskala von eins („sehr hilfreich“) bis fünf („über- haupt nicht hilfreich“). Eine Zahl zusätzlich war anzukreuzen für das Item „nicht zutreffend“. Der besseren Darstellung wegen und einer üblichen Kon- vention folgend wird für die Daten das arithmetische Mittel berechnet, obwohl nur ordinalskaliertes Datenmaterial vorliegt. Das Diagramm in Abbildung 11 zeigt, dass die Einzeltherapie (M = 1,58/SD = 0,58) bei den Bewertungen am besten abschneidet. Die Gruppenangebote der Sport- und Bewegungsthera- pie werden von n = 98 Patienten als sehr hilfreich empfunden (M = 1,66/SD = 0,97). Andere typische depressionsspezifische verhaltens- therapeutische Gruppenangebote, wie DBT-Kurs (M = 2,29/SD = 1,27), oder auch die medikamentöse Therapie (M = 2,69/SD = 1,62) liegen hinter der Bewertung der Sport- und Bewegungstherapie. Beide Interventionsgruppen werden miteinander auf Unterschiede in der Be- wertung der Sport- und Bewegungstherapie verglichen. Der Mittelwert der Gruppe Ausdauersport liegt bei M = 1,72 (SD = 1,06), der Mittelwert der Gruppe Bewegungstherapie bei M = 1,60 (SD = 0,86). Mittels t-Tests für un- abhängige Stichproben kann kein signifikanter Unterschied (p = 0,556) in der Bewertung beider Interventionsgruppen festgestellt werden. 9 Ergebnisse – 108 – Bewertungen der Wirkfaktoren in der Therapie 1,58 1,66 1,9 2,03 2,13 2,21 2,29 2,31 2,31 2,51 2,52 2,56 2,82 2,91 2,99 3,26 0 1 2 3 4 Einzeltherapie Bew egungs/Sporttherapie Biofeedback GSK-Kurs Gespräche mit anderen Patienten Mal alleine sein DBT-Kurs Krnakengymnastik, Massage Gestaltungstherapie allgemeine Gruppentheraie zusätzlich angebotene Freizeitgestaltung Medizinische Therapie Soziotherapie Besuch von Verw andten/ Freunden Gespräche mit dem Pflegepersonal Vorschriften und Planungen in der Klinik N= 98/ SD= 0,88 N=75/ SD= 1,17 N= 58/ SD= 1,27 N= 28/ SD= 1,52 N= 77/ SD= 1,62 N= 62/ SD= 1,29 N= 97/ SD= 1,14 N= 52/ SD= 1,13 N= 88/ SD= 1,14 N= 86/ SD= 1,14 N=98/ SD= 1,13 N=94/ SD= 1,13 N= 72/ SD= 1,16 N= 51/ SD= 1,08 N= 98/ SD= 0,97 N= 98/ SD= 0,88 Abbildung 13: Bewertung ausgewählter Wirkfaktoren in der Therapie Überprüfung der Vorsätze für zu Hause Die Darstellung zur Beantwortung der Frage, ob sich die Patienten der Grup- pe störungsspezifische BWT in der Umsetzung der Vorsätze für zu Hause von den Patienten der Gruppe Ausdauertraining unterscheiden, gliedert sich in zwei Teile. Erst folgt eine Darstellung der Vorsätze, bevor die Umsetzung überprüft wird. Darstellung der Vorsätze für zu Hause Die Patienten wurden angewiesen, sich zu überlegen, ob sie in einer Sport- gruppe oder ohne professionelle Unterstützung körperlich/sportlich aktiv wer- den wollen, wie viel an Aktivität sie planen und ob sie diese Aktivität alleine oder mit Verwandten, Bekannten, Freunden ausführen werden. 9 Ergebnisse – 109 – Die Patienten der störungsspezifischen Bewegungstherapie für Depressio- nen geben signifikant öfter an, sich einer Sportgruppe anschließen zu wollen (Chi-Quadrattest; p < 0,001). In der Gruppe störungsspezifische BWT ist die Wahrscheinlichkeit für ein „Ja“ im Fragebogen 4,72-mal höher als in der Gruppe Ausdauertraining (Odds Ratio). Geplante Teilnahme an einer Sportgruppe 23 31 21 6 0 5 10 15 20 25 30 35 Gruppe Ausdauertraining Gruppe klin. BWT Ja Nein Abbildung 14: Geplante Teilnahme an einer professionellen Sportgruppe im Verein, Fitnessstudio etc. Bei der zweiten Frage nach dem Umfang der geplanten Aktivität ergibt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Ein großer Teil der Patienten (75 %) plant ein hohes Maß an Aktivität, das heißt, mind. 120 Mi- nuten pro Woche körperlich aktiv zu sein. 10,5 % planen ein mittleres Aktivi- tätsmaß. Dies bedeutet zwischen 60 und 120 Minuten körperliche Aktivität pro Woche. Eine niedrige Aktivität bedeutet 0 bis 60 Minuten (vgl. ZINTL 1997). Eine Person (1,0 %) gibt an, ein niedriges Aktivitätsmaß zu planen. 13,5 % der Patienten geben an, keine körperliche Aktivität für zu Hause zu planen (siehe Abb. 14). In der dritten Frage, ob lieber alleine oder in der Gruppe, zusammen mit Be- kannten, Freunden etc. Sport getrieben wird, ergibt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Interventionsgruppen. Insgesamt planen 68,7 % nicht alleine aktiv werden zu wollen, 23,0 % lieber alleine aktiv zu werden und 8,3 % wissen noch nicht bzw. machen keine Angaben darüber, 9 Ergebnisse – 110 – ob sie lieber alleine oder zusammen mit anderen körperliche Aktivitäten pla- nen. Die vierte Frage nach Eckpunkten im Alltag sowie einer aktiveren Freizeit- gestaltung, z. B. nicht den Lift zu benützen, sondern die Treppe etc., wurde insgesamt mit vielen positiv zu wertenden Ideen beantwortet, so dass 87,5 % der Patienten wenigstens eine Idee für eine aktivere Gestaltung des Alltages angeben. Nur 11,5 % geben an, nichts umsetzen zu wollen. Ein Patient (1 %) weiß noch nicht, ob er Ideen für eine aktivere Gestaltung des Alltages um- setzten will. Überprüfung der Umsetzung der Vorsätze In der Überprüfung der Umsetzung der Vorsätze auf Gruppenunterschiede zum Zeitpunkt sechs Monate nach Therapieende (t2) ergibt sich zur ersten Frage, ob man tatsächlich an einem professionell angeleiteten Sportpro- gramm teilnimmt, kein signifikanter Unterschied für die beiden Interventions- gruppen (Chi-Quadrat-Test, p = 0,191). Die Gruppe störungsspezifische BWT nimmt genauso häufig an angebotenen, professionell angeleiteten Sportprogrammen teil wie die Teilnehmer der Interventionsgruppe Ausdauer- training. Der Verlauf der Gesamtstichprobe zeigt einen signifikanten Unterschied zwi- schen den zwei Messzeitpunkten t1 und t2 (McNemar, p < 0,01). Zu t1 geben 54 Teilnehmer der Studie an, sich ein Angebot zu Hause zu suchen. Zu t2 nehmen schließlich noch 34 Personen an einem angeleiteten Programm teil. 9 Ergebnisse – 111 – Geplante vs. tatsächliche Teilnahme an professionell angeleitetem Sportprogramm 54 34 27 47 0 10 20 30 40 50 60 geplante Teilnahme tatsächliche Teilnahme Ja Nein Abbildung 15: Geplante vs. tatsächliche Teilnahme an einem professionell angeleite- ten Sportprogramm Das geplante Maß der Aktivität verändert sich ebenfalls für die Gesamtstich- probe betrachtet zwischen den Messzeitpunkten t1 und t2 (Symmetrietest nach BOWKER, p < 0,001). Die größten Veränderungen finden sich bei den Patienten, die ein hohes Maß an körperlicher Aktivität (< 120 Min./Woche) planten. Insgesamt wird von nur 40,7 % Patienten tatsächlich der geplante Umfang an Aktivität durchgeführt. 23,4 % geben mittlere Umfänge für die tatsächliche sportliche Aktivität an und 18,5 % niedrigere Umfänge. 17,3 % Patienten machen keinen Sport und sind nicht aktiv. Kein signifikanter Unterschied ist zwischen den beiden Interventionsgruppen festzustellen. Das heißt, die Gruppe Ausdauersport ist genauso häufig kör- perlich aktiv wie die Gruppe störungsspezifische BWT. 9 Ergebnisse – 112 – Geplanter und durchgeführer Umfang körperlicher Aktivität 13 1 10 72 14 15 19 33 0 10 20 30 40 50 60 70 80 keine niedrig Mittel hoch geplant durchgeführt Abbildung 16: Geplanter und durchgeführter Umfang an körperlicher Aktivität in der Gesamtstichprobe Bei der Frage, ob sportliche Aktivität mit Bekannten, Freunden etc. oder lie- ber alleine durchgeführt wird, ergibt sich kein Unterschied in der Gesamt- stichprobe zu den beiden Messzeitpunkten t1 und t2. Auch unterschieden sich die beiden Interventionsgruppen nicht hinsichtlich ihres Antwortverhaltens in t2. In der vierten Frage nach den Eckpunkten für einen bewegungsfreundliche- ren Alltag geben zum Messzeitpunkt t2 80,2 % der untersuchten Probanden an, die genannten Eckpunkte oder andere einzuhalten, und 19,8 % sagen, dass sie nichts davon umsetzten. Der Unterschied zu t1 ist nicht signifikant. Das heißt, kleinere Übungen im Alltag finden wie geplant Umsetzung. Dies gilt für die Interventionsgruppe Ausdauertraining in gleichem Maße wie für die Gruppe störungsspezifische BWT. Zusammenfassung psychosoziale Faktoren: Die Hypothese 1b) (bewegungstherapeutisch relevante Parameter) wird an- genommen. Es zeigen sich im Verlauf in allen gemessenen Variablen zu be- wegungstherapeutisch psychosozialen Parametern statistisch bedeutsame Effekte (Ausnahme: Variable gesundheits- und krankheitsbezogene Kontroll- überzeugungen). 9 Ergebnisse – 113 – Die Nebenhypothese b) wird für die bewegungstherapeutisch relevanten Pa- rameter verworfen: Es gibt in keinem Punkt signifikante Unterschiede im Ver- lauf der untersuchten psychosozialen Aspekte hinsichtlich des Einflusses der beiden unterschiedlichen bewegungstherapeutischen Interventionsformen, weder nach dem stationären Aufenthalt noch nach sechs Monaten, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, die störungsspezifische BWT sei nachhaltiger in der Wirkung als die Standardtherapie. 9.2.2 Übergeordneter psychosozialer Aspekt – Kohärenzgefühl Die Werte des Kohärenzerlebens zeigen für beide Gruppen zur Baseline mit M = 103 bzw. M = 100 deutliche Abweichungen zum Normwert Gesunder (M = 157, vgl. HANNÖVER 2004). Die Verbesserungen der Werte im Kohä- renzerleben in beiden Gruppen sind als hoch signifikant zu beurteilen (p < 0.001). Sowohl zwischen den Messzeiten to und t2 als auch zwischen t0 und t1 weisen die Werte signifikante Unterschiede auf. Die rückläufige (nega- tive) Veränderung zwischen den Messzeitpunkt t1 und t2 ist nicht signifikant. Alle drei Subskalen des SOC (Handhabbarkeit, Verstehbarkeit, Bedeutsam- keit) tragen zur Veränderung des Gesamtscores „SOC“ in gleichen Maßen bei. Hinsichtlich der untersuchten Zielgröße Kohärenzsinn ergibt sich kein signifi- kanter Unterschied zwischen den beiden untersuchten unterschiedlichen be- wegungstherapeutischen Therapieformen zu den untersuchten Messzeit- punkten (p = 0,95). Die errechneten Effektstärken mit -0,43 für die Gruppe Ausdauertraining und mit -0,62 für die Gruppe störungsspezifische BWT sind als mittel einzustufen. Die Hypothese 1b) (übergeordneter Aspekt) wird angenommen. Es zeigen sich im Verlauf des Kohärenzgefühls statistisch bedeutsame Effekte. Die Nebenhypothese b) für den übergeordneten psychosozialen Aspekt wird verworfen, die störungsspezifische BWT unterscheidet sich nicht in ihrer Wir- kung auf den Verlauf des Kohärenzerlebens vom Standardvorgehen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, die störungsspezifische BWT sei nachhaltiger in der Wirkung auf das Kohärenzerleben als die Standardthera- pie. 9 Ergebnisse – 114 – Veränderung des Kohärenzsinns 0 20 40 60 80 100 120 140 to t1 t2 Messzeitpunkte SO C Gruppe Ausdauer Gruppe klin. BWT Abbildung 17: Veränderung des Kohärenzsinns (SOC) zu den drei Messzeitpunkten 9.3 Ergebnisse zur Fragestellung der physiologischen Pa- rameter körperliche Fitness Die körperliche Fitness wurde mittels 2-km-Walkingtests erhoben. Aus Grün- den der Objektivierbarkeit und der Validität wurde nur eine Teilstichprobe von n = 77 Patienten genommen, da die Teststrecke ab November durch den ungewöhnlich frühen und schneereichen Winter 2005/2006 nicht mehr objek- tiven Testanforderungen entsprach. In Tabelle 13 sind die deskriptiven Werte bezüglich der durchgeführten Wal- kingtests ersichtlich. Zu t0 sind sehr viele unterdurchschnittliche Walking- testergebnisse erzielt worden. 97,4 % der Probanden erreichen nur sehr schwache bis durchschnittliche Werte. 28,57 % haben sogar nur sehr schwache Werte. Bis zum Messzeitpunkt t1, am Ende des stationären Auf- enthaltes, haben noch 20,55 % Patienten sehr schwache Werte und 5,51 % schaffen es auf gute bis sehr gute Werte im 2-km-Walkingtest. Die Verände- rung im Walkingtestergebnis wurde mittels Symmetrietest von Bowker auf Veränderung getestet. Unmittelbar nach Therapieende zeigt sich eine signifi- kante Verbesserung der Werte. Um die Interventionsgruppen anhand der Veränderung im Walkingtest zu vergleichen, wurde der Chi-Quadrat-Test eingesetzt. Hierbei zeigt sich kein signifikanter Unterschied bezüglich des Einflusses der bewegungstherapeutischen Interventionsform. 9 Ergebnisse – 115 – Tabelle 13: Ergebnisse und Häufigkeiten im Walkingtest Häufigkeit GAa % GAa Häufigkeit GBWTb % GBWTb to sehr schwach 11 28,2 11 28,9 schwach 16 41 17 44,7 durchschnittlich 12 30,8 8 21,1 gut 0 0 2 5,3 sehr gut 0 0 0 0 gesamt 39 100 38 100 fehlend 14 7 t1 sehr schwach 8 22,9 7 18,4 schwach 11 31,4 18 47,4 durchschnittlich 14 40 11 28,9 gut 1 2,9 2 5,3 sehr gut 1 2,9 0 0 gesamt 35 100 38 100 fehlend 18 7 a) GA: Gruppe Ausdauersport b) GBWT: Gruppe störungsspezifische Bewegungstherapie bei Depression Um eventuelle Einflüsse sowie Trainingseffekte durch die Teilnahme am rest- lichen Sportprogramm der Klinik (Gymnastik, Wirbelsäulengymnastik etc.) zu kontrollieren, wurde die Häufigkeit der Teilnahme am restlichen Sportpro- gramm auf bestehende Gruppenunterschiede untersucht. Die Teilnehmer der beiden unterschiedlichen bewegungstherapeutischen Interventionsgruppen unterscheiden sich nicht signifikant hinsichtlich der Teilnahmehäufigkeit am restlichen Sportprogramm (Chi-Quadrat-Test: p = 0,121, df = 27). Das heißt, es kann angenommen werden, dass die Teilnahme am restlichen Sportpro- gramm die Ergebnisse im Walkingtest nicht unterschiedlich beeinflusst hat. Um den Einfluss der körperlichen Fitness auf das Kohärenzgefühl bestimmen zu können, werden Korrelationen berechnet. Dabei zeigt sich kein signifikant bedeutsamer Zusammenhang (r = 0,05, p = 0,68). Die Hypothese 1c) wird angenommen, da sich im Verlauf statistisch bedeut- same Effekte auf den physiologischen Parameter Ausdauerleistungsfähigkeit zeigen. Die Nebenhypothese c) wird verworfen, da sich das Standardvorgehen nicht von der störungsspezifischen BWT in seiner Wirkung auf die körperliche Ausdauerleistungsfähigkeit unterscheidet, so dass von der gleichen Wirk- samkeit beider Maßnahmen ausgegangen werden muss. 9 Ergebnisse – 116 – Zusammenfassung der Ergebnisse Die zentrale Hypothese 1) wird angenommen, das Datenmaterial zeigt statis- tisch zum Teil hoch signifikante Unterschiede im Verlauf bezogen auf die un- tersuchten Variablen (Ausnahme gesundheits- und krankheitsbezogene Kon- trollüberzeugung), so dass insgesamt zu t1 und t2 von einem Therapieerfolg ausgegangen werden kann. Das Zahlenmaterial zeigt zwar hoch signifikante Unterschiede, es ist aber darauf hinzuweisen, dass an dieser Stelle noch nicht endgültig beantwortet werden kann, ob die beobachteten Effekte tatsächlich auf die angebotenen bewegungstherapeutischen Gruppen oder auf andere Wirkfaktoren zurückzu- führen sind. An dieser Stelle wird auf das Kapitel 10.1 in der Diskussion ver- wiesen. Darüber hinaus zeigt sich in keinem Punkt ein Einfluss durch die bewegungs- therapeutische Interventionsform, weder auf die Symptomreduktion, psycho- soziale Aspekte noch die körperliche Fitness, so dass die Hypothesen über die vermuteten Effekte in eine bestimmte Richtung alle verworfen werden müssen. 10 Diskussion – 117 – 10 Diskussion Die vorliegende Studie untersucht Effekte der stationären Behandlung von Depressionen unter sport- und bewegungswissenschaftlichen Gesichtspunk- ten. Das Hauptanliegen der Arbeit besteht in der Untersuchung, ob durch eine bewegungstherapeutische Behandlung Effekte auf die Behandlung einer kli- nischen Stichprobe zu erwarten sind. Zentrale Fragestellung dabei ist, ob durch eine spezifische, auf Depressionen ausgerichtete bewegungstherapeu- tische Behandlung der Verlauf der Depression längerfristig günstiger beein- flusst werden kann als durch die bewegungstherapeutische Standardbehand- lung Ausdauertraining. Mögliche Effekte von bewegungstherapeutischer Behandlung werden an- hand zweier unterschiedlicher Interventionsgruppen miteinander verglichen. In diesem Teil der Arbeit werden die dargestellten Ergebnisse interpretiert, eingeordnet und mit dem theoretischen Teil in Verbindung gebracht. 10.1 Störungsspezifische Bewegungstherapie vs. Standard- therapie – depressive Symptomatik Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Beantwortung der Hauptfra- gestellung, ob klinische Bewegungstherapie Effekte zeigt, und ordnet die Er- gebnisse bezüglich der Frage ein, ob die klinische indikationsspezifische Bewegungstherapie, wie sie im Theorieteil vorgestellt wurde, der bewe- gungstherapeutischen Standardtherapie (Ausdauertraining) überlegen ist. Das Kriterium einer klinischen Stichprobe wird erfüllt. Sowohl die Diagnosen als auch die Werte im BDI zeigen eine deutliche Ausprägung der depressi- ven Symptomatik. Die Veränderungen der Depressivität, die sich durch den Klinikaufenthalt ergeben, entsprechen in etwa den Veränderungen, welche auch in ausschließlich verhaltenstherapeutischen Settings beobachtet wer- den (vgl. HAUTZINGER 2006). Für die Stärke der Effekte von Sporttherapie nennt STATHOPOULOU (2006) in einer Meta-Analyse, in die elf randomisierte Studien bezüglich Bewegungstherapie und Depression eingingen, einen Wert von 1.42. Die Effektstärken der vorliegende Studie bezüglich der Ver- 10 Diskussion – 118 – änderung der depressiven Symptomatik entsprechen mit 1.08 bzw. 1.40 in etwa diesem Wert und sind als stark zu beurteilen. Die erneute Zunahme der Depression nach dem stationären Aufenthalt bei Rückkehr in den Alltag ist plausibel und erklärbar. Die eintretende Ver- schlechterung der Symptomatik ist so gering, dass dennoch von einer signifi- kanten Verbesserung zwischen dem ersten und dem dritten Messzeitpunkt gesprochen werden und damit von einem Therapieerfolg nach sechs Mona- ten ausgegangen werden kann. Im Ergebnisteil wurde darauf hingewiesen, dass anhand des Datenmaterials keine genaue Aussage getroffen werden kann, ob die beobachteten Effekte tatsächlich auf die bewegungstherapeutischen Interventionen zurückgeführt werden können. Dass jedoch ein Teil der Effekte des Therapieerfolges auf die Maßnahmen der Sport- und Bewegungstherapie zurückzuführen sind, wird deutlich, wenn man andere durchgeführte Studien mit methodisch einwandfreiem Design, klinischer Stichprobe und hohen Fallzahlen betrachtet (siehe Tabelle 4). Bei- spielsweise geben BLUMENTHAL ET AL. (1999) Hinweise auf die gleiche Wirk- samkeit von Ausdauertraining und der Gabe von Antidepressiva. PENNIX ET AL. (2002) zeigen an 439 älteren depressiven Probanden, dass Ausdauer- training dem Krafttraining in der Symptomreduktion signifikant überlegen ist. DUNN ET AL. (2005) zeigen anhand 80 Depressiver die signifikant antidepres- sivere Wirkung von Ausdauertraining in Abhängigkeit der Trainingsintensität und im Vergleich zu einer Placebogruppe. ERKELENS UND GOLZ (1998) kommen in einer vergleichbaren Studie mit zwei Interventionssgruppen (Ausdauertraining vs. Ausdauertraining mit Einbezie- hung psychologischer Aspekte) auf ähnliche Ergebnisse wie die vorliegende Studie. ERKELENS UND GOLZ führen nicht nachweisbare Gruppenunterschiede auf eine mangelnde professionelle psychologische Fundierung der Gruppen- /Therapieleitungen zurück. Aber auch sie können detailliert die Wirksamkeit und damit den Erfolg ihrer ausschließlich auf Bewegung bzw. Sport beruhen- den Programme in der Behandlung Depressiver nachweisen. Ein weiterer Punkt, der für die Wirksamkeit bewegungstherapeutischer Maß- nahmen spricht und damit auch für die Wirksamkeit in der vorliegenden Stu- die, egal welcher Interventionsform, ist die hohe subjektive Akzeptanz bei 10 Diskussion – 119 – den Patienten. Die Bewertung der bewegungstherapeutischen Maßnahmen mit der Frage, ob das Angebot als hilfreich empfunden wurde, fällt sehr posi- tiv aus. Nach der Einzeltherapie, welche die besten Ergebnisse aufweist, ist die Sport- und Bewegungstherapie das am besten bewertete gruppenthera- peutische Angebot. Die Unterschiede der Bewertung in der Gruppe stö- rungsspezifische Bewegungstherapie und der Gruppe bewegungstherapeuti- sche Standardtherapie sind nicht signifikant. Das Kriterium der subjektiven Bewertung der Therapie stellt ein „weiches“ Kriterium dar. Dennoch unterstreicht das Ergebnis die Bedeutung und die Wichtigkeit der sport- und bewegungstherapeutischen Maßnahmen im stati- onären Therapiealltag. Die Ergebnisse bestätigen Ergebnisse anderer Unter- suchungen, wie von HÖLTER ET AL. (2002) oder KNAPEN ET AL. (2003). Die Frage, ob in Bezug auf die Symptomreduktion bei beiden bewegungsthe- rapeutischen Interventionsformen dieser Studie (allgemein-übungszentriert vs. störungsspezifisch-erlebnisorientiert) – ähnlich wie in anderen Evaluati- onsstudien auch – bedeutsame Effekte erwartet werden können, ist ab- schließend positiv zu beantworten. Das vorliegende Datenmaterial sowie damit die hoch signifikante Verbesse- rung der depressiven Symptomatik zum Ende des stationären Aufenthaltes und nach sechs Monaten zeigt die Wirksamkeit der gesamten Therapie. Die bewegungstherapeutischen Interventionen als Teil der Therapie (gleich wel- che Interventionsform) haben maßgeblichen Einfluss auf die Verbesserung der depressiven Symptomatik, was die angeführten Argumente zeigen. Diesem Ergebnis sollte im klinischen Alltag Rechnung getragen werden. Be- wegungstherapeutische Programme müssen mehr Einbindung in den oft sehr medizinisch oder psychologisch orientierten klinischen Alltag, aber auch in der ambulanten Behandlung finden sowie gleichwertig neben anderen Therapien existieren. Die auftretende Verschlechterung der depressiven Symptomatik nach dem stationären Aufenthalt ist zwar plausibel, lässt aber die Frage offen, ob nicht in der Nachsorge mehr unternommen werden muss. Dafür würden sich be- wegungsorientierte Maßnahmen anbieten, ähnlich dem Modell der Rehabili- tation und Wiedereingliederung nach einem koronaren Zwischenfall. 10 Diskussion – 120 – Die Verbesserung der depressiven Symptomatik in den beiden Interventi- onsgruppen ist im Vergleich nicht signifikant unterschiedlich. Dies ergibt sich aus einer Überschneidung mit anderen Wirkfaktoren und Therapieformen. Durch den nicht vorhandenen Gruppenunterschied kann letztendlich nicht genau bestimmt werden, welcher bewegungstherapeutische Einfluss genau für den Therapieerfolg mit verantwortlich gemacht werden kann. Die Frage nach der Überlegenheit einer bestimmten bewegungstherapeuti- schen Therapieform kann mit den methodischen Voraussetzungen somit nicht geklärt werden. Dazu müssten auf die möglichen Wirkfaktoren Grup- pentherapie, Depressionsbewältigungstherapie, psychologische Einzelthera- pie, den Wirkfaktor „Mitpatienten“ und weitere Maßnahmen verzichtet bzw. unbeeinflussbare Faktoren kontrolliert werden. Das ist im klinischen Alltag nicht möglich. Kurze Aufenthaltsdauern lassen keine Wartekontrollgruppe zu. Ein möglicher Weg für die zukünftige Forschung ist, ambulante Gruppen mit unterschiedlichen, ausschließlich bewegungstherapeutischen Interventions- formen anzubieten, wobei aber die Frage bestehen bleibt, ob tatsächlich Probanden zu finden sind, die einer klinischen Stichprobe entsprechen. 10.2 Beeinflussung psychosozialer Aspekte Wie schon in den Ergebnissen wird die Beeinflussung psychosozialer Aspek- te durch die unterschiedlichen Interventionsformen getrennt in die Aspekte übergeordneter psychosozialer Aspekt und bewegungstherapeutisch rele- vante psychosoziale Aspekte betrachtet. 10.2.1 Bewegungstherapeutisch relevante psychosoziale Aspekte In den untersuchten bewegungstherapeutisch relevanten Variablen zur Ent- wicklung von Ressourcen sowie Verminderung von Risikofaktoren ergeben sich in allen Bereichen (außer in den Variablen zu krankheits- und gesund- heitsbezogener Kontrollüberzeugungen) signifikante Veränderungen in posi- tive Richtung für beide Interventionsgruppen in gleichem Maße, was aus den bisherig diskutierten Ergebnissen plausibel erscheint und für die Wirksamkeit des stationären Aufenthaltes spricht. 10 Diskussion – 121 – Die Mindful Awareness Attention Scale In den vergangenen Jahren hat das Prinzip der Achtsamkeit in verschiede- nen psychotherapeutischen Verfahren Einzug gehalten und sich dabei als sinnvoll erwiesen (HEIDENREICH & MICHALAK 2004). Als eigene Methode der Bewegungstherapie ist sie als solches nicht explizit bekannt. Dennoch wer- den durch Methoden klinischer Bewegungstherapie die Ideen einer therapeu- tischen Achtsamkeitspraxis umgesetzt. Bewegungstherapeutische Methoden wie Tai-Chi, Qi Gong oder Übungen aus dem Yoga, denen alle neben der reinen Übungsform eine spirituelle Grundhaltung der Achtsamkeit zugrunde liegen, sind ein paar wenige besonders geeignete Beispiele dafür. Mit der in der Untersuchung verwendeten Fassung der Mindful Attention Awareness Scale von BROWN UND RYAN (2003, dt. Ü. v. HEIDENREICH & MI- CHALAK 2003) liegt ein Fragebogen vor, der besonders den Aspekt der Auf- merksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick betont. Das heißt, bei der Erfassung der Achtsamkeit steht die umfassende Wahrnehmung der im Hier und Jetzt vorhandenen inneren und äußeren Gegebenheiten im Vorder- grund. Andere Elemente des ursprünglichen buddhistischen spirituellen Achtsamkeitsbegriffs (z. B. Vermeidung kategorialen Denkens, grundsätzlich offene Haltung gegenüber Erfahrungen) werden nicht thematisiert (vgl. HEI- DENREICH ET AL. 2007). Die Ergebnisse der Studie zeigen eine deutliche Verbesserung der Aufmerk- samkeit auf den momentanen Augenblick der getesteten Patienten, die paral- lel zur Verbesserung der depressiven Symptomatik eintritt. Die Ergebnisse bestätigen Vermutungen über den engen Zusammenhang zwischen Acht- samkeitsleistung und Rückfallgeschehen bei Depressivität (MICHALAK ET AL. 2007). Es lässt sich durch das vorhandene Zahlenmaterial keine genaue Aussage treffen, welche bewegungstherapeutische Interventionsform und welcher Wirkfaktor verantwortlich ist, dass sich die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu regulieren, während des Klinikaufenthaltes bis zum Zeitpunkt der Katamnese signifikant verbessert. Da die Verbesserung der Achtsamkeitsleistung aber einen wesentlich Aspekt in der Veränderung der depressiven Symptomatik darzustellen scheint und bewegungstherapeutische Methoden besonders 10 Diskussion – 122 – geeignet sind, an diesem Thema zu arbeiten, darf er in der bewegungsthera- peutischen Behandlung nicht außer Acht gelassen werden. Welche Methode geeigneter ist, kann wegen fehlender Gruppenunterschiede empirisch nicht beantwortet werden. Letztendlich trägt das komplexe Ge- samtgeschehen, die Verbesserung der depressiven Symptomatik, genauso zu einer Steigerung der Fähigkeit bei wie einzelne bewegungstherapeutische Übungen oder psychologische Interventionen. Klassische Übungen zur Stei- gerung der Aufmerksamkeitsregulation wurden in Zusammenhang mit klini- scher BWT genannt. Genauso ist aber vorstellbar, durch Ausdauertraining, körperliche und psychische Spannungsregulation zu bewirken, was ebenfalls zu einer Steigerung der Aufmerksamkeitsleistung beitragen kann. Spielerisches Welterleben Die Definition von Spiel unterliegt einer Bandbreite von Deutungsversuchen und unterschiedlicher Ansichten. SCHEUERL (1990, 126) bezeichnet Spiel als „reines Bewegungsphänomen, dessen scheinhafte Ebene schwebende Frei- heit und innere Unendlichkeit, Ambivalenz und Geschlossenheit in zeitentho- bener Gegenwärtigkeit nur der Kontemplation zugänglich ist. Auch wo es zu seinem Zustandekommen Aktivität voraussetzt, ruft es den Spieler zu dieser Aktivität nur um der Kontemplation willen auf“. Dem Aspekt der Zwecklosig- keit von Spiel kommt in dieser Definition und damit im Rahmen der Therapie von psychisch Kranken eine besondere Bedeutung zu. Die Zwecklosigkeit, das Spielen um des Spielens selbst, ermöglicht dem handelnden Akteur Selbstwirksamkeitserfahrungen, ohne vor weit reichenden Konsequenzen Angst haben zu müssen. Alte, vielleicht schädliche Handlungsmuster können erkannt, neue und ungewohnte erprobt werden. Im Spiel liegt ein ungewisses Ende, welches nicht berechenbar ist. Damit ist es unabdingbar, Handlungen im Spiel kreativ und flexibel zu gestalten. Nach SUTTON-SMITH (1978, 87) be- reitet das Spiel auf die unvorhersehbare, nicht auf die vorhersehbare Zukunft vor. Die Frage des Patienten „Wie wird es wohl weitergehen?“ bekommt aus diesem Blickwinkel eine neue Richtung. Beim Spielen geht es wie in der Psychotherapie um das Hinterfragen von Verhalten und das Erproben neuer Verhaltensmuster. Durch das Spiel wird ein Zugang zur Vielfalt der Möglich- keiten eröffnet, die einem Menschen zur Verfügung stehen. „Diese sind weit- 10 Diskussion – 123 – aus größer und reichhaltiger als normalerweise aktiv genutzt“ (KLINIKENBERG 2005, 57). Ähnliches, wie Feldenkrais es für seine Methode beschreibt, gilt für das Spiel: „Bewegungslernen, aber auch Lernen schlechthin besteht nicht darin, dass man die Willenskraft stärkt und übt, sondern im Aneignen der Fertigkeit, parasitäre Handlungen zu hemmen, und der Fähigkeit, auf Grund von Selbsterkenntnis klare Motivationen zu lenken“ (FELDENKRAIS 1991, 21). Aus dem Erlebnis des Spiels ist unter besonderer Berücksichtigung bestimm- ter Aspekte des Flow-Erlebens von CSIKSZENTMIHALYI (1975) eine grundle- gende Motivation zur weiteren Selbsterkenntnis in der Therapie zu erwarten. Selbstvergessenheit im Tun, autotelisches Wesen von Aktivität, Kontrolle über eigene Handlungen, Zentrierung der Aufmerksamkeit sind wesentliche Aspekte, die sich beim depressiven Patienten verloren haben. Dieses mit so einfachen Mitteln wie dem Spiel, der Bewegung durch den eigenen Körper wieder zu erfahren, vermittelt Kohärenzerleben. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung geht deutlich hervor, dass diese Empfindung des spielerischen Welterlebens beeinflussbar ist. Die Werte ändern sich zu den drei Messzeitpunkten und verbessern sich ent- sprechend der depressiven Symptomatik, so dass im Verlauf der Therapie sowie im Zeitraum der sechs Monate danach eine deutliche Verbesserung der spielerischen Weltsicht zu erkennen ist. Es lassen sich keine signifikan- ten Gruppenunterschiede bezüglich der beiden Interventionsgruppen feststel- len, was wiederum aus empirischer Sicht die Frage offen lässt, welche be- wegungstherapeutische Therapieform geeigneter erscheint, spielerische Weltsicht (wieder) zu erlernen. Aus den verschiedenen eben erläuterten An- sichten zum Thema Spiel lässt sich jedoch nur schwer vorstellen, dass sich durch die Interventionsform Ausdauertraining spielerische Weltsicht konkret fördern lassen kann. So kommt zwar beim Ausdauertraining durchaus dem Aspekt des Flows, dem autotelischen Wesen von Aktivität, der Kontrolle über eigene Handlung, wie im Spiel auch eine besondere Bedeutung zu, jedoch geht der zentrale Aspekt des Spiels verloren. Im Ausdauertraining fehlt die Entfaltung von Kreativität, oft auch das zweckfreie Tun, das bewusste Aus- testen von vielseitigen Handlungskompetenzen und Handlungsmöglichkei- ten. Die Methode Spiel, die in der klinischen Bewegungstherapie Anwendung findet, wird diesem breiten Spektrum in der Praxis eher gerecht. 10 Diskussion – 124 – Der Fragebogen gesundheits- und krankheitsbezogene Kontrollüberzeugun- gen In ANTONOVSKYS Modell der Salutogenese mit dem zentralen Aspekt des Ko- härenzgefühls ist der Gesichtspunkt der Kontrolle von Bedeutung. Er findet sich in den Komponenten Verstehbarkeit und Handhabbarkeit wieder. Wenn widrige Umstände auftreten, haben Menschen mit hohem Kohärenzgefühl die größeren Ressourcen, damit umgehen zu können. Gesundheitliche Kon- trollüberzeugungen entsprechen den Erwartungen eines Individuums, dass Gesundheit und Krankheit beeinflussbar sind (WALLSTON & WALLSTON 1978). „Die meisten Untersuchungshypothesen gehen davon aus, dass internale Kontrollüberzeugungen die günstigeren sind“ (BENGEL 1998, 54). Demnach hätten in der Untersuchung mit Abnahme der depressiven Symptome und einer Zunahme der Komponenten des SOC auch internale Kontrollüberzeu- gungen zunehmen und externale fatalistische Einstellungen abnehmen müs- sen. Dies ist nicht der Fall. Es gibt keine Veränderungen der gesundheits- und krankheitsbezogenen Kontrollüberzeugungen in eine Richtung, weder für die Gruppe Ausdauertraining noch für die Gruppe störungsspezifische BWT. Dieses eher unerwartete Ergebnis kann mit der grundsätzlichen Kritik BAN- DURAS (1986, 412 f.) am Modell des LOC-Konstruktes in Verbindung ge- bracht werden. Im LOC-Konstrukt wird die selbstwahrgenommene Beziehung zwischen einer Handlung und seinen Folgen thematisiert. LOC- Überzeugungen sind generalisierte Ergebnis- oder Konsequenzerwartungen (vgl. FUCHS 1997, 83). Das heißt, jemand kann sich im Klaren darüber sein, dass eine Handlung, die notwendig ist, um gesund zu bleiben, allein von ihm selbst abhängt, und eine hohe internale Kontrollüberzeugung haben, trotz- dem wird er nur dann motiviert sein, das zum Erzielen der gesundheiterhal- tenden Handlung notwendige Verhalten auch zu zeigen, wenn er zusätzlich davon überzeugt ist, auch über die dafür erforderlichen Kompetenzen zu ver- fügen, was gerade bei einer Depression häufig nicht der Fall ist (Lageorien- tierung). Ein internaler LOC ist bestenfalls eine notwendige, aber keine hin- reichende Bedingung des Verhaltens (vgl. WALLSTON 1994, 188). Der eingesetzte Fragebogen gibt somit Information über generalisierte Ergebnis- bzw. Konsequenzerwartungen, aber nicht über fähigkeitsbezogene Überzeu- gungen bzw. Selbstwirksamkeitserwartungen. 10 Diskussion – 125 – Eine weitere Kritik an der Sichtweise, internale Kontrollüberzeugungen seien als positiver zu beurteilen und damit eine Veränderung der Einstellung in die- se Richtung während der Therapie zu beobachten, kommt aus der Richtung der Resilienz. NUBER (1999) stellt in der Aufzählung von Merkmalen resilien- ter Menschen fest, dass diese nicht in übertriebenen Schuldzuweisungen sich selbst gegenüber feststecken. Sie besitzen in entsprechenden Situatio- nen die Fähigkeit, dem Schicksal oder anderen mächtigen Einflussfaktoren Bedeutung zuzuweisen und gerade nicht internal zu attribuieren. Der Fragebogen zu gesundheits- und krankheitsbezogenen Kontrollüberzeu- gungen erscheint nicht geeignet, Widerstandsquellen bzw. Risikofaktoren in Zusammenhang mit dem Kohärenzsinn hinsichtlich Kontrollüberzeugungen bzw. Selbstwirksamkeit zu operationalisieren, da das theoretische Konstrukt des Fragebogens wesentliche Aspekte, wie fähigkeitsbezogene Überzeu- gungen, außer Acht lässt. Die Ergebnisse des Fragebogens zur habituellen körperlichen Aktivität Der Fragebogen zur Erfassung der habituellen körperlichen Aktivität von WAGNER & SINGER (2003) bezieht sich auf drei Bereiche: die arbeitsplatzbe- zogene körperliche Aktivität, die sportliche körperliche Aktivität und die kör- perliche Aktivität in der Freizeit. In den beiden erhobenen Messzeitpunkten zur habituellen körperlichen Akti- vität am Arbeitsplatz lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen, weder im Verlauf noch in der Interaktion beider Interventionsgruppen. Das heißt, die körperliche Aktivität am Arbeitsplatz ist zum Beginn der Therapie genauso hoch wie sechs Monate nach der Therapie. Dieses Ergebnis scheint plausibel, da Berufe wie Lehrer oder Verwaltungsfachangestellter, Handwer- ker etc. ein gewisses Maß an Bewegung mitbringen, dieses Maß aber stetig gleich bleibt und somit wenig Veränderungspotenzial bezüglich der körperli- chen Aktivität am Arbeitsplatz für den Patienten bleibt. Eine Kritik am Fragebogen in der Erfassung der arbeitsplatzbezogenen kör- perlichen Aktivität, die beim Auswerten der Ergebnisse deutlich wurde, ist an dieser Stelle anzumerken. Um die genannte Subkategorie zu erfassen, wur- de die Frage gestellt, ob bei der Arbeit geschwitzt wird. Die Antwortmöglich- keiten erstreckten sich von „sehr häufig“ bis „sehr selten“. Außerdem wurde 10 Diskussion – 126 – die folgende Frage gestellt: „Im Vergleich zu anderen Personen meines Al- ters finde ich meine Arbeit ...“ Hier reichten die Antwortmöglichkeiten von „viel schwerer“ bis „viel leichter“ (vgl. WAGNER & SINGER 2003). Bei Patienten mit psychosomatischem Hintergrund sind die Antwortmöglich- keiten auf diese Fragen vieldeutig. Schwitzen kann nicht nur durch körperli- che Beanspruchung entstehen, sondern auch durch psychischen Stress, bei- spielsweise durch Angst oder Nervosität. Das heißt, eine Person, die bei der Beantwortung der Frage angibt, sehr häufig zu schwitzen (aus Stress), hebt zwar den Durchschnitt des Arbeitsindex in eine positive Richtung. Die Person schwitzt aber nicht, weil es ihrer gesundheitlich zuträglich wäre. Das Ergeb- nis ist somit verfälscht. Das Gleiche gilt im Prinzip auch für die zweite, hier vorgestellte Frage. Personen, die depressive Symptome entwickeln, evtl. gerade wegen Belastungen am Arbeitsplatz, empfinden ihre Arbeit natürlich schwerer als die Arbeit anderer. Dieses „schwerer“ bezieht sich auf vieles (Arbeitszeiten, Ansehen der Arbeit im Allgemeinen, Verhältnis zu Vorgesetz- ten etc.) und nicht ausschließlich auf das körperliche schwerer, auf das der Fragebogen eigentlich abzielt. Die Beantwortung dieses Items verzerrt somit auch das Ergebnis, nachdem eigentlich gesucht wird. Um die Antworten einzugrenzen, müsste eine genauere Beschreibung der Begrifflichkeiten erfolgen, z. B.: „Bei der Arbeit schwitze ich, weil ich mich körperlich anstrenge.“ oder „Im Vergleich zu anderen Personen meines Al- ters finde ich meine Arbeit körperlich anstrengend.“ Im erhobenen Freizeitindex ergeben sich über die beiden Messzeitpunkte signifikante Veränderungen hinsichtlich mehr körperlicher Aktivität, ebenfalls wieder ohne Unterschied zwischen den Interventionsgruppen. Die Ergebnis- se aus dem Fragebogen „Überprüfung der Ideen und Vorsätze für zu Hause“ scheinen dem zu widersprechen. Dort geben die befragten Patienten eben- falls beider Interventionsgruppen an, weniger zu tun als sie sich für die Frei- zeit vorgenommen haben. Diese Diskrepanz lässt sich evtl. durch die in der Auswertung deutlich ge- wordene Kritik bezüglich der Validität der eingesetzten Subkategorie erklä- ren. WAGNER & SINGER zitieren ROST (1997, 23 f.), wenn sie sagen, dass un- ter körperlicher Aktivität „ganz allgemein die Summe aller Prozesse, bei denen durch aktive Muskelkontraktionen Bewegungen des menschlichen 10 Diskussion – 127 – Körpers hervorgerufen werden bzw. vermehrt Energie umgesetzt wird“, ge- meint ist und nicht nur Sport im üblichen Sinne. Letztendlich sieht sich aber auch der vorliegende Fragebogen dieser Kritik ausgesetzt. Der Fragebogen erfasst zwar durch die Unterteilung in drei Subkategorien drei verschiedene Bereiche der körperlichen Aktivität, und geht damit weiter als andere Mess- verfahren. Aber die Frage nach der körperlichen Aktivität in der Freizeit kann nicht nur mit drei Items beantwortet werden. Körperliche Aktivität in der Frei- zeit ist nicht nur Rad fahren, zu Fuß gehen, oder Einkäufe zu Fuß erledigen. Es wäre z. B. auch konkret nach Gartenarbeit, Hausarbeit, handwerklichen Tätigkeiten, achtsamem Umgehen mit seinem Körper etc. zu fragen. Der Fragebogen scheint in der Unterteilung der genannten Subkategorie zu we- nig zu differenzieren, woraus schließlich die Diskrepanz im Fragebogen zur Überprüfung der Ideen für zu Hause resultiert. Ein signifikanter Unterschied im zeitlichen Verlauf ergibt sich in der Subkate- gorie Sportindex. Mit Sportindex ist der bewusste Einsatz von Bewegung gemeint, um gewisse Anpassungseffekte hervorzurufen. Anhand der darge- stellten Ergebnisse scheint es ohne Bedeutung zu sein, welcher bewegungs- therapeutischen Gruppe die Patienten angehören, die Steigerung ergibt sich gleichermaßen für beide Interventionsgruppen. Die relative Teilnahmehäufigkeit (mögl. Termine vs. wahrgenommene Termi- ne) zeigt einen Zusammenhang zur Veränderung der sportlichen Aktivität (Sportindex) nach dem Klinikaufenthalt. Das heißt, Menschen, die in der The- rapie häufiger körperlich aktiv sind, haben auch nach dem stationären Auf- enthalt das größte Veränderungspotenzial hinsichtlich der habituellen sportli- chen Aktivität, damit aber auch der positiven Beeinflussung der depressiven Symptomatik. Das heißt, dass es in Zukunft in der Therapie weniger um das geht, was genau angeboten wird (ausschließlich Ausdauertraining oder indi- kationsspezifische BWT), sondern im selben Maß um das, wie etwas ange- boten wird, damit die Dropoutrate möglichst gering gehalten werden kann. Somit ist für zukünftige Forschungsarbeiten die Frage zu stellen, wie depres- sive Patienten besser motiviert werden können, körperlich aktiv zu werden, bzw. die aufgenommene Aktivität beizubehalten. Zudem ist natürlich die Fra- ge zu stellen, ob das durch Ausdauertraining beim Einzelnen am besten er- reicht werden kann? Bei BLUMENTHAL ET AL. (19999) z. B. ist die höchste Ab- 10 Diskussion – 128 – brecherquote bei der ausschließlich bewegungstherapeutischen Behandlung Depressiver durch Ausdauertraining mit 14 % zu beobachten, im Gegensatz zu Behandlungen mit Antidepressiva mit einer Dropoutrate von 7 %. Dies scheint durchaus ein Problem darzustellen, welches in zukünftigen For- schungsarbeiten durch geeignete Fragestellungen und ausreichend langer Katamnese genauer thematisiert werden muss. Vorsätze für zu Hause Der soziale und kommunikative Charakter der störungsspezifischen Bewe- gungstherapie wird durch das Ergebnis der fast fünfmal höheren Wahr- scheinlichkeit bei Teilnehmern der störungsspezifischen BWT, zu t1 an einem professionellen Angebot teilnehmen zu wollen, deutlich. Die Vorhaben jedoch konkret in die Tat umzusetzen, scheitern bei den meisten Patienten in der Gruppe der störungsspezifischen BWT genauso wie in der Gruppe Standard- therapie. Das Ergebnis spricht erstens für den kommunikativen Charakter der stö- rungsspezifischen BWT im Gegensatz zum Ausdauertraining, aber zweitens auch für eine konkretere Erarbeitung von Schritten für die Umsetzung der Vorsätze aus der Therapie, wie zum Beispiel das Einholen von Informationen über Bewegungsangebote vom Heimatort schon zur Zeit des Klinikaufenthal- tes, wobei keine flächendeckenden Angebote speziell für Menschen mit De- pression existieren und es leichter sein wird, an allgemeinen Walking-, Yoga- oder Tanzkursen etc. teilzunehmen als an einem speziell auf die Depression abgestimmten Sportangebot, obwohl das vielleicht wünschenswert wäre. Die Überprüfung der Vorsätze über die Umfänge der angestrebten sportli- chen Aktivität zeigt die Überschätzung der eigenen Motivation während der Therapie und wird erst durch die Kontrolle in der Katamnese deutlich. Beide Interventionsgruppen haben für die Zeit nach dem stationären Aufenthalt ein hohes Maß an geplanter körperlicher Aktivität angegeben. Die signifikanten Unterschiede bezüglich zu dem, was wirklich realisiert wird, sind offensicht- lich, so dass als konkrete Maßnahme für die Therapie eine Hinführung zu einer realistischen Zielsetzung abzuleiten ist. Es gibt wenige Untersuchungen mit einer ausreichenden Katamnese, die eigenständiges sportlich motiviertes Handeln Depressiver untersuchen. In Studien mit einer Katamnese wird oft- 10 Diskussion – 129 – mals meist nur die entsprechende Symptomreduktion untersucht. Daher gibt es in der Literatur aus bewegungstherapeutischer Sicht keine empirischen Vergleichsmöglichkeiten zum Punkt der realistischen Zielsetzungen bezogen auf die Zeit nach einem Klinikaufenthalt für eine klinische Stichprobe. 10.2.2 Übergeordneter Aspekt – Kohärenzgefühl Ob sich das Gefühl des Kohärenzerlebens, wenn es sich manifestiert hat, noch verändern kann, ist Gegenstand aktueller Diskussion (Kap. 4.3.2). Die positiven Veränderungen des Kohärenzerlebens in der Therapie und auch die sechs Monate danach, wie in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt, schei- nen der Ansicht eines relativ stabilen Kohärenzsinnes, wie von ANTONOVSKY angenommen, zu widersprechen und spiegeln eher die aktuelle Diskussion um eine Abkehr stabiler Identitätskonstrukte, wie beispielsweise von ERIKSON (1959, 1973) wider (vgl. HÖFER 2000 oder WEYER-MENKHOFF 2005, 18). Vergleicht man die Werte der vorliegenden Arbeit mit denen von HANNÖVER (2004) vorgeschlagenen Normwerten zum Kohärenzgefühl, so ist eine deutli- che Abweichung der Werte der Studie nach unten festzustellen. HANNÖVER gibt für die Gruppe der Männer wie auch der Frauen (Alter 41-60) mit dem Vorliegen einer psychiatrischen Diagnose in den letzten vier Wochen den Mittelwert von 146 Punkten an. Im Vergleich dazu liegen die Werte einer ge- sunden Stichprobe in diesem Alter bei Männern bei M = 158 und bei Frauen bei M = 156. Diese Werte werden in der vorliegenden Studie zu keinem der drei Messzeitpunkte erreicht. Dieses Ergebnis könnte für die deutliche Aus- prägung der Depressivität in der klinischen Stichprobe sprechen. Es zeigt, dass zwar wohl eine Veränderung des Kohärenzsinnes möglich ist, jedoch scheinen sich diese Veränderungen auf einem sehr niedrigen Niveau, vergli- chen mit einer gesunden Stichprobe, zu bewegen. Dies bedeutet, dass zwar eine Veränderung des Kohärenzgefühles erreichbar ist, aber Menschen mit negativer Beeinträchtigung der Gesundheit, z. B. durch eine depressive Epi- sode, möglicherweise grundsätzlich niedrigere Ausgangswerte haben als Gesunde. Aus systemtheoretischer Sicht lassen sich die Sichtweise eines nicht verän- derungsresistenten Persönlichkeitskonstruktes und damit das Ergebnis die- ser Untersuchung untermauern. BETTE (1999, 153) beschreibt Rollenflexibili- tät als Anpassungsnotwendigkeit, um in hoch differenzierten Gesellschaften 10 Diskussion – 130 – überleben zu können. Das heißt, um in ständig wechselnden Rollen zu be- stehen, ist es notwendig, Anforderungen flexibel begegnen zu können. Das bedeutet aber auch, dass die Entwicklung der Persönlichkeit sowie der Iden- tität und damit aber auch die Entwicklung des Kohärenzgefühls noch nicht im jungen erwachsenen Alter abgeschlossen sein können. Dies zeigt sich bei- spielsweise in den wesentlichen Bereichen von Arbeit und Beruf ebenso wie in Ehe und Familie, die heute keine Garantie mehr auf Lebenszeit bedeuten. Individuen müssen permanent Identitätsarbeit leisten, um mit Veränderungen zurechtzukommen. Dabei muss, so die These HÖFERS (2000, 67), das Kohä- renzgefühl immer wieder neu hergestellt werden. Individuen müssen in ihrer Identitätsarbeit Erfahrungsräume „konstruieren“, die sie als kohärent erleben. Menschen mit größerem Kohärenzgefühl scheinen dies besser leisten zu können und sind demnach nicht so anfällig für die negativen Auswirkungen möglicher Spannungszustände. Inwieweit die beiden unterschiedlichen bewegungstherapeutischen Interven- tionsformen für eine Veränderung des Kohärenzgefühls verantwortlich ge- macht werden können, kann letztendlich aus Ermangelung eines signifikan- ten Gruppenunterschiedes nicht genau eruiert werden. Verschiedene Studien zeigen, dass zu einem hohen Wert im Kohärenzerleben nicht unbedingt eine hohe körperliche Leistungsfähigkeit nötig ist (BECKER ET AL. 1996, BÖS & WOLL 1994). Die nicht signifikante Korrelation der Ergebnisse des Walking- tests zum Kohärenzerleben aus der vorliegenden Studie lassen ebenfalls vermuten, dass das Kohärenzgefühl nicht von der tatsächlichen Leistungsfä- higkeit abhängt. Daraus könnte gefolgert werden, dass, um das Kohärenzge- fühl Depressiver zu steigern, möglicherweise eine ausschließlich auf Funkti- onalität (Ausdauertraining) beruhende Maßnahme zu wenig ist, und es scheint notwendig zu sein, explizit Aspekte des Kohärenzerlebens in der Therapie anzusprechen. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch durch ein ausschließlich funktionelles übungszentriertes körperliches Training gleich- zeitig Auswirkungen auf andere Ebenen, wie die psychische, zu erwarten sind, ohne dass man diese Auswirkungen explizit therapeutisch reflektiert. Als Beispiel hierfür wurde der Wirkfaktor Selbstwirksamkeit genannt, der wiederum eng mit dem Konzept ANTONOVSKYS und der Entwicklung von Ko- härenzgefühl in Verbindung steht. Dass sich die Selbstwirksamkeit durch 10 Diskussion – 131 – körperliche Aktivität steigern lässt, wurde ausführlich im zweiten Kapitel zum Thema Wirkfaktoren diskutiert. Nachdem sich beide Interventionsgruppen bezüglich der Beeinflussung auf die Veränderung des Kohärenzerlebens nicht unterscheiden, kann davon ausgegangen werden, dass beide Interventionen gleich wirksam sind. So- wohl in der Gruppe Ausdauertraining, in der nicht bewusst psychologische Ebenen des Trainings reflektiert werden, sind die gleichen Effekte zu beo- bachten wie in der Gruppe störungsspezifische BWT, in der psychische Wir- kungen und Zusammenhänge zu Aspekten der Depression inhaltlich zum Thema gemacht werden. Das Studiendesign lässt viele Fragen offen, inwieweit Kohärenzsinn tatsäch- lich von einer Sport- und Bewegungstherapie beeinflusst werden kann. The- matisch und methodisch gibt es in den bewegungstherapeutischen Interven- tionsgruppen viele Überschneidungen mit Themen, die auch in der Einzeltherapie, Gruppentherapie etc. angesprochen werden und durch das Design nicht kontrolliert werden können, so dass letztendlich der entschei- dende Einflussfaktor zur Veränderung von Kohärenzerleben nicht exakt be- stimmt werden kann und über die Überlegenheit einer bestimmten Interventi- onsform an dieser Stelle keine Aussagen gemacht werden können. 10.3 Körperliche Fitness – 2-km-Walkingtest Die Ergebnisse des 2-km-Walkingtests zeigen eine deutliche Verbesserung der ausdauerbezogenen Leistungsfähigkeit, der körperlichen Fitness, im Ver- lauf der Therapie zwischen den Messzeitpunkten t0 und t1. Es können wie- derum keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden untersuchten bewegungstherapeutischen Interventionsgruppen festgestellt werden. Das heißt, die Ausdauergruppe, die explizit die Ausdauerleistungsfähigkeit trai- nierte, ist den Ergebnissen der Gruppe störungsspezifische BWT mit dem eher ruhigeren Angebot gleich. Die Häufigkeit der Teilnahme am übrigen Sportprogramm wurde kontrolliert, dabei lassen sich keine Unterschiede in den Teilnahmehäufigkeiten feststellen, sodass Trainingseffekte nicht auf an- dere Therapieangebote außerhalb der angebotenen bewegungstherapeuti- schen Interventionen zurückgeführt werden können. Daraus ist zu schließen, 10 Diskussion – 132 – dass körperliche Leistungsfähigkeit bei depressiven Patienten anscheinend nicht nur vom durchgeführten Trainingsumfang abhängig ist, sondern im be- sonderen Maße von der Verbesserung des psychischen Gesundheitszustan- des. Die immer noch unterdurchschnittlichen Ergebnisse zu t1 bestätigen andere Studien, dass kardiovaskuläre Fitness nicht unbedingt mit einer Symptomre- duktion der Depression und Veränderungen der Befindlichkeit zusammen- hängen muss (HEIMBECK & SÜTTINGER 2007, KNUBBEN 2006, MARTINSEN 1989, HANNAFORD ET AL. 1988). Für die vorliegende Studie wurde der 2-km-Walkingtest verwendet. Aufgrund persönlicher Beobachtungen der Testdurchführenden ist zu vermuten, dass bei diesem Test der Ausdauerleistungsfähigkeit nicht nur diese Einfluss auf das Ergebnis hat, sondern v. a. auch andere Stimmungs- und damit motivati- onsbeeinflussende Faktoren, wie das Wetter und andere Naturgegebenhei- ten, eine Rolle spielen. Mit dem Test ist zwar eine große Nähe zur Realität gegeben, wie z. B. die große stimmungsabhängige Leistungsfähigkeit bei Depressiven durch externe Faktoren. Um jedoch andere, die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussenden Faktoren besser kontrollieren zu können, müssen sportwissenschaftliche Tests wie Laufband- oder Fahrradergeo- metrie Verwendung finden. 10.4 Zusammenfassung Da bisher keine umfassende störungsspezifische Behandlungsmethode zur bewegungstherapeutischen Behandlung von Depressionen vorliegt (KOEME- DA-LUTZ ET AL. 2006), stellt diese Arbeit erstmals ein Konzept auf Grundlage des Salutogenesemodells ANTONOVSKYS vor, Depressionen mit indikations- spezifischen Methoden klinischer Bewegungstherapie zu behandeln. Ziel der Behandlung ist es, nicht nur eine Symptomreduzierung zu erreichen, sondern Impulse für eine positive Verhaltensänderung und Persönlichkeitsentwicklung im Sinne eines Aufbaus von Protektivfaktoren und Kohärenzerleben zu ge- ben. Entsprechend eines evidenzbasierten Vorgehens wurde das theoreti- sche Konzept empirisch an einer großen Stichprobe überprüft. 10 Diskussion – 133 – Die konkreten Fragestellungen lauteten erstens, ob sich die Effekte anderer Studien bestätigen und BWT-Effekte auf ausgewählte Parameter nachweisen lassen, und zweitens, ob sich eine spezifisch klinische Bewegungstherapie für Depressive in der kurz- und längerfristigen Wirkung vom Standardvorge- hen, einem reinen Ausdauertraining, unterscheidet. Es konnte festgestellt werden, dass klinisch depressive Menschen während des stationären Aufenthaltes und auch sechs Monate danach von den ange- botenen Therapiemaßnahmen, ablesbar an der positiven Veränderung der untersuchten Variablen, profitieren und daher von einem Therapieerfolg ge- sprochen werden kann. Der genaue Einfluss der beiden unterschiedlichen bewegungstherapeutischen Interventionsformen als additive Therapie zur Psychotherapie kann mit den Mitteln der Studie allerdings nicht genau eruiert werden. Aus den Ergebnissen bisher durchgeführter Studien und den positi- ven Bewertungen beider Interventionsformen ergibt sich aber eine hohe sub- jektive Bedeutsamkeit der Sport- und Bewegungstherapie für beide Interven- tionsformen in gleichem Maße. Durch die Effekte anderer Wirkfaktoren lässt sich kein Unterschied zwischen den beiden unterschiedlich angebotenen Therapieformen nachweisen. Dieses Ergebnis und die damit verbundene Kritik sind typisch für an der Pra- xis orientierte und in klinischer Forschung durchgeführte Studien (vgl. WAM- POLD 2001, KOMEDA-LUTZ ET AL. 2006). WAMPOLD (2001) präsentiert in seinen Überlegungen ein Modell, in dem er darstellt, dass die oft genannten Kritik- punkte in klinischen Studien (Einfluss der Therapeutenvariable, Erwartungs- haltungen der Patienten etc.) eigentlich die Basis therapeutischen Handelns darstellen. So werden etwa nur 15 % der Varianz des Outcomes einer The- rapie auf spezifische Methoden zurückgeführt, 40 % können durch die bloße Tatsache erklärt werden, dass die Patienten überhaupt in Therapie sind, und immerhin 30 % lassen sich durch die Qualität der therapeutischen Beziehung erklären. Noch einmal 15 % gehen auf unspezifische Faktoren zurück, wie das Schöpfen von neuer Hoffnung oder das Vermitteln eines milden Opti- mismus (vgl. LAMBERT & BERGIN 2004, MILLER ET AL. 2004; KOMEDA-LUTZ ET AL. 2006). In einer Untersuchung von KRUPNICK ET AL. (2006, 269) zur Rolle der therapeutischen Beziehung in Psychotherapie und bei Pharmakotherapie werden diese Zahlen im Wesentlichen ebenfalls bestätigt: „Die Ergebnisse 10 Diskussion – 134 – bestätigen, dass die therapeutische Beziehung einen wesentlichen Faktor mit signifikantem Einfluss auf die Effekte darstellt“. WAMPOLD (2001) benennt nicht nur die therapeutische Beziehung („therapeu- tic alliance“), sondern weitere Faktoren, die zum Erfolg einer Therapie beitra- gen. Er geht davon aus, dass die Effekte einer bestimmten Methode als Wirkfaktor kleiner einzustufen sind als Effekte, die auf den Therapeuten di- rekt zurückzuführen sind. Des Weiteren nimmt er an, dass es unbedeutsam ist, ob sich der Therapeut strikt an ein vorgegebenes Behandlungsmanual hält oder nicht, v. a. aber stellt er infrage, ob das im therapeutischen Alltag überhaupt möglich ist. 10.5 Fazit Die Kritik, welcher sich die vorliegende Studie ausgesetzt sieht, ist somit nicht als Schwäche zu deuten, sondern zeigt den Weg für zukünftige For- schung. Es ist nötig, nicht immer spezifischere Manuale und Konzepte zu erarbeiten und diese zu überprüfen, sondern die Potenziale der übrigen Wirkfaktoren genauer zu erforschen und damit in der Therapie konkreter nutzbar zu ma- chen. Die mangelnde Umsetzung der Vorsätze aus der Therapie zeigt die Notwen- digkeit einer besseren Erarbeitung konkreter Zielsetzungen und Struktur für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt. Durch die sechsmonatige Katamnese wird deutlich, dass an der Schnittstelle zwischen Klinkaufenthalt (t1) und Alltag (t2) ein großer praktischer Hand- lungsbedarf hinsichtlich der Nachsorge und spezieller Angebote für die am- bulante bewegungstherapeutische Versorgung Depressiver besteht. Das Fehlen von Studien, welche die Fragestellung konkret auf diese Zielset- zung im Zeitrahmen einer längeren Katamnese formulieren, sollte behoben werden. Ferner zeigt sich, dass trotz relativ kurzer Behandlungszeiträume (M = 34,5d) starke Effekte nachzuweisen sind. Darüber hinaus bleibt abschließend festzuhalten, dass die gezeigten Effekte so deutlich sind, dass bewegungstherapeutische Maßnahmen sowohl in der 10 Diskussion – 135 – stationären, aber auch in der ambulanten Therapie Depressiver als kosten- günstige sowie qualitativ hochwertige Alternative zu etablierten Verfahren verstärkt Beachtung finden müssen. 11 Literaturverzeichnis – 136 – 11 Literaturverzeichnis Abele, A., Brehm, W., Gall, T. (1994). Sportliche Aktivität und Wohlbefinden. Wohlbefinden. Theorie-Empirie-Diagnostik, 56, 279-296. Abramson, L. Y., Seligman, M. E., Teasdale, J. D. (1978). Learned helplessness in humans: critique and reformulation. J Abnorm Psychol, 87, 49-74. Adamu, B., Sani, M. U., Abdu, A. (2006). Physical Exercise and health: A review. Niger J Med, 15, 190-196. Alfermann, D., Stoll, O. (1996). Befindlichkeitsveränderungen nach sportli- cher Aktivität. Sportwissenschaft, 26, 406-422. Alfermann, D., Stoll, O. (1997). Sport in der Primärprävention: Langfristige Auswirkungen auf psychische Gesundheit. Zeitschrift für Gesundheitspsy- chologie, 5, 91-108. Amelang, M., Schmidt-Rathjens, C. (2000). Kohärenzsinn als Prädiktor und Suppressor bei der Unterscheidung von Gesundheit und Krankheit. Zeit- schrift für Gesundheitspsychologie, 8, 85-93. Anderssen-Reuster, U. (2007). Ich-Stärkung oder Selbst-Überwindung?. In: U. Anderssen-Reuster (Hrsg.): Achtsamkeit in Psychotherapie und Psycho- somatik. Haltung und Methode. Stuttgart: Schattauer, 53-64. Antonovsky, A. (1979). Health, stress, and coping. San Francisco: Jossey- Bass. Antonovsky, A. (1987). Unraveling the mystery of health: how people manage stress and stay well. San Francisco: Jossey-Bass Publ. Antonovsky, A., Franke, A. (1997). Salutogenese: zur Entmystifizierung der 11 Literaturverzeichnis – 137 – Gesundheit. Tübingen: Dgvt-Verl. Babyak, M., Blumenthal, J. A., Herman, S., Khatri, P., Doraiswamy, M., Moore, K., Craighead, W. E., Baldewicz, T. T., Krishnan, K. R. (2000). Exercise Treatment for Major Depression: Maintenance of Therapeutic Benefit at 10 Months. Psychosomatic Medicine, 62, 633-638. Baecke, B., Burema, J., Frijters, J. E. R. (1982). A short questionnaire for the measurement of habitual physical activity in epidemiological studies. American Journal of Clinical Nutrition, 36, 936-942. Baer, R. A. (2003). Mindfulness Training as a Clinical Intervention: A Conceptual and Empirical Review. Clinical Psychology Science and Practice, 10, 125-143. Bahrke, M. S., Morgan, W. P. (1978). Anxiety reduction following exercise and meditation. Cognitive Therapy and Research, 2, 323-333. Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action. Prentice-Hall New York: Prentice-Hall Englewood Cliffs. Barden, N., Harvey, M., Gagne, B., Shink, E., Tremblay, M., Raymond, C., Labbe, M., Villeneuve, A., Rochette, D., Bordeleau, L., et al. (2006). Analysis of single nucleotide polymorphisms in genes in the chromosome 12Q24. 31 region points to P2RX7 as a susceptibility gene to bipolar affective disorder. Am. J. Med. Genet. B Neuropsychiatr. Genet, 141, 374-382. Barth, S. (2004). Major-Depression, somatische Komorbidität und psychoso- ziales Wohlbefinden im mittleren und höheren Lebensalter: Ergebnisse der interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/5195. Aufgerufen am 15.09.2006 Bartlog, B. (1993). ''Jetzt hau ich aber drauf'' - Sandsackboxen als motothe- rapeutische Intervention in der Psychosmoatik. In: G. Hölter (Hrsg.): Motothe- 11 Literaturverzeichnis – 138 – rapie mit Erwachsenen. 185-194. Beck, A. T., Hautzinger, M. (1981). Kognitive Therapie der Depression. Ur- ban Schwarzenberg. Becker, P., Bös, K., Opper, E., Woll, A. (1996). Vergleich von Hochgesun- den, Normal- und Mindergesunden in gesundheitsrelevanten Variablen (GRV). Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 4, 55-76. Becker, P. (1994). Zwei theoretische Rahmenmodelle zur Erklärung der ak- tuellen und habituellen körperlichen Gesundheit. Darstellung und empirische Überprüfung. Trierer Psychologische Berichte. Bd. 23 . Becker, P. (1998). Modelle der Gesundheits-Ansätze der Gesundheitsförde- rung. In: J. Margraf, J. Siegrist, S. Neumer (Hrsg.): Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Saluto vs. pathogenetische Ansätze. Berlin: Springer, 13- 24. Bengel, J., Strittmatter, R., Willman, H. (1998). Was erhält den Menschen gesund. Köln: Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Bette, K. H. (1999). Systemtheorie und Sport. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bierhoff-Alfermann, D. (1986). Sportpsychologie. Berlin: Kohlhammer. Bijl, R. V., Ravelli, A., van Zessen, G. (1998). Prevalence of psychiatric disorder in the general population: results of the Netherlands Mental Health Survey and Incidence Study (NEMESIS). Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 587-595. Bishop, S. R. (2002). What Do We Really Know About Mindfulness-Based Stress Reduction?. Psychosomatic Medicine, 64, 71-83. 11 Literaturverzeichnis – 139 – Blankertz, H., Kell, A. (1971). Curriculumforschung: Strategien, Strukturie- rung, Konstruktion. Neue Deutsche Schule Verlagsgesellschaft. Blumenthal, J. A., Babyak, M. A., Moore, K. A., Craighead, W. E., Her- man, S., Khatri, P., Waugh, R., Napolitano, M. A., Forman, L. M., Appel- baum, M., et al. (1999). Effects of Exercise Training on Older Patients With Major Depression. Archives of Internal Medicine, 159, 2349-2356. Bortz, J., Lienert, G. A., Boehnke, K. (1990). Verteilungsfreie Methoden in der Biostatistik. Heidelberg: Springer. Bortz, J., Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin: Springer-Verlag. Bös, K., Wydra, G., Karisch, G. (1992). Gesundheitsförderung durch Bewe- gung, Spiel und Sport. Erlangen: perimed-Fachbuch-Verl. Ges. Bös, K., Woll, A. (1994). Das Salutogenesemodell. Theoretische Überle- gungen und erste empirische Ergebnisse. In: D. Alfermann (Hrsg.): Psycho- logische Aspekte von Sport und Bewegung in Prävention und Rehabilitation. Köln: bps, 29-38. Bremner, J. D., Narayan, M., Anderson, E. R., Staib, L. H., Miller, H. L., Charney, D. S., et al. (2000). Hippocampal volume reduction in major depression. Am J Psychiatry, 157, 115-8. Broderick, T. L., Poirier, P., Gillis, M. (2003). Exercise training restores abnormal myocardial glucose utilization a cardiac function in diabetes. Diabetes Metab Res Rev, 21, 44-50. Broman-Fulks, J. J., Berman, M. E., Rabian, B. A., Webster, M. J. (2004). Effects of aerobic exercise on anxiety sensitivity. Behaviour Research and Therapy, 42, 125-136. 11 Literaturverzeichnis – 140 – Broocks, A., Meyer, T., Gerorge, A., Perkun, G., Hillmer-Vogel, U., Hajak, G., Bandelow, B., Rüther, E. (1997). Zum Stellenwert von Sport in der Be- handlung psychischer Erkrankungen. PPmP Psychother. Psychosom. med. Psychol, 47, 379-393. Brown, G. W., Harris, T. (1978). Social origin of depression. A study of psychiatric disorders in women. London: Tavistock Publishers. Brown, G. W. (1989). Life events and measurement. New York: Guilford. Brown, K. W., Ryan, R. M. (2003). The Benefits of Beeing Present: Mindfulness and Its Role in Psychological Well-Being. Journal of Personality and Social Psycology, 84, 822-848. Calfas, K. J., Taylor, W. C. (1994). Effects of physical activity on psychological variables in adolescents. Pediatric Exercise Science, 6, 406- 423. Camacho, T. J., Roberts, R. E., Lazarus, N. B., Kaplan, G., Cohen, R. D. (1991). Physical activity and depression. American journal of epidemiology, 134, 220-231. Carlsson, J. (2006). Schwedisches Herzinfarktregister: Spiegel des ärztli- chen Handelns und Transparenz für die Patienten. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT-KÖLN, 103, 859. Carr, D. B. (1981). Endotoxin-stimulated opioid peptid secretion: Two secretory pools and feedback control in vivo. Science, 217, 845-848. Casacalenda, N., Perry, J. C., Looper, K. (2002). Remission in Major Depressive Disorder: A Comparison of Pharmacotherapy, Psychotherapy, and Control Conditions. American Journal of Psychiatry, 159, 1354-1360. 11 Literaturverzeichnis – 141 – Charney, D. S., Menkes, D. B., Heninger, G. R. (1981). Receptor sensitivity and the mechanism of action of antidepressant treatment. Implications for the etiology and therapy of depression. Archives of General Psychiatry, 38, 1160-1180. Cohen, J. (1998). Statistical power analysis for behavioral sciences. New York: Academic Press. Coyne, J. C. (1994). Self-reported distress: Analog or ersatz depression? Psycological Bulletin, 116, 29-45. Craft, L. L., Landers, D. M. (1998). The effect of exercise on clinical depression: a meta-analysis. Med Sci Sports Exerc, 30, S117. Craft, L. L., Perna, F. M. (2004). The benefits of exercise for the clinically depressed. Prim Care Companion J Clin Psychiatry, 6, 104-111. Csikszentmihalyi, M. (1975). Beyond boredom and anxiety. San Francisco: Jossey-Bass Publishers. Davidson, R. J. (1998). Affective Style and affective disorders: Perspectives from affective neuroscience. Cognition and Emotion, 84, 307-320. Davidson, R. J. (2000). Affective style, psychopathology, and resilience: brain mechanisms and plasticity. American Psychologist, 55, 1196-1214. Dayton, C. M. (1970). The design of educational experiments. New York: Mc Graw Hill. de Vliet, P., Knapen, J., Onghena, P., Fox, K. R., David, A., Morres, I., Van Coppenolle, H., Pieters, G. (2002). Relationships between self- perceptions and negative affect in adult Flemish psychiatric in-patients suffering from mood disorders. Psychology of Sport and Exercise, 3, 309- 322. 11 Literaturverzeichnis – 142 – de Vliet, P., Vanden Auweele, Y., Knapen, J., Rzewnicki, R., Onghena, P., Van Coppenolle, H. (2004). The effect of fitness training on clinically depressed patients: an intra-individual approach. Psychology of Sport and Exercise, 5, 153-167. De Jong-Meyer, R., Barnhofer, T. (2002). Unspezifität des autobiographi- schen Gedächtnisses bei Depressiven. Ein Phänomen, seine möglichen Ur- sachen und einige Konsequenzen. Psychologische Rundschau, 53, 23-33. De Vries, H. A., Wiswell, R. A., Bulbulian, R., Moritani, T. (1981). Tranquilizer effect of exercise. American Journal of Physical Medicine, 60, 57-66. Deimel, R. J. (1988). Therapie von Erwachsenen. eine empirische Untersu- chung zur Bewertung bewegungsbezogener Maßnahmen. In: G. Hölter (Hrsg.): Bewegung und Therapie – interdisziplinär betrachtet. Dortmund: Mo- dernes Lernen, 87-105. Deimel, H., Hölter, G. (2008). Klinische Bewegungstherapie in Psychiatrie, Psychosomatik und Suchtbehandlung – Ein Lehrbuch (im Druck befindlich). Deutscher Ärzteverlag. Delgado, P. (2000). Depression: the case for a monoamine deficiency. J. Clin. Psychiatry, 61, 7-11. Demark-Wahnfried, W., Pinto, B. M., Gritz, E. R. (2006). Promoting health and physical function among cancer survivors: potential for prevention and questions that remain. J Clin Oncol., 24, 5125-5131. Deshimaru-Roshi, T. (1978). Za-Zen. Paris: Sehgers. 11 Literaturverzeichnis – 143 – Dillman, S., Ebinghaus, N. (2004). Spielerische Weltsicht als eine mögliche Ressource von psychischer Gesundheit. Unveröffentlichte Diplomarbeit - Universität Dortmund Dimeo, F., Bauer, M., Varahram, I., Proest, G., Halter, U. (2001). Benefits from aerobic exercise in patients with major depression: a pilot study. BASM. Döbler, E., Döbler, H. (1998). Kleine Spiele. Berlin: Sportverlag. Doyne, E. J., Ossip-Klein, D. J., Bowman, E. D., Osborn, K. M., McDou- gall-Wilson, I. B., Neimeyer, R. A. (1987). Running versus weight lifting in the treatment of depression. J Consult Clin Psychol, 55, 748-54. Droste, S. K., Schweizer, M. C., Ulbricht, S., Reul, J. (2006). Long-Term Voluntary Exercise and the Mouse Hypothalamic-Pituitary-Adrenocortical Axis: Impact of Concurrent Treatment with the Antidepressant Drug Tianeptine. Journal of Neuroendocrinology, 18, 915-925. Dunn, A. L., Trivedi, M. H., Kampert, J. B., Clark, C. G., Chambliss, H. O. (2005). Exercise treatment for depression Efficacy and dose response. American Journal of Preventive Medicine, 28, 1-8. Elkin, I. (1994). The NIMH Treatment of Depression Collaborative Research Program: Where we began and where we are. Handbook of psychotherapy and behavior change, 4, 114-42. Erikson, E. H. (1959). Childhood and society. In: Anon. Children of the Caribbean-their mental health needs: proceedings of the Second Caribbean Conference for Mental Health. San Juan, Puerto Rico. Department of Health, 1961, 18-29. Erkelens, M., Golz, N. (1998). Effekte des Sporttreibens. Das Berliner Sportprogramm zur Behandlung depressiver Störungen. Berlin: Dr. Köster. 11 Literaturverzeichnis – 144 – Everson, S. A., Roberts, R. E., Goldberg, D. E., Kaplan, G. A. (1998). Depressive symptoms and increased risk of stroke mortality over a 29-year period. Archives of Internal Medicine, 158, 1133-1138. Farmer, M., Locke, B. Z., Moscicki, K. E., Dannenberg, A. L., Larson, B. D., Radloff, L. S. (1988). Physical activity and depressive symptoms. American journal of epidemiology, 128, 1340-1351. Fava, G. A., Ruini, C., Rafanelli, C., Finos, L., Conti, S., Grandi, S. (2004). Six-Year Outcome of Cognitive Behavior Therapy for Prevention of Recurrent Depression. American Journal of Psychiatry, 161, 1872-1876. Feldenkrais, M. (1991). Das starke Selbst. Anleitung zur Spontaneität. Frankfurt am Main: Insel. Fischer, T., Ziegenspeck, J. (2000). Handbuch Erlebnispädagogik: Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart. München: Klinkhardt. Fosshage, J. L. (2002). Berührung in der Psychoanalyse – Zeit für eine Neueinschätzung. In: S. Trautmann-Voigt, B. Voigt (Hrsg.): Verspieltheit als Entwicklungschance. Gießen: edition psychosozial, 67-90. Franke, A. (1990). Gesundheit – ein Begriff im Spektrum der Wertesysteme. Praxis der klinischen Verhaltensmedizin, 12, 313-320. Franke, A., Antonovsky, A. (1997). Vorwort zu deutschen Ausgabe. In: A. Franke (Hrsg.): Salutogenese – Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tü- bingen: DGVT-Verlag, 11-13. Franke, A. (2006). Modelle von Gesundheit und Krankheit. Bern: Hogrefe. Fritze, J., Aldenhoff, J. B., Bergmann, F., Maier, W., Möller, H. J. (2005). Antidepressiva: Lebensgefährliche Plazebos? – Arznei-Telegramm: fahrläs- siges Journal Antidepressants: Life threatening Placebos? psychoneuro, 31, 480-484. 11 Literaturverzeichnis – 145 – Fuchs, R. (1997). Psychologie und körperliche Bewegung. Göttingen: Hogre- fe Verlag. Gaul-Alacova, P., Boucek, J., Stejskal, P., Kryl, M., Pastucha, P., Pavlik, F. (2005). Assesment of the influence of exercise on heart rate variability in anxiety patients. Neuro Endocrinol Lett, 26, 713-718. Gavard, J. A., Lustman, P. J., Clouse, R. E. (1993). Prevalence of depression in adults with diabetes. An epidemiological evaluation. Diabetes Care, 16, 1167-1178. Geddes, J. R., Freemantle, N., Mason, J., Eccles, M. P., Boynton, J. (2001). Selective serotonin reuptake inhibitors (SSRIs) for depression. The Cochrane Library, 123-158. Geuter, U. (1996). Koerperbilder und Koerpertechniken in der Psychothera- pie. Psychotherapeut, 41, 99-106. Geuter, W. (2006). Körperpsychotherapie – Der körperbezogene Ansatz im neueren wissenschaftlichen Diskurs der Psychotherapie. Psychotherapeutenjournal, 3, 258-264. Gienger, Z. (2005). Meditation. München: hugendubel. Gjerris A. (1990). Studies on cerebrospinal fluid in affective disorders. Pharmacol. Toxicol, 66, 133-138. Goldstein, R. H., Racy, J., Dressler, D. M., Ciottone, R. A., Willis, J. R. (1972). What benefits Patients? Psychiat. Quart., 46, 49-81. Goldstein, A. (1976). Opiod peptides (Endorphins) in pituitary and brain. Science 193, 1081-1086. 11 Literaturverzeichnis – 146 – Grace, S. L., Barry-Bianchi, S., Stewart, D. E., Rukholm, E., Nolan, R. P. (2007). Physical Activity Behavior, Motivational Readiness and Self-Efficacy among Ontarians with Cardiovascular Disease and Diabetes. Journal of Behavioral Medicine, 30, 21-29. Grady, T. A., Sederer, L. I., Rothschild, A. J. (1997). Depression. In: T. A. Grady, L. I. Sederer, A. J. Rothschild (Hrsg.): Acute Care Psychiatry: Diagnosis and Treatment. Baltimore: Williams & Wilkins, 83-121. Gräff, C. (2000). Konzentrative Bewegungstherapie in der Praxis. Stuttgart: Hippokrates Verlag. Grawe, K. (1999). Wie kann Psychotherapie noch wirksamer werden. Ver- haltenstherapie Psychosoziale Praxis, 31, 185-199. Greenwood, B., Fley, T., Day, H. E. W., Fleshner, M. (2005). Wheel running alters serotonin (5-HT) transporter, 5-HT[1A], 5-HT[1B], and alpha [1b]-adrenergis receptor mRNA in the rat raphe nuclei. Biol. psychiatry, 57, 559-568. Greist, J. H., Klein, M. H., Eischens, R. R., Faris, J., Gurman, A. S., Mor- gan, W. P. (1979). Running as treatment for depression. Compr Psychiatry, 20, 41-54. Grossman, P., Niemann, L., Schmidt, S., Walach, H. (2004). Mindfulness- based stress reduction and health benefits. A meta-analysis. Journal of Psy- chosomatic Research, 57, 35-43. Grupe, O. (1982). Bewegung, Spiel und Leistung im Sport. Schorndorf: Hof- mann. Haas, R. (1999). Entwicklung und Bewegung. Der Entwurf einer angewand- ten Motologie des Erwachsenenalters. Hofmann-Verlag: Schorndorf. 11 Literaturverzeichnis – 147 – Haas, R. (2001). Hilflos, hoffnungslos, ausgeliefert, oder nicht?!. praxis ergo- therapie, 14, 377-385. Hamsen, R. (2003). Bewegungsorientierte Förderung von Kindern mit Auf- merksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen – Eine Evaluationsstudie zum Heilpädagogischen Voltigieren. Dortmund: Dissertation. Hannaford, C., Harrell, E., Cox, K. (1988). Psychophysiological effects of a running program on depression and anxiety in a psychiatric population. The Psychological record, 38, 37-48. Hannöver, W., Michael, A., Meyer, C., Rumpf, H. J., Hapke, U., John, U. (2004). Die Sense of Coherence Scale von Antonovsky und das Vorliegen einer psychiatrischen Diagnose. Psychotherapie, Psychosomatik und Medi- zinische Psychologie, 54, 179-186. Hannaford C. P.; Harrell, Harrell, E., Cox, K. (1988). Psychophysiological effects of a running program on depression and anxiety in a psychiatric population. The Psychological record, 38, 37-48. Harte, J., Eifer, G., Smith, R. (1995). The effects of running and meditation on beta-endorphin, coricotropin-realising hormone and cortisol in plasma, and on mood. Biol. Psychol, 40, 251-265. Hautzinger, M. (1983). Kognitive Veränderungen als Folge, nicht als Ursa- che von Depressionen. Zeitschrift für Personenzentrierte Psychologie und Psychotherapie, 2, 377-388. Hautzinger, M., Heckel-Guhrenz, S. (1991). Reaktionen auf depressive und nicht depressive Selbstdarstellung depressiver und nicht-depressiver Patien- tinnen. Verhaltenstherapie, 2, 207-211. Hautzinger, M. (1997). Affektive Störungen. In: K. Hahlweg, A. Ehler (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie. Bd. 2. Göttingen: 155-235. 11 Literaturverzeichnis – 148 – Hautzinger, M. (1998). Depression. Göttingen, Bern, Toronto: Hogrefe. Hautzinger, M. (2006). Remission bei Depressionen unter Kognitiver Verhal- tenstherapie Remission of Depression through the Use of Cognitive Behavi- oural Therapy. psychoneuro, 32, 72-74. Hays, K. F. (1999). Working it out: using exercise in psychotherapy. Ameri- can Psychological Association. Heidenreich, T., Michalak, J. (2003). Achtsamkeit (Mindfulness) als Thera- pieprinzip in Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin. Verhaltenstherapie, 13, 264-274. Heidenreich, T., Michalak, J. A. (2004). Akzeptanz in der Psychotherapie- ein Handbuch. Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie. Heidenreich, T., Junghanns-Royack, K., Michalak, J. (2007). Achtsam- keitsbasierte Therapieansätze: Stand der empirischen Forschung. In: U. An- derssen-Reuter (Hrsg.): Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. Haltung und Methode. 202-218. Heim, C. J., Newport, D. J., Heit, S., Graham, Y. P., Wicox, R., Bonsall, R., Miller, A. H., Nemeroff, C. B. (2000). Pituitary-Adrenal and Autonomic Responses to Stress in Women after Sexual and Physical Abuse in Childhood. JAMA, 284, 592-597. Heimbeck, A., Süttinger, B. (2007). Bewegungstherapie bei depressiven Patienten – Ein Interventionsvergleich. Physical activity therapy in depressive patients: A comparison of intervention measures. B G, 23, 52-57. Hill, A. B. (1965). The environment and disease: association or causation. Proc R Soc Med, 58, 295-300. 11 Literaturverzeichnis – 149 – Hiller, W., Dichtls, G., Hecht, H., Hundt, W., von Zerssen, D. (1993). An empirical comparison of diagnoses and reliabilities in ICD-10 and DSM-III-R. European Archives of Psychiatry and Clinical Neurosciences, 242, 209-217. Höfer R. (2000). Kohärenzgefühl und Identitätsentwicklung. In: H. Wydler, P. Kolip, T. Abel (Hrsg.): Salutogenese und Kohärenzgefühl. Weinheim: Juventa Verlag, 57-70. Höffler, D. (2006). Depression. Arzneiverordnung in der Praxis, 33, 11-27. Höhman-Kost, A. (2002). Bewegung ist Leben. Integrative Leib und Bewe- gungstherapie – Eine Einführung. Bern: Huber. Hollmann, W., De Meirleir, K. (1989). Gehirn und Sport – Hämodynamische und biochemische Aspekte. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 39, 56-64. Holmes, T. H., Rahe, R. H. (1967). The social readjustment scal. Journal of psycosomatic Research, 11, 213-218. Hölter, G. (1993). Mototherapie mit Erwachsenen. Schorndorf: Hofmann. Hölter, G. (1993). Selbstverständnis, Ziele und Inhalte der Mototherapie. In: G. Hölter (Hrsg.): Mototherapie mit Erwachsenen. Schorndorf: Hofmann, 12- 34. Hölter, G. (2001). Rastlosigkeit bei Kindern. Phänomen und Intervention aus pädagogisch-psychologischer Sicht. Praxis der Psychomotorik, 26, 84-93. Hölter, G., Beudels, W., Brand, M. (2002). Körperkonzept und Bewegungs- therapie in der Psychosomatik. Sportwissenschaft, 32, 363-380. Holtmann, M., Schmidt, M. H. (2004). Resilienz im Kindes- und Jugendalter. Kindheit und Entwicklung, 13, 195-200. 11 Literaturverzeichnis – 150 – Horn, A. B., Hautzinger, M. (2003). Emotionsregulation und Gedankenun- terdrückung: Aspekte der Entwicklung von Depression und deren Implikation. Kindheit und Entwicklung, 12, 133-144. Howley, E., Skinner, J., Mendez, J., Buskirk, E. (1970). Effect of different intensities of exercise on catecholamine excretion. ARTICLE. Medicine Science in Sports Exercise, 2, 193-196. Huber, G. (1996). Bewegung, Sport und Gesundheit – mögliche Zusammen- hänge; Sport mit Sondergruppen. 91-111. Huber, G., Schüle, K. (2000). Einleitung. In: G. Huber, K. Schüle (Hrsg.): Grundlagen der Sporttherapie. München/Jena: Urban & Fischer, 3. Kammer, D., Hautzinger, M. (1988). Depressive Kognitionsforschung. Bern: Hans Huber. Keller, M. B., Lavori, P. W., Mueller, T. I., Endicott, J., Coryell, W., Hirschfeld, R. M., Shea, T. (1992). Time to recovery, chronicity, and levels of psychopathology in major depression. A 5-year prospective follow-up of 431 subjects. Arch Gen Psychiatry, 49, 809-816. Kendler, K., Gardner, C., Prescott, C. (2002). Toward a comprehensive developmental model for major depression in women. American Journal of Psychiatry, 169, 1133-1145. Kennedy, N., Abbot, R., Paykel, E. S. (2004). Longitudinal syndromal and sub-syndromal symptoms after severe depression: 10-year follow-up study. Br J Psychiatry, 184, 330-336. Kessler, R. C., McGonagle, K. A., Zhao, S., Nelson, C. B., Hughes, M., Eshleman, S., Wittchen, H. U., Kendler, K. S. (1994). Lifetime and 12- month prevalence of DSMIII-R psychiatric disorders in the United States. Archives of General Psychiatry, 51, 8-19. 11 Literaturverzeichnis – 151 – Kessler, R. C., Zhao, S., Blazer, D. G., Swartz, M. (1997). Prevalence, correlates, and course of minor depression and major depression in the National Comorbidity Survey. J Affect Disord, 45, 19-30. Kessler, R. C., Berglund, P., Demler, O., Jin, R., Koretz, D., Merikangas, K. R., Rush, A. J., Walters, E. E., Wang, P. S. (2003). The epidemiology of major depressive disorders: results from the National Comorbidity Survey Replication (NCS-R). JAMA, 289, 3095-3105. Ketterer, M. W., Fitzgerald, F. T. B. (2000). Psychosocial and traditional risk factors in early ischemic heart disease: cross-sectional correlates. J. Cardiovask Risk, 7, 409-413. Ketterer, M. W., Wulsin, L., Cao, J. J., Schairer, J., Hakim, A., Hudson, M., Keteyan S. J.; Khanai, Khanai, S., Clark, V., Weaver, D. W. (2006). “Major” Depressive Disorder, Coronary Heart Disease and the DSM-IV Threshold Problem. Psychosomatics, 47, 50-55. Keupp, H., Höfer, R. (1997). Identitätsarbeit heute: Klassische und aktuelle Perspektiven der Identitätsforschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Kirsch, I., Sapirstein, G. (1998). Listening to Prozac but hearing placebo: A meta-analysis of antidepressant medication. Prevention Treatment, 1, 22-24. Klinkenberg, N. (2005). Feldenkraispädagogik und Körperverhaltensthera- pie. Karlsruhe: von Loeper Literaturverlag. Knapen, J., de, V., Vliet, P., Van Coppenolle, H., David, A., Peuskens, J., Knapen, K., Pieters, G. (2003). The effectiveness of two psychomotor therapy programmes on physical fitness and physical self-concept in nonpsychotic psychiatric patients: a randomized controlled trial. Clinical Re- habilitation, 17, 637. 11 Literaturverzeichnis – 152 – Knoll, M. (1997). Sporttreiben und Gesundheit. Hofmann. Knubben, K., Reischies, F., Adli, M., Bauer, M., Schlattmann, P., Dimeo, F. C. (2006). A randomized, controlled study on the effects of a short-term endurance training programme in patients with major depression. British Journal of Sports Medicine, 41, 29-33. Koemeda-Lutz, M., Kaschke, M., Revenstorf, D., Scherrmann, T., Weiss, H., Soeder, U. (2006). Evaluation der Wirksamkeit von ambulanten Körper- psychotherapien-EWAK. Psychother Psych Med, 56, 480-487. Korszun, A. (2002). Fascial pain, depression and stress-connections and directions. J. Oral. Pathol. Med., 31, 615-619. Kostrubala, T. L. (1986). Running and Therapy. In: M. H. Sacks, M. L. Sachs (Hrsg.): Psychology of running. Champaign, IL: Human Kinetics Publishers, 101-130. Krupnick, J. L., Sotsky, S. M., Elkin, I., Simmens, S., Moyer, J., Watkins, J., Pilkonis, P. A. (2006). The Role of the Therapeutic Alliance in Psychotherapy and Pharmacotherapy Outcome: Findings in the National Institute of Mental Health Treatment of Depression Collaborative Research Program. Am. Psychiatric Assoc., 4, 269-277. Kung, H., Pan, S., Kung, M., Billings, J., Kasliwal, R., Reilley, J., Alavi, A. (1989). In vitro and in vivo evaluation of [123I]IBZM: a potential CNS D-2 dopamine receptor imaging agent. J. Nucl. Med., 30, 88-92. Lambert, M., Bergin, A. E. (2004). The effectivness of psychotherapy. In: A. E. Bergin, S. L. Garfiled (Hrsg.): Handbook of psychotherapy and behaviour change. New York: Wiley, 118-142. 11 Literaturverzeichnis – 153 – Lambert, M. J., Ogles, B. M. (2004). The efficacy and effectiveness of psychotherapy. Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change, 5, 139-193. Larisch, R. (2001). Untersuchungen des serotonergen Systems und der Se- rotonin 5HT2A-Rezeptoren mit [18F]Altanserin und PET: Ein Beitrag zur Neurobiologie der Depression. http://www.deposit.ddb.de/cgi- bin/dokserv?idn=968681360&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=96868136 0.pdf. Aufgerufen am 10.07.2007 Larun, L., Nordheim, L. V., Ekeland, E., Hagen; K. B.; Heian, K. B.; Hei- an, Heian, F. (2006). Exercise in prevention and treatment of anxiety and among children and young people (Review). The Cochrane Library, 3, 1-14. Laucht, M., Esser, G., Schmidt, M. H. (1997). Wovor schützen Schutzfakto- ren? Anmerkungen zu einem populären Konzept der modernen Gesundheits- forschung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psy- chologie, 29, 260-270. Lawlor, D. A., Hopker, S. W. (2001). The effectiveness of exercise as an intervention in the management of depression: systematic review and meta- regression analysis of randomised controlled trials. BMJ, 322, 763-767. Lawrence, K., Falkowski, J., Jacobson, R., Horton, R. (1993). Platelet 5- HT uptake sites in depression: three concurrent measures using [3H]imipramine and [3H]paroxetine. Psychopharmacology (Berl.), 110, 235- 239. Leist, K. H. (1993). Lernfeld Sport. Hamburg: Rowohlt. Lewinsohn, P. M. (1974). A behavioral approach to depression. In: M. M. Katz (Hrsg.): Friedmann. New York: Wiley, 157-186. Loganathan, R., Bilgen, M., Al-Hafez, B., Smirnova, I. V. (2006). Characterization of Alterations in Diabetic Myocardial Tissue Using High 11 Literaturverzeichnis – 154 – Resolution MRI. The International Journal of Cardiovascular Imaging (formerly Cardiac Imaging), 22, 81-90. Lohaus, A. S. M. (1989). Fragebogen zur Erhebung von Kontrollüberzeu- gungen zu Krankheit und Gesundheit (KKG) – Handanweisung. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe. Luckner, J. L., Nadler, R. S. (1997). Processing the Experience: Strategies To Enhance and Generalize Learning. Lutz, R., Herbst, M., Iffland, P., Schneider, J. (1998). Möglichkeiten der Operationalisierung des Kohärenzgefühls von Antonovsky und deren theore- tischen Implikationen. In: J. Margraf; J. Siegrist; S. Neumer (Hrsg.): Saluto- versus pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen Gesundheits- oder Krankheitstheorie?, 171-185. Lutz, R. (2002). Kleine Schule des Genießens. PiD – Psychotherapie im Dia- log, 3, 179-183. Maczkowiak, S., Hölter, G., Otten, H. (2007). WATSU – Zur Wirksamkeit unterschiedlich akzentuierter bewegungstherapeutischer Interventionen bei klinisch depressiven Patienten WATSU – The effect of differently accentua- ted movement therapy interventions on clinically depressive patients. B G, 23, 58-64. Maes, M., Meltzer, H. Y. (1995). The serotonin hypothesis of major depression. Raven Press. Maier-Riehle, B., Zwingmann, C. (2000). Effektstärkenvarianten beim Ein- gruppen-Prä-Post-Design: Eine kritische Betrachtung. Die Rehabilitation, 39, 189-199. Mann, J., Stanley, M., McBride, A., McEwen, B. (1986). Increased serotonin2 and beta-adrenergic receptor binding in the frontal cortices of suicide victims. Arch. Gen. Psychiatry, 43, 954-959. 11 Literaturverzeichnis – 155 – Marlock, G. (2006). Handbuch der Körperpsychotherapie. Stuttgart: Schat- tauer. Martinsen, E. W., Medhus, A., Sandvik, L. (1985). Effects of aerobic exercise on depression: a controlled study. Br Med J (Clin Res Ed), 291, 109. Martinsen, E. W., Hoffart, A., Solberg, O. (1989). Comparing aerobic with nonaerobic forms of exercise in the treatment of clinical depression: a randomized trial. Compr Psychiatry, 30, 324-31. Martinsen, E. W. (2005). Exercise and depression. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 3, 469-483. Maser, J. D., Cloninger, C. R. E. (1990). Comorbidity of mood and anxiety disorder. Washington DC: American Psychiatric Press. Mayer, K. (2005). Die klassische Psychoanalyse. Kohlhammer. Mc Donald, D. G., Hodgdon, J. A. (1991). The effect of exercise on depressive symptoms in moderatly depressed elderly. Psychology and Aging, 6, 487-488. McCauley, J., Kern, D., Koloder, K. (1997). Clinical characteristics of women with a history of childhood abuse. JAMA, 277, 1363-1368. Meeusen, R. (2005). And the brain: insight in new therapeutic modalities. Ann Transplant, 10, 49-51. Michalak, J., Meibert, P., Heidenreich, T. (2007). Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie – Ein neuer Ansatz zur Rückfallprophylaxe bei Depressi- on. In: U. Anderssen-Reuster (Hrsg.): Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. Haltung und Methode. Stuttgart: Schattauer, 172-183. 11 Literaturverzeichnis – 156 – Middendorf, I. (1995). Der Erfahrbare Atem, eine Atemlehre mit Übungskas- sette. Paderborn: Junfermann. Miller, S., Hubble, B. D. (2004). Beyond Integration: the Triumph of Outcome Over Process in Clinical Practice. PSYCHOTHERAPY, 10, 2. Moncrieff, J., Kirsch, I. (2005). Efficacy of antidepressants in adults. British Medical Journal, 331, 155-157. Mühlig, R. (2007). Wirksamkeit von Antidepressiva – Psychotherapie – Be- wegungstherapie. Prien. Müller, L., Petzold, H. G. (2004). Resilienz und protektive Faktoren im Alter und ihre Bedeutung für den Social Support und die Psychotherapie bei älte- ren Menschen. Bei www. FPI-Publikationen. de/materialien. htm. POLYLO- GE: Materialien aus der Europäischen Akademiefür psvchosoziale Gesund- heit-08/2003 und Integrative therapie, 1, 2004. Murphy, E., Smith, R., Lindesay, J., Slattery, J. (1988). Increased mortality rates in late-life depression. British Journal of Psychiatry, 152, 347-353. Musselman, D. L., Evans, D. L., Nemeroff, C. B. (1998). The relationship of depression to cardiovascular disease: epidemiology, biology, and treatment. Archives of General Psychiatry, 55, 580-592. Mutrie, N. (2000). Relationship between physical activity and clinically defined depression. In: J. H. Stuart, R. Kenneth, S. Fox, H. Boutcher (Hrsg.): Physical Activity and Psychological Well-Beeing. London/New York: Routledge, 46-62. Nadler, R. S., Luckner, J. L. (1992). Processing the Adventure Experience. Iowa: Kendall/Hunt. 11 Literaturverzeichnis – 157 – Neumeister, A., Wood, S., Bonne, O., Nugent, A. C., Luckenbaugh, D. A., Young, T., Bain, E. E., Chrney, D. D., Drevets, W. C. (2005). Reduced hippocampal volume in unmedicated, remitted patients with major depression versus control subjekts. Biol. psychiatry, 57, 935-937. NIMH Consensus Cevelopment Conference Statement. (1985). Mood disorders: pharmacologic prevention of recurrences. American Journal of Psychiatry, 142, 469-476. North, T. C., McCullagh, P., Tran, Z. V. (1990). The effect of exercise on depression. Exercise and Sport Sciences Reviews, 18, 379-415. Nuber, U. (1999). Das Konzept der ''Resilienz'': So meistern sie jede Krise. Psychologie Heute, 5, 20-27. Olson, S. (2005). Das Qi pflegen. Bielefeld: Aurum. Paffenbarger, R. S. J., Lee, I. M., Leung, R. (1994). Physical activity and personal characteristics associated with depression and suicide in American college men. Acta Psychiatr Scand Suppl, 377, 16-22. Penedo, F. J., Dahn, J. R. (2005). Exercise and well-being: a review of mental and physical health benefits associated with physical activity. Curr Opin Psychiatry, 18, 189-193. Penninx, B. W. J. H., Rejeski, W. J., Pandya, J., Miller, M. E., Di Bari, M., Applegate, W. B., Pahor, M. (2002). Exercise and Depressive Symptoms A Comparison of Aerobic and Resistance Exercise Effects on Emotional and Physical Function in Older Persons With High and Low Depressive Symptomatology. Journals of Gerontology Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, 57, 124-132. 11 Literaturverzeichnis – 158 – Petzold, H. (1985). Die modernen Verfahren der Bewegungs- und Leibthe- rapie und die Integrative Bewegungstherapie. In: H. Petzold (Hrsg.): Integra- tive Therapie. 104-140. Petzold, H. (1988). Integrative Bewegungs- und Leibtherapie. Jungfermann. Petzold, H., Osten, P. (1997/98). Diagnostik in der Integrativen Therapie – mehrperspektivistische Betrachtung und dynamische Prozessanalyse. Gestalt und Integration, 1, 118-141. Picinelli, M., Wilkinson, G. (1994). Outcome of depression in psychiatric settings. Br. J. Psychiatry, 164, 297-304. Poser, W. (2001). Interaktionen zwischen Pharmakotherapien und Psycho- therapien bei Depressionen. PiD – Psychotherapie im Dialog, 2, 470-475. Priest, S., Gass, M. (1997). Frontloading with paradox and double binds in adventure education facilitation. The Journal of Adventure Education and Outdoor Leadership, 11, 8-10. Quitkin, F. M. (1996). Depression und andere affektive Störungen. In: F. Kass (Hrsg.): Das große Handbuch der seelischen Gesundheit. Wein- heim/Berlin: Quadriga, 118-141. Regier, D. A., Rae, D. S., Narrow, W., Kaleber, C., Schatzberg, A. F. (1998). Prevalence of anxiety disorders and their comorbidity with mood and addictive disorders. British Journal of Psychiatry Supplement, 34, 24-28. Reinecker, H. (2000). Verhaltenstherapie. In: W. Senf, M. Broda (Hrsg.): Praxis der Psychotherapie. Stuttgart, New York: Thieme, 225-280. Reinhardt, C., Lau, A., Hottenrott, K., Stoll, O. (2006). Flow-Erleben unter kontrollierter Beanspruchungssteuerung Ergebnisse einer Laufbandstudie. Zeitschrift für Sportpsychologie, 13, 140-146. 11 Literaturverzeichnis – 159 – Rifkin A. (2003). Comparing Depression Treatments. American Journal of Psychiatry, 160, 1186-1187. Robert, R. E., Lewinsohn, P. M., Seeley, J. R. (1990). Screening for adolescent depression: A comparison of depression scales. Journal of the American Academy of Children an Adolescent Psyciatry, 30, 58-66. Robinson, R. G., Starkstein, S. E. (1990). Current research in affective disorders following stroke. Journal of Neuropsychiatriy and Clinical Neuroscience, 2, 1-14. Rogers, C. R., Nosbüsch, E. (1999). Die nicht-direktive Beratung. Fischer Taschenbuch Verlag. Rost, R. (1997). Ernährung, Fitness und Sport. Berlin: Ullstein Mosby Verlag. Rotter, J. B., Chance, J. E., Phares, E. J. (1972). Applications of a social learning theory of personality. New York: Holt, Rinehart & Winston. Sack, M., Künsebeck, H. W., Lamprecht, F. (1997). Kohärenzgefühl und psychosomatischer Behandlungserfolg. Eine empirische Untersuchung zur Salutogenese.[Sense of coherence and psychosomatic treatment success. An empirical study on salutogenesis]. Psychother Psychosom Med Psychol, 47, 149-155. Sack, M., Lamprecht, F. (1998). Forschungsaspekte zum „Sense of Cohe- rence “. Handbuch der Salutogenese: Konzept und Praxis, 325-336. Sackett, D. L., Rosenberg, W. M. C., Gray, J. A. M., Haynes, R. B., Ri- chardson, W. S. (1996). Evidence based medicine: what it is and what it isn't. BMJ, 312, 71-72. 11 Literaturverzeichnis – 160 – Scheuerl, H. (1990). Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und Grenzen. Weinheim; Basel: Beltz. Schlicht, W. (1994). Sport und Primärprävention. Göttingen: Hogrefe. Schmidt-Rathjens, C., Benz, D., Van Damme, D., Feldt, K., Amelang, M. (1997). Über zwiespältige Erfahrungen mit Fragebögen zum Kohärenzsinn sensu Antonovsky. Diagnostica, 43, 327-346. Schmith, G. I. S. (1983). Herzschlagfrequenz beim Gesundheitsstabilisie- renden Ausdauertraining: 170-1/2 Lebensalter (Jahre (+-10/min). Medizin und Sport, 5, 158-161. Schumacher, J., Gunzelmann, T., Brähler, E. (2000). Deutsche Normie- rung der Sense of Coherence Scale von Antonovsky. Diagnostica, 46, 208- 213. Schwenkmezger, P. (1985). Welche Bedeutung kommt dem Ausdauertrai- ning in der Depressionstherapie zu. Sportwissenschaft, 15, 117-135. Schwenkmezger, P., Schlicht, W. (1994). Sport in der Primärprävention: Plädoyer für eine differenzierte Betrachtungsweise. Sportwissenschaft, 24, 215-232. Seligmann, M. (1975). Erlernte Hilflosigkeit (Deutsche Übersetzung 1999). Weinheim und Basel: Beltz Verlag . Sexton, H., Maere, A., Dahl, N. H. (1989). Exercise intensity and reduction in neurotic symptoms. A controlled follow-up study. Acta Psychiatr Scand, 80, 231-235. Singh, N. A., Clements, K. M., Fiatarone, M. A. (1997). A randomized controlled trial of progressive resistance training in depressed elders. 11 Literaturverzeichnis – 161 – Journals of Gerontology Series A: Biological and Medical Sciences, 52, 27- 35. Smits, J. A., Zvolensky, M. J. (2006). Emotional vulnerability as a function of physical activity among individuals with panic disorder. Depress Anxiety, 23, 102-106. Stathopoulou, G., Powers, M. B., Berry, A. C., Smits, A. J., Otto, M. W. (2006). Exercise interventions for mental health: A quantitative and qualitative review. Clinical Psychology: Science and Practice, 13, 179-193. Stoll, O., Wagner, P. (1994). Beta-Endorphin immunradioaktives Material im Blutplasma und Befindlichkeitsveränderungen im Langstreckenlauf. In: J. R. Nitsch (Hrsg.): Motivation, Emotion, Stress. Bewegung und Sport- Psychologische Grundlagen und Wirkungen. Sankt Augustin: Academia, 169-173. Stoll, O. (1997). Endorphine, Laufsucht und Runner’s High. Aufstieg und Niedergang eines Mythos. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge, 38, 102-121. Sutton-Smith, B. (1978). Die Dialektik des Spiels. Eine Theorie des Spie- lens, der Spiele und des Sports. Schorndorf: Hofmann. Titlebaum, H. (1988). Relaxation. In: R. P. Zahourek (Hrsg.): Entspannungs- techniken. Philadelphia: Saunders. Tkachuk, G. A., Martin, G. L. (1999). Exercise therapy for patients with psychiatric disorders: research and clinical implications. Professional Psycho- logy: Research and Practice, 30, 275-282. Uexküll, T., Wesiack, W. (1996). Wissenschaftstheorie: ein bio-psycho- soziales Modell. In: R. H. Adler, J. M. Hermann, K. Köhle, O. W. Schonecke, 11 Literaturverzeichnis – 162 – T. Uexküll, W. Wesiack (Hrsg.): Psychosomatische Medizin. München: Ur- ban&Schwarzenberg, 13-52. van Praag, H., Korf, J., Puite, J. (1970). 5-hydroxyindoleacetic acid levels in the cerebrospinal fluid of depressiva patients treated with probenecid. Na- ture, 225, 1259-1260. Viehhauser, R. (2000). Förderung salutogener Ressourcen: Entwicklung und Evaluation eines gesundheitspsychologischen Trainingsprogramms. Re- gensburg: Roderer. Wagner, P., Singer, R. (2003). Ein Fragebogen zur Erfassung der habituel- len körperlichen Aktivität verschiedenerer Bevölkerungsgruppen. Sportwissenschaften, 33, 383-395. Wallston, K. A., Wallston, S. (1978). Development of the Multidimensional Health Locus of Control (MHLC) Scales. Health Education Behavior, 6, 160. Wallston, K. A. (1994). Theoretically based strategies for health behavior change. In: M. P. O´Donnell & J. S. Harris (Hrsg.): Health promotion in the workplace. Albany, NY: Delmar, 185-203. Wampold, B. E. (2001). The great psychotherapy debate: models, methods, and findings. New York: L. Erlbaum. Weissman, M., Wickramaratne, P., Nomura, Y., Warner, V., Verdeli, H., Pilowsxy, D., Grillon, C., Bruder, G. (2005). Families at High and Low Risk for Depression: A 3-Generation Study. Arch Gen Psychiatry, 62, 29-36. Weissmann, M. M., Bruce, M. L., Leaf, P. J., Florio, L., Holzer, C. (1990). Affecticve disorders. In: L. Robins & D. Regier (Hrsg.): Affective dissorders. New York: Free Press, 96-115. 11 Literaturverzeichnis – 163 – Wells, K. B., Golding, J. M., Burnham, M. A. (1988). Psychiatric disorder in a sample of the general population with and without medical disorder. American Journal of Psychiatry, 145, 976-981. Wells, K. B., Golding, J. M., Burnham, M. A. (1989). Chronic medical conditions in a sample of the general population with anxiety, affective, and substance use disorders. American Journal of Psychiatry, 146, 1440-1446. Weltgesundheitsbericht. (2001). Psychische Gesundheit: neues Verständ- nis – neue Hoffnung. http://www.dgvt.de/index.html?politik/vereine/weltgesundheitbericht200. Auf- gerufen am 06.05.2007 Weyer-Menkhoff. C. (2005). Lässt sich der Kohärenzsinn fördern? Integrati- ve ressourcenorientierte Arbeit am kreativen Ausdrucksvermögen. http://www.fpi-publikationen.de/polyloge. Aufgerufen am 22.10.2007 Weyerer, S. (1992). Physical inactivity and depression in the community. Evidence from the Upper Bavarian Field Study. Int. J. of Sports Medicine, 13, 492-496. Wheeler, R. E., Davidson, R. J., Tormarken, A. J. (1993). Frontal brain asymmetry and emotional reactivity: A biological substrate of affective style. Psychophysiology, 30, 82-89. Whyte, E., Mulsant, B. (2002). Post-stroke depression. Epidemiology, pathophysiology and biological treatment. Biological Psychiatry, 52, 253-264. Will, H. (2001). Ambulante psychoanalytische Behandlung depressiver Stö- rungen. Psychotherapie im Dialog, 4, 397-399. Willke, E. (2007). Tanztherapie. Theoretische Kontexte und Grundlagen der Intervention. Bern: Huber. 11 Literaturverzeichnis – 164 – Wisloff, U., Nilsen, T. T., Droyvold, W. B. M. S., Siordahl, S. A., Vatten, L. J. (2006). A single weekly bout of exercise may reduce cardiovascular mortality: how little pain for cardiac gain? Eur J Cardiovasc Prev Rehabil., 13, 798-804. Wittchen, H., Perkonigg, A. (1996). Epidemiologie psychischer Störungen. In: A. Ehlers, K. Hahlweg (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie. Grundlagen der Klinischen Psychologie (Band 2). Göttingen: Hogrefe, 69-144. Wittchen, H. U., Müller, N. S. B., Winter, S., Pfister, H. (2000). Erschei- nungsformen, Häufigkeit und Versorgung von Depressionen. Ergebnisse des bundesweiten Gesundheitssurveys „Psychische Störungen“. Fortschritte der Medizin, 118, 4-10. Wittchen, H. U., Jacobi, F. (2005). Size and burden of mental disorders in Europe, a critical review and appraisal of 27 studies. Eur Neuropsychophar- macol, 15, 357-76. Wolfersdorf, M., Rupprecht, U. (2001). Depressive Störung – psychopatho- logische, psychodynamische und therapeutische Aspekte. Psychotherapie im Dialog, 2, 389-396. Wolpe, J., Lazarus, A. A. (1966). Behavior Therapy Techniques: A Guide to the Treatment of Neuroses. New York: Pergamon Press. Yates, M., Ferrier, I. (1990). 5HT1A receptors in major depression. J. Psy- chopharmacology, 4, 69-74. Zintl, F. (1997). Ausdauertraining. München: BLV Sportwissen. 12 Anhang – 165 – 12 Anhang Im Folgenden ist das Fragebogenpaket dargestellt, wie es in der Untersu- chung zum Messzeitpunkt t0 den Patienten ausgehändigt wurde. Einverständniserklärung sowie Aufklärung über Datenschutz und Durchführung der Studie Alle Daten, die für die Studie mit dem Titel „Bewegungstherapeutische Interventionen bei affektiven Störungen“ erhoben werden, dienen ausschließlich Forschungszwecken und sind Dritten nicht zu- gänglich. Sofort nach dem Erheben werden die Daten anonymisiert und sind somit nicht mehr bestimmten Personen zuzuordnen. Es gelten die Bestimmungen des Datenschutzes und der ärztlichen Schwei- gepflicht. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die Teilnahme an dieser Untersuchung freiwillig erfolgt und mir im Falle einer Nichtteilnahme oder eines Rücktritts, auch wenn dies ohne Begründung erfolgt, keine Nachteile entstehen. Es ist geplant, die wesentlichen Ergebnisse der Studie zu einem späteren Zeitpunkt in einer wissen- schaftlichen Fachzeitschrift zu veröffentlichen. Ich habe den vorliegenden Text aufmerksam gelesen und bin mit der Teilnahme an der Studie ein- verstanden. Prien,____________ ________________________ 12 Anhang – 166 – Studie über Bewegungstherapie und affektive Störungen – Infoblatt Prien, 14.09.04 Sehr geehrte/r Frau/Herr Die Abteilung Sport und Bewegungstherapie der Klinik Roseneck führt eine Studie zum Thema Depression und Bewegungstherapie durch. Wir sind von der größtmöglichen Wirk- samkeit einer Therapie bei Depression durch eine Kombination von Verhaltenstherapie und Bewegungstherapie überzeugt. Aus diesem Grund laden wir Sie ein, an dieser Studie teil- zunehmen, um die bestmögliche Therapiewirkung für sich erzielen zu können. Das Therapieprogramm unterscheidet sich hinsichtlich des Standardprogramms dahinge- hend, dass es die Möglichkeit gibt, vier Wochen an einer auf das Krankheitsbild Depression ausgerichteten Bewegungstherapie teilzunehmen. Die Bewegungstherapiegruppe findet einmal am Morgen um 6.50 Uhr und einmal 100 Minuten am Vormittag in der Turnhalle statt. Darüber hinaus werden Sie zu vier Zeitpunkten in Form verschiedener Fragebögen befragt. Diese Zeitpunkte sind jetzt mit diesem Schreiben, am Anfang und am Ende Ihres Aufenthal- tes und sechs Monate nach dem Ende der Gruppen. Um eine möglichst hohe Effektivität des Programms gewährleisten zu können, ist die re- gelmäßige Teilnahme an den Gruppenterminen erforderlich. Das Ausfüllen der zusätzlich benötigten Fragebögen erfordert einen Zeitbedarf von jeweils ca. 30 Min.; stellt aber eben- falls eine notwendige Teilnahmebedingung dar. Das Team der Sport und Bewegungstherapie freut sich, wenn Sie sich für eine Teilnahme an der Studie entscheiden können. _____________________________________________________________________ Teilnahmeerklärung Mit meiner Unterschrift nehme ich an der Studie teil und bin mir bewusst, dass von mir eine regelmäßige Teilnahme an den Walkingterminen und das Ausfüllen der entsprechenden Fragebögen erwartet wird (auch sechs Monate nach dem Aufenthalt). Prien,_________________ __________________________ Unterschrift 12 Anhang – 167 – Das „Beck-Depression-Inventar“ 12 Anhang – 168 – 12 Anhang – 169 – Der Fragebogen zum Kohärenzerleben (SOC) Fragebogen zur Lebensorientierung Die folgenden Fragen beziehen sich auf verschiedene Aspekte Ihres Lebens. Auf jede Frage gibt es 7 mögliche Antworten. Bitte kreuzen Sie jeweils die Zahl an, die Ihre Antwort ausdrückt. Geben Sie auf jede Frage nur eine Antwort. 1. Wenn Sie mit anderen Leuten sprechen, haben Sie das Gefühl, dass diese Sie nicht verstehen? 2. Wenn Sie in der Vergangenheit etwas machen mussten, das von der Zusammenarbeit mit anderen abhing, hatten Sie das Gefühl, dass die Sache 3. Abgesehen von denen Sie sich am nächsten fühlen – wie gut kennen Sie die meisten Menschen, mit denen Sie täglich zu tun haben? 4. Haben Sie das Gefühl, dass es Ihnen ziemlich gleichgültig ist, was um Sie herum passiert? 5. Waren Sie schon überrascht vom Verhalten von Menschen, die Sie gut zu kennen glaubten? 6. Haben Menschen, auf die Sie gezählt haben, Sie enttäuscht? 7. Das Leben ist 8. Bis jetzt hatte Ihr Leben 9. Haben Sie das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden? Habe nie dieses Gefühl 1 2 3 4 5 6 7 Habe immer dieses Gefühl Keinesfalls erledigt werden würde 1 2 3 4 5 6 7 Sicher erledigt werden würde Sind ihnen völlig fremd 1 2 3 4 5 6 7 Sie kennen sie sehr gut Äußerst selten oder nie 1 2 3 4 5 6 7 Sehr oft Das ist nie passiert 1 2 3 4 5 6 7 Das kommt immer wieder mal vor Das ist nie passiert 1 2 3 4 5 6 7 Das kommt immer wieder mal vor Ausgesprochen interessant 1 2 3 4 5 6 7 Reine Routine Überhaupt keine klaren Ziele oder einen Zweck 1 2 3 4 5 6 7 Sehr klare Ziele und einen Zweck Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Sehr selten oder nie 12 Anhang – 170 – 10. In den letzten zehn Jahren war Ihr Leben 11. Das meiste, was Sie in Zukunft tun werden, wird wahrscheinlich 12. Haben Sie das Gefühl, in einer ungewohnten Situation zu sein und nicht zu wissen, was Sie tun sollen? 13. Was beschreibt am besten, wie Sie das Leben sehen 14. Wenn Sie über Ihr Leben nachdenken, passiert es sehr häufig, dass Sie 15. Wenn Sie vor einem Problem stehen, ist die Wahl einer Lösung 16. Das, was Sie täglich tun, ist für Sie eine Quelle 17. Ihr Leben wird in Zukunft wahrscheinlich 18. Wenn in der Vergangenheit etwas Unangenehmes geschah, neigten Sie dazu, 19. Wie oft sind Ihre Gefühle und Ideen ganz durcheinander? Voller Veränderungen ohne dass Sie wussten, was als nächstes passiert 1 2 3 4 5 6 7 Ganz beständig und klar Völlig faszinierend sein 1 2 3 4 5 6 7 Todlangweilig sein Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Sehr selten oder nie Man kann für schmerz- liche Dinge im Leben im- mer eine Lösung finden 1 2 3 4 5 6 7 Es gibt keine Lösung für schmerzliche Dinge im Leben Fühlen, wie schön es ist zu leben 1 2 3 4 5 6 7 Sich fragen, warum Sie überhaupt da sind Immer verwirrend und schwierig 1 2 3 4 5 6 7 Immer völlig klar Tiefer Zufriedenheit 1 2 3 4 5 6 7 Von Schmerz und Langeweile Voller Veränderungen sein, ohne dass Sie wis- sen, was als nächstes passiert 1 2 3 4 5 6 7 Ganz beständig und klar sich daran zu verzehren 1 2 3 4 5 6 7 Zu sagen: “Nun gut, sei´s drum, ich muss damit leben“ und weiterzumachen Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Selten oder nie 12 Anhang – 171 – 20. Wenn Sie etwas machen, das Ihnen ein gutes Gefühl gibt 21. Kommt es vor, dass Sie Gefühle haben, die Sie lieber nicht hätten? 22. Sie nehmen an, dass Ihr zukünftiges Leben 23. Glauben Sie, dass es in Zukunft immer Personen geben wird, auf die Sie zählen können? 24. Kommt es vor, dass Sie das Gefühl haben, nicht genau zu wissen, was gerade passiert? 25. Viele Menschen – auch solche mit starkem Charakter – fühlen sich in bestimmten Situationen wie ein Pechvogel oder Unglücksrabe. Wie oft haben Sie sich in der Vergangenheit so gefühlt? 26. Wenn etwas passiert, fanden Sie im allgemeinen, dass Sie dessen Bedeutung 27. Wenn Sie an Schwierigkeiten denken, mit denen Sie in wichtigen Lebensbereichen wahrscheinlich konfrontiert werden, haben Sie da Gefühl, dass 28. Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Dinge, die sie täglich tun, wenig Sinn haben? 29. Wie oft haben Sie Gefühle, bei denen Sie nicht sicher sind, ob Sie sie kontrollieren können? Werden Sie sich auch weiterhin gut fühlen 1 2 3 4 5 6 7 Wird sicher etwas geschehen, das das Gefühl verdirbt Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Selten oder nie Ohne Sinn und Zweck sein wird 1 2 3 4 5 6 7 Voller Sinn und Zweck sein wird Sie sind sich dessen ganz sicher 1 2 3 4 5 6 7 Sie zweifeln daran Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Sehr selten oder nie nie 1 2 3 4 5 6 7 Sehr oft Über- oder unterschätzten 1 2 3 4 5 6 7 Richtig einschätzten Es Ihnen gelingen wird, die Schwierigkeiten zu meistern 1 2 3 4 5 6 7 Sie die Schwierigkeiten nicht werden meistern können Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Sehr selten oder nie Sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 Sehr selten oder nie 12 Anhang – 172 – Die deutsche Version des MAAS-Fragebogens Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Aussagen zu Ihren alltäglichen Erfahrungen. Bitte markieren Sie mit der Bewertung 1 – 6 wie häufig oder wie selten Sie die Erfahrungen zur Zeit machen. Bitte Antworten Sie so, dass wirklich Ihre tatsächliche Erfahrung zum Ausdruck kommt und nicht, was Ihrer Meinung nach erfahren werden sollte. Es gibt für Sie sechs verschiedene Antwortmöglichkeiten Kreuzen Sie bitte das für Sie entsprechende Kästchen an. Aussage fast immer sehr häufig ziemlich häufig ziemlich selten sehr selten fast nie Ich spüre etwas gefühlsmäßig, werde mir allerdings erst später bewusst. □ □ □ □ □ □ Aus Achtlosigkeit zerbreche oder verschütte ich etwas, weil ich nicht aufpasse oder an etwas anderes denke. □ □ □ □ □ □ Es fällt mir schwer bei der Sache zu bleiben, die ich im Moment tue. □ □ □ □ □ □ Ich begebe mich schnell zu einem Ziel, ohne genauer darauf zu achten, wie ich dort ankomme. □ □ □ □ □ □ Normalerweise bemerke ich körperliche Anspannung oder Unwohlsein erst dann, wenn Sie so stark sind, dass ich sie beachten muss. □ □ □ □ □ □ Ich vergesse den Namen einer Person fast sofort, nachdem ich ihn zum ersten mal gehört habe. □ □ □ □ □ □ Ich handle häufig wie „automatisch“, ohne mir dessen bewusst zu sein, was ich eigentlich tue. □ □ □ □ □ □ 12 Anhang – 173 – Aussage fast immer sehr häufig ziemlich häufig ziemlich selten sehr selten fast nie Ich bin so auf ein Ziel fixiert, das ich erreichen will, dass ich den Kontakt zu den einzelnen Arbeitsschritten, die dahin führen verliere. □ □ □ □ □ □ Arbeiten und Pflichten erledige ich wie „automatisch“ ohne genau darauf zu achten, was ich genau tue. □ □ □ □ □ □ Ich ertappe mich dabei, dass ich jemand mit einem Ohr zuhören aber gleichzeitig etwas anderes mache □ □ □ □ □ □ Ich begebe mich wie ferngesteuert an Orte und wundere mich dann, warum ich mich überhaupt dorthin begeben habe. □ □ □ □ □ □ Ich beschäftige mich mit der Vergangenheit und der Zukunft. □ □ □ □ □ □ Ich ertappe mich dabei, dass ich Dinge tue, ohne mir dessen eigentlich bewusst zu sein. □ □ □ □ □ □ Ich esse zwischendurch, ohne zu merken, dass ich was esse. □ □ □ □ □ □ 12 Anhang – 174 – Die Kurzform des Fragebogens „spielerisches Welterleben“ 1. Manchmal können Sie sich in ein Spiel vertiefen wie ein Kind Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 2. Sie haben eine lebhafte Vorstellungskraft Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 3. Im Vergleich zu anderen haben Sie wenig Fantasie Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 4. Spiele sind für Sie Zeitverschwendung Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 5. Spiel im Erwachsenenalter ist ... Ein absolutes Muss 1 2 3 4 5 6 7 Vollkomme n unnötig 6. Bei manchen Spielen verlieren Sie jegliches Zeitgefühl Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 7. Spiel ist für Sie ein Aspekt der Kindheit und im Erwachsenenalter nicht mehr präsent Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 8. Kreativität gehört für Sie ausschließlich in die Hände der Künstler und Kinder Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu 9. Sie schlüpfen gerne beim Spiel auch mal in eine andere Rolle und verlieren sich darin Trifft zu 1 2 3 4 5 6 7 Trifft nicht zu Die folgenden Fragen beziehen sich auf ihre persönliche Art und Weise, die Welt zu betrachten. Auf jede Frage gibt es sieben mögliche Antworten. Bitte kreuzen Sie jeweils die Zahl an, die Ihre Antwort ausdrückt, bzw. am ehesten für Sie in Frage kommt. Geben Sie auf jede Frage nur eine Antwort. Sie können keine falsche Antwort geben. 12 Anhang – 175 – Der Fragebogen „habituelle körperliche Aktivität“ Der folgende Fragebogen beschäftigt sich mit der Art und Weise wie sie sportlich, bzw. bewegungsmäßig aktiv sind und körperlich gefordert sind. 1. Welche Tätigkeit üben Sie hauptberuflich aus? ____________________________________________________________ 2. Bei der Arbeit sitze ich nie selten manchmal häufig immer 3. Bei der Arbeit stehe ich nie selten manchmal häufig immer 4. Bei der Arbeit gehe ich nie selten manchmal häufig immer 5. Bei der Arbeit hebe ich schwere Gewichte nie selten manchmal häufig immer 6. Bei der Arbeit schwitze ich sehr häufig häufig manchmal selten sehr selten 7. Im Vergleich zu anderen Personen meines Alters finde ich meine Arbeit viel schwerer schwerer genauso schwer leichter viel leichter 8. Treiben Sie Sport? JA NEIN Wenn JA • Welche Sportart treiben Sie am häufigsten? _____________________________________________________________ • wie viele Stunden in der Woche betreiben Sie diese Sportart? weniger als 1h 1 – 2h 2 -3h 3 – 4h mehr als4h • wie viele Monate im Jahr betreiben Sie diese Sportart? weniger als 1 Monat 1 -3 Monate 4 – 6 Monate 7 – 9 Monate mehr als 9 Monate Falls Sie noch eine Sportart betreiben, • um welche Sportart handelt es sich ____________________________________________________________ • wie viele Stunden in der Woche betreiben Sie diese Sportart? weniger als 1h 1 – 2h 2 -3h 3 – 4h mehr als4h 12 Anhang – 176 – • wie viele Monate im Jahr betreiben Sie diese Sportart? weniger als 1 Monat 1 -3 Monate 4 – 6 Monate 7 – 9 Monate mehr als 9 Monate 9. Im Vergleich zu anderen Personen meines Alters ist meine körperliche Aktivität in der Freizeit viel größer größer etwa gleich geringer viel geringer 10. In meiner Freizeit schwitze ich sehr oft oft manchmal selten nie 11. In meiner Freizeit treibe ich Sport nie selten manchmal oft sehr oft 12. In meiner Freizeit gehe ich zu Fuß nie selten manchmal oft sehr oft 13. In meiner Freizeit fahre ich mit dem Fahrrad nie selten manchmal oft sehr oft 14. Wie viele Minuten gehen Sie zu Fuß und/oder fahren Sie mit dem Fahrrad pro Tag zur Arbeit, zur Schule und zum Einkaufen (Hin- und Rückweg) weniger als 5 5 - 15 15 - 30 30 - 45 mehr als 45 min 12 Anhang – 177 – Der Fragebogen gesundheits- und krankheitsbezogene Kon- trollüberzeugung 12 Anhang – 178 – Am Ende der Therapie zum Messzeitpunkt t1 wurden außerdem zusätzlich folgender Fragebogen verwendet: Fragebogen zur subjektiven Empfindung der Wirkfaktoren in der Therapie 654321Biofeedback 654321Soziotherapie 654321Zusätzlich angebotene Freizeitgestaltung 654321Gestaltungstherapie 654321Medizinische Therapie 654321Bewegungs-/ Sporttherapie 654321Vorschriften und Planungen in der Klinik 654321Mal alleine sein 654321Krankengymnastik, Massage 654321Besuch von Verwandten/Freunden 654321Gespräche mit dem Pflegepersonal 654321GSK Kurs 654321DBT-Kurs 654321Allgemeine Gruppentherapie 654321Einzeltherapie 654321Gespräche mit anderen Patienten Kreuzen Sie bitte an, wie Sie die verschiedenen Elemente der Therapie bisher empfunden haben 1= sehr geholfen 2 = ziemlich geholfen 3 = geholfen 4= etwas geholfen 5 = nicht geholfen 6 = nicht zu treffend 12 Anhang – 179 – Fragebogen „Vorsätze für zu Hause“ – Walkinggruppe Eine kleine Hausaufgabe, die helfen soll, die Zeit nach der Klinik gut zu strukturieren. Bitte informieren Sie sich, wo in der Nähe ihres Zuhauses eine Möglichkeit besteht, sich an einer Walking oder Nordic Walking Gruppe zu beteiligen und notieren Sie die Adresse oder den Namen der Gruppe hier: ___________________________________________________________________ Werden Sie sich an diesen Treffen beteiligen? Ja Nein Machen Sie sich bitte Gedanken, an welchem Tag der Woche Sie wann wie viel Zeit haben, sportlich oder bewegungsmäßig aktiv zu sein, unabhängig davon, ob Sie oben mit Ja oder Nein geantwortet haben.. Wochentag Uhrzeit Dauer Was (welche körperliche Aktivität) werden Sie an diesen Tagen machen? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Werden Sie alleine oder in der Gruppe oder mit einem Freund/ Freundin aktiv sein? Alleine In der Gruppe Mit einem Freund/Freundin Man kann nicht nur sportlich aktiv sein, sondern seinen Alltag bewegungsfreundlicher gestallten. Das kann sein, anstatt des Aufzuges die Treppe zu benützen, oder kürzere Wege zu Fuß zu gehen. Nennen Sie eine besser 2-3 Idee, wo Ihnen das gelingt: ___________________________________________________________ ___________________________________________________________ ___________________________________________________________ 12 Anhang – 180 – Fragebogen „Vorsätze für zu Hause“ – BWT-Gruppe Eine kleine Hausaufgabe, die helfen soll, die Zeit nach der Klinik gut zu strukturieren. Bitte informieren Sie sich, wo in der Nähe ihres Zuhauses eine Möglichkeit besteht, sich an einer Sportgruppegruppe zu beteiligen und notieren Sie die Adresse oder den Namen bzw. die Art der Gruppe hier: Mit Sportgruppe ist nicht nur Sport im engeren Sinne gemeint, sondern alle Aktivitäten, die sich auf ein körperliches Aktivsein beziehen. Dies kann z. B. auch ein Yoga Kurs, Qi Gong Kurs, ein Tanzkurs, oder was anderes sein. ___________________________________________________________________ Werden Sie diesen Kurs besuchen? Ja Nein Machen Sie sich bitte Gedanken, an welchem Tag der Woche Sie wann wie viel Zeit haben, sportlich oder bewegungsmäßig aktiv zu sein, unabhängig davon, ob Sie oben mit Ja oder Nein geantwortet haben. Wochentag Uhrzeit Dauer Was (welche körperliche Aktivität) werden Sie an diesen Tagen machen? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Werden Sie alleine oder in der Gruppe oder mit einem Freund/ Freundin aktiv sein? Alleine In der Gruppe Mit einem Freund/Freundin In Ihrem Tagesablauf gibt es Eckpunkte, an denen Sie Aufmerksamkeitsübungen einbauen können. Das kann morgens nach dem Aufstehen sein, oder am Abend vor dem zu Bett gehen, oder einfach auch nur ein paar Minuten zwischendurch. Z. B. bei der Arbeit, dann wenn es Ihnen sowieso gut geht, oder auch, wenn die Spannung sehr hoch ist. Überlegen Sie sich bitte mindestens einen vielleicht aber auch zwei bis drei Eckpunkte __________________________________________________ __________________________________________________ __________________________________________________ 12 Anhang – 181 – Am Ende der Therapie zum Messzeitpunkt t2 wurden außerdem zusätzlich folgender Fragebogen und das Anschreiben verwendet: Überprüfung der Vorsätze für zu Hause – Walkinggruppe Sie haben während Ihres Aufenthaltes in der Klinik Roseneck eine Hausaufgabe bearbeitet. Um sich besser an die gegebenen Antworten erinnern zu können liegt eine Kopie bei. Bitte beantworten Sie folgende Fragen, auch wenn sich die Fragen auf einem anderen Fragebogen zum Teil wiederholen.: Besuchen Sie die damals ausgesuchte Gruppe? Die genannte Gruppe/Aktivität Eine andere Gruppe/Aktivität Besuche keine Gruppe Sind Sie an den angegebenen Tagen Aktiv Ja Nein An anderen Gar nicht aktiv Wenn an anderen angekreuzt, wie viele sind es im Durchschnitt pro Woche? 1 2 3 4 5 6 7 Wie lange sind Sie im Durchschnitt aktiv? Bitte eine Zahl angeben _________________________ Üben Sie die angegebene körperliche Aktivität aus? JA Nein Andere Sind Sie alleine oder in der Gruppe oder mit einem Freund/Freundin aktiv? Alleine In der Gruppe Mit einem Freund/Freundin Die genannten Ideen halten Sie ein? Halte Sie ein Halte Sie nicht ein Mache mehr/anderes, wie die genannten Ideen 12 Anhang – 182 – Überprüfung der Vorsätze für zu Hause – BWT-Gruppe Sie haben während Ihres Aufenthaltes in der Klinik Roseneck eine Hausaufgabe bearbeitet. Um sich besser an die gegebenen Antworten erinnern zu können liegt eine Kopie bei. Bitte beantworten Sie folgende Fragen, auch wenn Sie sich die Fragen zum Teil auf einem anderen Fragebogen wiederholen. Besuchen Sie die damals ausgesuchte Gruppe? Die genannte Gruppe/Aktivität Eine andere Gruppe/Aktivität Besuche keine Gruppe Sind Sie an den angegebenen Tagen Aktiv Ja Nein An anderen Gar nicht aktiv Wenn an anderen angekreuzt, wie viele sind es im Durchschnitt pro Woche? 1 2 3 4 5 6 7 Wie lange sind Sie im Durchschnitt aktiv? Bitte eine Zahl angeben _________________________ Üben Sie die angegebene körperliche Aktivität aus? JA Nein Andere Sind Sie alleine oder in der Gruppe oder mit einem Freund/Freundin aktiv? Alleine In der Gruppe Mit einem Freund/Freundin Die genannten Eckpunkte halten Sie die ein, oder sind welche dazugekommen? Halte Sie ein Welche dazugekommen Halte keinen Eckpunkt ein 12 Anhang – 183 – Anschreiben der Patienten zu t2 Anschrift Alexander Heimbeck Abtl. Sport- und Bewegung Klinik Roseneck Am Roseneck 6 83209 Prien am Chiemsee Abschließende Fragebögen für die bewegungstherapeutische Studie Prien, Anrede, wie während Ihres Klinikaufenthaltes angekündigt, übersende ich Ihnen hiermit die abschlie- ßenden Fragebögen für die bewegungstherapeutische Studie. Sie erinnern sich sicherlich noch an den einen oder anderen Moment in der Bewegungsthera- pie oder an das morgendliche Walking. Ich freue mich, wenn sie ein paar Dinge davon umset- zen konnten. Auch wenn Sie sich damals viel vorgenommen haben und Sie nicht alle Vorsätze halten konn- ten, freut es mich von Ihnen zu hören. Es ist für mich sehr wichtig, dass Sie zurückschreiben. Bitte senden Sie mir bis zum _________ die ausgefüllten Fragebögen zurück. Der Umschlag für die portofreie Rücksendung liegt bei. Ich bedanke mich hiermit nochmals und sehr herzlich für Ihre Bereitschaft, an der Studie teil- zunehmen. Ihnen alles Gute und liebe Grüße 12 Anhang – 184 – Formel zur Errechnung der Kategorien im Walkingtest Männer Frauen 1. Berechnen und addieren Sie folgende Einzelwerte Gehzeit [min] ____ X 11,6 = _____ ____ X 8,1 = _____ [s] ____ X 0,2 = _____ ____ X 0,14 = _____ Belastungspuls ____ X 0,56 = _____ ____ X 0,36 = _____ Rel. Körpergewicht (BMI) ____ X 2,6 = _____ ____ X 1,0 = _____ (Zwischensumme) 2. Subtrahieren Sie von dieser Summe Alter [Jahre] ____ X 0,2 = - _______ ____ X 0,3 = - ______ (Zwischensumme) ________ ______ 3. Subtrahieren Sie die Zwischensumme von 420 -_____ 305 -_____ 4. Walk-Test-Index _____ _____ 5. Klassifikation des Walk-Test-Index (WI) in 5 Stufen WI Leistungskategorie > 130 Sehr gut (1) 111 -130 Gut (2) 90 – 110 Durchschnittlich (3) 70 – 89 Schwach (4) < 70 Sehr schwach (5)