Die Grundlagen einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie unter Berücksichti- gung der veränderten (Psycho-) Logiken im Informationszeitalter zur Sicherstellung einer systemverträglichen interorganisationalen Unternehmensentwicklung Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie vorgelegt von Frank Weyrich im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Philosophie und Theologie der Universität Dortmund unter der Betreuung von Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. med. Michael Kastner Dortmund, im Mai 2002 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 18 Einführung 21 1 Logiken und Entwicklungsmuster im Zeitalter der Industrie- 29 gesellschaft 1.1 Wertschöpfung in der Industriegesellschaft: Erkenntnisse aus 30 den Bereichen Organisation, Produktion und Erörterung der Konsequenzen für die Mitarbeiter 1.1.1 Produktions-/Fertigungs-/Informationsprozesse im Zeitalter der 32 Industriegesellschaft 1.1.1.1 Die Ausprägung technologiebasierter Kommunikations- und Informationspro- 33 zesse im Industriezeitalter, geprägt durch EDI-, CIM- und ERP-Systeme 1.1.1.1.1 Prozessdenken und Grad der Computerisierung 34 1.1.2 Die Rolle der Mitarbeiter und deren Arbeitsaufgaben 36 1.2 Wertschöpfung im Industriezeitalter: Die vorherrschenden 37 Marktstrukturen und die sich daraus ergebenden Folgen 1.2.1 Markt- bzw. Industriestrukturen im Zeitalter der Industriegesellschaft aus 37 Sicht der Unternehmen 1.2.2 Die verschiedenen Formen der interorganisationalen Zusammenarbeit 38 zwischen Unternehmen 1.2.3 Die Folgen der Markt- und Industriestrukturen aus Sicht der Abnehmer 39 bzw. Endkunden 1.3 Psychologische Grundsätze des Industriezeitalters: Über den 41 Einfluss der Rationalität und das dahinter stehende mecha- nisch-technizistische Weltbild 1.3.1 Die Funktionsweise eines Unternehmens als triviale Maschine 41 1.3.1.1 Die Stellparameter eines Unternehmens auf einer mechanistisch-rationalen 42 Basis und die daraus folgenden Konsequenzen im Sinne der Kybernetik 2 1.3.2. Die Ausprägung der Managementfunktionen und die daraus hervorgehenden 43 Folgen für die Mitarbeiter 1.4 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse: Die zentra- 44 len Wettbewerbsfaktoren und das Primat der ökonomischen Logik im Industriezeitalter 2 Logiken und Grundmuster der Informations- und Wissens- 47 gesellschaft im Zeitalter von Internet und E-Commerce: Skizzierung eines Paradigmenwechsels im Hinblick auf einen veränderten Umgang zwischen Unternehmen und Markt 2.1 Die Grundlagen der Informationsgesellschaft und deren Be- 47 deutung für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung an- hand einiger Zahlenbeispiele 2.1.1 Die Tragweite der Informationsgesellschaft und das Potenzial hinsichtlich 49 der möglichen marktlichen Entwicklung 2.2 Multimedia, Internet und E-Commerce: Entwicklung und 52 Ausprägung der Informationstechnologie 2.2.1 Die Entwicklung des Internets als Basismedium der Informationsgesellschaft 54 und dessen technologische Grundlagen 2.2.2 Die Ausprägung des E-Commerce als Folge der weltweiten elektronischen 58 Vernetzung 2.2.2.1 Die E-Commerce-Entwicklung gezeigt am Beispiel EDI, Btx, Minitel und 58 ersten Business-to-Customer E-Commerce-Anwendungen 2.2.2.2 Die zunehmende Ausprägung des Business-to-Business E-Commerce gezeigt 60 am Beispiel von Unternehmen wie Federal Express, Cisco, Dell und General Electric 2.2.2.3 Die sich aus der Anwendung von Internet und E-Commerce ergebenden Konse- 62 quenzen und die wichtigsten Unterschiede zwischen BtC- und BtB-E- Commerce 2.2.3 Der Einsatz von E-Commerce-Lösungen zur Optimierung des (zwischen-) 65 betrieblichen Workflows 3 2.2.3.1 Verkaufsseitig ausgerichtete E-Commerce-Anwendungen 65 2.2.3.2 Einkaufsseitig ausgerichtete E-Commerce-Anwendungen 66 2.2.3.3 Wertschöpfungsübergreifende E-Commerce-Anwendungen gezeigt an den 67 Beispielen (Web-) EDI, XML, Supply Chain-Anwendungen und der Nutzung von Application Service Providern 2.2.3.3.1 Die Metasprache XML, web-basierte Supply Chain Anwendungen und die 69 Nutzung von Application Service Providern sowie Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 2.2.4 Durch Internet und E-Commerce ermöglichte neue wirtschaftliche 71 Betätigungsfelder: Vom horizontalen Portal zum e-Hub 2.2.4.1 Die Bedeutung und das Betätigungsfeld von elektronischen Zwischenhändlern 71 bzw. Intermediaries 2.2.4.2 Die Ausprägung von horizontalen und vertikalen E-Marktplätzen 73 2.2.4.2.1 Die wichtigsten Geschäftsmodelle von etablierten E-Marktplätzen: 74 Aggregation, Auktion und Austauschbörse 2.2.4.2.1.1 Die verschiedenen Auktions-Handelsmodelle 75 2.2.4.2.1.2 Das Handelsmodell der Austauschbörsen und Zusammenfassung der 76 wesentlichen Charakteristiken der einzelnen Geschäftsmodelle 2.2.4.2.2 Die Spezialisierung auf Inhalte sowie die brokerbasierte, kundenbezogene 77 Massenproduktion als Geschäftsmodell 2.2.4.3 Der E-Marktplatz der Zukunft, denkbare Entwicklungsrichtungen 79 2.2.4.3.1 Charakteristika von E-Hubs und die Erfordernisse zur Etablierung von E- 81 Business-Brokern 2.2.4.3.2 Einige Praxisbeispiele zur Untermauerung der beschriebenen Entwicklung 83 2.3 Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft: Die Entwick- 85 lung der IuK-Technologien und ihr Einfluss auf die Bereiche Organisation und Prozesse sowie die daraus folgenden Konse- quenzen für die Mitarbeiter 2.3.1 Die virtuelle (Prozess-) Organisation als Sinnbild des Informationszeitalters 85 2.3.1.1 Die Einrichtung von Call Centern und Telekooperationen als mögliche 87 Konsequenzen der Realisierung einer virtuellen Organisation 4 2.3.1.2 Denkbare organisatorische Entwicklungstendenzen im Hinblick auf eine 87 weitergehende Vernetzung von Unternehmen 2.3.2 Der Einfluss der technischen Entwicklung auf die Produktions-/Fertigungs-, 91 Entwicklungs- und Verkaufsprozesse sowie unterstützende Prozesse 2.3.2.1 Der Einfluss der Informationsgesellschaft auf die Entwicklungs- und Pro- 92 duktionsprozesse, gezeigt am Beispiel des Simultaneous Engineering und der kundenindividuellen Massenproduktion 2.3.2.2 Die Ausprägung der Verkaufsprozesse und die Zusammenfassung der 93 wesentlichen Konsequenzen für die Unternehmensprozesse 2.3.2.3 E-Learning als wirkungsvolles Medium, überbetriebliche Weiterbildungsmaß- 95 nahmen wirkungsvoll zu unterstützen 2.3.3 Die Stellung der Mitarbeiter und die veränderten Anforderungen an die 96 Arbeitsaufgaben in der Informationsgesellschaft 2.3.3.1 Die Chancen und Risiken, die sich für den Einzelnen aus den neuen Arbeits- 98 und Organisationsformen ergeben 2.3.3.2 Die neue Dichotomie in der Arbeitswelt, geprägt durch den qualifizierten 101 Wissensarbeiter und den nach Marktgesichtspunkten beschäftigten Leiharbeiter 2.3.3.2.1 Der Wissensarbeiter als Sinnbild einer neuen Arbeitselite, im Zwiespalt 101 zwischen beträchtlichen Chancen und nicht zu unterschätzenden Risiken 2.3.3.2.2 Die steigende Zahl einer Randarbeitnehmerschaft als Kehrseite der Medaille 102 mit deutlich weniger Chancen und beträchtlichen Risiken 2.4 Psychologische Grundsätze des Informations- und Wissenszeit- 104 alters: Die Abkehr vom mechanisch-technizistischen Weltbild unter dem Einfluss der Systemtheorie, der Kybernetik und des Konstruktivismus 2.4.1 Der Verdienst der Systemtheorie bezüglich der Erkenntnis über die Funktions- 105 weise von sozialen Systemen 2.4.2 Die Organisation und Funktionsweise eines Unternehmens vor systemischem 105 Hintergrund 2.4.3 Die Ausprägung des organisatorischen Verhaltens im Unternehmen 107 2.4.4 Erkenntnis und Wahrnehmung im Unternehmen 109 2.4.5 Die Entwicklung eines Unternehmens auf systemisch-kybernetischer Basis 110 5 2.4.6 Das Unternehmen als evolvierendes System und daraus folgende Konse- 113 quenzen für das Management 2.5 Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft: Analyse der 116 veränderten Marktbedingungen und die damit verbundenen unternehmerischen Herausforderungen 2.5.1 Die neue Wettbewerbssituation im Informationszeitalter aus Sicht der 116 Unternehmen 2.5.1.1 Die Dekonstruktion der Wirtschaft als Folge der technologischen Entwicklung 118 und die daraus folgenden Aktivitäten in Richtung Outsourcing 2.5.1.2 Die zunehmende Globalisierung als weitere Ursache eines sich verschärfenden 120 Wettbewerbs 2.5.1.3 Die sich ausprägende neue Situation etablierter Zwischenhändler und Dienst- 120 leister vor dem Hintergrund des Aufkommens neuer Marktstrukturen und einer veränderten Wettbewerbssituation 2.5.1.4 Die durch die Informationstechnologien ermöglichte Überwindung des 121 Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite 2.5.1.4.1 Die sich aus der Dekonstruktion der Wirtschaft ergebenden Folgen, gezeigt 122 an einigen ausgewählten Beispielen des Einzelhandels- und Dienstleistungs- sektors 2.5.1.5 Die neue Rolle der elektronischen Zwischenhändler (Intermediaries) in einer 123 dekonstruierten Wirtschaft 2.5.1.6 Das aus den Konsequenzen der Informationsgesellschaft resultierende 125 Rollenverständnis von Handel und Dienstleistern: Die Wertschöpfung als wesentliche Existenzberechtigung 2.5.2 Die Verlagerung der Autoritäten im Informationszeitalter, der Übergang 128 vom Anbieter- zum Nachfragermarkt und dessen Konsequenzen 2.5.2.1 Die Zunahme der Abnehmermacht als wichtige Folge der sich entwickeln- 129 den Käufermärkte 2.5.2.2 Die steigende Kundenindividualisierung bei gleichzeitiger Abnahme der 132 Kundenbindung als weiteres Indiz sich verschiebender Machtverhältnisse 2.5.3 Die zunehmende zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der Unternehmen, 133 deren Grundlagen und Konsequenzen in Bezug auf die Wertschöpfung 6 2.5.3.1 Die technologische Basis zur Vertiefung der interorganisationalen Zusam- 134 menarbeit 2.5.3.2 Interorganisationale Zusammenarbeit als Folge eines erhöhten Wettbewerbs- 136 drucks, neuer Marktteilnehmer und veränderter Kundenanforderungen 2.5.3.3 Konsequenzen der verstärkten zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit 137 hinsichtlich der Wertschöpfung im Unternehmen 2.5.4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse aus dem Vergleich der infor- 139 matorischen, ökonomischen und psychologischen Logiken zwischen dem Informations- und Industriezeitalter 3 Die Basis einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie und die 142 daraus folgenden Konsequenzen aus organisatorischer, infor- matorischer und psychologischer Sicht 3.1 Die Grundlagen der Umsetzung einer ganzheitlichen Koopera- 145 tionsstrategie zur Sicherstellung einer dauerhaften Überlebens- fähigkeit im Zeitalter der Informationsgesellschaft 3.1.1 Definition von Kooperationen und anderen Formen zwischenbetrieblicher Zu- 146 sammenarbeit sowie Darstellung der Gründe für die Abkehr vom einseitigen Markt-/Hierarchiedenken 3.1.1.1 Die Differenzierung von Kooperationen gemäß ihrer wettbewerblichen Verbun- 147 denheit und dem Ausmaß der Zusammenarbeit: Von der strategischen Allianz bis zum virtuellen Unternehmensverbund 3.1.1.2 Gründe für die Abkehr vom einseitigen Markt- und Hierarchiedenken und der 149 Hinwendung zu neuen Koordinationsformen 3.1.1.2.1 Die Gefahr opportunistischer Verhaltensweisen als wichtiger Begleitumstand 150 beim Rückgriff auf Kooperationen als Koordinierungsform 3.1.1.3 Einige kritische Anmerkungen zum Transaktionskostenansatz unter Berück- 151 sichtigung neuerer Erkenntnisse der Spieltheorie und Ableitung der daraus re- sultierenden Folgen 3.1.2 Makroökonomische Entwicklungen, die die verstärkte Kooperationsneigung 154 der Unternehmen untermauern und Analyse der mikroökonomischen Koope- rationsmöglichkeiten entlang der Wertkette 7 3.1.2.1 Steigende Komplexität und Dynamik auf den Märkten als entscheidende 156 Konsequenz der makroökonomischen Entwicklungen 3.1.2.1.1 Die Bildung von Kooperationen zur Überwindung der auf die Unternehmen 158 hereinbrechenden Komplexität und Dynamik 3.1.2.2 Auswirkungen auf mikroökonomischer, sprich Unternehmensebene im 160 Hinblick auf eine Intensivierung externer Zusammenarbeit 3.1.2.2.1 Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Kooperation in Richtung Verkauf 161 und Einkauf 3.1.2.2.1.1 Kooperationen zur langfristigen Absatzsicherung im Bereich Marketing sowie 163 zur Erfüllung zunehmend individuellerer Kundenwünsche 3.1.2.2.2 Vertiefende kooperative Zusammenarbeit bei Wertschöpfungsstufen wie F&E 166 und Produktion sowie die erforderlichen technologischen Grundlagen 3.1.2.2.2.1 Benötigte technologische Voraussetzungen zur Eindämmung höherer zwischen- 169 betrieblicher Vernetzungskosten 3.1.2.3 Zusammenfassung: Das Unternehmen als "extended enterprise" 170 3.1.3 Der Aufbau von (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen und die Stabilisierung 171 der vorhandenen Wettbewerbsposition als Grundbestandteile einer system- verträglichen, interorganisationalen Unternehmensentwicklung 3.1.3.1 Die systemverträgliche Unternehmensentwicklung als übergeordneter Orien- 172 tierungsrahmen zur Sicherstellung einer reibungslosen und zukunftsträchtigen interorganisationalen Zusammenarbeit 3.1.3.2 Theoretische Grundlagen zur Erlangung und Bewahrung von strategischen 175 (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen 3.1.3.2.1 Grundsätze des Aufbaus und der Verteidigung langfristiger Wettbewerbsvor- 177 teile im Informations- und Wissenszeitalter 3.1.3.2.2 Der Zusammenhang zwischen der Formulierung einer tragfähigen Strategie 179 und dem Aufbau von strategischen Wettbewerbsvorteilen in der digitalen Wirtschaft 3.1.3.2.2.1 Neue strategische Optionen durch die Etablierung von Kooperationen und den 181 Einsatz moderner IuK-Technologien sowie die damit verbundenen Folgen für die strategischen Wahlmöglichkeiten 3.1.3.3 Zusammenfassung der zentralen Voraussetzungen für eine systemverträgliche 183 Entwicklung und Erläuterung der psychologischen Einflussfaktoren in Zusam- menhang mit der Wertschöpfung innerhalb von Kooperationen 8 3.1.3.3.1 Die verschiedenen psychologischen Einflussfaktoren im Rahmen der Wert- 184 schöpfung von Kooperationen 3.2 Theoretisch-Analytische Ableitung: Die wichtigsten inhalt- 186 lichen Beurteilungskriterien bzw. Ausprägungsformen von Kooperationen und deren (psycho-) logischen Grundlagen 3.2.1 Operativ versus strategisch als erstes Ausprägungsmerkmal zur qualifizier- 186 ten Einordnung von Kooperationen 3.2.2 Kooperation vor dem Hintergrund bestehender Konkurrenzverhältnisse bzw. 188 einer Zusammenarbeit ohne bestehenden direkten oder indirekten Konkurrenz- druck 3.2.2.1 Die möglichen Auswirkungen einer bestehenden Konkurrenzsituation auf den 188 Fortgang bzw. die Entwicklung eines parallelen kooperativen Verhältnisses 3.2.2.1.1 Einige typische konkurrenzbedingte Verhaltensmerkmale und deren mögliche 192 Konsequenzen auf die Ausgestaltung einer Kooperation 3.2.2.2 Folgen, die sich aus einem nicht bestehenden parallelen Konkurrenz- 194 verhältnis für eine Kooperation ergeben 3.2.3 Statisch versus dynamisch als wesentliches Merkmal entwicklungsorientierte 196 von nicht entwicklungsorientierten Kooperationen zu unterscheiden 3.2.3.1 Statische und dynamische Ordnungen gespiegelt an der Entwicklung von 197 Umwelt und Unternehmen 3.2.3.1.1 Die Ausprägung statischer und dynamischer Ordnungen im Zusammenhang 198 mit der Entwicklung von Unternehmen 3.2.3.2 Statik und Dynamik gespiegelt an den verschiedenen interorganisationalen 200 Beziehungsebenen 3.2.3.2.1 Statische und dynamische Charakteristiken in Bezug auf die interorganisatio- 201 nalen Leistungsbeziehungen 3.2.3.2.2 Statische und dynamische Ausprägungen hinsichtlich der interorganisatio- 201 nalen Koordinations- und Einflussbeziehungen 3.2.3.2.2.1 Die zentralen Prinzipien der interorganisationalen Entscheidungsfindung auf 202 der Basis der Funktionsweise eines Unternehmens als sozialem System 3.2.3.2.2.2 Macht als möglicher Koordinationsmechanismus innerhalb der kooperativen 203 Entscheidungsfindung und deren Folgen gespiegelt an der Theorie der kollek- tiven Entscheidungsprozesse 9 3.2.3.2.2.3 Verhandlungen als weiterer Koordinationsmechanismus innerhalb der ko- 205 operativen Entscheidungsfindung 3.2.3.2.2.4 Interorganisationale Entscheidungsfindung auf der Grundlage einer gemein- 208 samen Regelbasis 3.2.3.2.2.5 Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Koordinations- und Einfluss- 210 mechanismen und der einer Kooperation inhärenten Dynamik 3.2.3.2.3 Statische und dynamische Ausprägungen in Bezug auf die interorganisatio- 211 nalen Informations- und Wissensbeziehungen 3.2.3.2.3.1 Die Bedeutung von Information und Wissen für die Entwicklung eines 212 Unternehmens 3.2.3.2.3.2 Entwicklung und Aufbau der organisationalen Wissensbasis 213 3.2.3.2.3.3 Die Bedeutung der Erweiterung der organisationalen Wissensbasis mit Hilfe 215 von Kooperationen 3.2.3.2.3.4 Der Prozess des interorganisationalen Wissenstransfers 216 3.2.3.2.3.4.1 Organisatorisches Lernen als Grundvoraussetzung jeglichen Wissenstrans- 216 fers sowie die verschiedenen Ausprägungsformen organisatorischen Lernens 3.2.3.2.3.4.1.1 Die einzelnen Formen des organisatorischen Lernens 219 3.2.3.2.3.4.2 Der Übertragungsprozess von explizitem Wissen 220 3.2.3.2.3.4.3 Der Übertragungsprozess von implizitem Wissen 222 3.2.3.2.3.4.4 Die Generierung gemeinsamer Lern- und Wissensprozesse 223 3.2.3.2.3.5 Statische und dynamische Elemente bezüglich der Wissenstransferprozesse 224 3.2.3.2.4 Die Ausprägung einer bedingt dynamischen Kooperationsbeziehung als 226 weitere Konsequenz der bisherigen Analysen 3.2.4 Die notwendigen Voraussetzungen auf der Verhaltensebene zur Umsetzung 227 der Dynamiken bei den Koordinations- und Wissensbeziehungen 3.2.4.1 Vertrauen als eines der Grundelemente zur Implementierung von Koordi- 227 nations- und Wissensbeziehungen höherer Ordnung 3.2.4.1.1 Die einzelnen Gestaltungsparameter für den Aufbau von interorganisatio- 228 nalem Vertrauen 10 3.2.4.2 Das Prinzip des Synegoismus basierend auf Sozialkompetenz, Reflexion, 231 Selbstbeschreibung und die Darlegung der gegenseitigen Erwartungshal- tungen als wesentliche Elemente vertrauenswürdiges Verhalten zu fördern 3.2.4.2.1 Sozialkompetenz als wichtiger Baustein des Synegoismus 231 3.2.4.2.2 Reflexion und Selbstbeschreibungen als weitere Eckpfeiler des Synegoismus 233 3.2.4.2.3 Konfliktmanagement und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit zur Förder- 234 ung und Bewältigung des synegoistischen interorganisationalen Zusammen- lebens 3.2.4.2.3.1 Die Basis einer sozial-intelligenten Kommunikation sowie Zusammenfassung 236 der wesentlichen Ergebnisse 4 Denkbare Kooperationsmöglichkeiten, deren (psycho-) logische 239 Konsequenzen und der Grad der jeweiligen Zielerreichung 4.1 Die operativ-statische Kooperationsform auf der Basis eines 240 bestehenden Konkurrenzverhältnisses 4.1.1 Die Folgen des bestehenden Konkurrenzverhältnisses und der der Kooperation 240 inhärenten Statik in Bezug auf die einzelnen Beziehungsebenen und die Verhal- tensgrundlagen 4.1.2 Die Ausprägung der Leistungsprozesse vor dem Hintergrund einer operativ- 241 statischen Kooperation 4.1.3 Die Gefahr einer möglichen Übervorteilung und der Zielerreichungsgrad 242 4.2 Die operativ-statische Kooperationsform ohne bestehendes 243 Konkurrenzverhältnis 4.2.1 Gemeinsamkeiten und Abweichungen bezüglich der Ausprägung der einzel- 243 nen Beziehungsebenen im Vergleich zum obigen Fall 4.2.2 Die Gefahr der wechselseitigen Übervorteilung sowie das Ausmaß der Ziel- 245 erreichung 4.3 Die operativ-dynamische Kooperationsform unter Zugrunde- 245 legung eines Konkurrenzverhältnisses 4.3.1 Die Nutzung der Dynamisierungspotenziale auf den einzelnen Beziehungs- 246 ebenen innerhalb einer bedingt dynamischen Kooperation 11 4.3.2 Die Entwicklung der einzelnen Beziehungsebenen bei einer umfassenden dy- 247 namischen Kooperation und die darauf basierenden Verhaltensgrundlagen 4.3.2.1 Die Folgen für die der Kooperation zu Grunde liegenden Vertrauensbasis 248 4.3.3 Die zu erwartenden Ergebnisse hinsichtlich der Leistungsbeziehungen 249 4.3.4 Die wechselseitige Übervorteilung als ernst zu nehmende Gefahr, die 251 erfolgreichen dynamischen Kooperationsbemühungen in Frage zu stellen 4.3.4.1 Der Grad einer möglichen Übervorteilung innerhalb der bedingt dyna- 253 mischen Kooperationsausprägung 4.3.5 Der Zielerreichungsgrad bei der dynamischen und der bedingt dynamischen 254 Kooperationsausprägung 4.4 Die operativ-dynamische Kooperationsform ohne bestehen- 256 des Konkurrenzverhältnis 4.4.1 Die Ausprägung der Koordinations- und Wissensbeziehungen sowie der Ver- 256 haltensgrundlagen in Bezug auf eine bedingt dynamische Kooperation 4.4.1.1 Die sich aus der umfassend dynamischen Kooperationsform ergebenden Fol- 257 gen bezüglich des Entwicklungsstandes der Beziehungsebenen 4.4.2 Die Entwicklung der unternehmensübergreifenden Leistungsbeziehungen 258 4.4.3 Die Ausgangsbedingungen und Risikopotenziale einer gegenseitigen Über- 259 vorteilung 4.4.4 Der Zielerreichungsgrad im Rahmen der geschilderten Kooperationsausprä- 261 gungen und kurze Zusammenfassung der Erkenntnisse 4.5 Theoretische Vorüberlegungen bezüglich eines klaren Ver- 263 ständnisses der Ziele, Aufgabenstellungen und der Ausprä- gung der Beziehungsebenen bei strategischen Kooperationen 4.5.1 Der Zusammenhang zwischen Strategiegenerierung und systemverträglicher 264 Unternehmensentwicklung zur Sicherstellung der interorganisationalen Über- lebensfähigkeit 4.5.1.1 Die wesentlichen Unterschiede zwischen einer strategischen und operativen 266 Vorgehensweise in Bezug auf die Ziele und inhaltlichen Aufgabenstellungen 4.5.2 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einer strategischen und einer 268 operativen Kooperation in Bezug auf die Koordinations- und Einflussbezie- hungen 12 4.5.2.1 Die Bestandteile eines gemeinsamen Grundverständnisses zwischen den be- 269 teiligten Kooperationspartnern zur Bewältigung der strategischen Aufgaben 4.5.2.2 Systemisches Denken als eine wesentliche Voraussetzung der Komplexitäts- 271 reduzierung und Zielfindung bei strategischen Aufgaben 4.5.2.3 Die Schaffung und Erneuerung von Kontexten durch einen erweiterten 271 Wahrnehmungsprozess 4.5.3 Unterschiede zwischen einer strategischen und einer operativen Kooperation 273 in Bezug auf die Wissens- und Informationsbeziehungen 4.5.3.1 Die Bedeutung von Fehlertoleranz und Kreativität für die strategische Entschei- 274 dungsfindung sowie eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen 4.3.5.1.1 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse bezüglich der Koordinations- 276 und Wissensbeziehungen im Rahmen einer strategischen Kooperation 4.5.4 Die Konsequenzen bezüglich der interorganisationalen Verhaltensmuster, um 277 den aus den Koordinations- und Wissensbeziehungen resultierenden Anforde- rungen entgegenzutreten 4.5.4.1 Vertrauen als eines der Grundelemente einer dynamischen und nachhaltigen 278 strategischen Kooperation 4.5.4.2 Synegoismus als grundlegende Verhaltensweise, um den (strategischen) 280 Anforderungen gerecht zu werden 4.5.5 Unterschiede zwischen einer strategischen und einer operativen Kooperation 282 in Bezug auf die technologisch untermauerten Informations- und Leistungs- prozesse 4.5.5.1 Die Bedeutung der Informationstechnologie in Bezug auf die interorganisa- 283 tionale Zusammenarbeit 4.5.5.2 Die Auswirkung der strategischen Fragestellungen auf die zwischenbetrieb- 284 lichen Leistungsprozesse 4.6 Die strategisch–statische Kooperationsform auf der Basis 285 einer bestehenden Konkurrenzbeziehung 4.6.1 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die Koordinations- 286 und Einflussbeziehungen 4.6.2 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die Wissens- und 287 Informationsbeziehungen 4.6.3 Die Ausprägung der Vertrauensbasis vor dem Hintergrund einer statisch- 288 strategischen Kooperationsentwicklung 13 4.6.4 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die Informations- 289 und Leistungsbeziehungen 4.6.5 Die Gefahr der gegenseitigen Übervorteilung hinsichtlich der statischen 291 Kooperationsausprägung 4.6.6 Die eingeschränkte Diversität der Möglichkeiten und der ungenügende 293 Zielerreichungsgrad als Sinnbild einer kaum lebensfähigen Kooperation 4.7 Die strategisch-statische Kooperationsform ohne ein beste- 294 hendes Konkurrenzverhältnis 4.7.1 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die einzelnen 294 interorganisationalen Beziehungsebenen 4.7.2 Die ungenügende Nutzung der technologischen Potenziale, die daraus resultie- 295 renden Konsequenzen hinsichtlich der Zielerreichung und das Risiko opportu- nistischer Verhaltensweisen 4.7.2.1 Die Gefahr der Ausprägung opportunistischer Verhaltensweisen 296 4.7.3 Der Versuch einer Erklärung für die hohe Misserfolgsquote strategischer 297 Kooperationen 4.8 Die strategisch-dynamische Kooperationsform auf der Grund- 299 lage eines bestehenden Wettbewerbsverhältnisses 4.8.1 Der Einfluss der dynamischen Kooperationsausprägung auf die Koordinations- 299 und Einflussbeziehungen 4.8.2 Der Einfluss der dynamischen Kooperationsausprägung auf die Wissens- und 300 Informationsbeziehungen und die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Ab- grenzung des Kooperationsfeldes 4.8.2.1 Die Bedeutung der richtigen Abgrenzung des Kooperationsfeldes im Hinblick 301 auf eine dynamische Entwicklung 4.8.3 Die synegoistische Verhaltensausprägung als Grundvoraussetzung einer 302 systemverträglichen und dynamischen Entwicklung der Beziehungsebenen 4.8.4 Der Einfluss der dynamischen Kooperationsausprägung auf die Informations- 304 und Leistungsbeziehungen und der damit verbundene Zielerreichungsgrad 4.8.5 Die Sicherstellung einer kontinuierlichen Entwicklung durch Nachhaltigkeit 306 als wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen einer dynamischen und einer bedingt dynamischen Kooperation 14 4.8.5.1 Konsequenzen einer lediglich bedingt dynamischen Entwicklung der Koope- 307 ration hinsichtlich der Zielerreichung und einer gegenseitigen Übervorteilung 4.9 Die strategisch-dynamische Kooperationsform ohne das 308 Bestehen einer Konkurrenzsituation zwischen den Koope- rationspartnern 4.9.1 Die Auswirkungen der Dynamik auf die einzelnen interorganisationalen 309 Beziehungsebenen 4.9.2 Die Konsequenzen für die beteiligten Kooperationspartner hinsichtlich 309 Nachhaltigkeit, (inter-) organisationaler Systemverträglichkeit und strate- gischer Zielerreichung 4.9.2.1 Die umfassende Wahrnehmung von sozialer Verantwortung auf allen Hand- 310 lungsfeldern als wichtiges Merkmal einer dynamischen Kooperation ohne bestehendes Konkurrenzverhältnis 4.9.2.2 Die Folgen einer beschränkt dynamischen Kooperationsentwicklung 312 4.9.3 Die Auswirkungen auf die interorganisationalen Leistungsprozesse 313 4.9.4 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse bezüglich Aufbau und 314 Durchführung einer strategischen Kooperation 5 Die Ableitung eines Verfahrens zur Kooperationsbewertung 316 und die Erörterung von Entwicklungspfaden anhand des Ko- operationswürfels 5.1 Die Entwicklung eines Verfahrens zur Bewertung bestehen- 316 der (und potenzieller) operativer und strategischer Koopera- tionen 5.1.1 Die wesentlichen Inhalte der Fragenkataloge, das dahinter stehende Auswer- 317 tungsverfahren und die damit verbundenen Ziele 5.2 Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich von Kooperationsbe- 319 ziehungen unter Konkurrenzbedingungen 5.2.1 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-operativen Kooperation auf der 320 Grundlage eines bestehenden Konkurrenzverhältnisses 5.2.2 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-operativen Kooperation 322 15 5.2.2.1 Entwicklungsperspektiven einer umfassend dynamischen Kooperation: 323 Der Übergang von operativen zu strategischen Fragestellungen 5.2.3 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-strategischen Kooperation 326 5.2.4 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-strategischen Kooperation 327 5.3 Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich von Kooperationsbe- 329 ziehungen ohne existierende Konkurrenzbedingungen 5.3.1 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-operativen Kooperation 329 5.3.2 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-operativen Kooperation 331 5.3.2.1 Bestehende Entwicklungsrichtungen innerhalb einer umfassend dynamischen 332 Kooperation 5.3.3 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-strategischen Kooperation 334 5.3.4 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-strategischen Kooperation 336 und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 5.3.4.1 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse und Überleitung zur 338 abschließenden Fallstudie 6 Die praktische Anwendbarkeit der Grundlagen zur Formulie- 341 rung eines ganzheitlichen Kooperationsansatzes gezeigt an- hand einer Fallstudie aus der Praxis 6.1 Die an der Fallstudie beteiligten Unternehmen und die zu 341 Grunde liegenden Ausgangsbedingungen 6.1.1 Die Entwicklung der Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen 342 6.2 Die zentralen Gründe zur Durchführung der Fallstudie und 345 die beabsichtigte Vorgehensweise 6.2.1 Die Vorgehensweise im Rahmen der Fallstudie und die dahinter stehenden 346 Zielvorstellungen 6.3 Auswertung und Analyse der aus der Fragebogenaktion resul- 348 tierenden Ergebnisse 16 6.3.1 Die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens auf der Basis des allgemein bzw. 349 operativ ausgerichteten Teils des Fragebogens und die daraus folgenden Konsequenzen 6.3.1.1 Analytische Betrachtung der Ergebnisse des Bewertungsverfahrens 357 6.3.2 Die Ergebnisse des strategischen Teils des Fragebogens und die sich daraus 359 ergebende analytische Bewertung 6.3.2.1 Analyse der Ergebnisse des strategisch ausgerichteten Teils des Fragebogens 364 6.4 Die denkbaren Handlungsoptionen und das hinter der Koope- 365 ration stehende Entwicklungspotenzial 6.4.1 Denkbare Handlungsoptionen in Bezug auf die Realisierung einer umfassend 366 dynamisch-operativen Kooperation 6.4.1.1 Die Analyse der Koordinations- und Wissensbeziehungen als Ausgangspunkt 367 zur Erschließung umfassender Dynamisierungspotenziale 6.4.1.2 Die Weiterentwicklung der Leistungsbeziehungen zur nachhaltigen Steigerung 369 der interorganisationalen operationalen Effizienz 6.4.2 Die der Kooperation inhärenten Entwicklungsmöglichkeiten und Potenziale im 371 Hinblick auf eine strategische Ausrichtung 7 Resümee 373 Anhang 1: Fragenkatalog zur Kooperationsbewertung: 378 Allgemeiner Teil Anhang 2: Fragenkatalog zur Kooperationsbewertung: 386 Strategischer Teil Literaturverzeichnis 390 17 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Der Einkaufsprozess im Industriezeitalter 35 Abb. 2: Die Stellung des Kunden im Industriezeitalter 40 Abb. 3: Die Funktionen des Managements auf der Basis einer mechanischen Denk- 43 konzeption Abb. 4: Die Informationsgesellschaft als fünfter Kondratieff 48 Abb. 5: Einsatz von Internettechnologien in westeuropäischen Unternehmen 50 Abb. 6: BtB E-Commerce-Umsatz in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in 2004 51 Abb. 7: Weltweite BtB Markteinschätzung 51 Abb. 8: Begriffsdefinition Multimedia 53 Abb. 9: Die Multimedia-Wertschöpfungskette 54 Abb. 10: Die Schichten und Säulen des Internets 55 Abb. 11: Eine Phasendarstellung der Auswirkungen des Internets auf Unternehmen 57 Abb. 12 Die Wertschöpfungskette des Computerherstellers Dell 62 Abb. 13: Die sich aus E-Commerce-Anwendungen ergebenden Vorteile 63 Abb. 14: Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Handel 64 Abb. 15: Möglichkeiten der Wertschöpfungsoptimierung ohne tief greifende Änderung der 65 Wertkette Abb. 16: Aufbau einer integrierten Supply Chain 67 Abb. 17: Direktes und indirektes Web-EDI 69 Abb. 18: Der Anteil am BtB-E-Commerce, der über Intermediaries abgewickelt wird 73 (Euro 15) Abb. 19: Die Charakteristiken der verschiedenen Handelsmodelle von Intermediaries 77 Abb. 20: BtB-Geschäftsmatrix in Abhängigkeit vom Einkaufsverhalten 77 Abb. 21: Modell zur brokerbasierten und kundenbezogenen Massenfertigung 79 Abb. 22: Klassifizierung von BtB-Hubs 81 Abb. 23: Wie E-Business Broker die BtB-Integration verändern 82 18 Abb. 24: Internetinfrastruktur-Anbieter und deren Dienste 83 Abb. 25: E-Business Netzwerk-Organisation 88 Abb. 26: Die Organisation der Zukunft 89 Abb. 27: Die Erfolgsmuster der Industriegesellschaft im Vergleich zur Wissensgesellschaft 90 Abb. 28: Konventionelle Produktentwicklung und Simultaneous Engineering im Vergleich 92 Abb. 29: Traditioneller und internet-gestützter Verkauf im Vergleich 93 Abb. 30: Gegenüberstellung der Supply Chain im Industrie- und Internetzeitalter 95 Abb. 31: Gegenüberstellung der Position eines Arbeitnehmers in der Industrie- und 96 Informationsgesellschaft Abb. 32: Das offene Mehrschnittstellenmodell zur Beschreibung der Anforderungs- 99 struktur in der neuen Arbeitswelt Abb. 33: Der Unterschied zwischen strukturbewahrenden und evolvierenden Systemen 113 Abb. 34: Die Funktionen des Managements aus systemischer Sicht 113 Abb. 35: Unterschiedliche Outsourcing-Varianten 119 Abb. 36: Das sich wandelnde Kundenverhalten: Vom passiven Abnehmer zum aktiven 130 Gestalter Abb. 37: Die Wertkette zur Ausführung von E-Business-Geschäften 135 Abb. 38: Die Veränderungsmedaille 142 Abb. 39: Mögliche Koordinationsmechanismen zwischen Unternehmen 150 Abb. 40: Interaktionsformen zwischen Unternehmen im Vergleich 154 Abb. 41: Unternehmensallianzen in Bezug auf betriebliche Funktionsbereiche 161 Abb. 42: Das E-Commerce-Handelsmodell der Vorwärtsaggregation 163 Abb. 43: Anwendungsbereiche des Customer-Relationship-Managements (CRM) 165 Abb. 44: Mehrwertnutzen durch Produktionsnetzwerke 168 Abb. 45: Das Kontinuum von Harmonie bis Systembruch 173 Abb. 46: Bedingungen eines dauerhaften, strategischen Wettbewerbsvorteils 177 Abb. 47: Differenzierungspotenziale durch den Einsatz moderner Informationstechnologien 181 19 Abb. 48: Koordinations- und Interaktionsformen bei Konkurrenz und Coopetition/ 191 Kooperation im Vergleich Abb. 49: Koordinations- und Interaktionsformen bei Tausch und Kooperation im Vergleich 195 Abb. 50: Unterschiede zwischen strukturbewahrenden Systemen mit und evolvierenden 198 Systemen ohne Übergangsverhalten Abb. 51: Der Kooperationswürfel 239 Abb. 52: Die einzelnen Wertschöpfungsschichten: Vom Austausch bis zum Hub 250 Abb. 53: Überblick über Studien mit dem Fokus auf Misserfolgsquoten bei Kooperationen 298 Abb. 54: Bestimmung des Handlungsbedarfs zur Verbesserung der Marktzielorientierung 325 20 Einführung Die hinter der Arbeit stehenden Ziele, die Vorgehensweise und das zugrundeliegende Wissen- schaftsverständnis Das grundlegende, aus der praktischen Lebenswelt herrührende Ziel der vorliegenden Arbeit ist darin zu sehen, Wege aufzuzeigen, wie die nahezu alle am Markt tätigen Unternehmen betreffende Herausforderung, im Informations- und Wissenszeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben, besser be- werkstelligt werden kann. Hinter dieser Wettbewerbsfähigkeit steht die auf den ersten Blick triviale Erkenntnis, dass das übergeordnete inhaltliche Ziel einer jeden im Wettbewerb stehenden Unter- nehmung darin zu sehen ist, über die notwendige Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit zu verfü- gen, die ein dauerhaftes Überleben am Markt gewährleistet1. Dabei ist das Überleben für ein Unter- nehmen um so verträglicher bzw. reibungsloser, je besser es gelingt, das (unternehmerische) Fort- bestehen ohne größere Umbrüche bzw. Krisen zu bewältigen. Letzteres ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass zahlreiche Veränderungs- und Anpassungsprozesse oftmals reaktiv statt präventiv er- folgen. Diese werden sehr oft von nicht unbeträchtlichen Turbulenzen bis hin zu einem massiven Arbeitsplatzabbau begleitet, was letztlich als Systembruch bezeichnet werden kann. Solch einen Systembruch, mit all den damit verbundenen Härten und Zwängen, gilt es nach Mög- lichkeit in präventiver Art und Weise durch eine ganzheitliche Vorgehensweise zu vermeiden. Um ein möglichst reibungsloses Überleben sicherzustellen, greift nach Kastner die einseitige Aus- richtung einer (Produktions-) Organisation an technischen Gegebenheiten bzw. Errungenschaften und den dahinter stehenden ökonomischen Stellparametern eindeutig zu kurz. Vielmehr ist ein Um- denken dahingehend erforderlich, dass eine möglichst evolutionäre Entwicklung eines Unterneh- mens mehr und mehr davon abhängig ist, inwieweit es zu einem effizienten und effektiven Zusam- menspiel zwischen ökonomisch-logischen, informations-logischen und auch psycho-logischen Pro- zessen kommt2. Die ökonomischen Logiken zielen dabei beispielsweise auf eine optimale Gestaltung von Struktu- ren und Prozessen im Unternehmen sowie eine entsprechende Bedienung der Märkte unter Kosten- /Nutzengesichtspunkten ab. Die informatorischen Logiken hingegen setzen sich mit der Optimie- rung von Daten- und Informationsflüssen auseinander, mit dem Ziel, dass zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort die benötigten Informationen vorliegen. Die Psycho-Logik schließlich hat zum Kernziel, menschliches Verhalten zu verbessern, also dafür zu sorgen, dass sich Menschen derart verhalten, dass es ihrer eigenen wie auch der Entwicklung des jeweiligen Unternehmens zugute kommt3. Für eine möglichst harmonische Entwicklung eines Unternehmens ist es demnach von großer Wich- tigkeit, sich zumindest ansatzweise jener Faktoren bewusst zu werden, die bezüglich der Ausprä- gung der einzelnen Logiken in den heutigen Zeiten einen dominierenden Einfluss ausüben. Vor diesem Hintergrund ist es ein erstes wichtiges Ziel dieser Arbeit, bezüglich der Ausprägung der ein- zelnen Logiken zumindest ein Stück weit für Transparenz zu sorgen. Dabei geht es in einem, die ersten beiden Kapitel umfassenden, allgemeinen Teil darum, jene erwähnten Logiken bzw. Grund- muster sichtbar zu machen. In diesem Zusammenhang ist ein zentraler Ansatzpunkt, an welchem sich die einzelnen Logiken sehr gut festmachen lassen, in der unternehmerischen Wertschöpfung zu sehen. Diese findet ihren Ausdruck in bestimmten Differenzierungsmerkmalen wie Qualität, Leistung und Einzigartigkeit oder beruht auf Vorteilen hinsichtlich Preisen bzw. Kosten4. 1 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 5 f. 2 vgl. Kastner (1998), S. 178 3 vgl. Kastner (1998), S. 176 f. 4 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (1997), S. 4367 f. 21 Somit trägt die Wertschöpfung im Unternehmen in entscheidendem Maße dazu bei, oben erwähnte Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit möglichst dauerhaft zu sichern5. Betrachtet man die Wertschöpfung infolge aus einer übergeordneten Perspektive, so lässt sich fest- stellen, dass die Durchführung der strategischen und operativen Tätigkeiten zur Bestimmung und Umsetzung obiger Wettbewerbsvorteile wiederum explizit und implizit durch die oben aufgeführten Logiken gesteuert werden. Diese verkörpern in gewisser Weise existierende Grundannahmen, die beispielsweise auf die Formulierung einer Strategie einen tief gehenden Einfluss ausüben, ohne dass sich die Beteiligten dessen immer umfassend bewusst sind. Infolgedessen werden die wesentlichen Logiken und Grundmuster, die die Wertschöpfung bzw. Entwicklung eines Unternehmens beeinflussen, dargestellt. Den Anfang macht diesbezüglich im ersten Kapitel eine kurze einführende Analyse der wichtigsten ökonomischen, informatorischen und psychologischen Logiken und Entwicklungsmustern in Bezug auf die Wertschöpfung im Industriezeitalter. Hierbei geht es einerseits um Erkenntnisse über Marktstrukturen sowie aus unternehmensnahen Be- reichen wie Organisation und Produktion, die eher auf ökonomische und informatorische Logiken aufbauen. Auf der anderen Seite werden aber auch die psychologischen Grundsätze hinsichtlich der Entwicklung eines Unternehmens im Industriezeitalter beleuchtet, wobei im Wesentlichen der Ein- fluss der Rationalität und das dahinter stehende mechanisch-technizistische Weltbild zur Sprache kommt (vgl. Kapitel 1.1 ff). Der Rückgriff auf das Industriezeitalter erfolgt deswegen, da aus dieser Zeit einige bedeutende Er- kenntnisse resultieren, die die Entwicklung von Unternehmen bis heute in tief gehender Weise be- einflussen. Ferner ist die Industriegesellschaft in vielfältiger Art und Weise als Gegenpol zur heuti- gen Informations- und Wissensgesellschaft zu sehen, so dass ein Vergleich der Ausprägungen der einzelnen Logiken eine Reihe interessanter Erkenntnisse verspricht. Dementsprechend folgt im zweiten Kapitel eine intensive Auseinandersetzung mit den entsprechen- den Logiken und Entwicklungsmustern in der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft. Diesbezüglich steht vorab eine intensive Betrachtung der technologischen Grundlagen der Informa- tionsgesellschaft im Mittelpunkt, wobei deren Tragweite und Potenziale sowie die Entwicklung und Ausbreitung der Informationstechnologien, nebst deren umfassenden Anwendungsmöglichkeiten, zur Sprache kommen (vgl. Kapitel 2.2 ff.). Nach diesen einführenden Erläuterungen der ungeheuren Bedeutung der Informationsgesellschaft und deren Potenziale werden im Weiteren die daraus resultierenden Konsequenzen für die Wert- schöpfung in einem Unternehmen erläutert. Diesbezüglich werden die im Vergleich zur Industriegesellschaft wesentlichen Unterschiede in Be- zug auf organisatorische und prozessorientierte Fragestellungen sowie die Rolle der Mitarbeiter analysiert (vgl. Kapitel 2.3 ff.). Hierauf folgt ein ausführlicher Exkurs hinsichtlich der veränderten psychologischen Grundsätze der Entwicklung eines Unternehmens im Informationszeitalter. Im Kern geht es hierbei um Erkennt- nisse aus den Bereichen der Systemtheorie, der Kognitionsbiologie sowie des Konstruktivismus, welche die traditionell begründeten rationalen Ansätze bezüglich der Entwicklung von Unterneh- men mehr und mehr obsolet erscheinen lassen. Diese Denkansätze zeichnen sich vielmehr in ihrer Gesamtheit dadurch aus, dass sie radikal mit der bis heute weit verbreiteten Vorstellung brechen, in einer deterministischen, objektiven Welt zu leben, welche einzig naturwissenschaftlichen Gesetzen folgt. Dementsprechend ist eine Abkehr von dem einseitigen mechanisch-technizistischen Weltbild zwingend erforderlich (vgl. Kapitel 2.4 ff.). 5 vgl. Röhrle (1990), S. 13 22 Nach diesem Exkurs erfolgt eine genaue Analyse der veränderten Marktbedingungen und den dar- aus hervorgehenden unternehmerischen Herausforderungen in der Informations- und Wissensge- sellschaft. Dabei kommen einmal die durch die technologischen Entwicklungen veränderten Wettbewerbsbe- dingungen sowie die daraus folgenden Konsequenzen für die Wertschöpfung zur Sprache. Zum anderen werden die sich neu konstituierenden Marktstrukturen einer genaueren Untersuchung un- terzogen. Hierbei stehen der Übergang vom Anbieter- zum Nachfragermarkt sowie die Folgen einer zunehmenden Abnehmermacht wie auch einer steigenden Individualisierung der Kundenwünsche im Mittelpunkt (vgl. Kapitel 2.5.1 und 2.5.2 ff.). Schließlich endet das zweite Kapitel damit, dass die unternehmerische Notwendigkeit, zukünftig zunehmend eine Vielzahl unterschiedlicher Kooperationen eingehen zu müssen, einer genauen Ana- lyse unterzogen wird. Letzteres ergibt sich als wesentliche Konsequenz, die sich aus dem Vergleich bzw. der Analyse insbesondere der informatorischen und ökonomischen Logiken im Industrie- und Informationszeitalter in Bezug auf die Wertschöpfung im Unternehmen ableiten lässt. Das heißt, es geht um eine erste vertiefende Betrachtung der Erkenntnis, dass es für eine möglichst evolutionäre Entwicklung einer Unternehmung und der damit verbundenen Wettbewerbsfähigkeit im Informati- onszeitalter von entscheidender Bedeutung ist, dass den Veränderungen gerade der technologischen und marktlichen Logiken dadurch Rechnung getragen wird, indem durch das Eingehen von Koope- rationen ein anderes Verständnis im Umgang mit dem externen Markt zu Tage tritt (vgl. Kapitel 2.5.3 ff.). Im anschließenden speziellen Teil erfolgt in den nachfolgenden drei Kapiteln eine intensive Ausei- nandersetzung mit der Entwicklung der Grundlagen einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie. Hinter dieser verbirgt sich ein Steuerungsinstrument, welches ein Unternehmen in die Lage verset- zen soll, eine Vielzahl an (operativen und strategischen) Kooperationen professionell zu handeln. Ganzheitlich steht in diesem Zusammenhang für eine Vorgehensweise, die konsequent die informa- torischen, ökonomischen und psychologischen Logiken bei dem Eingehen von Kooperationen in die Betrachtung einbezieht. Diesbezüglich wird, auf der Basis konstruktivistisch-systemischer Erkenntnisse, innerhalb des zu entwickelnden „Kooperationssteuerungsinstrumentariums“ konsequent der Blick nach innen, auf die Funktionsweise von Unternehmen als soziale Systeme gerichtet. Auf diese Weise soll der Tat- sache entgegengewirkt werden, dass die „Black Box“ Unternehmung, gerade, wenn es um die Steu- erung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen geht, viel zu selten im Blickpunkt der Betrachtung steht6. Diese Fehlentwicklung hängt u.a. mit der vielfach zu findenden irrigen Annahme zusammen, dass sich jede logisch-stringent formulierte Idee oder jeder rational durchgeplante Veränderungsprozess allein kraft des "zwanglosen Zwangs des besseren Argumentes" in die Praxis (das Wie) umsetzen ließe. Wäre dem so, würden Logik und Rationalität jeglichen Entwicklungs- und Veränderungspro- zess zu 100% beeinflussen. Dann könnte auch jeder Blick auf die möglichen internen Funktions- weisen eines Unternehmens entfallen, da schon die Einsicht in das bessere Argument ausreichen müsste (das „Was“), ein entsprechendes Handeln folgen zu lassen (das „Wie“). Somit geht es im Hauptteil der Arbeit im Zusammenhang mit der Entwicklung der Grundlagen ei- ner umfassenden Kooperationsstrategie nicht nur um eine Vertiefung des Was, sondern auch um eine intensive Auseinandersetzung mit dem Wie. Die dahinter liegende Zielvorstellung ist, dass diese Mischung zumindest ein Stück weit dazu beiträgt, dass es einem Unternehmen mittels eines effizienten und effektiven Kooperationsmanagements gelingt, seine Entwicklungs- und Anpas- sungsfähigkeit ohne große Umbrüche zu steuern. 6 vgl. Mintzberg (1995), S. 375 ff. 23 Dementsprechend kommen im dritten Kapitel zunächst die Grundlagen zur Umsetzung einer ganz- heitlichen Kooperationsstrategie zur Sprache. Hierzu zählen die Definition von Kooperationen, de- ren übergeordnete Differenzierung in Bezug auf das Ausmaß der Zusammenarbeit sowie die Dar- stellung der wesentlichen Abgrenzungskriterien von anderen Koordinationsmechanismen wie Markt und Hierarchie (vgl. Kapitel 3.1.1 ff.). Des Weiteren wird eine eingehende Analyse der we- sentlichen makroökonomischen Entwicklungen durchgeführt sowie eine genaue Untersuchung, wel- che Kooperationsmöglichkeiten es aus mikroökonomischer Sicht entlang der Wertkette gibt (vgl. Kapitel 3.1.2 ff.). Darüber hinaus erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Aufbau von Wettbe- werbsvorteilen zur Sicherstellung einer systemverträglichen interorganisationalen Unternehmens- entwicklung (vgl. Kapitel 3.1.3 ff.). Nach diesen einführenden Anmerkungen zur Formulierung einer Kooperationsstrategie werden anschließend anhand einer fundierten theoretischen Analyse die wichtigsten inhaltlichen Beurtei- lungskriterien bzw. Ausprägungsformen von Kooperationen und deren dahinter stehende logische und psychologische Grundlagen erarbeitet. Diese stellen letztlich das analytische Grundgerüst dar, Kooperationen dahingehend qualifizieren zu können, inwieweit diese geeignet sind, zur Entwick- lungs- bzw. Überlebensfähigkeit einer Unternehmung beizutragen (vgl. Kapitel 3.2 ff). Zur Transparenz dieses Grundgerüstes werden im folgenden Kapitel 4 aus den analysierten Beur- teilungskriterien denkbare Kooperationsformen abgeleitet. Dabei werden die jeweiligen Kooperationsausprägungen einer genauen Analyse unterzogen, wobei zum einen die dahinter stehenden (psycho-) logischen Bedingungskonstellationen sowie zum ande- ren der jeweilige Zielerreichungsgrad im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Auf dieser Basis ist es letztlich möglich, sowohl Chancen als auch Risiken aufzeigen, unter welchen (psycho-) logischen Bedingungen Kooperationen vorteilhaft oder risikobehaftet sein können (vgl. Kapitel 4 ff.). Die hieraus hervorgehenden Ergebnisse nebst dem analysierten theoretischen Grundgerüst bilden wiederum die Basis für die Erarbeitung eines Bewertungsverfahrens, welches es mit Hilfe eines Fragebogens ermöglicht, den momentanen Status quo einer (potenziellen) Unternehmenskooperati- on im Hinblick auf die jeweilige Kooperationsform, die Ausprägung der einzelnen Beziehungsebe- nen sowie die erwarteten Rahmenbedingungen und das Engagement zu erfassen (Kapitel 5.1 ff.). Darüber hinaus werden auf der Basis des oben erarbeiteten Grundgerüstes die wesentlichen Ent- wicklungspfade abgeleitet, welche ein Unternehmen in die Lage versetzen, nach einer erfolgreichen Kooperationsbewertung, die sich daraus ergebenden Entwicklungsmöglichkeiten besser einschätzen zu können (vgl. Kapitel 5.2 ff.). Somit steht den Unternehmen ein umfassendes und fundiertes Instrumentarium zur Verfügung, Ko- operationen qualifiziert bewerten und auf deren Entwicklungspotenziale hinterfragen zu können. Die auf diese Weise gefundenen Ergebnisse dienen als Grundlage, um daraus Verbesserungsmög- lichkeiten abzuleiten bzw. eine Handlungsgrundlage für die weitere Vorgehensweise zu schaffen, wie z.B. der Erarbeitung einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie. Im abschließenden Kapitel 6 wird dieses analytische Grundgerüst im Rahmen eine Fallstudie auf seine Praxistauglichkeit hin getestet. Bei dieser Fallstudie wird eine bestehende Unternehmens- kooperation aus der Praxis mittels des oben genannten Bewertungsverfahrens erfasst und analysiert. Auf der Grundlage der so gewonnenen Ergebnisse sowie unter Rückgriff auf die in der vorliegen- den Arbeit analysierten Zusammenhänge werden darauf einige zentrale Verbesserungsvorschläge bzw. Handlungsempfehlungen zur weiteren Vorgehensweise erarbeitet (vgl. Kapitel 6 ff.). Durch diese systematische Beschreibung bzw. Bewertung der Situation innerhalb der Kooperation und die darauf basierende Generierung von Handlungsempfehlungen werden den Entscheidungsträ- gern in der Praxis einige Vergleichsmaßstäbe und Anhaltspunkte an die Hand gegeben, die es bei 24 der Formulierung einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie zu beachten gilt7. Auf diese Weise soll zumindest ansatzweise verifiziert werden, dass die innerhalb der Arbeit gefundenen theoretisch un- termauerten Erkenntnissen nicht nur der Theorie, sondern auch der praktischen Lebenswelt stand- halten. Aus dieser Vorgehensweise geht implizit hervor, dass die vorliegende Arbeit eine Mittlerfunktion zwischen Theorie und Praxis zur Sicherstellung einer möglichst reibungslosen, umbruchfreien Ent- wicklung von Unternehmen im Informationszeitalter einnehmen möchte. Hintergrund dessen sind im Wesentlichen die theoretischen und praktischen Erfahrungen des Au- tors. Diese sind bis heute von der zentralen Erkenntnis geprägt, dass die Vorstellungen von Theorie und Praxis, insbesondere, was die Generierung und Umsetzung von Strategien und Konzepten zur Sicherung der Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen betrifft, bisweilen deutlich auseinander driften. Auf der einen Seite steht dabei die theoretisch fundierte Wissenschaft, die zwar durchaus viele nütz- liche Ideen und Wissensbausteine hervorbringt, ihr idealtypischer Hintergrund sich aber oft nur un- genügend mit den Anforderungen der Praxis in Einklang bringen lässt. Dies äußert sich sehr häufig in Verständnisschwierigkeiten oder aber in Form mangelnder bzw. ungenügender Umsetzungsfä- higkeit. Auf der anderen Seite darf jedoch auch nicht übersehen werden, dass große Teile der Praktiker nicht selten von dem naiven Glauben befallen sind, neue Ideen ließen sich ohne ein fundiertes, theore- tisch untermauertes Konzept und nennenswertes eigenes Tun quasi über Nacht erfolgreich umset- zen. Ein solches Handeln aus dem Gefühl heraus läuft im Grunde auf einen puren Pragmatismus hinaus, welcher im Sinne von Rüegg nicht zum Prinzip erhoben werden darf. Im Gegenteil, ein völlig un- theoretischer Pragmatismus sollte Krisen- und Ausnahmesituationen vorbehalten bleiben8 bzw. mit den Worten von Dahrendorf ausgedrückt: "Manchmal ist pragmatisches Handeln nötig; aber wer die Not zur Tugend zu machen versucht, richtet wenig aus, ja verschlimmert oft das, was zu reparie- ren er ausgezogen ist. Theorie ist mehr als ein süßer Luxus"9. Vor diesem Hintergrund entstand der Wille, diese Arbeit zu verfassen, welche das Ziel verfolgt, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, ohne aber der oft zu beobachtenden Tendenz zu unter- liegen, Wissenschaft um der Wissenschaft willen zu betreiben und somit die eigentlichen Sorgen und Nöte der Praxis nahezu gänzlich zu ignorieren. Aus diesem Grund orientieren sich die Frage- stellungen der vorliegenden Arbeit am praktischen Leben (vgl. die eingangs formulierte Zielvorstel- lung). Des Weiteren erhebt die Arbeit keinen Anspruch auf universelle Gültigkeit und ist von einer kon- struktivistischen Denkweise durchdrungen. Mit dieser Feststellung wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass in der Managementlehre wie auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften der Un- tersuchungsgegenstand – in Abkehr von der klassischen Physik – nicht strikt vom Forscher trennbar ist. Daher ist weder eine vorurteilslose Beobachtung noch eine exakte Messung möglich10. Folglich muss berücksichtigt werden, dass der Autor als erkennender Mensch in sein Untersuchungsobjekt einbezogen wird und nicht dem Untersuchungsgegenstand objektiv gegenübersteht. Vor diesem Hintergrund sei angemerkt, dass Wissenschaft eben kein Bereich objektiver, sondern subjektabhängiger Erkenntnis ist. Dieser Bereich wird durch eine Methodologie definiert, welche die Eigenschaften des Erkennens festlegt. Die Validität wissenschaftlicher Arbeit beruht daher auf 7 vgl. Baumgarten (1998), S. 46 8 vgl. Rüegg (1989), S. 24 9 vgl. Dahrendorf (1987), S. 28ff. (hervorgehoben im Original) 10 vgl. Varela (1994), S. 122 25 ihrer Methodologie, welche die kulturelle Einheitlichkeit der Beobachter bestimmt, und nicht auf einer irgendwie gearteten objektiven Realität11. In diesem Zusammenhang merkt Beck an, dass die Geschichte der Wissenschaften weit weniger durch einen Zugewinn an Erkenntnis gekennzeichnet ist, sondern vielmehr durch Irrtümer und prak- tische Fehlleistungen. Dieses lässt sich u.a. daran sehen, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse gemessen am Zeitablauf an verschiedenen Orten und innerhalb verschiedener Denkschulen teilwei- se diametral widersprechen12. Daher ist es letztlich auch wenig verwunderlich, dass man heute zu nahezu jedem wissenschaftlichen Gutachten ebenso ein Gegengutachten erstellen kann, wobei meist beide aus ihrem Blickwinkel heraus betrachtet Recht haben. In ähnlicher Weise argumentiert Schmidt, für den weder Gut und Böse noch wahr und falsch abso- lut kontextfreie Werte darstellen, sondern vielmehr referenzabhängig vom jeweiligen Referenten sind, der die Art und Weise ihrer Konstitution determiniert13. Hier wird die konstruktivistische Umorientierung wissenschaftlicher Forschung, nämlich von wah- rem, objektivem Wissen zu brauchbarem, für die Menschen nützlichem Wissen, besonders deutlich. Im Mittelpunkt steht nicht mehr Deskriptivität, sondern Problemlösungskapazität, nicht mehr Ob- jektivität, sondern die Intersubjektivität von Erfahrungen in kognitiven Welten interagierender Part- ner14. Diesbezüglich ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die Fähigkeit, die Zukunft auf Basis eines linearen Denkens enthüllen zu können bzw. der Glaube, es mit einer vorhersehbaren, domesti- zierten und kontrollierbaren Umwelt zu tun zu haben, im Grunde nichts anderes als ein unerfüllba- rer Wunschtraum ist15. Im Gegenteil, die Zukunft ist unabgeschlossener denn je, basierend auf der Erkenntnis, dass es eine einzige Wahrheit in einer fertig vorgefundenen Welt nicht gibt, sondern man es mit einer unendlichen Vielfalt an „richtigen“ und konfligierenden Visionen bzw. Welten zu tun hat16. Aus den genannten Gründen hat diese Arbeit zum Ziel, im Gegensatz zu den exakten Naturwissen- schaften, eben nicht nach unveränderbaren naturwissenschaftlichen Gesetzen zu suchen, sondern nach sozialen "Invarianzen", um diese kritisch reflektierend zu überwinden. Diese Zielvorstellung geht auf eine zentrale Erkenntnis von Galtung zurück, welche besagt, dass das beste Verhalten ge- genüber der Natur darin besteht, ihre Gesetze zu erkennen, die als absolute Invarianzen aufzufassen sind, und sein Handeln an ihr auszurichten. Das beste Verhalten gegenüber Gesellschaften hingegen ist ein anderes. Hier darf man die relativen Invarianzen nur so lange gelten lassen, wie sie der Ge- sellschaft dienlich sind bzw. man ist aufgefordert, sich nach Möglichkeiten ihrer Überwindung um- sehen, falls dies nicht mehr so ist17. Dienlich meint im Sinne einer anwendungsorientierten Wissenschaft letztlich, ob es mit Hilfe der neu zu bedenkenden Erkenntnisse gelingt, Wege in Richtung einer besseren und wünschenswerte- ren Zukunft aufzuzeigen. Anwendungsorientiert mit Bezug auf eine angewandte Wissenschaft meint zweierlei: Einmal ist der hohen Komplexität der Probleme, die sich in der Praxis stellen, Rechnung zu tragen. Zum Zweiten ist eine solche Wissenschaft nicht hauptsächlich auf Erklärungen ausgerichtet, son- dern hat die Zukunftsgestaltung sozialer Systeme zum Ziel, womit sie kein theoretisches, sondern ein pragmatisches, an der Lebenspraxis ausgerichtetes Wissenschaftsziel verfolgt18. Das heißt, Wis- sen ist nur brauchbar bzw. überlebensfähig, wenn es der Erfahrungswelt standhält. Es muss den Menschen in die Lage versetzen, Vorhersagen zu treffen, um bestimmte Verhaltensweisen und da- 11 vgl. Maturana/Varela (1982), S. 309 12 vgl. Beck (1986), S. 260 13 vgl. Schmidt (1994), S. 45 14 vgl. Schmidt (1994), S. 43 15 vgl. Bierfelder (1991), S. 177 16 vgl. Bretz (1994), S. 148 ff. 17 vgl. Galtung (1978), S. 128 18 vgl. Rüegg (1989), S. 4 26 mit verbundene Ergebnisse zu realisieren und andere zu verhindern. Gelingt dies nicht, ist Wissen nutzlos19. In Umsetzung der zuvor dargestellten Sichtweise, ist eine theorieorientierte Grundlagenforschung zur Gewinnung empirisch-gehaltvoller, genereller Erklärungen über zu beobachtende Phänomene weniger Gegenstand dieser Arbeit. Hierbei sind „Warum-Fragen“ erkenntnisleitend, welche durch empirisch-kognitive Aussagen einer Klärung zugeführt werden sollen20. Die vorliegende Arbeit verfolgt stattdessen im Sinne einer angewandten Forschung das Ziel, Gestal- tungsmöglichkeiten und ihre Begründung zu formulieren, was letztlich auf die Beantwortung von „Wie-Fragen“ hinausläuft21. Insoweit sei nochmals unterstrichen, dass nicht die Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen als das Regulativ des Prozesses angewandter Forschung angesehen wird, sondern der Nutzen der Erkennt- nisse für die unternehmerische Praxis, d.h. für menschliches Leben22. Um erwähnten Ansprüchen gerecht werden zu können, wird nicht nur eine enge Affinität zu aus der Lebenspraxis kommenden Fragestellungen angestrebt, sondern es wird darüber hinaus versucht, im Rahmen der Lösungsvorschläge in großem Umfang interdisziplinäre Erkenntnisse mit einfließen zu lassen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass heute in erster Linie innovative, professionell umsetzba- re, ganzheitliche Organisationsmodelle und Lösungen für die wirtschaftlichen und gesellschaftli- chen Herausforderungen gefragt sind. Dabei sind die Forschungs- und Gestaltungsaufgaben so viel- fältig und umfangreich, dass sie von keiner Einzeldisziplin mehr bewältigt werden können, sondern vielfach ein interdisziplinäres Vorgehen erforderlich ist. Dementsprechend wird bewusst darauf geachtet, nicht nur ein einseitig rational-deterministisches, an der BWL orientiertes Denken, son- dern auch ein an der Psychologie, Soziologie, Systemtheorie und Neuronalbiologie sowie dem Konstruktivismus angelehntes (divergentes) Denken mit in die Analyse der Faktoren, die die Ent- wicklung eines Unternehmens beeinflussen, einfließen zu lassen. Bei dieser Vorgehensweise spielt die so genannte Mustererkennung eine entscheidende Rolle. Diese ist schon deshalb erforderlich, um innerhalb der eben erwähnten Interdisziplinarität nicht zu sehr im Detail zu versinken, was häufig in einem nicht mehr zu überschauenden bzw. zu bewältigenden Analyse-Paralyse-Prozess endet. Vielmehr wird durch sinnvolle Abstraktion versucht, die wesentli- chen Einflussfaktoren und deren Abhängigkeiten herauszuarbeiten23. Infolgedessen wird innerhalb der Ausarbeitungen bewusst darauf verzichtet, eine Ausschnittbe- trachtung auf der Grundlage wohldefinierter Einheiten anzufertigen bzw. den Untersuchungsbereich so weit einzugrenzen, dass komplexe Sachverhalte für eine singuläre Betrachtung zugänglich wer- den. Im Gegenteil, angestrebt wird, übergeordnete Strukturen sichtbar zu machen, um in Zeiten stei- gender Komplexität und Dynamik dem Praktiker die entsprechenden Wirkungszusammenhänge zu vermitteln. Hierfür ist eine zu starke Einengung des Betrachtungsfeldes oft wenig zielführend, son- dern es gilt, den angestammten Betrachtungsrahmen zu verlassen und übergeordnete Strukturen ins Blickfeld zu rücken24. Dies darf jedoch nicht so interpretiert werden, dass sich die Arbeit im We- sentlichen darauf beschränkt, „an der Oberfläche zu kratzen“, sondern es kommt dort, wo es als notwendig erachtet wird, auch zu detaillierten Erläuterungen der zu analysierenden Zusammenhän- ge. Letztlich soll diese Vorgehensweise dazu beigetragen, den Praktiker davor zu bewahren, bei der Lösung von Problemen in die so genannte Komplexitätsfalle zu tappen. Hiermit ist das häufig zu 19 vgl. Kastner (1993a), S. 5 20 vgl. Koller (1969), S. 16 21 vgl. Ulrich (1988), S. 179 ff. 22 vgl. Ulrich (1984), S.203 23 vgl. Oetinger (1993), S. 100 24 vgl. Warnecke (1999), S. 4 ff. 27 beobachtende Phänomen gemeint, dass es zu einem deutlichen Gefälle zwischen der Komplexität der anstehenden Problemlagen und der Einfachheit der daraus hervorgehenden Lösungsversuche kom-mt25. Sehr oft steht dieses im Zusammenhang damit, dass die von dem Unternehmen getroffe- nen Maßnahmen weder der Komplexität der zu lösenden Herausforderung genügen noch auf einem ausreichenden Verständnis der dahinter stehenden (psycho-) logischen Wirkungszusammenhänge beruhen26 (Stichwort Interdisziplinarität). Im übertragenden Sinn könnte man sagen, dass dem Praktiker, der vor der Herausforderung steht, die Überlebens- und Anpassungsfähigkeit seines Unternehmens durch das Eingehen einer Vielzahl an Kooperationen zu steuern bzw. zu verbessern, im Grunde dadurch am besten geholfen wird, wenn ihm von außen weder Fisch noch Angel zur Verfügung gestellt werden, sondern er dahinge- hend Hilfestellung bekommt, dass er fortan die Angel selbst konstruieren kann. Genau dies ist das zentrale Anliegen der folgenden Kapitel. 25 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 2 26 vgl. Probst (1987), S. 9 28 1 Logiken und Entwicklungsmuster im Zeitalter der Industriegesellschaft Nach Recktenwald spricht man von der Industriegesellschaft als einer Gesellschaftsform, deren Entwicklung ab etwa 1850 beginnt, zu einer Zeit, in der die Bedeutung der Landwirtschaft mehr und mehr zurückging. Einschließlich einer kurzen postindustriellen Phase erstreckte sich die Indus- triegesellschaft bis etwa Anfang der 90er Jahre des 20sten Jahrhunderts. Die Industriegesellschaft baute auf den Errungenschaften der industriellen Revolution auf. Diese ist gekennzeichnet durch die Ausbreitung der Maschinentechnik und die damit zusammenhängenden großbetrieblichen Entwick- lungen, die in der Industrie zur Ausprägung des Fabriksystems sowie zu wachsender Konzentration der Betriebe geführt haben27. Des Weiteren spielte in der Industriegesellschaft die Erschließung von Rohstoffen sowie der Bau von Fließbändern, Fabriken, Schornsteinen und Straßen eine wesentliche Rolle. Es galt, Energie- und Materialflüsse zu optimieren und das Angebot an materiellen Gütern zu erhöhen, wobei folg- lich die Befriedigung materieller Bedürfnisse für die Unternehmen im Mittelpunkt stand28. Neben diesen grundsätzlichen Charakteristiken der Industriegesellschaft gab es eine Reihe von Be- dingungskonstellationen, die insbesondere das Wirtschaften bzw. die Wertschöpfung der Unterneh- men am Markt beeinflussten. Dabei sind mit Wertschöpfung generell jene Tätigkeiten gemeint, die dafür sorgen, dass ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielt. Diese Wettbewerbsvorteile kom- men wiederum durch die Realisierung bestimmter Differenzierungsmerkmale bei Leistung, Qualität und Einzigartigkeit wie auch durch Vorteile bei den Preisen bzw. Kosten zum Ausdruck29. Was obige Bedingungskonstellationen anbelangt, so spiegeln diese letztlich verschiedene ökonomi- sche, informatorische und psychologische Logiken wieder, die einen teils expliziten, teils impliziten Einfluss auf die Überlebensfähigkeit der Unternehmen ausüben. Diese Logiken lassen sich nach Kastner wie folgt kennzeichnen: Die ökonomischen Logiken setzen sich mit jenen Faktoren auseinander, die dafür sorgen, dass die Einnahmen die Ausgaben überwiegen, also Gewinne erwirtschaftet werden. Die informatorischen Logiken haben die Optimierung von Daten- und Informationsflüssen zum Inhalt, und bei den psy- chologischen Logiken geht es darum, das Verhalten der im Unternehmen tätigen Mitarbeiter zu steuern bzw. zu verbessern30. Hinsichtlich der Industriegesellschaft ist in diesem Zusammenhang zu sagen, dass diese die erwähn- ten Logiken einerseits in besonderer Weise geprägt hat, bzw. andererseits sich spezifische Ansich- ten herausgebildet haben, die sowohl die Wertschöpfung im Unternehmen als auch das Verhalten der Unternehmen am Markt tief gehend beeinflusst haben. Die Folgen und Konsequenzen aus die- ser Betrachtungsweise sind bis heute in weiten Teilen der Wirtschaft zu spüren. Sie werden im wei- teren Verlauf dieser Arbeit einer genaueren Analyse unterzogen. 27 vgl. Recktenwald (1987), S. 262 f. 28 vgl. Warnecke (1999), S. 33 29 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (1997), S. 4367 f. 30 vgl. Kastner (1998), S. 176 ff. 29 1.1 Wertschöpfung in der Industriegesellschaft: Erkenntnisse aus den Berei- chen Organisation, Produktion und Erörterung der Konsequenzen für die Mitarbeiter Für eine genauere Analyse der Bedingungskonstellationen hinsichtlich der Wertschöpfung im In- dustriezeitalter bieten sich in erster Linie die Bereiche Organisation, Produktion und Fertigung so- wie die Stellung der Mitarbeiter und deren Aufgabenvollzug an. Dabei spielen das Bürokratiemodell von Weber und die auf Taylor beruhenden Erkenntnisse des „Scientific Management“ eine herausragende Rolle, wenn es um die Beschreibung des Ideals der industriellen Organisationsform geht. Das Bürokratiemodell von Weber baut darauf auf, dass insbesondere große Organisationen am bes- ten nach dem Idealtypus der Bürokratie als rationalster Form der Herrschaftsausübung funktio- nieren31. Diesbezüglich zeichnet sich die bürokratische Organisation durch folgende Merkmale aus32: 1. Regelgebundenheit der Amtsführung 2. Genau abgegrenzte Kompetenzbereiche 3. Prinzip der Amtshierarchie 4. Aktenmäßigkeit der Verwaltung 5. Unpersönlichkeit der Amtsführung 6. Definierte Qualifikationserfordernisse für Stelleninhaber 7. Fixierte Laufbahnen einschließlich Gehaltshierarchie 8. Anstellung und Arbeitsvertrag Aus dieser Aufzählung geht implizit hervor, dass diese Organisationsprinzipien in der Industriege- sellschaft auf einer umfassenden Machtzentrierung beruhten. Daraus ging eine klare Trennung zwi- schen dispositiven und ausführenden Tätigkeiten sowie starren Hierarchien mit klaren Autoritäten und Entscheidungsregeln bzw. entsprechenden Weisungsbefugnissen und Verantwortlichkeiten hervor. Neben diesen Prinzipien zur Verbesserung der Funktionsweise großer Unternehmen sind zusätzlich jene zu erwähnen, die sich näher mit der betrieblichen Führung auseinandersetzen und welche eben- falls im Rahmen der Industriegesellschaft in großem Stil zur Anwendung kamen. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie die auf Taylor zurückzuführenden Erkenntnisse des wissenschaftlichen Managements (scientific management) zu erwähnen. Taylor ging es dabei in ers- ter Linie um die Erarbeitung exakter Prinzipien hinsichtlich des rationellen Einsatzes von Menschen und Maschinen im Produktionsprozess. Diesbezüglich revolutionierte Taylor den industriellen Ar- beitsvollzug dahingehend, dass er die Einheit von Planung und Ausführung der Arbeit auflöste. War im Rahmen einer eher handwerklichen Fertigung der Arbeiter noch Planer, Ausführender und Kon- trolleur in einem, so sind im Sinne von Taylor fortan insbesondere die Phasen Planung und Kontrol- le dem Arbeiter zu entziehen und auf andere "Spezialisten" zu übertragen. Dadurch entstand die Möglichkeit systematischer an die gesamte Arbeitsgestaltung heranzugehen, um auf diese Weise Spezialisierungsvorteile zu schaffen. Die Entwicklung mündete letztlich darin, dass sich das Mana- gement auf Planungs- und Kontrollaufgaben, der Arbeiter hingegen einzig auf die auszuführen- den Aufgaben konzentrierte33. 31 vgl. Steinmann/Schreyögg (1990), S. 41 32 vgl. Weber (1972), S. 124 ff. 33 vgl. Steinmann/Schreyögg (1990), S. 35 30 Diese Spezialisierung bzw. Konzentration hatte zur Folge, dass Arbeitsvorgänge auf der Grundlage wissenschaftlicher Methoden zerlegt und analysiert wurden. Die Konsequenz dieser Methoden- und Zeitstudien war eine Zerlegung der Arbeit in möglichst kleine Elemente, wodurch wiederum die Basis für eine analytische Planung der Arbeit und damit eng verbunden eine exakte Spezialisierung der Arbeiter gelegt wurde. Diese Spezialisierung machte allerdings nicht auf der Arbeitsebene halt, sondern hatte ebenso eine beachtliche Ausweitung der Managementaufgaben zur Folge. In diesem Zusammenhang kam es zur Schaffung von Planungs- und Kontrollaufgaben in den Bereichen Ein- kauf, Produktion oder Qualitätskontrolle, alles Aufgabenbereiche, die vormals von den Arbeitern selbst erledigt wurden. Der damit einhergehende erhebliche Mehraufwand an Management- und Verwaltungskosten wurde dabei durch die im Vergleich noch stärker sinkenden Arbeitskosten pro Leistungseinheit überkompensiert, so dass summa summarum für das Unternehmen als Ganzes ein positiver Gewinnbeitrag zu verzeichnen war34. Dieser positive Gewinnbeitrag wurde dabei insbesondere auch einer minutiösen Planung in den Betrieben zugeschrieben, dergestalt, dass bis ins kleinste Detail das auszuführen versucht wurde, was die Unternehmensleitung zur Erfüllung der Unternehmensziele als erforderlich ansah. Hier kommt nochmals die scharfe Trennung der Aufgaben zum Vorschein. Diese unterscheidet zwischen denen, die denken und entscheiden, denen, die ausführen und produzieren und denen, die kontrollieren. Innerhalb dieser Aufgabenteilung werden Entscheidungen grundsätzlich an der Spitze des Unternehmens getroffen und über das mittlere Management nach unten kommuniziert. Letzteres hat vor allem die Aufgabe, die strategischen Zielvorgaben der Unternehmensführung in Anweisun- gen, Richtlinien und Arbeitsvorschriften umzusetzen. Ausgeführt werden diese dann am anderen Ende der Unternehmenspyramide von den einfachen Angestellten und Arbeitern. Im Rahmen dieses Gesamtprozesses steht grundsätzlich das ökonomische Prinzip der Effizienz im Mittelpunkt, also die Maximierung des Quotienten aus Aufwand und Nutzen35. Fasst man die wichtigsten Gedanken des "Scientific Management" im Sinne einer Ermittlung von zentralen Managementprinzipien kurz zusammen, bietet sich folgende Aufzählung von Steinmann an36: x Die Trennung von Planung und Ausführung sowie die weit gehende Teilung der Arbeit x Kontrolle der Ausführung durch das Management x Eine leistungsgerechte Differenzierung finanzieller Anreize (Akkordsätze) nach Maßgabe von Zeitstudien x Eine funktionale Gliederung der Organisation und der Vorgesetztenaufgaben Bei näherer Betrachtung dieser Aufzählung bzw. der vorhergehenden Aussagen fällt auf, dass diese, obwohl sie in den Grundzügen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden, heute viel- fach nichts von ihrer Aktualität verloren haben. So ist bis in die heutige Zeit die Ausprägung dieser traditionellen Arbeitsformen vorzufinden, wo Organisationen als Ansammlungen von getrennten Einheiten mit wohl definierten Grenzen anzusehen sind. Diese sind geprägt durch ein starkes Abtei- lungsdenken mit der Tendenz zur Burgenmentalität sowie der Entwicklung bereichsspezifischer Insellösungen und wenig bereichsübergreifender Projektarbeit. Darüber hinaus sorgen stark hierar- chisch geprägte Organisationen mit einem entsprechend eingeschränkten Handlungsspielraum in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß für Konflikte zwischen Mitarbeitern sowie Mitarbeitern und der Unternehmensführung37 (vgl. auch Kapitel 1.1.2 unten). 34 vgl. Albers (1969), S. 38 35 vgl. Handlbauer/Hinterhuber/Matzler (1998), S. 36 36 vgl. Steinmann/Schreyögg (1990), S. 36 37 vgl. Wiendick (1994), S. 211 31 Nach diesen Aussagen über die organisatorischen und strukturellen Gegebenheiten im Rahmen der Wertschöpfung in der Industriegesellschaft werden nunmehr die Produktions-, Fertigungs- und In- formationsprozesse näher beleuchtet. 1.1.1 Produktions-/Fertigungs-/Informationsprozesse im Zeitalter der Industriegesellschaft Einleitend ist festzustellen, dass die industrielle Fertigung bis in die 70er Jahre etwa in der Bundes- republik Deutschland im Wesentlichen den Prinzipien der Massenproduktion folgte38. Als Leitbild galt der Massenartikel, welcher auf der Basis streng deterministischer Arbeitsprozesse hergestellt wurde. Darüber hinaus waren im Rahmen dieser Fertigungsprozesse nahezu alle Zielgrößen auf das Unternehmensinnere ausgerichtet. Aspekte der Kostensenkung spielten hierbei eine entscheidende Rolle. Demgegenüber übten auf den Markt und den Kunden zielende Größen wie Service- und Pro- duktqualität, erzielbare Marktpreise oder gar zeitliche Restriktionen einen eher vernachlässigbaren Einfluss aus39. Eine ähnliche Aussage treffen Miles/Miles, indem sie feststellen, dass der Schlüssel für organisato- rischen Erfolg in den 50er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in der effizienten Produktion eines standardisierten Outputs lag, wobei die entscheidenden Erfolgsfaktoren in einer ständigen Verbes- serung der Kapitalausstattung sowie der operationalen Effizienz zu sehen sind40. Die weiteren Merkmale einer solchen Produktions- und Fertigungsweise waren lange Produktions- läufe mit großen Fertigungsserien bzw. Stückzahlen, teils mechanische, teils automatisierte Produk- tionsprozesse sowie das Erreichen von operationaler Effektivität (Economies of scale), sprich Ska- len- und Lernvorteile durch zunehmende Größe. Ferner zählten zu diesen Merkmalen eine sequen- tielle Produkt- und Prozessentwicklung und die Entkopplung von Produktion und Lager. Darüber hinaus war ein solches Fertigungssystem durch die Ausgliederung aller planenden, steuernden und kontrollierenden Aufgaben aus der Fertigung sowie stufenweiser Verbesserungen und ständiger Qualitätskontrollen am Ende des eigentlichen Fertigungsprozesses geprägt41. Im Rahmen eines solchen Wertschöpfungsprozesses waren Maschinen und Anlagen als tangibles Vermögen, mate- rielle Rohstoffe sowie Finanzkapital und Menschen die wichtigsten Ressourcen. Letztere dienten nahezu ausschließlich dazu, Hardware für einen anonymen Massenmarkt zu fertigen, wobei die entscheidenden Kennzahlen Marktanteil und Produktivität sind42. Schaut man sich die Entwicklung in den späten 70er und 80er Jahren an, so war eine Abkehr von der reinen Massenproduktion hin zu einer zunehmenden flexiblen und spezialisierten Produktion zu beobachten. Diese führte eine hohe Variantenvielfalt und die Ausbringung zahlreicher Nischenpro- dukte bis hin zu kundenspezifischen Lösungen mit sich43. Ermöglicht wurde dies vor allem durch die verbesserten technologischen Möglichkeiten einer flexi- bleren Produktion, basierend auf spezialisierten Maschinen sowie automatisierten, flexiblen Ferti- gungssystemen. Damit einhergehend differenzierte sich die Kundennachfrage und führte somit zu einer steigenden Bedeutung des Faktors Information44. Dieser wiederum ist letztlich ein Spiegelbild der im Industriezeitalter vorherrschenden informatorischen Logiken, basierend auf dem Stand der jeweiligen technologischen Entwicklung, welche nachfolgend näher betrachtet werden soll. 38 vgl. Weller (1999), S. 42 39 vgl. Warnecke (1999), S. 17 40 vgl. Miles/Miles (1999), S. 328 41 vgl. Piller (2000), S. 140 42 vgl. Kurtzke (1998), S. 202 43 vgl. Weller (1999), S. 42 44 vgl. Miles/Miles (1999), S. 328 32 1.1.1.1 Die Ausprägung technologiebasierter Kommunikations- und Informationsprozesse im Industriezeitalter, geprägt durch EDI-, CIM- und ERP-Systeme Zu den unternehmensinternen Informationsprozessen ist zunächst festzuhalten, dass die persönliche Kommunikation hauptsächlich via Telefon und Fax erfolgte. Bei den weiteren automatisierten In- formationssystemen, welche in Unternehmen eingesetzt wurden, herrschten in der Regel starre und feste Kommunikationsstrukturen vor. Als solche Informationssysteme sind insbesondere EDI-, CIM- und ERP-Systeme45 zu erwähnen, welche nachfolgend kurz erläutert werden. EDI steht für "Electronic Data Interchange" und meint die Nutzung eines elektronischen Datenaus- tausches. Hierbei handelt es sich um eine weit gehend automatisierte Form der Kommunikation, wobei strukturierte Daten bzw. standardisierte Inhalte zwischen betrieblichen Anwendungssyste- men über so genannte "Value-Added-Networks" (VANs) ausgetauscht werden. EDI erleichtert somit den elektronischen Austausch von Dokumenten wie Angebotspapieren, Rech- nungen sowie logistischen Daten. Sehr oft werden EDI-Systeme als "hub and spoke" Modelle reali- siert, dabei stellt der "hub" in der Regel eine große Firma dar, die wie eine Spinne im Netzzentrum sitzt und die "spokes" wiederum sind die Zulieferer des großen Unternehmens46. Im Vordergrund steht bei einer solchen Datenübertragung, abgesehen von der Datenübermittlung, vor allem die Weiterverarbeitung der Informationen in den Systemen des Datenempfängers ohne zusätzliche manuelle Eingriffe47. Darüber hinaus basieren die meisten EDI-Systeme unter Verwendung branchen- oder gar unter- nehmensspezifischer Austauschprotokolle oft auf proprietären Insellösungen mit isolierten Daten- beständen. Sie laufen zudem über proprietäre sichere, zuverlässige und leistungsfähige Unterneh- mensnetze (den obigen VANs), also Intranets, die ausschließlich von den beteiligten Unternehmen genutzt werden48. Mit CIM ist "Computer Integrated Manufacturing" gemeint. Ziel eines solchen Systems ist es, die innerbetriebliche Datenintegration dahingehend sicherzustellen, dass Doppeleingaben und Übertra- gungsfehler vermieden werden, Datenkonsistenz und -aktualität gesichert sind sowie generell die Informationsflüsse und Arbeitsabläufe stabilisiert und beschleunigt werden. Erreicht werden soll dies durch einen integrierten EDV-Einsatz in allen fertigungsbezogenen Wertschöpfungsbereichen eines Unternehmens. Ein CIM-System beruht hierbei informationstechnisch auf einem lokalen Netzwerk, welches den Informationsfluss zwischen den einzelnen CIM-Komponenten steuert49. ERP schließlich steht für "Enterprise Ressource Planning", wohinter sich der Einsatz einer be- triebswirtschaftlichen Standardsoftware verbirgt, die in erster Linie die innerbetrieblichen Koordi- nationskosten senken soll. Dementsprechend ist die Hauptaufgabe eines solchen Systems, dass die diversen Abteilungen eines Unternehmens mittels einer gemeinsam genutzten Datenbank und ent- sprechender kompatibler Softwaremodule miteinander verbunden werden. Dies wird in der Regel durch eine prozessorientierte Integration erreicht, die neben der Produktion bisweilen auch die Be- reiche Organisation, Personal- und Rechnungswesen sowie Controlling umfasst. In der Praxis sieht dies so aus, dass die eingesetzten Softwaresysteme der Firmen JD Edwards, Peo- plesoft, Oracle oder aber SAP u.a. eingegangene Aufträge abwickeln, Zahlungsvorgänge festhalten und die entsprechende Logistik unterstützen50. 45 vgl. Skinner (2000), S. 8 46 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 17 47 vgl. Thome et al. (1997), S. 49 48 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 17 49 vgl. Vahrenkamp (1998), S. 316 f. 50 vgl. Piller (2000), S. 39 33 Insgesamt betrachtet handelt es sich bei den genannten Systemen um komplexe, unflexible und ge- schlossene Systeme, basierend auf unternehmensspezifischen Standards, welche darüber hinaus teuer sind und eine schwierige sowie zeitaufwendige Implementierung erfordern51. Weiterhin haben diese meist proprietären Systeme einen eindeutig intraorganisationalen Fokus, wo- durch eine Vernetzung über die Unternehmensgrenzen hinaus und damit ein entsprechender aktiver Informationsaustausch so gut wie nicht stattfindet. Letzteres resultiert zum Teil daraus, dass Infor- mationen jeglicher Art vielfach als Betriebsgeheimnis gelten und somit generell nur in einem sehr beschränkten Umfang zwischen Unternehmen ausgetauscht werden52. 1.1.1.1.1 Prozessdenken und Grad der Computerisierung Prozessdenken im Industriezeitalter hatte in erster Linie die Optimierung der unternehmensinternen Produktionsprozesse zum Gegenstand. Hierbei stand die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen industriespezifischen Workflow (Workflow hier verstanden als eine endliche Folge von Aktivitäten, wobei die Folge durch Ereignisse ausgelöst und beendet wird53) hinsichtlich des Einsatzes physi- scher Produktionsmittel und der damit verbundenen Kosten eindeutig im Mittelpunkt54. Infolgedes- sen beschränkte sich die eigentliche Prozessoptimierung durch die zur Verfügung stehenden Infor- mationssysteme hauptsächlich auf die Bereiche Produktion bzw. Fertigung. Hierbei wurden in der Regel unabhängige, unternehmensspezifische Insellösungen für spezielle Problemstellungen imple- mentiert, welche für sich betrachtet in ihrem jeweiligen Umfeld durchaus eine hohe Funktionalität besitzen. Allerdings kam es nicht zu einer prozess- und abteilungsübergreifenden Integration der einzelnen Komponenten, sondern die genannten Systeme wurden unter Respektierung der funktio- nalen Organisation sowie der bestehenden Hierarchie (vgl. oben) um die verschiedenen Einheiten herumgebaut. Dabei war der Gedanke, die bereichsübergreifenden Prozesse vorher zu optimieren, nicht besonders ausgeprägt55. Die daraus resultierenden Prozess- und Informationsstrukturen zeichneten sich durch in ihrem Kon- text effizient funktionierende Insellösungen und demzufolge isolierten Datenbeständen aus, verbun- den mit inkonsistenten Datenverwaltungen sowie einer eingeschränkten Transparenz der Aufbau- und Ablauforganisation. Bei näherer Betrachtung anderer unternehmensspezifischer Prozessschritte fällt zum einen auf, dass diese sich sehr eng an den organisations- und fertigungsspezifischen Rahmenbedingungen orien- tierten. Dies ist insbesondere bei Produktentwicklungsprozessen der Fall. Letztere waren u.a. durch eine funktionelle Aufgabenteilung und eine sequentielle Abarbeitung der einzelnen Entwicklungs- schritte gekennzeichnet. Häufige Produktmodifikationen, um diese an die Anforderung der Ferti- gung anzupassen, waren ein weiterer wichtiger Faktor56. Zum anderen ist bezüglich weiterer Wertschöpfungsstufen anzumerken, dass in diesen Bereichen, im Gegensatz zu den Automatisierungsbemühungen in der Fertigung, weit gehend auf manuelle Abläufe zurückgegriffen wurde. So war beispielsweise der Einkaufsprozess in der Regel durch ei- nen großen händischen Aufwand zusammen mit verschiedenen Koordinations- und Kontrollakti- vitäten geprägt. Dies verdeutlicht das folgende Schaubild in anschaulicher Weise57: 51 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 32 52 vgl. Skinner (2000), S. 10 53 vgl. Carbon (1999), S. 58 54 vgl. Broadview (2000), S. 29 55 vgl. Piller (2000), S. 38 56 vgl. Braun (1999), S. 56 f. 57 übernommen aus Alaniz/Roberts (1999), S. 11 34 Abb. 1: Der Einkaufsprozess im Industriezeitalter Wirft man abschließend noch einen Blick auf die "Computerisierung" im Industriezeitalter, so ist zu sagen, dass zunächst Mainframe-Systeme mit Großrechnern eingesetzt wurden. Dann kamen die so genannten Minirechner zum Einsatz, die einer Abteilung kollektiv zur Verfügung standen. Aus die- sen entwickelten sich die PCs, wodurch die Möglichkeit eröffnet wurde, jedem einzelnen Mitarbei- ter einen Computer zuzuweisen und somit auch vermehrt individuellere Arbeitsweisen möglich wurden. Die Entwicklung endet schließlich vorläufig mit dem Aufkommen von tragbaren Compu- tern, so genannten Laptops, wodurch der Computer gewissermaßen zu den Menschen kommt und nicht umgekehrt58. Parallel dazu ist die zunehmende Ausbreitung von Netzwerktechnologien anzusprechen, welche ähnlich wie der Computer in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung vollzogen haben. Hierzu ist zu sagen, dass es auf Netzwerktechnologien basierende Rechnernetze bereits seit den 70er Jahren gibt. Diese wurden hauptsächlich eingesetzt, um lokale Terminals an oben erwähnte zentrale Mainframe-Großrechner anzubinden. In den 80er Jahren, einhergehend mit dem Ende der Industriegesellschaft, kam es zur Entwicklung erster lokaler Netzwerke, wobei Server, Arbeitsplatz- PCs und periphere Geräte wie Drucker oder Faxgeräte miteinander verbunden werden konnten. Die Basis solcher Netzwerke bildete die so genannte Client-Server-Architektur, welche meist auf einzel- ne Unternehmen oder Unternehmensbereiche beschränkt blieb, wobei ein Datenaustausch zwischen solchen Netzwerk-Inseln durchaus in begrenztem Umfang möglich war. Einen wirklich rechnerplattformunabhängigen Datenaustausch in einem bedeutenden Ausmaß und über weite Distanzen hinweg ermöglichte jedoch erst die rasante Entwicklung globaler Rechner- netzwerke seit Anfang der 90er Jahre. Dabei steht insbesondere das Internet als Synonym für diese Entwicklung59. Da dessen Durchbruch hinsichtlich der privaten und geschäftlichen Nutzung aller- dings nicht mehr in das Zeitalter der Industriegesellschaft fällt, sondern zentraler Bestandteil der aufkommenden Informations- und Wissensgesellschaft ist, erfolgt eine detaillierte Darstellung erst im weiteren Verlauf (siehe Kapitel 2.2 ff.). 58 vgl. Gershenfeld (2000) 59 vgl. Sautter (1999), S. 162 35 Nach den vorstehend analysierten ökonomischen und informatorischen Logiken, welche die unter- nehmensinterne Wertschöpfung im Industriezeitalter zu großen Teilen geprägt haben, gilt es zum Ende dieses Abschnitts noch kurz auf die Rolle der Mitarbeiter einzugehen. Diese beeinflussen in gleicher Weise die Wertschöpfung im Unternehmen, was in erster Linie mit ihrem Verhalten bzw. den Einstellungen am Arbeitsplatz sowie der dahinter stehenden Arbeitsteilung zusammenhängt. 1.1.2 Die Rolle der Mitarbeiter und deren Arbeitsaufgaben Bei einem "typischen Arbeitnehmer" im Industriezeitalter handelte es sich um einen männlichen Alleinverdiener, der einer vollzeitlichen Arbeit in Büro oder Fabrik nachging, Gewerkschaftsmit- glied und durchschnittlich 40 Jahre alt war sowie seinen Ruhestand im Alter von 65 Jahren zu er- warten hatte. Darüber hinaus rührte ein Großteil der Arbeitsmotivation aus der Sicherheit des Ar- beitsplatzes, untermauert durch eine in der Regel lebenslange Anstellung, verbunden mit gleichmä- ßigem, qualifikationsabhängigem Einkommen, wobei Einkommenserhöhung und Beförderung nicht unerheblich von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhingen. Bezüglich der zu vollziehenden Arbeitsaufgabe etwa eines Arbeiters in der Industrie ist zu sagen, dass für eine solche Tätigkeit normalerweise eine einmalige Ausbildung vorgeschaltet war, wobei es im fortschreitenden Arbeitsleben zu einem "de-skilling" kam60. Die eigentliche Aufgabe lässt sich als körperliche Tätigkeit, etwa Transformation von materiellen Objekten, bei strikter Trennung zwischen dispositiven und ausführenden Arbeiten beschreiben, wo- bei die Kontrolle entweder direkt durch das Management oder durch speziell geschaffene und dem Produktionsprozess nachgelagerte Einheiten erfolgte. In Anlehnung an das bereits oben erwähnte Tayloristische Arbeitsmodell (siehe oben) kam es innerhalb des Aufgabenvollzuges zu einer Spezi- alisierung auf ein eng begrenztes Aufgabengebiet, basierend auf einer genauen Aufgabenteilung sowie fest definierten Zielen innerhalb der Organisation. Auf diese Weise wurde eine möglichst hohe Effizienz angestrebt, was unweigerlich einen hohen Anteil an Routineaufgaben, verbunden mit einer leichten Austauschbarkeit der Ressource Mensch nach sich zog. Eine Determinierung der Arbeit durch Maschinen war unweigerlich die Folge61. Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass der Handlungsspielraum des einzelnen Mitarbeiters umso geringer war, je weiter unten sich dieser in der Hierarchie befand, was letztlich durch den Vollzug äußerst monotoner Aufgaben ohne große Dienstleistungsanteile und vielfach durch Entlohnung auf Akkordbasis zum Ausdruck kam. Ähnliches galt für die Informiertheit am Arbeitsplatz bzw. über unternehmensinterne Belange. Auch hier war der Grad der Information entscheidend davon abhängig, welche Position der Betref- fende innehatte. Dieses äußerte sich z.B. darin, dass ein einfacher Arbeiter an seinem Arbeitsplatz nur über unvollständige Informationen verfügte, beispielsweise was die seiner Aufgabe vor- und nachgelagerten Stellen anging, ganz zu schweigen von solchen Zusammenhängen, die übergeord- nete und unternehmensweite Gesichtspunkte betrafen (vgl. bezüglich der Auswirkungen des Den- kens und Handelns im Industriezeitalter auf die Mitarbeiter auch Kapitel 1.3.2). 60 vgl. Piller (2000), S. 141 61 vgl. Braun (1999), S. 76 36 1.2 Wertschöpfung im Industriezeitalter: Die vorherrschenden Marktstruktu- ren und die sich daraus ergebenden Folgen Infolge der eben geschilderten wertschöpfungsbeeinflussenden Gegebenheiten, die sich eher auf das Unternehmen an sich bezogen, geht es im Anschluss um jene Zusammenhänge, die die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Markt näher beschreiben. Gemeint sind hiermit die vorherrschenden Markt- bzw. Industriestrukturen, die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit mit anderen Unterneh- men sowie die generelle Marktlage aus Sicht von Abnehmern bzw. Endkunden. 1.2.1 Markt- bzw. Industriestrukturen im Zeitalter der Industriegesellschaft aus Sicht der Unternehmen Bei einer näheren Analyse der vorherrschenden Markt- und Industriestrukturen lässt sich zunächst erkennen, dass insbesondere die Märkte in den westlichen Industrieländern durch häufig vorzufin- dende Monopol- oder Oligopolsituationen etwa in den Bereichen Telekommunikation, Post, Bahn- und Fluggesellschaften, Energie, Versicherungswesen, Luft- und Raumfahrttechnik etc. geprägt waren. Dabei traten bisweilen große regionale Unterschiede zu Tage, je nach Ausprägung der jeweiligen Märkte in West-Europa, Japan und den USA, ganz abgesehen von den mehr oder weniger geschlos- senen Märkten in den Ländern des Ostblocks sowie weiten Teilen Asiens und Lateinamerikas. Die- ses führte im Übrigen auch zum Bestehen so unterschiedlicher (Handels-) Organisationen wie Or- ganization for Economic Cooperation and Development (OECD), Europäische Gemeinschaft (EG) oder Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, auch COMECON genannt)62. Auf Grund dieser großen regionalen Unterschiede und der damit eng zusammenhängenden Ab- schottung der Märkte bestand eine entsprechend große Abhängigkeit von Raum und Zeit, was das Tätigwerden auf jeweils anderen Märkten bzw. Wirtschaftsräumen anbelangt. Diesbezüglich kann man einerseits von einem Orientierungs- und Entfernungsproblem sprechen, da die angesprochenen regionalen Unterschiede für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit eine entsprechende Würdigung erforderten. Zum anderen stellte zudem die rein physikalische Entfernung, die oft genug lediglich per Flugzeug überwunden werden konnte, eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Des Weiteren kam noch das Zeitproblem hinzu, da die Welt in Zeitzonen aufgeteilt ist, die Maschine allerdings den Arbeitstakt bestimmte und von einem linearen Zeitbegriff ausgegangen wurde63. In diesem Zusammenhang ist weiter anzumerken, dass sich die jeweiligen Märkte in der Regel durch überschaubare Strukturen, klare Rollenverteilungen und damit einer eingeschränkten Kom- plexität, mit der Möglichkeit der Vorhersehbarkeit von Entwicklungen, auszeichneten. Mit Erste- rem ist dabei gemeint, dass die einzelnen Geschäftsfelder bzw. die entsprechenden Firmen, die die- se ausfüllten, nebst den Kunden- und Lieferantenbeziehungen in den einzelnen Industriezweigen bzw. Marktsegmenten mehr oder weniger bekannt waren. Auf diese Weise wurde der jeweilige Markt ein Stück weit berechenbarer, da die einzelnen Marktteilnehmer zum einen wussten, wer was in welcher Form zu bieten hatte. Entscheidend war also das (überschaubare) Verhältnis von Liefe- ranten, Herstellern und Abnehmern, bezogen auf den Handel zwischen Unternehmen unter Aus- schluss des Endverbrauchers, der weit weniger umfassend informiert war (siehe unten). Zum ande- ren konnten die Marktteilnehmer nicht unbedingt davon ausgehen, plötzlich mit völlig neuen Kon- kurrenzverhältnissen oder Wettbewerbssituationen konfrontiert zu werden. Im Sinne von Glazer 62 vgl. Recktenwald (1987), S. 481 f. 63 vgl. Bühl (1996), S. 33 f. 37 kann man diesbezüglich auch von "dummen" Märkten sprechen, die statisch, wohlgeregelt und in- formationsarm waren und wo nicht mit plötzlich auftauchenden neuartigen Produkten, Wettbewer- bern oder Kunden gerechnet werden musste64. Um in solchen auf Geld- und Marktmacht sowie örtlichen Gegebenheiten beruhenden Marktkon- stellationen über die eigenen Grenzen hinaus erfolgreich zu sein, bedurfte es infolgedessen der In- kaufnahme entsprechend hoher Transaktionskosten. Hiermit sind in erster Linie Such- und Anbah- nungskosten, Verhandlungs- sowie Koordinations- und Kontrollkosten gemeint65 (für eine genauere analytische Betrachtung siehe Kapitel 3.1.1.2). Diese sind natürlich umso höher, je unterschiedlich- er die jeweiligen marktlichen Gegebenheiten im oben beschriebenen Sinne sind. Aus diesem Grund kam es gerade im Industriezeitalter zur Ausprägung sehr großer Unternehmen, da man davon aus- ging, dass durch deren Etablierung das Problem der hohen Transaktionskosten, etwa bei der Dis- kussion Eigenfertigung oder Fremdbezug, am besten in den Griff zu kriegen sei66. Mit dieser deutlichen Entwicklungstendenz hin zu immer größeren Unternehmen ist bereits ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit angesprochen worden. Im Weiteren geht es darum, diesen Zusammenhang zu vertiefen und um einige weitere Gesichtspunkte zu erweitern. 1.2.2 Die verschiedenen Formen der interorganisationalen Zusammenarbeit zwischen Un- ternehmen In Anlehnung an oben Erwähntes ist darüber hinaus zu sagen, dass sich die Transaktionskosten- problematik in zwei Punkten niederschlug. Entweder schlossen sich Unternehmen der selben Bran- che mittels horizontaler Integrationen verstärkt zusammen. Oder es wurden durch vertikale Inte- grationen jene Unternehmen einverleibt, die der eigenen Wertschöpfung entweder vor- oder nach- gelagert sowie auch völlig anderen Branchen zuzurechnen waren. Das eindeutige Ziel dieser Unternehmenszusammenschlüsse war das Erreichen von Economies of scale- und Economies of scope-Effekten. Erstgenanntere bezeichnen sinkende Durchschnittskosten bei steigenden Stückzahlen, wobei von einer Unteilbarkeit der Produktionsfaktoren ausgegangen wird. Bei Letzteren werden verschiedene Güter und Dienstleistungen gemeinsam kostengünstiger hergestellt, wodurch es zu Verbundeffekten kommt. Der Zuwachs an Leistungsstärke entsteht dabei entweder durch das Zusammenlegen von Kapazitäten oder durch Arbeitsteilung bei individueller Spezialisierung67. Die Folge dieser horizontalen und vertikalen Integrationsbemühungen äußerten sich in teilweise aggressiven Preiskämpfen, welche einen zusätzlichen Druck hin zu noch größeren Unternehmen erzeugten, um für die nächsten Preisauseinandersetzungen gewappnet zu sein. Neben diesem Hang zur Größe durch horizontale und vertikale Integration gab es natürlich auch über das normale Maß hinausgehende Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden, wobei sich mehr oder weniger zwei verschiedene Ausprägungen einer engeren interorganisationalen Zu- sammenarbeit unterscheiden lassen. Auf der einen Seite ist die Form einer wenig institutionalisierten unternehmensübergreifenden Zu- sammenarbeit anzumerken. Diese basierte in der Regel auf stark ausgeprägten persönlichen Bezie- 64 vgl. Glazer (2000), S. 32 65 vgl. Recktenwald (1987), S. 575 66 vgl. Skinner (2000), S. 10 67 vgl. Vizjak (1990), S. 99ff. 38 hungen zwischen den Geschäftspartnern, welche über einen längeren Zeitraum hinweg gewachsen waren. Demzufolge kam es vielfach zu einem Konglomerat aus informellen, losen Beziehungen auf der Grundlage persönlicher Abmachungen, wobei unternehmensübergreifende, prozessorientierte Verflechtungen die große Ausnahme blieben. Auf der anderen Seite müssen die institutionalisierten und langfristig ausgerichteten Formen der überorganisationalen Zusammenarbeit erwähnt werden. Hierbei ging es vor allem um die Ausprä- gung von strategischen Partnerschaften etwa zwischen Herstellern und Lieferanten (vgl. hierzu auch ausführlich Kapitel 3.1.1 f.). Jene Partnerschaften wurden meist von langer Hand in intensiven Ver- handlungen vorbereitet und dann mit entsprechend großem Aufwand realisiert . Die Grundlage ei- ner solchen Zusammenarbeit war meist ein solides Fundament, basierend auf klaren Spielregeln und vertraglichen Abmachungen, wobei jedoch auch hier eine strikte funktionale Trennung der (unab- hängigen) Einheiten beibehalten wurde und die Prozesse in den meisten Fällen jeweils an der Un- ternehmensgrenze endeten68. Diese mangelnde unternehmensübergreifende Integration zwischen jeweils unabhängigen bzw. selbstständigen Unternehmen war dabei Ausdruck einer eher nach innen gerichteten Unterneh- menskultur. Diese äußerte sich in einer strikten Trennung zwischen "uns", dem Unternehmen, auf der einen Seite und dem großen anonymen Markt auf der anderen Seite, bestehend aus Konkurren- ten, Zulieferern, Kunden etc. Sichtbar wurde dieses dadurch, dass seitens der Hersteller von Ge- und Verbrauchsgütern bewusst auf jeden systematischen Informationsaustausch, der auf einer weiter gehenden prozessorientierten Integration mit den eigenen Lieferanten und Absatzmitteln basierte, verzichtet wurde69. Vielfach kam es auch dazu, dass innerhalb eines konventionellen Produktentwicklungsprozesses die Zuliefe- rer als Konkurrenten angesehen wurden, mit ähnlichen Folgen hinsichtlich der Abschottung der Un- ternehmen70. Untermauert wurde dies zusätzlich durch die zur Verfügung stehenden Systeme mit ihrem eindeu- tig intraorganisationalen Fokus, welche nur sehr eingeschränkt für eine überbetriebliche Integration der Prozessabläufe oder unternehmensübergreifende Vernetzung, beispielsweise durch fehlende einheitliche Datenformate und Datenstrukturen, zu gebrauchen waren und darüber hinaus einen ho- hen Implementierungsaufwand erforderten (vgl. oben Kapitel 1.1.1.1). 1.2.3 Die Folgen der Markt- und Industriestrukturen aus Sicht der Abnehmer bzw. End- kunden Wirft man zum Abschluss des Abschnitts noch einen Blick auf die marktliche Situation im Indus- triezeitalter aus der Sicht der Kunden, so war diese fast durchweg durch das Vorhandensein von Verkäufermärkten gekennzeichnet. Das heißt, bedingt durch die beschriebenen Marktstrukturen, mit den daraus hervorgehenden großen regionalen Unterschieden sowie den vielfach vorhandenen Oli- gopolen oder gar Monopolen, zentrierte sich die Macht eindeutig in den Händen von Anbietern und Herstellern. Diese äußerte sich beispielsweise in Form einer unübersehbaren Marktmacht, weil nur eine beschränkte Anzahl von Anbietern auf dem Markt tätig war, die den Kuchen sozusagen unter sich aufteilten. Ferner sind Informationsvorsprünge seitens der Anbieter anzuführen, welche sich darin äußerten, dass zwar durchaus Konkurrenz etwa bei Einzelhändlern oder Absatzmittlern auf dem Markt herrschte, jedoch nicht selten jeder Anbieterwechsel für den Kunden nicht selten mit hohen Transaktionskosten verbunden und somit faktisch eingeschränkt war. 68 vgl. Piller (2000), S. 141 69 vgl. Ross (2000), S. 6 70 vgl. Braun (1999), S. 56 39 Demzufolge war der Markt für viele Kunden schlichtweg intransparent, etwa was die Angebote und Qualität verschiedener Anbieter oder aber überregionale Preisniveaus anbelangte, ein Faktum, das zudem durch die schwierige Überwindung von Raum und Zeit begünstigt wurde. Dieser Umstand trug mit dazu bei, dass Informationen als knapp galten und daher vielfach relativ stabile Kundenbe- ziehungen etabliert werden konnten, wobei der Kunde generell in diesen ausgeprägten Verkäufer- märkten nur bedingt ernst genommen wurde71. Abgesehen davon darf auch die Tatsache nicht vergessen werden, dass im Industriezeitalter die Grundbedürfnisse vielerorts noch keineswegs befriedigt waren. Somit bestand in Bezug auf zahllo- se Güter des täglichen Bedarfs eine große Nachfrage, wodurch noch keinerlei Sättigungserschei- nungen erkennbar waren. Folglich brauchten sich in den 60er und 70er Jahren nur verhältnismäßig wenig Unternehmen um aktive Neukundenakquise zu bemühen, Vertriebsplanungen wurden in der Zeit eines ständigen Umsatz- und Gewinnwachstums mehr intuitiv und gefühlsmäßig denn systema- tisch betrieben. Eine fundierte Marktbearbeitung fand nicht wirklich statt und Verkaufsförderung wurde nach dem Gießkannenprinzip betrieben, alles im Übrigen Zeichen eines uneingeschränkten Verkäufermarktes72. Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen, dass der Kunde letztlich als passiv eingestellter Abnehmer bzw. Nutznießer der von Unternehmen geschaffenen Werte angesehen wurde. Dieses Verhältnis kommt sehr gut in nachfolgendem Schaubild zum Ausdruck, welches die Stellung des Kunden als passiver Verbraucher im Industriezeitalter anhand verschiedener Dimensionen näher beleuchtet73: Der Kunde als passiv eingestellter Abnehmer Überzeugen von vorab definierten Käufergruppen Eingehen auf einzelne Kun- den Zeitrahmen 70er und frühe 80er Jahre Späte 80er und frühe 90er Jahre Art der Geschäftsbeziehung zum Kunden und dessen Rolle Der Kunde wird als passiver Käufer betrachtet, in der vorab be- stimmten Rolle eines Verbrauchers. Einstellung des Managements zum Kunden Der Kunde gilt als statistische Durchschnittsgröße; relevante Käufergruppen werden vom Unternehmen im voraus be- stimmt. Der Kunde stellt bei Geschäfts- vorgängen eine individuelle statistische Größe dar. Interaktion des Unterneh- mens mit Kunden, besonders bei der Entwicklung von Pro- dukten und Dienstleistungen Herkömmliche Marktforschung und Kundenbefragungen; Pro- dukte und Dienstleistungen werden ohne nennenswertes Feedback von Seiten der Kun- den kreiert. Wechsel von reinem Verkauf an Kunden zur Unterstützung von Kunden durch Kundentelefone und Kundendienste; Erfassung von Kundenproblemen und Umgestaltung der Produkte auf Basis von Feedback. Zweck und Richtung der Kommunikation Zugang zu vorab bestimmten Käufergruppen gewinnen mit dem Ziel, diese zu beeinflussen, Einwegkommunikation. Data-Base-Marketing, Zwei- Weg-Kommunikation. Abb. 2: Die Stellung des Kunden im Industriezeitalter 71 vgl. Glazer (2000), S. 32 f. 72 vgl. Schwetz (2000), S. 13 ff. 73 verändert entnommen aus Prahalad/Ramaswamy (2000), S. 66 40 1.3 Psychologische Grundsätze des Industriezeitalters: Über den Einfluss der Rationalität und das dahinter stehende mechanisch-technizistische Weltbild Obige Aussagen setzten sich mit den wesentlichen unternehmensinternen und -externen Einfluss- faktoren auseinander, die eher den informatorischen und vor allem den ökonomischen Logiken zu- zurechnen sind. Diese Faktoren hatten im Industriezeitalter eine entscheidende Wirkung auf die Wertschöpfung. Im Nachfolgenden werden jene grundlegenden (meist implizit wirkenden) Denk- muster analysiert, die ihrerseits das Denken und Handeln der Akteure in tief gehender Weise ge- prägt haben bzw. bis heute prägen. Diesbezüglich geht es einmal um den nach wie vor verbreiteten Glauben, dass ein Unternehmen in der gleichen Art und Weise funktioniert wie eine Maschine. Des Weiteren kommen die daraus folgenden Konsequenzen hinsichtlich der Entwicklung eines Unter- nehmens, der Managementfunktionen sowie die Folgen für die Mitarbeiter zur Sprache. 1.3.1 Die Funktionsweise eines Unternehmens als triviale Maschine Bereits mehrfach ist in den vorangegangenen Abschnitten implizit von dem Unternehmen als einer trivialen Maschine und dem darauf beruhenden mechanistisch-technizistischen Denken die Rede gewesen. So sind beispielweise die erwähnten Erkenntnisse von Weber mit seinem Bürokratiemo- dell und Taylor im Rahmen des "scientific management" (siehe Kapitel 1.1) genau das Ergebnis jenes mechanistisch-technizistischen bzw. deterministischen Weltbildes, welches im Verlauf der Geschichte der Management- und Organisationslehre eine wichtige Rolle gespielt hat (und spielt). Zurückzuführen ist dies u.a. darauf, dass die Newton`sche Mechanik der Gravitationsbewegungen, die auf Ideen von Demokrit, Epikur und Aristoteles basiert (Newton`sche Axiom, siehe die folgen- den Anmerkungen) nicht nur zur Erklärung physikalischer Phänomene zur Anwendung kam, son- dern auch nahezu paradigmatischen Einfluss74 auf soziale, psychische und wirtschaftliche Bereiche ausübte75. Dabei haben diese Ansätze im Speziellen sowie die reduktionistischen und mechanisti- schen Ideen im Allgemeinen sowohl die Theoriebildung als auch das praktische Handeln bis heute in starkem Maße beeinflusst76. Ein zentraler Bestandteil dieses Gedankengutes ist das eben erwähnte Newton`sche Axiom, welches die Berechenbarkeit aller Zukunftsentwicklungen bei Kenntnis der Anfangsbedingungen und Ge- setzmäßigkeiten des betrachteten Systems impliziert, womit letztlich die allgemeine Gültigkeit des Kausalitätsprinzips begründet wird. Das heißt, Ursachen und Wirkungen bilden im Rahmen dieses Weltbildes ein wohl geordnetes und fest definiertes Gefüge, welches zu großen Teilen plan- und steuerbar ist. Übertragen auf die Funktionsweise eines Unternehmens bedeutet dies, dass davon auszugehen ist, dass die Organisation eines Unternehmens nach den gleichen Prinzipien wie eine (triviale) Maschine funktioniert77. Diese Maschinenmetapher impliziert, dass die Input-Output-Beziehungen eines Unternehmens voll- ständig erkannt werden können. Demzufolge ist das Unternehmen in seinem Verhalten vorhersag- bar, von seiner Geschichte unabhängig und analytisch determinierbar und wird somit von außen beeinfluss- und steuerbar78. Vor diesem Hintergrund kann man die Funktionsweise eines Unternehmens als triviale Maschine mit der Reparatur einer solchen vergleichen. Funktioniert das Unternehmen nicht wie gewünscht, 74 vgl. hierzu Kuhn (1967), S. 68 ff. 75 vgl. Mittelstrass (1979), S. 39 zitiert aus Sprüngli (1981), S. 21 76 vgl. Rüegg (1989), S. 125 77 vgl. Warnecke (1999), S. 16 78 vgl. Rüegg (1989), S. 48 41 (etwa durch die Erwirtschaftung von Verlusten) reicht es aus, im Rahmen einer Diagnose der "ob- jektiven" Gegebenheiten den oder die Fehler zu finden, welche dann durch entsprechende Maß- nahmen bzw. Inputs (Eingriff in das Unternehmen von außen) behoben werden können. Nach dem von außen erfolgreich durchgeführten Eingriff kommt als Output heraus, dass das Unternehmen "wie vorgesehen funktioniert" und sich somit wie eine Maschine verhält. Ein Unternehmen als triviale Maschine wird demnach als eine Art technisches System betrachtet, in welchem mathematisch-linear gedacht wird und wo mittels einer genauen Analyse objektiv vorhan- dene Probleme diagnostiziert werden können. Diese sind dann durch geeignete Eingriffe zu beseiti- gen, wobei die Bildung einer statischen Ordnung unter weit gehender Ausschaltung psychosozialer Problemstellungen klar im Vordergrund steht79. Man könnte auch im Sinne von Dyllick sagen, dass es sich diesbezüglich bei einem Unternehmen um eine gemachte Ordnung handelt, welche auf technomorphem Denken beruht. Letzteres geht dabei von der grundsätzlichen Machbarkeit der Gestaltbarkeit von Ordnungen aus, wobei das Ver- halten der Ordnung (Unternehmung) durch das Verhalten seiner Elemente (Strukturen, Prozesse, Systeme usw.) eindeutig definiert wird80. 1.3.1.1 Die Stellparameter eines Unternehmens auf einer mechanistisch-rationalen Basis und die daraus folgenden Konsequenzen im Sinne der Kybernetik Nimmt man dieses Verständnis als Basis und setzt sich vor diesem Hintergrund mit der Funktions- weise eines mechanischen Unternehmens auseinander, so ist sie im Sinne von Rüegg durch folgen- de Parameter gekennzeichnet81: Ɣ Eine mechanische System-Konzeption der Unternehmung verwendet zur Rekonstruktion der Unternehmung die Metapher der Maschine als einem künstlichen und technischen Gebilde. Ɣ Die Teile des ”Systems Unternehmen” sind ”tote Teile” ohne Eigenverhalten, Autonomie und Eigenwert sowie beliebig einsetz- und auswechselbar. Ɣ Die Zweck-Ziel-Problematik lässt sich durch eine Eigentümer-Perspektive charakterisieren. Das heißt, das System und seine Teile haben weder Eigenzwecke noch Eigenziele, diese sind viel- mehr von außen, vom Konstrukteur bzw. Eigentümer vorgegeben. Ɣ Der Erfolgsmaßstab richtet sich nach der Effizienz des Mitteleinsatzes, völlig unabhängig von einer von außen vorgegebenen Zweckerfüllung. Ɣ Die Organisationsphilosophie entspricht einem technomorph-rationalistischem Paradigma, das von einer vollständigen Beherrschbarkeit eines Systems ausgeht. Ɣ Die Art der Lenkung ist passend zur Organisationsphilosophie extrinsisch-zentral-hierarchischer Natur, wobei klar zwischen lenkenden und zu lenkenden Systemteilen unterschieden wird. Ɣ Die Wandlungsfähigkeit beschränkt sich auf Veränderungen der Kybernetik erster Ordnung (siehe unten) und tendiert zu einem Maximum an Stabilität. Ɣ Mechanische Systeme generieren grundsätzlich weder neue Eigenschaften bzw. Teile noch B ziehungen zwischen den Teilen. Korrekturmaßnahmen orientieren sich an relativ statischen Gleichgewichtszuständen. e- Ɣ Einer mechanischen System-Konzeption der Unternehmung liegt eine Geschlossenheitsperspek- tive zugrunde. Jene geht von einer statisch-stabilen Umwelt aus, die sich durch eine sehr gerin- ge Kontingenz auszeichnet. 79 vgl. Wehrhahn (1980), S. 132 ff. 80 vgl. Dyllick (1982), S. 342 81 vgl. Rüegg (1989), S. 122 ff. 42 Legt man die Maßstäbe der Kybernetik als jener Lehre, die Betrachtungen über Gesetzmäßigkeiten im Ablauf von Steuerungs- und Regelungsvorgängen in Technik, Soziologie und Biologie anstellt, zugrunde82, so ist anzumerken, dass bei einem mechanistischen Paradigma die Erhaltung von Struk- turen im Vordergrund steht, wodurch eine bewusste Evolution verhindert wird. Hierzu erscheint das Gleichgewicht als eine wesentliche Bedingung, wobei die Homöostase als der kybernetische Me- chanismus zu dessen Erreichen dient. In diesem Zusammenhang erfährt negatives Feedback, also die Verhinderung oder Bestrafung einer Abweichung vom vorgeschriebenen Kurs (Kybernetik erster Ordnung), gegenüber positivem Feed- back (Kybernetik zweiter Ordnung, belohnende Rückkopplung, die eine abweichende Tendenz ver- stärkt statt korrigiert) eine Bevorzugung. Dies führt dazu, dass durch die negative Rückkopplung auf das Verhalten des Systems stabilisierend, kompensierend und dämpfend eingewirkt wird83. Die Evolutionsrichtung wird durch ein teleologisch aufgefasstes Gleichgewicht bestimmt, woran sich das System über verschiedene strukturelle Zustände schrittweise anpasst. Im Rahmen einer solchen evolutionären Entwicklung spielen stochastische Prozesse überhaupt keine Rolle, sondern das gesamte System ist auf räumlich und zeitlich stabile Bedingungen ausgerichtet. Darüber hinaus bestimmen die Strukturen die Prozesse und das System zeichnet sich durch ein statisches, am Status quo ausgerichtetes Denken aus84. 1.3.2 Die Ausprägung der Managementfunktionen und die daraus hervorgehenden Folgen für die Mitarbeiter Blickt man auf einzelne Managementfunktionen innerhalb dieser Sichtweise im Industriezeitalter, so wurden diese ebenso als mechanistisch angesehen. Planen bestand aus der Definition von Zielen, woraus Teilziele abgeleitet wurden. Entschieden wurde von wenigen, die den Ausführenden sagten, was sie zu tun und zu lassen hatten. Kontrolle vollzog sich in Form von Fremdkontrolle, wobei es beim Organisieren darum ging, möglichst bis ins Detail geregelte Abläufe zu schaffen, um so das Handeln zu regulieren und vorherzusagen85. Dieser Zusammenhang wird durch das folgende Schaubild untermauert86: Funktionen des Managements aus klassischer Sicht 1. Planen Ein vorgedachtes Ziel in Teilziele splitten 2. Entscheiden Aus verschiedenen Handlungsalternativen eine gültige für die Ausführenden auswählen 3. Anordnen Ausgewählte Handlungsalternativen vorgeben 4. Kontrollieren Fremdkontrolle im Sinne einer Überprüfung von außen durchführen 5. Organisieren Strukturen, Zuständigkeiten und Abläufe klä- ren 6. Staffing Richtige Personen an die richtige Stelle setzen Abb. 3: Die Funktionen des Managements auf der Basis einer mechanischen Denkkonzeption 82 vgl. Duden (1982), S. 437 83 vgl. Sprüngli (1981), S. 102 84 vgl. Bierfelder (1991), S. 188 85 vgl. Vester (1988), S. 153 86 vgl. Giesler (1996), S. 30 43 Wirft man einen Blick auf die Rolle, die der Mensch und Mitarbeiter innerhalb dieser Denkweise spielte, so wurde dieser als rational denkender homo-oeconomicus angesehen. Das heißt, der Mensch wurde vor allem durch monetäre Anreize motiviert, wobei (stillschweigend) davon ausge- gangen wurde, dass der jeweilige Mitarbeiter schon allein des Geldes wegen eine maximale Ein- satzbereitschaft zeigt. Anders ausgedrückt, der Mitarbeiter im Industriezeitalter war ein durch und durch rational handeln- des Wesen, welches unter gegebenen Bedingungen den höchsten Nutzen oder Gewinn anstrebte87. Darüber hinaus wurde er als autonomes Individuum angesehen, welches in der Lage ist, klare Ziel- Mittel-Trennungen durchzuführen88. Weiterhin verhielt er sich passiv und wurde von der Organisation manipuliert, motiviert und kon- trolliert, sprich als zu optimierender Produktionsfaktor mit bisweilen stark eingeschränktem Hand- lungsspielraum behandelt89 (vgl. oben Kapitel 1.1.2). Dahinter stand ein Menschenbild, welches McGregor treffend in seiner Theorie X beschrieben hat. Demnach hat ein Mensch eine angeborene Abscheu vor Arbeit und versucht diese nach Möglichkeit zu vermeiden. Daher muss er umfassend kontrolliert und geführt werden, damit er überhaupt einen produktiven Beitrag zum Unternehmen leistet. Darüber hinaus meidet der Mensch Verantwortung, legt wenig Ehrgeiz an den Tag und strebt in erster Linie nach Sicherheit90. Mit anderen Worten drückt dies Probst aus, der, bezüglich dem in mechanischen Systemvorstellun- gen zum Tragen kommenden Menschenbild, von einem abhängigen und außengesteuerten Men- schen spricht91. Die Basis eines solchen Weltbildes bilden letztlich traditionelle Werte wie Sicherheitsorientierung, Pflichterfüllung, Unterwürfigkeit, ein starker Glaube an funktionale Autoritäten sowie Disziplin, Gehorsam und Präzision92. Grundeinstellungen wie Arbeit als Berufung (Arbeit als Lebenszweck), bürgerliche Tugenden, Sittsamkeit und Anstand sowie das Zurückstellen kurzfristiger Bedürfnisse zugunsten langfristiger Planung spielen ebenfalls eine gewichtige Rolle93. 1.4 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse: Die zentralen Wettbe- werbsfaktoren und das Primat der ökonomischen Logik im Industriezeit- alter Rekapituliert man zum Abschluss dieses Kapitels die wichtigsten Erfolgsparameter und Wettbe- werbsfaktoren, so lässt sich im Sinne von Sennett feststellen, dass ein Unternehmen im Industrie- zeitalter im Wesentlichen auf der Basis präziser Regeln funktionierte, welche einer technischen Rationalität entsprangen. Diesbezüglich traten insbesondere drei Prinzipien hervor94: 1. Die Logik der Größe, wobei größer mit effizienter gleichgesetzt wird 2. Die Logik der metrischen Zeit, hiermit ist die minutiöse Organisation bis ins kleinste Detail und nach genauen Zeitvorgaben gemeint 87 vgl. Recktenwald (1987), S. 253 88 vgl. Gerken (1991) S. 213 89 vgl. Schein (1986), S. 50 ff. 90 vgl. McGregor (1960), S. 33 ff. 91 vgl. Probst (1987), S. 47 92 vgl. Kurtzke (1998), S. 202 93 vgl. Kastner (1990), S. 35 94 vgl. Sennett (2000), S. 52 44 3. Die Logik der Hierarchie, wodurch der Hang zu immer größeren Unternehmen zum Ausdruck kommt, also letztlich beabsichtigt ist, marktliche Koordinationsformen durch hierarchische zu ersetzen Auf der Basis dieser Prinzipien war es das Ziel der Unternehmen, die Kostenführerschaft durch die Reduktion der Arbeitskosten zu erreichen. Dabei versuchten die Unternehmen in erster Linie ihre Wettbewerbsfähigkeit dadurch zu verbessern, dass sie Zeitvorteile und Effizienzsteigerungen beste- hender Prozesse durch den Einsatz neuer Technologien (vgl. oben) anstrebten, wobei diese vor al- lem zur Rationalisierung des Faktors Arbeit eingesetzt wurden95. Dabei orientierte sich die Indus- triegesellschaft an einem möglichst optimalen Material- und Energiefluss. Darüber hinaus ging es darum, das Angebot an materiellen Gütern zur Bedienung eines anonymen Massenmarktes zu steigern sowie um das Streben nach einem hohen Marktanteil innerhalb beste- hender Marktsegmente96. Andererseits gab es natürlich auch solche Unternehmen, die nicht auf Kostenführerschaft, sondern bewusst auf Differenzierung setzten, indem sie auf hohe Qualität oder aber individuelle Einzelferti- gung zu Premiumpreisen Wert legten. Welche der beiden Vorgehensweisen die Unternehmen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen auch einschlugen, entscheidend war letztendlich zu großen Teilen die Fähigkeit, die Fertigung ent- sprechend zu organisieren, sei es für den anonymen Massenmarkt oder für hoch spezialisierte Ein- zelprodukte97. Fasst man die wesentlichen Erkenntnisse in Bezug auf die Ausprägung der einzelnen Logiken kurz zusammen, so ist eindeutig erkennbar, dass die ökonomischen Logiken, basierend auf Rationalität, einem linearen Ursache-Wirkungsdenken und einem mechanisch-technizistischen Weltbild, bei weitem das Denken und Handeln im Industriezeitalter bestimmen. Dies wird im Zusammenhang mit den oben analysierten psychologischen Logiken deutlich. Diesbezüglich wird konsequent von einer statischen, gleichgewichtsorientierten Ordnung ausgegangen, wo Faktoren wie Unsicherheit, Zufall, Eigendynamiken von (sozialen) Systemen sowie jeglichen psychosozialen Zusammenhän- gen im Umgang mit Menschen keinerlei Bedeutung beigemessen wird bzw. diese unter dem „Man- tel der Rationalität“ verschwindet. Diesbezüglich lässt sich im Sinne von Sprüngli anmerken, dass die mechanische Denkkonzeption im Grunde genau dem klassischen, abendländischen Denken entspricht, "welches komplexe Vor- gänge auf relativ übersichtliche, linear-kausale und möglichst sequentiell angeordnete Abstraktio- nen zu reduzieren sucht"98. Ähnlich argumentiert Jantsch, indem er feststellt, dass der westliche Mensch sich abstrakte Modelle der Welt baut, die den Gesetzen seines eigenen "rationalen" Be- wusstseins folgen. Der Realität begegnet man nur von einem spezifischen Standpunkt aus, wo- durch sie entwertet, verkleinert und vieler ihrer ganzheitlichen Aspekte beraubt wird99. Etwas überspitzt könnte man auch sagen, dass das Leben in seiner technischen Objektivation in einen Mechanismus ausartet, wobei es sich unter Erhaltung seines Grundformats als totes Objekt gegenübertritt. Anders ausgedrückt, in der Objektivation stirbt das Leben100. Aus diesen Aussagen geht letztlich implizit die Rationalität als absolutes Maß aller Dinge hervor. Im Vordergrund steht der ökonomisch rationale Aspekt, Verhaltensaspekte werden nahezu voll- 95 vgl. Piller (2000), S. 142 96 vgl. Warnecke (1999), S. 33 97 vgl. Aldrich (1999), S. 6 98 vgl. Sprüngli (1981), S. 24 (hervorgehoben im Original) 99 vgl. Jantsch (1975), S.85 100 vgl. Schmidt (1975), S.280, zitiert aus Sprüngli (1981), S. 21 45 ständig vernachlässigt, das Unternehmen gilt als triviale Maschine, der Mensch und Mitarbeiter als rationales Vollstreckungsorgan. Warnecke leitet in diesem Zusammenhang folgende Aufzählung ab, welche nochmals kurz und knapp die wesentlichen Inhalte einer mechanistisch-rationalen Denkweise widerspiegelt101: x Bei einer Maschine reicht es in der Regel aus, bestimmte Größen einzustellen, um den ge- wünschten Output zu erwirken. In ähnlicher Weise genügt es, im Unternehmen den Leistungs- grad durch geregelte Eingriffe zu verbessern. x Das in dieser Metapher verwendete Menschenbild fasst den Menschen als Teil der Maschine auf, als Rädchen, an dem man drehen und das man einstellen kann. x Ähnlich einer Maschine kann ein Unternehmen beherrscht und kontrolliert werden. Alle Hand- lungen sind planbar und entspringen einem rationellen Kalkül. x Was in der Vergangenheit gut war, kann zukünftig nicht schlecht sein. Anders ausgedrückt: Erfolge von gestern verführen dazu, genauso weiterzumachen wie bisher – die Maschine muss nur immer wieder frisch geölt werden. 101 vgl. Warnecke (1999), S. 16 (hervorgehoben im Original) 46 2 Logiken und Grundmuster der Informations- und Wissensgesellschaft im Zeitalter von Internet und E-Commerce: Skizzierung eines Paradigmen- wechsels im Hinblick auf einen veränderten Umgang zwischen Unterneh- men und Markt Für ein besseres Verständnis der zu analysierenden wesentlichen Unterschiede zwischen der Indus- triegesellschaft und der Informations- bzw. Wissensgesellschaft ist es zunächst sinnvoll, eine ge- nauere begriffliche Klärung sowie eine zeitliche Einordnung Letzterer herbeizuführen (Kapitel 2.1). Darauf folgt eine genauere Analyse der Entwicklung und Ausprägung von Multimedia, Internet und E-Commerce bzw. deren technologischen Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten (Kapital 2.2 ff.). Danach steht eine Untersuchung der wichtigsten Wertschöpfungsfaktoren im Zusammenhang mit den veränderten ökonomischen und informatorischen Logiken im Informationszeitalter im Mittel- punkt der Betrachtung (Kapitel 2.3 ff.). Es schließt sich eine intensive Auseinandersetzung mit den wesentlichen psychologischen Grund- sätzen an, wobei es in erster Linie um die zunehmende Abkehr von einem mechanisch-technizis- tischen Weltbild unter dem Einfluss von Systemtheorie, Kybernetik und dem Konstruktivismus geht (Kapitel 2.4 ff). Schließlich werden die wesentlichen marktlichen Gegebenheiten im Informationszeitalter sowie die daraus folgenden unternehmerischen Konsequenzen angesprochen, bevor eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse das Kapitel abschließt (Kapitel 2.5 ff.). 2.1 Die Grundlagen der Informationsgesellschaft und deren Bedeutung für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung anhand einiger Zahlenbeispiele Schaut man sich die Ursprünge des Begriffes Informationsgesellschaft etwas genauer an, so ist fest- zustellen, dass dieser bereits zu Zeiten geprägt wurde, wo die zuvor analysierte Industriegesellschaft noch in vollem Gange war. So wurde bereits Anfang der 70er Jahre von Bell die Informationsgesellschaft als eine Form der postindustriellen Gesellschaft beschrieben. Dabei zeichnet sich die postindustrielle Gesellschaft ins- besondere dadurch aus, dass es zu einer starken Verlagerung der wirtschaftlichen Tätigkeiten hin zu dem Dienstleistungs- und Informationssektor kommt. Nicht mehr in Privathand befindliche Kapi- talgüter und Maschinen sind die dominierenden Faktoren der (nach wie vor industriell geprägten) Wirtschaft, sondern Information und Wissen102. Eine andere weit verbreitete Sichtweise stellt einen engen Zusammenhang zwischen der Informati- onsgesellschaft und den Informationsindustrien her. Dieser besagt, dass es mit einem zunehmenden Fortschreiten der technologischen Entwicklung unweigerlich dazu kommt, dass mehr und mehr Menschen Berufen nachgehen, deren wichtigste Aufgabe die Schaffung, Verarbeitung und Verbrei- tung von Informationen ist (siehe auch die Ausführungen in Abschnitt 2.3.3 ff.). Legt man vor diesem Hintergrund das u.a. von Masuda um die Dimension Information erweiterte bekannte Drei-Sektoren-Modell103 zu Grunde (Landwirtschaft, Produktion, Dienstleitung und eben 102 vgl. Stehr (1994), S. 99 ff. 103 dieses basiert auf dem Fourastiéschen Gesetz, dessen Grundlage die Drei-Sektoren-Hypothese ist, nach welcher Volkswirtschaften einen kontinuierlichen und irreversiblen Entwicklungsprozess durchlaufen, wo zunächst der Agrarsektor, dann der Industriesektor und schließlich die Dienstleistungsgesellschaft einen dominierenden Einfluss ausübt, siehe Fourastié (1969) 47 Information104), so ist dann von einer Informationsgesellschaft zu sprechen, wenn über 50% der Beschäftigten dem Informationssektor zuzurechnen sind105. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Nefiodow, welcher die Informationsgesellschaft als fünften Kondratieff-Zyklus sieht, wobei die Informationstechnologien für ihn die Basisinnovation darstel- len106. Er greift diesbezüglich auf die von Kondratieff entwickelte Theorie der langen Wellen zu- rück, welche besagt, dass sich volkswirtschaftliche Ab- und Aufschwünge in kapitalistischen Wirt- schaften in Wellen von jeweils 40-60 Jahren wiederholen. Die Schwankungen können Ursachen wie Kriege, Revolutionen, aber auch Auswirkungen des technischen Fortschritts haben107. Allerdings sind für Nefiodow nicht so sehr revolutionäre oder kriegerische Umschwünge die Ursa- che für das Entstehen der langen Wellen, sondern vielmehr grundlegende Innovationen. Demzufol- ge ist die Welt momentan mit der fünften langen Welle konfrontiert, wobei erstmalig dieser Zyklus nicht primär von der Verwertung von Bodenschätzen, Stoffumwandlungsprozessen und Energien getragen wird, sondern vor allem von der Verwertung einer geistigen Größe, der Information. Folg- lich werden im Rahmen der Informationsgesellschaft Information und Wissen zu den bestimmen- den Wachstumsfaktoren, wie auch aus dem nachfolgenden Schaubild hervorgeht108: Abb. 4: Die Informationsgesellschaft als fünfter Kondratieff Diese technologische Bestimmung der Informationsgesellschaft wird durch Weller geteilt. Für ihn befindet sich die Gesellschaft in einem Umbruch, der bedingt ist durch die Entwicklung der Infor- mationstechnologie (vgl. Kapitel 2.2 ff.), einem Prozess, der mit unglaublicher Geschwindigkeit voranschreitet und somit unweigerlich das Ende der Industriegesellschaft einläutet109. Recht lapidar drücken diesen Sachverhalt Miles und Miles aus, für welche spätestens seit Anfang der 90er Jahre eine permanente und effiziente Innovationsfähigkeit der Schlüssel für wirtschaft- lichen Erfolg ist. Die Grundlage dieses Erfolges bildet letztendlich Wissen110, das sich u.a. durch Erschließung und Nutzung der verschiedenen Erscheinungsweisen von Informationen (Daten, Tex- te, Nachrichten, Bilder, Wissen, Ideen etc.) auszeichnet111 (bezüglich einer genaueren Erläuterung der Begriffe Information und Wissen siehe auch Kapitel 3.2.3.2.3 f.). Versucht man vor dem Hintergrund der obigen Feststellungen eine begriffliche Definition der In- formations- und Wissensgesellschaft, so kann diese als eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform verstanden werden, "in der die Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Informati- 104 vgl. Masuda (1981) 105 vgl. Dordick/Wang (1993), S. 31 ff. 106 vgl. Nefiodow (1991), S. 27 107 vgl. Kondratieff (1926), S. 591 ff. 108 vgl. Nefiodow (1991), S. 27 109 vgl. Weller (1999), S. 125 110 vgl. Miles/Miles (1999), S. 328 111 vgl. Warnecke (1999), S. 33 48 on und Wissen einschließlich wachsender Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation eine prä- gende Rolle spielen"112. Dass die beschriebenen Aussagen keine Fiktion sind, sondern die Informationsgesellschaft schon voll im Gange ist, wird insbesondere an der Aufzählung folgender Beispiele deutlich113: x Einsatz persönlicher Navigatoren, um Datenbanken zu durchsuchen x Datenbankgestützte Marktkommunikation x Elektronischer Einzelhandel x Spracherkennung statt Telefonvermittlung x Digitalgeld statt Banknoten x Video auf Abruf im Wettbewerb mit Fernsehanstalten Ein weiterer Beleg für die immer stärker zunehmende Bedeutung von Information und Kommuni- kation innerhalb der Informations- und Wissensgesellschaft, ist die zunehmende Zersplitterung des Telekommunikationsmarktes in verschiedene komplexe Teilmärkte. Dabei sind die wesentlichen Teilmärkte114: x Sprachkommunikation (weltweites Telefonieren, Ansagedienste, Auskunftsdienste, Mobilfunk) x Bildkommunikation (Videokonferenzen, Bildtelefone) x Datenkommunikation (beinhaltet eine breite Spanne unterschiedlicher Leistungen von der ein- fachen Textübertragung bis zur Steuerung von Produktionsprozessen) x Mehrwertdienste (Portale, elektronische Marktplätze, e-Hubs etc. siehe Kapitel 2.1 f.) x Multimedia (siehe Kapitel 2.1 f. unten) Nach diesen eher grundsätzlichen Aussagen, geht im Weiteren darum, dass mit Hilfe der Eruierung einiger (Markt-) Zahlen und anderer quantitativer Zusammenhänge die Bedeutung der Informati- onsgesellschaft und jene der dahinter stehenden Informationstechnologien untermauert wird. 2.1.1 Die Tragweite der Informationsgesellschaft und das Potenzial hinsichtlich der mögli- chen marktlichen Entwicklung Schaut man sich diesbezüglich zunächst einige grundsätzliche Zahlen an, so ist festzustellen, dass die meisten Wissenszweige jährlich um ungeheure 4-8% ansteigen, was einer Verdopplungszeit des Wissens von 10-15 Jahren entspricht. Des Weiteren ist bemerkenswert, dass sich in einer normalen Tagesausgabe der New York Times von heute mehr Informationen befinden als ein Durchschnitts- engländer im 17. Jahrhundert im Laufe seines ganzen Lebens zu hören bekam115. Eine andere sehr interessante Entwicklung ist die Tatsache, dass sich die Verbreitung des Radios über einen Zeitraum von insgesamt 38 Jahren hinzog, um 50 Millionen Hörer zu erreichen, bei der Verbreitung des Fernsehens dauerte dies noch dreizehn Jahre. Das Internet brauchte hierfür ledig- 112 vgl. Matejowski (2000, hervorgehoben im Original) 113 vgl. Baan (1995), S. 74 114 vgl. Huly/Raake (1995), S. 70 115 vgl. Noam (1995), S. 38 f. 49 lich vier Jahre zwischen 1994 und 1997116, 1998 erreichte die Zahl bereits 100 Millionen Nutzer und für das Jahr 2001 ist von 700 Millionen Nutzern auszugehen117. Noch deutlicher wird die ungeheure Tragweite des Informationszeitalters bei der Betrachtung eini- ger fundierter Marktzahlen. So sagt etwa die Firma Keenan Vision ein starkes Wachstum des Internethandels in den USA von 84,4 Milliarden US$ im Jahr 1999 (1% des Bruttoinlandsproduktes) auf 2,64 Billionen US$ im Jahr 2004 (23% des Bruttoinlandsproduktes) voraus, wobei der überwiegende Teil (Steigerung von 70 auf 78% bezüglich desselben Zeitraumes) auf den so genannten zwischenbetrieblichen Handel (Bu- siness-to-Business E-Commerce) fällt118 (siehe bezüglich der wesentlichen Unterschiede zwischen BtB E-Commerce und Business-to-Consumer E-Commerce auch Kapitel 2.2.2.3). Mit ähnlich hohen Zahlen operieren Forrester Research, welche davon ausgehen, dass der BtB E- Commerce-Umsatz weltweit von etwa 250 Mrd. US$ im Jahr 2000 auf über 1,3 Billionen US$ im Jahr 2003 ansteigen wird119. Für den europäischen Markt werden ähnlich hohe Steigerungsraten erwartet, was signifikant mit einer immer höheren Anwendungsrate von IT-Technologien in der europäischen Geschäftswelt ein- hergeht. Hierzu bietet sich folgendes Schaubild an120: Business internet devices on the web: Western Europe 1999 2000 2001 2002 2003 Small business PCs on the Internet (%) 45 52 59 62 66 Medium sized business PCs on the Internet (%) 57 66 71 74 77 Large business internet devices on the web (%) 77 82 84 87 89 Abb. 5: Einsatz von Internettechnologien in westeuropäischen Unternehmen Dementsprechend hoch sind auch die zu erwartenden Wachstumsraten für den europäischen BtB E-Commerce-Markt, welcher nach einer Untersuchung von Durlacher von heute 159 Mrd. US$ auf über 1,2 Billionen US$ im Jahr 2004 ansteigen soll121. Schaut man sich im selben Zusammenhang den erwarteten prozentualen Anteil des BtB E-Com- merce vom Bruttoinlandsprodukt der wichtigsten europäischen Länder für das Jahr 2004 an, so er- gibt sich folgendes Bild122: 116 vgl. KPMG (2000), S. 3 117 vgl. Matejowski (2000) 118 vgl. Keenan (2000), S. 18 119 vgl. Broadview (2000), S. 14 120 vgl. Skinner (2000), S., 56 121 vgl. Skinner (2000), S. 56 122 vgl. Skinner (2000), S. 57 50 Abb. 6: BtB E-Commerce-Umsatz in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in 2004 Bezüglich des globalen Marktvolumens des zukünftigen BtB E-Commerce-Handels schwanken die Zahlen sehr stark. So geht ein Bericht der Boston Consulting Group von 2,8 Billionen US$ im Jahr 2003 aus, Blodget/McCabe sprechen von einem Wachstum von 158 Mrd. US$ 1999 auf 2,5 Billio- nen US$ 2003123 (siehe auch das nachfolgende Schaubild124), während die GartnerGroup für das- selbe Jahr einen globalen Umsatz von 7,2 Billionen US$ voraussagt125. Abb. 7: Weltweite BtB Markteinschätzung 123 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 2 124 entnommen aus Blodget/McCabe (2000), S. 22 125 vgl. Ariba (2000), S. 1 51 Wirft man abschließend noch einen Blick auf Deutschland, so schätzt die Deutsche Bank, dass der E-Commerce-Umsatz hier in den nächsten fünf Jahren etwa 300 - 400 Mrd. Euro erreicht und dies vor dem Hintergrund, dass der entsprechende Umsatz 1998 gerade einmal 1,5 Mrd. Euro betrug. Dabei ist erneut davon auszugehen, dass der größte Anteil im BtB-Geschäft erzielt wird126. Nach diesen einführenden Anmerkungen zur Informationsgesellschaft sowie der Offenlegung von Zahlen, die das enorme Entwicklungspotenzial beleuchten, wird im folgenden Kapitel auf die da- hinter stehenden Technologien eingegangen. Denn diese Technologien haben den bis dato zurück- gelegten Entwicklungsweg erst ermöglicht und stellen letztendlich die Basis für die im Folgenden zu beschreibenden einschneidenden Veränderungen dar. 2.2 Multimedia, Internet und E-Commerce: Entwicklung und Ausprägung der Informationstechnologie Ein wichtiger und im Zusammenhang mit der Entwicklung der Informationstechnologie häufig ge- nannter Begriff ist Multimedia. Nach Booz Allen & Hamilton wird dieser in der Regel als Oberbe- griff für eine Vielzahl von Produkten und Diensten aus dem Computer-, Telekommunikations- und Medienbereich verwendet. Diese Produkte und Dienste zeichnen sich durch drei gemeinsame Merk- male aus127: x Die Möglichkeit der interaktiven Nutzung, der Nutzer ist nicht mehr nur passiver Empfänger, sondern kann durch die Anwendung entsprechender Rückkanäle aktiv in das Geschehen eingrei- fen x Die integrative Verwendung verschiedener Medientypen durch die Kombination von statischen (Text und Daten) mit dynamischen (Video- und Audiosequenzen) Medien x Die digitale Technik128 als Basis der Anwendungen, welche die Speicherung, den Weitertrans- port und die anschließende Neubearbeitung nicht nur stark vereinfacht, sondern überhaupt erst ermöglicht Durch Multimedia wird dementsprechend eine Medienintegration beschrieben, welche die compu- tergesteuerte Speicherung, Bearbeitung und Wiedergabe sowie Übertragung von Kombinationen aus Text, beweglichen und stehenden Bildern und Ton bezeichnet. Dabei werden Audio-, Video-, Grafik- und Textdaten unter einer Benutzeroberfläche zusammengeführt. Aus diesem Grund han- delt es sich bei dem oft gebrauchten Schlagwort Multimedia keineswegs um eine neue Technologie, sondern um die Zusammenführung ursprünglich getrennter Techniken129. Zur besseren Verdeutlichung dieser Zusammenhänge bietet sich folgendes Schaubild als anschauli- che Erklärung an130: 126 vgl. Deutsche Bank (2000), S. 1, 26 127 vgl. Booz Allen & Hamilton (1994), S. 27 128 digital meint hier alles, was sich in numerischer Form, also mittels Nummern darstellen lässt und was sich danach wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen lässt, ohne seinen wesentlichen Inhalt zu verlieren, z.B. Bücher, Fotos oder Musik, vgl. Aldrich (1999), S. 5 129 vgl. Garnham (1995), S. 70 130 vgl. Booz Allen & Hamilton (1994), S. 28 52 Multimedia Merk- male 1. Interaktive Nutzung der Produkte/Dienste 2. Integrative Verwendung von dynamischen (Audio, Video) und statischen (Text, Graphik etc.) Medientypen 3. Im Wesentlichen auf Basis von digitaler Tech- nik und Nutzung von Kompressionstechnolo- gien Wichtige Produkte und Dienste Ɣ Pay-TV – Remote Joint Editing – Pay-per-View – Home Services Ɣ Point-of-Sale – Video-on-demand – Multimedia-PC – Video-Spiele Ɣ Homeshopping – Datenbanken – Multimedia-Server – Bildtelefone Abb. 8: Begriffsdefinition Multimedia Aus dieser Aufzählung geht bereits die ungeheure Bandbreite möglicher Multimediaanwendungen hervor. Diese Anwendungen ermöglichen dem Nutzer ein breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten wie z.B. die interaktive elektronische Kommunikation zwischen Lieferanten, Händlern und Konsumen- ten. Den einzelnen Kommunikationsteilnehmern wird es durch die interaktive Nutzung ermöglicht, beispielsweise stärker in die Produktentwicklung eingebunden zu werden oder als kompetenter Ideengeber zu fungieren131. An dieser Stelle sei nochmals betont, dass der Anwender eines Multimediasystems oftmals zur Ak- tion aufgefordert wird, ein passives Verhalten somit nur eingeschränkt möglich ist. Im Rahmen die- ses Prozesses kann der Anwender den Ablauf des Informationsflusses bestimmen und durch das vorkonfigurierte System navigieren. Dabei beinhaltet die interaktive elektronische Kommunikation nicht nur die Informationssuche, sondern umfasst auch Angebots-, Auswahl-, Bewertungs- und Vergleichsprozesse, setzt sich im Bestellwesen fort und schließt auch die elektronische Bezahlung mit ein132. Um Letzteres zu ermöglichen, reichen Multimediaanwendungen für sich betrachtet keineswegs aus, sondern sie sind "lediglich" Bestandteil einer Vielzahl von Aufgaben, angefangen im Netzbereich, 53 131 vgl. Huly/Raake (1995), S. 53 132 vgl. Huly/Raake (1995), S. 96 über Inhalte bis hin zum Service-Providing, die es zu bewältigen gilt, um die interaktiven, integrati- ven und digitalen Möglichkeiten tatsächlich in vollem Umfang nutzen zu können. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes sei auf das folgende Schaubild verwiesen, welches auch als Multimedia-Wertschöpfungskette bezeichnet werden kann133: Abb. 9: Die Multimedia-Wertschöpfungskette 2.2.1 Die Entwicklung des Internets als Basismedium der Informationsgesellschaft und des- sen technologische Grundlagen Damit beschriebene Anwendungen auch umfassend und von einer großen Anzahl an Nutzern ge- braucht werden können, bedarf es eines entsprechenden Übertragungsmediums. Ein solches Medi- um ist das bereits oben erwähnte Internet, welches sich in den letzten Jahren geradezu explosionsar- tig entwickelt hat (siehe oben). Mit Hilfe des Internets tauschen Millionen von Menschen und zahl- lose Unternehmen tagtäglich riesige Mengen an Informationen direkt, schnell und nahezu gratis aus, recherchieren, navigieren und wählen Waren aus, und das wohlgemerkt ohne reales Kaufhaus und ohne realen Vertrieb134. Diese nahezu unvergleichliche Erfolgsstory des Internets beruht in erster Linie darauf, dass dieses letztlich als Basismedium einer globalen Informationsinfrastruktur angesehen werden kann, welches zum einen unspezifisch und zum anderen offen ist. Ersteres meint, dass das Internet weder für einen bestimmten Anwendungszweck noch einen klar definierten Dienst entworfen wurde. Letzteres be- 54 133 vgl. Booz Allen & Hamilton (1994), S. 39 134 vgl. Evans/Wurster (2000a), S. 83 Netzinfra- struktur Netzleis- tung Server Inhalte VAS/ Service Providing Endgeräte Software Consulting System- Lösungen Bereitstellung der Technolo- gie, die für die Erbringung der Netz- leistung (z.B. Telefon- dienst)erfor- derlich ist, z.B. Glas- faserleitung, Vermittlungs- technik Angebot einer Netzleistung, z.B. Telefon- dienst, ISDN etc. Herstellung von Multimedia- Servern inkl. Hard- und Software Produktion von Inhalten für Multimedia- Dienste, z.B. Filme, Video- spiele, Daten- bankinhalte Erbringung von Dienstleistun- gen, die für die Nutzung von MM-Diensten notwendig sind, z.B. Nutzerre- gistrierung und -verwaltung, Billing, Infor- mationsauf- bereitung etc. Herstellung von Endgeräten für die Nutzung von MM-Diensten, z.B. MM-PC, MM-TV, Set Top Box, PDA Erstellung von Software für die Herstellung und Nutzung von MM-Anwen- dungen, z.B. Video for Win- dows Beratung, Ange- bot von Produk- ten, die aus mehreren Kom- ponenten beste- hen, z.B. Netz- leistung + Server + Endgerät Be- schrei- bung Herstellung und Installati- on der Netz- technologie ISDN, Datex M, Corporate Net- works Herstellung, Vertrieb und Wartung von MM-Servern für MM-Datenbank- Server Konzipierung und Herstellung von MM- Datenbank- inhalten, z.B. Zeitungsartikel, Lexika, Produkt- informationen Betrieb und Vermarktung eines MM- Datenbank- dienstes, z.B. digital Collec- tions (Focus-On- line) Herstellung, Vertrieb und Wartung von MM-Endgeräten, z.B. MM-PC´s, Kiosksysteme etc. Herstellung, Vertrieb und Service von MM Betriebs- systemen und Anwendungs- programmen z.B. Tutorials Beratung von Online- Anbietern beim Aufbau von Datenbank- systemen Beispiel: Multi- media Daten- bank- abfrage deutet, dass es sich um einen allgemein akzeptierten hersteller- und anwendungsübergreifenden Standard handelt (wie es bei der paketbasierten Protokoll-Suite zur Datenübertragung TCP/IP zwei- felsohne der Fall ist). Das heißt, alle Spezifikationen, die für die Nutzung des Internets gebraucht werden, sind öffentlich verfügbar bzw. zugänglich135. Aufbauend auf dem eben genannten Protokoll, gibt es eine Reihe weiterer, höherer Protokolle, die im Wesentlichen für die besondere Attraktivität des Internets verantwortlich sind. Hierzu zählt das File Transfer Protocol (FTP), mit welchem auf einfache Weise Daten transferiert werden können, das Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) für den E-Mail-Verkehr, TELNET zur Einrichtung von Terminals via Internet auf entfernten Hosts sowie Net News Transfer Protocol (NNTP) für die Nut- zung von News-Diensten136. Einen besonderen Stellenwert nimmt das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) ein, welches die Grundlage für das so genannte World Wide Web (WWW) bildet, ein Dienst, der sich großer Be- liebtheit erfreut und welcher bis zu 80% der im Internet übertragenen Datenvolumen ausmacht. Rein technisch betrachtet, handelt es sich beim WWW um eine Vielzahl weltweit vernetzter Server, die verschiedenste Informationen und Dienste anbieten. Die Informationsaufbereitung in diesem Medium erfolgt dabei durch die Hypertext-Sprache HTML (Hyper Text Markup Language). Diese ermöglicht am Bildschirm des Nutzers die gemeinsame Darstellung von Text sowie multimediale Elemente wie Grafiken, Video und Sound. Zusätzlich zu dieser rein darstellenden Sprache gibt es weitere plattformunabhängige Programmiersprachen wie Java oder SkriptX. Diese sorgen dafür, dass komplexere Anwendungen über das Internet bereitgestellt werden können, indem Software- programme über dieses geladen und lokal auf dem Rechner abgewickelt werden137. Einen guten Überblick über die Schichten und Säulen des Internets vermittelt das folgende Schau- bild138: Abb. 10: Die Schichten und Säulen des Internets Warburg Dillon Read merken in diesem Zusammenhang an, dass die Internetwirtschaft im Großen und Ganzen in zwei große Bereiche geteilt werden kann, die (Internet-) Infrastruktur auf der einen und die (Internet-) Aktivitäten auf der anderen Seite. Erstere lässt sich wiederum in die Infrastruk- tur- und Applikationsschicht unterteilen, Letztere in jene der "Zwischenhändler", der so genannten Intermediaries (siehe vertiefend auch Kapitel 2.2.4 f.) sowie die Transaktionsschicht. 135 vgl. Picot/Reichwald/Wigand (1998), S. 156 136 vgl. Sautter (1999), S. 163 137 vgl. Piller (2000), S. 43 138 vgl. Sautter (1999), S. 164 55 Betrachtet man zunächst die Infrastrukturschicht, so umfasst diese Unternehmen, die Netzwerkpro- dukte und -services anbieten. Zu diesen zählen139: x Fibre optics makers: Corning, Pirelli x Networking hardware/software companies: Cisco, Lucent, 3Com x Internet backbone providers: Qwest, MCI Worldcom x PC & Server manufactures: Dell, Compaq, HP x Internet service provider: AOL, T-Online Die Internetapplikationen stellen jene Werkzeuge bereit, die dafür sorgen, dass überhaupt Geschäfte über das Internet abgewickelt werden können, so z.B.140: x Web development software: Adobe, Vignette, Allaire x Web-enabled databases: Oracle, IBM, MS SQL Server x Search engine software: Inktomi, Verity x Internet commerce application: Netscape, Microsoft, Sun x Multimedia application: Realnetworks, Macromedia x Web hosting and support services: Exodus, Verio x Transaction processing companies: First Data, ADP Die eben erwähnten Online-Zwischenhändler erhöhen die Effizienz des Marktes dadurch, dass sie Käufer und Verkäufer übers Internet zusammenbringen und deren Interaktionen so weit wie mög- lich vereinfachen. Sie sind also letztlich der Katalysator zwischen den eben erwähnten Schichten einerseits und der noch anzusprechenden Transaktionsschicht andererseits (siehe hierzu ausführlich Kapitel 2.2.4.ff.). Zu diesen zählen Tätigkeiten und Firmen wie141: x Vertical market makers: VerticalNet, PCOrder x Online travel agents: TravelWeb, Flugbörse x Online brokerage: Consors, Schwab x Online auction: eBay, QXL x Content aggregators: Cnet, Zdnet, Broadcast.com x Portals: Yahoo, Excite In Bezug auf die Online-Transaktionen ist zu sagen, dass diese vierte Schicht vor allem Firmen um- fasst, die web-basierten Handel durchführen, also sowohl Produkte als auch Services, sei es direkt an den Endkunden oder an andere Unternehmen, über das Internet verkaufen. Hierzu zählen142: x E-Tailers: Amazon.com x Manufactures selling online: Cisco, Dell, IBM x Online ticketing: American Airlines, United Airlines x Online entertainment: Disney.com, ElectronicArt.com x Subscription based companies: TheStreet.com, Wired.com x Shipping services: UPS, FedEx Bezüglich einer vertiefenden Analyse siehe auch Kapitel 2.2.2 ff. im Anschluss. 139 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 58 140 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 59 141 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 60 142 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 61 56 Ferner ist im Zusammenhang mit den aus diesen technischen Möglichkeiten resultierenden Vortei- len der Internetnutzung hinzuzufügen, dass die eben beschriebene rasante Entwicklung der unspezi- fischen und offenen globalen Rechnernetze letztlich die besondere Attraktivität des Internets, als skalierbares, interaktiv nutzbares und dynamisch wachsendes Medium ausmacht143. Dessen Nut- zung ist zudem zu moderaten Kosten ohne großen technischen Aufwand möglich. Dieser Umstand wird auch von Keenan unterstrichen, welcher zum einen feststellt, dass einer der Hauptantriebskräfte des Internets in der (globalen) Konvergenz von Gemeinschaft, Inhalten und Handel zu sehen ist. Infolgedessen ist es zum anderen im Laufe der Geschichte noch nie für jeman- den so einfach gewesen, mit einer innovativen Idee sein eigenes Geschäft zu starten und dies mit sofortigem globalen Zugang zu allen Märkten144. Das Internet birgt einen sehr effizienten Aus- tauschmechanismus in sich, welcher es nahezu mühelos ermöglicht, an allen bisher bekannten und eingefahrenen Handelskanälen vorbei, direkt mit einer unendlich großen Zahl an Interessenten in Verbindung zu treten und mit diesen eine Geschäftsbeziehung einzugehen145. In gleicher Weise argumentiert auch Weller, indem er feststellt, dass die neuen Möglichkeiten der Informationsbereitstellung tief greifende Veränderungen der Beziehungen zwischen den Firmen und ihren Kunden auslösen werden, wobei die Intranet-/Internetvernetzungen letztlich der Motor der digitalen Revolution sind146. Einen guten Überblick über die Auswirkungen des Internets auf die Unternehmen sowie die einzel- nen Phasen der Umsetzung vermittelt das nachfolgende Schaubild147: Abb. 11: Eine Phasendarstellung der Auswirkungen des Internets auf Unternehmen Im Anschluss an diesen ersten Überblick über die technischen Grundlagen sowie die Anwendungs- möglichkeiten des Mediums Internet werden im Folgenden jene (durch das Internet beeinflusste) Zusammenhänge analysiert, die einen großen Einfluss auf die Wertschöpfung im Unternehmen, die Geschäftstätigkeit der Unternehmen untereinander sowie auf das Verhältnis zwischen Unternehmen 143 vgl. Picot/Sennewald (1998), S. 64 144 vgl. Keenan (2000), S. 2 ff. 145 vgl. Broadview (2000), S. 6 146 vgl. Weller (1999), S. 127 147 entnommen aus Phillips/Meeker (2000), Anhang, Chart 6 57 und Endkunden ausüben. Den Anfang bilden einige zentrale Aussagen über den elektronischen Handel (E-Commerce), sei es zwischen Unternehmen (Business-to-Business), sei es bezüglich Un- ternehmen und Endkunde (Business-to-Consumer). 2.2.2 Die Ausprägung des E-Commerce als Folge der weltweiten elektronischen Vernetzung Wie vorstehend bereits angedeutet, handelt es sich beim E-Commerce um die Summe aller wirt- schaftlichen Aktivitäten, die elektronisch abgewickelt werden und welche somit einen Kauf oder Verkauf eines Gutes oder einer Dienstleistung z.B. über das Internet nach sich ziehen. Abhängig von den Wirtschaftssubjekten (Unternehmen oder Privatpersonen), die an den jeweiligen Transakti- onen beteiligt sind, ist zwischen BtC- und BtB-E-Commerce zu unterscheiden148. Thome spricht mit Bezug auf den Ausdruck E-Commerce von einer integrierten Ausführung aller informatorischen Bestandteile von ökonomischen Prozessen bis hin zu digitalen Kanälen. Dies kann sich sowohl auf die Ausführung rein innerbetrieblicher Funktionen als auch auf die unternehmens- übergreifende Verknüpfung einzelner Prozessteilschritte oder ganzer Wertketten beziehen149. Wich- tig ist in diesem Zusammenhang, dass es bei der Implementierung von E-Commerce-Anwendungen weniger um eine irgendwie geartete informationstechnische Verbindung zwischen zwei oder mehr Marktteilnehmern handelt, sondern dass diese durch die Anwendungen in die Lage versetzt werden, die jeweils ankommenden Daten auch elektronisch weiterverarbeiten zu können. Es wird also eine elektronische Verknüpfung einzelner Prozessketten in Angriff genommen150. In diesem Sinn merkt Michael Dell an, dass es sich bei E-Commerce um das effektivste Transakti- onsmedium handelt, was man sich überhaupt vorstellen kann151. Bevor diese Aussagen im Einzelnen etwas weiter vertieft werden, wird vorab zum besseren Ver- ständnis ein kurzer Überblick bezüglich der Entwicklungsgeschichte des E-Commerce gegeben. 2.2.2.1 Die E-Commerce-Entwicklung, gezeigt am Beispiel EDI, Btx, Minitel und ersten Business-to-Customer E-Commerce-Anwendungen In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass E-Commerce keinesfalls in direkter Abhängigkeit zur Entwicklung und Ausbreitung des Internets zu sehen ist, sondern auch schon zu Zeiten eine Rolle spielte, wo das Internet noch in den Anfängen steckte bzw. ausschließlich für wissenschaftliche und militärische Zwecke genutzt wurde. So sind die bereits im ersten Kapitel erwähnten Electronic Data Interchange-Systeme (kurz EDI- Systeme), die teilweise bereits seit den 70er Jahren existieren, eindeutig den E-Commerce-Anwen- dungen zuzuordnen (siehe Kapitel 1.1.1.1). Hierbei handelt es sich um eine weit gehend automatisierte Form der Kommunikation, wobei struk- turierte Daten bzw. standardisierte Inhalte zwischen betrieblichen Anwendungssystemen ausge- tauscht werden. Im Vordergrund steht bei einer solchen Datenübertragung, abgesehen von der Da- tenübermittlung, vor allem die Weiterverarbeitung der Informationen in den Systemen des Daten- empfängers ohne zusätzliche manuelle Eingriffe152. 148 vgl. Deutsche Bank Research (2000), S. 6 149 vgl. Thome (1998), S. 966 150 vgl. Zimmermann (1995), S. 73 151 vgl. Andersen Consulting (1999), S. 5 152 vgl. Thome et al. (1997), S. 49 58 Darüber hinaus werden diese EDI-Systeme als proprietäre elektronische Datenaustauschsysteme bezeichnet, über welche unter der Verwendung branchen- oder gar unternehmensspezifischer Aus- tauschprotokolle in der Regel Angebots-, Rechnungs- und Logistikdaten geschickt werden. Für ein solches statisches System sind nicht nur fest etablierte Geschäftsbeziehungen, sondern auch der Aufbau von privaten Unternehmensnetzen (den so genannten Value Added Networks, VANs) mit fest definierten Standards und Übertragungsprotokollen erforderlich. Hieraus entsteht auch deren Unflexibilität, wenn es um eine lediglich temporäre Anbindung von Unternehmen ohne großen Ab- stimmungsaufwand an den Schnittstellen geht (siehe auch Kapitel 1.1.1.1). Weiterhin ist anzumerken, dass die EDI-Systeme zwar in Teilbereichen sehr effizient arbeiten, aber für eine überbetriebliche Integration der Prozessabläufe sowie eine kurzfristige informationstechni- sche Unternehmensvernetzung eher ungeeignet sind, da ihnen einheitliche Datenformate und Da- tenstrukturen fehlen. Die Folge dessen sind redundante und inkonsistente Datenbestände sowie eine mangelnde Transparenz der Ablauforganisation153. Ferner lohnt sich die Anschaffung eines solchen komplexen und teuren Systems nur für längerfris- tig ausgerichtete und sehr informationsintensive Unternehmensverbindungen. Eine große Zahl mög- licher Anwender, die eher zu den mittleren und kleinen Unternehmen zu zählen sind, werden des- halb von vornherein insbesondere durch die hohen Implementierungskosten abgeschreckt. Aus die- sem Grund ist es auch wenig verwunderlich, dass gerade bei mittelständischen Unternehmen ledig- lich ein unterdurchschnittlicher Einsatz von EDI-Systemen zu verzeichnen ist. So kam eine Studie von 500 Herstellern des mittelständischen amerikanischen produzierenden Gewerbes zu dem Er- gebnis, dass lediglich 23% der Firmen, die sich selbst als bevorzugten Lieferanten eines größeren Abnehmers bezeichneten („tier 1 supplier“), über eine EDI-Anbindung verfügten. Geht man auf der Zulieferkette noch eine Stufe tiefer, so sinkt die Zahl der Unternehmen, die ein EDI-System zwi- schen Tier 1- und Tier 2-Zulieferern einsetzen, auf gerade mal 11%154. Diese Zahlen stehen in deut- lichem Gegensatz zu den Einsatzzahlen von EDI-Systemen in Großunternehmen, welche diese in großem Stil (95% aller Fortune 1000 Unternehmen)155 einsetzen. Abgesehen von diesen EDI-Systemen sind zu den frühen E-Commerce-Entwicklungen auch das deutsche Btx- sowie das französische Minitel-System zu zählen. Hinter dem Kürzel Btx verbirgt sich das Wort Bildschirmtext, womit ein Service der damaligen Deutschen Bundespost gemeint ist, durch welchen man über das öffentliche Fernsprechnetz per Modem einen preiswerten Zugriff auf viele Informationen und Dienstleistungen hat. Die Vorausset- zung, um diesen Dienst nutzen zu können, ist entweder das Vorhandensein eines so genannten Btx- Terminals (ab Anfang der 80er Jahre), welches sich normalerweise in einem Fernseher befindet, oder aber eines Btx-Programmes für den Computer (ab Ende der 80er Jahre)156. Hinter diesem Ser- vice steckt letztlich eine riesige Datenbank, die bei entsprechender Berechtigung bzw. Hard- und/ oder Softwareausstattung von jedem eingesehen werden kann157. Dabei war insbesondere der Einsatz von Btx über den normaler Fernseher mit der Hoffnung ver- knüpft, dass viele Privathaushalte die Vorzüge der elektronischen Kommunikation annehmen und schätzen lernen. Jedoch sah die Realität nicht zuletzt durch den hohen Decoder-Preis von etwa 1000,- DM gänzlich anders aus, so dass sich diese Kommunikationsmöglichkeit keineswegs zu dem erhofften Massenmedium entwickelte. Dies änderte sich auch nicht wesentlich, als Ende der 80er Jahre der Hardware-Decoder zunehmend von einem Software-Decoder für den PC verdrängt wurde. Auch hier blieben die Anschlusszahlen letztlich weit hinter den Erwartungen zurück158. 153 vgl. Piller (2000), S. 34 154 vgl. Piller (2000), S. 46 155 vgl. Andersen Consulting (1999), S. 13 156 vgl. Astrath (1992), S. 227 ff. 157 vgl. Altenhövel (1994), S. 3 158 vgl. Ehrkamp/Mansfeld (1994), S. 438 f. 59 Zu dem Minitel-System ist zu sagen, dass dieses auf Initiative der französischen Regierung bereits 1979 in Frankreich eingeführt worden ist. Für den Nutzer ist ein Videotext-Terminal, welcher dem Kunden im Gegensatz zum Btx-System in Deutschland von der französischen Post kostenlos zur Verfügung gestellt wurde (wird), sowie ein Telefonanschluss Voraussetzung. Über die Jahre entwi- ckelte sich das System in Frankreich derart erfolgreich, dass im Laufe der 90er Jahre 50% aller französischen Unternehmen und 40% aller Franzosen das System nutzten. Dessen Angebot reicht von Regierungsinformationen über Büchereikataloge und Reservierungsmöglichkeiten für Bahn und Flugzeug bis hin zu Einzelhandelsangeboten, wobei insgesamt über 26.000 Dienste mit über 16 Millionen Terminals im Einsatz sind. Diesbezüglich ist es bemerkenswert, dass das gesamte Mini- telsystem noch 1996 mehr Umsatz generierte als der komplette Internet-Umsatz in den USA159. Allerdings konnte diese durchaus beachtliche Entwicklung letztlich nicht verhindern, dass neben dem ohnehin erfolglosen Btx-System auch das zumindest lokal erfolgreiche Minitel-System auf Grund der Ausweitung des Internets zunehmend unter Druck geriet. Heute ist Btx nahezu komplett verschwunden und auch das Minitel-System führt ein allenfalls lokal (in Frankreich) beachtetes Schattendasein. Somit ist letztlich die explosionsartige Ausbreitung des Internets dafür verantwortlich, dass es im großen Stil ab Mitte der 90er Jahre zu einer verstärkten Entwicklung des (weltweiten) Business-to- Consumer E-Commerce kam. Diese begann zunächst mit der Ausprägung so genannter horizontaler und vertikaler Portale, wie beispielsweise dem "E-Tailer" Amazon als Sinnbild der Ausprägung eines vertikalen Portals. Ama- zon.com verstand es bereits relativ früh, die Segnungen des Internets dahingehend zu nutzen, über das Netz eine nahezu unbegrenzte Zahl an Kunden zu bedienen. Den Nutzern wird dabei ein durch- aus ansprechendes, individuelles "virtuelles Shoppingerlebnis" (virtuell meint die Abbildung der realen Welt bzw. die Erzeugung neuer Welten auf dem Computerbildschirm) geboten. Ermöglicht wird dies u.a. durch einfache Methoden des "data-minings", einer tiefer gehenden, web-basierten Datensammlung über die jeweiligen Kunden. Auf diese Weise können die Bedürfnisse noch besser erkannt und bei folgenden Einkaufstouren oder mittels Direkt-Marketing-Techniken genutzt wer- den160. Weiterhin ist als Beispiel für ein horizontales Portal die Firma Yahoo zu nennen, welche zunächst als reine Suchmaschine im Netz begann und mittlerweile auch Finanzdienstleistungen sowie Reise- und News-Services anbietet (Yahoo.com)161. 2.2.2.2 Die zunehmende Ausprägung des Business-to-Business E-Commerce, gezeigt am Bei- spiel von Unternehmen wie Federal Express, Cisco, Dell und General Electric Im Zusammenhang mit dem BtB-Handel über das Internet sind eine Reihe von Unternehmen zu erwähnen, die diesen oftmals schon seit Jahren sehr erfolgreich betreiben und in ihren jeweiligen Industriezweigen jeweils Spitzenpositionen einnehmen. Anzuführen ist diesbezüglich z.B. die Firma Federal Express (FedEx), welche bereits in den 80er Jahren begann, weltweit Terminals in Verladehäfen aufzustellen, um von dort aus teilweise über das Internet eine direkte und zuverlässige Angebots- bzw. Lieferverfolgung sicherzustellen. Mit der zu- nehmenden Verbreitung des Internets Mitte der 90er Jahre und der Verfügbarkeit des Personal Computers weitete FedEx die Funktionalität aus, indem das gesamte Leistungsangebot ins Internet gestellt wurde. Den Kunden ermöglichte man auf diese Weise über das Internet (Einwahl mittels Modems) einen Zugang zu dem elektronischen Angebots- und Lieferverfolgungssystem. Hierdurch 159 vgl. Andersen Consulting (1999), S. 29 160 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 74 161 vgl. Goldman Sachs (1999), S. 15 60 waren (und sind) die Kunden besser in der Lage, von ihrem jeweiligen Standort den Orderstatus zu verfolgen bzw. auf der Basis der dort verfügbaren Daten die eigene Produktion entsprechend zu steuern. Durch diese aktive Einspannung des Kunden mit Hilfe des Internets, insbesondere in der After-Sales-Phase ist es FedEx massiv gelungen, Personalkosten einzusparen. Anderenfalls hätten nach hauseigenen Schätzungen etwa 20.000 zusätzliche Leute eingestellt werden müssen, um den- selben Informationsstand sicherzustellen162. Eine andere Firma, die sehr erfolgreich Geschäfte über das Internet abwickelt, ist Cisco, einer der führenden Hersteller von Netzwerktechnologien wie z.B. Router. Cisco nutzt bereits seit Anfang der 90er Jahre das Internet als Verkaufskanal, wobei zunehmend auch Software-Downloads, Feh- lerverfolgung und technische Unterstützung über das Internet angeboten werden. Seit Mitte der 90er Jahre wickelt Cisco den kompletten Angebotsprozess über das Internet ab. Dies hat den großen Vorteil, dass die zahllosen Fehlermöglichkeiten, die es bei der Bestellung von Routern und sonsti- gen Netzwerkausrüstungsgegenständen gibt (spezielle Konfigurationen, besondere technische Aus- stattungswünsche etc.), auf ein Minimum reduziert werden. Vor der Einführung dieses elektroni- schen Bestellsystems war im Durchschnitt eine von vier Bestellungen fehlerhaft, was ein erneutes Durchlaufen des gesamten Bestellprozesses erforderte, verbunden mit zusätzlichen Kosten und an- gespannten Nerven auf Seiten von Cisco und der Kunden. Durch das Online-Bestellverfahren kön- nen sich die Kunden die gewünschten Produkte am Bildschirm zusammenstellen und die entsprech- enden Preise abfordern sowie direkt bestellen. Weiterhin werden die Kunden bei fehlerhaften Ein- gaben automatisch informiert und können auf diese Weise sofort korrigierend am Bildschirm ein- greifen. Darüber hinaus ermöglicht es Cisco seinen Kunden, ähnlich FedEx, den jeweiligen Order- status über das Internet abzurufen. Mittels dieser Vorgehensweise gelingt es Cisco, Produkte im Wert von über 12 Mrd. US$ jährlich über das Internet abzusetzen und über 70% aller Serviceanfra- gen über das Netz zu handeln163. Ein mit ähnlich großem Erfolg über das Internet operierendes Unternehmen ist der PC-Hersteller Dell, wobei anzumerken ist, dass Dell im Gegensatz zu den anderen hier aufgeführten Unternehmen auch große Teile seines Internet-Umsatzes im BtC-Bereich erwirtschaftet. Dieser Erfolg rührt nicht etwa daher, dass Dell die besten bzw. leistungsfähigsten Computer her- stellt, sondern ist in erster Linie auf das so genannte "build-to-order" Direktverkaufsmodell über das Internet zurückzuführen164. Wie der Name schon sagt, nutzt Dell das Internet als direkten Vertriebs- kanal, d.h., Dell verkauft seine Computer ohne Zwischenhandel direkt über das Internet. "Build-to- order" besagt jetzt, dass jeder PC erst dann produziert wird, wenn hierfür auch eine konkrete Bestel- lung übers Internet vorliegt. Dadurch umgeht Dell nicht nur die klassische Lagerhaltungsproblema- tik, sondern ändert sie sogar ins Gegenteil um (geringer Kapitalumschlag und hohe Lagerkosten entwickeln sich zu hohem Kapitalumschlag und geringen Lagerkosten)165. Zusätzlich ergibt sich der Vorteil einer weitaus geringeren Kapitalbindung, da weit weniger Gebäude, Grundstücke, Anlagen und Personal benötigt werden, was in Summe für Dell einen geschätzten Kostenvorteil von 10-15% gegenüber seinen wichtigsten Wettbewerbern ausmacht166. Ähnlich wie Cisco generiert Dell etwa 12 Mrd. US$ Umsatz über das Internet, Tendenz stark stei- gend167. Dabei ist das Unternehmen ständig bemüht, weitere Wertschöpfungsaktivitäten, etwa im Bereich Kundenservice, Marketing oder Forschung und Entwicklung, mit Hilfe des Internets abzu- wickeln bzw. zu vereinfachen, wie das folgende Schaubild anschaulich darstellt168: 162 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 18 163 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 18 f. 164 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 35 165 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 80 166 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 80 167 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 19 168 entnommen aus Warburg Dillon Read (2000), S. 15 61 Abb. 12 Die Wertschöpfungskette des Computerherstellers Dell Schließlich sei im Zusammenhang mit der Entwicklung von BtB-E-Commerce noch die Firma Ge- neral Electric (GE) zur Sprache gebracht. Diese hat seit etwa Mitte der 90er Jahre konsequent auf die Einführung so genannter elektronischer Einkaufssysteme (E-Procurement) gesetzt. Diese elektronischen Bestellverfahren ermöglichen es Mitarbeitern, die von ihnen benötigten Produkte elektronisch zu bestellen oder ein entsprechendes Angebot von einem oder verschiedenen Zulieferant(en) einzuholen. Dauerte dieser gesamte Be- stellprozess früher etwa sieben Tage, verbunden mit einem enormen händischen Aufwand, benötigt GE nach Einführung des E-Procurement-Systems heute nur noch einen Tag für denselben Vorgang. Positive Nebeneffekte sind dabei, dass nicht nur die Arbeitskosten im Bestellwesen um 30% gesun- ken sind, sondern ebenso die Materialkosten um 5-20% gesenkt werden konnten. Darüber hinaus erwartet GE für die kommenden Jahre, dass alle Geschäftseinheiten ihre Güter des täglichen Be- darfs über das Internet bestellen, wohinter sich ein Umsatzvolumen von gut 5 Mrd. US$ verbirgt und GE von einem Einsparpotenzial von 500-700 Millionen US$ ausgeht169. 2.2.2.3 Die sich aus der Anwendung von Internet und E-Commerce ergebenden Konsequen- zen und die wichtigsten Unterschiede zwischen BtC- und BtB-E-Commerce Zieht man aus den bisherigen Aussagen in Bezug auf den Einsatz von Internet und E-Commerce eine erste Zwischenbilanz, so ist festzustellen, dass die Firmen in nicht unbeträchtlichem Umfang an Flexibilität gewonnen sowie Kosten und Ressourcen eingespart haben. Des Weiteren kann von einer deutlich erhöhten Prozesstransparenz und demzufolge von geringeren administrativen Kosten durch Vereinfachungen bei der Auftragsabwicklung gesprochen werden. Weiterhin können beste- hende Zulieferer bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit besser bewertet werden170. Diese Aussagen decken sich auch mit einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG, welches bezüglich der wesentlichen Vorteile von E-Commerce-Anwendungen herausgefunden hat171: 169 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 19 f. 170 vgl. Phillips/Meeker, S. 31 f. 171 entnommen aus KPMG (1999), S. 15 62 Abb. 13: Die sich aus E-Commerce-Anwendungen ergebenden Vorteile Bei einem gesonderten Vergleich zwischen BtC- und BtB-E-Commerce ist ferner hinzuzufügen, dass es zwar einerseits die konsumentenorientierten E-Commerce-Lösungen waren (siehe oben Aussagen zu horizontalen und vertikalen Portalen), die die ersten lauffähigen Internet-Business- Modelle begründeten und somit für eine erwähnenswerte Marktdurchdringung von E-Commerce- Anwendungen gesorgt haben. Andererseits wird aber für die Zukunft erwartet, dass die Nutzung des vollen technologischen Potenzials und das Gros der Internetumsätze im BtB-Handel angesie- delt sein wird172. Diese Einschätzung wird u.a. durch Keenan bestätigt, welcher anmerkt, dass der BtB-Umsatz in den USA 1999 etwa 70% des Gesamtumsatzes ausgemacht hat, wobei er davon ausgeht, dass dieser Wert bis zum Jahr 2004 auf 78% ansteigen wird. Dies bedeutet, dass lediglich gut 20% des gesam- ten E-Commerce-Umsatzes in den USA via BtC erwirtschaftet werden wird173 (siehe auch obige Marktzahlen, Kapitel 2.1.1). Letzteres liegt u.a. daran, dass die meisten BtB-Transaktionen für die beteiligten Parteien einen deutlich höheren Wert in sich bergen als dies bei BtC-Transaktionen der Fall ist. Hiermit ist nicht nur der rein monetäre Wert gemeint, obwohl dieser sicherlich ebenfalls im Rahmen von BtB-Trans- aktionen höher zu bewerten ist. In diesem Zusammenhang fügen William Blair & Company das Beispiel einer unkorrekten oder beschädigten Buchlieferung für die bevorstehenden Ferien im Ver- gleich zu einigen Tonnen Stahl an, denen jeweils eine Online-Bestellung vorausgegangen ist. Geht das Buch auf dem Weg zum Kunden verloren, handelt es sich um den falschen Titel oder kommt es beschädigt an, ist dies zwar ärgerlich, jedoch hat der Kunde in der Regel die Möglichkeit, sich das Buch anderweitig ohne größere Folgekosten zu besorgen. Tritt das gleiche Ereignis bei der Stahllie- ferung ein, so bedeutet dies im Zweifelsfall den kompletten Stillstand der Produktion, verbunden 172 vgl. Ariba (2000), S. 1 173 vgl. Keenan (2000), S. 18 63 mit entsprechenden monetären und nicht-monetären Folgewirkungen, die durchaus gefährliche Aus- maße annehmen können174. Wie dieses Beispiel zeigt, können die Folgewirkungen, die eine fehlerhafte Lieferung im Rahmen von BtB-E-Commerce nach sich zieht, durchaus eine andere Qualität besitzen als im Falle von BtC- E-Commerce. Darüber hinaus gibt es allerdings eine Reihe anderer signifikanter Unterschiede, wie die folgende Aufzählung zeigt175: x Geschäftstransaktionen haben eine andere Informationsfülle bzw. einen anderen Informations- gehalt (etwa Lieferbedingungen, Ort und Zeitpunkt der Lieferung, Zahlungsmodalitäten, spe- zielle Produkterfordernisse etc.) als Transaktionen im Rahmen von BtC. x Es findet häufig eine Integration mit bestehenden Workflows und Informationsprozessen statt. x Die Frage der Reichweite stellt sich im BtB-Bereich anders. Die Anzahl der Homepagebesuche ist weit weniger wichtig als eine 100% Erreichbarkeit aller Handelspartner. Demzufolge spielt der Prozentsatz der abgewickelten Online-Bestellungen eine wesentlich größere Rolle als die Verweildauer der Trading-Partner auf einzelnen Internet-Seiten. x Im Rahmen von BtB-Transaktionen wird der Bestellvorgang häufig völlig getrennt vom Zah- lungsvorgang behandelt, was damit zusammenhängt, dass Zahlungsziele bestehen, Leistungen gegeneinander aufgerechnet werden oder Rechnungen von Dritten beglichen werden, die die Bestellung gar nicht ausgelöst haben. x BtB-Transaktionen haben bisweilen einen deutlich einmaligeren Charakter als vergleichbare BtC-Transaktionen, etwa was Bestellmengen, Lieferkonditionen, Preisfindung oder besondere Produktwünsche angeht. x Diese Tendenz zur Einmaligkeit sorgt dafür, dass Unternehmen sehr risikoscheu bezüglich der Anwendung neuer Geschäftsmodelle oder der Nutzung neuer Bereitstellungswege sind, da die Folgekosten im Falle des Scheiterns (siehe obiges Beispiel) deutlich höher sind als bei BtC- Transaktionen. Zu einem ähnlichen Ergebnis bezüglich der Unterschiede zwischen BtC und BtB kommt Goldman Sachs, wie aus dem folgenden Schaubild hervorgeht176: B2C B2B Switching Costs Low with multiple suppliers High when integrated with e- frastructure; few qualified suppliers Relationship Type Transactional Long term, mission critical Transaction Type Smaller average selling price Larger average selling price Revenue Model Traffic volume is critical; large cus- tomer base is key Don´t need every customer, only need the right customer Abb. 14: Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Handel 174 vgl. William Blair & Company (1999), S. 26 175 vgl. William Blair & Company (1999), S. 27 176 entnommen aus Goldman Sachs (1999), S. 13 64 2.2.3 Der Einsatz von E-Commerce-Lösungen zur Optimierung des (zwischen-) betriebli- chen Workflows Wie die obigen Beispiele bereits ansatzweise gezeigt haben, bergen die vorgestellten E-Commerce- Lösungen ein großes Potenzial zur Verbesserung der internen sowie der unternehmensübergreifen- den Prozesse in sich. Die Folge davon ist zum einen die Automatisierung interner Abläufe mit dar- aus resultierenden deutlich geringeren Transaktionskosten (siehe hierzu oben Kapitel 1.2.1, im W teren 3.1.1.2) sowie zum anderen ein geringerer Kapitaleinsatz. ei- Dies wird bei der Betrachtung der folgenden Wertkette nochmals deutlich unterstrichen177: Abb. 15: Möglichkeiten der Wertschöpfungsoptimierung ohne tief greifende Änderung der Wertkette So ist es im Bereich F&E beispielweise Ford gelungen, durch die Verbesserung der Datenflüsse so- wie der Implementierung eines web-basierten globalen Managementsystems, die Entwicklungszei- ten für ein neues Fahrzeug von fünf auf zwei Jahre zu senken178. Bezüglich der Einkaufsprozesse sei nochmals auf das obige Beispiel von General Electric verwiesen. Gleiches gilt für den After Sales Service, wo das Unternehmen FedEx eindrucksvoll unterstrichen hat, welche Optimierungs- möglichkeiten sich über das Internet realisieren lassen (siehe oben). Betrachtet man im Weiteren die einzelnen Lösungen zur Verbesserung der unternehmensinternen wie -externen Abläufe etwas genauer, so lassen sich verschiedene Varianten unterscheiden, wobei zunächst die verkaufsseitig orientierten E-Commerce-Anwendungen (sell-side e-commerce soluti- ons) erwähnt werden. 2.2.3.1 Verkaufsseitig ausgerichtete E-Commerce-Anwendungen In diesem Bereich sind zum einen so genannte E-Tailers wie Amazon.com tätig, die als horizontale und vertikale Distributoren (Zwischenhändler) fungieren und ihren Kunden bestimmte Produkte wie Bücher, Videos, Reisen etc. über das Internet anbieten (siehe oben). Dabei haben die Anbieter meist standardisierte Massenartikel im Programm und zielen eindeutig auf den Endkunden als Hauptabnehmer (BtC). Zum anderen sind in diesem "Sell-side-Bereich" auch Hersteller und Dienstleister wie FedEx, Cisco oder Dell tätig, welche unter weit gehender Ausschaltung des Zwischenhandels über das Netz eine 177 verändert entnommen aus Warburg Dillon Read (2000), S. 14 178 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 14 Human Resources F&E Einkauf Produk- tion Lager- haltung/ Logistik Marketing- planung Verkauf After Sales Service Online- Training Recruiting F&E- Networking Beta-Testing Just-in-time Echtzeitkontrolle Produktion on demand Online-Tracking Electronic Distribution One-to-One Marketing Customer Data- base Automatisierung der Verkaufs- prozesse Online mainte- nance Client-Server 65 direkte Geschäftsbeziehung entweder nahezu ausschließlich mit Geschäftskunden (im Falle von FedEx und Cisco) oder mit Geschäfts- und Endkunden (Dell) pflegen. Dabei sind diese verkaufsseitigen E-Commerce-Lösungen deutlich auf die oben erwähnten Bedürf- nisse der Geschäftskunden zugeschnitten, was insbesondere bei der Einrichtung solcher Systeme einen nicht unerheblichen Mehraufwand nach sich zieht. Letzteres hängt damit zusammen, dass die zur Anwendung kommenden Applikationen deutlich leistungsfähiger sein müssen. Reichen bei ei- nem auf den Endkunden abzielenden Internetauftritt in der Regel die Bereitstellung eines elektroni- schen Katalogs, die Integration von Profiling und Personalisierungsmöglichkeiten sowie einfache Such- und Produktkonfigurationsfeatures aus, so greift dies in Bezug auf die Bedürfnisse der Ge- schäftskunden in der Regel zu kurz. Hier sind zusätzliche, auf einzelne Transaktions- bzw. Prozess- schritte abzielende Applikationsfeatures wie etwa interaktive Produktkonfiguration, Order-Track- ing, Finanzierungs- und Versicherungsleistungen, spezielle Zahlungsmodalitäten etc. zu integrie- ren179. Beiden Ausprägungen gleich ist, dass jeder Kunde mittels der installierten Systeme mehr oder we- niger individuell betrachtet und behandelt wird, wobei der Differenzierungs- und Individualisie- rungsgrad bei den eher auf Geschäftskunden abzielenden Lösungen deutlich höher ist. Als Beispiele für Firmen, die solche verkaufsseitig ausgerichteten Softwareanwendungen anbieten, seien u.a. Harbinger (www.harbinger.com), Intershop (www.intershop.de), mediasurface (www.mediasurface.com) oder Vignette (www.vignette.com) erwähnt. Neben diesen eher verkaufsseitig ausgerichteten E-Commerce-Lösungen sind als nächstes jene zu erwähnen, die sich näher mit den Einkaufsbedingungen auseinandersetzen. 2.2.3.2 Einkaufsseitig ausgerichtete E-Commerce-Anwendungen Im Gegensatz zu den „Sell-Side-Lösungen“, die vor allem auf Seiten der Anbieter die Verkaufspro- zesse und teilweise die dahinter liegenden Abwicklungsprozeduren (siehe das von Dell etablierte Build-to-Order-System) mit Hilfe des Internets optimieren, zielen die einkaufsseitigen E-Commer- ce-Lösungen (Stichwort E-Procurement) darauf ab, die Einkaufsprozesse zu verbessern. Als zusätzlicher Unterschied ist festzustellen, dass im Gegensatz zu den Sell-Side-Lösungen, die je nach Ausprägung sowohl im Bereich BtB und BtC eingesetzt werden, die „Buy-Side-Lösungen“ in der Regel nur im BtB-Bereich zum Einsatz kommen. Diesbezüglich merkt Skinner an, dass "buy- side e-commerce solutions" in erster Linie dazu da sind, die Geschäftsprozesse zu straffen, indem sie für einen besseren Einblick in die gesamte unternehmensspezifische Angebotskette (supply chain) sorgen und entsprechende Verbesserungspotenziale aufzeigen180. Somit kommen sie in ei- nem Feld zum Einsatz, das für den Privatkunden normalerweise völlig bedeutungslos ist. Die wichtigsten Gründe, warum Unternehmen verstärkt auf solche E-Procurement-Lösungen set- zen, sehen Alaniz/Roberts u.a. in dem sich verschärfenden Wettbewerb, welcher Unternehmen da- zu zwingt, durch reibungslosere Prozesse Kosten einzusparen. Der zunehmende Einsatz von Just-in- Time-Lösungen, was eine entsprechende Verfügbarkeit der Produktionsmittel voraussetzt, sowie immer kürzere Entwicklungszeiten, was wiederum eine hohe Flexibilität der Versorgungsprozesse erfordert181 (siehe hierzu auch Kapitel 2.5 ff.), sind weitere Faktoren. Die Anbindung der einkaufsseitigen E-Commerce-Lösungen an die bestehenden internen Unter- nehmensprozesse kann z.B. dadurch sichergestellt werden, dass diese mit bestehenden ERP-Sys- temen (siehe hierzu Kapitel 1.1.1.1) oder aber Lagerbestandsführungs- sowie Buchführungssyste- 179 vgl. Skinner (2000), S. 26 f. 180 vgl. Skinner (2000), S. 30 181 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 6 66 men verknüpft werden. Hierdurch wird ein reibungsloser web-basierter elektronischer Informations- fluss über die Unternehmensgrenzen hinweg sichergestellt. Wie an dem Beispiel von General Elec- tric zu sehen ist (vgl. oben), bietet sich des Weiteren an, innerhalb des unternehmenseigenen E-Pro- curement-Systems verschiedene Anbieterkataloge auf der Basis vorher ausgehandelter Konditionen in einem globalen Katalog zusammenzufassen und diesen per Internet/Intranet den Mitarbeitern zu- gänglich zu machen. Diese können dann online am Desktop ihre Bestellungen von Gütern des tägli- chen Bedarfs erledigen, welche infolge ebenso automatisch abgewickelt werden, sei es bezüglich des internen Handlings oder aber bezüglich der Zusammenarbeit mit den externen Zulieferern182. Zu den Firmen, die solche Softwarelösungen anbieten, sind Ariba Technologies (www.ariba.com), Intelisys (www.intelisys.com) oder trilogy (www.trilogy.com) zu zählen. Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass es, gerade was die "sell-side applications" betrifft, zahllose andere Softwareanbieter gibt, die für jeweils spezifische Prozessschritte Online-Verkaufs- lösungen anbieten. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Anwendungen in den Bereichen Katalogisierung, Profiling und Personalisierung, Konfiguratoren und elektronische Zahlungssyste- me. Ferner gibt es so genannte "market making applications", durch welche Unternehmen in die La- ge versetzt werden, im Internet eigene Auktionen oder Austauschbörsen zu organisieren183 (siehe auch die Aussagen im folgenden Abschnitt). 2.2.3.3 Wertschöpfungsübergreifende E-Commerce-Anwendungen, gezeigt an den Beispielen (Web-) EDI, XML, Supply Chain-Anwendungen und der Nutzung von Application Service Providern Neben diesen beiden "Online-Optimierungsmöglichkeiten", die jeweils an einer bestimmten Stelle der Wertschöpfung ansetzen, sind zusätzlich integrierte Lösungen denkbar, welche den gesamten Workflow betrachten. Diesbezüglich werden im Rahmen des so genannten Supply Chain Manage- ments alle Elemente eines Geschäftsprozesses von Zulieferern, Produzenten, Händlern und Abneh- mern informatorisch zusammengeführt. Zur Verdeutlichung dieses Ansatzes der interorganisationa- len Datenintegration bietet sich das folgende Schaubild an184: Abb. 16: Aufbau einer integrierten Supply Chain Ziel eines solchen integrierten Workflows ist u.a. eine umfassende Koordinierung der einzelnen Aktivitäten innerhalb eines logistischen Netzwerkes, wobei in erster Linie die Informations- und 182 vgl. Ariba (2000), S. 4 183 einen sehr guten vertiefenden Einblick über diese genannten Anwendungen gibt Skinner (2000), S. 26 ff. 184 entnommen aus Piller (2000), S. 40 auf der Basis von Schinzer/Thome (1999), S. 214 67 Kommunikationsprozesse mit den Güterflüssen abgestimmt werden müssen. Hierfür wiederum ist eine interorganisationale Gestaltung der Informations- und Kommunikationsprozesse erforderlich. Die Konsequenz einer solchen einheitlichen Datengrundlage ist, dass die beteiligten Unternehmen in die Lage versetzt werden, zumindest ansatzweise eine simultane Planung durchzuführen, sich zügig über neue Transaktionsinhalte zu verständigen, schneller auf Änderungen im Absatzmarkt zu reagieren und gemeinsam die überbetrieblichen Prozesse und Abläufe zu verbessern. Auf diese Weise wird im Idealfall ein Zustand erreicht, wo die Leistungen des jeweiligen Handelspartners flexibel auf Abruf verfügbar sind185. Um eine solche interorganisationale Wertschöpfungsoptimierung über erste Ansätze hinaus in die Tat umsetzen zu können, sind natürlich entsprechende Informations- und Kommunikationstechno- logien erforderlich. Mit der Verfügbarkeit des Internets und der darauf basierenden E-Commerce- Lösungen kann dies als gegeben angesehen werden. Diesbezüglich ist in Erinnerung zu rufen, dass das Internet mit seinem weltweiten, offenen Standard eine hervorragende Kommunikationsplatt- form bietet. Diese lässt sich natürlich auch dazu nutzen, eine preiswerte Zugangs- und Übertra- gungsmöglichkeit für herkömmliche EDI-Systeme zur Verfügung zu haben. Somit kann bezüglich der Anwendung der aufwendigen, komplexen und teuren EDI-Systeme (siehe oben Kapitel 2.2.2.1) von einer neuen Ausgangslage gesprochen werden, da fortan nicht mehr die eigenen oder gemiete- ten Value Added Networks (VANs) genutzt werden müssen, sondern eine deutlich preiswertere, standardisierte und systemunabhängige Infrastruktur bereitsteht. Die Vorteile dieses so genannten Internet-EDI beschränken sich allerdings auf das Übertragungs- medium Internet, sofern an der Schnittstelle zwischen den betrieblichen Applikationen und den Kommunikationssystemen weiterhin die herkömmlichen starren EDI-Systeme zum Einsatz kom- men, die im Vorfeld einen enormen Abstimmungs- und Integrationsaufwand nach sich ziehen186. Dem kann durch die Implementierung eines so genannten Web-EDI-Systems Abhilfe geschaffen werden, wo die Geschäftsvorfälle auf der Basis weltweit einheitlicher Protokolle und vergleichs- weise preiswerter Zugangs- und Übertragungsmöglichkeiten vollständig über Web-Browser abge- wickelt werden. Diesbezüglich lassen sich zwei Möglichkeiten der Abwicklung, eine direkte und eine indirekte Web-EDI-Variante, unterscheiden. Bei Ersterer haben die beteiligten Unternehmen per Web-Browser jeweils Zugriff zu den EDI- Daten auf dem Web-Server des Handelspartners. Diesem werden die Daten über das Internet in Form von vorher festgelegten HTML-Formularen direkt überspielt. Die Art und Weise der Weiter- verarbeitung bleibt dem Handelspartner überlassen, ein direkter Link zu dessen Applikationen be- steht nicht. Bei der indirekten Übertragungsvariante ist in der Regel ein externer Dienstleister zwischengeschal- tet, welcher für die Übersetzung der Daten zwischen einer klassischen EDI-Lösung und einem über Web-Browser angeschlossenen kleineren Unternehmen verantwortlich ist. Auch hier gibt es natür- lich keinerlei direkten Zugriff auf die jeweiligen Applikationen der Handelspartner. Beide Varian- ten sind in den nachfolgenden Schaubildern dargestellt187: 185 vgl. Kempis et. al. (1998), S. 214 186 vgl. Ströcker (1998), S. 58 187 entnommen aus Piller (2000), S. 49 auf der Basis von Ströcker (1998), S. 59 68 Abb. 17: Direktes und indirektes Web-EDI Bezüglich beider Varianten bleibt anzumerken, dass diese nach wie vor keinen vollautomatisierten Austausch strukturierter Daten zwischen den verschiedenen betrieblichen Anwendungssystemen er- möglichen, da keine direkte Verbindung zu den im Einsatz befindlichen Applikationen besteht. Al- lerdings bergen beide Lösungen ein hohes Praxis- und Rationalisierungspotenzial in sich, da diese im Vergleich zu herkömmlichen EDI-Systemen nicht nur deutlich preiswerter, sondern auch kurz- fristiger zu realisieren sind. Dadurch wird ihre Attraktivität gerade für kleinere Unternehmen deut- lich gesteigert188. 2.2.3.3.1 Die Metasprache XML, web-basierte Supply Chain Anwendungen und die Nutzung von Application Service Providern sowie Zusammenfassung der wesentlichen Er- gebnisse Um im Weiteren "nicht nur" einen interorganisationalen, automatisierten Austausch von Informati- onen zwischen verschiedenen Computersystemen sicherzustellen, sondern darüber hinaus auch eine elektronische Weiterverarbeitung in den verschiedenen lokalen Informationssystemen, ist es erfor- derlich, dass die übertragenen Daten von dem empfangenen System eindeutig inhaltlich interpretiert und ausgewertet werden können. Genau dieses wird heute dadurch ermöglicht, dass alle zur Inter- pretation eines Datensatzes benötigten Informationen mit übertragen werden, so dass es nicht mehr zu den sonst üblichen Konvertierungsproblemen kommt. Entscheidend trägt dazu die textbasierte 188 vgl. Picot/Sennewald (1998), S. 78 69 Metasprache XML (eXtensible Markup Language) bei, die eine automatisierte Interpretation und Verarbeitung der übertragenen Datensätze erlaubt, und zwar unabhängig von dem verwendeten Da- tenformat oder Anwendungsprogramm. Somit steht bei der Metasprache XML weniger die Art der Datenaufbereitung im Mittelpunkt (wie beispielsweise bei HTML), sondern der Inhalt der elektro- nisch zu übertragenden Dokumente. Ein weiterer wesentlicher Vorteil dieser Metasprache liegt dar- in, dass Geschäftsprozesse semantisch aufeinander abgestimmt und integriert werden können, ohne dass zuvor langwierige Abstimmungsprozesse geführt werden müssen189. Ferner ist bezüglich der Supply Chain Anwendungen hinzuzufügen, dass mittlerweile alle großen ERP-Anbieter wie SAP, Oracle oder JD Edwards (vgl. hierzu Kapitel 1.1.1.1) die Funktionalität ihrer Softwarepakete dahingehend erweitert haben, dass mit einem Standard-Web-Browser ohne den Einsatz eines applikationsspezifischen Clients auf diese zugegriffen werden kann. Darüber hin- aus bieten diese Firmen die Bereitstellung von Web-Servern an, in denen einerseits Kataloge hinter- legt sind und dem Kunden Online-Bestellmöglichkeiten angeboten werden. Andererseits sind sie direkt mit den spezifischen ERP-Systemen verknüpft, so dass eine automatische Weiterverarbeitung der Daten innerhalb der bestehenden Systeme sichergestellt ist190. Schließlich ist in Bezug auf die BtB-E-Commerce-Anwendungen anzumerken, dass diese mehr und mehr auch über so genannte Application Service Provider (ASPs) angeboten werden. Ein ASP ist nichts anderes als ein Agent oder Broker, der von Unternehmen benötigte Softwarefunktionalitäten bündelt und diese auf einem zentral gemanagten Server den Firmen zur Verfügung stellt. Dabei be- schränkt sich der Dienst normalerweise nicht auf das reine Bereitstellen der benötigten Applikatio- nen, sondern schließt auch Service, Upgrades und permanente Aufrechterhaltung des Dienstes mit ein. Die Unternehmen ihrerseits haben auf die bereitgestellten Applikationen per Browser einen direkten Zugriff übers Internet oder über ein so genanntes Wide Area Network (WAN). Der entscheidende Vorteil für die Unternehmen liegt darin, dass diese nicht gezwungen sind, die kompletten E-Com- merce-Funktionalitäten zu erwerben, im Unternehmen zu installieren und permanent vorzuhalten, sondern im Bedarfsfall auf die entsprechende Applikation im Netz zugreifen können, was für die Unternehmen mit großen Kostenvorteilen verbunden sein kann. Dies stellt eine interessante Alter- native für kleine und mittelständische Unternehmen dar. Als Beispiel für eine solche ASP-Lösung sei die Firma Broadvision erwähnt, die ihren Kunden in der oben beschriebenen Weise Zugriff auf professionelle Content Management-, Profiling- und Transaktionsmanagement-Funktionalitäten bietet. Des Weiteren ist die Firma Clarus zu erwähnen, die sich mit ASPs wie USinterworking und Interliant zusammengetan hat und mit diesen E-Procure- ment-Lösungen anbietet191. Fasst man das bisher Gesagte kurz zusammen, so lässt sich eindeutig sagen, dass der Siegeszug des Internets sowie der E-Commerce-Anwendungen zu einer vermehrten Konvergenz der Bereiche Netzwerke/Kommunikation (IP/VPN-Connection) – E-Commerce-Software (IT/Software) – Con- tent/Media geführt hat192. Diese Konvergenz ist entscheidend mit dafür verantwortlich, dass die Unternehmen durch die Nutzung der Infrastruktur sowie der Implementierung von E-Commerce- Anwendungen in die Lage versetzt werden, ihre internen und externe Prozesse zu optimieren. Dem- zufolge hat gerade in den letzten fünf bis zehn Jahren eine Entwicklung dahingehend stattgefunden, dass Unternehmen durch die Einführung internet-basierter Anwendungen (siehe obige Beschrei- bungen) die ursprünglich auf Papier, Fax, Telefon oder klassischem EDI basierenden (inter-) orga- nisationalen Prozesse durch web-basierte Prozesse ersetzt haben. Diesbezüglich haben die erwähn- 189 vgl. Piller (2000), S. 50 sowie zur ausführlichen Beschreibung von XML Schinzer/Thome (1999), S. 208 f. 190 vgl. Skinner (2000), S. 34 191 vgl. Skinner (2000), S. 23 192 vgl. A.T.Kearney (2000), S. 4 70 ten Beispiele zudem das hohe Maß an Einsparpotenzial aufgezeigt, welches hinter der Anwendung entsprechender E-Commerce-Lösungen verborgen liegt (siehe obige Beispiele Dell, GE, FedEx oder Cisco). Parallel zu diesen Ausprägungen des Informationszeitalters hat die oben beschriebene Konvergenz der Bereiche Kommunikation, Inhalte und Software aber noch eine zweite Entwicklung ausgelöst. Umschrieben werden kann diese mit dem zunehmenden Aufkommen von Web-Companies, welche auf der Basis von durch Internet und E-Commerce ermöglichten Betätigungsfeldern und entspre- chenden neuen Geschäftsmodellen am Markt tätig sind. Dabei ermöglichen diese Web-Firmen den etablierten Unternehmen einerseits die Nutzung völlig neuer Handels- und Absatzwege (etwa durch die Etablierung von "online trading communities" oder Online-Auktionen zur billigen Beschaffung von Verbrauchsgütern, siehe nächster Abschnitt). Andererseits sorgen diese Unternehmen aber auch mittels ihrer Online-Betätigungsfelder für eine zunehmende Markteffizienz und -transparenz und stellen somit für zahlreiche etablierte Unternehmen eine wachsende (bisweilen bedrohliche) Kon- kurrenz dar193. Durch diese nicht zu unterschätzende Tragweite der durch Internet und E-Commerce hervorgerufe- nen neuen Betätigungsmöglichkeiten, werden diese nachfolgend einer genaueren Analyse unterzo- gen. 2.2.4 Durch Internet und E-Commerce ermöglichte neue wirtschaftliche Betätigungsfelder: Vom horizontalen Portal zum e-Hub Schwerpunkte der bisherigen Ausführungen im Zusammenhang mit E-Commerce-Anwendungen waren die Analyse bestehender einkaufs- oder verkaufsseitig ausgerichteter Softwarelösungen so- wie jener Möglichkeiten, die sich vor dem Hintergrund einer unternehmensübergreifenden Prozess- optimierung mit Hilfe von Internet und E-Commerce ergeben. Im Rahmen dieser Anwendungen kommt es in der Regel zu einer direkten Verbindung zwischen Käufer und Verkäufer bzw. Anbieter und Nachfrager, auf deren Basis eine direkte Beziehung auf- gebaut wird, die wiederum eine individuelle Abwicklung von Geschäften ermöglicht194. Dabei steht neben der Reduzierung von Kosten durch Einsparung von "working capital" vor allem die Optimie- rung der Prozesse im Mittelpunkt des Denkens und Handelns195. Darüber hinaus ist das Internet auch hervorragend als Betätigungsfeld für so genannte "Online-In- formationsvermittler" geeignet, welche wie an anderer Stelle bereits erwähnt auch Intermediaries genannt werden. Deren Bedeutung und wirtschaftliche Aktionsfelder werden nachfolgend einer genaueren Betrachtung unterzogen. 2.2.4.1 Die Bedeutung und das Betätigungsfeld von elektronischen Zwischenhändlern bzw. Intermediaries Bezüglich der Intermediaries bietet sich nach Skinner folgende Definition an196: "An online intermediary is a third party that combines enabling BTB technology along with market- specific or process specific expertise to facilitate trade." 193 vgl. Skinner (2000), S. 3.f. 194 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 34 195 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 13 ff. 196 vgl. Skinner (2000), S. 38 (hervorgehoben im Original) 71 Bei diesen Intermediaries handelt es sich somit um neue Marktteilnehmer, die die technologischen Potenziale von Internet und E-Commerce für die Etablierung neuer (netzabhängiger) Geschäftsmo- delle ausnutzen. Diese tragen ihrerseits dazu bei, höherwertige Geschäfts- und Prozesslogiken in die Tat umzusetzen197. Jene neuen Geschäfts- und Handelsmodelle, die im Einzelnen weiter unten diskutiert werden, basie- ren in der Regel auf der Einrichtung eines elektronischen Marktplatzes, auf dem eine große Anzahl an Ein- und Verkäufern zusammengebracht werden. Innerhalb dieser Marktplätze kann jeder mit jedem Geschäfte abwickeln, wobei die Marktteilnehmer entweder auf der Grundlage automatisierter Transaktionen miteinander Handel treiben oder das Medium zur umfassenden Informationsgenerie- rung nutzen. Der Mehrwert solcher Marktplätze rührt im Wesentlichen daher, dass durch die Bereit- stellung einer einzigartigen Ansammlung von nutzbringenden Informationen die Transaktionskos- ten der Nutzer des Marktplatzes gesenkt werden. Die Marktplatznutzung trägt aber auch dazu bei, bestehende Transaktions- und Kommunikationsprozesse effizienter zu vollziehen und dadurch Kos- tenvorteile zu erzielen198. In gleicher Weise argumentiert auch Ariba, für welche ein E-Marktplatz ein ideales Medium dar- stellt, um elektronischen Handel zu betreiben, neue Stufen der Markteffizienz zu erreichen, die Be- ziehungen zwischen Käufer und Verkäufer zu stärken, Geschwindigkeit und Effizienz zu maximie- ren, Transaktionskosten zu reduzieren sowie Verkaufs- und Logistikprozesse zu vereinfachen199. Demzufolge dreht sich die Rolle der Intermediaries in erster Linie darum, einen elektronischen Marktplatz zu schaffen, welcher u.a. folgende Aufgaben beinhalten kann200: x Informationen zu sammeln und zu verdichten x Käufer und Verkäufer innerhalb eines elektronischen Netzwerkes zusammenzubringen x Geeignete Transaktionsmethoden zur Verfügung zu stellen x Käufer und Verkäufer zu qualifizieren x Zusätzliche Inhalte von Dritten zu integrieren x Eigene originäre Inhalte durch entsprechende Datenverknüpfungen zu schaffen x Zusatzdienste wie Versicherungen, Logistik oder Finanzdienstleistungen anzubieten x Eine übergreifende Kommunikationsplattform aufzubauen Aus dieser Aufzählung geht implizit hervor, welches enorme Potenzial hinsichtlich der Schaffung eines perfekten und effizienten Marktes in einer solchen Marktplatzlösung steckt. Denn auf diese Weise gelingt nicht nur die Integration von "commerce, content and connection", sondern in Erwei- terung der bisherigen Entwicklung auch die Eingliederung der Bereiche Kontext (durch Suchma- schinen), Gemeinschaft und überbetriebliche Kommunikation. Warburg Dillon Read sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass eine derartige "on-line community" sich dadurch auszeichnet, dass die Bandbreite der bereitgestellten Funktionen die so genannten "six Cs" umfasst, nämlich „commerce, content, connection, context, community, communication201“. Die genannten Entwicklungsmöglichkeiten werden durch eine Reihe von Marktzahlen eindeutig belegt. So geht Skinner von einem stark wachsenden Umsatz des BtB-Handels durch Intermediaries aus. Dieses lässt sich daran festmachen, dass eine Steigerung des Umsatzes gemessen am Bruttoin- 197 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 5 198 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 56 199 vgl. Ariba (2000), S. 1 ff. 200 verändert entnommen aus Ehrens/Zapf (1999), S. 8; Skinner (2000), S. 37 f. 201 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 16 72 landsprodukt der wichtigsten fünfzehn Euro-Ländern von etwa 0,1% im Jahr 2000 auf 4,1% im Jahr 2004 erwartet wird, siehe nachfolgendes Schaubild:202 Abb. 18: Der Anteil am BtB-E-Commerce, der über Intermediaries abgewickelt wird (Euro 15) Des Weiteren haben Ehrens/Zapf ermittelt, dass sich allein durch die Nutzung von E-Marktplätzen bis zum Jahr 2003 ein Einsparpotenzial an Produkt- und Prozesskosten von 57 Mrd. US$ realisieren lässt. Darüber hinaus nehmen sie für das Jahr 2003 einen weltweiten Gesamtumsatz von 438 Mrd. US$ an, welcher über E-Marktplätze abgewickelt werden wird, wobei ein besonders hohes Umsatz- volumen in den Bereichen Chemie und Energie mit jeweils 90 Mrd. US$ zu erwarten ist203. Favier schließlich prognostiziert bezüglich der Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft, dass bis zum Jahr 2005 der BtB-Handel über E-Marktplätze von derzeit 8,6 Mrd. Euro auf über 916 Mrd. Euro im Jahr 2005 steigen wird. Das bedeutet, dass etwa 6% des gesamten BtB-Handels in der Europäischen Gemeinschaft über elektronische Marktplätze abgewickelt werden würden204. 2.2.4.2 Die Ausprägung von horizontalen und vertikalen E-Marktplätzen Mit Bezug auf den Marktansatz lassen sich im Wesentlichen horizontal und vertikal ausgerichtete Marktplätze unterscheiden. Vertikale Intermediaries konzentrieren ihre Bemühungen auf das Ausnutzen von Ineffizienzen und Unzulänglichkeiten entlang der Angebotskette einer spezifischen Industrie (Chemie, Stahl, Auto etc.). Dabei soll vor allem der Handel mit Gütern, die direkt in die Produktion einfließen (Produkti- 202 entnommen aus Skinner (2000), S. 58 203 vgl. Ehrens/Zapf (1999), S. 6, 14 f. 204 vgl. Favier (2000), S. 1, 7 73 onsinputs oder direct goods), verbessert werden. Beispiele für solche vertikalen Marktplätze sind Worldparts für die Automobilindustrie, Altra Energy (Energie), Buildnet (Konstruktion), Medibuy (Gesundheit) oder Metalsite (Metallindustrie)205. Weiterhin ist innerhalb vertikal ausgerichteter Marktplätze denkbar, dass diese eine Reihe von Funktionen rund um ein einziges Thema oder bezüglich einer bestimmten Benutzergruppe anbieten. Beispiele hierfür sind das Autobytel Netzwerk in den USA, welches die Beziehung zwischen Kun- den und Autohändlern revolutionierte, indem in den Marktplatz Versicherungs- und Finanzdienst- leistungen integriert wurden, was eine deutliche Verbesserung der Markteffizienz zur Folge hatte. Des Weiteren ist Get Smart anzumerken, ein Marktplatz, der Hausbesitzer im Visier hat und diesen verschiedenste Finanzierungsmöglichkeiten in Form von Krediten und Hypothekendarlehen der unterschiedlichsten Anbieter offeriert, wobei sich die Kunden das für sie maßgeschneiderte Ange- bot selbst zusammenstellen können206. Horizontale Marktplätze hingegen richten ihre Aktivitäten auf Unzulänglichkeiten innerhalb einer Vielzahl von Angebotsketten, wobei der Handel bzw. die Beschäftigung mit indirekten Gütern im Mittelpunkt steht. Hier geht es in der Regel um Dienstleistungen, welche nicht in die Produktion einfließen (Betriebsinputs), sondern eher für deren Aufrechterhaltung verantwortlich sind. Als Bei- spiele lassen sich Monster.com (Human Ressources), Celarix (Logistik), Ariba (Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs), Concur (Geschäftsreisen) oder Seanet (Shipping) anfügen207. 2.2.4.2.1 Die wichtigsten Geschäftsmodelle von etablierten E-Marktplätzen: Aggregation, Auktion und Austauschbörse Das einfachste im Internet zur Anwendung gebrachte Handelsmodell ist das der Aggregation, wobei eine große Anzahl von Ein- und Verkäufern unter einem (elektronischen) Dach vereinigt werden und die Positionen der Marktteilnehmer von vornherein feststehen. Die Basis dieses Zusammen- spiels stellt dabei die Bereitstellung von (Produkt-) Katalogen im Netz dar208. Hierbei aggregiert der Marktplatzbetreiber (Intermediary) verschiedenste Produktkataloge von un- terschiedlichen Anbietern. Diesbezüglich handelt es sich entweder um Betriebsinputs, sprich Ersatz- güter für Wartung, Reparatur und Überholung (Maintenance, Repair, Overhaul, kurz MRO-Produk- te) oder um Produktionsinputs (Rohmaterial und Bauteile, die direkt in das Produkt oder Ferti- gungsverfahren eingehen), die von dem Intermediary ins Netz gestellt werden. Für den Käufer hat diese Lösung den Vorteil, dass er deutlich geringere Suchkosten hat und eine gute Vergleichbarkeit der Produkte sichergestellt ist. Dies erhöht die Chance, dass es deutlich schneller zur Identifizierung und zum Kauf des gewünschten Produktes kommt. Ein gutes Beispiel für einen solchen Marktplatz, der Produktionsinputs anbietet, ist Chemdex, SciQuest.com oder PlasticsNet.com209. Geeignet ist ein solches Katalogmodell generell für die Industrien, welche hohe Produktsuchkosten haben (etwa bei Autoteilen, Elektronikbauteilen oder Gewerbeflächen). Darüber hinaus macht es dort Sinn, wo eine sehr geringe Preisvolatilität vorhanden ist (Katalogmodelle arbeiten in der Regel auf der Basis statischer, fixierter Preise, die nur eingeschränkt verhandelbar sind) und der Kauf zeitkritisch ist, also die Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt auf jeden Fall benötigt werden210. 205 vgl. Skinner (2000), S. 38 206 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 16 207 vgl. Skinner (2000), S. 39 208 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 60 209 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 57 f. 210 vgl. A.T.Kearney (2000), S. 7 74 Neben dieser Handelsform gibt es zusätzlich das Modell der Nachfrage- oder Rückwärts-Aggre- gation (Request for Quote Aggregation). In diesem Fall sammelt der Intermediary die Anfragen potenzieller Käufer (dies kann ein Käufer oder eine Käufergemeinschaft sein) und leitet diese an einen Pool angeschlossener Anbieter weiter, welche dann ihrerseits ein Angebot an den Intermedia- ry schicken, der dieses an die Interessenten übermittelt. Generell lässt sich bezüglich dieser beiden Handelsmodelle sagen, dass sie dazu tendieren, entweder nach dem Push- oder nach dem Pull-Prinzip zu arbeiten. Das Push-Prinzip stellt den Käufer in den Mittelpunkt, wobei die Anbieter versuchen, Produkte "in den Markt zu stoßen", die der Käufer dann mittels Katalog bestellen kann. Das Pullprinzip stellt den Anbieter in den Mittelpunkt, welcher auf vorherige Anfragen seitens potenzieller Käufer reagiert. Als weitere Beispiele für solche Marktplätze mit Aggregationsfunktion lassen sich W.W. Grainger, MRO.com oder ITnetwork auflisten211. Ferner ist hinzuzufügen, dass es bei dieser Art von Marktplätzen in der Regel zu systematischen Einkäufen kommt, d.h., oftmals basiert die Geschäftstätigkeit auf ausgehandelten Verträgen und ist eher langfristig ausgerichtet. Dies geschieht unabhängig davon, ob es sich um den Handel von Be- triebs- oder Produktionsinputs handelt. 2.2.4.2.1.1 Die verschiedenen Auktions-Handelsmodelle Ein weiteres vielfach genutztes Handelsmodell ist das der Auktion. Jenes schafft vor allem dadurch einen Zusatznutzen, dass mit Hilfe des Internets potenzielle Käufer und Verkäufer zusammenge- bracht werden, wobei das Auktionsmodell eine dynamische Preisfindung ermöglicht. Letztere voll- zieht sich auf der Grundlage von drei möglichen Vorgehensweisen. Einmal sind die so genannten Bulletin Boards zu erwähnen, wo Verkäufer auf einem "virtuellen schwarzen Brett" ihr Angebot platzieren und Käufer per E-Mail, Fax oder Telefon ein Gebot abge- ben. Bei diesem Modell ist in der Regel kein Zeitlimit vorgegeben und die Bieter wissen nichts von den Geboten anderer Bieter. Bei der „reverse auction“ läuft das Procedere genau umgekehrt. Hier stellt ein Käufer oder eine Kaufgemeinschaft über das Internet eine Anfrage bezüglich eines speziellen Produktes oder einer speziellen Dienstleistung, wobei meist einige Rahmenbedingungen seitens der Käufer hinsichtlich Preisspanne, Menge, gewünschte Qualität, Lieferzeit etc. vorgegeben werden. Auf diese Anfrage können dann mögliche Anbieter entsprechend reagieren. Besonders geeignet ist dieses Modell gerade für kleine und mittelständische Unternehmen dessel- ben Industriezweiges. Sie haben die Möglichkeit, sich auf diese Weise zu Käufergemeinschaften zusammenzuschließen und können so die Chance nutzen, größere Preisnachlässe bezüglich benötig- ter Produkte auszuhandeln, die normalerweise größeren Unternehmen mit einer in der Regel höhe- ren Nachfrage vorbehalten sind. Schließlich sind noch die regulären Auktionen zu erwähnen, in denen über das Netz Güter und Dienstleistungen angeboten werden, die man in Echtzeit online ersteigern kann. Gut geeignet ist dieses Modell für Industrien, wo häufig überschüssige Güter anfallen, bei zeitkriti- schen oder hochspezialisierten Gütern, wo die Preisfindung sehr schwierig ist sowie bei gebrauch- ten Gütern und schwer verkäuflichen Ladenhütern. Ähnlich wie bei dem Katalogmodell profitieren Käufer und Verkäufer von niedrigeren Transakti- onskosten sowie einer größeren Transparenz über das verfügbare Angebot und die am Markt erziel- baren Preise. Der wichtigste Unterschied zum Katalogmodell besteht in der dynamischen Preisfin- dung, d.h., die Preisvolatilität ist deutlich höher. 211 vgl. Skinner (2000), S. 44 ff. 75 Als Beispiele für derartige Marktplätze, die man im Grunde auch als elektronische Spothändler be- zeichnen kann, lassen sich Freemarkets (www.freemarkets.com) für Industriegüter, Allocation (www.allocation.com) für Verkaufsüberschüsse oder Worldparts (www.worldparts.com) für Auto- mobile anführen212. Ergänzend ist hinzuzufügen, dass AT Kearney in Erweiterung der bestehenden Auktionsmodelle ein weiteres Modell vorschlägt, was sie HyperAuktion nennen. Dieses zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Kaufparameter nicht mehr nur einseitig von dem Marktplatzbetreiber (oder auch Net- MarketMaker, kurz NMM) vorgegeben werden, sondern den Käufern deutliche Mitgestaltungsmög- lichkeiten offeriert werden. Dies bezieht sich beispielsweise auf detaillierte Produktfeatures oder gewünschte Produktbundles, die Vorgabe klarer Budgetrestriktionen und gewünschte Zahlungswei- sen sowie eventuelle Zusatzwünsche wie Versicherungen, Transport oder Finanzierung. Letztlich geht es also darum, mittels einer Individualisierung der Kundenwünsche die Attraktivität des Marktplatzes zu steigern und somit für eine dauerhafte Kundenbindung zu sorgen213. 2.2.4.2.1.2 Das Handelsmodell der Austauschbörsen und Zusammenfassung der wesentlichen Charakteristiken der einzelnen Geschäftsmodelle Des Weiteren gibt es das Handelsmodell der Austauschbörsen. Diese bieten Käufern und Verkäu- fern eine Handelsplattform für Güter des täglichen Bedarfs (commodities) wie Kaffee, Zucker, Tee, aber auch Elektrizität, Gas, Öl etc., deren Charakteristiken den Beteiligten von vornherein bekannt sind. Dabei stellt die Handelsplattform den Mitwirkenden letztlich Funktionalitäten bereit, die mit denen eines Maklers verglichen werden können. Käufer und Verkäufer haben jeweils die Möglich- keit, in Echtzeit eigene Angebote abzugeben oder Nachfragen zu starten sowie gleichzeitig zu kau- fen und zu verkaufen. Damit ist dieses Modell, was dem einer virtuellen Börse gleichkommt, deut- lich flexibler als das der Auktion. Es setzt allerdings voraus, dass es sich um standardisierte Produk- te handelt und die Beteiligten mit dem Handelsprocedere vertraut sind. Die Vorteile dieses Han- delsmodells sind die dynamische Preisfindung, die Möglichkeit, sich gegen Risiken des Marktes, sei es Produktverfügbarkeit oder Preis, abzusichern sowie überschüssige Ware bestmöglich zu Geld zu machen. Beispiele für diese virtuellen Handelsbörsen sind Altra Energy (Gas), Houstonstreet.com (Elektrizi- tät), ComDAQ (Güter des täglichen Bedarfs wie Zucker) oder PaperExchange (Papier)214. Nimmt man das Handelsmodell der Austauschbörse und das der Auktion als Basis, so unterschei- den diese sich neben der Preisvolatilität in einem anderen wichtigen Punkt von den obigen Aggre- gationsmodellen. Hierbei geht es sich um die Art des Einkaufes. Dabei sind sowohl Auktionen/ Spothändler als auch Börsen in erster Linie durch Spot- bzw. Gelegenheitseinkäufe gekennzeichnet. Der Käufer verfolgt also das Ziel, einen plötzlich auftretenden Bedarf, sei es aus Mangel oder aus Gelegenheit, zu befriedigen. Im Gegensatz dazu stehen die genannten Aggregationsmodelle, in de- nen eher systematische bzw. regelmäßig wiederkehrende Einkäufe getätigt werden. Bei der Zusammenfassung der wesentlichen Charakteristiken der einzelnen von einem Intermediary zu vollziehenden Handelsmodelle ergibt sich bezogen auf die unterschiedlichen Industrie- bzw. Pro- duktcharakteristiken folgendes Bild215: 212 vgl. (Skinner), S. 42 f. 213 vgl. A.T.Kearney (2000), S. 10 f. 214 vgl. Skinner (2000), S. 44 215 verändert entnommen aus A.T.Kearney (2000), S. 15 76 Unterschiedliche In- dustrie-/Produkt Cha- rakteristiken Aggregationsmodell Auktion Austauschbörse Preisvolatilität niedrig mittel-hoch hoch Kauf zeitkritisch hoch niedrig-mittel hoch Möglichkeit Parame- ter zu setzen niedrig niedrig-mittel hoch Handelsfrequenz niedrig niedrig-mittel hoch Produktverfügbarkeit hoch niedrig-mittel hoch Abb. 19: Die Charakteristiken der verschiedenen Handelsmodelle von Intermediaries Einen anderen Weg der Darstellung gehen Kaplan/Sawhney, die in ihrer Matrix als Unterschei- dungscharakteristiken einmal den Inhalt des Kaufes sowie das Einkaufsverhalten miteinander in Verbindung bringen und dies folgendermaßen darstellen216: Abb. 20: BtB-Geschäftsmatrix in Abhängigkeit vom Einkaufsverhalten 2.2.4.2.2 Die Spezialisierung auf Inhalte sowie die brokerbasierte, kundenbezogene Massen- produktion als Geschäftsmodell Die zuvor diskutierten verschiedenen Alternativen der Bereitstellung einer Handelsplattform laufen letztlich darauf hinaus, Käufer und Verkäufer auf der Basis unterschiedlicher Handelsmodelle zu- sammenzubringen, damit diese Güter oder Dienstleistungen austauschen. Für Intermediaries besteht 216 entnommen aus Kaplan/Sawhney (2000), S. 58 77 aber zusätzlich die Gelegenheit, sich durch das Anbieten von speziellen Inhalten (Content) zu diffe- renzieren und auf diese Weise Käufer und Verkäufer anzuziehen. In diesem Zusammenhang spre- chen Evans/Wurster von elektronischen Händlern, die im Netz als reine Navigationsfirmen fungie- ren, sich also auf Informationsvermittlung beschränken. Auftragserfüllung oder andere Transaktio- nen wie Kontaktanbahnung, Angebotsbearbeitung etc. werden dabei konsequent den jeweiligen Nutzern überlassen. So gesehen handelt es sich in diesem Fall bei Navigation um ein gesondertes Geschäft, losgelöst von Produktion, Marketing und Vertrieb217. Demzufolge geht es für einen Intermediary dieser Art darum, Inhalte, sprich Informationen von Dritten zu sammeln und zu filtern sowie diese mit eigenen Inhalten anzureichern, um auf diese Wei- se eine möglichst permanente Anziehungskraft auf spezielle Zielgruppen auszuüben. Es ist also ei- nerseits die notwendige Affiliation sicherzustellen, d.h., es muss klar sein, für wen und wessen Inte- ressen der Navigator eintritt. Andererseits müssen die avisierten Interessenten mit der für sie not- wendigen Informationsfülle, sprich entsprechenden Inhalten, versorgt werden218. Diesbezüglich lassen sich im Wesentlichen zwei Inhaltsformen unterscheiden. Einmal sind kommerzielle Inhaltsangebote zu erwähnen, die sich auf spezielle Produkte oder Dienstleistungen beziehen. Hierzu zählen Inhalte wie Produktbeschreibungen, Auflistung der Pro- duktverfügbarkeit, Preisinformationen, Vergleichstests, Unternehmensprofile und -ratings, produkt- verbundene Informationen, Verbraucherinformationen wie FAQs, Neuerscheinungen, Updates usw. Zum anderen gibt es solche Inhaltsangebote, die einen produktunabhängigen Zusatznutzen für spe- zielle Zielgruppen erzeugen. Damit sind z.B. die Einrichtung von Informationsforen gemeint, wo Käufern, Verkäufern und sonstigen Interessenten eine Plattform geboten wird, in der sie sich aus- tauschen können, Fragen beantwortet, Probleme gelöst und Stories erzählt werden. Weiterhin kön- nen Verbindungen zu anderen Nutzer- oder Zielgruppen hergestellt werden, die ähnliche Problem- stellungen diskutieren. Ferner ist die Bereitstellung von karrierespezifischen Informationen, die Sammlung industriespezifischer Daten oder die Aufbereitung von Nachrichten aus Wirtschaft, Poli- tik, Gesellschaft und Kultur denkbar. Als Beispiele für solche Inhalteanbieter lassen sich allgemeine Nachrichtenagenturen wie Reuters und Bloomberg anführen oder aber spezialisierte Agenturen wie Packaging Today, welche sich auf industriespezifische Informationen beschränkt haben. Darüber hinaus sind Unternehmen wie Dun& Bradstreet oder Infotel zu erwähnen, die unternehmensspezifische Informationen bzw. einen "online credit checking service" anbieten. Schließlich gibt es Jobbörsen wie Monster.com oder Employease, wo Karriereinformationen nebst zahllosen Jobangeboten offeriert werden219. Zusätzlich zu diesen Arbeitsmöglichkeiten rein informationsbasierter Intermediaries hat Piller mit Bezug auf Elofson/Robinson ein weiteres Betätigungsfeld ermittelt, welches er brokerbasierte und kundenbezogene Massenproduktion nennt220. Hierbei handelt es sich um ein neues Wertschöpfungsmodell, in dem die Produktdefinition von den Abnehmern selbst ausgeht bzw. diese über das Internet als Kollektiv auftreten. Diese Gemeinschaft sucht einen oder mehrere Hersteller, die in der Lage sind, die von dem Kollektiv definierten Pro- duktanforderungen umzusetzen. Im Rahmen dieses gesamten Prozesses nimmt ein netzbasierter Informationsbroker die wesentlichen (elektronisch gesteuerten) Vermittlungsaufgaben wahr, die sich wie folgt aufzählen lassen: x Identifikation potenzieller Abnehmer mit gleichen Bedürfnisprofilen (Schaffung einer selbstge- nerierten Marktnische durch das Internet) 217 vgl. Evans/Wurster (2000a), S. 83 218 vgl. Evans/Wurster (2000a), S. 86 219 vgl. Skinner (2000), S. 46 220 vgl. Piller (2000), S. 380 ff.; Elofson/Robinson (1998), S. 58 f. 78 x Herbeiführung einer Abstimmung zwischen den Abnehmern bezüglich der gewünschten Pro- duktkonfiguration x Identifikation potenzieller Anbieter für das gewünschte Produkt und Aushandeln des Preises bzw. Übernahme einer Vermittlerfunktion zwischen Hersteller und Abnehmer bei etwaigen Verhandlungen x Anstoß der Fertigung sowie Veranlassung der Distribution zu den Abnehmern Zur besseren Veranschaulichung bietet sich auch folgendes Schaubild an221: Abb. 21: Modell zur brokerbasierten und kundenbezogenen Massenfertigung Nach diesem bis dato beschriebenen Ist-Zustand der unterschiedlichen BtB-Betätigungsfelder für Intermediaries bzw. NetMarketMakers und den dahinter stehenden Grundlagen (horizontale oder vertikale Ausrichtung, bevorzugtes Handelsmodell, Ausrichtung auf Produkte/Dienstleistungen oder Inhalte), ist es an der Zeit, einen Blick in die Zukunft bezüglich einer möglichen Entwick- lungsrichtung zu werfen. 2.2.4.3 Der E-Marktplatz der Zukunft, denkbare Entwicklungsrichtungen Zunächst ist anzumerken, dass sich Online-Intermediaries zukünftig immer weniger auf die Ver- wirklichung einzelner Geschäftsmodelle konzentrieren (nur Aggregation, Austauschbörse oder Auktion), sondern multiple Formen zur Anwendung bringen werden. Dies geschieht in Abhängig- keit von den spezifischen Bedürfnissen ihrer Klientel, welche sich einerseits daraus herleiten lassen, zu welcher Industrie diese gehören, sowie andererseits, um welche Art des Einkaufes es sich han- delt. Mit Letzterem ist gemeint, ob es sich um Käufe auf dem Spotmarkt (siehe auch den obigen Ab- schnitt, Kapitel 2.2.4.2.1.2), um Transaktionskäufe oder um strategische Einkäufe handelt, die sich nach Alaniz/Roberts wie folgt unterscheiden lassen222: 79 221 entnommen aus Piller (2000), S. 383 222 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 29 x Strategisches Einkaufen beinhaltet die Auswahl der Anbieter und die Durchführung der Ver- tragsverhandlung sowie des gesamten "supplier managements". Dabei geht es beim strategi- schen Einkauf um die Etablierung einer langfristig ausgerichteten Geschäftsbeziehung zwischen Käufer und Verkäufer. x Beim transaktionsbasierten Einkauf geht es um den wiederkehrenden Kauf von Produkten auf der Basis von existierenden Verträgen und festgelegten Abläufen. x Beim "spot buying" schließlich handelt es sich um einmalige Geschäfte, welche in der Regel getätigt werden, wenn der herkömmliche Zulieferer nicht liefern kann, ein kurzfristiger Engpass aufgetreten ist, es sich um einen einmaligen Vorgang handelt oder die Bestellung so klein ist, dass sich der Durchlauf des normalen Angebotsprozesses nicht lohnt. Diesbezüglich merkt McCullough an, dass Intermediaries von der derzeit gängigen Praxis Abstand nehmen müssen, dass Unternehmen gezwungen sind, über Extranets mit existierenden Supply- Chain-Partnern zu kommunizieren und lediglich Spot-Einkäufe über E-Marktplätze abwickeln. Stattdessen müssen solche Portale zukünftig eine Plattform dafür bieten, auch strategische und transaktionsbasierte Einkäufe über diese tätigen zu können223. Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch die Trennung zwischen reinen Inhalteanbietern auf der einen Seite und eher produkt- und dienstleistungsausgerichteten Intermediaries auf der anderen Sei- te so auf Dauer nicht haltbar ist, sondern es auch hier zu Mischformen kommen wird. Schließlich ist zu erwarten, dass sich die zukünftigen Marktplatzformen von den bestehenden Marktplatzlösungen dadurch unterscheiden, dass dort mehr und mehr zusätzliche Dienste integriert werden, die das An- gebot abrunden und für die Kunden einen zusätzlichen "value added service" darstellen224. Hierzu zählen u.a.225: x Business intelligence. Help members understand their markets, and exchanges may sell markets data to product manufactures. x Content Management. Provide access to parametric and document management tools. Connect to database systems. Integrate syndicated content. x Customer Service. Provide access to eCRM system resources, including e-mail processing, problem tracking, and call center. x Financial services. Offer credit checking, payment processing, payment guarantee, cash ma- nagement, and escrow services. x Insurance & Escrow. Offer specialized transportation insurance and acceptance guarantee ser- vices. x Anti Fraud Services. Cybersource offers a fraud screening system that uses artificial intelligence along with an extensive transaction history database from a growing number of merchants to al- low merchants to predict and control fraud. x Marketing Communication. Integrate permission-based e-mail systems with internal databases, sell banner adverts, offline campaigns, and web site services. x Order Management. A key business enabler, and a tremendous hook into the daily work of the people who use the exchange. x Shipping & Logistics. Linking exchange orders to shipping and warehouse operations fills an obvious need. x Billing and Invoicing. 223 vgl. McCullough (2000), S. 6 224 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 2 225 verändert entnommen aus Keenan (2000), S. 12 f. 80 Als Ergebnis dieser Aussagen lässt sich festhalten, dass der Marktplatz der Zukunft durch die Inte- gration bisher getrennt zur Verfügung gestellter Funktionalitäten deutlich an Komplexität zunimmt. In diesem Zusammenhang kann man auch von einer Entwicklung hin zu einem so genannten E-Hub sprechen, der nach einer Studie der Deutschen Bank wie folgt definiert ist226: "An e-hub is a second-generation web-based business-to-business intermediary that combines: 1) a platform for hyperefficient business processes, 2) real time business/market intelligence, and 3) dial-tone like access to value-added services at the hub". Bei der Durchführung einer möglichen Klassifizierung von E-Hubs auf der Basis der obigen Aussa- gen ergibt sich folgendes Bild227: 1. Vertical Distributors Aggregation + Industry Content 2. Horizontal Distribu- tors Aggregation + Product Content 3. Vertical Exchanges Exchanges + Auctions + Pricing Content 4. Functional Ex- changes Auctions + Product/Company Con- tent Transactional Spot Buying Direct goods and services Indirect goodsand services Classification of BTB Hubs Abb. 22: Klassifizierung von BtB-Hubs 2.2.4.3.1 Charakteristika von E-Hubs und die Erfordernisse zur Etablierung von E-Business- Brokern Ein solcher E-Hub zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Kommunikation und Koordina- tion zwischen zahlreichen Unternehmen ermöglicht wird. Dabei erzeugt ein derartiges Geschäfts- portal auf der einen Seite eine Gemeinschaft und schafft eine hohe Markttransparenz. Auf der ande- ren Seite unterstützt es auch die zahlreichen Prozesse der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit, 81 226 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 16 (hervorgehoben im Original) 227 entnommen aus Skinner (2000), S. 49 die oft Kostentreiber und Erfolgsfaktoren in einem sind, im Hinblick auf eine effiziente Ausfüh- rung228. Es geht demnach darum, einerseits einen offenen, netzbasierten Handelsplatz zu schaffen, der durch die Vielzahl der angebotenen Dienste sowie der neu geschaffenen Transparenz eine möglichst hohe Zahl an Handelspartnern dauerhaft anzieht. Anderseits müssen aber gleichzeitig die individuellen Anforderungen der einzelnen Tradingpartner Berücksichtigung finden, was umfangreiche Konse- quenzen bezüglich der Anforderungen an das Management des E-Hubs nach sich zieht. Diesbezüg- lich sind das Verwalten von Zugangsberechtigungen, die Bereitstellung kundenspezifischer Unter- nehmenssichten, das Verfolgen und Sammeln von Nutzerinformationen, die Berücksichtigung be- sonderer Prozessanforderungen einzelner Trading-Partner, der Zugang zu personalisierten Ver- kaufs- und Marketingdaten sowie entsprechenden Verkaufsapplikationen zu erwähnen229. Yates spricht in diesem Zusammenhang von der Erfordernis eines "eBusiness Brokers" und defi- niert diesen als230: "An external service provider that aggregates eMarketplaces and business partners through a single point of integration". Ein solcher eBusiness Broker hat somit die Aufgabe die Angebote der einzelnen Marktplätze (E- nergie, elektronische Bauteile, MRO-Produkte etc.) zu bündeln und potenziellen Nachfragern zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich zu den obigen Anmerkungen begründet Yates die Notwendigkeit eines solchen eBusiness Brokers damit, dass die einzusetzende Infrastruktur mehr und mehr benut- zergetrieben erfolgt, die Konnektivität zukünftig binnen Minuten statt Monaten zu vollziehen ist und die Integrationslasten einen einmaligen Vorgang darstellen statt eines laufenden Prozesses. Zur Verdeutlichung dient das folgende Schaubild231: Abb. 23: Wie E-Business Broker die BtB-Integration verändern Einen weiteren wichtigen Aspekt bringt McCullough ins Spiel. Für sie ist es zukünftig keinesfalls ausreichend, dass sich E-Marktplätze vor allem um Aktivitäten innerhalb der Sales- oder Presales- Phase kümmern. Sie sieht die Entwicklung dahingehend, dass mehr und mehr alle Phasen eines "trading life cycles" durch den E-Hub der Zukunft unterstützt werden. Dies kann darauf hinauslau- fen, Käufer- und Verkäuferprofile zu erstellen und damit potenzielle Trading-Partner zu charakteri- 228 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 14 229 vgl. Blount (2000), S. 2 230 vgl. Yates (2000), S. 9 (hervorgehoben im Original) 231 entnommen aus Yates (2000), S. 11 82 sieren und zu qualifizieren, bei der Suche und dem Aufbau von Handelsbeziehungen behilflich zu sein sowie das Aushandeln vertraglicher Bedingungen zu begleiten232. Schließlich ist bezüglich der Etablierung von E-Hubs oder E-Business-Brokern noch anzumerken, dass sich deren Integrationsaufgaben keinesfalls auf die Bereitstellung von Lösungen hinsichtlich Content, Mehrwertdienste (siehe obige Aussagen zu Finanzdienstleistungen, Bonitätsprüfungen, Logistik etc.) oder einer Handelsplattform (basierend auf den verschiedenen Geschäftsmodellen) "beschränkt". Vielmehr sind die E-Hub-Betreiber auch für die Schaffung entsprechender techni- scher Voraussetzungen verantwortlich, was erneut die Beteiligung bzw. Integration von eher IT- orientierten Anbietern erforderlich macht. Angesprochen seien hier Computing- und Netzwerk-Dienste, die für eine reibungslose und skalier- bare Konnektivität sorgen (skalierbar bedeutet, dass ein und dieselbe Ressource entsprechend der benötigten Leistung in verschiedenen Qualitätsklassen zu unterschiedlichen Preisen bereitsteht, z.B. variable Zugangsbandbreiten mit verschiedenen Serviceniveaus) sowie die Bereitstellung von Netz- servern mit dem benötigten Speicherplatz. Weiterhin sind Integrations- und Transaktions-Dienste erforderlich, die für die Trading-Partner die bereits erwähnten Verbindungen auf der Basis von XML sicherstellen (siehe oben Kapitel 2.2.3.3). Darüber hinaus sind Kommunikationsdienste an- zumerken, welche die Einrichtung von Chat-Rooms, Mail-Systemen sowie Web- und Videoconfe- rencing, aber auch Servicehotlines und Call-Center ermöglichen, die wiederum in ihrer Gesamtheit die Basis für eine effiziente interorganisationale Zusammenarbeit bilden. Einen kleinen Überblick über einige dieser Infrastrukturanbieter und deren Dienste liefert das fol- gende Schaubild233: Service Beispiel Anbieter Netzwerkdienste Skalierbare Zugänge, Kommunikationsnetze MCI, AT&T, BT, FT, DT Network Computing Bereitstellung von Netzservern und Speicherplatz, Burstable Processing StorageNetworks, HP, Usi, Adero, Intel, Sun, Qwest BtB Integration Messaging XML-Connectivity Viacore, Viquity, Usi, Chan- nelPoint Kommunikation und Kolla- boration E-Mail, Chat, Web-/Video- Konferenzen, Call-Center Critical Path, Software.com, WebEx, Corio, Telera Zusätzliche Plattformdienste Datenbankintegration, Content- Managementverwaltung Loudcloud, LogicTier Abb. 24: Internetinfrastruktur-Anbieter und deren Dienste 2.2.4.3.2 Einige Praxisbeispiele zur Untermauerung der beschriebenen Entwicklung Auch wenn die obigen Zusammenhänge vor allem einen ersten Eindruck vermitteln sollten, in wel- che Entwicklungsrichtung sich die E-Marktplätze der nächsten Generation bewegen, so sind bereits heute deutliche Ansätze in dieser Richtung zu erkennen. 232 vgl. McCullough (2000), S. 8 233 für einen vertiefenden Einblick siehe Hannigan (2000), S. 5 ff. 83 So hat die Firma i2 die Gründung eines TradeMatrix Marktplatzes angekündigt, der nicht nur Käu- fer und Verkäufer zusammenbringen wird, sondern zusätzlich auch Service-Provider, Logistikun- ternehmen, Hersteller und traditionelle Zwischenhändler in das Angebot integriert234. Ein anderes Beispiel für die Integration von Content und Commerce bzw. Community ist Vertical- Net. Diese betreiben über 40 Webseiten im Netz, welche sich jeweils einem bestimmten Thema oder Industriezweig widmen, so beispielsweise Photonics Online, Pollution Online, Meat and Poultry Online oder PropertyAndCasualty.com. Jede dieser Seiten hat ein ähnliches Erscheinungs- bild und schließt Nachrichtenkanäle, von Mitgliedern erzeugte Inhalte, Chat-Rooms, Kaufempfeh- lungen und Karriereinformationen mit ein. Zukünftig sollen darüber hinaus zusätzliche Handels- und Transaktionskanäle erschlossen werden, so dass in diesem Fall im Grunde schon von einem E- Hub gesprochen werden kann235. Des Weiteren ist die Zuliefererbörse Covisint zu nennen, ein BtB-Marktplatz für Automobilherstel- ler und Zulieferer, welche im Februar 2000 von den Herstellern General Motors, Ford und Daimler- Chrysler gegründet worden ist. Die Unternehmen erhoffen sich dadurch umfangreiche Einsparun- gen im Rahmen der Teileversorgung sowie bei den Entwicklungskosten236. Abgesehen davon er- warten die Gründer, dass möglichst viele Zulieferer schnell auf die Plattform aufspringen, dass auf Seiten der Zulieferer geringere Netz-Infrastrukturkosten anfallen sowie dass die Transaktionskosten sinken und die Markttransparenz erhöht wird237. Ferner gibt es die Firma Chemdex, welche einen Marktplatz für die Chemieindustrie betreibt und diesen so ausgestaltet, dass nicht nur Kataloge ins Netz gestellt werden, sondern nach Möglichkeit der Kunde bei dem gesamten Versorgungsprozess unterstützt wird. Darüber hinaus ist der Markt- platz mit Inhalten angereichert, die den Tradingpartnern die Produktauswahl erleichtern sollen238. Bezüglich der Gründung und Entwicklung von E-Marktplätzen fällt darüber hinaus auf, dass es längst nicht nur neue ("aus dem Netz geborene") Marktteilnehmer sind, die sich als Next-Genera- tion Intermediary versuchen. Mehr und mehr drängen auch seit langem am Markt etablierte Firmen (so genannte Incumbents) sowie bereits anderweitig erfolgreich im Netz operierende Unternehmen in diesen Markt (siehe Covisint). Ein anderes diesbezügliches Beispiel aus der Automobilindustrie ist das Joint Venture zwischen Ford und Oracle, AutoXchange. Dieser E-Hub wurde in erster Linie ins Leben gerufen, um Verbes- serungspotenziale in der Supply Chain zwischen Ford und seinen 30.000 Zulieferern zu ermitteln und umzusetzen. Geplant ist ein Kollaborationskanal, der die Zulieferer untereinander sowie mit Ford enger verzahnt. Dies könnte geschehen, indem Nachfrageprognosen und Produktionspläne ausgetauscht werden und somit eine wirkungsvollere zwischenbetriebliche Information und Kom- munikation sichergestellt wird. Das Ziel ist es, die Lagerbestände zu reduzieren, die Qualität zu ver- bessern und die Umschlagszeiten zu beschleunigen239. Andere Beispiele hierfür sind die Firma Dell, welche auf ihrer eigenen Homepage längst nicht mehr nur die eigenen PCs anbietet, sondern zusätzlich einen umfassenden und objektiven Führer für Pe- ripheriegeräte integriert hat240. Weiterhin ist Amazon anzumerken, welche nicht nur ihr bestehendes Bücherangebot in Richtung Musik, Videos und Elektronikartikel erweitert hat241, sondern auch mehr und mehr darum bemüht ist, das Generieren von Transaktionen mit der Darstellung von Inhal- ten im Netz zu verknüpfen242. 234 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 37 235 vgl. Dataquest (1999), S. 8 236 vgl. Weiß (2000) sowie bezüglich vertiefender Informationen unter Internetadresse: http://www.covisint.com/about/history/ 237 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 63 f. 238 vgl. Skinner (2000), S. 50 239 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 10 240 vgl. Evans/Wurster (2000a), S. 89 241 vgl. Goldman Sachs (1999), S. 10 242 vgl. Keenan (2000), S. 6 84 Am Rande sei angemerkt, dass solche namhaften Hersteller wie Dell oder auch Cisco aufgrund ih- rer ausgeprägten Kundenbeziehungen und ihrer starken Marktposition nur relativ wenig Spielraum für solche Infomediaries lassen, die sich rein auf die Navigationsfunktionen beschränken243. Nach diesen Aussagen zur Informationsgesellschaft sowie über die damit in Einklang stehende Ent- wicklung und Ausprägung der Informationstechnologien, geht es im Weiteren darum, deren wesent- liche Einflüsse auf die Wertschöpfung im Unternehmen näher zu untersuchen. 2.3 Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft: Die Entwicklung der IuK- Technologien und ihr Einfluss auf die Bereiche Organisation und Prozesse sowie die daraus folgenden Konsequenzen für die Mitarbeiter Ähnlich wie im ersten Kapitel in Bezug auf die Industriegesellschaft, stehen auch an dieser Stelle zunächst die ökonomischen und informatorischen Logiken im Mittelpunkt der Betrachtung. Diese durchlaufen, vor allem getrieben durch die beschriebene technische Entwicklung, einen fulminanten Veränderungsprozess, der wiederum weitreichende Folgen für die Wertschöpfung im Unternehmen hat. In diesem Zusammenhang werden die wesentlichen Konsequenzen aufgezeigt, die die in Kapitel 2.2 beschriebene Entwicklung bezüglich Organisation und Ausrichtung der Prozesse entlang der Wert- kette nach sich zieht. Ferner werden die Auswirkungen für die Mitarbeiter einer näheren Betrach- tung unterzogen. Im Anschluss daran geht es in Kapitel 2.4 um die weniger technisch getriebenen, psychologischen Einflussfaktoren, welche einen nicht minder großen (eher impliziten) Einfluss auf die Entwicklung eines Unternehmens ausüben. 2.3.1 Die virtuelle (Prozess-) Organisation als Sinnbild des Informationszeitalters Bei einem Vergleich der im Informationszeitalter diskutierten und zur Anwendung gebrachten Or- ganisationsansätze mit jenen, die in erster Linie das Industriezeitalter geprägt haben (siehe Aussa- gen zum Weber´schen Bürokratiemodell sowie dem Wissenschaftlichen Management nach Taylor Kapitel 1.1), ist festzustellen, dass die Unterschiede kaum größer sein können. So spricht Piller nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Entwicklungsstandes der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK-Technologie) von der Entwicklung hin zu einer "virtuellen Pro- zessorganisation", welche sich u.a. durch folgende Charakteristiken auszeichnet244: x Prozess- und nutzenorientierte Denkhaltung – statt rein kostenorientierter Ausrichtung x Horizontale und vertikale Aufgabenintegration – statt einer umfassenden Arbeitszerlegung und der Trennung von dispositiver und ausführender Arbeit x Organisationsprinzip geprägt von flachen Hierarchien, der Bildung von Netzwerken und der Parallelisierung von Aufgaben – statt starrer Hierarchien mit klarer, funktionaler Trennung und sequentieller Abarbeitung von Aufgaben 243 vgl. Ehrens/Zapf (1999), S. 18 244 verändert entnommen aus Piller (2000), S. 140 f. 85 x Aufgaben- und projektbezogene hierarchische Abgrenzung auf der Basis der Delegation von Entscheidungs- und Kontrollbefugnissen – statt klarer Machtzentrierung an der Spitze mit ent- sprechenden Weisungsbefugnissen x Umfassende prozessorientierte Integration der organisationalen und intraorganisationalen Auf- gaben – statt funktionaler Trennung und klarer Abgrenzung der zwischenbetrieblichen Aufga- ben x Teilweise verhandlungsorientierte Bottom-up-Entscheidungsfindung mit umfassender Mitarbei- terbeteiligung – statt Top-down-Entscheidungsfindung von wenigen auf der Basis klarer Ent- scheidungsregeln x Kein Idealtyp der Organisation vorhanden, mehr kurzfristige und hybride Organisationsformen – statt einiger weniger idealer Organisationsformen Aus diesen Aussagen ist unzweideutig abzuleiten, dass die Arbeitsorganisation tayloristischer Prä- gung unwiderruflich zu Ende zu sein scheint. Zu einem ähnlichen Schluss kamen Kern & Schu- mann bereits, als die heutige Ausprägung der Informationsgesellschaft kaum erkennbar war. Sie stellten fest, dass sich unter dem Einfluss neuer Informations- und Fertigungstechnologien die Randbedingungen mehren, unter denen eine Rücknahme der tayloristischen Arbeitsteilung und eine Förderung arbeitsintegrativer Maßnahmen interessant sein können. Dieses gilt nicht nur unter der Perspektive der Rücksichtnahme auf die Interessen der Beschäftigten, sondern auch aus der Sicht der Kapitaleigner245. In ähnlicher Weise argumentiert auch Kastner, der mit dem weiteren technischen Fortschreiten die Hoffnung verknüpft, dass es mit Hilfe der Technik im Bereich Arbeitsorganisation zu deutlichen Erleichterungen für den Einzelnen am Arbeitsplatz kommen wird246 (vgl. auch unten Kapitel 2.3.3.1 sowie bezüglich einer einschränkender Anmerkungen Kapitel 2.3.3.2.2). Dunkel wiederum spricht, bedingt durch den Entwicklungsstand und die Ausprägung von Internet und Intranets (hierunter versteht man unternehmensinterne Kommunikationsnetze auf der Basis der Internettechnologie), von einem umfassenden Aufbau virtueller Unternehmensstrukturen, die ihrer- seits die Verwirklichung innovativer Arbeitswelten ermöglichen247. Das heißt, die IuK-Techno- logien versetzen die Unternehmen in vielfacher Art und Weise in die Lage, die Erwerbsarbeit in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu entkoppeln. Hierdurch wird beispielsweise die Möglichkeit der Telearbeit geboten, wodurch die Mitarbeiter vielfach ihre Tätigkeiten auch außerhalb der Fir- menräume ausüben können. Sie arbeiten beispielsweise zu Hause, in Nachbarschafts- und Satelli- tenbüros, in Teleservicecenter bzw. Telezentren oder per Laptop im Freien. Dabei ist der Mitarbei- ter (von Fall zu Fall) per Datenleitung oder über Mobilfunk mit den Kollegen oder einem Netzser- ver verbunden, wo er die benötigten Informationen abrufen kann. Zeitlich bedeutet diese neue Form der räumlichen Mobilität, dass weniger zu starren Zeiten an festen Orten, sondern an wechselnden Orten auf der Grundlage flexibler Zeiten gearbeitet wird248. Neben diesen verschiedenen räumlichen Formen der Telearbeit lässt sich diese auch nach zeitli- chen, vertraglichen und technischen Regelungen differenzieren. Ersteres meint, ob der Vollzug der Telearbeit dauerhaft ist oder sich diese mit festen Tätigkeiten in der Unternehmenszentrale abwechselt. Die vertraglichen Regelungen setzen sich damit auseinander, ob diese auf der Basis eines Arbeitnehmerstatuses, des Heimarbeitsgesetzes, eines Werks- oder Dienstvertrages oder der Selbstständigkeit vollzogen wird. Bei den technischen Regelungen ist bei- spielsweise zu beachten, ob die Anbindung an die jeweilige Firma im Online- oder Offline-Modus 245 vgl. Kern/Schumann (1984), S. 19 f. 246 vgl. Kastner (1990), S. 18 247 vgl. Dunkel (2000) 248 vgl. Dunkel (2000) 86 erfolgt, wobei bei der Online-Anbindung zusätzlich zwischen Stand-/Wählleitung und/oder Handy unterschieden werden kann249. 2.3.1.1 Die Einrichtung von Call Centern und Telekooperationen als mögliche Konsequen- zen der Realisierung einer virtuellen Organisation Als ein denkbares Beispiel einer kollektiven Variante von Telearbeit bietet sich das Call Center an. Die Einrichtung eines Call Centers geschieht überwiegend an der Schnittstelle zum Kunden, wobei Geschäftsvorgänge wie Finanzdienstleistungen, Versandhandel sowie Telefondienstleistungen wie Preis- und Produktanfragen, Auftrags- und Bestellwesen, Kundendienst, Beratung und die Bearbei- tungen von Beschwerden und Reklamationen über dieses abgewickelt werden250. Die zunehmende Bedeutung der Call Center lässt sich auch daran ablesen, dass die Anzahl der Ar- beitsplätze in dieser Branche stetig steigt, und zwar von etwa 60.000 – 140.000 bezogen auf Deut- schland im Jahr 1997, auf 200.000 bis 250.000 im Jahr 2001251. Eine andere Untersuchung von Emnid prognostiziert, dass es im Jahre 2002 in Deutschland etwa 160.000 – 180.000 Call Center Arbeitsplätze geben wird, was einer Beschäftigtenzahl von etwa einer halben Millionen Mitarbeiter entspricht252. Neben diesen Formen der Telearbeit wird auch die Telekooperation zunehmen, sprich die elektro- nisch unterstützte Zusammenarbeit räumlich verteilter Teams. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Unternehmensform mit einem festen Standort und festen Mitarbeitern zunehmend der Vergan- genheit angehört (siehe diesbezüglich auch Kapitel 2.3.3). Kastner merkt in diesem Zusammenhang an, dass es mehr und mehr zu einer Screen-to-Screen- Kommunikation anstatt der bis dato vorherrschenden Face-to-Face-Kommunikation kommen wird, wo der Chef seine Mitarbeiter nur noch von Zeit zu Zeit sieht. Letztere konstituieren sich in selbst- verantwortlicher und selbstorganisatorischer Weise in amöboiden Strukturen immer wieder neu und bearbeiten in verschiedenen Teams unterschiedliche, selbstgestellte Aufgaben253. 2.3.1.2 Denkbare organisatorische Entwicklungstendenzen im Hinblick auf eine weiterge- hende Vernetzung von Unternehmen Einen eher radikalen Ansatz vertritt Cameron, welcher einen kompletten Umbau der Organisation ("organizations must deconstruct") im Zeitalter des E-Commerce als zwingend erforderlich ansieht, um erfolgreich zu sein. Diesbezüglich fordert er im Wesentlichen die Erfüllung von drei organisato- rischen Voraussetzungen. Erstens sind kleine, schlagfertige und unabhängige Organisationseinheiten ins Leben zu rufen, wel- che sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und das Internet dazu nutzen, die Innovationsfähigkeit zu steigern, Zugang zu neuen Absatzmärkten zu gewinnen und die Transaktionskosten zu senken (siehe auch Aussagen zum Outsourcing Kapitel 2.5.1.1). Zweitens sind intraorganisationale Prozessverknüpfungen mit Trading-Partnern und Kunden eine weitere wichtige Voraussetzung, um Vorteile aus den "net efficiencies" zu ziehen. 249 vgl. Büssing (1999), S. 93 f. 250 vgl. Meier (1999), S. 70 251 vgl. Bullinger (1998), S. 25 ff. 252 vgl. Böcker/Kastner (1999), S. 176 253 vgl. Kastner (1999a), S. 46 87 Drittens schließlich sind die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, schnell und rei- bungslos Partnerschaften mit Dritten eingehen und wieder lösen zu können254 (vgl. hierzu ausführ- lich die Kapitel 3 ff.). Das Ergebnis einer solchen Umorganisation ist die so genannte E-Business-Netzwerk-Organisation, welche aus spezialisierten und eigenständig operierenden Einheiten besteht, die gestützt auf das Internet mit internen oder externen Einheiten kooperieren. Bezüglich der Ausprägung der einzelnen Einheiten sieht Cameron vor allem vier Bereiche, welche jeweils mehr oder weniger unabhängig voneinander agieren und auf der Basis der eigenen Speziali- sierung ein eigenes Geschäftsmodell verfolgen. Siehe hierzu das nachfolgende Schaubild255: Abb. 25: E-Business Netzwerk-Organisation Als Beispiel ist die Firma Lucent zu nennen, welche schon vier wesentliche Schritte in Richtung der Etablierung einer E-Business-Organisation unternommen hat256: 1. Ausrichtung der Gesamtorganisation auf Kundensegmente anstatt Produkte 2. Übertragung der Bell Lab Forschungsprojekte auf einzelnen Geschäftseinheiten, inklusive der entsprechenden Verantwortlichkeiten 3. Outsourcing der Herstellung in größerem Umfang 4. Ergänzung der Angebote durch zusätzliche Partnerunternehmen Einige Parallelen zu den obigen Aussagen lassen sich auch bei Skinner finden. Auch sie sieht einen deutlichen Trend hin zu kleineren Unternehmen mit einer höheren Spezialisie- rung, welche innerhalb dynamischer Netzwerke mit Zulieferern und Kunden verbunden sind (siehe auch unten). Dementsprechend kann von einer Rekonfiguration der Wertkette gesprochen werden, wo Unternehmen generell eine kleinere Anzahl an Aktivitäten vollziehen und sich infolgedessen auf 254 vgl. Cameron (2000a), S. 7 f. 255 entnommen aus Cameron (2000), S. 7 256 vgl. Cameron (2000a), S. 12 88 ihre Kernkompetenzen (siehe zur begrifflichen Erläuterung Kapitel 3.1.3.2) konzentrieren. Dies kann im Endstadium sogar so weit führen, dass die Wertkette gänzlich auseinander fällt und spezia- lisierte Unternehmen daraus hervorgehen, die wiederum für verschiedene Unternehmen das Marke- ting managen, Produkte entwickeln, IT-Dienstleistungen zur Verfügung stellen etc., siehe das fol- gende Schaubild257: Brand holder Product development Virtual supply chain ASP Information broker Batch Manufac turer The Organisation of the Future Information Flow Abb. 26: Die Organisation der Zukunft Ähnlich argumentieren Evans/Wurster, die bezüglich der Organisationsform der Zukunft von vielen kleinen Organisationsformen sprechen, die sich über fließende Allianzen selbst organisieren bzw. zusammenarbeiten. Hierbei wird die dezentrale Selbstorganisation, sprich die Fähigkeit von Mitar- beiten, sich abzuspalten, neu zu gruppieren bzw. sich über Unternehmensgrenzen hinweg zu for- mieren, eine zunehmend wichtigere Rolle spielen258. In gleicher Weise drückt sich auch Kastner aus, für den der flexible, selbstorganisatorische Vertrau- ensverbund die Organisationsform der Zukunft ist. Dabei erfordert dieser Vertrauensverbund kleine, selbstregulative und selbstverantwortliche Einheiten bzw. Teams , die "synegoistisch" miteinander kooperieren259 (bezüglich Synegoismus und Verhalten sowie Aufbau von Vertrauen siehe auch Ka- pitel 3.2.4.2). Warnecke wiederum hat in diesem Zusammenhang den Begriff des fraktalen Unternehmens ge- prägt. Ein Fraktal ist eine selbstständig agierende Organisationseinheit mit eindeutig beschreibbaren Leistungen und Zielen. Diese Fraktale organisieren und optimieren sich selbst und ordnen sich den Zielen des Unternehmens als Ganzes unter. Somit ist ein fraktales Unternehmen ein offenes System, welches aus selbstständig agierenden und auf bestimmte Ziele ausgerichteten Organisationseinhei- ten, den Fraktalen, besteht260. 257 entnommen aus Skinner (2000), S. 11 258 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 166 259 vgl. Kastner (1999), S. 48 260 vgl. Warnecke (1999), S. 20 89 Drucker schließlich spricht von einer informationsbasierten Organisation. Jene entsteht in erster Linie auf der Grundlage deutlich leistungsfähigerer IuK-Technologien und führt infolge zu einer Transformation des gesamten Unternehmens. Dabei bewirken die verbesserten IuK-Technologien einen erkennbaren Leistungssprung bei der (inter-) organisationalen Kommunikation sowie der In- formationsverarbeitung. Hierdurch sind weniger hierarchische und koordinierende Stellen erforder- lich, was eine flachere Organisation nach sich zieht. Ferner trägt die steigende Bedeutung des Fak- tors Wissen zu einer Spezialisierung der Aufgaben bei und letztlich gliedert sich die Arbeitsorgani- sation mehr in aufgabenbezogene, cross-funktionale Teams statt in funktionale Abteilungen261. Hinter all diesen organisatorischen und strukturellen Ausprägungen steht letztlich die Erkenntnis, dass Flexibilität und die Fähigkeit, schnell reagieren zu können, höher zu bewerten sind als der Ver- such, möglichst große Teile der Wertschöpfung selbst zu erledigen. Somit wird angestrebt, durch ein Netz an Zulieferern, externen Mitarbeitern und Partnerunternehmen, die eigene Organisation so flach und klein bzw. schlank wie möglich zu halten262, um dadurch die gewünschte Flexibilität si- cherzustellen263. Sehr gut bringt Kurtzke diese Zusammenhänge auf den Punkt, der bezüglich der Erfolgsmuster der Industriegesellschaft im Vergleich zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft von einem nach- haltigen Wandel ausgeht. Die Wertschöpfung wird dabei weit weniger an die eigentliche Produkti- on geknüpft, sondern an ein Netz von Innovationen im Zusammenspiel mit internen und externen Partnern, wie das folgende Schaubild deutlich illustriert264: Abb. 27: Die Erfolgsmuster der Industriegesellschaft im Vergleich zur Wissensgesellschaft 261 vgl. Drucker (1988), S. 45 ff. 262 siehe bezüglich der Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Mitarbeiter Kapitel 2.3.3 sowie über die Notwendigkeit einer intensiveren Zusammenarbeit mit externen Partnern Kapitel 2.5.3 ff. und die Kapitel 3 ff. 263 vgl. Reick/Kastner (2001), S. 16 264 entnommen aus Kurtzke (1998), S. 201 90 2.3.2 Der Einfluss der technischen Entwicklung auf die Produktions-/Fertigungs-, Ent- wicklungs- und Verkaufsprozesse sowie unterstützende Prozesse In Bezug auf die Ausprägung der Produktions- und Fertigungsprozesse gibt es ebenfalls gravieren- de Unterschiede zwischen dem Industrie- und dem Informationszeitalter. Diese lassen sich im We- sentlichen wie folgt charakterisieren265: x Kleine, auf individuelle Kundenwünsche bezogene Auflagenserien und ein entsprechender Fo- kus auf kundenbezogene Prozesse (teilweise Auftragsfertigung mit Losgröße 1) – statt Massen- produktion, langer Produktionsläufe und Fokus auf operationale Effizienz und Effektivität x Economies of scope mit enger Einbindung externer Zulieferer und Produzenten – statt Econo- mies of scale auf der Basis weit gehender Eigenrealisierung x Simultane, unternehmensübergreifende Produkt- und Prozessentwicklung unter Einbeziehung der Kunden und der Erfordernisse des Marktes – statt sequentiellen Abarbeitens der verschiede- nen Aufgaben (Entwicklung, Produktion, Absatz) im Unternehmen x Erstellung von Produkten und Leistungen auf der Basis effizienter und flexibler, modularer Baukastensysteme – statt eintöniger Massenproduktion oder Erstellung zahlreicher Nischenpro- dukte auf der Basis einer hohen Variantenvielfalt mit vielen proprietären Teilen x Einsatz flexibler Maschinen und Werkzeuge zur Aufrechterhaltung variabler Kapazitäten mit kurzen Rüstzeiten – statt spezialisierter Maschinen und Werkzeuge mit festen Kapazitäten und langen Rüstzeiten x Autonome, flexible Fertigungssysteme mit variablem Fertigungslayout – statt automatisierter Fertigungssysteme mit festem Fertigungslayout x Aufbau flexibler Produktionsnetzwerke zur Sicherstellung einer kurzfristigen Zusammenarbeit mit zahlreichen externen Zulieferern und Abnehmern – statt vertikaler Integration durch Fir- menübernahmen oder langfristige Zusammenarbeit mit wenigen Zulieferern x Organisation der Fertigung durch die Etablierung teilautonomer Gruppen und der Übertragung steuernder und kontrollierender Aufgaben auf diese – statt eintöniger Fließbandarbeit unter Ver- zicht auf jegliche planende, steuernde und kontrollierende Aufgaben in der Fertigung x Ausrichtung der Fertigung in Richtung Holprinzip, Bestandsminimierung und kontinuierliche Verbesserung sowie Verlagerung der Qualität in die Produktion – statt Ausrichtung der Ferti- gung auf Automatisierung, Bringprinzip, stufenweiser Verbesserungen und strikter Qualitäts- kontrollen nach der Fertigung mit hohem Nachbearbeitungsaufwand Aus dieser Aufzählung geht unzweideutig hervor, dass für die Produktion und Fertigung dasselbe gilt wie für die oben erwähnten Organisationsprinzipien. Auch in Produktion und Fertigung findet eine Entwicklung hin zu dezentralen Strukturen mittels der Etablierung von Fertigungsinseln und (teil-) autonomen Arbeitsgruppen statt (bezüglich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für den einzelnen Mitarbeiter, siehe folgenden Abschnitt). Als Ergebnis einer solchen Entwicklung kann von einer Modularisierung auf Prozessebene gespro- chen werden, wobei sich die einzelnen Prozessmodule durch eine dezentrale Entscheidungskompe- tenz und Ergebnisverantwortung auszeichnen266. Diesbezüglich stellt Weller fest, dass die bis in die 70er Jahre hinein in der Bundesrepublik domi- nierende Massenproduktion zunehmend durch eine flexible und spezialisierte Produktion abgelöst wurde (bzw. wird), was gleichzeitig einen steigenden Kommunikations-, Koordinations- und Ko- operationsaufwand zur Folge hatte267 (bzw. hat). 265 verändert entnommen aus Piller (2000), S. 140 266 vgl. Picot/Reichwald/Wigand (1998), S. 201 267 vgl. Weller (1999), S. 42 91 Hieraus geht ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Industrie- und Informationsgesellschaft hervor. Früher versuchten die Unternehmen vor allem durch die Realisierung von Zeitvorteilen und Effizienzsteigerungen der existierenden Prozesse und Produktionsabläufe ihre Wettbewerbsfähig- keit zu steigern. Heute geht es in erster Linie darum, die Wettbewerbsfähigkeit dadurch zu verbes- sern, dass es mittels der Implementierung innovativer Prozesse gelingt, zu einer dauerhaften Redu- zierung der Koordinations- und Transaktionskosten zu kommen268. 2.3.2.1 Der Einfluss der Informationsgesellschaft auf die Entwicklungs- und Produktions- prozesse, gezeigt am Beispiel des Simultaneous Engineering und der kundenindividu- ellen Massenproduktion Ein sehr gutes Beispiel hierfür stellt die Ausprägung der Innovations- bzw. Entwicklungsprozesse im Informationszeitalter dar. Diese sind in zentraler Weise dadurch beeinflusst, dass die Produktle- benszyklen und damit die Produktentwicklungszeiten immer kürzer werden. So haben beispielswei- se die Produktentwicklungszeiten im Maschinenbau von zweieinhalb Jahren auf knapp über ein Jahr abgenommen. Ähnlich sieht dies in der Kfz-Zulieferindustrie aus, wo sich diese von gut zwei auf etwa ein Jahr reduziert haben269. Demzufolge müssen die Innovations- und Entwicklungsprozesse neu organisiert und koordiniert werden, da anderenfalls die Gefahr besteht, den Anschluss an die Entwicklung des jeweiligen Marktes zu verlieren. Das Ergebnis dieser Innovationsbemühungen zur Verbesserung der Produkt- entwicklungsprozesse lässt sich unter dem Oberbegriff "Simultaneous Engineering" zusammenfas- sen. Die dahinter stehenden Methoden und Handlungsweisen können mit den Begriffen Parallelisie- ren, Integrieren und Standardisieren charakterisiert werden. Was dies im Einzelnen sowie im Ver- gleich zur konventionellen Produktentwicklung bedeutet, zeigt nachfolgende Gegenüberstellung270: Konventionelle Produktentwicklung Simultaneous Engineering Funktionelle Aufgabenteilung Funktionsübergreifende Aufgabenerledigung Sequentielle Produkt-/Prozessentwicklung Parallele Produkt-/Prozessentwicklung Qualitätssicherung am Ende des Entwicklungs- prozesses Laufende Qualitätssicherung von der Konzepti- onsphase bis zur Fertigung Zulieferunternehmen als Kontrahenten Zulieferunternehmen als Kooperationspartner Entwicklungskosten als primäre Steuerungsgrö- ße Zeit als wesentliche Steuerungsgröße Zögernde Reaktion auf Marktveränderungen Erfassung der Marktbedürfnisse und zeitnahe Umsetzung Versteckte organisatorische Schwächen Offenlegung organisatorischer Mängel Abb. 28: Konventionelle Produktentwicklung und Simultaneous Engineering im Vergleich Ein weiteres signifikantes Merkmal in Bezug auf die Produktion im Informationszeitalter ist die zunehmende Abkehr vom Push-Prinzip, bei dem Güter auf der Basis von Marktprognosen mit an- schließender (Massen-) Produktion und intensiver Lagerhaltung "in den Markt gestoßen werden". Heute geht man mehr und mehr zu einer Individualisierung der Leistungserstellung nach dem Pull- Prinzip über, d.h., die Produktion und damit die Erstellung der Güter wird erst nach Auftragsein- 268 vgl. Freeman/Soete (1994), S. 48 269 vgl. Warschat (1996), S. 549 270 verändert entnommen aus Warschat (1996), S. 551 92 gang durch den Kunden angestoßen. Dies hat zum einen den Vorteil, dass die Abhängigkeit von Markt- und Bedarfsprognosen sinkt sowie zum anderen, dass deutlich geringere Lagerkosten ent- stehen, da in der Regel nur Rohmaterialien oder modulare Bauteile auf Lager liegen, die zudem für eine Vielzahl von Produkten Verwendung finden können (siehe hierzu das Beispiel von Dell Kapi- tel 2.2.2.2). Diese Entwicklung kann, unterstützt durch die IuK-Technologie, sogar so weit gehen, dass sich die Produktionsleistung jeweils flexibel an die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Kunden anpasst, es also vor der eigentlichen Produktion zu einer optimalen Zusammenstellung der Produkteigen- schaften durch den Kunden kommt. Eine solche "webgestützte" Individualisierung kann sich dabei sowohl auf materielle als auch immaterielle Produkte (Schulungen, Finanzdienstleistungen etc.) beziehen. Ein gutes Beispiel für die internetunterstützte Individualisierung eines Massenproduktes stellt die Möglichkeit dar, sich auf der Homepage von Mattel eine Barbie-Puppe seiner Wahl zusammenstel- len zu können, wobei dem Kunden über 24.000 Auswahlformen zur Verfügung stehen271. In diesem Fall könnte man sogar von einer individualisierten Massenproduktion sprechen, welche ohne eine entsprechende technische Unterstützung undenkbar wäre bzw. einen Aufwand nach sich ziehen würde, der zumindest bei Massenartikeln ein kaum am Markt durchsetzbares Preisniveau zur Folge hätte. 2.3.2.2 Die Ausprägung der Verkaufsprozesse und die Zusammenfassung der wesentlichen Konsequenzen für die Unternehmensprozesse Einen ähnlich hohen Einfluss wie auf die Produktionsprozesse hat die Entwicklung der IuK-Tech- nologien auch auf die Verkaufsprozesse. Wie oben am Beispiel von Dell, Cisco oder Amazon gezeigt, ist es heute für Unternehmen infolge der zunehmenden Vernetzung von Wirtschaft und Verbrauchern (siehe Kapitel 2.2.2.2) nahezu problemlos möglich, näher an den Verbraucher heranzurücken und ihn direkt, ohne Umweg über den Handel, schneller und besser zu erreichen272. In diesem Zusammenhang merkt Diez an, dass das Internet erhebliche Möglichkeiten eröffnet, so- wohl die Verkaufskosten zu senken als auch die Vertriebsproduktivität zu steigern. Dies zeigt ins- besondere ein Beispiel aus den USA. Dort wurde in einem Pilotprojekt ermittelt, dass nicht nur die Abschlussquote bei Online-Verkäufen deutlich höher ausfiel als beim traditionellen Offline-Ver- kauf, sondern zusätzlich die Verkaufskosten beim Absatz über das Internet nur ein Zehntel der Kos- ten des herkömmlichen Verkaufes betrugen, siehe hierzu die folgende Tabelle273: 271 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 17 272 vgl. Baan (1995), S. 86 273 vgl. Diez (2000), S. 29 93 Traditioneller Verkauf („offline“) Internet-gestützter Verkauf („online“) Verkaufsproduktivität: Abschlussquote in Prozent (Relation Kaufinteressenten zu Verkaufsabschlüssen) 20 60 Ergebnisauswirkungen: Verkäufe (Stück pro Monat) 147 60 Bruttoerträge (in Dollar) 197.898 34.411 Verkaufskosten insgesamt (in Dollar) 162.281 5.800 Verkaufskosten je Fahrzeug (in Dollar) 1.108 138 Abteilungsergebnis (in Dollar) 35.012 28.641 Ergebnis je Fahrzeug (in Dollar) 238,18 681,92 Abb. 29: Traditioneller und internet-gestützter Verkauf im Vergleich Im Übrigen ist an dieser Stelle anzumerken, dass ein wirkungsvoller Internetauftritt nach außen nur die halbe Miete ist. Mindestens genauso wichtig für den Erfolg im E-Business ist die Integration interner Geschäftsprozesse. Denn erst durch die Optimierung der gesamten Lieferkette entlang der Wertschöpfung wird das Unternehmen wirklich in die Lage versetzt, einen schnellen und individu- ellen Kundenservice zu bieten. Ein gutes Beispiel für eine solche integrative Lösung bietet Good- year. Diese haben ein so genanntes "Supply Network Planning System" für die Bedarfs- und Distri- butionsplanung eingeführt. Hierdurch wird Goodyear in die Lage versetzt, seinen Kunden taggenau mitzuteilen, wann sie die Reifen bekommen können, ein Vorteil, der sich prompt in steigenden Um- sätzen bemerkbar machte274. Nimmt man auf der Basis der obigen Aussagen eine Charakterisierung der Unternehmensprozesse im Informationszeitalter vor, so lassen sich diese wie folgt beschreiben275: x "Highly responsive" und flexibel: Die Unternehmensprozesse erlauben ein kurzfristiges Zusam- mengehen mit anderen Unternehmen (auch branchen- bzw. industrieübergreifend), etwa um ge- meinsam ein Produkt zu entwickeln oder ein Angebot auszuarbeiten x Transparent: Die einzelnen (inter-) organisationalen Prozesse sind genau definiert und beschrie- ben, den jeweils Beteiligen sind die übergreifenden bzw. vor- und nachgelagerten Aufgaben be- kannt x Schlank und effizient: Viele Prozesse entlang der Wertkette laufen automatisiert ab, allerdings nimmt mit der zunehmenden Einbindung externer Unternehmen der Koordinations- und Ab- stimmungsaufwand zu x "Real time": Aktivitäten werden durch Echt-Zeit-Prozessanforderungen untermauert, siehe Si- multaneous Engineering oben und Build-to-order-Produktion bei Dell 274 vgl. Scheermagazin (2000), S. 5 275 in Anlehnung an Skinner (2000), S. 11 94 Betrachtet man diesbezüglich das Zusammenspiel aller Elemente eines Geschäftsprozesses, die an anderer Stelle unter dem Oberbegriff des Supply Chain Management zusammengefasst wurden (vgl. Kapitel 2.2.3.3), so hat die heutige "Web-Enabled Supply Chain" nur noch wenig mit jener im Industriezeitalter zu tun, wie folgendes Schaubild verdeutlicht276: Industrial Age Supply Chain Web-Enabled Supply Chain Supply Chain Process - Predictable - Channel Consistency - Fluid - Channel Disruption Competitive Advantage - Physical Assets - Costs - Speed and Knowledge - Customer Service Cycles of Change - Months and Years - Days and Weeks Supply Chain Interac- tion - Point-to Point Transactions - Fixed Pricing - Marketplace-Facilitated Transactions - Dynamic Pricing Planning - Staff Manager and Analysts - Clear Delineation with Execution - Entire Trading Community - Simultaneous Planning and Execution Work Environment - Command and Control - Decentralized Authority Abb. 30: Gegenüberstellung der Supply Chain im Industrie- und Internetzeitalter 2.3.2.3 E-Learning als wirkungsvolles Medium, überbetriebliche Weiterbildungsmaßnah- men wirkungsvoll zu unterstützen Neben den oben erwähnten wertschöpfungsnahen Prozessen, leistet der technologische Fortschritt dem Unternehmen auch bei den unterstützenden Prozessen, die mit der Wertschöpfung zumindest nicht unmittelbar zu tun haben, wertvolle Dienste, wie sich sehr gut am Beispiel E-Learning bzw. computerunterstütztes Lernen zeigen lässt. Dies ist einerseits in direktem Zusammenhang mit den oben erwähnten Dezentralisierungstenden- zen zu sehen, wobei die neuen Technologien den Anforderungen an ein zeit- und ortsunabhängiges Lernen entgegenkommen. Des Weiteren ist die exponentiell ansteigende Zunahme an Informatio- nen bei gleichzeitiger Abnahme der Halbwertzeit des Wissens zu erwähnen (vgl. auch Kapitel 2.1). Dieses erfordert seitens der Unternehmen höhere Weiterbildungsanstrengungen, da Wissen nicht nur schneller veraltet, sondern auch die beruflichen Anforderungen einer rasanten und stetigen Veränderung unterliegen277. In diesem Zusammenhang ist in Bezug auf E-Learning die Kostenfrage von besonderem Interesse. Denn computerunterstütztes Lernen wird vielfach als kostengünstige Alternative angesehen, etwa im Vergleich zu herkömmlichen Weiterbildungsveranstaltungen, wo bisweilen hohe Kosten durch die eigentliche Schulung, entgangene Arbeitszeit und vor allem Reisekosten anfallen. Folglich wird für das Jahr 2002 prognostiziert, dass die europäische Wirtschaft rund 8,6 Milliarden DM in E- Learning investiert278. Als gutes Beispiel für die Anwendung entsprechender E-Learning-Systeme lässt sich der Bereich Information & Communication Networks der Siemens AG anführen279. 276 entnommen aus Broadview (2000), S. 29 277 vgl. Seufert/Back/Häusler (2001), S. 23 278 vgl. Kammerl (2000), S. 9 279 vgl. bezüglich der folgenden Ausführungen Varesi (2000), S. 86 ff. 95 Hier werden seit über zehn Jahren erfolgreich Schulungsmedien wie Computer Based Training CBT, Computer Based Presentation CBP, Computer Based Simulation CBS, Web Based Training WBT, Business TV und Tele-Teaching eingesetzt. Die Einsatzgebiete bzw. die zu vermittelnden Inhalte beziehen sich u.a. auf : Ɣ Vermittlung von produktbezogenem Grundlagen- und Spezialwissen Ɣ Umgang mit SAP-Tools Ɣ Verhaltenstraining Ɣ Simulation von Systemausfällen und deren Behebung Ɣ Vermittlung neuester Technologieentwicklungen und -trends Das Kosteneinsparpotenzial zeigt sich in erster Linie in einer Reduzierung der Reisekosten, der Vermeidung längerer Abwesenheitszeiten am Arbeitsplatz und unnötiger Wartezeiten auf Schu- lungstermine. Allerdings dürfen auch zusätzliche Investitionen für die Planung und Durchführung der technischen Realisierung, die Schulungen zur Nutzung der technischen Systeme sowie für die Pflege von Systemen und Inhalten keineswegs vernachlässigt werden. Somit ist festzustellen, dass es einerseits auf einen intelligenten Einsatz der elektronischen Medien ankommt. Andererseits ist es allerdings nicht zu erwarten, dass ein solcher Einsatz den klassischen Unterricht, der sich insbesondere durch Flexibilität und Individualität sowie eine größere E nahme auf die Motivation des Einzelnen auszeichnet, völlig verdrängen wird. influss- 2.3.3 Die Stellung der Mitarbeiter und die veränderten Anforderungen an die Arbeitsaufga- ben in der Informationsgesellschaft Ähnlich wie bei den bisherigen Aussagen zu den Einflüssen der Informationsgesellschaft auf unter- nehmensinterne Gegebenheiten wie Organisation und Prozesse sind auch in Bezug auf die Stellung der Mitarbeiter bzw. Arbeitnehmer eine ganze Reihe signifikanter Unterschiede im Vergleich zwi- schen Industrie- und Informationsgesellschaft festzustellen. Dies zeigt die folgende Gegenüberstel- lung : 280 Stellung und Arbeitsaufgabe eines Arbeitsnehmers in der Industriegesellschaft Lebenslange Vollzeitanstellung in Büro oder Fabrik mit starren Arbeitszeiten Wechsel zwischen Vollzeittätigkeit und anderen Beschäftigungsverhältnissen in verschiedenen Firmen mit flexiblen Arbeitszeiten Arbeitsmotivation rührt aus sicherem Arbeits- platz und regelmäßigem Einkommen Deutlich höhere Risikobereitschaft in Erwartung einer besseren Vergütung, Motivation eher durch Entfaltung der eigenen Persönlichkeit Einmalige Ausbildung am Anfang des Berufsle- bens, dann unregelmäßige, fallbezogene Weiter- bildung Ausbildung als wichtiger Bestandteil des gesam- ten Berufslebens ("long life learning"), mit wechselnden Inhalten und Anforderungen Einstellung auf Grund fachlicher Qualifikation, Beförderung auf der Basis von Betriebszugehö- rigkeit und Erfahrung, stetige Wahrung des Be- sitzstandes Einstellung und Beförderung auf Grund unter- nehmensspezifisch definierter Leistungsparame- ter, keine Besitzstandswahrung Informationsgesellschaft 280 Synthese der Gegenüberstellungen in Kastner (1990), S. 35 f.; Kastner (1999), S. 40; Matejovski (2000); Braun (1999), S. 76; Piller (2000), S. 141; Warnecke (1999), S. 33; Wiendieck (1994), S. 211 f. 96 Starke Zentralisierung der Arbeitsaufgaben und klare Trennung zwischen planenden, steuernden, kontrollierenden und ausführenden Tätigkeiten Deutliche Dezentralisierung der Arbeitsaufgaben und Zusammenführung von dispositiven und ausführenden Tätigkeiten Individuelle Verantwortlichkeit und geringe Ausprägung von Teamarbeit Individuelle Verantwortung, verbunden mit ge- genseitiger Unterstützung und starker Ausprä- gung der Teamkomponente Arbeitsvollzug erfordert Anpassungsfähigkeit, Pflichterfüllung und konsequente Unterordnung unter die betrieblichen Belange durch strikte Einhaltung von Normen und Regeln Eigenschaften wie Lernbereitschaft, Denken im System, Beziehungs-, Kooperations- und Team- fähigkeit sowie das Infragestellen des Bestehen- den sind für den Arbeitvollzug von großer Be- deutung Schwerpunkt der Aufgabe bildet die Bearbeitung und Umwandlung materieller Objekte Im Mittelpunkt der Arbeitsaufgaben stehen In- formationssuche und Problemlösung Exakt definierte Rolle des Einzelnen innerhalb klar vorgegebener Aufgabenstellungen und Ziele Variierende Aufgabenstellungen und Rollen des Einzelnen auf der Basis wechselnder Ziele Spezialisierung auf ein klar umrissenes und be- grenztes Aufgabengebiet zwecks Erzielung ho- her Effizienz beim Aufgabenvollzug Wechselnde Aufgabeninhalte und -gebiete, stän- dige Konfrontation mit ganzheitlichen Anforde- rungen Gewollte unvollständige Information des Einzel- nen am Arbeitsplatz Unvollständige Information durch das Vorhan- densein zu vieler Informationen und einge- schränkter Informationsverarbeitungskapazität Kein Dienstleistungsanteil an den Aufgaben Hoher Dienstleistungsanteil an den Aufgaben Bezahlung entweder leistungsmengenbezogen (Akkord) oder auf der Basis von Flächentarifver- trägen Variable Vergütung, abhängig von qualitativer und quantitativer Zielerreichung Abb. 31: Gegenüberstellung der Position eines Arbeitnehmers in der Industrie- und Informations- gesellschaft Wie aus diesem Vergleich implizit hervorgeht, ist es durchaus nicht übertrieben, von einem tief ge- henden Wandel der industriellen Arbeitswelt zu sprechen, indem die Mitarbeiter bzw. deren kreati- ves Humankapital zunehmend als der wichtigste Produktionsfaktor angesehen werden. Einen kei- neswegs zu unterschätzenden Anteil an dieser Entwicklung hat der zunehmend breite Einsatz der IuK-Technologien, welcher die Umsetzung dezentraler Organisations- und Fertigungsprinzipien möglich macht bzw. fördert (siehe oben). Dies zieht für die Mitarbeiter eine steigende Bedeutung von Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Individualität nach sich281. Genau genommen nimmt die IuK-Technologie in diesem Zusammenhang die Rolle eines "Ermöglichers" (enabler) ein. Dabei unterstützt sie durch ihre vielfältigen Möglichkeiten im Rahmen der Informationsbereit- stellung, Beseitigung von Schnittstellenproblemen oder der Abstimmung verschiedener Produkti- onsprogramme eine horizontale und vertikale Aufgabenintegration282. Diesbezüglich ist zusätzlich festzustellen, dass es durch die Einrichtung von Fertigungsinseln oder (teil-) autonomen Arbeitsgruppen zu einer Reintegration der Menschen in die Produktion kommt. Zudem werden die Aufgaben der Mitarbeiter durch den Zusammenschluss einzelner Tätigkeiten zu Prozessen horizontal und vertikal erweitert. Dies ist in deutlichem Gegensatz zu der Entwicklung im Industriezeitalter zu sehen, wo ein Fortschreiten der Technologie in erster Linie dazu geführt hat, 281 vgl. Fournier (1994), S. 120 f. sowie Hammer/Stanton (2000), S. 68 282 vgl. Baukrowitz (1996), S. 54 97 den Mitarbeiter aus der Produktion zu verdrängen bzw. an den Rand eines autonomen Maschinen- systems zu verbannen283 (siehe auch Kapitel 1.1 ff.). Neben dieser verstärkten lokalen Teamarbeit im Rahmen von dezentralen Fertigungsprozessen kommt es infolge der oben genannten virtuellen Organisationsformen auch zunehmend zu der Aus- prägung von Telearbeit. Dies hat für die Mitarbeiter zur Folge, dass sie von dem eigentlichen Fir- menstandort räumlich getrennt sind und lediglich per Mobiltelefon und/oder Datenleitung mit die- sem verbunden sind. Sie erledigen somit ihre Arbeit von zu Hause aus, unterwegs oder in Satelli- tenbüros (vgl. oben Kapitel 2.3.1). 2.3.3.1 Die Chancen und Risiken, die sich für den Einzelnen aus den neuen Arbeits- und Or- ganisationsformen ergeben Geht man einen Schritt weiter und wirft einen Blick auf die möglichen Folgen für die Mitarbeiter hinsichtlich der sich bietenden Chancen und Risiken sowie eventueller psychischer und physischer Belastungen und Beanspruchungen, so ergibt sich ein geteiltes Bild. In Bezug auf den Produktionsbereich ist festzustellen, dass sich unter dem Einfluss neuer Informa- tions- und Fertigungstechnologien die Randbedingungen in der Produktion und Fertigung derart ändern, dass es bei gleichzeitiger Rücknahme der tayloristischen Arbeitsbedingungen (siehe oben) zu einer Förderung arbeitsintegrativer Maßnahmen kommt. In diesem Zusammenhang hegt Kastner die Hoffnung, dass das weitere Fortschreiten der technischen Entwicklung284: Ɣ Arbeitserleichterungen und weniger körperlich anstrengende Arbeiten, Ɣ größere Handlungsspielräume, Ɣ mehr Bildung und deren fortlaufende Pflege, Ɣ mehr Gesundheit am Arbeitsplatz und Ɣ mehr Komfort am Arbeitsplatz zur Folge hat. Jedoch ergibt sich das Problem, dass von diesen „betriebsinternen Segnungen“, bedingt durch die zunehmende Spezialisierung und Verkleinerung von Betrieben und die damit verbundenen Out- sourcingmaßnahmen (siehe Kapitel 2.5.1.1 sowie im Weiteren 3.1.3.2), immer weniger Mitarbeiter profitieren. Im Gegenteil, es ist sogar zu befürchten, dass die Mitarbeiter mehr und mehr anderen, eher psychischen Belastungen ausgesetzt sind, die es in dieser Häufigkeit im Industriezeitalter nicht gegeben hat. In diesem Sinn argumentiert u.a. Wieland, indem er feststellt, dass sich das Anforderungs- und Be- lastungsspektrum für den einzelnen Mitarbeiter stark erweitert hat. Er führt dies in erster Linie auf die neuen Arbeits- und Organisationsformen zurück, die sich eben nicht mehr durch festgelegte Rollenanforderungen, überschau- und vorhersehbare Arbeitsstrukturen, klar umrissene Arbeitsauf- gaben und eindeutig festgelegte zeitliche, vertragliche und räumliche Arbeitsbedingungen auszeich- nen (siehe auch Kapitel 1.1 ff.). Vielmehr bergen sie eine große Anzahl zusätzlicher Aufgabenbe- reiche und Schnittstellen in sich285. In diesem Zusammenhang geht Wieland davon aus, dass sich die Arbeitsplätze innerhalb der zunehmend informations- und wissenszentrierten Arbeitswelten mehr und mehr als offene Mehrschnittstellenmodelle beschreiben lassen, wo deutlich weniger Vor- hersehbarkeit, Eindeutigkeit und Kontrolle vorherrscht bzw. möglich ist. Dieses kann wiederum zu 283 vgl. Piller (2000), S. 135 f. 284 vgl. Kastner (1990), S. 18 285 vgl. Wieland (2001), S. 133 98 entsprechenden psychischen und physiologischen Angst- und Stress-Symptomen führen, wie das folgende Schaubild deutlich untermauert286: Abb. 32: Das offene Mehrschnittstellenmodell zur Beschreibung der Anforderungsstruktur in der neuen Arbeitswelt In ähnlicher Art und Weise drückt sich auch Kastner aus, der in diesem Zusammenhang von einer Schwerpunktverlagerung unter arbeitsmedizinischen Aspekten ausgeht. Waren es früher körperliche Belastungen, hervorgerufen durch Lärm, Staub oder Gasen, geht die Entwicklung derzeit hin zu mentalen Beanspruchungen sowie psychischen Überforderungen287. Diese werden nicht zuletzt durch die „innerbetrieblichen Verschlankungstendenzen“, verbunden mit entsprechenden Personal- abbaumaßnahmen, massiv gefördert. So zeigen sich beispielsweise mentale Beanspruchungen in Übergangsphasen, wenn die vermeintlich „Überlebenden“ einer Restrukturierungsmaßnahme noch eine gewisse Zeit mit den zukünftigen nicht mehr benötigten Mitarbeitern zusammenarbeiten müs- sen oder aber später bei der Konfrontation mit Leiharbeitern oder Freelancern, die früher einmal Kollegen waren. Am Rande sei angemerkt, dass dieser Prozess des Downsizings etwa im Rahmen von Reeginee- ringprojekten in den USA in der ersten Hälfte der 90er Jahre 3,1 Millionen Menschen den Job kos- tete288. Dabei können solche Prozesse sogar so weit führen, dass es zu erheblichen Funktionsstörun- gen im Unternehmen durch den sich parallel vollziehenden Personalabbau kommt und es dem Un- ternehmen letztendlich im Nachhinein schlechter geht, als zu Beginn des Projektes289. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Studien der American Management Association und der Wyatt-Company. Sie konstatieren, dass Firmen, die mit wiederholten Entlassungswellen konfron- tiert worden sind, zum einen mit niedrigen Gewinnen und sinkender Produktivität der Arbeitnehmer zu kämpfen haben. Andererseits wurde in weniger als der Hälfte der untersuchten Fälle das ange- strebte Kostensenkungsziel tatsächlich erreicht290. 286 vgl. Wieland (2001), S. 134 287 vgl. Kastner (1999a), S. 41 288 vgl. Reick/Kastner (2001), S.15 289 vgl. Sennett (2000), S. 62 290 zitiert aus Sennett (2000), S. 62 99 Ferner hat eine Studie der Society for Human Ressource Management eindeutig belegt, dass die Produktivität bei mehr als der Hälfte von 1468 erfassten Firmen, die einen Restrukturierungsprozess mit entsprechenden Entlassungen hinter sich hatten, entweder stagnierte oder sogar deutlich ab- nahm291. Sennett führt diesen Zustand in erster Linie auf eine sinkende Arbeitsmoral und Motivation der Mit- arbeiter zurück (was eindeutig den oben erwähnten mentalen Überbeanspruchungen zuzuordnen ist), die sich einmütig ihrem Schicksal ergeben und nahezu ohnmächtig auf die nächste Entlas- sungswelle warten, anstatt alles daranzusetzen, zumindest die verbliebenen Arbeitsplätze zu ret- ten292. Genau um diese eher kontraproduktiven Verhaltensweisen anzufedern, kommen so genannte integ- rierte Outplacement- bzw. Replacement-Konzepte immer mehr in Mode. Diese lassen sich auch als psychosoziale Begleitung berufsbezogener Transitionsprozesse bezeichnen und sollen dem betrof- fenen Mitarbeiter in erster Linie bei der Bewältigung der Kündigung helfen sowie einen möglichst reibungslosen Übergang in eine andere Tätigkeit sicherstellen. Für das Unternehmen ergibt sich dabei der Vorteil, dass organisationsbezogene Konflikte bei Entlassungen sowie die beschriebenen Produktivitätsverluste durch Demotivation und mangelndes Engagement der Betroffenen, aber auch der „surviver-of-layoffs“, zumindest abgemildert werden293. Kommt man im Weiteren wieder auf die Folgen der zunehmenden virtuellen Organisationsstruktu- ren für den Mitarbeiter zurück, ist anzumerken, dass sich einerseits Chancen in Form von größerer Zeitsouveränität, mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, vielseitigerer Arbeitsinhalte, der Übernahme von mehr Verantwortung sowie der Verwirklichung individuellerer Lebensmöglichkei- ten eröffnen294. Andererseits sind aber auch deutliche Gefahren wie verstärkter Zeitdruck, soziale Isolation, das Aufkommen „prekärer Beschäftigungsverhältnisse“ ohne arbeits- und sozialrechtlichen Schutz so- wie Selbstausbeutung durch deutlich verlängerte Arbeitszeiten ohne entsprechende Vergütung er- kennbar295. Diesbezüglich prophezeit Sennett, dass es für viele Arbeitsnomaden Jobs immer nur für wenige Monate geben wird, und diese „Mitarbeiter der Zukunft“ zudem permanent mit neuen Orten, Men- schen und Aufgaben konfrontiert werden. Dieses erfordert wiederum Kenntnisse und Fähigkeiten, Job und Aufgabe schnell wechseln zu können296. Somit lässt es sich kaum von der Hand weisen, dass von einer zunehmenden Tendenz in Richtung einer „kreativen Gestaltung“ der Arbeitsprozesse gesprochen werden kann, was für das jeweilige Unternehmen in der Regel eine erhöhte Flexibilität und Produktivität zur Folge hat, ehemalige fest angestellte Arbeitnehmer aber zunehmend zu (outgesourcsten) Freelancern, Scheinselbstständigen oder Leiharbeitern macht297. Deren zusätzliche Chancen in Richtung Selbstverwirklichung oder höheres Einkommen stehen oft genug in keinem Verhältnis zu den damit verbunden Risiken und Unsicherheiten298. 291 vgl. Henkoff (1990), zitiert aus Weber/Kastner (2001), S. 284 292 vgl. Sennett (2000), S. 63 293 vgl. Kieselbach (1999), S. 59 ff. bzw. zur Vertiefung Mayrhofer (1989) und Stoebe (1993) 294 vgl. Kastner (1999a), S. 39 295 vgl. Brusis (1999), S. 18 296 vgl. Sennett (2000), S. 9 ff. 297 vgl. Kastner (1999a), S. 37 298 vgl. Sennett (2000), S. 112 ff. 100 2.3.3.2 Die neue Dichotomie in der Arbeitswelt, geprägt durch den qualifizierten Wissensar- beiter und den nach Marktgesichtspunkten beschäftigten Leiharbeiter Aus den obigen Aussagen lässt sich als eine wesentliche Erkenntnis feststellen, dass eine klar er- kennbare Tendenz auf Seiten der Unternehmen hin zur Verkleinerung bzw. Verschlankung des ge- samten Unternehmens besteht, mit dem Ziel, schneller und flexibler auf die zunehmenden Unwäg- barkeiten der Märkte (siehe hierzu auch Kapitel 2.5 ff.) reagieren zu können. Für die Mitarbeiterstruktur in den Unternehmen hat dies zur Folge, dass mehr und mehr von einer drastischen Diversifizierung der Erwerbsarbeit auszugehen ist, was sich darin äußert, dass neben die eigentliche Vollzeit- auch zunehmend Teilzeitarbeit, befristete Arbeit, Leiharbeit, Scheinselbststän- digkeit oder geringfügige Beschäftigung tritt (siehe oben). In diesem Zusammenhang geht Gorz davon aus, dass die fest angestellten Vollzeitbeschäftigten im Laufe der Zeit eher zu einer Minderheit im Unternehmen werden bzw. diese Elite der Stammarbeit- nehmerschaft noch etwa 25% der Erwerbstätigen ausmacht. Weitere 25% sind als Randarbeitneh- merschaft zu bezeichnen und die verbleibenden 50% setzen sich aus Leiharbeitern, Subunterneh- mern oder Scheinselbstständigen zusammen299. In diesem Sinn drückt sich auch Kastner aus, der zwischen dem von der Zahl her immer kleiner werdenden (qualifizierten) Stammpersonal, was eine starke Bindung an das Unternehmen hat und von diesem gehegt und gepflegt wird, und einem Netzwerk aus Hilfsmitarbeitern unterscheidet. Letztere haben lediglich eine lose Bindung an das Unternehmen und werden nur im Bedarfsfall un- ter Marktgesichtspunkten beschäftigt300. Dass diese Entwicklung bereits voll im Gang ist, zeigt sich u.a. daran, dass die Anzahl der so ge- nannten ungeschützten bzw. Nicht-Normalarbeitsverhältnisse enorm ansteigt. Dies lässt sich z.B. daran ablesen, dass sich der Anteil der legalen Leiharbeit in Deutschland zwischen 1985 und 1996 verfünffacht hat301. 2.3.3.2.1 Der Wissensarbeiter als Sinnbild einer neuen Arbeitselite, im Zwiespalt zwischen beträchtlichen Chancen und nicht zu unterschätzenden Risiken Leitet man aus diesen Erkenntnissen einige Segmentierungstendenzen hinsichtlich der Arbeitsplätze ab, so befinden sich auf der einen Seite Berufsgruppen mit hoher praktischer und/oder wissen- schaftlicher Qualifikation, einem entsprechenden Prestige, hoher Arbeitsplatzautonomie und guten Karrierechancen. Diese Gruppe setzt sich letztlich aus (mobilen) Wissensarbeitern (Knowledge- Workern) zusammen, die entweder zur Elite der Stammbelegschaft zählen und für ein Unternehmen verschiedene (häufig dezentrale) Projekte betreuen, oder aber ausgestattet mit Laptop und Handy an wechselnden Orten ihren eigenen Geschäften nachgehen302. Kennzeichnend für diese hoch bezahlten, hoch flexiblen sowie prozess- und projektorientierten Knowledge-Worker ist darüber hinaus, dass ihnen Sicherheit und lebenslange Anstellung beim gleichen Unternehmen auf Kosten von Freiheit, Flexibilität und Selbstverwirklichung zumindest teilweise fremd sind. Im Gegenteil, diese aktiven Vorab-Forderer werden abseits von Regeln, Nor- men und Strukturen zusehends weniger bereit sein, sich in ein starres Gehaltsgefüge und eng umris- sene, klar definierte Hierarchien zwängen zu lassen. Was zählt, sind interessante Projekte mit ho- hem Potenzial für persönliche Entwicklung und attraktive Vergütung. 299 vgl. Gorz (1994), zitiert aus Hacker (1999), S. 80 300 vgl. Kastner (1999a), S. 41 301 vgl. Gerlmaier/Kastner (1999), S. 148 302 vgl. Dunkel (2000) 101 Des Weiteren ist ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt dieser Entwicklung, dass der nach mehr Freiheit und Verantwortung strebende Knowledge-Worker nicht nur als ganze Person ernst ge- nommen, einbezogen und anerkannt werden will, sondern oft auch eigenwilliger, fordernder und kritikfreudiger gegenüber dem eigenen oder fremden Unternehmen auftritt. Er nimmt nicht mehr unwidersprochen alles und jedes hin303. Gestützt wird diese Entwicklung durch eine zunehmende optionale Jobvielfalt, die es für jene Wis- sensarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen auf einem immer globaleren Markt gibt. Dadurch werden die Knowledge-Worker in die Lage versetzt, sich aus einer Vielzahl von Angeboten das lukrativste heraussuchen zu können. Angetrieben wird dieser Prozess erneut durch die technologische Entwicklung, die auf breiter Front zu zahllosen Spezialisierungen führt, wodurch es bisweilen zu einer starken Verknappung der Res- source Mensch kommt, welche über die relevanten Kenntnisse verfügt. Gemeint sind hiermit bei- spielsweise Fachexperten, die über ein tiefes Handlungs- und Erfahrungswissen in einem Fachbe- reich verfügen und ein gutes theoretisches Wissen in anderen Fachbereichen besitzen. Darüber hin- aus verfügen solche Fachexperten über einen hohen Wissensstand hinsichtlich der Einsatzmöglich- keiten von IuK-Technologien. Diesbezüglich sind Spezialisten wie Netzwerkmanager, Netzwerk- Broker oder Netzwerk-Architekten zu nennen304. Trotz dieser durchaus viel versprechenden Aussagen wäre es allerdings vermessen, davon auszuge- hen, dass die „hochqualifizierten Hightech-Nomaden“ im Rahmen ihrer „good jobs“ keinerlei Ge- fahren oder Belastungen ausgesetzt seien. So sehen etwa Ayan und Kastner diesbezüglich neue Ge- sundheitsgefahren, die u.a. damit zusammenhängen, dass sich der Wert der Arbeit immer mehr über das Ergebnis und weit weniger wie bisher über die investierte Zeit und Mühe definiert. Die Folge dessen ist die Entgrenzung der Arbeit, welche entscheidend zur Auflösung institutioneller Grenzen in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsort und inhaltliche Anforderungen beiträgt305. Die Folgen dieser Entgrenzung sind z.B. darin zu sehen, dass es keine vertraglich festgelegten Ar- beitszeiten gibt, dass an den verschiedensten Orten zu den verschiedensten Zeiten in unterschiedli- chen Projekten an den unterschiedlichsten Aufgaben gearbeitet wird, oder aber es zu Einsätzen als Springer in wechselnden Produktionsstätten kommt. Im Rahmen dieses Prozesses ist der Arbeitge- ber letztlich nur an einem gelungenen Arbeitsergebnis interessiert. Der Knowledge-Worker als Auf- tragnehmer hingegen ist der nicht unbeträchtlichen Gefahr der Selbstausbeutung ausgesetzt, wobei berufliche Zwänge zusätzlich die familiäre bzw. private Atmosphäre belasten können306. 2.3.3.2.2 Die steigende Zahl einer Randarbeitnehmerschaft als Kehrseite der Medaille mit deutlich weniger Chancen und beträchtlichen Risiken Schaut man sich die andere Seite der Medaille an, so ist hier die Gruppe derer zu finden, die besten- falls zur Randarbeitnehmerschaft zu zählen sind bzw. in so genannten marginalen Beschäftigungs- verhältnissen stehen. Im Sinne von Siegrist lassen sich diese durch geringe Arbeitsplatzsicherheit, unregelmäßige Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung, monotone, gering geschätzte Arbeit und hohe soziale Isolation am Arbeitsplatz kennzeichnen307. Das heißt., hier handelt es sich eher um mit monotonen Eingabeaufgaben oder in typischen „Mc- Jobs“ beschäftigte Mitarbeiter, die weder von den neuen Spielräumen innerhalb einer dezentralen Organisation profitieren noch zu den oben beschriebenen Wissensarbeitern zu zählen sind. Ferner 303 vgl. Sprenger (1994), S. 26 304 vgl. Klink (1999), S. 144 305 vgl. Ayan/Kastner (2001), S. 124 306 vgl. Ayan/Kastner (2001), S. 124 307 vgl. Siegrist (1996), S. 67 102 besteht die Gefahr, dass diese Arbeitnehmerschaft in ihrem Leben, um über die Runden zu kom- men, bis zu sechs verschiedene Jobs ausführen müssen308. Letzteres kann sogar so weit gehen, dass viele Menschen, die den neuen Anforderungen hinsichtlich Wissen und Flexibilität nur einge- schränkt oder gar nicht gewachsen sind, selbst in den industrialisierten Ländern zu einem Leben am Rande des Existenzminimums gezwungen sind. Jenes wird u.a. durch die Feststellung untermauert, dass es innerhalb der in der Automobilindustrie vorherrschenden pyramidalen Organisationsstrukturen insbesondere an der Basis der Pyramide, durchaus zu Lohndumping und der Rückkehr zu tayloristischen Arbeitsprozessen kommen kann. Dies geschieht infolge des Kosten- und Termindrucks, der häufig von oben nach unten durchge- reicht wird. Diese Entwicklung ist nicht nur als Rückschlag für die Humanisierungsbestrebungen am Arbeitsplatz zu werten, sondern trifft in erster Linie genau jene Arbeitnehmer, die sich in den erwähnten marginalen Beschäftigungsverhältnissen befinden309. Begleitet wird diese Entwicklung darüber hinaus von der Außerkraftsetzung des so genannten Gießkannenprinzips "ein bisschen mehr für alle" zu Gunsten des Leistungsprinzip "deutlich mehr für wenige und deutlich weniger für mehr", sprich einer starken Zunahme des internen Gehaltsge- fälles, von der in erster Linie die Knowledge-Worker profitieren. Diese Entwicklung könnte durch- aus in eine neue „Zweiklassengesellschaft führen, in welcher derjenige, der reich an Humankapital ist, reicher wird, und derjenige, der es versäumt hat, sich viel Wissen und Können anzueignen, mit weniger auskommen muss310. Somit bleibt abschließend festzustellen, dass das Informations- und Wissenszeitalter für den Arbeit- nehmer einerseits durchaus Chancen in Richtung einer gehaltvolleren und weitaus weniger sinnent- leerten Tätigkeit in sich birgt. Dabei ist das deutlich erkennbare Streben des Einzelnen nach mehr Selbstständigkeit bzw. nach Beteiligung an Entscheidungsprozessen sowie dessen Bereitschaft, vermehrt unternehmerische Risiken zu übernehmen, als sehr positiv und nützlich zu bewerten311. Andererseits darf aber auch der Preis einer solchen Entwicklung nicht unterschätzt werden. Neben der erwähnten Tendenz hin zu einer zwei geteilten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sind die stark wachsenden Anforderungen und der auf dem Einzelnen lastende hohe Leistungsdruck sowie das ständige Anwachsen von Risiken und Wettbewerbsdruck in einer global vernetzten Welt zu erwäh- nen. Globalisierung heißt in diesem Zusammenhang, dass potenziell jeder Beschäftigte mit jedem anderen Beschäftigten auf der Welt konkurriert, wobei dies insbesondere dort zum Tragen kommt, wo neue Informations- und Kommunikationstechnologien dezentrale Planungs- und Fertigungsab- läufe ermöglichen312. Nach diesen Analysen über die wesentlichen informatorischen und ökonomischen Logiken sowie die veränderten Anforderungen an den Mitarbeiter im Informationszeitalter lässt sich sagen, dass jeder dieser Bereiche mehr oder weniger explizit von den Fortschritten auf dem Gebiet der IuK- Technologien beeinflusst wird. So sind die angesprochenen Tendenzen in Richtung: Ɣ dezentralerer Organisationsstrukturen, Ɣ Bildung von Netzwerken, Ɣ prozessorientierte Integration der organisationalen und intraorganisationalen Aufgaben, Ɣ selbstregulative und selbstverantwortliche Einheiten, Ɣ simultane unternehmensübergreifende Produkt- und Prozessentwicklung, Ɣ Aufbau flexibler Produktionsnetzwerke, 308 vgl. Sennett (2000), S. 118; Kastner (1999), S. 208 309 vgl. Gerlmaier/Kastner (1999), S. 154 310 vgl. Wels (2000) 311 vgl. Wiendieck (1994), S. 211 f. 312 vgl. Matejovski (2000) 103 Ɣ Abkehr vom Push-Prinzip hin zur Build-to-order-Produktion, Ɣ Dezentralisierung der Organisations- und Fertigungsprinzipien und damit eine steigende Bedeu- tung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sowie Ɣ Reintegration der Menschen in die Produktion (vgl die obigen Abschnitte), ohne den heutigen Stand der Technik, welche in den meisten Fällen jene Entwicklung erst ermög- licht hat (IuK-Technologien als Enabler), undenkbar. Dementsprechend sind sich die Unternehmen durchaus der Bedeutung und des Entwicklungsstandes der Technik sowie deren Einfluss auf Berei- che wie Organisation, Prozesse oder den Einsatz von Mitarbeitern bewusst. Untermauert wird dies noch dadurch, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Studien über den Gebrauch und Nut- zen des Einsatzes von Internet und E-Commerce erscheinen. Dieses hat letztlich zu einer entspre- chenden logischen, technisch-organisatorisch-prozessoral ausgerichteten Bewusstseinsbildung bei- getragen, welche das Denken und Handeln der am Marktgeschehen Beteiligten in großem Maße beeinflusst. Geht man infolge einen Schritt weiter und setzt sich mehr mit der Psychologik auseinander, die ei- nen zentralen Einfluss auf die Funktionsweise eines Unternehmens ausübt, so sind hier die Unter- schiede zum Industriezeitalter sowie deren Tragweite nicht weniger gravierend. Allerdings sind diese Erkenntnisse weit weniger bekannt und beeinflussen die Unternehmen bzw. deren Denken und Handeln eher implizit denn explizit. Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge werden nach- folgend jene grundlegenden psychologischen Logiken einer näheren Betrachtung unterzogen, wel- che im Informationszeitalter die Wertschöpfung im Unternehmen (implizit) mit beeinflussen. 2.4 Psychologische Grundsätze des Informations- und Wissenszeitalters: Die Abkehr vom mechanisch-technizistischen Weltbild unter dem Einfluss der Systemtheorie, der Kybernetik und des Konstruktivismus Bei der Rekapitulation einer der wesentlichen Aussagen des vorhergehenden Abschnitts ist zu sa- gen, dass mehrfach explizit und implizit vom Ende der tayloristischen Arbeitsteilung, der Abkehr von den Werber´schen Bürokratieprinzipien sowie der Ansicht, bei Mitarbeitern handele es sich einzig um zu optimierende Produktionsfaktoren, die Rede gewesen ist. Wie im ersten Kapitel analysiert, basierten diese Annahmen im Industriezeitalter auf dem Glauben, dass es sich bei einem Unternehmen um eine triviale Maschine handele, die sich, je nach Belieben der Entscheidungsträger, beeinflussen und steuern lässt. Dementsprechend ging man von einer ge- machten Ordnung aus, deren Verhalten eindeutig durch feste Input-/Outputrelationen definiert ist, wobei dem Mitarbeiter die Rolle eines rationalen, passiven, abhängigen und außengesteuerten Men- schen zugewiesen wird (siehe Kapitel 1.3 ff.). Schaut man sich im Gegensatz hierzu die Erkenntnisse von Systemtheorie, Kybernetik und Kon- struktivismus an, so ist festzustellen, dass es sich bei der Betrachtung eines Unternehmens als tri- viale Maschine (siehe Kapitel 1.3.1 f.) nicht nur um eine unzulässige Vereinfachung komplexer Sachverhalte handelt, sondern dass diese Sicht der Dinge schlichtweg auf falschen Annahmen be- ruht und somit als unhaltbar angesehen werden muss. Dies im Einzelnen aufzuzeigen, ist Inhalt der kommenden Abschnitte. 104 2.4.1 Der Verdienst der Systemtheorie bezüglich der Erkenntnis über die Funktionsweise von sozialen Systemen Dem Systemdenken als einem Denken in Wirkungszusammenhängen und -prozessen313 und der Systemtheorie in besonderer Weise ist zu verdanken, dass Erfahrungen aus verschiedenen Berei- chen zusammengeführt werden konnten. Auf diese Weise wurden Erkenntnisse, die ursprünglich im Zusammenhang mit der Entwicklung biologischer Systeme wie dem Menschen gemacht wurden, erfolgreich auf die Entwicklung sozialer Systeme wie dem Unternehmen übertragen314. Es flossen dabei auch Wissensbestandteile aus der Biologie, der Kybernetik (siehe oben, Kapitel 1.3.1.1) und des Konstruktivismus (Lehre über die Wahrnehmung des Menschen mit der Kernaussage, dass sich keine objektiv bestimmbare Realität abbilden lässt, sondern der Einzelne stets eine subjektive und relative Wirklichkeit erfindet bzw. konstruiert315) mit in die Betrachtung ein. Als Alternative zum Atomismus, Mechanismus oder zur unkontrollierten Spezialisierung geht es der Systemtheorie in erster Linie darum, das Unternehmen als eine Ganzheit zu betrachten, dessen Eigenschaften und Beziehungen von Interesse sind316. Im Sinne von Kastner ist hierbei die Betrach- tung des Zusammenspiels von durch ihre Einzelfunktionen beschriebenen Elementen untereinander sowie ihrer Umwelt von Bedeutung317. Des Weiteren beschäftigt sich die Systemtheorie damit, wie Gruppen von Elementen in Organisati- onen strukturiert sind, sich weiterentwickeln und wie sie in Bezug auf ihre Umwelt funktionieren318. Vor diesem Hintergrund gilt es im Folgenden herauszuarbeiten, dass das Bild eines Unternehmens als mechanisches System sowie den damit verbundenen Zusammenhängen (vgl. oben) unwiderruf- lich der Vergangenheit angehört. 2.4.2 Die Organisation und Funktionsweise eines Unternehmens vor systemischem Hinter- grund Betrachtet man zunächst die konstitutiven Bestandteile eines Unternehmens bzw. einer Organisati- on, so sind dies Menschen, die miteinander interagieren. Das bedeutet, dass es die Mitarbeiter der Organisation mit ihren Relationen zu anderen Individuen sind, die die Struktur bilden und die funk- tionale Organisation verwirklichen319. Die Konstruktionsweise (Poiese) eines Unternehmens ist allopoietisch, d.h., ein Unternehmen kann, im Gegensatz zum Menschen, seine Bestandteile (Strukturen, Prozesse, Systeme etc.) nicht selbst herstellen (Autopoiese320), sondern ist diesbezüglich auf die Konstruktionsleistung (Planung, Kon- struktion und Erfindung) seiner Mitarbeiter angewiesen321. 313 vgl. Dörner (1983), S.73 314 (siehe hierzu Rüegg (1989), S. 43 f. sowie zur Vertiefung Foerster (1987), Piaget (1950), Bateson (1982), Ulrich/Probst (1988) 315 vgl. Kastner (1993a), S. 2 316 vgl. Sprüngli (1981), S. 38 f. 317 vgl. Kastner (1990), S. 70 318 vgl. Sprüngli (1981), S. 46 319 vgl. Giesler (1996a), S. 7 320 Der Mensch als biologisches System kann zirkulär jene Komponenten produzieren, aus denen er besteht. Es handelt sich also um ein System, dass sich über die Herstellung seiner Bestandteile selbst herstellt und erhält vgl. Roth (1994), S. 258 ff. 321 vgl. Kastner/Widmann (1991), S. 27 105 Das zentrale Organisationsprinzip, also der Ablauf von Beziehungen zwischen den Systemelemen- ten eines Unternehmens, ist nicht die Selbstreferenz wie beim Menschen322, dies wäre nur der Fall, wenn es sich um ein Einpersonen-Unternehmen handeln würde, sondern die Synreferenz323. Im Sinne der Systemtheorie wird Synreferenz als die Organisation von Zuständen auf einer emer- genten Ebene bezeichnet, wobei die Ausprägung eines synreferentiellen Systems von einer selekti- ven Interaktion spezifischer Systemtypen abhängig ist. Das bedeutet, die an der Interaktion beteilig- ten Menschen (Mitarbeiter) müssen durch die Ausbildung parallelisierter Zustände einen konsen- suellen Bereich bzw. gemeinsame Realitätskonstrukte erzeugen und auf ihn bezogen interagieren. Kastner bezeichnet eine solche wechselseitige Annäherung kognitiver Systeme als Hirnstruktur- kopplungsprozesse, wobei durch diese "strukturellen Kopplungsprozesse“ bewusst oder unbewusst die strukturellen Ausprägungen des Unternehmens entstehen324. An dieser Stelle wird die Rolle der Interaktion bzw. der menschlichen Kommunikation augen- scheinlich, denn ohne menschliche Interaktionen entsteht kein synreferentielles Verhalten, keine soziale Konstruktion der Strukturen, keine Unternehmensidentität und somit auch kein sozial- humanes System325. Die strukturellen Ausprägungen sind letztlich das Ergebnis eines Interaktionsprozesses zwischen Menschen bzw. menschlichen Gehirnen, die wiederum auf der Basis spezifischer individueller Deu- tungsmuster (Stichwort Strukturdeterminiertheit und Selbstreferentialität) arbeiten, welche mitein- ander in Einklang zu bringen sind326. Auf Grund dieser Feststellung und dadurch, dass ein Unternehmen nur durch die Gehirne seiner Mitglieder handeln kann, ist es wie der Mensch ebenso operational geschlossen und strukturdeter- miniert, was gleichzeitig zur Folge hat, dass ein Zugang zum Unternehmen (von innen wie von au- ßen) nur durch Beobachtung und Kommunikation erfolgen kann327. Man muss also die Sprache des Systems verstehen und sprechen, um mit ihm in Interaktion treten zu können328. Die operationale Geschlossenheit hat für ein Unternehmen, ähnlich wie beim Menschen, zur Folge, dass nicht die Umwelt oder irgendwelche Ursachen in ihr dafür sorgen, dass ein Unternehmen als soziales System seine Form erhält oder sich verändert, sondern das jeweilige System selbst. Ferner sorgt die operationale Geschlossenheit für eine Abkopplung und Grenzziehung gegenüber der Um- welt. Durch die mit Hilfe von Hirnstrukturkopplungsprozessen geschaffene systeminterne Ausdiffe- 322 Selbstreferenz sagt aus, dass das Verhalten des Menschen individuell von seiner Hirnstruktur abhängig ist, seinem Nervensystem sowie den bis dato eingetrampelten Pfaden. Es handelt sich also um eine kreiskausale Organisation, die dem menschlichen Organismus nur Interaktionen mit seinen eigenen Zuständen erlaubt vgl. Giesler (1996), S. 9. 323 Giesler (1996a), S. 7 324 vgl. Kastner/Widmann (1991), S. 26 ff. 325 vgl. Rüegg (1989), S. 188 326 Hinsichtlich der Funktion des menschlichen Gehirns lässt sich unter Bezugnahme auf Schmidt feststellen, dass "das Gehirn kein umweltoffenes Reflexsystem, sondern ein funktional geschlossenes System ist, das nur seine eigene Sprache versteht und nur mit seinen eigenen Zuständen umgeht (operationale Geschlossenheit). Die Verbindung zur Welt erfolgt über Sinnesrezeptoren, die bereichsspezifisch arbeiten. Diese Rezeptoren werden durch Umwelteinflüs se in ihren elektrischen Eigenschaften verändert, so dass sie elektrische Impulse abgeben können; d.h., sie übersetzen Ereignisse, die dem Nervensystem als einem geschlossenen System unzugänglich sind, in dessen Sprache", vgl. Schmidt (1994), S. 14. Das Nervensystem ist indes wie ein geschlossenes Netzwerk interagierender Neuronen organisiert, in dem jeder Zustand relativer neuronaler Aktivität in einer geschlossenen Weise zu einem anderen Zustand relativer neuronaler Aktivität führt, vgl. Maturana (1994a), S. 98. So gesehen wird das Nervensystem zwar von seiner Umwelt beeinflus- st und diese Perturbationen lösen Zustandsänderungen in der Struktur eines Systems aus, verursachen diese aber nicht, vgl. Hejl (1994), S. 308. Die Zustandsänderung der Struktur des Nervensystems wird von dieser Struktur selber determiniert, vgl. Giesler (1996), S. 9. 327 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 21 328 vgl. Malik (1989), S. 382 106 renzierung (die strukturellen Ausprägungen) sowie durch rekursive Vernetzungen der eigenen Ope- rationen kann dabei eine nach außen hin durchsetzungsfähige eigene Realität geschaffen werden329. Darüber hinaus ist die eigene Realität, also die Abschottung des Systems von seiner Umwelt, nach Luhmann deshalb so wichtig, um eine spezifische innere Dynamik sowie eine kreative Ausdifferen- zierung eines Unternehmens erst zu ermöglichen330. Wie beim Menschen bzw. dessen Gehirn, er- möglicht die operationale Geschlossenheit dem Unternehmen, sprich seinen Mitarbeitern, in glei- cher Weise, losgelöst von den unmittelbaren Überlebensaufgaben, zu reflektieren, zu planen und Handlungsprogramme zu entwerfen. In diesem Zusammenhang ist weiter anzumerken, dass es dem Unternehmen durch die strukturellen Kopplungsprozesse seiner Mitarbeiter ermöglicht wird, seine Umwelt im Großen und Ganzen zu ignorieren. Es verhält sich also gegenüber den allermeisten Ereignissen indifferent und nimmt nur ganz bestimmte Irritationen auf, eben nur jene, die durch die systemspezifischen Öffnungen deter- miniert sind331. Hierbei wird beispielsweise der von außen kommende Input sinnstiftend, gemäß der strukturellen Determiniertheit, interpretiert332. Die erwähnte Abschottung eines Unternehmens von seiner Umwelt bedeutet jetzt allerdings nicht, dass es nicht dennoch offen gegenüber der Umwelt ist. In diesem Zusammenhang betont Luhmann, dass kein System ohne eine Umwelt existieren kann, von der es gehalten wird. Anders ausgedrückt, abgeschottete Systeme sind gegenüber ihrer Umwelt offen, d.h., es erfolgt eine stetige Informati- onsaufnahme und -verarbeitung durch das System333, wobei die Umwelt jedoch nicht determiniert, was im System passiert334. Hieraus lässt sich schließen, dass soziale Systeme letztlich nur als Fließ- gleichgewichte bestehen können, also abhängig davon sind, dass Energie oder Materie von außen zufließen. Dabei sind sie stets der Gefahr ausgesetzt zu zerfallen, wenn sie die Umwelt nicht mehr hält. Zum Beispiel bricht die Wirtschaft bzw. brechen die Unternehmen zusammen, wenn nicht ständig Zahlungen neue Zahlungen ermöglichen. Des Weiteren ist die Stabilität eines solchen offenen Systems durch das Prinzip der Äquifinalität gekennzeichnet. Das bedeutet, im Gegensatz zum Gleichgewicht in geschlossenen Systemen, die durch ihre Anfangszustände determiniert sind, können offene Systeme einen von Zeit- und Aus- gangssituation unabhängigen Zustand einnehmen, der nur durch die Parameter des Systems bedingt ist335. Oder wie Malik es ausdrückt, ein Unternehmen ist als äquifinal zu bezeichnen, weil die Ziel- erreichung weder durch den Anfangszustand noch durch die Ausgangsbedingungen determiniert ist, sondern durch die Natur der Prozesse336. 2.4.3 Die Ausprägung des organisatorischen Verhaltens im Unternehmen Im Hinblick auf die Referenz eines Unternehmens, als Zustandsfolge dessen, was Organisation und Struktur erlauben, ist festzustellen, dass die Organisation als zweckorientiertes, soziales System nicht nur aus einem bestimmten Verhaltensrepertoire sein konkretes Verhalten auswählen kann, sondern auch in der Lage ist, sein Verhaltenspotenzial zu erhöhen bzw. zu vermindern. Eine weitere bedeutende Fähigkeit liegt darin, dass ein Unternehmen die zu verfolgenden Ziele nach eigenen 329 vgl. Wimmer (1992), S. 66 f. 330 vgl. Wehowsky (1990), S. 158 331 vgl. Wimmer (1992), S. 69 332 vgl. Giesler (1996), S. 16 333 vgl. Sprüngli (1981), S. 304 334 vgl. Wehowsky (1990), S. 158 335 vgl. Wahren (1987), S. 122 336 vgl. Malik (1989), S. 485 107 Zwecken festlegen kann, wobei der Zweck eines sozialen Systems in der Entwicklung seiner Mög- lichkeiten zu sehen ist337. Im Rahmen dieses Prozesses zeichnen sich soziale Systeme durch die Fähigkeit aus, willentlich neue Eigenschaften zu generieren und zu integrieren, was auch zu Veränderungen in der Natur der Elemente und Beziehungen führt. Ermöglicht wird dies dadurch, dass das Verhalten eines Unter- nehmens an die Gehirne seiner Mitarbeiter und damit deren biologischer Funktionsweise gebunden ist (vgl. oben). Eine wichtige Konsequenz dieser Funktionsweise ist, dass das Unternehmen als nicht-triviale Ma- schine nicht nur auf Inputs, sondern auch auf interne Zustandsänderungen reagiert. Innerhalb dieses Prozesses beeinflussen die internen Zustände als Quelle der Geschichte sich selbst, wirken auf sich selbst zurück und erhalten so eine Art Eigenleben. Somit kann das Verhalten weder aus dem Input noch aus den internen Zuständen abgeleitet werden, sondern ist ein Produkt aus beiden. Daher gilt auch für soziale Systeme, dass sie auf dieselben Stimuli nicht unbedingt dieselben Antworten zu einem späteren Zeitpunkt an den Tag legen, wodurch gleichzeitig Unvollständigkeit, Unberechen- barkeit und Unbestimmtheit bezüglich des Verhaltens einhergehen338. Ferner ist ein Unternehmen in der Lage, sich mittels verschiedener Zustände nicht nur passiv an Umweltveränderungen anzupassen, sondern auch selbst aktiv gestaltend in diese Umwelt einzugrei- fen. Auf Grund dieser Aussagen wird bereits deutlich, dass es sich bei einem Unternehmen keines- falls um ein statisches, am Status quo orientiertes System handelt. Im Gegenteil, es geht um ein ex- trem dynamisches System, dessen Teile nicht in einer übersichtlichen, stabilen Hierarchie, sondern stochastisch angeordnet sind. Ein solches dynamisches System trägt zusätzlich das Potenzial in sich, auf lokale Veränderungen opportunistisch oder strategisch zu reagieren339. Diese Feststellungen stehen im Übrigen ganz im Gegensatz zu einem mechanischen System, wel- ches nicht aktiv gestaltend in seine Umwelt eingreifen kann, und wo das Verhalten des Gesamtsys- tems wie bei einer Maschine durch das Verhalten der Systemelemente eindeutig definiert ist340. Aus Gesagtem geht darüber hinaus hervor, dass ein Unternehmen als "Nicht-triviale-Maschine" nur der eigenen Stimme gehorcht, nur der eigenen Melodie folgt und bei all ihren Aktionen auf Voran- gegangenes, nämlich seine Geschichte, zurückgreift341. Anders ausgedrückt, die Organisation eines Unternehmens ist konservativ und wiederholt nur das, was funktioniert342. Weiterhin organisiert das Unternehmen als soziales System, im Unterschied zu selbstreferentiellen Systemen, nicht alle Zustände ihrer Komponenten selber. Auf diese Weise wird nicht die jeweilige systemrelative Realität, die den Komponentenindividuen zugänglich ist, als einzige Realität festge- legt, sondern es existieren viele unterschiedliche Realitäten und Zustände, die in unterschiedlicher Weise zum Tragen kommen können343. Zusammen mit diesen verschiedenen Realitäten, die potenziell einen Einfluss auf ein Unternehmen ausüben, existieren gleichzeitig die unterschiedlichsten Ziele und Zwecke, die die Mitarbeiter an das Unternehmen zwecks ihrer Erfüllung herantragen. Auf Grund dieser Tatsache und der beschrie- benen Funktionsweise eines Unternehmens ist dieses zweckorientierte System darüber hinaus in der Lage, seine Ziele zu ändern, diese auf verschiedenste Art und Weise zu erreichen sowie neue Ei- genschaften zu erfinden, etwas zu erschaffen und zu integrieren344. 337 vgl. Probst (1987), S. 50 338 vgl. Probst (1987), S. 77 f. 339 vgl. Sprüngli (1981), S. 94 f. 340 vgl. Dyllick (1982), S. 342 341 vgl. Wimmer (1992), S. 70 342 vgl. Schmidt (1994), S. 23 343 vgl. Hejl (1994), S. 326 344 vgl. Probst (1987), S. 42 108 Mit Bezug auf die Organisation der unternehmenseigenen Referenzen ist zu sagen, dass sie bewusst als Ergebnis konsensueller Interaktionsprozesse der Mitarbeiter erfolgt. Hierdurch entsteht aus dem Zusammenspiel von Struktur und Verhalten so etwas wie eine bewusste Ordnung oder Regelmä- ßigkeit. Dies hat einerseits zur Folge, dass Freiheit eingeschränkt wird, indem zumindest teilweise Willkür, Zufall und bestimmte Verhaltensweisen ausgeschlossen werden. Andererseits stellt eine solche Ordnung aber auch einen Gegenpol zum Chaos dar, das jede Regelmäßigkeit vermissen lässt. Diesbezüglich meint Dyllick, dass eine bewusste Reduzierung der Verhaltensvarietät eines Unter- nehmens, die ja prinzipiell unendlich ist, grundsätzlich notwendig ist, um Chaos und Anarchie zu vermeiden. Allerdings muss auch dafür gesorgt werden, Varietät im System neu zu generieren, und zwar, um die Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen bzw. zur Vor- beugung einer totalen Erstarrung des Systems infolge einer vollkommenen Ordnung345. Aus den bisherigen Aussagen geht als zentrale Feststellung hervor, dass es sich bei einem Unter- nehmen um ein komplexes soziales System handelt, das theoretisch unendlich viele Zustände an- nehmen kann, die ihrerseits durch bewusstes Handeln aber auch durch unbewusst ablaufende Ei- gendynamiken geprägt werden. Infolgedessen ist ein Unternehmen nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst weit gehend unzugänglich, es besitzt also ein weder von außen noch von innen beobachtbares oder messbares Innenleben346. Ferner kann man diesbezüglich auch von einer emergenten Ordnung sprechen, welche nicht mehr aus der bloßen Aggregation seiner Teile oder der summierten Eigenschaften der Teile erklärbar ist347. Aus diesen Feststellungen folgt nahezu zwingend, dass soziale Systeme komplexen (nicht-trivialen) Maschinen gleichen, die auch durch noch so genial durchdachte und konzipierte Einzelhandlungen weder vollständig gestaltet noch gelenkt werden können348. Der Zustand und das Verhalten eines solchen Systems ist zu jedem Zeitpunkt das Resultat multipler interaktiver Wahrnehmungen, Erfah- rungen, Pläne, Handlungen und Entscheidungen, die zudem nur teilweise durchdacht und bewusst, sondern häufig unvollständig und unbekannt sind (wegen der Eigendynamiken). Daher ist es einem Unternehmen oder besser gesagt seinen Mitarbeitern auch möglich, im systemtheoretischen Sinne kontingent zu handeln, d.h., unerwartet, nicht vorhersehbar und überraschend349. 2.4.4 Erkenntnis und Wahrnehmung im Unternehmen Die strukturelle Kopplung verschiedener Gehirne gilt als Grundlage bewusster Gestaltung organisa- tionaler Zustände, wodurch im Grunde die Organisationswirklichkeit geschaffen bzw. konstruiert wird350. Dieser Auffassung folgt auch Weick, der anmerkt, dass sich die Mitglieder eines sozialen Systems ihre eigene Organisationswirklichkeit schaffen, an der sie sich orientieren und die sich durch kon- sensuelle Validierung stabilisiert. Dabei ist der von außen an das Unternehmen herangetragene In- put nicht objektiv gegeben, sondern wird durch die Wahrnehmung der Organisationsmitglieder in- terpretiert. Das heißt, die Wahrnehmung des Unternehmens entscheidet letztendlich, welche Informationen aus der Umwelt verarbeitet werden und inwieweit überhaupt eine Veränderung im 345 vgl. Dyllick (1982), S. 343 346 vgl. Stetter (1994), S. 7 347 vgl. Rüegg (1989), S. 118 348 vgl. Dyllick (1982), S. 343 349 vgl. Kastner (1990), S. 113 350 vgl. Probst (1987), S. 71 109 mationen aus der Umwelt verarbeitet werden und inwieweit überhaupt eine Veränderung im System stattfindet351 (das Unternehmen als operational geschlossenes, strukturdeterminiertes System). Somit ist die Umwelt eines Unternehmens, genau wie beim Menschen, etwas subjektiv Geschaffe- nes, also ein gefilterter und selektierter Ausschnitt der ganzen Realität. Anders ausgedrückt, durch die internen strukturellen Kopplungen wird das konstruiert, was man als Umwelt zu erkennen glaubt, daher bezeichnet wiederum Weick die Umwelt als "enacted", durch die eigenen Hirnkopp- lungsprozesse geschaffen352. Aus diesen beschriebenen Aspekten geht hervor, dass ein humanes soziales System nicht nur ver- schiedene Ziele verfolgt, sondern auch eine ganze Reihe von Wirklichkeiten verkörpert, die indivi- duell und sozial konstruiert sind. Diese verändern sich mit den Erwartungen, Wahrnehmungen, Auffassungen und Wertstrukturen der Organisationsmitglieder. Es lässt sich somit nach Probst (der sich teilweise auf Luhmann bezieht) feststellen, „dass sich zwi- schen die Umwelt und das Handeln des Systems eine sekundäre Umwelt schiebt, die auf Grund der Wahrnehmungen und Werthaltungen der einzelnen Systemmitglieder, und auf der Kollektivebene aufgrund der gemeinsamen Systemkultur, konstruiert und sprachlich, handelnd und artefaktisch vermittelt wird. Damit werden soziale Systeme (nach Luhmann) zu Sinnsystemen, die durch sinn- haft aufeinander bezogene Handlungen, durch Kognitionen, Werte und Normen zusammengehalten werden"353. Ferner besteht die Struktur sozialer Systeme, abgesehen von materiellen Gestaltungsergebnissen, aus konstruierten und symbolisch vermittelten Sinnstrukturen, die im Unternehmen gebräuchliche Denk-, Sprach- und Interpretationsschemata (verbindlich) festlegen und somit die laufende Verar- beitung von Ereignissen und das Handeln im System lenken. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass Unternehmen kein Selbst im Sinne von Bewusstsein haben, jedoch eine kollektive, gemeinsam geteilte Vorstellung der Institution wachsen kann, welche auf einer institutionsspezifischen Konstruktion der Wirklichkeit beruht. Dieses manifestiert sich in ei- nem kulturellen Kontext, verschiedenen Paradigmen und Interpretationsschemata354. Letztere sind es im Übrigen, die entscheidend für die Strategiegenerierung verantwortlich sind, wel- che auf der Basis der Geschichtsinterpretation sowie anschlussfähig an bestehende Glaubenssche- mata formuliert werden355. 2.4.5 Die Entwicklung eines Unternehmens auf systemisch-kybernetischer Basis Ein humanes, soziales System kann aufgrund seiner operationalen Geschlossenheit und Strukturde- terminiertheit nicht gestaltet, sondern nur unterstützt und gefördert werden (vgl. oben). Weiterhin zeichnen sich solche Systeme durch eine selbst generierte Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit aus und sind gleichzeitig in der Lage, über ihre eigene Entwicklung nachzudenken, sie zu werten und in Frage zu stellen. Hierbei kommt ihnen zugute, dass sie über die Fähigkeit verfügen, neue Eigenschaften, sprich Verhaltenspotenziale zu generieren bzw. abzubauen. Sie können in die Zu- kunft schauen, Ziele formulieren, ihren Erwerb planen und Entscheidungen treffen. Dieses führt wiederum zu Veränderungen in der Natur der Komponenten und der Beziehungen zueinander, also der Struktur356. 351 vgl. Giesler (1996), S. 15 f. 352 vgl. Giesler (1996), S. 16 353 vgl. Probst (1987), S. 50 (hervorgehoben im Original) 354 vgl. Rüegg (1989), S. 186 355 vgl. Stetter (1994), S. 225 356 vgl. Kastner/Widmann (1991), S. 26 110 Hieraus wird nochmals deutlich, dass ein soziales System, wie das Unternehmen, sich nach eigenen, schwer zu beeinflussenden Gesetzen entwickelt. Hierdurch ist es gegen umfassend geplante Verän- derungen nahezu immun357. Ähnlich wie beim Menschen, spielt ferner auch bei Unternehmen das Prinzip der Selbstorganisation eine tragende Rolle. Das heißt, ein Unternehmen entwickelt, erhält und verändert sich weniger durch rationale Planung und Beschlüsse, sondern durch Evolution. Diese wird durch selbstorganisa- torische Prozesse, die teilweise unbewusst verlaufen, gesteuert. Im Rahmen dieser Prozesse funkti- oniert jedes soziale System als Ganzes sowie dessen Teilsysteme nach einer eigenen, internen Ge- setzlichkeit. Die Struktur eines Unternehmens kann als Ergebnis des Zusammenspiels dieser Teile nicht auf ein einfaches Ursache-Wirkungs-Schema zurückgeführt werden, sondern sie ist das Resul- tat eines dynamischen, sich in Raum und Zeit veränderten Netzwerksystems, in dem jeder Teil auf das Ganze zurückwirkt358. Innerhalb dieses sich ständig weiterentwickelnden Netzwerksystems erscheinen die sozialen Ko- operationsphänomene, wie z.B. strukturelle Hirnkopplungsprozesse auf Basis der spontanen Asso- ziationsfähigkeit der Gehirne, als Aspekt einer Selbstorganisationsdynamik, die das Leben und die Evolution kennzeichnet. Die Entwicklung und Entstehung von sozialen Systemen wie dem Unter- nehmen ist somit untrennbar mit kooperativen Prozessen verbunden, die ihrerseits zu einer Selbst- organisation dieser Systeme führen359. Diesbezüglich versteht es sich fast von selbst, dass Entwicklungsprozesse nur durch das System und im System, sprich durch die Mitarbeiter, initiiert werden können. Hierzu liefert die Umwelt wichti- ge Impulse (das System ist also materiell-energetisch offen), die aber wegen der operationalen Ge- schlossenheit und der Strukturdeterminiertheit des Unternehmens nicht notwendigerweise Entwick- lung zur Folge haben. Das Unternehmen ist somit durch externe Ereignisse modellierbar bzw. per- turbierbar, aber nicht steuerbar360. Welche Impulse indes verarbeitet werden, ergibt sich allein aus der inneren Dynamik des Systems, die ihrerseits eine Folge von Selbstorganisationsprozessen ist. Mit anderen Worten, Entwicklung vollzieht sich in sozialen Systemen immer durch Individuen, wobei Entwicklung im Kern immer Selbstentwicklung ist, die durch Interaktion von Individuen (Stichwort Hirnstrukturkopplungsprozesse) entsteht361. Die durch die Mitarbeiter beeinflusste Entwicklung des Unternehmens ist natürlich nicht unbe- grenzt beeinflussbar, sondern es sind immer auch nicht steuerbare, eigen-evolutorische Kräfte am Werk. Unternehmen können somit als weit gehend sich selbst ändernde, selbst evolvierende und selbst organisierende Systeme bezeichnet werden, die in einem wesentlich geringeren Ausmaß als vielfach angenommen dem steuernden und gestaltenden Einfluss der Unternehmensführung unter- worfen sind362. Die Entwicklung eines Unternehmens ist des Weiteren insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass das Zusammenspiel der selbstorganisatorischen Prozesse im Unternehmen zu einer offenen Evolu- tion der Strukturen führt. Damit unterscheidet sich ein Unternehmen deutlich von der Funktions- weise einer Maschine, bei der eine vorgegebene Struktur in hohem Maße die Prozesse bestimmt, die in ihr ablaufen, und somit ihre Evolution verhindert. Evolution wird hier im Sinne von Sprüngli als Ordnung von Prozessen verstanden, als Entfaltung einer allem Leben zu Grunde liegenden Selbstorganisationsdynamik, wobei die sich entfaltenden Prozesse ihre eigenen inhärenten Normen und Gesetze entwickeln363. Kirch wiederum betrachtet 357 vgl. Wehowsky (1990), S. 152 358 vgl. Knizia (1992), S. 120 f. 359 vgl. Sprüngli (1981), S. 176 360 vgl. Schmidt (1994), S. 23 361 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 48 f. 362 vgl. Pümpin (1991), S. 23, Dyllick (1982), S. 339 363 vgl. Sprüngli (1981), S. 74 f. 111 das Unternehmen als ein evolvierendes bzw. evolutionsfähiges System, welches sich in eine prinzi- piell offene Zukunft hineinbewegt. Er fügt hinzu, dass das Unternehmen seine Evolution zwar nicht beliebig (durch seine Mitarbeiter) gestalten kann, jedoch fähig ist, aktiv bahnend auf sie Einfluss zu nehmen364. Sieht man sich diese evolutionäre Entwicklung eines Unternehmens in eine offene Zukunft etwas genauer an, fallen zwei wichtige Konsequenzen ins Auge: Auf der einen Seite impliziert eine prinzipiell offene Zukunft, dass zukünftige Gegebenheiten weder umfassend prognostizierbar noch kontrollierbar sind. Dies hängt mit der dargelegten Funktionswei- se eines Unternehmens zusammen sowie damit, dass stochastischen Prozessen in der Umwelt des Unternehmens eine wichtige Bedeutung zukommt365. Daraus resultieren immer wieder Situationen, die mit den einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Prognoseinstrumenten nicht erfasst wer- den können366 oder wie Knizia es ausdrückt: "In fundamental komplexen Systemen (wie dem Unternehmen und seiner Umwelt, Anmerkung fw) versagt die Prognose nicht nur praktisch, sondern grundsätzlich, da sie trotz deterministischer Aus- gangsbedingungen indeterministische oder chaotische Lösungen haben"367. Auf der anderen Seite hat die offene Zukunft zur Folge, dass es keinen ein für allemal fixierten End- zustand des "Systems Unternehmen" gibt, sondern dieses unter dem Einfluss der internen Wech- selwirkungen und Rückkopplungen seine (Anfangs-) Bedingungen fortwährend selbst weiterentwi- ckelt. Entwicklung auf kollektiver Ebene meint dabei letztlich eine Veränderung der Fähigkeiten und des Potenzials des Systems (siehe auch im Weiteren Kapitel 3.1.3.1 und 3.2.3.1). Demzufolge handelt es sich bei einem Unternehmen um eine dynamische, instabile und partiell of- fene Ordnung. Diese Ordnung interagiert permanent mit ihrer jeweiligen Umgebung und befindet sich deshalb in Ungleichgewichtszuständen bzw. wird durch die dauernde Erneuerung dieser Un- gleichbedingungen aufrechterhalten368. Jantsch bezeichnet solche Ungleichgewichtssysteme, die durch einen hohen Grad an Energie- und Materieaustausch mit ihrer Umwelt charakterisiert sind, als dissipative Strukturen369. Anders ausgedrückt, ein Unternehmen ist ein selbsttranszendentes System, welches sich durch die Fähigkeit auszeichnet, sich selbst repräsentieren und transformieren zu können. Durch diese Form qualitativen Wandels wird Evolution ermöglicht und deren Kontinuität gesichert. Die Evolution sorgt aber gleichzeitig dafür, das Unternehmen zu erhalten. Aus diesem Grund fallen für selbst- transzendierende Systeme auch Sein und Werden zusammen. Betrachtet man die Entwicklung eines Unternehmens vor diesem Hintergrund, so ist es völlig unzu- reichend, dieses allein unter den Gesichtspunkten des Überlebens, der Anpassung oder der Homö- ostase zu analysieren (vgl. Kapitel 1.3.1.1). Im Gegenteil, Entwicklung in diesem Zusammenhang ist eng geknüpft an die Freude, schöpferisch zu wirken, Risiko und Gewinn auszuschöpfen, sich von anderen Unternehmen zu differenzieren und neue Beziehungen auf vielen Ebenen zu knüpfen sowie ganzheitliche Zusammenhänge zu erkennen. Hierbei geht es dementsprechend um Belohnung und Verstärkung in Gang gesetzter Veränderungsprozesse, welche als Wandel bzw. Kybernetik zweiter Ordnung bezeichnet werden können370. Letztere ist es, die in erster Linie die Kohärenz des Systems durch die Veränderung seiner Strukturen sichert. Dies geschieht durch qualitative Verände- 364 vgl. Strasser 139, Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 30 365 vgl. Strasser (1991), S. 139 366 vgl. Stetter (1994), S. 16 367 vgl. Knizia (1992), S. 122 (hervorgehoben im Original) 368 vgl. Sprüngli (1981), S. 226 f. 369 vgl. Sprüngli (1981), S. 96 f. 370 vgl. Sprüngli (1981), S. 102 112 rungen, die im Gegensatz zu einem "mehr oder weniger desselben" im Falle eines Wandels erster Ordnung stehen. Dabei ist das Unternehmen bzw. sind dessen Mitarbeiter im Rahmen dieses evolu- tionären Stromes gleichzeitig Akteur und Getragener371. 2.4.6 Das Unternehmen als evolvierendes System und daraus folgende Konsequenzen für das Management Bringt man die oben analysierten Ergebnisse auf einen Nenner, so handelt es sich bei einem Unter- nehmen mitnichten um eine triviale Maschine, die auf der Basis eines mechanisch-technizistischen bzw. linearen Denkens (vgl. oben) beruht. Vielmehr verhält sich ein solches soziales System dyna- misch, evolvierend und steht in regem Austausch mit seiner Umwelt. Dieses System ist nach Foerster analytisch weder vorhersehbar noch bestimmbar, von seiner Vergangenheit abhängig so- wie synthetisch deterministisch372. Betrachtet man die Eigenschaften eines solchen evolvierenden Systems, so zeichnen sich jene im Sinne von Bierfelder u.a. durch Selbstorganisationsdynamik, Selbsterneuerung, Gleichgewichtsfer- ne, kohärentes Verhalten, Individualität sowie Kommunikation mit der Umwelt aus373. Einen guten Überblick, worin sich strukturbewahrende und evolvierende Systeme unterscheiden, liefert Jantsch, wie aus folgender Tabelle hervorgeht374: Kennzeichnender Systemaspekt Strukturbewahrende Systeme Evolvierende Sys- teme Gesamtsystem- dynamik statisch (keine Dynamik) konservative Selbstorganisation dissipative Selbstorganisation (Evolution) Struktur Gleichgewichts- struktur, permanent Devolution auf Gleichgewichts- zustand hin dissipativ (fern vom Gleich- gewicht) Funktion keine Funktion oder Allopoiese Bezug auf Gleich- gewichtszustand Autopoiese (Selbstbezug) Organisation statische Schwan- kungen in reversiblen Prozessen irreversible Prozesse in Richtung Gleich- gewichtszustand zyklisch Hyperzyklus (irreversible Dreh- richtung) Interner Zustand Gleichgewicht nahe Gleichgewicht Ungleichgewicht Umweltbedingungen abgeschlossen oder offen, Wachstum möglich offen (ständiger, aus- gewogener Aus- tausch) Abb. 33: Der Unterschied zwischen strukturbewahrenden und evolvierenden Systemen 371 vgl. Rüegg (1989), S. 117 372 vgl. Foerster (1984), S. 8 ff. 373 vgl. Bierfelder (1991), S. 188 374 entnommen aus Jantsch (1979), S. 65 f. 113 Geht man abschließend noch auf die einzelnen Managementfunktionen aus systemisch-konstruk- tivistischer Sicht ein, so bietet Giesler anhand folgender Tabelle einen guten Überblick375: Funktionen des Managements aus systemisch-konstruktivistischer Sicht 1. Planen Die Kräfte zur permanenten Anpassung auf ein Ziel hin aktivieren 2. Entscheiden Handlungsalternativen von den Ausführenden entwickeln und auswählen lassen 3. Anordnen Maßnahmen konsensuell beschließen lassen 4. Kontrollieren Zusätzliche Selbstkontrolle durch Feedback im Prozess ermöglichen 5. Organisieren Sich selbst organisierende Prozesse zielorien- tiert perturbieren 6. Staffing Personen die für sie passenden Aufgaben fin- den lassen Abb. 34: Die Funktionen des Managements aus systemischer Sicht Dementsprechend geht es bei dem auf einem Systemdenken basierenden Management in Abkehr von dem erwähnten Konstrukteursdenken in erster Linie um376: Ɣ Die Gestaltung und Lenkung ganzer Institutionen Ɣ Die Führung vieler Ɣ Die Aufgabe vieler Ɣ Ein indirektes Einwirken Ɣ Die Ausrichtung auf Steuerbarkeit Ɣ Das Ziel der Lebensfähigkeits-Maximierung Bei genauerer Betrachtung der beiden obigen Aufzählungen fällt des Weiteren ins Auge, dass auf der Basis des Unternehmens als sozialem System auch ein völlig anderes Menschenbild zum Tra- gen kommt als es noch im Industriezeitalter der Fall gewesen ist. Hier galt der Mensch als rational denkender homo-oeconomicus, der im Grunde gegen Arbeit eingestellt ist (Theorie X von McGre- gor). Infolgedessen musste ihn das Unternehmen durch genaue Arbeitsanweisungen und umfassen- de Kontrolle erst zur korrekten Arbeitsausführung "zwingen" (siehe hierzu Kapitel 1.1.2 und 1.3.1). Diese Vorstellungen haben sich grundlegend gewandelt. Neben den bereits in Kapitel 2.3.3 f. erwähnten Zusammenhängen ist zusätzlich anzumerken, dass einerseits zunehmend das Menschenbild des "self-actualizing man" an Bedeutung gewinnt. Dieser strebt nach Autonomie, bevorzugt Selbst-Motivation und Selbst-Kontrolle. Im Gegensatz zum In- dustriezeitalter gibt es dabei keinen zwangsläufigen Konflikt zwischen der Selbstverwirklichung und dem Zielerreichungsgrad der Organisation. Hierbei rückt die Theorie Y von McGregor in den Mittelpunkt der Betrachtung. Nach dieser hat der Mensch keine natürliche Abneigung gegen Arbeit, sondern sieht in ihr bisweilen eine Quelle von Selbstbestätigung und Zufriedenheit. Weiterhin wird die Zielidentifikation zwischen Mensch und Organisation als möglich angenommen, was dazu führt, dass auf umfassende externe Kontrolle zu Gunsten von Selbstkontrolle und eigener Initiative verzichtet werden kann. Schließlich ist davon auszugehen, dass der Mensch durchaus nach der Ü- 375 verändert entnommen aus Giesler (1996), S. 30 376 vgl. Malik (1989), S. 49 114 bernahme von Verantwortung strebt und Kreativität und Einfallsreichtum zu den Grundbestandtei- len des menschlichen Wesens zu zählen sind377. Darüber hinaus hat Schein das Menschenbild des "complex man" entwickelt. Dieser ist äußerst wandlungsfähig, was auch für die Dringlichkeit der Bedürfnisse zutrifft. Ferner ist der Mensch lern- fähig und wechselt seine Motive in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation. Für den Manager bzw. Vorgesetzten bedeutet dies nach Schein, dass er eher in die Rolle des Unterstützers und Förde- rers statt Motivierers und Kontrolleurs schlüpfen muss. Eng damit verbunden ist die Delegation von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung, was zu mehr Mitbestimmung des Einzelnen am Ar- beitsplatz führt. Schließlich ist der Manager als Situationsdiagnostiker gefragt, der sein Verhalten gemäß der vorlie- genden Situation variieren kann378. In diesem Zusammenhang stellt Sprenger fest, dass in einer wertrelativen, sich stark differenzieren- den Gesellschaft völlig unterschiedliche Anreizmechanismen das Verhalten der Menschen steuern (Wandel und unterschiedliche Dringlichkeit der Bedürfnisse beim "complex man). Dieses hängt mit der insbesondere für Unternehmen unangenehmen Vorstellung zusammen, es mit einer unbeein- flussbaren, sprunghaften und eigenständigen Motivation des Mitarbeiters zu tun zu haben, welche sich dem Einfluss der Führungskraft und damit aller Kalkulierbarkeit zu entziehen scheint379. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass Mitarbeiter, die nach mehr Freiheit und Verantwortung streben, als ganze Personen angenommen, ernst genommen, einbezogen und anerkannt werden wol- len. Sie sind zudem auch eigenwilliger, fordernder und kritikfreudiger gegenüber dem Unternehmen und nehmen nicht mehr unwidersprochen alles und jedes hin. Eng mit dieser Feststellung verbunden ist die Erkenntnis, dass sowohl Normen und Regeln als auch Autoritäten weit weniger direkt und ungefragt akzeptiert werden als dies früher der Fall war. Ferner spielen Fragen nach dem Sinn bezüglich der eigenen Arbeit eine immer größere Rolle380. Meier/Mettler schließlich sprechen von einem kognitiv-evolutionärem Menschenbild und bezeich- nen den Menschen (im Gegensatz zum homo-oeconomicus) als kognitiven, sozialen Akteur. Dieser Akteur ist Mitglied verschiedener sozialer Organisationen, wobei die jeweiligen Verhaltensgrundla- gen durch individuelle, sozial beeinflusste kognitive Strukturen gebildet werden381. Nach dieser Auseinandersetzung mit den wichtigsten psychologischen Gesichtspunkten bei der Entwicklung von Unternehmen steht im folgenden Abschnitt erneut die Wertschöpfung in der In- formationsgesellschaft im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei wird im Anschluss an die oben ana- lysierten internen Stellgrößen wie Organisation, Prozesse und Mitarbeiter (siehe Kapitel 2.3 ff.) diesmal der Fokus auf die unternehmensexternen, von außen auf die Unternehmen einwirkende Gegebenheiten gelegt. 377 vgl. Bleicher (1994), S. 68 ff. 378 vgl. Bleicher (1994), S. 72 379 vgl. Sprenger (1994) 89 f. 380 vgl. Kastner (1990), S. 36 381 siehe Meier/Mettler (1988), entnommen aus Gerken (1991), S. 213 115 2.5 Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft: Analyse der veränderten Marktbedingungen und die damit verbundenen unternehmerischen He- rausforderungen In Bezug auf die im Informationszeitalter veränderten unternehmensexternen Gegebenheiten wer- den zunächst die Marktbedingungen bzw. Marktstrukturen einer genaueren Analyse unterzogen. Dabei ist die Wettbewerbssituation genauso Gegenstand der Betrachtung wie die Folgen der Globa- lisierung und der Einfluss der neuen elektronischen Medien auf die Marktstrukturen. Des Weiteren folgt eine Betrachtung der Marktentwicklung aus Sicht der Abnehmer bzw. Endkun- den. Ferner geht es darum, die aus Sicht der Unternehmen wesentlichen Konsequenzen bezüglich ihres Verhaltens am Markt herauszuarbeiten. Schließlich endet das Kapitel mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse hinsichtlich der verän- derten informatorischen, ökonomischen und psychologischen Logiken im Industriezeitalter. 2.5.1 Die neue Wettbewerbssituation im Informationszeitalter aus Sicht der Unternehmen In Bezug auf die neue Wettbewerbssituation ist zunächst daran zu erinnern, dass es durch die Ent- wicklung und Ausprägung der beschriebenen unspezifischen und globalen Rechnernetze auf der Basis des Internets nahezu für jedes Unternehmen und zahllose Kunden bzw. Interessenten eine einfache und im Vergleich zu früher enorm kostengünstige Möglichkeit der Information und Kom- munikation, aber auch des Aufbaus völlig neuer Handelskanäle gibt (siehe Kapitel 2.1 ff.). Evans/ Wurster merken hierzu an, dass im Internet täglich Millionen Menschen riesige Mengen an Infor- mationen direkt, schnell und gratis austauschen und Kaufinteressenten jeglicher Art in umfassender Weise recherchieren, navigieren und den Kauf von Waren vollziehen können. Dies geschieht ohne reales Kaufhaus oder realen Vertrieb382. Diesbezüglich stellen das Internet bzw. die erwähnten E-Commerce-Applikationen durch die Kon- vergenz der "sechs C´s" (Commerce, Content, Connection, Context, Community, Communication, siehe Kapitel 2.2.4.1) die Grundlage für einen hoch effizienten Austauschmechanismus dar. Dieser setzt insbesondere in drei Bereichen neue Maßstäbe, die gerade den grenzüberschreitend operieren- den Unternehmen bisweilen schwer zu schaffen machen383: 1. Zersplitterte und fragmentierte Märkte durch räumliche und zeitliche Trennung 2. Hohe Komplexität mit entsprechendem Aufwand bei der interorganisationalen Zusammenarbeit 3. Komplexe Angebotsketten mit hohen Lagerbeständen durch beschränkte Möglichkeiten das richtige Produktmix mit den entsprechenden möglichen Absatzmengen richtig einzuschätzen Daraus folgt, unterstützt durch Web-EDI, XML und dem Auftauchen neuer Intermediaries (von Aggregationsmarktplätzen zu hochkomplexen E-Hubs, siehe oben, Kapitel 2.2.4 ff.), dass sich tief greifende Veränderungen der Wettbewerbsstrukturen, aber auch der Beziehungen der Firmen un- tereinander sowie zwischen Unternehmen und Abnehmern ergeben (siehe die Beispiele FedEx, Cis- co, Dell, Kapitel 2.2.2.2 sowie Kapitel 2.4.2 f). 382 vgl. Evans/Wurster (2000a), S. 83 383 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 11 f.; Goldmann Sachs (1999), S. 2 ff. 116 Diese Sicht teilt auch Glazer, der von zunehmend intelligenten, transparenten und dynamischen Märkten spricht, die zudem turbulent, überreich an Informationen und durch zahlreiche neuartige Produkte, Mitbewerber und Kunden gekennzeichnet sind384. Dabei wird durch Internet und E-Commerce bei Produkten bzw. Angeboten, die weit gehend iden- tisch sind und bei denen der Preis eine entscheidende Rolle spielt, eine ungeheure Preistransparenz mit einer damit verbundenen großen Vergleichbarkeit geschaffen. Des Weiteren bezieht sich die Transparenz auf Produktauswahl, Anbieter, Verfügbarkeit und das klassische Raum-/Zeitproblem, wobei das Internet eine logische Verknüpfung von Unternehmen erlaubt und somit jegliche räumli- che Trennung nahezu aufhebt385. Dies hat teilweise dramatische Konsequenzen auf die durch das Internet beeinflusste Wettbewerbs- logik. So erhöhen Internet und E-Commerce die Wettbewerbsintensität dadurch beträchtlich, dass gerade Geschäftskunden über jegliche räumliche und zeitliche Grenzen hinweg eine deutlich höhere Anzahl an Alternativen zu jedem Angebot in Erwägung ziehen können. Somit konkurrieren etablierte Zulieferer nicht mehr gegen zwei oder drei traditionell am Markt täti- ge Wettbewerber, sondern weltweit gegen eine Vielzahl von Konkurrenten, die ein ähnliches Pro- dukt oder einen vergleichbaren Service anbieten und welche durch die mit Hilfe des Internets ins Leben gerufenen neuen (globalen) Märkte plötzlich konkurrenzfähig geworden sind386. Durch die neuen Technologien und die Entwicklung alternativer F&E-Konzepte, wie dem Simulta- neous Engineering, haben sich ferner die Produktentwicklungszeiten teilweise deutlich verkürzt, und dies bei gleichzeitiger Komplexitätszunahme der Produkte (siehe Kapitel 2.3.2.1). Die Folge dessen ist eine zunehmende Geschwindigkeit des Geschäfts, welche sich darin äußert, dass das Tempo der Veränderungen und die Umwälzungen im Zusammenhang mit Innovations- schüben deutlich ansteigt. Diesbezüglich stellt Pümpin fest, dass sowohl das Tempo wie auch die Nichtvorhersehbarkeit des Wandels momentan stark zunehmen. Er macht dies daran fest, dass in vielen Branchen eine Verkür- zung von Technologie- und Produkt-Lebenszyklen zu beobachten ist, beispielsweise in der Mikro- elektronik, der Telekommunikation sowie der Sensor- und Lasertechnik. Dabei kommt es zu nicht unbeachtlichen „Spill-over-Effekten“ auf die Lebenszyklen in anderen Branchen wie Maschinen- und Fahrzeugbau, Unterhaltungselektronik, Büromaschinen oder Medizintechnik387. Zusätzlich hierzu gibt es eine Reihe neuer Erkenntnisse im Bereich der Werkstoffkunde oder der Biotechnolo- gie, die ebenfalls in den verschiedensten Branchen gleichzeitig zur Anwendung gebracht werden können. Aus diesen Zusammenhängen resultiert wiederum, dass eine immer größere Interdepen- denz der Märkte selbst zu beobachten ist und sich demzufolge etablierte Branchengrenzen auflösen sowie vormals getrennte Sektoren miteinander verschmelzen388. Für innovative Unternehmen hat dies zur Folge, dass die oftmals hart erarbeitete Technologiefüh- rerschaft durch die stark verkürzte Einführungs- und Lebensdauer von Produkten nur noch von kur- zer Dauer ist sowie darauf beruhende Wettbewerbsvorteile eher in Monaten denn in Jahren gemes- sen werden können. Dies trägt zu einer zusätzlichen Verschärfung des Wettbewerbs bei389. 384 vgl. Glazer (2000), S. 32 385 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 12 386 vgl. Weik (1997), S. 14 387 vgl. Pümpin (1991), S. 136 388 vgl. Dunkel (2000) 389 vgl. Hultsch (1995), S. 95 117 2.5.1.1 Die Dekonstruktion der Wirtschaft als Folge der technologischen Entwicklung und die daraus folgenden Aktivitäten in Richtung Outsourcing Des Weiteren ist es die Entwicklung und Ausprägung der oben analysierten IuK-Technologien (siehe oben Kapitel 2.1 ff.), die entscheidend zu einer Änderung ganzer Branchenstrukturen bzw. zur Entstehung völlig neuer Branchen beiträgt. Dies ist überall dort erkennbar, wo der Einsatz von Internet und E-Commerce es schon heute pro- blemlos ermöglicht, das nahezu gesamte Geschäft online abzuwickeln bzw. größere Teile der Um- sätze einer Branche auf das Internet zu verlagern, wie es bereits bei Banken, Versicherungen, Rei- sebüros, Buchhandel und im amerikanischen Kfz-Markt der Fall ist390. Hierdurch entstehen wieder- um Betätigungsfelder für die erwähnten Intermediaries, angefangen bei einem einfachen Informati- onsbroker, der eine Suchmaschine ins Netz stellt, bis hin zum Betreiber eines E-Hubs. Evans/Wurster sprechen in diesem Zusammenhang von der Dekonstruktion der Wirtschaft, d.h., die traditionell in einer Branche oder einem Wirtschaftszweig etablierte Wertkette, basierend auf spezi- fischen Wettbewerbsvorteilen, zerfällt in mehrere Geschäfte mit jeweils neuen unterschiedlichen Wertketten und Wettbewerbsvorteilen391. Als Beispiel für eine solche Dekonstruktion lässt sich die von dem Autoelektrik-Hersteller Bosch zusammen mit dem Reifenhersteller Continental und dem Getriebespezialisten ZF Friedrichshafen sowie einigen anderen Unternehmen geplante Einkaufsplattform im Internet anfügen. Über diese soll zukünftig ein Großteil der über 1600 Zulieferer ihre Angebote per Internet unterbreiten. Parallel dazu plant Bosch, sich im Laufe der Zeit von einem Drittel seiner Geschäftspartner zu trennen392. Darüber hinaus bedeuten die Dekonstruktionstendenzen für die Unternehmen, dass diese nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt die Möglichkeit haben, Geschäfte mit einer mäßigen oder gar kei- ner Rendite durch solche mit einer hohen Rendite zu subventionieren. Denn die Dekonstruktion der Wertketten führt nicht nur dazu, dass gerade jene Geschäfte, bei denen etablierte Unternehmen kei- nen wirklichen Wettbewerbsvorteil haben, durch neue Wettbewerber attackiert werden, sondern auch solche Geschäftsfelder, bei denen alteingesessene Unternehmen bisher einen großen Wettbe- werbsvorteil hatten. Entsprechend kommt es auch bei den Kerngeschäften zu sinkenden Margen, die fortan nicht mehr zur Subventionierung anderer Geschäftsfelder bereitstehen. Besonders deutlich wird diese Entwicklung z.B. auf dem Kapitalmarkt. Hier stellen Kapitalbeschaf- fung, Risikoübernahme und Kontrolle logisch getrennte Funktionen dar. Diese ursprünglich kom- plett durch die Hausbank getätigten Geschäfte können genauso gut von Unternehmen wie Venture Kapitalfirmen, Credit Checking Services oder im Netz tätige Faktoringunternehmen wahrgenom- men werden. Konsequenz dessen ist ein sehr viel effizienterer und intensiverer Wettbewerb, bei dem die einzelnen Akteure mehr oder weniger gezwungen sind, sich auf jene Funktionen zu kon- zentrieren, bei deren Vollzug sie einen wirklichen Wettbewerbsvorteil besitzen393 (siehe auch Kapi- tel 2.5.1.2 ff.). Infolgedessen kommt es entweder zum Verkauf nicht zum Kerngeschäft gehörender Unternehmens- teile oder aber zum Outsourcing einzelner Bereiche der Geschäftstätigkeit394. Unter Outsourcing versteht man im Allgemeinen, dass ein Unternehmen bisher im eigenen Unter- nehmen vollzogene Leistungen an ein fremdes Unternehmen vergibt. Das heißt, die entsprechenden 390 vgl. Piller (2000), S. 89 391 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 60 392 vgl. Baulig (2000) 393 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 177 394 vgl. William Blair & Company (1999), S. 43 118 Aufgaben werden fortan nicht mehr in Eigenregie, sondern von einem in der Regel rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen vollzogen395. Outsourcing-Maßnahmen können sich im Spektrum von ganzen Organisationseinheiten bis hin zum einzelnen Mitarbeiter bewegen. Dies bedeutet in der Praxis, dass ganze Produktionsanlagen ausge- lagert werden können oder aber ein Unternehmen sich auf die Beschäftigung einzelner Leiharbeiter für bestimmte Tätigkeiten beschränkt. Einen sehr guten Überblick über die unterschiedlichen Outsourcing-Varianten liefert folgendes Schaubild396: Abb. 35: Unterschiedliche Outsourcing-Varianten Die Tendenz zum Outsourcing steht ferner in engem Zusammenhang mit der eben erwähnten Sen- kung der Transaktions- und Supply-Chain-Kosten infolge der technologischen Entwicklung. Das heißt, die Entwicklung der IuK-Technologien hat das Outsourcing in massiver Weise gefördert bzw. vorangetrieben397. Erschien es früher durch die hohen Transaktionskosten günstiger, viele Produktionsinputs und teilweise sogar Betriebsmittel selbst herzustellen (vgl. Kapitel 1.2.ff.), er- möglichen heute die deutlich geringeren Transaktionskosten den Einkauf über den Markt398. Dabei umfassen die Outsourcing-Angebote Bereiche wie Reinigungs-, Wartungs-, Produktions- oder Kundenserviceleistungen wie etwa Call Center (vgl. Kapitel 2.3.1.1). Des Weiteren sind EDV- Dienstleistungen zu erwähnen wie z.B. die Übernahme von Softwareentwicklungsaufgaben durch indische Firmen sowie die Ausführung von Abrechnungsaufgaben deutscher Fluggesellschaften durch amerikanische Firmen oder die Erledigung von Buchführungsaufgaben europäischer Banken mit Hilfe asiatischer Unternehmen399. 395 vgl. Gerlmaier/Kastner (1999), S. 151 396 entnommen aus Gerlmaier/Kastner (1999), S. 152 397 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 5 398 vgl. Mertens/Faisst (1996), S. 282 399 vgl. Brusis (1999), S. 18 119 2.5.1.2 Die zunehmende Globalisierung als weitere Ursache eines sich verschärfenden Wett- bewerbs Der zunehmende internationale Wettbewerb steht natürlich auch im Zusammenhang mit der starken Globalisierung der Märkte. Jene ist u.a. auf die Liberalisierung im Bereich der Kapital-, Transport- und Gütermärkte zurückzuführen und einem parallel dazu stattfindenden Abbau von Handelshemm- nissen. Tief greifende politische und ökonomische Veränderungen insbesondere in den vormals kommunistischen Volkswirtschaften begünstigen diesen Prozess ebenfalls400. Begleitet und unterstützt wird dieser Globalisierungsprozess durch die Ausprägung und Nutzung der Informationstechnologien, welche nicht nur den grenzüberschreitenden Handel stark vereinfa- chen, sondern parallel dazu auch einen problemlosen Wissenstransfer über jegliche räumliche und zeitliche Barrieren hinweg ermöglichen401. Ähnlich argumentiert auch Kastner, der in dem Prozess der weltweiten Vernetzungen, die einen großen Einfluss auf globale aber auch lokale Gegebenheiten ausüben, ein wesentliches Merkmal der Globalisierung sieht. Für ihn besteht dabei der entscheidende qualitative Sprung in der Überwin- dung von Raum und Zeit402. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich deutlich ab, dass das Wettbewerbsumfeld im Informations- zeitalter deutlich an Dynamik, Turbulenz und Aggressivität gewinnt, was durch nachfolgende Auf- zählung nochmals untermauert wird403: x Der Wettbewerb wird insbesondere durch "die neue Transparenz auf den Märkten" und die da- mit einhergehende Globalisierung internationaler und schärfer, diesen Druck spüren insbeson- dere kleinere und mittelständische Unternehmen. x Die Diskrepanz zwischen dem Zeitbedarf für die Lösung komplexer Aufgaben einerseits und Reaktionszeiten auf Marktveränderungen andererseits wächst ständig. x Die Austauschbarkeit der Produkte im globalen Marktplatz nimmt zu. x Markterfolge durch Qualitäts- oder Preisvorteile werden seltener, gefragt ist die umfassende Lösung spezifischer Kundenprobleme in Form von Lösungs- oder Projektgeschäften. x Firmen kooperieren und konkurrieren zugleich, indem sie Marktnischen suchen, die sie eher vorübergehend als ständig belegen und sich so der kurzen Halbwertzeit anpassen. x Technologische Entwicklungssprünge führen zu fortschreitender Erosion bestehender Marktver- hältnisse und zu deutlicher Reduzierung der Entwicklungszeiten. 2.5.1.3 Die sich ausprägende neue Situation etablierter Zwischenhändler und Dienstleister vor dem Hintergrund des Aufkommens neuer Marktstrukturen und einer veränder- ten Wettbewerbssituation Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, bieten die neuen IuK-Technologien eine effektive und effi- ziente Möglichkeit, einen direkten Hersteller-Kunden-Kontakt zu etablieren, zu pflegen bzw. zu intensivieren (siehe oben Kapitel 2.3.2.2). Für die Handelsunternehmen, als traditionell vermittelnde Institutionen zwischen Hersteller und Endkunden, hat dies zur Folge, dass sie zunehmend ihre Existenzberechtigung zu verlieren drohen, 400 vgl. Kastner (1999a), S. 33 ff. 401 vgl. Levitt (1996), S. 199 402 vgl. Kastner (1999a), S. 31 ff. 403 vgl. Braun (1999), S. 54; Heideloff (1997), S. 138; Papmehl (1998), S. 312; Sennett (2000), S. 64; Warnecke (1999), S. 29, 35 120 da es dem Kunden durch die neuen Technologien mehr und mehr ermöglicht wird, sich selbst unter Ausschaltung des Zwischenhandels direkt an den Produzenten zu wenden404. Dieses wird zum einen dann der Fall sein, wenn namhafte Hersteller bereits über ausgeprägte Kun- denbeziehungen und eine starke Marktposition verfügen, so dass nur ein sehr eingeschränkter Spiel- raum für Zwischenhändler jeglicher Art verbleibt (siehe die obigen Beispiele Cisco und Dell). Ähnlich sind die Dinge zum anderen gelagert, wenn es sich um niedrigpreisige und internetfähige Produkte handelt, die entweder die Einschaltung des Handels nicht erfordern oder aber deren De- ckungsbeiträge so niedrig sind, dass die zusätzlichen Kosten einer längeren Händlerberatung bzw. händlergestützten Konfiguration nicht mehr erwirtschaftet werden können. In diesen Fällen bietet sich der Direktvertrieb per Internet an, wie die Beispiele Barbie (siehe oben Kapitel 2.3.2.1), EMusic, Millstone (Kaffee), Oldenbourg (Verlagswesen), Primus (Software), Stra- to (Web-Hosting) usw. zeigen405. In jedem dieser Fälle würde ein Zwischenhändler entweder lediglich individuelle Informationen weitervermitteln bzw. eine kostenverursachende Stufe in der Angebotskette hinzufügen, ohne dass er durch die Bündelung von Angebot und Nachfrage seiner Rolle als "Transaktionskostenökonomi- sierer" gerecht wird. Oder aber seine Tätigkeit stellt einen tatsächlichen Mehrwert dar, der sich al- lerdings am Markt preislich nicht durchsetzen lässt bzw. zu Mehrkosten führt, die der Kunde nicht bereit ist zu zahlen. Neben dieser Entwicklung sorgen die neuen IuK-Technologien in bestimmten Fällen zusätzlich dafür, dass ein Kernstück der alten Informations- bzw. Industrieökonomie außer Kraft gesetzt wird. Hierbei handelt es sich um die Aufhebung des Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reich- weite, was sowohl den Einsatz von Zwischenhändlern traditioneller Art als auch Teile der Ge- schäftsgrundlage etablierter Dienstleister wie Banken und Versicherungen gefährdet, wie der fol- gende Abschnitt zeigt. 2.5.1.4 Die durch die Informationstechnologien ermöglichte Überwindung des Kompromis- ses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite Im Industriezeitalter wurde es als unmöglich angesehen, ein Maximum an Qualität gleichzeitig be- liebig vielen Menschen zukommen zu lassen. Evans/Wurster sprechen in diesem Zusammenhang von der Unmöglichkeit, Reichhaltigkeit, hier verstanden als die vom Benutzer definierte Qualität der Informationen, mit Reichweite, womit die Anzahl der Personen gemeint ist, die an diesen In- formationen teilhaben können, zu verbinden406. Ein solches "Gesetz" impliziert, dass das eine immer nur auf Kosten des anderen zu erreichen ist, die Unternehmen also gezwungen sind, sich auf eine der beiden Möglichkeiten (Reichhaltigkeit oder Reichweite) zu konzentrieren oder einen Kompromiss zwischen beiden einzugehen. Die Kon- sequenz dessen ist, dass es zu Informationsasymmetrien kommt, die ihren Ursprung beispielsweise auf eingeschränkte physische Infrastrukturen gründen, die nur begrenzte Informationsbewegungen ermöglichen. Diese Informationsasymmetrien bilden wiederum die Grundlage zahlreicher Ge- schäfts- und Lieferbeziehungen, deren Wettbewerbsvorteil häufig auf einem Zugang zu privilegier- ten Informationskanälen beruht. Infolge der beschriebenen technologischen Entwicklung, mit der damit verbundenen Einrichtung von weltumspannenden Informationskanälen, die noch dazu von nahezu jedem genutzt werden kön- 404 vgl. Evans/Wurster (1997), S. 81 405 vgl. Piller (2000), S. 375 406 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 31 121 nen (siehe Kapitel 2.2 ff.), wird dieser Kompromiss zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite zu- nehmend obsolet. Das heißt, durch die Ausprägung der neuen IuK-Technologien kann einerseits in einer nie da gewesenen Reichhaltigkeit informiert werden. Andererseits wird die Reichweite ledig- lich durch den gemeinsam genutzten Technologiestandard begrenzt, was im Zeitalter von Internet und E-Commerce zunehmend als vernachlässigbar angesehen werden kann. Somit befinden sich Wirtschaft und Verbraucher im Informationszeitalter in einer Situation, in der jedem die Möglich- keit gegeben wird, Informationen in unterschiedlicher Qualität mit beliebiger Reichweite auszutau- schen, was wiederum einen starken Einfluss auf die Struktur von Wert- und Lieferketten sowie die Wahl der Marktzugangswege für die Marktteilnehmer ausübt. Es kommt infolgedessen genau zu dem, was Evans/Wurster als Dekonstruktion der Wirtschaft bezeichnen, also ganze Liefer- und Wertschöpfungsketten auseinanderbrechen bzw. sich jene Bindungen auflösen, die Unternehmen oft über Jahre hinweg zu ihren Kunden, Lieferanten oder Zulieferern aufgebaut haben407. Für solche Dekonstruktionen durch die Aufhebung des Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite lassen sich eine Reihe von Beispielen anführen. 2.5.1.4.1 Die sich aus der Dekonstruktion der Wirtschaft ergebenden Folgen, gezeigt an eini- gen ausgewählten Beispielen des Einzelhandels- und Dienstleistungssektors Zum einen ist die Entwicklung der wohl bekanntesten und renommiertesten Enzyklopädie des eng- lischsprachigen Raumes, der Encyclopaedia Britannica, anzusprechen. Jene hatte bis Ende der 80er Jahre stetige Wachstumsraten zu verzeichnen und erreichte 1990 einen Umsatz von 650 Millionen Dollar. Danach sanken die Verkaufszahlen mehr und mehr, bis sie Mitte der 90er Jahre kaum noch 20% der ursprünglichen Umsatzzahlen erreichten. Diese äußerst negative Entwicklung war ledig- lich einem einzigen, neuen, elektronischen Medium zuzuschreiben: Der CD-ROM. Diese ermög- lichte es, bei deutlich niedrigeren Kosten auf das nahezu gleiche Wissensrepertoire zuzugreifen408. Ein anderes Beispiel für die beinahe revolutionären Auswirkungen von Internet und E-Commerce sind die bereits erwähnten Firmen Dell und Amazon (vgl. auch Kapitel 2.1.1). Dell erzielt derzeit pro Jahr allein über das Internet Verkäufe im Wert von 3,5 Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Parallel dazu hat Dell ein völlig neues "netzorientiertes" Geschäftsmodell imp- lementiert, welches erlaubt, die verkauften Computer innerhalb von fünf Tagen nach Auftragsein- gang zusammenzubauen. Der gesamte Lagerbestand wird 52 Mal im Jahr komplett umgeschlagen, ein beeindruckender Wert im Vergleich zu Compaq (13,5 mal) oder IBM (9,8 mal) (siehe auch Pull- statt Push-Prinzip, vgl. Kapitel 2.2.2.2. und 2.3.2.1). Amazon verfolgt eine ähnliche Strategie wie Dell, indem sie ihre Wertkette derart optimiert hat, dass sich der Lagerbestand im Durchschnitt alle 17 Tage umschlägt, wohingegen die größte Buch- kette der USA Barnes & Noble 213 Tage veranschlagen. Weiterhin bietet Amazon über das Internet mehr als drei Millionen Titel an, während Barnes & Noble lediglich auf 175.000 Titel kommen409. Gerade Letzteres ist ein sehr gutes Beispiel dafür, welcher Quantensprung in Sachen Reichweite durch die Separierung der Informations- bzw. Navigationsfunktion von der physischen Funktion (Inventar, Lagerhaltung) erreicht werden kann, sofern die Begleitumstände dies erlauben. Denn diese Trennung ermöglicht es, gestützt auf elektronische Suche, Navigation und Präsentation, dass in völliger Unabhängigkeit von Lagerhaltung und Logistik gerade im (elektronischen) Buchhandel deutlich mehr Wert freigesetzt wird, als dies beispielsweise bei Designermode oder dem Lebensmit- telhandel der Fall ist410. 407 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 7, 41 ff. 408 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 15f. 409 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 15 410 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 29 122 Ein weiterer Bereich mit hohem Dekonstruktionspotenzial ist das Privatkundengeschäft der Banken. Dieses zeichnet sich teilweise bis heute durch einen relativ hohen Verbund- und Subventionscha- rakter aus. Das bedeutet, es wird eine Vielzahl an Produkten angeboten, die in der Mehrzahl durch das eigene Filialsystem an den Privatkunden vermittelt werden. Hierbei ist es durchaus an der Ta- gesordnung, dass einige Produkte zwecks Kundenakquise ohne Marge verkauft werden, wohinge- gen andere Produkte im Verbund hohe Gewinnmargen abwerfen (z.B. Vergabe eines Hypotheken- darlehens in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung und einem zusätzlichen Aktienspar- plan). Dabei profitiert die Bank in der Regel von bestehenden Informationsasymmetrien, nutzt also Wissensvorsprünge und suggeriert dem Kunden, dass dieser problemlos und zu guten Konditionen alles aus einer Hand bekommt. Mittels Homebanking und Internet werden dem Privatkunden jedoch Instrumente an die Hand ge- geben, nicht nur vormals durch die Filiale getätigte Geschäfte selbst abzuwickeln (Überweisungen, Einrichtung von Daueraufträgen, Abwicklung von Börsengeschäften etc.), wodurch die Filiale ein Stück weit überflüssig wird, sondern zusätzlich auch, sich umfassend und ohne große Anstrengun- gen über Angebote anderer (bisweilen virtueller) Geldhäuser zu informieren. Der Kunde hat also Zugang zu Informationen, die ihm vorher vorenthalten waren und profitiert dementsprechend von der neuen Transparenz am Markt (siehe oben Kapitel 2.5.1). Für die Bank bedeutet dies beispiels- weise, dass der Kunde von dem oben genannten Verbundangebot keinen Gebrauch macht, sondern bei seiner Hausbank lediglich noch den Aktiensparplan abschließt, sich hingegen bei einem anderen Anbieter für eine günstige Risikolebensversicherung entscheidet und bei einer spezialisierten Onli- ne-Bank ein Hypothekendarlehen abschließt411. Somit ist der Kompromiss zwischen Reichweite und Reichhaltigkeit, der den Banken über Jahr- zehnte hohe Margen und Gewinne garantierte, schlichtweg obsolet geworden. Dies gilt im Übrigen in gleicher Weise für Dienstleister wie Versicherungen und Reisebüros, die mit einer ähnlichen Dekonstruktion ihrer jeweiligen Wertketten konfrontiert sind. Diesbezüglich ist generell anzumerken, dass letztlich all jene Geschäftsmodelle gefährdet sind, die durch das Eingehen eines Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite Wert unter- drückt haben, bzw. wo das Geschäft in erster Linie deshalb zustande kommt, weil einer der Betei- ligten gegenüber dem anderen über einen Informationsvorsprung verfügt412. Denn ein solcher Wett- bewerbsvorteil beruht letztlich auf dem Ausnutzen von Informationsasymmetrien, statt der Schaf- fung von tatsächlichem Mehrwert für den Kunden und bietet dementsprechend im Informationszeit- alter ein hohes Angriffspotenzial. 2.5.1.5 Die neue Rolle der elektronischen Zwischenhändler (Intermediaries) in einer de- konstruierten Wirtschaft Die Auflösung des beschriebenen Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite kommt nicht nur den Geschäfts- und Privatkunden in der beschriebenen Form zugute, sondern auch den in Kapitel 2.2.4 ff. erwähnten elektronischen Zwischenhändlern (Intermediaries). Diese verdanken einen Großteil ihrer Existenzberechtigung und der damit verbundenen Etablierung von unabhängi- gen, netzbasierten Geschäftsfeldern dem obigen Umstand. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass mit der neuen Informationsfreiheit des Einzelnen gleichzeitig auch die Informationsfülle teilweise exponentiell ansteigt. Für den institutionellen wie privaten Abnehmer hat dies zur Folge, dass sich diese, wenn überhaupt, nur noch bezüglich einiger weniger Produkte wirklich kundig machen können. Bei den verbleibenden Produkt- und Informati- onswünschen müssen sie schon allein aufgrund des beschränkten Zeitbudgets starke Kompromisse 411 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 48 ff. 412 vgl. Aldrich (1999), S. 10 123 hinsichtlich des Informationsgrades eingehen. In letzter Konsequenz kann die Informationsflut so- gar derart ansteigen, dass der Geschäfts- und Privatnutzer nicht nur überfordert, sondern vollends verwirrt ist. Dies hat dann zur Folge, dass der Nutzer von einem Extrem, gekennzeichnet durch eine erhebliche Unterversorgung an Informationen, in ein anderes Extrem fällt, welches sich durch eine nicht mehr zu handhabende Überversorgung an Informationen auszeichnet. Hierin drückt sich die eng mit dem Informationszeitalter verknüpfte Herausforderung aus, dass die Schwierigkeit oftmals nicht darin besteht, Informationen zu beschaffen bzw. zu erzeugen, sondern darin, sie zu verrin- gern413. Eng mit dieser Problematik verbunden ist die zusätzliche, nahezu täglich auf den Kunden jeglicher Couleur einstürzende Informationsflut von außen, etwa durch Presse, Funk, Fernsehen und in zu- nehmendem Maße ungewollte E-Mails, die ihrerseits zur (täglichen) Informationsüberlastung bei- tragen. Dies führt irgendwann zu dem Punkt, an dem jede zusätzliche Information die Leistung des Einzelnen nicht erhöht, sondern im Gegenteil zu einem Leistungsgleichstand oder -abfall führt414. An dieser Stelle können auf Wissen und Information aufbauende Intermediaries eine wertvolle Hil- fe sein, wie sich erneut sehr gut am Privatkundengeschäft der Banken zeigen lässt415. Hier lassen die zu erwartende Informationsfülle sowie die nahezu unendlichen Auswahlmöglichkei- ten, die dem (Bank-) Kunden im Netz geboten werden, genügend Handlungsspielraum für einen Intermediary. Dieser übernimmt die Rolle des Navigators, Agenten oder Maklers und hilft dem Kunden, sich im Netz zurechtzufinden und mit der Informationsfülle fertig zu werden. Diesbezüg- lich merkt Yates an, dass von einer vollständigen Ausschaltung jeglichen Zwischenhandels keine Rede sein kann, denn gerade das Auftauchen von E-Brokern (genauso wie Navigatoren oder Agen- ten) beweist ja, dass diese Firmen als elektronische Zwischenhändler durchaus einen realen Mehr- wert schaffen können416. Ferner eröffnet dieser Bereich auch zahllose Möglichkeiten für spezialisierte Inhalteanbieter, die Programme zur Berechnung von Versicherungen und Hypotheken oder Datenbanken zur Ermitt- lung aktueller Zinssätze ins Netz stellen. Schließlich ist auch die Entwicklung hin zu einem ban- kenunabhängigen Finanzmarktplatz denkbar, der alle Kennzeichen des oben beschriebenen E-Hubs beinhaltet und somit Handel, Content, Navigation und spezielle Mehrwertdienste unter einem Dach bündelt. Auf diese Weise schafft er eine Transaktions- und Kommunikationsplattform für Anbieter und Interessenten jeglicher Art (siehe oben Kapitel 2.2.4.3 f.). Alle oben beschriebenen elektronischen Marktplätze, seien sie horizontal/vertikal oder als E-Hub ausgerichtet, profitieren letztlich in der einen oder anderen Form von der technologisch gestützten Entwicklung hin zu Reichweite und Reichhaltigkeit (statt Konzentration oder Kompromiss). Der Umfang der Reichweite hängt dabei in erster Linie von der Trennung der Navigationsfunktion (In- formationsökonomie) von der physischen Funktion (Güterökonomie) ab (siehe das obige Beispiel Amazon versus Barnes & Noble). Demgegenüber wird die Reichhaltigkeit durch die ständige Wei- terentwicklung der elektronischen Übertragungs-, Verarbeitungs- und Speicherungsmedien ermög- licht417. Am Rande sei angemerkt, dass es eine Reihe von Branchen wie Musik, Video oder Software gibt, in denen es zur Erhöhung der Reichweite gar nicht notwendig ist, die Informations- von der Güter- ökonomie zu trennen. Diese physischen Produkte lassen sich durch eine einfache Digitalisierung bequem über das Internet zum Abnehmer transportieren, wodurch die Hersteller oder E-Tailer ohne 413 vgl. Noam (1995), S. 37 414 vgl. Noam (1995), S. 49 415 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 59 416 vgl. Yates (2000), S. 16 417 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 25 ff. 124 nennenswerten Mehraufwand die traditionellen Aufgaben der Güterökonomie mit übernehmen kön- nen418. Ferner gilt, je gründlicher die neuen Technologien die Dekonstruktion der alten Wertketten erlau- ben, desto eher besteht die Möglichkeit, dass der (elektronische) Informationsaustausch, im Vor- griff auf einen Geschäftsabschluss, entweder direkt zwischen Hersteller und Kunden stattfindet (wie im Falle Dell, Cisco oder Barbie) oder aber mit Hilfe eines elektronischen Vermittlers, welcher im Wesentlichen die Rolle des traditionellen Zwischenhandels einnimmt. In ähnlicher Weise äußern sich Ehrens/Zapf in Bezug auf die Rolle der Intermediaries im Informa- tionszeitalter. Deren Hauptfokus besteht darin, sich auf die "pain points" der gegenwärtigen Ge- schäftsprozesse zu konzentrieren. Dabei geht es in erster Linie darum, die informationsbasierten Defizite der einzelnen Geschäftsprozesse zu identifizieren, welche für hohe Transaktionskosten verantwortlich sind. Dies kann einzelne Bereiche der Wertschöpfung (Angebots- oder Verkaufspro- zess) oder aber das unternehmensübergreifende Supply Chain Management (siehe Kapitel 2.2.3.3) betreffen. Sind die Unzulänglichkeiten identifiziert, ist seitens der Intermediaries zu prüfen, ob sie in der Lage sind, diese Probleme mit Hilfe der neuen IuK-Technologien für alle Beteiligten kosten- deckend zu beseitigen419. Gelingt dies, so haben Untersuchungen ergeben, dass die führenden Un- ternehmen um etwa 50% geringere Supply Chain Kosten haben als durchschnittliche Unterneh- men420. Im Gegensatz zu dieser eher mikroökonomischen Sichtweise nimmt Broadview eine eher makro- ökonomische Perspektive ein und spricht von vier wesentlichen Marktcharakteristiken, die für eine Etablierung von digitalen Marktplätzen besonders förderlich sind421: x Fragmented Markets x High Vendor Search/Product Comparison/Workflow Costs x Dynamic Products/Pricing x Low Switching Costs Between Suppliers 2.5.1.6 Das aus den Konsequenzen der Informationsgesellschaft resultierende Rollenver- ständnis von Handel und Dienstleistern: Die Wertschöpfung als wesentliche Exis- tenzberechtigung Bei einer genaueren Rekapitulierung des vorstehenden Abschnitts könnte der Eindruck entstehen, um den traditionellen Zwischenhandel sowie um Teilbereiche etablierter Dienstleiter ist es durch die Auswirkungen der IuK-Technologien so schlecht bestellt, dass deren Verschwinden vom Markt nur noch eine Frage der Zeit ist. In diesem Zusammenhang ist zum Ausdruck gebracht worden, dass überall dort, wo durch die Trennung der Güter- und Informationsökonomie bzw. durch das Einge- hen eines Kompromisses zwischen Reichweite und Reichhaltigkeit Wert unterdrückt wird, das Ge- fährdungspotenzial am größten ist (siehe obiger Abschnitt). Hieraus geht die Bedeutung der Schaffung von Werten bzw. die Realisierung einer wirklichen Wertschöpfung für den Kunden bereits implizit hervor. Das heißt, die Gefährdung von t len Handels- und Dienstleistungsunternehmen durch die "Segnungen" der Informatio ist zwar real vorhanden, wie oben in aller Deutlichkeit gezeigt wurde, allerdings ist es grundver- kehrt, daraus automatisch abzuleiten, dass erstere durch das Aufkommen der neuen Medien in ihrer Gänze bedroht sind. raditionel- nsgesellschaft 418 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 76 419 vgl. Ehrens/Zapf (1999), S. 32 ff. 420 vgl. Ehrens/Zapf (1999), S. 67 421 vgl. Broadview (2000), S. 14 (hervorgehoben im Original) 125 Vielmehr geht es für die etablierten Marktteilnehmer mehr und mehr darum, sich über die eigent- liche Wertschöpfung für die an der eigenen Wertkette beteiligten Parteien, seien es Zulieferer, Ge- schäftspartner oder Abnehmer/Kunden, im Klaren zu sein. Ist dies gegeben, so bestehen auch im Informationszeitalter gute Überlebenschancen, wie nachfolgende Anmerkungen beispielhaft illus- trieren. Einmal ist in diesem Zusammenhang auf den Erlebnischarakter eines Einkaufes hinzuweisen, denn auch noch so perfekt gestaltete virtuelle Einkaufswelten im Netz können eine spezifische Ladenat- mosphäre nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt nachbilden422. Hierdurch wird gerade dem klas- sischen Einzelhandel eine hervorragende Chance in Bezug auf eine (eher psychologisch ausgerich- tete) Schaffung von Wert für den Kunden geboten. Dabei darf die Auseinandersetzung mit dem für den Einzelhandel unvermeidlichen Kompromisses zwischen Waren- und Informationsökonomie nicht vernachlässigt werden. Hier ist einerseits zu beachten, dass ständig die Effizienz der Lagerhal- tung und des Distributionssystems hinterfragt werden muss sowie andererseits, inwieweit das Pro- duktangebot wirklich den Bedürfnissen der Verbraucher entgegenkommt423. In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass es gerade im Einzelhandel Bereiche wie Designer- mode, hochwertige Elektronikartikel oder spezialisierte Einrichtungshäuser gibt, bei denen eine Trennung von Güter- und Informationsökonomie kaum vorstellbar ist. Als Beispiel sei hier die An- probe eines teuren Designerkleides in einer virtuellen Umkleidekabine erwähnt. Daraus kann der Einzelhandel wiederum entsprechende Vorteile gegenüber seinen virtuellen Konkurrenten zie- hen424. Letztlich lässt sich die Situation des klassischen Einzel- (und Zwischen-) handels im Sinne von Aldrich auf einen einfachen Nenner bringen: "Where consumer see little value being generated from the retailer and where they are confortable using the internet, retailers are in trouble. Products and services that don´t provide value are being squeezed out"425. Betrachtet man die Beziehung zwischen Hersteller, Handel und Abnehmer, so ist beispielsweise dort ein enges Zusammengehen zwischen diesen wünschenswert, wo eine bestehende Handels- struktur erst die für den Verkauf notwendige Kundennähe schafft. Denn gerade bei stark individua- lisierten Produkten ist nicht davon auszugehen, dass die Abnehmer wirklich bereit sind, den gesamten Verkaufsprozess rein auf elektronischem Wege abzuwickeln. Hierdurch wird dem Handel wiederum die Chance geboten, gewissermaßen als Individualisierungshelfer gegenüber dem End- kunden aufzutreten bzw. diesem beratend zur Seite zu stehen. Auf diese Weise nimmt er dem Kun- den einen Teil der Komplexität ab, die bei der Zusammenstellung und dem Kauf eines individuellen Produktes normalerweise anfällt. Diesbezüglich übernimmt der Handel mehr und mehr die Rolle des Komplexitätsreduzierers für den Kunden, der sich seinerseits vom „Consumer zum Prosumer wandelt“ 426, wobei der eigentliche Verkauf fast schon zur "Nebensächlichkeit" innerhalb eines komplexen Verkaufsprozesses wird427. Hieraus geht implizit ein sich zunehmend wandelndes Selbstverständnis des Handels im Zeitalter von Internet und E-Commerce hervor. Die eigentliche Leistung liegt weniger im Verkauf eines Pro- duktes (auch wenn dies natürlich nach wie vor die Existenz des Handels sichert), sondern darin, die zunehmend individuellen Bedürfnisse der Abnehmer zu erkunden, darauf aufbauend ein Lösungs- paket zu schnüren und dieses schließlich zu verkaufen. Während dieses gesamten Prozesses fallen wiederum wertvolle Kundeninformationen an, die nicht nur für den Handel, sondern auch für den oder die jeweiligen Hersteller interessant sind. Diese Informationen sind durch den Handel qualifi- 422 vgl. Pine/Gilmore (1998), S. 97 ff. 423 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 84 424 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 121 425 vgl. Aldrich (1999), S. 10 (hervorgehoben im Original) 426 vgl. Toffler (1980), S. 274 f. 427 vgl. Piller (2000), S. 376 126 ziert aufzubereiten und den Herstellern zur Verfügung zu stellen, damit diese die Informationen bei der zukünftigen Produktentwicklung entsprechend verwerten können. Hierin liegt ein zweites, durchaus ernst zu nehmendes Betätigungsfeld für den Handel abseits vom eigentlichen Verkauf. Denn durch diese qualitativ hochwertige Informationsvermittlung, welche durch das Internet nur eingeschränkt möglich ist, werden die Hersteller in die Lage versetzt, ohne größere eigene Anstrengungen "das Ohr stets nah am Markt zu haben". Ein wichtiger Bestandteil dieses Informationsprozesses ist es, dass der Handel diese Bemühungen in Bezug auf die Erhebung von Kundeninformationen auch vergütet bekommt. Dies kann in Form einer Individualisierungs- und Anbahnungsprämie und/oder einer Umsatzbeteiligung des Handels geschehen, falls Hersteller und Kunde fortan direkt zusammenarbeiten wollen428 (siehe hierzu auch Kapitel 3.1.2.2.1 Zusam- menarbeit und Kooperation in Richtung Markt, Kunde). Neben diesen eher informationsbasierten Mehrwerten hat der stationäre Handel, genauso wie ein virtueller Marktplatzbetreiber, natürlich auch die Möglichkeit, zusätzliche Services in sein Angebot zu integrieren, die für den Hersteller und/oder Abnehmer einen Mehrwert darstellen. Diesbezüglich sind die Bereiche Finanzierung, Versicherung, besondere Formen der Rechnungsstellung, Garantien bezüglich Verfügbarkeit und Qualität des Produktes sowie Logistik anzumerken. Dadurch, dass insbesondere die Hersteller, aber auch viele institutionelle Abnehmer in diesen Berei- chen vielfache Sonderwünsche mit oft zu berücksichtigenden zahlreichen spezifischen Eigenheiten haben429, bieten sich hier dem etablierten Zwischenhändler hervorragende Differenzierungsmög- lichkeiten. Dies lässt sich gut am Beispiel Logistik verdeutlichen. Nimmt man den BtB-Handel als Basis, so ist es hier meist nicht ausreichend, ein Geschäft logistisch einfach über horizontale Lieferanten wie FedEx, United Parcel oder UPS abzuwickeln, denn diese transportieren weder Harz, Hydrochloridsäure noch Salzsäure oder hoch verdichtetes Polyethylen. Hierfür sind dementsprechend besondere branchenspezifische oder vertikale Logistikunternehmen erforderlich, die darüber hinaus in der Lage sind, etwaige Sonderwünsche des Abnehmers hinsicht- lich Liefermenge, -zeitraum oder Zwischenlagerung zu berücksichtigen430. Diese spezifischen Anforderungen, die auch von einem Intermediary erhebliche Anstrengungen erfordern, können hervorragend durch den etablierten Zwischenhändler wahrgenommen bzw. ko- ordiniert werden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass der etablierte Zwischenhandel den vorhandenen hohen Bindungsgrad an Hersteller und Abnehmer dahingehend nutzt, für diese eine einmalige und qualitativ hochwertige Reichhaltigkeit anzubieten. Denn auf diese Weise setzen die Zwischenhändler genau jene Mehrwerte frei, die sie auf Dauer zu einem unverzichtbaren Bestand- teil in der jeweiligen Wertkette machen431. Darüber hinaus hat der ursprünglich zur "old economy" zählende Zwischenhändler natürlich auch die Möglichkeit, mittels der neuen Medien seine Dienste branchen- und wertkettenübergreifend anzubieten, um auf diese Weise weitere potenzielle Kunden für seine Dienste zu gewinnen. Dies führt im Idealfall dazu, dass eine zunehmende Zahl an Kunden seine Dienste nachfragen, was den Zwischenhändler entweder in die Lage versetzt, seine Preise zu erhöhen oder das Geschäft auszu- weiten432. Dass Letzteres alles andere als graue Theorie ist, zeigt sich daran, dass die Entwicklung gerade nicht dahin geht, die Zwischenhändler wegen der Errungenschaften des Internets mehr und mehr aus den Wertketten zu entfernen. Im Gegenteil, es ist in letzter Zeit immer deutlicher zu beobach- ten, dass gerade seit langem etablierte Zwischenhändler zunehmend Aufträge von den Intermedia- ries bekommen, die sie eigentlich ersetzen sollten. Hierbei zeichnen sich zunehmend zwischenbe- 428 vgl. Piller (2000), S. 377 429 siehe auch Unterschiede bei der Abwicklung von BtB- und BtC-Geschäften Kapitel 2.2.2.3 430 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 57 431 vgl. Blodget/McCabe (2000), S. 12, 41 432 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 7 127 triebliche Formen der Zusammenarbeit bzw. Arbeitsteilung ab, bei denen die elektronischen Zwi- schenhändler bei allen Fragen rund um das physische Handling des Produktes und anderer „value added services“ zunehmend die Dienste des stationären Handels in Anspruch nehmen433. Wie aus diesen Anmerkungen hervorgeht, ist es durchaus verfrüht, davon zu sprechen, dass elektro- nische Händler und Navigatoren in großem Stil Aufgaben von etablierten Marktteilnehmern über- nehmen. Allerdings sind Letztere mehr denn je dazu gezwungen, sich Gedanken über ihre Wettbe- werbsposition sowie Wettbewerbsvorteile zu machen ("to meet the need of the individual consu- mer")434. Geschieht dies nicht oder nur unzureichend, ist durchaus ein Erosionsprozess vorstellbar, dem nicht wenige Marktteilnehmer zum Opfer fallen, obwohl diese bei der richtigen Ermittlung und Umsetzung des zu liefernden bzw. erwarteten Mehrwertes durchaus eine Überlebenschance hätten. 2.5.2 Die Verlagerung der Autoritäten im Informationszeitalter, der Übergang vom Anbie- ter- zum Nachfragermarkt und dessen Konsequenzen Die zunehmende weltweite Vernetzung, die immer schnellere Bewegung der Märkte, die Verkür- zung der Produktlebenszyklen und die damit einhergehende Globalisierung des Wettbewerbs (vgl. Kapitel 2.3.2.1 und 2.5.1.2), lässt eine Tendenz in Richtung eines Übergangs von Verkäufer- zu Käufermärkten erkennen. Diese Entwicklung ist etwa im Konsumgütersektor (Computer und Hifi) sowie in der Automobilbranche, bei Telekommunikation, Banken und Versicherungen, Energiever- sorgern und in der Pharmaindustrie deutlich wahrnehmbar435. Weiterhin zeichnen sich Käufermärkte in vielen industrialisierten Ländern durch das Auftreten von Sättigungseffekten einerseits sowie eine Segmentierung in hoch spezialisierte Märkte andererseits aus436. Letzteres ist ein Zeichen dafür, dass der im Industriezeitalter vorherrschende Massenmarkt (vgl. Kapitel 1.1.1) kaum noch existent ist. Die eben erwähnte Segmentierung ist dabei letztlich Aus- druck einer steigenden Heterogenisierung der Nachfrage, untermauert durch den Wunsch nach im- mer individuelleren Produkten und Leistungen, bis hin zu auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Konzepte, womit sich eine immer größere Anzahl an Branchen auseinandersetzen muss437. Diese Aussage wird von Glazer untermauert, welcher gestützt auf eine Reihe von Studien anmerkt, dass sich das Kaufverhalten von Kunden in den intelligenten Märkten des Informationszeitalters vor allem auf Wahlfreiheit und Entscheidungshilfe gründet. Diesbezüglich versetzt das Internet den Kunden vielfach in die Lage, nicht nur zu minimalen Kosten unter einer Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen frei auswählen zu können, sondern suggeriert diesem gleichzeitig, dass die Firmen nahezu jeden Wunsch hinsichtlich Produkt und Service erfüllen können. Die Folge dessen ist eine zunehmende Individualisierung der Kundenwünsche und ein deutliches Anwachsen der Anspruchs- haltung. Diese kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass sich die Präferenzen eines Nach- fragers bei weitem nicht nur auf das Produkt als solches beziehen, sondern auch eine Reihe zusätz- licher Eigenschaften, wie etwa besondere Liefer- und Zahlungsbedingungen, eine wichtige Rolle spielen438. 433 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 36 f. 434 vgl. Aldrich (1999), S. 11 435 vgl. Schwetz (2000), S. 13 436 vgl. Warnecke (1999), S. 3 f. 437 vgl. Hildebrand (1997), S. 2 f. 438 vgl. Glazer (2000), S. 33 128 Darüber hinaus impliziert die Wahlfreiheit zusätzlich, dass es dem Kunden je nach Neigung und Wille selbst überlassen ist, ob er komplizierte Entscheidungs- und Kaufprozesse lieber alleine in Angriff nimmt oder Hilfe von Dritten beansprucht439. Gleichzeitig gilt es jedoch auch zu berücksichtigen, dass mit dieser nie da gewesenen Optionsviel- falt eine derartige Informationsüberflutung einhergeht, die den Kunden ohne entsprechende Ent- scheidungshilfen vielfach schlichtweg überfordert. An dieser Stelle ist ein zentraler Unterschied zwischen den Märkten im Industrie- und Informationszeitalter anzumerken. In den traditionellen Märkten basierte der Wunsch des Kunden nach Unterstützung auf der Annah- me, Informationen seien knapp. In intelligenten Märkten hingegen existiert der Wunsch nach Hilfe häufig vor dem Hintergrund, nicht in der Informationsflut zu versinken440 (vgl. auch oben Kapitel 2.5.1.4 f.). Für die Unternehmen wiederum bedeutet dies, dass sie auf der Basis der Kundenerwartungen hin- sichtlich Wahlfreiheit und Entscheidungshilfe den Blick im Wesentlichen auf drei Arten von Kun- dennutzen richten441: x Bequemlichkeit, welche darin zum Ausdruck kommt, dass Kunden eine möglichst breite Palette an Produkten und Dienstleitungen angeboten bekommen, die ihren Wünschen möglichst nahe kommt und diese davon abhält, nach einem anderen Lieferanten Ausschau zu halten x Partizipation, hier verstanden als Individualisierung des Kunden hinsichtlich der Produktgestal- tung, zu liefernde Menge und Qualität, Logistik und Zahlungsart sowie -konditionen x Antizipation, gemeint in dem Sinn, dass das Unternehmen über die Fähigkeit verfügt, sich zu- mindest ansatzweise in die Sorgen, Nöte und Wünsche des Kunden hineinzuversetzen und dar- aus entsprechende Produkt- und Serviceangebote abzuleiten Ein gutes Beispiel für eben genannte Partizipation und Antizipation liefern die Mitarbeiter der Fir- ma Microsoft. Diese haben es im Zusammenhang mit der Einführung des Betriebssystems Windows 95 nicht nur verstanden, ihre Kunden aktiv anzugehen und deren Meinungen bzw. Erfahrungen mit einzubezie- hen. Sie haben darüber hinaus auch die im Internet eingerichteten News-Groups und Mailing-Listen über Jahre hinweg intensiv verfolgt und deren Ergebnisse und Erkenntnisse konsequent bei dem Softwarerelease Windows 98 berücksichtigt. Auf diese Weise ist es Microsoft im Dialog mit den Kunden gelungen, potenziell negative Nachrichtungen und Meldungen über vorhandene Software- fehler zur konsequenten Verbesserung seiner Produkte einzusetzen. Somit hat Microsoft die Mög- lichkeiten der digitalen Welt in Bezug auf den Aufbau von interorganisationalen Beziehungen in- nerhalb von Netzwerken optimal genutzt. Ferner hat das Unternehmen durch die intensive Ausei- nandersetzung und Zusammenarbeit mit den Kunden genau jene Werte erzeugt, die für die Anwen- der wirklich wichtig sind und einen entsprechend großen Nutzen bieten442. 2.5.2.1 Die Zunahme der Abnehmermacht als wichtige Folge der sich entwickelnden Käu- fermärkte Aus den obigen Aussagen geht implizit hervor, dass es keinesfalls abwegig ist, von einem deutli- chen Machtzuwachs seitens der (privaten oder geschäftlich orientierten) Kunden bzw. Abnehmer zu sprechen443. Dieser äußert sich beispielsweise in einer zunehmend abnehmerseitigen Verhandlungsmacht. 439 vgl. Diez (2000), S. 22 440 vgl. Noam (1995), S. 36 441 in Anlehnung an Glazer (2000), S. 33 442 vgl. Aldrich (1999) S. 11, 13, 15 443 vgl. Aldrich (1999) S. 9 129 So ermöglichen der Einsatz eines systematischen Beschaffungsmanagements sowie die durch das Internet geschaffene hohe Markttransparenz gerade bei institutionellen Abnehmern dort Vorteile, wo schon jetzt eine hohe Nachfragekonzentration besteht. Hiervon profitieren schon heute die gro- ßen Automobilhersteller, Großunternehmen wie General Electric (vgl. Kapitel 2.2.2.2) oder aber Handelsunternehmen wie Wal-Mart, bei denen eine besonders hohe Zunahme der Handelsmacht zu verzeichnen ist444. Des Weiteren profitieren nicht nur Großunternehmen, welche gegenüber Anbietern jeglicher Art schon immer eine starke Stellung hatten, von einer steigenden Abnehmermacht. Auch kleine und mittelständische Unternehmen mit einem deutlich geringeren Einkaufsvolumen können für sich die Vorteile von Internet und E-Commerce dahingehend nutzen, dass auch sie trotz ihrer relativ be- scheidenen Größe zu einem nachfrageseitigen Machtfaktor werden. Möglich wird dies, indem sich mehrere Unternehmen der beschriebenen Größe zu einer elektronischen Bieter- und Einkaufsge- meinschaft zusammenschließen. Hierbei können die Beteiligten ihre Geschicke entweder selbst in die Hand nehmen oder aber sich eines „reverse aggregators“ bedienen. Letzterer sammelt und koor- diniert die Bedürfnisse der einzelnen Nachfrager und verhandelt mit den entsprechenden Anbietern. Ein gutes Beispiel für einen solchen Reverse Aggregator ist FOB.com, welcher elektronische Marktplätze für Kunststoffe, Chemikalien und Papier betreibt. Es gelingt diesem regelmäßig, durch Bündelung von Einkaufsmacht auch bei namhaften Anbietern Preisnachlässe bis zu 20% herauszu- handeln445 (siehe auch Kapitel 3.1.2.2.1). Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die meisten institutionellen Abnehmer in der Vergangen- heit dahingehend leidensfähiger waren, auf die Erfüllung ihrer oftmals speziellen Wünsche länger zu warten. Heute hingegen werden Lieferanten gesucht, die selbst Sonderwünsche hinsichtlich Ent- wicklung, Produktion und Inbetriebnahme in Rekordzeit ermöglichen446. Für die Anbieter zieht diese Situation nicht nur einen erhöhten Kosten- und Leistungsdruck nach sich, sondern sie sind oftmals auch gezwungen, zusätzlich Leitungen wie Lagerhaltung, Logistik oder Dienstleistungen wie Finanzierungsservices und Einräumung spezieller Lieferkonditionen zu erbringen447. Hinsichtlich des Preises als Entscheidungsindikator bezüglich eines Kaufes ist zu sagen, dass dieser nach wie vor eine große Rolle spielt. Der Kunde hat aber oftmals zusätzliche Anforderungen hin- sichtlich Service, Qualität und Funktionalität. Das heißt, die Käufermacht äußert sich darin, dass selbst Billigprodukte aus Sicht des Verbrauchers ein Mindestmaß an Qualität und Service beinhal- ten müssen, wobei auch bei bekanntermaßen hochwertigen Produkten umgekehrt eine gewisse Preisflexibilität erwartet wird448. Diese Ansicht teilen auch Prahalad/Ramaswamy, welche von einer Veränderung der Marktmacht in Richtung der Kunden sprechen, weil diese heute mit Hilfe des Internets nahezu denselben Informa- tionsstand wie Anbieter und Hersteller haben. Infolgedessen sind die Kunden nicht nur geneigt, in einen aktiven Dialog mit Herstellern und Anbietern von Dienstleistern zu treten (siehe das Beispiel Mikrosoft), sondern diesen Dialog auch dazu zu nutzen, Preise und Bedingungen direkt mit den entsprechenden Anbietern auszuhandeln449. Hieraus lässt sich wiederum ein sich wandelndes Kun- denverhalten ableiten, von einem passiven Abnehmer hin zu einem aktiven Gestalter und Vorab- Forderer, wie das folgende Schaubild darlegt450: 444 vgl. Kahn (1998), S. 45 445 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 61 446 vgl. Piller (2000), S. 81 447 vgl. Piller (2000), S. 85 448 vgl. Kaluza (1996), S. 194 449 vgl. Prahalad/Ramaswamy (2000), S. 65, 74 450 verändert entnommen aus Prahalad/Ramaswamy (2000), S. 66 130 Kunden als passiv eingestellte Abnehmer Kunden als aktive Gestal- ter der Wert- schöpfung Überzeugung von vorab definierten Käufergruppen Eingehen auf ein- zelne Kunden Lebenslange Bindungen zu einzelnen Kun- den Kunden als Mitschöpfer von Wert Zeitrahmen 70er und frühe 80er Jahre Späte 80er und frühe 90er Jahre 90er Jahre Ab 2000 Art der Ge- schäftsbeziehung zum Kunden und dessen Rolle Der Kunde wird als passiver Käufer betrachtet, in der vorab bestimmten Rolle eines Verbrauchers. Kunden gehö- ren zu einem vergrößerten Netz, sie helfen mit, Wert zu schaffen und mehr aus dem Geschäft her- auszuholen. Einstellung des Managements zum Kunden Der Kunde gilt als statistische Durch- schnittsgröße. Der Kunde stellt eine individuelle statistische Durch- schnittsgröße dar. Der Kunde wird als Individuum wahrgenommen, Vertrauen und engere Bezie- hungen werden gepflegt. Der Kunde ist nicht nur Indi- viduum, son- dern wird auch als Teil eines sich neu entwi- ckelnden sozia- len Gefüges gesehen. Interaktion des Unternehmens mit dem Kunden, be- sonders bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen Herkömmliche Marktforschung und Kundenbefragungen, Feedback des Kun- den nach der Pro- duktion ist nicht gefragt. Wechsel vom rei- nen Verkauf an Kunden zur Unter- stützung von Kun- den, Erfassung von Kundenproblemen und Umgestaltung der Produkte auf Basis des Feed- backs. Suche nach Problemlösungen für maßgebliche Kunden, Umge- staltung von Pro- dukten auf Basis dieses spezifi- schen Kunden- wissens. Kunden sind aktive Mitent- wickler, es gibt gemeinsame Ausbildungs- Programme sowie einen Austausch der gegenseitigen Erwartungen. Zweck und Rich- tung der Kommu- nikation Einwegkommuni- kation. Data-Base- Marketing, Zwei- wegkom- Munikation. Beziehungs- Marketing und enger Umgang miteinander. Aktiver Dialog mit dem Kun- den, Umgang und Kommuni- kation auf meh- reren Ebenen. Abb. 36: Das sich wandelnde Kundenverhalten: Vom passiven Abnehmer zum aktiven Gestalter 131 2.5.2.2 Die steigende Kundenindividualisierung bei gleichzeitiger Abnahme der Kundenbin- dung als weiteres Indiz sich verschiebender Machtverhältnisse Ein anderes nicht zu unterschätzendes Indiz von digitalen intelligenten Märkten ist die Sprung- und Wechselhaftigkeit der Kunden, eine Entwicklung, die noch zusätzlich dadurch beschleunigt wird, dass der nächste Anbieter nur einen Mausklick entfernt ist. Dies hat u.a. zur Konsequenz, dass Ab- nehmer ihre Einkäufe deutlich weniger bündeln als früher451 und somit oft über Jahrzehnte etablier- te Beziehungen zunehmend flüchtiger und lockerer werden452. Manche gehen in diesem Zusammenhang sogar so weit, von zusehends hybriden Kunden zu spre- chen, die ein widersprüchliches Kaufverhalten an den Tag legen453 (etwa der Porschefahrer, der bei Aldi ein paar Pfennige an einer Dose spart). In der sich bietenden Multioptionsgesellschaft454 wech- seln die Kunden zwischen den verschiedensten Angeboten auf der Basis unterschiedlicher Kaufan- reize (mal Preis, mal Prestige, mal schlichte Notwendigkeit) hin und her. Infolgedessen lässt auch die Markentreue mehr und mehr nach, was gerade bei jüngeren Menschen mit höherem Einkommen besonders ausgeprägt ist, wo der Wunsch nach Abwechslung das Risiko eines Fehlkaufs über- wiegt455. In ähnlicher Weise äußert sich Reigber, der anmerkt, dass am Trendhorizont ein Konsumstil zu er- kennen ist, der den individuellen Nutzwert, die Selbsterfahrung und die individuelle Freiheit zu Leitmotiven erklärt456. Gerken geht sogar so weit zu sagen, dass durch die elektronische Interaktion aus passiven Rezi- pienten aktive Agenten werden. Diese organisieren weit gehend selbstständig und abgekoppelt von dem, was Produkte und ihre Hersteller verkünden, ihre eigene Warenwelt. Hierdurch verlagert sich in historisch einzigartiger Form der Schwerpunkt der Autorität, da es nicht mehr der Hersteller und Verkäufer des Produktes ist, der die Autorität hat, sondern der Nachfrager. Somit wird aus dem pas- siven Endverbraucher der aktive Vorab-Forderer457. In Bezug auf die Individualisierungstendenzen ist festzustellen, dass insbesondere im BtB-Bereich die Partizipationstendenz der Kunden im Rahmen des gesamten Geschäftsprozesses (vgl. Kapitel 2.2.2.3) immer weiter um sich greift. So zeigt beispielweise eine Studie von Hildebrand, dass es einen deutlichen Trend zur Individualisierung der Leistungserstellung im Industriegüterbereich gibt458. Individualisierung seitens der Anbieter meint hier, dass die angebotenen Produkte und Dienstleistungen genau auf die besonderen Bedingungen bzw. Wünsche des Kunden zugeschnitten werden. Dies ist deswegen notwendig, weil häufig genug keine Kundenanfrage der anderen gleicht. Dabei können sich die anspruchsvollen, kundenspezifischen und oft rasch wechselnden Leistungen entwe- der auf einzelne Phasen der Wertschöpfung wie Logistik oder After-Sales-Service, aber auch auf nahezu die gesamten Wertschöpfungsstufen beziehen459. Ist Letzteres der Fall, zieht dies sowohl für den Anbieter als auch für den Nachfrager, der im Grunde eher als Co-Produzent denn als Kunde be- zeichnet werden kann (vgl. Kapitel 2.5.1.6), teils erhebliche Mehraufwände nach sich. Dieses äußert sich insbesondere in der Verschmelzung der Wertschöpfungsprozesse von Anbieter und Kunde. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die obigen Aussagen zur virtuellen Prozessorganisation sowie bezüglich der Ausrichtung der Entwicklungs- und Produktionsprozesse verwiesen, welche 451 siehe das obige Beispiel im Zusammenhang mit dem Privatkundengeschäft der Banken, Kapitel 2.5.1.4.1 452 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 53 453 vgl. Piller (2000), S. 84 454 siehe zur Multioptionsgesellschaft Gerken (1991), S. 326 f.; Belz/Schögel (1998), S. 43 455 vgl. Kahn (1998), S. 46 456 vgl. Reigber (1993), S. 92 457 vgl. Gerken (1994), S. 65 f. 458 vgl. Hildebrand (1997), S. 144 ff. 459 vgl. Gidion (1999), S. 95 132 sich eingehend mit den organisatorischen Erfordernissen sowie den Prozessanforderungen im In- formationszeitalter auseinandergesetzt haben (vgl. Kapitel 2.3.1 und 2.3.2 ff.). Als Beispiel für eine solche enge Verzahnung der Prozesse sowie der dahinter stehenden Mehrauf- wände kann ein Produktionsbetrieb herangezogen werden, dessen wichtigster Wettbewerbsfaktor in einer hohen Produktflexibilität zur Befriedigung individueller Kundenanfragen auf der Basis von Einzelanfertigungen liegt460. Für den Produktionsbetrieb hat die individuelle Produktion zur Folge, dass die Interaktion mit dem Kunden in der Presales-Phase deutlich höher ist, verbunden mit einer aufwendigeren Auftragsbear- beitung und Kalkulation des Angebots461. Ist der Auftrag erteilt, zieht eine solche auftragsspezifi- sche Fertigung in der Regel eine individuelle Beschaffung und Fertigung nach sich, was in jedem Fall die Beschaffungskomplexität erhöht. Ähnliches gilt für die Produktionsplanung und Fertigung. Auch hier ist eine höhere Komplexität, verbunden mit höheren Wechselkosten, einer aufwendigeren Einrichtung und Planung der Produktion sowie höheren Kosten der Qualitätskontrolle (etwa im Vergleich zu einem standardisierten Massenprodukt) zu verzeichnen. Schließlich ist in der Regel bei einer individuellen Einzelfertigung auch ein höherer Aufwand bezüglich der Logistik und des After-Sales-Service erforderlich. So kann es im Unterschied zu standardisierten Leistungen leichter zu Divergenzen in Bezug auf die zugesagten Eigenschaften kommen, verbunden mit einer kostspie- ligen Nachbesserung, oder aber aufgrund individueller Transporterfordernisse fallen höhere Dis- tributionskosten an. Weiterhin gestaltet sich die Nachkaufphase nicht unbedingt einfach, weil spe- zielle Teile vorgehalten werden müssen bzw. man bei Reparaturen nicht unbedingt auf einen rei- chen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann462. Abgesehen von diesen eher anbieterseitigen Herausforderungen darf natürlich auch nicht übersehen werden, dass die individuelle Einzelfertigung auch vom Kunden einen deutlich erkennbaren Eigen- beitrag verlangt. Dies fängt bei der Bereitstellung individueller Kundeninformationen bezogen auf dessen Wünsche und Vorstellungen an. Des Weiteren ist unter Umständen eine aktive Mitarbeit bei der Problemlösung, etwa in einem gemeinsamen Entwicklungsteam, erforderlich. Schließlich ist ebenso eine aktive Überwachung der eigentlichen Herstellung beim Anbieter denkbar463. Aus diesen Ausführungen lässt sich zusammenfassend ableiten, dass die Unternehmen zum einen mit wesentlich schärferen Wettbewerbsbedingungen konfrontiert sind, und demzufolge die Frage nach der eigentlichen Wertschöpfung im Informationszeitalter vielfach in den Blickpunkt der Be- trachtung rückt. Zum anderen gilt es darüber hinaus auch zu berücksichtigen, dass Einfluss und Macht seitens privater und institutioneller Nachfrager über Gebühr zugenommen haben. Um den daraus resultierenden Herausforderungen gewachsen zu sein, zeichnet sich eine Entwick- lung ab, die sowohl die Unternehmen an sich als auch deren jeweiliges Umfeld in starkem Umfang beeinflusst. Hierbei handelt es sich um die unverkennbare Tendenz, dass die Unternehmen zuneh- mend auf verschiedene Varianten zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit über die eigentlichen Un- ternehmensgrenzen hinweg zurückgreifen. Dieses Phänomen wird nachfolgend einer näheren Be- trachtung unterzogen. 2.5.3 Die zunehmende zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der Unternehmen, deren Grundlagen und Konsequenzen in Bezug auf die Wertschöpfung In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass die steigende Bedeutung der interorgani- sationalen Zusammenarbeit z.B. in Form von Unternehmenskooperationen bzw. durch das Einge- 460 vgl. Jacob (1995), S. 29 ff. 461 vgl. Backhaus (1995), S. 441 ff. 462 vgl. Anderson (1997), S. 68 463 vgl. Piller (2000), S. 195 f. 133 hen von Partnerschaften entlang der Wertkette bereits an anderer Stelle deutlich zum Ausdruck ge- kommen ist. Diesbezüglich ist insbesondere auf die Analysen im Zusammenhang mit der Ausprä- gung der virtuellen Prozessorganisation und den entsprechenden Prozessanforderungen bezüglich der Ausrichtung der Wertkette im Informationszeitalter zu verweisen. Hier ist von einer unverkenn- baren Entwicklung in Richtung der Schaffung kleiner, flexibler und schlagfertiger Organisations- einheiten die Rede gewesen, die in der Lage sind, mittels effizienter und effektiver interorganisatio- naler Prozessverknüpfungen schnell und reibungslos Partnerschaften mit Dritten einzugehen bzw. dynamische Netzwerke mit Kunden und Zulieferern aufzubauen (siehe Kapitel 2.3.1 und 2.3.2 ff.). Hinter diesem gesamten Prozess hin zu einem Mehr an kooperativer Zusammenarbeit steht implizit das schnelle Fortschreiten der IuK-Technologien. Das bedeutet, ohne den bis dato erreichten tech- nologischen Entwicklungsstand wären weder die beschriebenen tief greifenden Änderungen im Be- reich der innerbetrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation noch der sich vollziehende Wandel im Umgang mit dem externen Markt denkbar. Neben diesen technologiegetriebenen Einflussfaktoren sind die zunehmenden unternehmensüber- greifenden Interaktionen auch eine Folge der beschriebenen Markt- bzw. Wettbewerbsentwicklung sowie der wachsenden Kundenanforderungen seitens institutioneller oder privater Abnehmer. Das heißt, abgesehen von dem ungeheuren Potenzial der Informationstechnologien, welches ein hohes Maß an Entscheidungszwängen nach sich zieht, geraten die Unternehmen durch die Marktentwick- lung zusätzlich unter Druck, sich näher mit den Erfordernissen eines veränderten Umgangs mit dem externen Markt auseinandersetzen zu müssen. Zur Verdeutlichung dieses Zusammenhangs empfiehlt es sich zunächst, auf der Basis der bereits erfolgten Analyse (siehe Kapitel 2.2 ff.) jene technologischen Grundlagen kurz zu rekapitulieren, die im Wesentlichen für eine Vereinfachung bzw. Förderung einer vermehrten und vertieften zwi- schenbetrieblichen Zusammenarbeit verantwortlich sind. Im Weiteren werden dann die entspre- chenden wettbewerblichen und marktlichen Bedingungen näher erläutert, aus denen sich die Not- wendigkeit, über alternative Formen der Marktbearbeitung nachzudenken, ableiten lässt. 2.5.3.1 Die technologische Basis zur Vertiefung der interorganisationalen Zusammenarbeit Diesbezüglich ist zunächst die Ausbreitung des Internets als offene und unspezifische Informations- infrastruktur in Erinnerung zu rufen. Auf Basis dieser Infrastruktur ist ein globales Rechnernetz entstanden, welches sich zum einen zu moderaten Kosten und ohne großen technischen Aufwand nutzen lässt und sich zum anderen durch Dynamik, Interaktivität und Skalierbarkeit auszeichnet. Bedingt durch diese Gegebenheiten sowie einem exponentiell steigenden Verbreitungsgrad wird das Internet zusehends zu einem sehr effizienten Austauschmechanismus, was mit hohen Einspar- potenzialen bei den Transaktionskosten einhergeht. Demzufolge übt das Vorhandensein des Inter- nets einen großen Einfluss auf die Vereinfachung des interorganisationalen Handels und der zwi- schenbetrieblichen Zusammenarbeit aus (vgl. Kapitel 2.2 f.). Ein weiterer wichtiger Meilenstein bezüglich der Etablierung zunehmend engerer zwischenbetrieb- licher Verknüpfungen ist in der Entwicklung und Ausbreitung von E-Commerce-Lösungen zu se- hen. Dabei handelt es sich um die oben erwähnten "sell- and buy-side solutions", die Entwicklung integrierter E-Commerce-Anwendungen im Rahmen des Supply Chain Management, die Weiter- entwicklung klassischer EDI-Systeme in web-basierte EDI-Systeme inklusive der Nutzung der Me- tasprache XML sowie die Schaffung von Web-Schnittstellen für traditionelle ERP-Systeme (vgl. Kapitel 2.2.2 ff.). Ein positiver Nebeneffekt dieser Entwicklung ist, dass auch kleinen und mittleren Unternehmen, welche sich früher die oft aufwendigen technischen Lösungen in den Bereichen ERP, EDI, VAN etc. nicht leisten konnten, die Anwendung dieser Technologien nicht verschlossen bleibt. Dies liegt einerseits an der Flexibilität und Breite der Einsatzmöglichkeiten der Informationstechnologien, die 134 zunehmend auch mittelständische Unternehmen in die Lage versetzen, etwa durch die Nutzung von ASP-Services oder Web-EDI, an dieser Entwicklung teilzuhaben. Des Weiteren sind die Kosten zur Implementierung und Aufrechterhaltung solcher Systeme heute deutlich geringer, so dass nahezu jedes Unternehmen sich einen entsprechenden Einsatz leisten kann (vgl. Kapitel 2.2.3.3). Ferner ist es von entscheidender Bedeutung, dass es durch das Internet und die darauf aufbauenden E-Commerce-Lösungen zu einer Konvergenz der Bereiche Netzwerke/Kommunikation (IP/VPN- Connection) - E-Commerce-Software (IT/Software) - Content/Media - elektronische Zusammenar- beit/Koordination gekommen ist. Dies trägt in hohem Maße dazu bei, dass die Unternehmen die Optimierung ihrer internen und externen Prozesse vorantreiben können, und somit die Basis einer zunehmend effizienten interorganisationalen Zusammenarbeit geschaffen wird464. In diesem Zu- sammenhang legt Broadview dar, dass die Entwicklung der IuK-Technologien im Wesentlichen für drei wichtige zu beobachtende Markttrends verantwortlich ist465: x Der Zunahme von zwischenbetrieblichen Beziehungen über elektronische Marktplätze x Die externe Produkt-Prozess-Integration, d.h., die Möglichkeit der simultanen Planung und Ausführung über alle Geschäftsprozesse hinweg x Eine zunehmende gemeinsame Aufgabenerfüllung über alle Unternehmensgrenzen hinweg Letztlich ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die neuen Technologien die gesamten unterneh- mensübergreifenden Kauf- und Verkaufsaktivitäten unterstützen, wie z.B. das Management der Kunden- und Zuliefererkontakte, das Sammeln von Preisinformationen, die Eingabe und die Ver- folgung von Angeboten, das Management verschiedener Transaktionen wie Entwicklung, Einkauf, Produktion und Logistik sowie das Analysieren von Kunden- und Anbieterdaten466, siehe auch das folgende Schaubild bezüglich der „Value Chain for E-Business Execution“467: Execution Systems Marketing Services CRM Services Customer Interaction Technolo- gies Planning-Systems B2C B2B B2B Digital Marketplaces Commerce Content Connection Context Community Inter- organi- satio- nal Coope- ration Abb. 37: Die Wertkette zur Ausführung von E-Business-Geschäften 464 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 10 465 vgl. Broadview (2000), S. 27 466 vgl. Skinner (2000), S. 34, siehe auch vertiefend Kapitel 3.1.2.2 ff. 467 in Anlehnung an Broadview (2000), S. 26. 135 Demzufolge erwarten Warburg Dillon Read, dass es im Laufe der nächsten Jahre zu einer zuneh- menden elektronischen Integration der Geschäftsprozesse entlang der jeweiligen Anbieter- Abnehmer-Wertkette kommen wird und darüber hinaus viele zwischenbetriebliche Transaktionen über elektronische Marktplätze ablaufen werden468 (siehe auch Anmerkungen im nächsten Ab- schnitt). 2.5.3.2 Interorganisationale Zusammenarbeit als Folge eines erhöhten Wettbewerbsdrucks, neuer Marktteilnehmer und veränderter Kundenanforderungen Über den sich verschärfenden Wettbewerb sind bereits in Kapitel 2.5.1 einige fundierte Aussagen gemacht worden. Die wesentlichen Gesichtspunkte, die die Notwendigkeit einer zunehmenden in- terorganisationalen Zusammenarbeit unterstreichen, sind zum einen die ungeheure Markttranspa- renz bzw. -effizienz, die mit der breiten Nutzung von Internet und E-Commerce einhergehen, die damit eng verknüpfte Überwindung von Raum und Zeit sowie die ungeheure Dynamik, verbunden mit einer nie dagewesenen Schnelllebigkeit beim Auftauchen und Niedergang einzelner Branchen sowie bei Produktlebens- und Entwicklungszyklen. Dabei erfordert gerade Letzteres ein intensives, effizientes und unternehmensübergreifendes Handeln, da sonst eine zeitnahe Produkteinführung im Zweifel am Markt entweder zu spät erfolgt (Stichwort time to market, siehe Kapitel 3.1.2.2.2) oder aber bereits im Vorfeld so viel an Kosten verschlingt, dass ein rentabler Verkauf des Produktes nicht mehr möglich ist. Diese unternehmensübergreifende Zusammenarbeit bezieht dabei auch mehr und mehr die der Her- stellung nachgelagerten Bereiche mit ein. Dies geschieht in der Form, dass Unternehmen mittels der neuen IuK-Technologien die Verbindungen zu ihren Absatzkanälen rationalisieren und verbessern. Ergebnis dessen sind deutlich reduzierte Prozesszeiten (Angebotsanfragen, -erstellung, Eingangs- bestätigung, Zusage des Liefertermins), die Etablierung einer netzbasierten engeren Zusammenar- beit sowie die Bereitstellung von Echtzeitinformationen, was in der heutigen schnelllebigen und vernetzten Zeit bisweilen ein großer Vorteil gegenüber der Konkurrenz ist469. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die eng mit der technologischen Entwicklung zusammenhängende Dekonstruktion der Wirtschaft (vgl. Kapitel 2.5.1.4). Diese ermöglicht nicht nur das Auftauchen zahlreicher neuer Marktteilnehmer und Konkurrenten, sondern zwingt die Unternehmen in vielfa- cher Art und Weise, sich auf ihre eigentlichen Kernkompetenzen bzw. wertschöpferischen Tätigkei- ten zu konzentrieren. Die Konsequenz ist, wie oben erwähnt, dass nicht zum Kerngeschäft gehören- de Unternehmensteile verkauft oder aber einzelne Bereiche der Geschäftstätigkeit wie z.B. Beschaf- fung von Betriebsmitteln, Annahme von Kundenanfragen, Beschwerdemanagement usw. outge- sourcst werden (vgl. Kapitel 2.3.1.1). Darüber hinaus können sich aus dieser Entwicklung auch neue Formen der Zusammenarbeit mit E-Hub-Betreibern ergeben sowie eine Intensivierung der Be- ziehungen zu anderen etablierten Unternehmen, die sich auch nach der Dekonstruktion der Wertket- ten als wertvoll bzw. wertschöpfend erwiesen haben. Bezüglich der neuen Marktteilnehmer sei z.B. auf die oben analysierten Intermediaries verwiesen. Diese vereinfachen mittels ihrer vielfältigen Geschäftsmodelle nicht nur den BtB- und BtC- Commerce, sondern erfordern vielfach eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Anbietern bzw. Nachfragern, Systemintegratoren wie PricewaterhouseCoopers oder Ernst & Young470, aber auch anderen traditionellen Zwischenhändlern. Diesbezüglich merken Kaplan/Sawhney an, dass die neuen elektronischen Marktplätze weit mehr bewirken als lediglich eine Automatisierung der Ab- 468 vgl. Warburg Dillon Read (2000), S. 86 469 vgl. Ross (2000), S. 7 f. 470 vgl. Yates (2000), S. 12 136 läufe, vielmehr gestalten sie den Arbeitsfluss zwischen Unternehmen in bestimmten Branchen völ- lig um471. Der Charakter einer solchen Zusammenarbeit kann dabei von eher langfristig und vertraglich abge- sichert, etwa bei systematischen Einkäufen von Produktionsmitteln über einen vertikalen Aggrega- tor, bis hin zu kurzfristig ausgerichteten Geschäftsbeziehungen bei Spoteinkäufen reichen. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Intermediaries ihrerseits eng mit jenen Unter- nehmen zusammenarbeiten müssen, die entweder die gesamten technischen Voraussetzungen schaf- fen oder mittels der von ihnen angebotenen „value added services“ die Attraktivität des elektroni- schen Marktplatzes steigern (vgl. Kapitel 2.2.4.3 ff.). Abgesehen davon liegt das vermehrte Auftreten von unternehmensübergreifender Zusammenarbeit teilweise auch in der Struktur des Wettbewerbs selbst begründet, was sich darin zeigt, dass z.B. Branchen wie die Automobil- und Telekommunikationsindustrie von Netzwerken aus Allianzen und Kooperationen durchzogen werden472. Geht man im Weiteren auf die veränderten Anforderungen aus Kundensicht ein, so spricht hier bei- spielsweise die zunehmende Individualisierung für eine unternehmensübergreifende Produkt- und Prozessentwicklung unter Einbezug der Kunden bzw. etablierter Zwischenhändler, was eine ent- sprechende vertiefte Zusammenarbeit voraussetzt. Ähnliches gilt für die Entwicklung hin zu mehr Lösungs- und Projektgeschäften. Diese werden sich sehr häufig nur unter Beteiligung anderer Un- ternehmen bewerkstelligen lassen, was wiederum ohne interorganisationale Zusammenarbeit un- denkbar ist. Hierzu merken Evans/Wurster an, dass erfolgreiche Wettbewerber im Zeitalter einer dekonstruierten Welt darauf angewiesen sind, mit solchen Unternehmen Allianzen einzugehen, die in ganz anderen Bereichen tätig sind. Hierbei geht es zunehmend um die Lösung komplexer Kun- denprobleme und nicht um "das Aufschwatzen einer Broschüre"473. Reicht für Ersteres das eigene Produktangebot bzw. Know-how nicht aus, ist die erforderliche Reichweite mittels solcher Unter- nehmen zu ergänzen, welche einen positiven Beitrag zur Entwicklung des geforderten Lösungsge- schäfts beisteuern können. Folglich evaluieren Unternehmen neu, wie sie und potenzielle Partner gegenüber dem Wettbewerb Mehrwert liefern können. Eine weitere Möglichkeit, den wachsenden Kundenanforderungen gerecht zu werden, ist der "Zu- sammenschluss" mehrerer Anbieter zu einem virtuellen Unternehmen, sprich einem informations- technisch basierten Netzwerk zwischen sonst unabhängig am Markt agierenden Unternehmen, die sich kurzfristig und in der Regel begrenzt, etwa im Rahmen eines Kundenprojektes, zusammen- schließen und die anstehenden Aufgaben gemeinsam erledigen474 (siehe auch Kapitel 3.1.1.1). 2.5.3.3 Konsequenzen der verstärkten zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit hinsichtlich der Wertschöpfung im Unternehmen Zieht man aus den bisherigen Aussagen eine kurze Zwischenbilanz, so ist festzustellen, dass sowohl die Ausprägung der modernen Vernetzungstechnologien als auch die Marktgegebenheiten hinsicht- lich Wettbewerb und Kundenerwartungen neue interorganisationale Wertschöpfungsmodelle er- möglichen und erfordern. Des Weiteren folgt aus dieser Entwicklung, dass die Effizienz der gesam- ten Leistungserstellung zunehmend von einem entsprechenden Schnittstellenmanagement abhängig ist (optimierte und synchronisierte Prozess- und Ablauforganisation als Wettbewerbsfaktor, siehe 471 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 62 472 vgl. Baumgarten (1998), S. 27 473 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 110, 193 474 vgl. Dunkel (2000) 137 Kapitel 2.3.1). Darüber hinaus ist die Produktivität eines Unternehmens zunehmend an jene der verbundenen Unternehmen gekoppelt475. Das heißt in Bezug auf die Wertschöpfung, dass es eine zunehmende Gefahr für die Unternehmen darstellt, sämtliche Unternehmensaktivitäten im Zeitalter der Informationsgesellschaft zu isoliert zu betrachten, und zwar im Sinne eines Wir (das Unternehmen) auf der einen Seite und die Anderen (der anonyme Markt, Konkurrenten, Zulieferer, Geschäftspartner, Kunden) auf der anderen Seite476. Im Gegenteil, gefragt ist vielmehr das Unternehmen, welches in der Lage ist, neben fest umrissenen Beziehungen zu Partnern, Lieferanten und Kunden auch Myriaden von elektronischen Beziehungen nebst den entsprechenden interorganisationalen Prozessen einzugehen bzw. zu bewerkstelligen. Letztlich ist es nur auf diese Weise möglich, den gestiegenen Handelsanforderungen von Partnern, Handelskanälen und Kunden gerecht zu werden sowie die zahllosen Gelegenheiten der zwischen- betrieblichen Zusammenarbeit auf Basis des Internets jenseits des eigentlichen Online-Handels a zunutzen477. us- . Diesbezüglich merken Alaniz/Roberts an, dass Unternehmen in Zukunft möglicherweise auf Basis der jeweiligen unternehmensübergreifenden Wertketten und nicht mehr produktbezogen miteinan- der im Wettbewerb stehen. Diese Tendenz wird u.a. dadurch verstärkt, dass die Unterscheidungs- merkmale von Produkten immer kleiner werden, sobald die Industrie in ihre Reifephase eintritt478. Somit geht es bezüglich der neuen Wettbewerbsfaktoren weniger um die eigentliche Qualität eines Produktes und/oder dessen Wert. Vielmehr steht die kreative Nutzung der IuK-Technologien, die Schaffung möglichst enger (elektronischer) Bindungen zu Zulieferern und Kunden, die Optimie- rung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfung, die Umsetzung hybrider Wettbewerbsstra- tegien (vgl. Kapitel 3 im Anschluss) sowie die möglichst zeitnahe Einführung des jeweiligen Produktes am Markt im Mittelpunkt der Betrachtung479 In gleicher Weise argumentiert auch Aldrich, indem er anmerkt, dass Herstellerfirmen in Zukunft immer weniger auf der Grundlage ihrer Fertigungs- bzw. Produktionskenntnisse miteinander kon- kurrieren. Stattdessen gewinnen Fähigkeiten an Bedeutung, sich auf elektronischem Wege (effizient und effektiv) mit Zulieferern und Kunden verbinden zu können bzw. Informationstechnologien zu implementieren, die die (unternehmensübergreifenden) Prozesse modernisieren und rationalisie- ren480. Und Phillips/Meeker merken in diesem Zusammenhang an, dass nicht zuletzt durch den Einfluss der Technologie zukünftig weniger die laufenden Kosten der einzelnen Geschäfte im Fokus der Un- ternehmen stehen, als vielmehr der Weg, diese abzuwickeln. Hierbei wird die Fähigkeit, mit ande- ren Unternehmen effizient und effektiv zusammen arbeiten zu können, zu den Kernkompetenzen (siehe vertiefend Kapitel 3.1.3.2) der Zukunft zu zählen sein481. Bezüglich der Effizienz und Effektivität darf keineswegs vernachlässigt werden, dass die zuneh- mende unternehmensübergreifende Zusammenarbeit durch den Aufbau und die Organisation ent- sprechender Netzwerke einen beträchtlichen Kommunikations- und Abstimmungsaufwand nach sich zieht. Dementsprechend ist ein geradezu exponentielles Ansteigen der Integrations- und Koor- dinationsaufgaben nach innen und außen zu verzeichnen. Jene können dabei je nach Art und Tiefe der Zusammenarbeit die unterschiedlichsten Formen bzw. Intensitäten annehmen. Letzteres ist z.B. davon abhängig, welche Formen der Zusammenarbeit seitens der am Markt eta- blierten Unternehmen untereinander bzw. mit den oben analysierten elektronischen Zwischenhänd- lern zum Tragen kommen. Diese unterschiedlichen Ausprägungsformen der Zusammenarbeit rei- 475 vgl. Piller (2000), S. 108 476 vgl. Huly/Raake (1995), S. 166 477 vgl. Cameron (2000a), S. 2 ff. 478 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 34 479 vgl. William Blair & Company (1999), S. 40 480 vgl. Aldrich (1999), S. 6 481 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 3, 7 138 chen von kurzfristig getätigten Spoteinkäufen bei elektronischen Börsen oder Auktionen bzw. der Gründung einer Einkaufsgemeinschaft über systematische Einkäufe bei horizontalen und vertikalen Aggregatoren bis hin zu einer intensiven Zusammenarbeit mit E-Hubs und der Inanspruchnahme zahlreicher Zusatzservices bzw. der unternehmensübergreifenden Vernetzung ganzer Wertketten (vgl. Kapitel 2.2.4.3 sowie 2.2.3.3 f.). Je nach Tiefe und Tragweite der Zusammenarbeit sind die beteiligten Unternehmen dann mit entsprechenden Koordinations- und Integrationskosten konfron- tiert. Damit erhöht sich der innerbetriebliche Druck enorm, nicht nur die richtigen Partner und die ent- sprechende Form der Zusammenarbeit zu finden, sondern parallel auch den Integrationsaufwand so gering wie möglich zu halten, was einen professionellen Umgang mit der daraus resultierenden In- formationsflut und der dahinter stehenden Komplexität erfordert482. Somit läuft die beschriebene Entwicklung letztlich auf das hinaus, was Cameron als Neu-Definition der unternehmerischen Erfolgsfaktoren bezeichnet. Zu diesen zählt er u.a. die Kooperation mit Wettbewerbern, um neue Märkte zu erschließen, eine unternehmensübergreifende Verbesserung der Prozesse sowie ein möglichst enges Zusammengehen mit den für die Leistungserstellung wichtigs- ten Partnern483. Darüber hinaus ist es im Zeitalter der Informationsgesellschaft von entscheidender Bedeutung, sich intensiv mit der eigentlichen Wertschöpfung im Unternehmen sowie im Verbund mit den entspre- chenden Partnern auseinanderzusetzen. Das heißt, parallel zu den oben genannten Erfordernissen ist letztlich zum einen eine Rückbesinnung auf jene Elemente erforderlich, die das Unternehmen in den Augen der Kunden positiv gegenüber der Konkurrenz abheben und welche die Existenzberechti- gung des Unternehmens darstellen. Zum anderen ist der Wertschöpfungsgedanke über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg zu tragen, wobei die effiziente und effektive Organisation eines sol- chen Wertschöpfungsverbundes zu den großen Herausforderungen der Zukunft zu zählen ist484. 2.5.4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse aus dem Vergleich der informatori- schen, ökonomischen und psychologischen Logiken zwischen dem Informations- und Industriezeitalter Bringt man die wesentlichen Erkenntnisse dieses Kapitels auf einen Nenner, so sind aus einem Ver- gleich der unterschiedlichen Logiken im Industrie- und Informationszeitalter sicherlich die Verän- derungen im Bereich der informatorischen Logiken am augenscheinlichsten. Dies liegt einerseits an der rasanten technologischen Entwicklung, verbunden mit dem exponentiell ansteigenden Verbrei- tungsgrad von Internet und E-Commerce, sei es in der Geschäftswelt oder in Privathaushalten (sie- he Kapitel 2.1 und 2.2 ff.). Andererseits üben die veränderten informatorischen Logiken auch einen profunden Einfluss auf unternehmensinterne Faktoren wie Organisation, Prozesse und Mitarbeiter aus. Diesbezüglich bieten sich völlig neue Organisations- bzw. Vernetzungsmöglichkeiten, die kei- nesfalls an den Unternehmensgrenzen Halt machen, sondern weit darüber hinausgehen und infolge eine saubere Abgrenzung zwischen unternehmensintern und -extern zunehmend schwieriger ma- chen (siehe Kapitel 2.3.1 und 2.3.2 ff.). Ferner ergeben sich auch einige einschneidende Konse- quenzen für die Mitarbeiter, je nachdem, ob der Einzelne eher zu den Knowledge-Workern oder zu den unter Marktgesichtspunkten beschäftigten Leiharbeitern zu zählen ist. Für Erstere bedeutet die Informationsgesellschaft das Aufkommen einer Vielzahl an Chancen bezüglich Individualisierung, Selbstverwirklichung sowie dem erreichbaren Arbeitseinkommen. Die Risiken der Selbstausbeu- tung und der sozialen Vereinsamung eines ständig umherziehenden Wissensnomaden dürfen aller- 482 vgl. Yates (2000), S. 7 483 vgl. Cameron (2000), S. 12 484 vgl. William Blair & Company (1999), S. 41 139 dings keineswegs vernachlässigt werden (vgl. Kapitel 2.3.3.2 f.). Die Randarbeitnehmerschaft hin- gegen sieht sich in der Informationsgesellschaft weit mehr Risiken als Chancen ausgesetzt. Diese fangen bei einer steigenden Unsicherheit des Arbeitsplatzes, verbunden mit häufigen Jobwechseln an und hören bei sozialem Abstieg, verbunden mit Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen und das Ab- driften an den Rand der Gesellschaft auf (vgl. Kapitel 2.3.3.2 ff.). Schließlich beeinflussen die veränderten informatorischen Logiken auch die Rahmenbedingungen der Marktseite in bedeutender Art und Weise. Hier sind in erster Linie die sich verschärfenden Wettbewerbsbedingungen, etwa infolge der Globalisierung der Wirtschaft, der Überwindung des Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite und dem Aufkommen neuer (netzba- sierter) Wettbewerber sowie die Entwicklung vom Anbieter- zum Nachfragermarkt zu erwähnen (vgl. Kapitel 2.5.1, 2.5.2 ff.). Betrachtet man die veränderten ökonomischen Logiken, so sind diese weniger offensichtlich als die eben angesprochenen informatorischen Logiken. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass sich das eigentliche inhaltliche ökonomische Ziel, nämlich dauerhaft am Markt zu überleben bzw. anpas- sungsfähig zu bleiben, auch im Informationszeitalter keinesfalls geändert hat. Was hingegen in star- kem Maße einem Wandlungsprozess unterliegt, ist die instrumentelle Frage nach dem Wie, d.h., auf welche Weise das übergeordnete inhaltliche Ziel erreicht werden soll. In diesem Zusammenhang spielt die Frage nach der eigentlichen Wertschöpfung im Unternehmen eine entscheidende Rolle, welche für die positive Entwicklung eines Unternehmens einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Diesbezüglich ist auf die (eng mit den veränderten informatori- schen Logiken zusammenhängende) Dekonstruktion bisher am Markt etablierter Wertketten, die Zunahme der Wettbewerbsintensität, die veränderten Kundenanforderungen oder die stark abneh- menden Produktlebenszyklen hinzuweisen. Diese sorgen dafür, dass die Unternehmen mehr und mehr gezwungen sind, sich intensiv mit dem eigenen Wertschöpfungsanteil auseinanderzusetzen, wobei nicht nur das eigene Unternehmen im Blickpunkt des Interesses steht, sondern zunehmend eine unternehmens- und wertschöpfungskettenübergreifende Sichtweise erforderlich ist. (vgl. Kapi- tel 2.5.1 ff.). In Bezug auf die veränderten psychologischen Logiken und die damit verbundene zentrale Erkennt- nis, dass es sich bei einem Unternehmen um ein soziales System handelt, ist zu sagen, dass diese (Logiken) mit Abstand am wenigsten offensichtlich bzw. für die Beteiligten erkennbar sind, son- dern ganz im Gegensatz zu den informatorischen Logiken einen eher verborgenen, impliziten Ein- fluss ausüben. Hieraus darf jedoch keinesfalls geschlossen werden, dass die psychologischen Logi- ken in ihrer Bedeutung etwa den (für jedermann erkennbaren veränderten) informatorischen Logi- ken in irgendetwas nachstehen. Im Gegenteil, gerade die analysierten Zusammenhänge bezüglich der Funktionsweise eines Unternehmens als komplexes soziales System (siehe Kapitel 2.4 ff.), was einem Paradigmenwechsel gleichkommt, darf insbesondere in Bezug auf die Entwicklung eines Unternehmens in seiner Tragweite keinesfalls unterschätzt werden (siehe auch Aussagen in Kapitel 3 im Anschluss). Darüber hinaus ist in diesem – eher allgemein gehaltenen Teil – neben den ausführlichen Analysen der veränderten Logiken im Informationszeitalter als eine weitere wesentliche Erkenntnis hervorzu- heben, dass eine erfolgreiche Bewältigung der Zukunft mehr und mehr von einem veränderten Um- gang mit dem externen Markt abhängt. Hiermit ist das Eingehen von Unternehmenskooperationen und anderer Formen partnerschaftlicher Zusammenarbeit gemeint, die letztlich auf einen wie auch immer gearteten unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsverbund hinauslaufen. Dabei wurde gezeigt, dass ein solcher Verbund zwingend erforderlich ist, um den beschriebenen marktlichen, ökonomischen und technologischen Herausforderungen gewachsen zu sein (vgl. Kapitel 2.5.3 ff.). 140 Vor diesem Hintergrund geht es in dem folgenden speziellen Teil darum, sich detailliert mit den (psycho-) logischen Anforderungen einer umfassenden Kooperationsstrategie auseinanderzusetzen. Dabei fließen die in den beiden zurückliegenden Kapiteln erarbeiteten Erkenntnisse konsequent in die Betrachtung ein, was sich daran ablesen lässt, dass u.a. folgende Punkte einer genaueren Analy- se unterzogen werden: 1. Grundbedingungen für einen strukturierten Umgang mit dem (externen) Markt mittels verschie- dener zu definierender Kooperationen bzw. Kooperationsformen unter Berücksichtigung der ei- ner Informationsgesellschaft zu Grunde liegenden informatorischen Logiken 2. Konsequente Berücksichtigung der veränderten ökonomischen Logiken im Rahmen der (unter- nehmensübergreifenden) Wertschöpfung innerhalb der zu vollziehenden Kooperationsaktivitä- ten 3. Umfassender Einbezug der psychologischen Logiken (das Unternehmen als soziales System) innerhalb der zu vollziehenden Kooperationsaktivitäten 141 3 Die Basis einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie und die daraus folgen- den Konsequenzen aus organisatorischer, informatorischer und psychologi- scher Sicht Wie aus dem Vergleich insbesondere der ökonomischen und informatorischen Logiken im Indust- rie- bzw. Wissenszeitalter eindeutig hervorgeht, ist es zwingend erforderlich, über intensivere und neue Formen der interorganisationalen Zusammenarbeit nachzudenken. Parallel dazu ist es notwendig, im Rahmen dieser Überlegungen auch die veränderten psychologi- schen Logiken gebührend zu berücksichtigen. Deren Einbezug in die weitere Betrachtung ist vor allem deshalb von großer Wichtigkeit, um einer einseitigen Konzentration auf die augenscheinlichen Veränderungen im Bereich der ökonomischen und informatorischen Logiken vorzubeugen. Denn dies, so Kastner, greift deutlich zu kurz, weil die besten technischen Ausrüstungen und die ausgefeiltesten Informationssysteme sich im Grunde nur sehr eingeschränkt nutzen lassen, wenn die Menschen weder das erwünschte Verhalten an den Tag legen noch ihr Wissen optimal einsetzen485. Das Resultat dessen ist dann nicht selten, dass die Entwicklung des jeweiligen Unternehmens nicht in der gewünschten Form erfolgt bzw. die Ergebnisse deutlich hinter den Erwartungen zurückblei- ben. Dieser Zusammenhang wird sehr gut durch das folgende Schaubild illustriert, welches nahe legt, dass es für die Gestaltung eines erfolgreichen Veränderungsprozesses notwendig ist, sowohl psy- chologische als auch strukturelle Logiken zu berücksichtigen:486 Abb. 38: Die Veränderungsmedaille 485 vgl. Kastner (1998), S. 178 486 entnommen aus Kastner (1995), S. 2 142 Aus diesen Aussagen geht bereits ansatzweise hervor, dass sich hinter der Erkenntnis über die Not- wendigkeit eines veränderten Umgangs zwischen Unternehmen und Markt eine ungeheure Kom- plexität mit nahezu zahllosen Handlungsoptionen und wechselseitigen Abhängigkeiten verbirgt. Um diese auch nur halbwegs in den Griff zu bekommen, ist auf Unternehmensseite eine systemati- sche und strukturierte Vorgehensweise bei der Ausarbeitung eines unternehmensspezifischen Ko- operationskonzeptes zwingend erforderlich. Dabei sollte ein solches Konzept die der Informations- gesellschaft zu Grunde liegenden informatorischen, ökonomischen und psychologischen Logiken (vgl. Kapitel 2) gebührend berücksichtigen. Die Arbeit wird daher im folgenden speziellen Teil ein Rahmenkonzept vorstellen, welches einem Unternehmen als Grundlage dienen kann, den Aufbau und das Management verschiedener Formen zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit besser zu bewerkstelligen. Diesbezüglich gliedern sich die Inhalte der kommenden Kapitel wie folgt: Zunächst geht es darum, die verschiedenen Möglichkeiten interorganisationaler Zusammenarbeit begrifflich zu erfassen und von Koordinationsmechanismen wie Markt und Hierarchie abzugrenzen (siehe Kapitel 3.1.1 f.). Darauf folgt eine Analyse der wesentlichen makroökonomischen Gegebenheiten, die die Notwen- digkeit zunehmend kooperativer Formen der Zusammenarbeit unterstreichen, sowie der sich bieten- den Kooperationsmöglichkeiten auf der mikroökonomischen Ebene (siehe Kapitel 3.1.2 f.). Im Weiteren wird der Zusammenhang zwischen dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen und der Etablierung von Unternehmenskooperationen unter Zugrundelegung theoretischer Grundlagen so- wie der Berücksichtigung besonderer Spezifika der Informationsgesellschaft einer ausführlichen Betrachtung unterzogen (siehe Kapitel 3.1.3 f.). Im Anschluss geht es darum, nach welchen wesentlichen Kriterien die Zusammenarbeit mit exter- nen Unternehmen qualifiziert und bewertet werden kann. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf jene logischen und vor allem psychologischen Merkmale gelegt, die einen entscheidenden Ein- fluss auf eine profunde Entwicklungsorientierung einer kooperativen Zusammenarbeit ausüben (siehe Kapitel 3.2 f.). Diese Kriterien wiederum bilden die Grundlage, um daraus verschiedene denkbare Kooperations- formen abzuleiten. Diese zeichnen sich zum einen durch eine unterschiedliche Ausprägung spezifi- scher informatorischer, organisatorischer und psychologischer Logiken aus, die die jeweilige Ent- wicklungsrichtung explizit und implizit steuern. Zum anderen tragen diese Kooperationskriterien in unterschiedlicher Art und Weise ihren Anteil zum Aufbau von kurz- bzw. langfristigen Wettbe- werbsvorteilen bei (siehe Kapitel 4 ff.). Dieses Kooperationsspektrum, welches auf logischen und psychologischen Grundbedingungen be- ruht, bildet die Basis für ein neues und vertieftes Verständnis bezüglich des Umgangs mit dem (ex- ternen) Markt, was die Stabilisierung der vorhandenen Wettbewerbsposition sowie darüber h gehend die Erlangung langfristiger Wettbewerbsvorteile angeht. inaus- Auf dieser Grundlage wird des Weiteren ein Bewertungsverfahren entwickelt, welches es ermög- licht, den Status quo einer bestehenden oder potentiellen Kooperation sowie das dahinter stehende Entwicklungspotenzial qualifiziert zu erfassen. Darüber hinaus geht es auf der Grundlage des erar- beiteten Kooperationsspektrums und der dahinter stehenden analysierten logischen und psychologi- schen Grundbedingungen darum, mögliche Entwicklungspfade einzelner Kooperationsformen und deren Bedingungskonstellationen aufzuzeigen. Diese sollen einem Unternehmen erkennen helfen, welche (gemeinschaftlichen) Schritte auf dem Weg zur Festigung der bestehenden Wettbewerbspo- sition sowie zum Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile entlang der Wertkette (noch) zu gehen sind (siehe Kapitel 5 ff.). 143 Somit steht ein Instrument zur Verfügung, was es nicht nur erlaubt, bestehende Unternehmensbe- ziehungen genau zu analysieren487, sondern welches sich auf alle (potenziellen) Kooperationspart- ner entlang der Wertkette anwenden lässt. Demnach werden ein Stück weit Kenntnisse vermittelt, auf deren Grundlage sich nach geeigneten Kooperationsunternehmen suchen lässt und die darauf hinweisen, welche wesentlichen Erfolgsparameter es bezüglich der erfolgreichen Durchführung der jeweiligen Kooperation zu beachten gilt488. Schließlich werden die gefundenen Erkenntnisse mittels einer Fallstudie aus der Praxis untermauert. Diesbezüglich werden das erwähnte Bewertungsverfahren sowie die entsprechenden analytischen Grundlagen einer praxisorientierten Validierung unterzogen (siehe Kapitel 6 ff.). Dabei dienen die in den kommenden Kapiteln aufgezeigten Ergebnisse letztlich als Basis für eine durch ein Unternehmen mit Kooperationsabsichten (oder bestehenden Kooperationen) zu formulie- rende umfassende (Kooperations-) Strategie. Denn schließlich ist es genau eine solche Strategie, die erfolgreiche von erfolglosen Unternehmen unterscheidet und welche die Grundlage für das Mana- gement von Kooperationen jeglicher Art ist, was nach Aussage von Schrempp eines der wichtigsten strategischen Erfolgsfaktoren der Zukunft eines Unternehmens darstellt489. Diese Vorgehensweise spiegelt im Übrigen den ganzheitlichen Ansatz dieser Arbeit wider, welche sich, wie eingangs erwähnt, zum Ziel gesetzt hat, übergeordnete Strukturen, statt intensive Betrach- tung von Teilprozessen, zu analysieren sowie Hilfestellung für die vorrangigen Gestaltungsfelder Struktur, Mensch und Technologie zu geben490 (siehe auch Einleitung Kapitel 1). Die Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise zur Ausgestaltung überbetrieblicher Formen der Zusammenarbeit wird dabei u.a. von Yates unterstrichen. Er sieht die Fähigkeit, Verbindungen zu externen Partnern auf der Basis einer entsprechenden Strategie (connecting to external partners) mit den internen Prozessen, Systemen, Technologien (integrating internal systems) in Einklang zu brin- gen, als eine der Schlüsselanforderungen der Zukunft an491. Des Weiteren kommt auch eine von dem Beratungshaus Roland Berger durchgeführte Studie zu der Erkenntnis, dass im Zeitalter von Internet und E-Commerce ein professionelles Zulieferer-Manage- ment erforderlich ist. Dieses wird von den beiden Säulen Umgang mit dem externen Markt (Modul- und Systemdefinition, Kooperationsphilosophie, Zulieferersegmentierung) sowie einer entsprech- enden Anpassung der internen Bedingungen (Organisation, Geschäftsprozesse, Managementsyste- me, Humanressourcen) getragen492. In Kenntnis dieser Anforderungen ist es daher erforderlich, es nicht allein bei der Betrachtung und Beschreibung einer veränderten Welt zu belassen ("was passiert" Kapitel 1+2), sondern zusätzlich den Unternehmen bezüglich des Umgangs mit dem externen Markt Mittel und Instrumente an die Hand zu geben (eine Frage des Wie), die es ermöglichen, zumindest ein Stück weit aktiv gestaltend auf die Zukunft einwirken zu können. Die Basis hierfür stellt ein Denken in Wirkungszusammen- hängen statt in analytischen Einzelbetrachtungen dar. Dabei geht es darum, das Wesentliche und die damit zusammenhängenden Interdependenzen in Bezug auf eine Problemlösung (das Wie) zu erkennen. Fest definierte Systemzustände oder zu er- reichende Endpunkte sind diesbezüglich wenig hilfreich, sondern die Anpassungs- und Steuerungs- fähigkeit eines Unternehmens wird eher dadurch verbessert, indem übergeordneten Interdependen- zen (das Zusammenspiel der einzelnen Logiken in Bezug auf die verschiedenen Kooperationsmög- lichkeiten und dessen Konsequenzen) aufgezeigt werden493. 487 vgl. Walsh (1998), S. 303 488 vgl. Braun (1999), S. 43 489 vgl. Schrempp (1995), S. 10 490 vgl. Warnecke (1999), S. 6.; Braun (1999), S. 49 491 vgl. Yates (2000), S. 8 ff. 492 vgl. Roland Berger (2000), S. 28 ff. 493 vgl. Vester (1988), S. 155 144 Schließlich wird mit diesem Lösungsansatz auch unterstrichen, dass ein Unternehmen eben keine triviale Maschine, sondern ein komplexes soziales System ist (vgl. Kapitel 2.3 und 1.3), und somit eine systemverträgliche Entwicklung mit der damit verbundenen Nachhaltigkeit nur über einen ganzheitlichen Ansatz erreicht werden kann494. 3.1 Die Grundlagen der Umsetzung einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie zur Sicherstellung einer dauerhaften Überlebensfähigkeit im Zeitalter der Informationsgesellschaft Die bisher getroffenen eher pauschalen Aussagen bezüglich der Notwendigkeit einer Etablierung neuer Formen zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit sind im Weiteren inhaltlich näher zu konkre- tisieren. Infolgedessen wird im Anschluss darauf eingegangen, wie sich diese unternehmensübergreifende Zusammenarbeit definitorisch fassen und von den Koordinationsformen Markt und Hierarchie ab- grenzen lässt. Hierbei geht es vor allem um die Sensibilisierung hinsichtlich eines veränderten Um- gangs mit dem externen Markt durch Abkehr vom einseitigen Markt- oder Hierarchiedenken als einzige mögliche Koordinationsform495, wobei insbesondere Erkenntnisse aus der Transaktionskos- ten- und Spieltheorie mit in Untersuchung einfließen. Nach diesen einführenden Anmerkungen werden auf Basis der Aussagen in Kapitel 2.5.1 ff. die wesentlichen makroökonomischen Trends herausgearbeitet, wobei der Zusammenhang zwischen der Notwendigkeit von zunehmend kooperativen Formen der Zusammenarbeit und dem Umgang mit Komplexität und Dynamik einen zentralen Platz einnimmt. Des Weiteren kommen einige ver- tiefende Anmerkungen in Bezug auf denkbare konkrete kooperative Ausprägungsformen auf der mikroökonomischer Ebene, gespiegelt an verschiedenen Wertschöpfungsstufen, angefangen beim Verkauf, über Forschung und Entwicklung, bis hin zur Produktion, zur Sprache. Ferner geht es darum, den Blick dafür zu schärfen, dass es sich beim Eingehen von Kooperationen keineswegs um einen Selbstzweck handelt, sondern dieses untrennbar mit der Frage nach der Wert- schöpfung und damit der Sicherstellung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens verknüpft ist. Dabei wird der zentralen Erkenntnis Rechnung getragen, dass ein konsequenter Blick auf die Wert- schöpfung innerhalb der zu vollziehenden Kooperationsaktivitäten aufgrund der makroökonomi- schen Erkenntnisse sowie vor dem Hintergrund der sich gerade vollziehenden Turbulenzen in der „New Economy“, absolut notwendig ist496 (siehe auch Kapitel 2.5.1.6 und 2.5.3.3). Demzufolge wird im Rahmen der kommenden Ausführungen die interorganisationale Wertschöp- fung zur besseren Orientierung in ein übergeordnetes Zielsystem eingeordnet (Stichwort Sicherung der Überlebensfähigkeit durch Systemverträglichkeit) sowie theoretisch fundiert dargelegt, was es beim Aufbau von kurz- und langfristigen Wettbewerbsvorteilen in einer digitalen Wirtschaft zu beachten gilt. 494 siehe zur Systemverträglichkeit Kapitel 3.1.3.1 495 vgl. Baumgarten (1998), S. 164 ff. 496 vgl. Buchhorn/Müller/Rickens (2001), S. 155 ff. 145 3.1.1 Definition von Kooperationen und anderen Formen zwischenbetrieblicher Zusammen- arbeit sowie Darstellung der Gründe für die Abkehr vom einseitigen Markt- /Hierarchiedenken Der Begriff der Kooperation ist in der Fachwelt nicht eindeutig definiert, sondern wird in vielfälti- ger Art und Weise gebraucht, wobei teilweise stark unterschiedliche Auffassungen vertreten wer- den497. Zur Orientierung werden infolge die wichtigsten Aussagen diskutiert, ohne dass angestrebt wird, zu einer endgültigen Klärung der Begrifflichkeiten beizutragen. Betrachtet man zunächst den Begriff Kooperation an sich, so lässt sich bei aller Unterschiedlichkeit der Definitionen feststellen, dass die meisten Aussagen zumindest dahingehend eine Gemeinsam- keit aufweisen, dass Kooperationen im Zusammenhang mit einem koordinierten Tätigwerden auf der Basis von weit gehender Selbstständigkeit der beteiligten Akteure gesehen werden498. So spricht Schertler von Kooperationen als ziel- und nutzenorientierte Beziehungen zwischen Indi- viduen und/oder Institutionen auf Wechselseitigkeit499. Schmidt erwähnt Kooperationen im Zu- sammenhang mit unternehmerischen Geschäftsbeziehungen, wobei einerseits Voraussetzung ist, dass es zwischen den Geschäftspartnern zu einer bewussten Verhaltensabstimmung im Hinblick auf eine gemeinsame Zielerreichung kommt sowie anderseits die Geschäftspartner selbstständig und voneinander unabhängig sind500. Baumgarten hebt als Definitionskriterium das koordinierte Tätig- werden gegenüber Dritten hervor, wobei sich Unternehmenskooperationen als Koalition von Orga- nisationen bzw. sozialen Einheiten charakterisieren lassen, deren wichtigstes Kennzeichen die grundlegende Bereitschaft zu einer Verhaltensbeschränkung zu Gunsten anderer Mitglieder ist501. Hierin spiegelt sich das Paradoxon der Freiheit nach Boettcher wider. Nach diesem bedeutet Koope- ration, dass es bei jeder Ausweitung des Handlungsspielraumes immer auch gleichzeitig zu einer Einengung des Handlungsspielraumes kommen muss502. Straube schließlich versucht in seinem Kooperationsbegriff alle in der Literatur gängigen Unter- scheidungsmerkmale zusammenzufassen und definiert diesen wie folgt: "Zwischenbetriebliche Kooperation liegt dann vor, wenn zwei oder mehrere Unternehmen freiwillig nach schriftlicher oder mündlicher Vereinbarung innerhalb des von der Rechtsordnung gesetzten Rahmens unter der Voraussetzung zusammenwirken, dass keines von ihnen seine rechtliche und seine wirtschaftliche Selbstständigkeit – abgesehen von Beschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse, wie sie für die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit notwendig sind – aufgibt oder als Folge der Kooperation verliert und jeder dieses Verhältnis jederzeit sowie ohne ernstliche Gefahr für seine wirtschaftliche Selbstständigkeit lösen kann, und wenn dieses Zusam- menwirken für die Unternehmen den Zweck hat, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, zu diesem Zweck eine oder mehrere Unternehmensfunktionen in mehr oder weniger loser Form gemeinsam auszuüben und auf diese Weise ihre Leistungen, Produktivität und Rentabilität zu steigern, damit jeder Teilnehmer für sich einen höheren Nutzen erzielt als er ihn bei individuellem Vorgehen errei- chen könnte"503. Geht man infolge einen Schritt weiter und nimmt auf dieser Basis den Ausdruck Unternehmensko- operation als Oberbegriff, so lassen sich hieraus eine Reihe von Differenzierungen ableiten, wie die folgenden Ausführungen zeigen. 497 vgl. Schmidt (1997), S. 21 498 vgl. Kaufmann (1993), S. 172 499 vgl. Schertler (1995), S. 21 500 vgl. Schmidt (1997), S. 17 501 vgl. Baumgarten (1998), 124 f. 502 vgl. Boettcher (1974), S. 42 503 vgl. Straube (1972), S. 65 (hervorgehoben im Original) 146 3.1.1.1 Die Differenzierung von Kooperationen gemäß ihrer wettbewerblichen Verbunden- heit und dem Ausmaß der Zusammenarbeit: Von der strategischen Allianz bis zum virtuellen Unternehmensverbund Klassifiziert man die an einer Kooperation beteiligten Unternehmen auf Basis ihrer Verbundenheit miteinander, so ist zwischen vertikalen, horizontalen und diagonalen bzw. lateralen Kooperations- beziehungen zu unterscheiden504. Eine vertikale Kooperation beschreibt die Verbindung einander vor- oder nachgelagerter Unterneh- men einer Branche, etwa im Rahmen von Liefer- und Leistungsbeziehungen in den Bereichen F&E, Produktion und Handel505. Von einer horizontalen Kooperation ist die Rede, wenn zwei oder mehr Unternehmen aus derselben Branche sich zu einer Zusammenarbeit entschließen. Eine laterale Kooperation schließlich beschreibt die Zusammenarbeit von Unternehmen verschiede- ner Branchen sowie teilweise auch unterschiedlicher Wirtschaftsstufen506. Basierend auf dieser Differenzierung und in Abhängigkeit vom Ausmaß der Kooperation lassen sich weitere Begriffe herausarbeiten. So definiert Schertler eine strategische Allianz als eine horizontale Kooperation zwischen zwei oder mehreren Unternehmen zum Erreichen gemeinsamer strategischer Ziele, wobei die Unternehmen der gleichen Branche angehören und es sich somit um direkte Wettbewerber handelt507. In ähnlicher Weise äußert sich Sell, welcher darüber hinaus auch bei lateralen Kooperationen von unterneh- menspolitischem Gewicht von strategischen Allianzen redet508. Sydow wiederum, und dies zeigt nochmals die Vielfalt der Meinungen, spricht sowohl bei horizontalen als auch bei vertikalen Ko- operationen von strategischen Allianzen509. Im Zusammenhang mit dem Begriff der strategischen Allianz ist zusätzlich hervorzuheben, dass der Ausdruck Allianz oft mit Hilfe des Wortes Koalition erläutert wird510. So fasst z.B. Porter langfris- tige Vereinbarungen, die über das normale Tagesgeschäft hinausgehen, aber noch nicht als Unter- nehmenszusammenschlüsse zu bezeichnen sind, als Koalitionen auf (eine Abgrenzung zum Begriff Kooperation erfolgt nicht). Koalitionen versteht er dabei als formale, langfristig ausgerichtete Alli- anzen511. Der Zusatz des Wortes strategisch soll dabei die Längerfristigkeit der Zusammenarbeit unterstreichen, in Abgrenzung etwa zu einer zeitlich und sachlich beschränkten Kooperation, wie sie bei operativen Auftragskooperationen oder bei Anbieterkoalitionen im Industriegütermarke- ting512 zu finden sind (vgl hierzu vertiefend Kapitel 3.1.3.2 ff.). Genau jene Dauerhaftigkeit von strategischen Allianzen stellt Bleicher wiederum in Frage, indem er darauf verweist, dass es zur Erreichung strategischer Ziele in einer dynamischen Umwelt erforder- lich sein kann, neue, oftmals gegen die ursprünglichen Partner gerichtete Allianzen zu schmieden. Daher können auch strategische Allianzen durchaus volatile Formen annehmen513. In ähnlicher Weise äußert sich auch Servatius, für den es durchaus strategische Allianzen mit klar definiertem Anfang und Ende, z.B. bei Allianzen im Bereich F&E, gibt514. Ein weiterer Begriff aus der Kooperationstheorie, welcher in den letzten Jahren in seiner Bedeutung stetig zugenommen hat, ist der des Unternehmensnetzwerkes. Dieses unterscheidet sich von ande- 504 vgl. Sell (1995), S. 83 505 vgl. Staudt et al. (1992), S. 125 ff. 506 vgl. Benisch (1973), S. 97 507 vgl. Hammes (1995), S. 60 508 vgl. Sell (1995), S. 83 509 vgl. Sydow (1992), S. 63 510 vgl. Backhaus/Piltz (1990), S. 2 f. sowie Ihrig (1991), S. 29 511 vgl. Porter/Fuller (1986), S. 315 512 vgl. Günter (1977), S. 156 f. 513 vgl. Bleicher 1989, S. 78 f. 514 vgl. Servatius (1987), S.222 147 ren Kooperationsformen vor allem in der erheblich höheren Komplexität, womit die teilweise indi- rekten und multiplen Verbindungen der Partner untereinander gemeint sind. Dabei können diese "Vernetzungen" entweder latent vorhanden, "tightly coupled"515 oder so variabel sein, dass sie sich den jeweiligen Umwelterfordernissen anpassen516. Bei Netzwerken ist, im Unterschied zu Allianzen, entscheidend, dass die Verknüpfungen zwischen den Beteiligten komplexere Formen annehmen sowie eine höhere Zahl an Partnern zusammenarbei- ten. Somit geht es beim Begriff Netzwerk um eine übergeordnete Teilmenge, deren untergeordnete Teilmengen sich durchaus aus Allianzen zusammensetzen können517. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung zwischen einer strategischen Familie und einem strategischen Netzwerk. Erstere geht im Wesentlichen auf die Gedanken von Albach zurück, welcher mit dem Ausdruck strategische Familie eine bewusste Weiterentwicklung der Gedanken zur strategischen Allianz im Sinn hat. Dabei entwickelte er einen Ansatz, der Unternehmenskooperationen zwischen Kernunter- nehmen und deren Zulieferern zum Inhalt hat. Diesbezüglich ist eine strategische Familie als ein Geflecht zu verstehen, welches auf langfristigen Verträgen beruht, geprägt durch den "familiären Charakter" des gegenseitig aufeinander Angewiesenseins, der gegenseitigen Abhängigkeit, kom- plementärer Strategien sowie des partnerschaftlichen Umgangs der "Familienmitglieder" unterein- ander518. Nimmt jetzt das Geflecht der Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen einen noch grö- ßeren Umfang an und führt eine so genannte "hub firm" das Netzwerk strategisch, so kann auch von einem strategischen Netzwerk gesprochen werden519. In ähnlicher Weise argumentiert Sydow, für den ein strategisches Netzwerk "eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen abzielende, polyzentrische Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und Hierarchie dar- stellt, die sich durch komplex reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Be- ziehungen zwischen rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich jedoch meist abhängigen Unternehmen auszeichnet"520. Die Gardner Group hingegen spricht in diesem Zusammenhang von "net-liberated-organizations" und meint damit solche Partnerschaften, die zu einem Netz von Unternehmen führen, die gemein- sam innerhalb einer Wertschöpfungskette arbeiten521. Ein praktisches Beispiel für die Ausprägung eines strategischen Netzwerkes ist in den japanischen Keiretsu zu sehen, wobei der Kern durch ein führendes Industrie- oder Handelsunternehmen gebil- det wird, welches die strategische Führung wahrnimmt. Den beteiligten Banken kommt neben der Finanzierung auch die Auftragsvermittlung zwischen den einzelnen Mitgliedern zu, welche teilwei- se über 100 Unternehmen umfassen kann. Zusätzlich zu diesen Kernunternehmen gehören zu dem strategischen Netzwerk noch eine hohe Zahl an kleineren, selbstständigen Zulieferern, die aller- dings nicht über den Status der Kernunternehmen verfügen522. Gemeinsam ist sowohl der strategischen Familie als auch dem strategischen Netzwerk, dass es sich in jedem Fall um vertikal bzw. diagonal ausgerichtete Kooperationsformen handelt, also die betei- ligten Unternehmen nicht in direkter Konkurrenz miteinander stehen523. Ein weiterer, sich gerade im Zeitalter der Informations- und Wissensgesellschaft rasant verbreiten- der Kooperationsbegriff ist der des virtuellen Unternehmens (siehe Kapitel 2.3.1 ff. und 2.5.3.2). 515 vgl. Sydow (1992), S.86 516 vgl. Grabher (1991), S. 101 517 vgl. Schmidt (1997), S. 23 518 vgl. Albach (1992), S.665 ff. 519 vgl. Backhaus/Meyer (1993), S.332 f. 520 vgl. Sydow, J. (1993), S. 82 (zitiert im Original) 521 entnommen aus: Scheermagazin (2000), S. 6 522 vgl. Sydow (1991), S. 239 ff. sowie Schneidewind (1991), S. 259 ff. 523 vgl. Sell (1995), S. 83 148 Dieser steht für eine Verbundform mehrerer Unternehmen, die zusammengenommen die Charakte- ristiken eines größeren Unternehmens besitzen, welches allerdings real nicht existent ist. Ähnlich wie bei den strategischen Netzwerken wird auch im Falle des virtuellen Unternehmens eine enge Vernetzung hergestellt, welche aber nicht vertragsrechtlich langfristig etabliert wird. Es kommt auch nicht zu hohen Bindungskräften zwischen den einzelnen Teilnehmern524. Im Grunde handelt es sich bei virtuellen Unternehmen um virtuelle Verbünde, also informationstechnisch basierte Netzwerke, zwischen sonst unabhängig agierenden Firmen, die ein gemeinsames Geschäftsziel ver- folgen525. Zu diesem Zweck und für den Zeitraum der Zielverfolgung agieren sie wie ein einziges Unternehmen, jedoch mit flüchtiger Ablauf- und Projektorganisation, welche sich zudem häufig nach Zielerreichung wieder auflöst526. Nach der Analyse der wichtigsten Ausprägungen zwischenbetrieblicher Kooperationsformen geht es nachfolgend um die Frage, warum Unternehmen überhaupt zu dieser Form der Koordination greifen und nicht einfach alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen oder aber versuchen, durch Unternehmensübernahmen die entsprechenden Aufgaben intern zu bewältigen, wie dies noch im Industriezeitalter der Fall gewesen ist (vgl. Kapitel 1.2 ff.). 3.1.1.2 Gründe für die Abkehr vom einseitigen Markt- und Hierarchiedenken und der Hin- wendung zu neuen Koordinationsformen Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, empfiehlt es sich zunächst, einen Blick auf die grundle- genden Koordinationsformen zu werfen, die in der betriebswirtschaftlichen sowie der sozialwissen- schaftlichen Literatur in der Regel genannt werden. Es sind dies die beiden Pole Markt und Hierar- chie527. Zur Klärung, welche der beiden Koordinationsformen die zweckmäßigere ist, bietet sich eine Ana- lyse mit Hilfe der Transaktionskostentheorie an. Jene sagt aus, dass jede Koordination wirtschaftli- cher Aktivitäten Kosten verursacht. Zu diesen Kosten zählen beispielsweise Anbahnungs-, Verein- barungs-, Kontroll- und Anpassungskosten, also alle Kosten, die nicht Produktionskosten sind528, aber auch für die wirtschaftliche Koordination so wichtige Kosten wie Informations- und Kommu- nikationskosten529. Durch die Transaktionskostentheorie lässt sich somit erklären, warum Unternehmen entstehen, wo- bei implizit angenommen wird, dass sich die Wirtschaftssubjekte insofern rational verhalten, dass sie diejenige Koordinationsform wählen, die die niedrigsten Transaktionskosten verursacht. Daher kommt es dann zur Gründung bzw. Entstehung von Unternehmen, wenn die marktlichen Transakti- onskosten höher sind als die Koordinierungskosten der entsprechenden Transaktionen innerhalb ei- nes Unternehmens530. An dieser Stelle muss hinzugefügt werden, dass die Transaktionskostentheorie im Grunde auf der Annahme eines begrenzt rationalen Verhaltens der am Wirtschaftsleben Beteiligten beruht531. Denn erst die Grenzen der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität532 verursachen jenes Koor- dinationsproblem, was Unternehmen und Institutionen entstehen lässt. Das bedeutet, gäbe es nicht 524 vgl. Warnecke (1999), S. 13 525 vgl. Dunkel (2000) 526 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 117 527 vgl. Baumgarten (1998), S. 164 528 vgl. Picot (1982), S. 270 529 vgl. Richter/Furubotn (1996), S. 49ff. 530 vgl. Schmidt (1997), S. 8 531 vgl. Sydow (1992a), S. 292 f. 532 vgl. Simon (1972), S. 161 ff. 149 die beschränkte Informationsverarbeitungskapazität, hieße dies, alle wären vollständig informiert und somit würde es weder ein Abstimmungsproblem und schon gar keine zu minimierenden Trans- aktionskosten geben533. Sieht man sich jetzt die transaktionstheoretischen Extrempunkte Markt und Hierarchie in Form ei- nes Schaubildes an, fällt auf, dass sich die im obigen Abschnitt besprochenen Kooperationsformen genau zwischen den beiden Punkten befinden534: Abb. 39: Mögliche Koordinationsmechanismen zwischen Unternehmen Folgt man jetzt dem (eingeschränkten) Rationalitätsprinzip der Transaktionskostentheorie (im Wei- teren TK-Theorie), so kommt es immer dann zu Kooperationen zwischen Unternehmen, wenn so- wohl die marktliche als auch die unternehmensinterne Abwicklung höhere Transaktionskosten her- vorrufen, also weder Wettbewerb noch hierarchische Integration als Koordinationsmechanismus zum Tragen kommt535. Anders ausgedrückt, die Entscheidung über eine Kooperation beinhaltet immer die Frage, ob eine Leistung mit Hilfe eines bzw. mehrerer anderer Unternehmen(s) besser und günstiger erstellt wer- den kann, oder der Vollzug der entsprechenden Aufgaben in Eigenregie sinnvoll ist536. Auf einen einfachen Nenner bringt diesen Zusammenhang Mirow, indem er feststellt, dass es nur ein Ziel bei Kooperationen (Allianzen) gibt, nämlich den Ausbau der Wettbewerbsposition zur Stärkung der Ertragskraft537. 3.1.1.2.1 Die Gefahr opportunistischer Verhaltensweisen als wichtiger Begleitumstand beim Rückgriff auf Kooperationen als Koordinierungsform Ein weiterer wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der begrenzten Rationalität der handelnden Akteure innerhalb der TK-Theorie ist die Annahme, dass sich deren Verhalten bisweilen als oppor- tunistisch charakterisieren lässt538. Mit opportunistischem Verhalten ist ein auf den eigenen Vorteil 533 vgl. Schmidt (1997), S. 9 534 in Anlehnung an Hammes (1995), S. 81 535 vgl. Stahl (1994), S. 137ff. 536 vgl. Kaufmann (1993), S. 100 537 vgl. Mirow (1995), S. 94 538 vgl. Dorow/Weiermair (1984), S. 191 150 bedachtes Verhalten gemeint, was immer auch die Gefahr der Übervorteilung sowie des Ausnutzens von Situationen mit asymmetrischer Informationsverteilung impliziert. Bringt man diesen Sachverhalt innerhalb der TK-Theorie mit dem Für und Wider des Eingehens einer Kooperation in Verbindung, so spielen die Faktorspezifität bzw. die Plastizität einer Ressour- ce eine wesentliche Rolle. Erstere meint die Spezifizität und Langlebigkeit einer für eine Kooperation getätigten Investition. Je größer und wichtiger die Investition für das entsprechende Unternehmen ist, desto größer ist das In- teresse an einer stabilen Beziehung und einer Minimierung der Verhaltensrisiken539. Die Plastizität hingegen meint die Veränderbarkeit und Manipulationsmöglichkeit bei der Nutzung einer Ressource. Je plastischer und schwerer beobachtbar die Leistungsabgabe bei der Nutzung ei- ner Ressource ist, desto weit gehender sind die Verhaltensspielräume, mit der damit verbundenen Gefahr der Übervorteilung540. Auf dieser Basis sind Kooperationsbeziehungen eher dann zu erwarten, wenn die Plastizität der ge- nutzten Ressourcen gering ist und zudem wenig spezifische Investitionen zu tätigen sind. Anderen- falls wird die Unternehmenskooperation zu einem nicht zu unterschätzenden Risiko und erfordert hohe Transaktionskosten in Form von Vereinbarungs- sowie Kontroll- und Überwachungskosten541. Hieraus geht bereits implizit hervor, dass die Wahrung der eigenen Ansprüche und Fairness gegen- über den Kooperationspartnern zu den zentralen Herausforderungen einer jeden Kooperation zäh- len542. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die grundlegende Ausgestaltung der Kooperationsbezie- hung bezüglich der rechtlichen, technologischen und soziologischen Rahmenbedingungen543 (alles zentrale Einflussfaktoren auf Organisations- bzw. Transaktionskosten, siehe hierzu im Weiteren Ka- pitel 3.2 ff.). 3.1.1.3 Einige kritische Anmerkungen zum Transaktionskostenansatz unter Berücksichti- gung neuerer Erkenntnisse der Spieltheorie und Ableitung der daraus resultierenden Folgen Die TK-Theorie bedient sich zur Erklärung des Kooperationsphänomens lediglich der beiden Inter- aktionsformen Markt und Hierarchie, wobei die Kooperation, wie oben dargelegt, zwischen diesen beiden Extremen lokalisiert ist. Schaut man sich die Interaktionsform des Marktes etwas näher an, so fällt auf, dass die TK-Theorie für sich allein betrachtet zu kurz greift. Dies lässt sich damit erklä- ren, dass innerhalb des Marktes letztlich zwei Interaktionsformen in Erscheinung treten, nämlich die Interaktionsform des Tausches und jene des Wettbewerbs. Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass die Interaktionsform der Kooperation zumindest von drei Extrempunkten wirtschaftlicher Interakti- on zu unterscheiden ist: Der Hierarchie, dem Wettbewerb und dem Tausch544. Des Weiteren trägt die TK-Theorie wenig zur Klärung des hinter den einzelnen Interaktionsmecha- nismen stehenden kooperativen oder non-kooperativen Charakters bzw. dessen Ausprägung bei. Stattdessen stützt sie sich einzig und allein auf die Kosten als Unterscheidungsmerkmal. Diese sa- gen jedoch nichts über die Art der eingesetzten Mittel innerhalb der verschiedenen Koordinations- formen aus, wobei es zusätzlich zu berücksichtigen gilt, dass niedrige Transaktionskosten sowohl 539 vgl. Williamson (1985), S. 74 540 vgl. Schuhmann (1987), S. 402 541 vgl. Bresslein (1985), S. 36 ff. sowie Kaufmann (1993), S. 114 f. 542 vgl. Baur (1990), S. 59 ff. 543 vgl. Baur (1990), S. 59 ff. 544 vgl. Plassmann (1974), S. 23 151 das Ergebnis kooperativer als auch non-kooperativer Maßnahmen sein können. Somit gibt es keine Eindeutigkeit in Bezug auf die Zuordnung zwischen Interaktionsform und Transaktionskosten545. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse erscheint es sinnvoll, einen Blick auf die Intentionen der Akteure im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Kooperation zu werfen. Diesbezüglich stellen Mulford/Rogers in Anlehnung an spieltheoretische Erkenntnisse546 fest, dass kooperativ handelnde Akteure in die eigenen Entscheidungen nicht nur die Handlungen der anderen (Kooperationspartner) mit einbeziehen, sondern auch deren Ziele. Damit erfolgt die eigentliche Ko- ordination schon bei den Handlungsabsichten und nicht erst bei den -folgen547. Hieraus geht implizit hervor, dass sich die Kooperation gegenüber anderen Koordinationsformen durch eine (zumindest ansatzweise erkennbare) wechselseitige Berücksichtigung der jeweiligen Interessen auszeichnet. Dies bedeutet konkret, dass nicht nur die Entscheidungsautonomie der Beteiligten einschränkt ist (vgl. das Paradoxon der Freiheit nach Boettcher Kapitel 3.1.1), sondern darüber hinaus bei einer Kooperation auch jegliche Anonymität der Unternehmen aufgehoben ist (im Gegensatz zu einer reinen Preis-Markt-Koordination). Dieses äußert sich dahingehend, dass die Koordination nicht ex post durch Abstimmung über Marktpreise, sondern ex ante durch Vereinbarung und Abstimmung von Unternehmensplänen erfolgt 548. Warnecke spricht diesbezüglich von einer Erosion von Unternehmensgebilden. Hierbei sind am industriellen Wertschöpfungsprozess verschiedene Unternehmen, Unternehmensteile oder andere autonome Organisationseinheiten beteiligt. Deren Koordination und vertragliche Bindungen erfol- gen über vorab zu schließende Liefer- und Leistungsbeziehungen und nicht zwingend über das Kri- terium der Zugehörigkeit zu einer rechtlichen Einheit549. Auch Piller sieht den Zweck einer Kooperation etwa in Form von (Produktions-) Netzwerken darin, dass aus einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung ein kooperativer Nutzen gezogen wird, indem man beispielsweise gemeinsam knappe Ressourcen nutzt550. Des Weiteren ist hinzuzufügen, dass jede Kooperation auch immer das Risiko in sich birgt, über- vorteilt zu werden und damit am Ende schlechter dazustehen, als vor der Kooperation (siehe auch Aussagen im vorherigen Abschnitt). Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Verflechtung der Handlungsabsichten zwischen zwei oder mehreren unabhängigen Unternehmen (siehe obige Definition von Straube Kapitel 3.1.1) in der Regel auf freiwilliger Basis, also ohne Zwang erfolgt. Infolgedessen handelt es sich um eine nicht erzwingbare Verknüpfung von Mittelwahlen mit Inte- ressen verschiedener Akteure, wobei Letztere das wirkliche Handeln des oder der Gegenüber nie exakt voraussagen können551. Auf Basis dieser zusätzlichen Erkenntnisse kann mit Bezug auf Wurche in Abgrenzung von den anderen Interaktionsformen dann von einer Kooperation gesprochen werden, wenn folgende zwei Kriterien vorliegen: 1. Die Kooperationspartner werden bei der Wahl ihrer Mittel und Handlungen nicht ausschließlich von ihren eigenen Interessen gesteuert, sondern berücksichtigen dabei auch die Ziele und Inte- ressen der jeweiligen Partner (wechselseitige Ziel-Mittel-Verflechtung). 545 vgl. Götz/Toepffer (1991), S. 17 546 siehe hierzu vertiefend Friedman (1989), S. 69 f.; Szyperski/Winand (1974), S. 128 ff.; Axelrod (1988), S. 7 ff. sowie Nalebuff/Brandenburg (1996), S. 17 ff. 547 vgl. Mulford/Rogers (1982), S. 12 f. 548 vgl. Kaufmann (1993), S. 28 549 vgl. Warnecke (1999), S. 36 550 vgl. Piller (2000), S. 135 551 vgl. Axelrod (1988), S. 10 f. 152 2. Die gegenseitige Einengung der eigenen Handlungsspielräume erfolgt auf freiwilliger Basis, dementsprechend ist das tatsächliche Handeln der Beteiligten weder exakt spezifizierbar noch kontrollierbar sowie aufgrund der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Partner auch nicht er- zwingbar552. Diese Kooperationsdefinition soll auch für die weiteren Ausführungen als Grundlage angesehen werden. Nimmt man infolge diese freiwillige, wechselseitige Ziel-Mittel-Verflechtung als Basis, so lässt sich die Kooperation als eine mögliche Interaktionsform ohne weiteres von jener der reinen Tausch- handlung abgrenzen. Bei Letzterer kommt es zu keinem Zeitpunkt zum Abgleich der Ziele der in ei- nem reinen Kunden-/Lieferantenverhältnis stehenden Vertragspartner; im Mittelpunkt steht eindeu- tig das Preis-/Leistungsverhältnis nach dem Prinzip Leistung – Gegenleistung, völlig unabhängig von einer wechselseitigen Berücksichtigung der Ziele der an dem Geschäft Beteiligten. Bezüglich einer Abgrenzung zwischen Kooperation und Hierarchie ist festzustellen, dass Erstere sich einmal durch die Autonomie bzw. rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Hand- lungsträger auszeichnet, während die in einem hierarchischen Verhältnis stehenden Handlungsträ- ger (z.B. Konzern-Organisation) in der Regel weisungsgebunden sind. Letzteres bedeutet, dass ein Abgleich der Interessen und Mittel, welcher bei jeder Kooperation in oben definiertem Sinn zwin- gend erforderlich ist, aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gar nicht notwen- dig ist. In Bezug auf die Unterscheidung zwischen Kooperation und Konkurrenz ist schließlich zu sagen, dass es bei einem Konkurrenzverhältnis, im Unterschied zum reinen Tauschgeschäft, durchaus zu einer Interdependenz der Mittelwahlen kommt. Diese sind allein schon in der Konkurrenzsituation begründet, da Mittel und Ziele sich oft genug direkt gegen die Konkurrenten richten, etwa beim Kampf um Marktanteile im gleichen Marktsegment. Insofern kann man bezüglich der Interdepen- denz bei den Mittelwahlen durchaus von einer Gemeinsamkeit zwischen Kooperation und Konkur- renz sprechen. Der entscheidende Unterschied liegt in den hinter den Mittelwahlen verborgenen Intentionen. Diese sind bei einer Wettbewerbssituation eindeutig darauf gerichtet, im Sinne eines Nullsummenspiels etwas auf Kosten der Konkurrenten, seien es Marktanteile, Umsatz, Image etc. zu gewinnen. Bei einer Kooperation hingegen sind auf der Grundlage einer Win-Win-Situation die Intentionen normalerweise darauf ausgerichtet, sich gegenseitig zu fördern oder zu unterstützen bzw. sich zumindest nicht gegenseitig zu behindern. Einen sehr guten Überblick über die dargestellten Zusammenhänge bietet das folgende Schau- bild553: 552 vgl. Wurche (1994), S. 47 553 entnommen aus Wurche (1994), S. 57 153 Abbildung 40: Interaktionsformen zwischen Unternehmen im Vergleich Nach diesen Erläuterungen über die Entstehung von Unternehmenskooperationen sowie deren Ab- grenzung zu anderen Interaktionsformen wird nachfolgend vertiefend auf einige makroökonomi- sche Entwicklungen eingegangen, die in erheblichem Maße Druck auf die Unternehmen ausüben, verstärkt Kooperationen einzugehen554. 3.1.2 Makroökonomische Entwicklungen, die die verstärkte Kooperationsneigung der Un- ternehmen untermauern und Analyse der mikroökonomischen Kooperationsmöglich- keiten entlang der Wertkette In diesem Zusammenhang müssen eine Reihe von Faktoren erwähnt werden, die zu einer nie dage- wesenen Qualität und Intensität des internationalen Wettbewerbs geführt haben. Zu diesen Faktoren zählt Ohmae die Angleichung von Verbrauchergewohnheiten, die breite Streuung von Technolo- gien sowie die verstärkte Bedeutung von Fixkosten555. Wie Kapitel 2 allerdings gezeigt hat, zeichnen sich die Märkte längst nicht mehr "nur" durch eine Angleichung der Verbrauchergewohnheiten aus, sondern es ist zusätzlich eine parallele Entwick- lung in Richtung Systemlösungen, basierend auf zunehmende individualisierte (Kunden-) Anforde- rungen (vgl. Kapitel 2.5.2.1 f.), zu beobachten. Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis von Piller, "dass viele Märkte einerseits immer mehr durch den Wunsch nach kundenspezifischen Problemlö- sungen geprägt sind und andererseits der Preis- und Qualitätsdruck durch die Verschärfung der in- ternationalen Konkurrenz stetig steigt"556. 554 vgl. Radel (1997), S. 123 555 vgl. Ohmae (1989), S. 144 ff. 556 vgl. Piller (2000), S. 154 (hervorgehoben im Original) 154 Zusätzlich zu der geforderten Systemkompetenz erwarten Kunden auch eine verstärkte lokale Prä- senz. Die Unternehmen denken aus diesem Grund über verstärkte Vermarktungspartnerschaften nach, da es extrem teuer ist, überall auf der Welt vor Ort zu sein. Dementsprechend argumentiert Kaufmann, dass Kooperationsmotive insbesondere für den Absatzbereich von großer Bedeutung sind. Dabei geht es vor allem um Markterschließung und Expansion auf ausländischen Märkten mit der Hilfe eines landeskundigen Unternehmens. Dieses ermöglicht nicht nur einen beschleunigten Markteintritt, sondern bewahrt das heimische Unternehmen auch ein Stück weit vor dem Risiko, eigene kostspielige Investitionen (Gewinnung von Informationen, Aufbau von Vertriebskanälen, etc.) in dem jeweiligen Land zu tätigen557(siehe auch Kapitel 3.1.2.2.1). Weiterhin gibt es neben besagter breiter Streuung an Technologien auch mehr und mehr Technologiesprünge im Kommuni- kations- und Informationswesen sowie deutliche Fortschritte im Transportwesen. Diese Entwick- lung, z.B. in Form von unternehmensübergreifenden, elektronischen Informationssystemen, ermög- licht einen schnellen Zugang zu spezifischem Know-how von Kooperationspartnern und damit die effiziente Nutzung gemeinsamer Ressourcen558. Darüber hinaus stellt der hohe Entwicklungsstand der Informations- und Kommunikations-Techno- logien (vgl. Kapitel 2.2 ff.) sicher, dass durch ihren Einsatz im Rahmen von Kooperationen die not- wendigen Such-, Abstimmungs- und Kontrollaktivitäten zwischen den beteiligten Einheiten teilwei- se stark vereinfacht werden können, was ein erhebliches Transaktionskosten-Senkungspotenzial in sich birgt559. Die oben erwähnte Zunahme der Bedeutung der Fixkosten macht sich insbesondere in einem star- ken Anstieg der Entwicklungskosten bemerkbar. Begleitet wird dieser Prozess von einem beschleu- nigten Technologiewandel, einem zunehmend hohen Investitionsbedarf und immer kürzeren Pro- duktlebenszyklen560. Hiermit rücken die Motive Kosten- und Zeitersparnis sowie Zugang zu Res- sourcen als Begründung für das Eingehen von strategischen Allianzen zunehmend in den Blick- punkt des Interesses561. Die höhere Wettbewerbsintensität wiederum spielt sich im Rahmen einer zunehmend globaleren Wirtschaft (Stichwort Globalisierung und Internationalisierung) ab. Verdeutlicht wird dies durch die Aufsplittung der globalen Wirtschaft in eine nahezu unüberschaubare Anzahl an poly- und oli- gopolistischen sowie an schrumpfenden und wachsenden Märkten. Begleitet wird diese Entwick- lung von einem verstärkten Abbau von Handelsbarrieren (z.B. Ende des Ost-West-Konfliktes), ei- ner starken Deregulierung auf verschiedenen Märkten wie Telekommunikation, Versicherungswe- sen, Versorgungsindustrien etc. sowie einem verstärkten Vordringen von Niedriglohnproduzen- ten562 (siehe auch Kapitel 2.5.1 f.). Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich das Eingehen von Unternehmenskooperationen, etwa um Globalisierungs- und Lokalisierungsvorteile zu erzielen. Erstere werden in der Regel mit denkbaren Kostenvorteilen durch Economies of scale (sinkende Durchschnittskosten eines Produktes bei stei- genden Stückzahlen563) oder Economies of scope (Verbundvorteile, indem verschiedene Güter oder Dienstleistungen gemeinsam statt getrennt produziert werden564) erreicht. Lokalisierungsvorteile hingegen zielen auf vertriebsinduzierte Unternehmenskooperationen ab, wo- bei die Marktkenntnis des lokalen Partners genutzt wird, um spezifischen lokalen Verbraucherge- 557 vgl. Kaufmann (1993), S. 61 ff. 558 vgl. Schmidt (1997), S. 107 559 vgl. Piller (2000), S. 356 560 vgl. Mirow (1995), S. 97 561 vgl. Sell (1995), S. 87 562 vgl. Mirow (1995), S. 100 563 vgl. Silvestre (1987), S. 80 ff. 564 vgl. Kaufmann (1993), S. 107 155 wohnheiten, staatlichen Vorschriften oder allgemeinen soziokulturellen Unterschieden gerecht zu werden565. Neben diesen mehr oder weniger bekannten Zusammenhängen verweist eine Reihe von Autoren im Hinblick auf den Internationalisierungsdruck auf die Strategie der operationalen Flexibilität, welche es durch Unternehmenskooperationen umzusetzen gilt. Als Vorteile einer solchen Strategie, welche zum Ziel hat, vorhandene Stärken aus Landes- und Wettbewerbsvorteilen im internationalen Unter- nehmensverbund zu nutzen, werden Arbitrage- und Leverageeffekte genannt. Mit Arbitrageeffekten sind komparative Kostenvorteile, etwa durch die Nutzung von Länderdiffe- renzen oder der Verschiebung von Kernkompetenzen, gemeint. Zu Leverageeffekten kommt es, wenn die günstige Wettbewerbssituation in einem Land auf ein anderes Land übertragen wird, wie z.B. die Nutzung von Marktmacht in einem Land zum Aufbau eines Wettbewerbsvorteils in einem anderen Land566. Letztlich führen all diese Entwicklungen dazu, den Druck auf die Unternehmen zu verstärken, ein Mehr an Allianzen einzugehen, und zwar mit dem Zweck, innerhalb der Kooperationen eine größe- re Wettbewerbskraft zu erzielen567. In diesem Sinn argumentiert auch Warnecke, indem er feststellt, dass Unternehmen vor dem Hintergrund der makroökonomischen Entwicklungen versuchen, ihre Kräfte zu bündeln, um insgesamt zu einer höheren Leistungsfähigkeit zu kommen. Dies führt zu Konzentrationen von Organisationen um einen gemeinsamen Geschäftszweck herum. Konsequenz dessen sind neue organisatorische Gebilde (wie strategische Netzwerke oder virtuelle Unternehmen, siehe oben), welche fundamental auf die Wirksamkeit zwischenbetrieblicher Kooperationen set- zen568. Ein weiterer Erklärungsversuch für das Zustandekommen von Kooperationen, der eng mit den be- schriebenen makroökonomischen Faktoren verknüpft ist, hängt mit der die Unternehmen umgeben- de Umwelt- bzw. Außenkomplexität und deren Dynamik zusammen, was im Weiteren Gegenstand der Betrachtung sein wird. 3.1.2.1 Steigende Komplexität und Dynamik auf den Märkten als entscheidende Konsequenz der makroökonomischen Entwicklungen Betrachtet man die eine Unternehmung umgebende Umweltkomplexität, so bietet sich eine Auftei- lung in die beiden Bereiche globale Umwelt (siehe Aussagen zu den makroökonomischen Trends oben) sowie Aufgabenumwelt an. Mit Letzterer ist das unmittelbare Wettbewerbsumfeld des Unter- nehmens sowie die darin agierenden wettbewerbsbestimmenden Kräfte wie Abnehmer, Lieferanten, Konkurrenten, Markteintrittsbarrieren etc. gemeint569. Diese beiden Bereiche können auch als je- weils zu definierende Kooperationsumwelt bezeichnet werden. Ob das Eingehen einer Kooperation vorteilhaft ist, entscheiden die Eigenschaften der (potenziellen) Kooperationsumwelt hinsichtlich Dynamik und Komplexität. Diesbezüglich ist zunächst zu klären, was mit einer dynamischen und komplexen Umwelt eigentlich gemeint ist. 565 vgl. Baumgarten (1998), S.31 566 vgl. Colberg (1989), S. 125 567 vgl. Schertler (1995), S. 30 568 vgl. Warnecke (1999), S. 38 569 vgl. Porter (1980), S. 3 ff. 156 Gomez et al. definieren eine Situation als komplex, wenn sie nicht mehr auf Anhieb durchschaut und folglich auch nicht mehr genau beschrieben werden kann570. Dabei zeichnet sich nach Rüegg eine solche Situation nicht nur durch eine relativ große Anzahl an Elementen aus, sondern zwischen diesen herrschen oft auch vielfältige und schwierig bestimmbare wechselseitige Beziehungen571. Malik versteht unter Komplexität die Tatsache, dass reale Systeme (wie etwa der Mensch oder Wirtschaftsunternehmen, siehe auch Kapitel 2.4 f.) ungeheuer viele Zustände aufweisen können, wobei man Komplexität quantifizieren und mit Hilfe des Begriffs der Varietät messen kann. Varie- tät ist dabei die Anzahl der unterscheidbaren Zustände eines Systems572. Die Komplexität für sich betrachtet ist allerdings nicht das entscheidende Problem, da diese sich mittelfristig in den meisten Fällen parallel oder sequentiell abarbeiten ließe. Die eigentliche Schwie- rigkeit besteht darin, dass sich die Zustände, also die Relationen zwischen den Elementen, laufend ändern und nur schwer vorausgesagt werden können. Dies führt dazu, dass man es in vielen Fällen nicht nur mit statisch-vernetzten Situationen zu tun hat, sondern mit dynamisch-vernetzten, die sich zudem eigendynamisch weiterentwickeln. Was also die Komplexität wirklich ausmacht, ist die Dynamik oder der Grad der Voraussagbarkeit des Ver- haltens der betreffenden Elemente als Ganzes573. Dabei bezeichnet der Begriff der Vernetztheit den strukturellen Aspekt von Komplexität, also die Verknüpfung von Elementen eines Systems. Der prozessuale Charakter eines Systems hingegen, das wechselnde Nacheinander von Verknüpfungen und Wechselwirkungen, kann als Dynamik in- terpretiert werden574. Dynamik meint demnach die Veränderungsrate der Umweltelemente im Zeitablauf, wobei in die- sem Zusammenhang häufig auch von Umweltturbulenz gesprochen wird. Die Umwelt ist dabei um so dynamischer, je schlechter prognostizierbar die Veränderungen sind575. Komplexität hingegen zielt auf die Zahl unterschiedlicher Elemente und deren Anordnung zueinan- der ab. Von einer komplexen Umwelt wird dann gesprochen, wenn diese sehr viele Facetten an- nimmt und darüber hinaus die Interaktionen zwischen den Facetten sehr unübersichtlich sind576. Geht man den Ursachen der Komplexität und Dynamik auf den Grund, so stellt Luhmann fest, dass es das Prinzip der Entwicklung ist, welches für die steigende Komplexität und Kontingenz der Ge- sellschaft verantwortlich ist577. Dabei erfinden soziale Systeme, wie Unternehmen, im Rahmen die- ses Entwicklungsprozesses im Hinblick auf ihre Umwelt immer bessere Problemlösungen sowie differenziertere Formen der Anpassung an die Komplexität ihrer Umwelt. Dies führt wiederum zu einer erhöhten Komplexität, wobei sich aus der Kontingenz zwischenmenschlicher Beziehungen neue Handlungsmöglichkeiten ergeben und neue Problemlösungen finden lassen578. Begleitet wird dieser Prozess durch die Verstärkung der Macht der Technik (vgl. Kapitel 2.1 f. und 2.2 ff.), wodurch die Zivilisation zu dem entscheidenden Element der Beschleunigung im gesamten Entwicklungsgeschehen geworden ist. Diese Zivilisationsdynamik setzt die vergleichsweise lang- samen Elemente der Natur und Kultur unter einen Anpassungsdruck, der in einer Vielzahl von Trends, aber auch konkreten Ausprägungen und Entwicklungen zum Ausdruck kommt. Mit diesen Entwicklungen sind die genannten technischen und makroökonomischen Ausprägungen des Informationszeitalters gemeint. Diese haben einerseits dafür gesorgt, dass sich die Menge der 570 vgl. Gomez/Malik/Oehler (1975), S. 711 571 vgl. Rüegg (1989), S. 15 572 vgl. Malik (1989), S. 186 573 vgl. Probst (1987), S. 29 574 vgl. Jantsch (1994), S. 165 575 vgl. Child (1972), S.3 576 vgl. Duncan (1972), S. 314 ff. 577 vgl. Luhmann (1972), S.136 578 vgl. Bierfelder (1991), S. 177 157 relevanten Umweltaspekte in den ökonomischen, soziokulturellen, technologischen und politisch- gesetzlichen Umsystemen beträchtlich erweitert hat. Zum anderen haben sie für eine beschleunigte Veränderung der bedeutsamen Umweltvariablen gesorgt579. Überträgt man daher die dargestellte Situation hinsichtlich der technischen Entwicklung sowie den makroökonomischen Faktoren auf obige Anmerkungen in Bezug auf Komplexität und Dynamik, ist offensichtlich, dass sich sowohl die globale Umwelt als auch die Aufgabenumwelt durch ein Höchstmaß an Komplexität und Dynamik im oben beschriebenen Sinn auszeichnen. Dies wird durch folgende Anmerkungen von Diehl bezüglich der wichtigsten Dimensionen des Wandels nochmals unterstrichen580: x Die Märkte haben ihre Strukturen verloren. Sie hüpfen und tanzen sich schwindelig. Der Wett- bewerb wird zum Wettbewerb der Überraschungen, weil evolutionäre Dynamik alles zum Flie- ßen bringt. x Die Globalisierung erzeugt eine Fülle neuer Lebenskonzepte. Zugleich wird immer deutlicher, dass es keine Lebensform gibt, die auf Dauer haltbar ist. x Überraschungen und permanente Brüche nehmen zu, im selben Umfang nehmen lineare Wahr- heiten ab, Entweder-Oder-Schemata lösen sich auf. x Überall fließt Chaos in die Märkte ein. Die Komplexität wächst seit Jahren und immer drasti- scher. x Die Zukunft ist so paradox wie das Leben selbst. Es ist also eindeutig, dass der Markt als Bestandteil der globalen Umwelt nicht nur als komplexes System zu bezeichnen ist, welches in kurzen Zeiträumen eine große Zahl von verschiedenen Zu- ständen annehmen kann. Das System zeichnet sich auch durch eine ungeheure Dynamik aus, in dem das Tempo und die Nichtvorhersehbarkeit von Wandel und Veränderungen eher zu- statt abnehmen. Ein sehr gutes plastisches Beispiel bezüglich der Komplexität und Dynamik der Umwelt liefert Ist- van. Er spricht von einer, im Vergleich zum Schachspiel, enormen Komplexität des Geschäftsle- bens, wobei es bei der unendlich komplexen Form des Wettbewerbs fast immer mehr als zwei Wettbewerber gibt und darüber hinaus die Möglichkeiten der Spielfiguren und der Spielfelder bei- nahe unbegrenzt sind. Zusätzlich kann man die Absichten und Handlungsweisen der (oft zahllosen) Gegenspieler nie auch nur ansatzweise vollständig erfassen, wobei erschwerend hinzukommt, dass die Wettbewerber jederzeit die Spielregeln, die die Beweglichkeit und Schlagkraft der Figuren bestimmen, ändern können581. 3.1.2.1.1 Die Bildung von Kooperationen zur Überwindung der auf die Unternehmen herein- brechenden Komplexität und Dynamik Wie aus den obigen Aussagen klar hervorgeht, können sowohl die globale als auch die Aufgaben- Umwelt der Unternehmen gerade im Informationszeitalter als nicht nur komplex, sondern auch in hohem Grad als dynamisch bezeichnet werden. Hieraus lässt sich ableiten, dass sich die Komplexität und Dynamik des (unternehmerischen) Hand- lungsfeldes deutlich vergrößert hat. Die Konsequenz hieraus ist, dass ein Unternehmen allein (bzw. dessen Mitarbeiter) in vielen Fällen kaum die Möglichkeit hat (haben), sich einen tragfähigen und 579 vgl. Röhrle (1990), S. 7 580 vgl. Diehl (1993), S. 150 ff. 581 vgl. Istvan (1993), S. 210 f. 158 umfassenden Überblick über alle relevanten Bedingungskonstellationen zu verschaffen, um diese dann in die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen einfließen zu lassen (vgl. auch Aussagen o- ben zur eingeschränkten Informationsverarbeitungskapazität, Kapitel 2.5.2). Zusammen mit der steigenden Dynamik als Ausdruck abnehmender Vorhersehbarkeit von Verände- rungen im Handlungsumfeld bringt dies althergebrachte Vorstellungen von "dem richtigen wirt- schaftlichen Handeln" bisweilen gehörig ins Wanken. Dies hat zur Folge, dass Business-Pläne oft genug eher reine Wunschvorstellungen über den Verlauf von Ereignissen sind, jedoch mit der "un- ternehmensrelevanten Wirklichkeit" nur am Rande etwas gemein haben582. Auch die Bedeutung des Faktors Zeit darf im Zuge einer zunehmenden Dynamisierung nicht außer Acht gelassen werden. Dies lässt sich sehr gut an der Verkürzung der Produktzyklen, den immer kurzzyklischeren technologischen Entwicklungen, den zunehmend kürzeren Zeitspannen für Neu- entwicklungen usw. festmachen583. Hierin liegt für Mirow ein wichtiger Grund für das Eingehen von Kooperationen, da diese eher in der Lage sind, mit der zunehmenden Bedeutung von Investitionsvolumen und Zeit, vor dem Hinter- grund einer dramatischen Zunahme der F&E-Ausgaben, einem generell hohen Investitionsbedarf sowie immer kürzeren Produktlebenszyklen zurechtzukommen584. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass eine Unternehmenskooperation durch ihre im Vergleich zu den jeweiligen Einzelunternehmen erhöhte Binnenkomplexität eher in die Lage versetzt wird, die jeweilige Umwelt- oder Außenkomplexität besser zu bewältigen585. Letzteres hängt untrennbar mit der Frage der Umweltkomplexitäts-Reduzierung zusammen, welche wiederum eng mit der Grenzziehung zwischen der Unternehmenskooperation auf der einen Seite und ihrer Umwelt auf der anderen Seite verbunden ist. In diesem Zusammenhang merkt Luhmann an, dass Systeme über keine natürlichen Grenzen verfügen, sondern sich derart konstituieren, dass sie zwischen sich und der Umwelt willkürlich ein eigenes Komplexitätsgefälle aufbauen. Daraus folgt, dass die eigentliche Systemleistung nicht in der Abbildung der Umwelt liegt, sondern in der Reduktion der Komplexität der Umwelt. Anders ausgedrückt, durch (eigenmächtige) Ausblendung von bestimmten Teilen und Beziehungen der Umwelt wird einerseits Handlungsfähigkeit gewon- nen, aber andererseits auch Unsicherheit geschaffen586. Aus der großen Komplexität und Dynamik der Umwelt folgt, dass ein auf sich selbst gestelltes Unternehmen große Teile der Komplexität aus- blenden muss, um überhaupt arbeitsfähig zu sein, verbunden mit einem entsprechend hohen Risiko, auch lebenswichtige, relevante Teile nicht zu beachten. Durch das Eingehen einer Unternehmenskooperation als erweitertes soziales System wird das Ge- samtsystem befähigt, einen größeren Teil der Umweltkomplexität bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (wiederum durch Definition der relevanten Umwelt), wobei das Risiko der Unsi- cherheit ein Stück weit verringert wird. Allerdings verbleibt nach wie vor ein nicht zu unterschät- zendes Maß an Unsicherheit, was aus der jeweiligen Grenzziehung eine permanente Optimierungs- aufgabe macht587. Aus dem bisher Gesagten geht daher nochmals deutlich hervor, dass der Rückgriff auf lediglich zwei Problemlösungstechniken zur Verarbeitung der Komplexität und Dynamik zwischen und in- nerhalb der spezialisierten Teile der Wirtschaft (und Gesellschaft) nicht ausreicht. Zentrale Steue- rung durch Organisation bzw. Planung auf der einen Seite (Stichwort Hierarchie) und spontane 582 vgl. Warnecke (1999), S. 6 ff. 583 vgl. Hammes (1995), S. 96 584 vgl. Mirow (1995), S. 96 ff. 585 vgl. Baumgarten (1998), S. 278 586 vgl. Luhmann (1984), S. 242 ff. 587 vgl. Steinmann/Schreyögg (1990), S. 109 ff. 159 Ordnungsbildung durch den Markt auf der anderen Seite, sind für sich betrachtet unzureichend. Er- forderlich ist eine Zwischenform, nämlich die Kooperation588. Diese hat im Sinne von Reichwald als intermediäre Koordinationsform zwischen Markt und Hierar- chie das Ziel, durch gemeinsame Aufgabenerfüllung einen kooperativen Nutzen zu ziehen; z.B., in- dem die Beteiligten ihre knappen Ressourcen erweitern, Zugriff auf Ressourcen der Partner ermög- licht werden und dadurch Nutzeneffekte wie Spezialisierungsvorteile, Zeitersparnisse, Flexibilitäts- steigerungen oder eine höhere Fähigkeit zur Komplexitätsbewältigung erzielt werden589. Zum Abschluss sei noch ein Zitat von Ohmae erwähnt, der sich an all jene Entscheider wendet, die momentan vor der Frage stehen, eine Kooperation einzugehen oder es lieber alleine zu versuchen: "With enough time, money, and luck you can expand brands and build up distribution yourself – you can do everything yourself. But all three are in short supply. In particular, you do not have the time to establish new markets one by one throughout the Triad. The "cascade" model of expansion no longer works. Today you have to be in all important markets simultaneously if you are going to keep competitors from establishing their positions. Globalization will not wait. You need alliances and you need them now”590. 3.1.2.2 Auswirkungen auf mikroökonomischer, sprich Unternehmensebene im Hinblick auf eine Intensivierung externer Zusammenarbeit Wie zuvor gezeigt, sind die Unternehmen zukünftig mehr denn je auf die Intensivierung der Zu- sammenarbeit mit externen Partnern angewiesen, da die ausschließlichen Koordinationsformen Markt oder Hierarchie, insbesondere was den Umgang mit Komplexität und Dynamik anbelangt, keineswegs ausreichend sind. Diese notwendige verstärkte Form zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit kann auf der Mikroebene die unterschiedlichsten betrieblichen Bereiche tangieren, wie das nachfolgende Schaubild zum Ausdruck bringt591: 588 vgl. Teubner/Willke (1984), S. 12 ff. 589 vgl. Reichwald et al. (1998), S. 229 590 vgl. Ohmae (1990), S. 117 (zitiert im Original) 591 entnommen aus Hammes (1994), S. 216 160 Abb. 41: Unternehmensallianzen in Bezug auf betriebliche Funktionsbereiche Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge werden im Anschluss die wesentlichen mikroökonomi- schen Gesichtspunkte in Bezug auf das Eingehen von Kooperationen in den wichtigsten Funktions- bereichen kurz erläutert (vgl. hierzu nochmals Kapitel 3.1.1. Definition von Kooperationen). 3.1.2.2.1 Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Kooperation in Richtung Verkauf und Einkauf Eine schon beinahe klassische Form der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ist jene in den Bereichen Marketing und Absatz (siehe nochmals obiges Schaubild). Dabei nehmen marktstra- tegische Gesichtspunkte einen wichtigen Platz ein. Denkbar ist beispielsweise eine kooperative Marktforschung für eine effektive Markterschließung592. Letztere ist entscheidend abhängig vom Marktzutritt. Hierbei kann die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner die Markteintrittskosten und die damit verbundenen Risiken beträchtlich senken593. Weiterhin kann Markterschließung na- türlich auch die Steigerung von Marktanteilen beinhalten. Hierfür kommen eine Verkaufskooperati- on oder eine Anbieterkoalition in Frage, wodurch neue Absatzkanäle erschlossen werden können. Ferner ist eine Kooperation im Rahmen von Markterschließung ein nützliches Instrument, wenn es darum geht, Marktbarrieren, seien sie struktureller oder strategischer Art (Vorliegen von Skalenef- fekten oder erwartete Vergeltungsmaßnahmen von bereits am Markt tätigen Anbietern594), aus dem Weg zu räumen. Jenes geschieht beispielsweise, indem das Unternehmen durch eine Kooperation eine größere Marktmacht erlangt oder aber Konkurrenten mit in die Kooperation einbezieht, wo- durch diese ein Stück weit ihr Bedrohungspotenzial verlieren595. 592 vgl. Thelen (1993), S. 52 ff. 593 vgl. Rumer (1994), S. 38 f. 594 vgl. Porter 1980, S. 7 ff. 595 vgl. Burgers/Hill/Kim (1993), S. 420 f. 161 Ein weiterer wichtiger Bereich neben der Markterschließung ist die möglichst langfristige Markt- bzw. Absatzsicherung. Diese kann beispielsweise durch eine kooperative Zusammenarbeit im Vertrieb und Handel reali- siert werden. Hiermit wird aus vertrieblicher Sicht vor allem der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Kunden, trotz deutlicher Globalisierungstendenzen, zusätzlich eine verstärkte lokale Präsenz erwarten, um etwa regionale Gegebenheiten sowie unterschiedliches Kundenverhalten vor Ort an- gemessen zur Absatzsicherung zu berücksichtigen596. Bezüglich einer Kooperation mit dem Handel geht es in erster Linie um die physische Distribution (Warenverteilung an Endkunden) und akquisitorische Distribution (Kontaktanbahnung, Verkauf und Bindung der Endkunden)597. Dabei können nach Piller, je nach Individualisierungsgrad der Be- ratungsleistung sowie der Breite der Vertrauens- und Kompetenzvermittlung, im Wesentlichen drei Formen der Handelskooperation unterschieden werden598: x Kontakter: Hierbei stellt der Händler auf Basis eines Provisionsgeschäftes lediglich den Kontakt zwischen Hersteller und Abnehmer her, ohne dass es zu einer intensiven Beratung des Kunden seitens des Händlers kommt. x Vermittler: Neben der Kontaktanbahnung bei dem Handelspartner fallen zusätzlich die Aufga- ben Zahlungsabwicklung sowie Auslieferung des Produktes an, was eine tiefer gehende Zu- sammenarbeit zwischen Hersteller und Handelspartner erfordert. x Individualisierungspartner: In diesem Fall übernimmt der Handelspartner auch die Aufgabe, den Kunden gemäß seiner Wünsche zu individualisieren bzw. gemeinsam mit dem Kunden eine Lö- sung zu erarbeiten, was ein hohes Produkt- und Beratungs-Know-how voraussetzt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich eine solche Handelskooperation sowohl auf seit langem am Markt etablierte (Zwischen-) Händler beziehen kann als auch auf Betreiber von elektronischen Marktplätzen (Intermediaries, vgl. Kapitel 2.2.4 ff.). Darüber hinaus bieten sich, unterstützt durch Intermediaries, zusätzliche Kooperationsmöglichkei- ten an, so z.B. zwischen verschiedenen Unternehmen des klassischen Zwischenhandels einer Bran- che. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist die Etablierung einer Verkaufsgemeinschaft von traditionel- len Händlern unter Inanspruchnahme eines E-Marktplatzbetreibers, wie die Firma Ingram Micro. Diese vereinigt viele kleine Mehrwert-Wiederverkäufer zu Gruppen und verschafft ihnen auf diese Weise eine höhere Verkaufsmacht. Darüber hinaus übernimmt die genannte Firma für die vertrete- nen Kundenfirmen die Funktion einer virtuellen Abrechnungsstelle und bündelt zusätzlich deren Nachfrage, um Größenvorteile im Einkauf zu erzielen599. Dieses so genannte Modell der Vorwärtsaggregation lässt sich gut an folgendem Schaubild festma- chen600: 596 vgl. Mirow (1995), S. 103 597 vgl. Schnäbele (1997), S. 236 598 vgl. Piller (1998), S. 336-340 599 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 62 600 entnommen aus Kaplan/Sawhney (2000), S. 61 162 Abb. 42: Das E-Commerce-Handelsmodell der Vorwärtsaggregation Andererseits gibt es, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, auch das Modell der Rückwärtsaggrega- tion (siehe Kapitel 2.2.4.2.1). Dieses ist besonders dann interessant, wenn es um die Etablierung einer elektronisch gesteuerten Einkaufsgemeinschaft (-kooperation) geht. Auf diese Weise wird es auch kleineren Unternehmen ermöglicht, sei es beim gemeinsamen Kauf auf Spotmärkten, sei es mittels Inanspruchnahme horizontaler und/oder vertikaler E-Marktplatzbetereibern als Aggregati- onsbasis, ihre jeweils relativ kleine Einkaufsmacht zu bündeln und (mit Hilfe der Intermediaries) Einkaufsvorteile auszuhandeln, die normalerweise Großunternehmen vorbehalten sind (vgl. Kapitel 2.5.2.1). Des Weiteren bleibt insbesondere bei Beziehungen zu elektronischen Händlern anzumerken, dass jene sich unterschiedlich komplex sowie auf Basis eines differenzierten Zeitfokus ausgestalten. Dies hängt davon ab, ob beispielsweise langfristig angelegte Kooperationen mit einem "Aggregations- marktplatzbetreiber" vor dem Hintergrund regelmäßiger und systematischer Einkäufe eingegangen oder aber lediglich Gelegenheitskäufe auf Spotmärkten oder Austauschbörsen getätigt werden (sie- he auch Kapitel 2.2.4.3). 3.1.2.2.1.1 Kooperationen zur langfristigen Absatzsicherung im Bereich Marketing sowie zur Erfüllung zunehmend individuellerer Kundenwünsche Geht man darüber hinaus etwas tiefer auf die langfristige Absatzsicherung ein, so spielt für diese eine hohe Kundenzufriedenheit, basierend auf einer möglichst hohen Bindung, eine entscheidende Rolle. Dieses kann vor allem durch zwei Aspekte erreicht werden. Einmal ist eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen im Bereich Marketing denkbar. Hier sind Kooperationen in der Distribution (Aufbau gemeinsamer Distributionsstrukturen oder gänzli- cher Verzicht auf ein eigenes Vertriebsnetz zu Gunsten eines Partners), in Form einer gemeinsamen Kommunikationspolitik (Gemeinschaftswerbung, gemeinsame Verkaufsförderungsprogramme, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoringaktionen601) oder der Produktpolitik (Aufbau eines flächen- deckenden Kundendienstes, Schaffung eines gemeinsamen Gütesiegels602) vorstellbar. 601 vgl. Rominski (1997), S. 34 ff. 602 vgl. Meffert (1986), S. 406 ff. 163 Zum anderen ist eine hohe Kundenzufriedenheit mit der damit verbundenen Hoffnung auf eine langfristige Absatzsicherung auch durch eine gezielte Auseinandersetzung mit den Wünschen und Nöten des Kunden zu erreichen. Genau dieses hat die Umsetzung von Kundenbindungsstrategien zum Ziel. Jene haben, so Handlbauer/Hinterhuber/Matzler, erheblich an Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Intensivierung des Wettbewerbs, niedrigeren Wachstumsraten und gesättigten traditionellen Industrien603 (siehe oben Aussagen zu makroökono- mischen Trends, Kapitel 2.5.1.2 ff.). Ähnlich argumentieren Evans/Wurster mit ihrer Feststellung, dass diejenigen Unternehmen, die über langfristige Kundenbeziehungen verfügen, eine lebenslange Rente besitzen, welche oft den Großteil des Unternehmenswertes ausmacht604. Darüber hinaus verursacht es heute fünfmal mehr Kosten, neue Kunden zu gewinnen als bestehende zu halten605. Konsequenterweise sind kundenorientierte Unternehmen weniger auf der Jagd nach kurzfristig zu gewinnenden Kunden, sondern orientieren sich eher an deren "life time value" (das durchschnittliche Lebensumsatzpotenzial eines Autokäufers beträgt beispielsweise 210.000 DM606). Verstärkt wird dieses Verhalten zusätzlich dadurch, dass die Markterfordernisse zu rasch wechseln- den, anspruchsvollen, kundenspezifischen Leistungen führen. Diese spiegeln den Kundenwunsch nach Systemlösungen wieder, wobei „der Kunde“ diese einerseits massiv einfordert607, aber ande- rerseits auch vielfach auf solche umfassenden Angebote angewiesen ist, da er infolge der immer komplexeren Technik zunehmend die Fähigkeit verliert, die Systemintegration selbst durchzufüh- ren608 (vgl. auch Kapitel 2.5.2 f. und 2.5.3.2 f.). Radel geht sogar so weit zu sagen, dass sich zusätzliches Wertschöpfungspotenzial oft nur dadurch erschließen lässt, dass Kundenbedürfnisse in Form von integrierten Angeboten erfasst werden, wo- zu grundsätzlich Partnerschaften eingegangen werden müssen609. Im Mittelpunkt steht demzufolge Problemlösungs- statt Produktdenken, wobei die Bildung von Kooperationen zur Steigerung der Attraktivität der Lösung von großem Vorteil ist610. Letzteres hat zur Folge, dass innovative Lösungen für Kundenprobleme meist in Interaktion mit dem Kunden sowie gleichzeitig unter Beteiligung mehrerer Kooperationspartner gefunden werden müssen. Aldrich drückt dies wie folgt aus: “To be competitive, companies must offer products and services that are specifically customized to meet the need of the individual consumer. Product development processes must interact dramati- cally with customers”611. Konsequenz dessen ist auch, dass völlig neue Unternehmensbereiche am eigentlichen Innovations- prozess beteiligt sind, wie z.B. kundennahe Key Account Manager sowie jene Bereiche, die in di- rektem Kontakt mit den Partnern stehen612. Zusätzlich ist es im Zusammenhang mit der Entstehung von Innovationen bedeutsam, dass sich durch die hohe Interaktivität mit den Kunden der gesamte Prozess der Innovationserstellung bzw. auch die Innovation als solche ändert. Wurden in der Vergangenheit den Kunden (häufig im stillen Kämmerlein) neu erdachte und erzeugte Leistungen präsentiert, in der Hoffnung, diese könnten schon irgendetwas damit anfangen, verschiebt sich die Angebotsleistung jetzt mehr und mehr in Richtung einer gemeinsamen Erkundung der Bedürfnisse. Das heißt, auf der Basis einer ständigen 603 vgl. Handlbauer/Hinterhuber/Matzler (1998), S. 28 604 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 93 605 vgl. Finkelmann/Goland (1990), S. 2 ff. 606 vgl. Stauß/Seidel (1996) 607 vgl. Gidion (1999), S. 95 608 vgl. Mirow (1995), S. 106 609 vgl. Radel (1997), S. 109 610 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 127 611 vgl. Aldrich (1999), S. 11 (zitiert im Original) 612 vgl. Radel (1997), S. 108 164 Interaktion mit den Kunden wird ein jeweils individuelles Paket zusammengestellt613 (vgl. Kapitel 2.5.3 ff.). Ein sehr gutes Beispiel für Unterstützungstools, die eine Kooperation zwischen Unternehmen und Kunden wirkungsvoll fördern sollen, sind die so genannten Customer Relationship Management- systeme (CRM-Systeme). Jene haben grundsätzlich als Ziel, ein Unternehmen darüber zu informie- ren, was die Kunden wirklich wollen bzw. wie Kunden einzelne Leistungen tatsächlich bewerten614. Darüber hinaus sollen CRM-Systeme die Mitarbeiter intensiv in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service im Sinne eines effizienten Kundenmanagements unterstützen. Dies wird durch die fol- gende Abbildung sehr gut veranschaulich615: Abb. 43: Anwendungsbereiche des Customer-Relationship-Managements (CRM) Dabei stellt das CRM-System die Basis für ein integriertes Informationsmanagement dar, welches den einzelnen Mitarbeitern die für den Vollzug ihrer Aufgaben benötigten Informationen bereit- stellt. Durch den mittels des CRM-Systems ermöglichten effizienten Vollzug dieser Aufgabenblöcke ist in erster Linie beabsichtigt, dass die Steigerung der Verkaufszahlen, die Verbesserung der Kommuni- kation und Kundenloyalität sowie die Fähigkeit, kommende Ereignisse ein Stück weit vorauszuse- hen, sichergestellt ist616. Somit ist das vorrangige Ziel des Computereinsatzes im Kundenbeziehungsmanagement der Ge- winn von Wettbewerbsvorteilen durch ein verbessertes Informationsmanagement und eine verstärk- te Kundenorientierung617. Dass diese Form der Zusammenarbeit für die Unternehmen durchaus einen positiven Nutzen hat, zeigen u.a. die empirischen Untersuchungsergebnisse von Homburg. Er fand heraus, dass Unter- nehmen, die in der Entwicklungsphase eng mit den Kunden zusammenarbeiten, nicht am Markt "vorbei forschen" und damit eine höhere Effizienz bei der Allokation von Forschungs- und Ent- wicklungsressourcen haben als andere Unternehmen618. 613 vgl. Radel (1997), S. 113 614 siehe auch Deloitte (1999), S. 2 ff. 615 entnommen aus Schwetz (2000), S. 26 616 vgl. Deloitte (1999), S. 3 617 vgl. Schwetz (2000), S. 97 618 vgl. Homburg (1995), S. 203 165 Ein weiterer vorteilhafter Effekt einer solchen Zusammenarbeit ist, dass für die Unternehmen Kun- denwünsche und Kundenverhalten transparent werden, was eine zielgerichtetere Marktbearbeitung zur Absatzsicherung erlaubt, weil die Firmen direkt vom Kunden wissen, was sie verkaufen kön- nen. Darüber hinaus führt in einer solchen Situation ein Anbieterwechsel oft zu nicht unerheblichen Umstellungskosten auf Seiten des Kunden und trägt somit zu einer höheren Kundenbindung bei619. Neben dieser intensiven Zusammenarbeit in der Entwicklungs- bzw. Angebotsphase mit dem Kun- den ist das Gleiche auch in der Absatzphase denkbar. In diesem Fall geht es z.B. um den Aufbau einer permanenten und am Kunden orientierten Lieferbereitschaft. Umschrieben wird dies mit dem Ausdruck "time to customer", womit die termingerechte Herstellung und Auslieferung der Produkte an den Kunden gemeint ist620. Letzteres ist mit dem Konzept des Lean Managements sehr eng verknüpft, dessen Ziel eine auf das absolut Notwendigste reduzierte Organisation und Funktion eines Unternehmens ist621. Um dies sicherzustellen und darüber hinaus Servicequalität sowie die damit verbundene Kundenbindung zu gewährleisten, sind inner- wie außerbetriebliche Kooperationen ein wichtiger Bestandteil des Lean Managements622. Dabei kann sich die Kooperation sowohl auf (elektronische) Händler als auch auf Abnehmer beziehen, welche etwa in einen überbetrieblichen Datenverbund eingebunden werden. Dieser vermeidet unnötigen Schriftverkehr, optimiert Warenströme und trägt dazu bei, die Leis- tungserstellung besser aufeinander abzustimmen sowie den Kunden optimal zu bedienen623. Nach diesen Ausführungen über Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Richtung Markt/Kunde/ Einkauf geht es jetzt darum zu analysieren, auf welche Weise auch andere Stufen der Wertschöp- fung zugänglich für eine intensivere zwischenbetriebliche Zusammenarbeit in Form von Kooperati- onen sind. 3.1.2.2.2 Vertiefende kooperative Zusammenarbeit bei Wertschöpfungsstufen wie F&E und Produktion sowie die erforderlichen technologischen Grundlagen Diesbezüglich ist zunächst an die an anderer Stelle erwähnte Notwendigkeit eines intensiven, effi- zienten und unternehmensübergreifenden Handelns im Bereich F&E (Stichwort Simultaneous En- gineering) im Zusammenhang mit der zunehmenden Dynamik der Märkte und der damit verbunde- nen deutlichen Verringerung der Produktlebens- und Entwicklungszyklen zu erinnern. Eine solche Zusammenarbeit kann entscheidend dazu beitragen, den Erfordernissen des Marktes hinsichtlich Flexibilität und der oftmals vorhandenen kurzen Zeiträume bei Produktentwicklungen und -einführungen entsprechend Rechnung zu tragen (vgl. hierzu Kapitel 2.2.3.3, 2.5.1 f., 3.1.2). Auf diese Weise kommt es zu einer Gewinnung von Zeitvorsprüngen durch eine produktive ge- meinsame Entwicklungsarbeit. Dies stellt einen gewichtigen Wettbewerbsfaktor dar, insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmend komplexen und dynamischen Wirtschaft624 (siehe auch Ka- pitel 3.1.2.1 f.), wo „die Schnellen die Langsamen fressen“ und ein zentrales Ziel darin besteht, Produkte schnell in regionaler oder weltweiter Kooperation zu entwickeln und zeitnah global ver- markten zu können625. Diesbezüglich merkt Braun an, dass sowohl die Zahl der Schritte als auch der unternehmensspezifi- sche Aufwand bei interorganisationalen F&E-Projekten durch eine frühzeitige Abstimmung auf der 619 vgl. Piller (2000), S. 244 620 vgl. Braun (1999), S. 48. 621 einen sehr guten Einblick in das Konzept des Lean Management geben Pfeiffer/Weiß (1992) 622 vgl. Scholz (1994), S. 181 623 vgl. Konsysnsky/McFarlan (1991), S. 57 f. 624 vgl. Stalk (1993), S. 555 ff. 625 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 94 166 Basis eindeutig festgelegter Spielregeln und Szenarien drastisch gesenkt werden kann, wobei die Handlungsweisen Parallelisieren, Integrieren und Standardisieren im Mittelpunkt stehen626. Weiterhin wird dadurch der Mangel an Ressourcen, sei es Kapital-, Ideenmangel oder fehlende Qualifikation beim Personal, ausgeglichen sowie zumindest teilweise einem unter Umständen ho- hen Entwicklungsrisiko vorgebeugt627. Im Gegenteil, gerade eine fruchtbare Zusammenarbeit mit einem Kooperationspartner bei F&E erlaubt die Bündelung von individuellen Stärken in finanziel- ler, personaler oder technischer Hinsicht. Zusätzlich birgt diese das Potenzial einer Kostenreduzie- rung in sich, z.B. durch Know-how-Transfer bei gegenseitigem Technologieaustausch und verbes- serten Abstimmungsprozessen. Infolgedessen ist zu beobachten, dass es bereits zu vielen Allianzen zwischen Unternehmen ge- kommen ist, die einen Weg gefunden haben, sich in einer ausbaufähigen Zusammenarbeit in For- schung, Design und Logistik zu engagieren628. Neben dem Bereich F&E ist auch eine kooperative Zusammenarbeit innerhalb der Produktion denkbar. Diese gestaltet sich derart, dass aufeinander abgestimmte bzw. gemeinsam genutzte Pro- duktionsfaktoren so zusammenwirken, dass insgesamt niedrigere Kosten für den gleichen Output anfallen. Dieser Effekt wird im Allgemeinen auch als Synergie bezeichnet629. Darüber hinaus ermöglicht das Zusammenwirken in Form einer produktionswirtschaftlichen Ver- bundenheit bisweilen auch Qualitätsverbesserungen des Outputs sowie die Erzielung von Zeiter- sparnissen630. Ferner wird die überbetriebliche Zusammenarbeit sehr häufig mit der Verwirklichung von Econo- mies of scale- (sinkende Durchschnittskosten bei steigenden Stückzahlen) und Economies of scope- Effekten (Erzielung von Verbundeffekten, indem verschiedene Güter und Dienstleistungen gemein- sam kostengünstiger hergestellt werden) begründet (vgl. auch Kapitel 1.2.2 und 3.1.2). Hierbei entsteht der Zuwachs an Leistungsstärke entweder durch das Zusammenlegen von Kapazi- täten oder durch Arbeitsteilung bei individueller Spezialisierung631. Schließlich dürfen auch die so genannten Economies of team-Effekte nicht vernachlässigt werden. Letztere hängen eng mit der bereits oben angesprochenen Komplexität zusammen (siehe oben Kapi- tel 3.1.2.1), deren zunehmende Steigerung nicht nur das Problemlösungspotenzial eines Einzelnen, sondern bisweilen auch jenes einer ganzen Organisation übersteigen kann. Daher können Ideen und Erfahrungen, die durch ein anderes Unternehmen eingebracht und genutzt werden, mit dazu beitra- gen, dass gemeinsam Leistungen erzielt werden, die jeder für sich alleine nicht erreicht hätte632 (vgl. hierzu auch Aussagen zur Prozessorganisation Kapitel 2.3.1). Gerade Letzteres impliziert die Notwendigkeit für ein Verschmelzen der Wertketten in Form von Kooperationen und Partnerschaften sowie einer gemeinsamen Teambildung zwischen Kunde, Liefe- ranten und anderen Partnern hin zu einer vereinten Wertschöpfung im Produktionsprozess633. Dass eine solche Form integrierter Zusammenarbeit längst keine graue Theorie mehr ist, lässt sich auch empirisch in Form von Studien nachweisen, die festgestellt haben, dass sich Zuliefererbezie- hungen in den USA und Europa in letzter Zeit mehr und mehr auf Basis langfristiger, netzwerkarti- ger Kooperationssysteme entwickelt haben634. Damit wäre der Weg hin zu einem Produktionsnetzwerk geebnet, dessen zentrale Erfolgsfaktoren sich durch Verbesserungen hinsichtlich Zeit, Kosten und Qualität bemessen lassen. 626 vgl. Braun (1999), S. 55 f. 627 vgl. Staudt et al. (1992), S. 8 ff. 628 vgl. Evans/Wurster (2000), S.188 629 vgl. Ropella (1989), S. 224 630 vgl. Kaufmann (1993), S. 104 631 vgl. Vizjak (1990), S. 99 ff. 632 vgl. Kaufmann (1993), S. 108 f. 633 vgl. Kurtzke (1998), S. 202 634 siehe u.a. Bellmann (1999), S. 212 f.; Oleson (1998), S. 77; Pine (1993), S. 229 167 Des Weiteren folgt ein Produktionsnetzwerk dem Ansatz des "time to market", in welchem sämtli- che (Prozess-) Aktivitäten in Bezug auf eine schnelle und reibungslose Umsetzung neuer Technolo- gien in innovative Produkte gebündelt werden635. Parallel dazu ist eines der wichtigsten Motive und Ziele der Integration von Lieferanten in die Leis- tungserstellung, dass die Planungs- und Steuerungskomplexität in der Fertigung reduziert wird. Daneben ergeben sich nach Piller weitere Vorteile im Zusammenhang mit dem Aufbau von Produk- tionsnetzwerken, wie beispielsweise Spezialisierungs- und Beschleunigungseffekte. Hiermit sind der Vollzug von Aufgaben in paralleler statt sequentieller Form durch den Einbezug externer Part- ner, die Verringerung von Durchlaufzeiten, die Verbesserung des Verfahrenswissens mit damit ver- bundener Qualitätssteigerung sowie Anlieferung und Produktion auf Abruf (im Rahmen eines Just- in-time-Konzeptes) gemeint. Diese Faktoren ziehen eine Optimierung der Logistikkette nach sich. Weiterhin ist durch Produktionsnetzwerke eine Erweiterung des Individualisierungsgrades möglich, d.h., durch Einbezug geeigneter Lieferanten wird die Variantenvielfalt und damit die Realisierungs- möglichkeit auf den Kunden zugeschnittener Produkte gesteigert. Schließlich kann es auch zu einer Ökonomisierung der Flexibilität kommen, indem innerhalb eines Produktionsnetzwerkes der Zu- griff auf ungenutzte Ressourcen von Partnerunternehmen ermöglicht wird, und somit das nutzende Unternehmen diese nicht selbst vorhalten muss636. Einen sehr guten Überblick über den durch Produktionsnetzwerke hervorgerufenen Mehrwertnutzen gibt Braun637: Abb. 44: Mehrwertnutzen durch Produktionsnetzwerke 635 vgl. Braun (1999), S. 48 636 vgl. Piller (2000), S. 361 ff. 637 entnommen aus Braun (1999), S. 46 168 Generell ist festzuhalten, dass die Etablierung von Produktionsnetzwerken und die damit verbunde- ne Aufteilung der Gesamtaufgabe auf unterschiedliche Unternehmen, welche unter Rückgriff auf ihre eigenen Kompetenzen individuelle Wertaktivitäten vollziehen, eine wichtige Entwicklung ist. Diese ist sehr eng mit dem Ansinnen verbunden, die innerbetriebliche Komplexität aus Sicht des einzelnen Unternehmens zu reduzieren (vgl. Kapitel 3.1.2.1). Jedoch darf keinesfalls übersehen werden, dass jegliche Verlagerung von Leistungen auf vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstu- fen immer auch ein mehr an Koordinationskomplexität (Kommunikations-, Abstimmungs-, Kon- trollbedarf etc.) bedeutet638. Weiterhin fallen innerhalb von Produktionsnetzwerken Differenzierungskosten in Form von Infor- mationskosten an. Diese beziehen sich neben der Erhebung und Spezifikation der Kundenwünsche vor allem auf die Übermittlung dieser Informationen an die Unternehmen, die an der Fertigung be- teiligt sind. Dieses erhöht wiederum die Komplexität der Produktionsplanung und -steuerung in Form von Abstimmungsaufwand. Wichtig ist daher die Existenz und der Einsatz stabiler, entwicklungsfähiger und preisgünstig zu nutzender Infrastrukturen und Softwarelösungen, die die Grundlage der Senkung der mit einer Ver- netzung stets verbundenen inner- und außerbetrieblichen Koordinationskosten bilden639. 3.1.2.2.2.1 Benötigte technologische Voraussetzungen zur Eindämmung höherer zwischenbe- trieblicher Vernetzungskosten An dieser Stelle ist zunächst auf die Ausführungen in Kapitel 2.1. f. und 2.2 ff. zu verweisen. Hier ist ausführlich dargelegt worden, wie weit der Stand der Technik ist und welche Einsparpotenziale sich durch den Einsatz von Internet und E-Commerce-Lösungen realisieren lassen. Stellvertretend für die dort erläuterten Zusammenhänge sind hier das Internet als weltweite Kommunikations- und Informationsplattform, die Verfügbarkeit web-basierter direkter und indirekter EDI-Systeme sowie der Gebrauch der Metasprache XML als Standardformat des interorganisationalen Datenaustau- sches zu erwähnen. Weiterhin kommt zur innerbetrieblichen Koordinationskosten-Senkung in den Unternehmen viel- fach betriebswirtschaftliche Standardanwendungssoftware zum Einsatz. Durch diese soll eine pro- zessorientierte Integration erreicht werden, wobei neben der Produktion auch Organisation, Perso- nal- und Rechnungswesen sowie Controlling umfasst werden. Dementsprechend besteht die Haupt- aufgabe dieser Softwaresysteme darin, eingegangene Aufträge abzuwickeln, Zahlungsvorgänge festzuhalten und die entsprechende Logistik zu unterstützen. Dieses unterscheidet sie auch von den erwähnten CRM-Systemen, deren Hauptaufgabe es ist, den Vertrieb in der Phase vor dem Auf- tragseingang zu unterstützen640. Allerdings macht es durchaus Sinn, beide Systeme miteinander zu verknüpfen, etwa wenn es darum geht, gemeinsame Stammdaten, Auftragsstati oder Umsatzzahlen zu aktualisieren sowie Auskünfte über aktuelle Lagerbestände zu geben641. In diesem Zusammenhang kommt eine Umfrage der Un- ternehmensberatung AT Kearney über den Nutzen solcher Systeme zu dem Ergebnis, dass vor al- lem die Verbesserung des internen Workflows, die Fähigkeit auf Kundenwünsche zu reagieren und die Senkung der "customer support system costs" im Mittelpunkt stehen642. Um dieses zu bewerkstelligen, bietet sich der Einsatz eines integrierten und integrierenden Soft- warepaketes an, welches nicht nur die innerbetriebliche Zusammenarbeit im Fokus hat, sondern da- 638 vgl. Wildemann (1996), S. 15 f. 639 vgl. Reichwald et al. (1998), S. 229 f. 640 vgl. Schwetz (2000), S. 108 641 vgl. Schwetz (2000a), S. 8 642 vgl. Gibbon (2000), S. 8 169 rüber hinaus auch die interorganisationale Datenintegration. Auf diese Weise werden im Idealfall alle Bestandteile eines Geschäftsprozesses informatorisch zusammengeführt643. Das Ziel einer solchen Lösung ist dabei nach Piller weder die Reduktion der Kommunikationskos- ten noch die Beschleunigung des Datenaustausches, sondern die übergreifende Koordination der Aktivitäten innerhalb eines logistischen Netzwerkes durch eine Abstimmung der Informations- und Kommunikationsprozesse mit den Güterflüssen. Um dies zu ermöglichen, ist eine integrierte Ge- staltung der unternehmensübergreifenden Informationsprozesse sowie die Einführung einer einheit- lichen Datengrundlage erforderlich644. Hierfür kommt zum einen der Einsatz internetfähiger ERP-Systeme in Frage. Andererseits kann aber auch die unternehmensübergreifende Nutzung eines supply-chain-fokussierten E-Hubs eine wertvolle Hilfestellung sein. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er auf der Basis der erwähnten IuK-Technologien eine effiziente und effektive Kommunikation und Koordination zwischen zahl- reichen Unternehmen ermöglicht. Dabei erzeugt ein solcher supply-chain-orientierter E-Hub auf der einen Seite eine hohe Markttransparenz bzw. schafft auf der anderen Seite auch die Voraussetzun- gen dafür, die oft zahlreichen individuellen Prozesse zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit zu unterstützen bzw. elektronisch zu integrieren (vgl. Kapitel 2.2.4 ff). Somit wird es den an der Ko- operation beteiligten Unternehmen ermöglicht, mit Hilfe des E-Hubs die Leistungserstellungspro- zesse entlang der Wertkette übergreifend zu koordinieren645. Die neuen elektronischen Marktplätze leisten dabei weit mehr als lediglich eine Automatisierung der Abläufe, sondern gestalten bisweilen den Arbeitsfluss zwischen Unternehmen in bestimmten Branchen völlig um646. Darüber hinaus ist auch denkbar, dass Unternehmen eine direkte Kooperation mit einem E-Hub- Betreiber eingehen. Sei es, weil sie über diesen das eigene Angebotsportfolio erweitern können und sich somit die sich momentan vollziehende Bündelung von Mehrwertdiensten bei E-Hubs zu Nutze machen, sei es, um einen Großteil ihrer Transaktionskäufe oder gar strategischen Einkäufe über ein solches Portal abzuwickeln. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die Intermediaries eng mit jenen Unternehmen zu- sammenarbeiten müssen, die entweder die gesamten technischen Voraussetzungen schaffen oder mittels der von ihnen angebotenen Mehrwerte die Attraktivität des elektronischen Marktplatzes steigern (vgl. Kapitel 2.2.4.3 ff.). 3.1.2.3 Zusammenfassung: Das Unternehmen als "extended enterprise" Aus den Ausarbeitungen der vorangegangenen Abschnitte (Definition des Kooperationsbegriffes und Abgrenzung der Kooperation von anderen Interaktionsformen, Einfluss von makroökonomi- schen Trends auf die Bildung von Kooperationen und deren Auswirkungen auf mikroökonomischen Entwicklungen) ist herauszulesen, dass nur ein veränderter Umgang mit dem Markt das Überleben eines Unternehmens sichert. Damit ist, wie dargestellt, in erster Linie die Abkehr von überkommenen Formen der Zusammenar- beit wie: "Wir hier als fest umrissenes Unternehmensgebilde, dort der große anonyme Markt beste- hend aus Kunden, Lieferanten und Konkurrenten", gemeint (Abschied vom einseitigen Markt- /Hierarchiedenken)647. 643 siehe diesbezüglich auch Aussagen zum Supply Chain Management Kapitel 2.2.3.3 644 vgl. Piller (2000), S. 40 645 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 36 646 vgl. Kaplan/Sawhney (2000), S. 62 647 vgl. Huly/Raake (1995), S. 166 f. 170 In diesem Zusammenhang ist es durchaus angebracht, von einem Unternehmen als so genanntem erweitertem Unternehmen (extended enterprise) zu sprechen, wobei dessen Grenzen mehr und mehr verfließen, was wiederum eine klare Abgrenzung zu einem schwierigen Unterfangen macht648. Bisweilen ist sogar von der grenzenlosen Unternehmung bzw. der Auflösung der Unternehmen die Rede, wobei Picot/Reichwald/Wigand diesbezüglich einschränkend anmerken: "Modulare Organisationen, Netzwerke und Kooperationsgeflechte, elektronische Märkte, Teleko- operationen und virtuelle Kooperationsstrukturen sind nicht mehr nur Schlagworte, sondern schon heute Realität. Die klassischen Grenzen der Unternehmung beginnen zu verschwimmen, sich nach innen wie nach außen zu verändern, teilweise auch aufzulösen. An die Stelle von tief gestaffelten Unternehmenshierarchien, die primär nach Befehl und Gehorsam funktionieren, treten zunehmend dezentrale, modular zerlegte Gebilde, die von Autonomie, Kooperation und indirekter Führung ge- prägt sind"649. Hieraus lässt sich implizit ableiten, dass sich die Unternehmen, trotz aller Veränderungen, nicht vollständig auflösen werden, sondern sich eher in veränderter Form, auf der Basis verschiedener kooperativer Alternativen der Zusammenarbeit, neu konstituieren650. Trotz dieser eindeutigen Aussagen im Hinblick auf die Notwendigkeit des Eingehens von Koopera- tionen darf im Weiteren allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei solchen kei- neswegs um einen Selbstzweck handelt oder eine Modewelle, der es zu folgen gilt, sondern um ein Mittel, welches in erster Linie dazu beitragen soll, zur Überlebensfähigkeit von Unternehmen beizu- tragen. In diesem Zusammenhang besteht, gerade vor dem Hintergrund der beschriebenen Abgrenzungs- problematik, eine wesentliche Herausforderung darin, durch das Eingehen von Kooperationen un- terschiedlicher Ausprägung und auf der Grundlage entsprechender Zielvorgaben, den Grundstein zur Sicherung eines langfristigen Überlebens von Unternehmen im Zeitalter von Internet und E- Commerce zu legen. Dieses erfordert wiederum ein Stück weit eine Einordnung bzw. Abgrenzung der verschiedenen (Kooperations-) Aktivitäten. Um dies zu bewerkstelligen, sind zum einen übergeordnete Erkenntnisse über die grundsätzlichen erstrebenswerten inhaltlichen Ziele bezüglich der Entwicklung von Unternehmen erforderlich. Darauf aufbauend sind dann jene Faktoren näher zu untersuchen, welche entscheidend dazu beitra- gen, die inhaltlichen wünschenswerten Vorgaben in einer digitalen Welt so weit wie möglich zu erreichen. Beide Aspekte werden im folgenden Kapitel Gegenstand der Betrachtung sein. 3.1.3 Der Aufbau von (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen und die Stabilisierung der vor- handenen Wettbewerbsposition als Grundbestandteile einer systemverträglichen, in- terorganisationalen Unternehmensentwicklung In den vergangenen Abschnitten wurde gezeigt, dass es für ein Unternehmen als "extended enterpri- se" immer wichtiger wird, das eigene Überleben und damit die Aufrechterhaltung des sozialen Sys- tems Unternehmung durch das Eingehen von Kooperationen bzw. durch neue Formen interorgani- 648 vgl. Booz Allen & Hamilton (1999), S. 12 ff. 649 vgl. Picot/Reichwald/Wigand (1998), S. 2 (hervorgehoben im Original) 650 vgl. Baumgarten (1998), S. 326 171 sationaler Zusammenarbeit außerhalb der klassischen Koordinationsmechanismen Markt und Hie- rarchie (siehe Kapitel 3.1.1.2) zu gewährleisten. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Frage nach der (eigenen und unternehmens- übergreifenden) Wertschöpfung zur Sicherstellung der kurz- und langfristigen Wettbewerbsfähig- keit infolge der Dekonstruktion der Wertkette, der Zunahme der Wettbewerbsintensität, der Ab- nahme der Produktlebenszyklen etc. (siehe Kapitel 2.5.1 ff.) zunehmend den Gang der Dinge im Unternehmen beeinflusst. Somit ist das Eingehen von Kooperationen letztlich als wichtiges Instrument anzusehen, welches dem Erhalt des Unternehmens dient, was wiederum nahezu zwangsläufig dazu führt, sich mit der Wertschöpfung und den dahinter stehenden Grundlagen auseinanderzusetzen. Diese sind letztlich entscheidend für den Erhalt eines Unternehmens verantwortlich, wobei es sich an dieser Stelle anbietet, die Wertschöpfung nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines übergeordneten Konzeptes, welches ein möglichst reibungsloses Überleben bzw. Fortbestehen des jeweiligen sozialen Systems Unternehmung (vgl. Kapitel 2.4) gewährleistet. Die Grundzüge eines solchen Konzeptes, welches als Grundlage einer möglichst harmonischen Un- ternehmensentwicklung zu sehen ist, werden nachfolgend kurz dargestellt. 3.1.3.1 Die systemverträgliche Unternehmensentwicklung als übergeordneter Orientierungs- rahmen zur Sicherstellung einer reibungslosen und zukunftsträchtigen interorganisa- tionalen Zusammenarbeit Der von Kastner geprägte Begriff der Systemverträglichkeit steht für das Idealbild der Entwicklung eines sozialen Systems. Dabei ist es erstrebenswert, dass es dem sozialen System gelingt, sich unter weit gehender Wahrung der bestehenden Identität und Sinnstrukturen, die sich allenfalls evolutionär verändern sollten, weiter zu entwickeln. Systemverträglich steht dabei für eine Entwicklung auf Basis der Berücksichtigung des Aus- und Abgleichs verschiedener Systeminteressen, der Fähigkeit, andere soziale Systeme nicht durch das eigene Systemverhalten zu schädigen sowie größere Sys- tembrüche möglichst dauerhaft zu vermeiden651. Mit Systembrüchen sind hier verschiedene Stadien der Abweichung von einem harmonischen Zu- stand gemeint, wobei es das soziale System schafft, die eigenen Grenzen ohne größere Umwälzun- gen aufrechtzuerhalten. Diesen Zusammenhang verdeutlicht Kastner mit dem folgenden Schau- bild652: 651 vgl. Kastner (1992), S. 878 652 entnommen aus Kastner (1994), S. 123 172 Abb. 45: Das Kontinuum von Harmonie bis Systembruch Bezieht man diese Abbildung auf die konkreten Anforderungen an ein Konzept zur Gestaltung und Steuerung verschiedener Formen interorganisationaler Zusammenarbeit, so liegt eine augenschein- liche Herausforderung darin, durch eine präventive Steuerung des Unternehmens (-verbundes) zu einem möglichst systemverträgliches Miteinander zu kommen. In diesem Fall ist ein korrigierendes Eingreifen nur gelegentlich erforderlich, was entscheidend dazu beiträgt, dass eine Intervention oder gar ein (revolutionäres) Krisenmanagement vermieden wird. Der dahinter liegende Leitgedanke ist, dass jede Intervention im Grunde mit einer Art Reparatur am System verglichen werden kann. Das heißt, Fehler, die im Vorfeld begangen wurden und sich bei- spielsweise in Verlusten oder zurückgehenden Umsätzen äußern, sollen im Nachhinein behoben werden. Dies äußert sich bisweilen in dramatischen Umbrüchen, wo nicht selten hunderte von Ar- beitsplätzen auf dem Spiel stehen und die Existenz des Unternehmens gefährdet ist. Des Weiteren ist dieses "Reparaturdienstverhalten"653 durch Re-Aktion geprägt, wo man den Ereignissen und Ent- wicklungen nicht nur ständig hinterherläuft, sondern auch, je nach Schwere der Krise, in seinen Handlungsspielräumen stark eingeschränkt ist. Jenes kann im Extremfall dazu führen, dass jegliches Handeln dem Primat des Ökonomischen unterworfen wird, weil binnen Quartalsfrist die Pleite droht654. Viel wünschenswerter für ein Unternehmen ist es jedoch, präventiv zu agieren und demzufolge so zu handeln, dass unerfreuliche Diagnosen gar nicht erst gestellt werden müssen. Auf diese Weise können oft "schmerzhafte" Interventionen vermieden und zudem Handlungsspielräume gewonnen werden, die es dem Unternehmen erlauben, sich ”vom Diktat der Ökonomie” mit all seinen poten- ziell negativen Folgen zu befreien. Im Übrigen sieht man am deutlichsten in der Medizin, dass Prävention wesentlich menschlicher und preiswerter ist als Intervention, wobei dem Menschen in der Regel aber abverlangt wird, mehr nach- zudenken, kreativer zu sein und seine Zielvorstellungen genauer zu präzisieren655. 653 vgl. Kopka (1996), S. 237 654 vgl. Kastner (1994), S. 122 655 vgl. Kastner (1990), S. 201 173 Das übergeordnete Ziel muss daher sein, dass jegliche Formen kooperativer Zusammenarbeit dahin- gehend ausgerichtet werden, dass es mit Hilfe der beteiligten Unternehmen dauerhaft gelingt, die gemeinsame Überlebensfähigkeit zu stärken. Im Rahmen dieses Prozesses lässt sich Systemverträg- lichkeit daran festmachen, dass ein Unternehmen als vernetztes und kaum noch abgrenzbares sozia- les System darauf achtet, seine Umfeldsysteme nicht zu schädigen, sondern zu fördern bzw. einen geplanten und organisierten evolutionären Prozess unter Einbeziehung möglichst vieler Systemsich- ten zu initiieren656. Dies bedeutet wiederum in Bezug auf die (interorganisationale) Wertschöpfung, dass diese einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung einer dauerhaften systemverträglichen Entwicklung leis- tet, wobei im Wesentlichen zwei Blickrichtungen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zum einen geht es darum, dass Kooperationen dazu genutzt werden, die kurzfristige Wettbewerbs- position der beteiligten Unternehmen zu sichern, was für deren weiteren Bestand zwingend notwen- dig ist. In diesem Zusammenhang ist auf die bis dato erarbeitete Erkenntnis zu verweisen, dass die Nutzung der neuen IuK-Technologien sowie das Eingehen von Unternehmenskooperationen die operationale Effizienz beträchtlich steigert (siehe Kapitel 2.2 ff. und 2.3 ff.) und somit die eigene Anpassungsfähigkeit ein Stück weit sichert (Reduzierung von interner Komplexität und Unsicher- heit durch den Aufbau von externer Komplexität, siehe oben Kapitel 3.1.2.1). Dieses ist ein erster wichtiger Schritt, gerade im Hinblick auf die Verteidigung der aktuellen Wett- bewerbsposition. Zum anderen gilt es aber auch, die Rahmenbedingungen für ein langfristiges und systemverträgli- ches Anpassungsvermögen eines Unternehmens und damit sein dauerhaftes Überleben am Markt (mit der Unterstützung anderer sozialer Systeme) zu definieren. Um Letzteres zu gewährleisten, ist die Etablierung von Kooperationen zwingend mit dem Aufbau von langfristigen Wettbewerbsvorteilen zu verknüpfen. Hiermit soll u.a. der Tatsache Rechnung getragen werden, dass in einer zunehmend "dekonstruier- ten Wirtschaft" die eigentliche Wertschöpfung in ihrem Wert gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn durch die zunehmende Transparenz der Märkte wird das Fehlen einer Wert- schöpfung im Rahmen unternehmerischer Tätigkeiten schneller und heftiger bestraft als dies früher der Fall war (vgl. Kapitel 2.5.1.1 f.). Im Übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, dass sich auch im Zeitalter von Internet und E- Commerce das inhaltliche Ziel der Unternehmen, nämlich möglichst dauerhaft zu überleben, in keinster Weise geändert hat. Dies mussten gerade in letzter Zeit zahllose mit großer Euphorie ge- startete Internetunternehmen leidvoll erfahren657. Geändert haben sich allerdings (zumindest teilweise) die instrumentellen Ziele. So z.B., wie es in einer hoch dynamischen, komplexen Wirtschaft, in der vorhandene Technologieführerschaft und darauf beruhende Wettbewerbsvorteile binnen Monaten veralten können658, trotzdem gelingt, etwa durch die richtige Wahl strategischer Kooperationspartner, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Diesbezüglich spielt das Erlangen und Bewahren von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen auf Basis einer strategisch ausgerichteten, unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit im Zeitalter der Informationsgesellschaft eine entscheidende Rolle. Dies wird durch die folgenden Aussagen, welche zu einem besseres Verständnis der Grundlagen von strategischen Wettbewerbsvorteilen sowie der diesbezüglich zu beachtenden Besonderheiten im Informations- und Wissenszeitalter beitragen sollen, nochmals deutlich unterstrichen. 656 vgl. Sprick (1995), S. 49 f. 657 vgl. Buchhorn/Müller/Rickens (2001), S. 154 ff. 658 siehe vertiefend Kapitel 3.1.3.2.1 174 3.1.3.2 Theoretische Grundlagen zur Erlangung und Bewahrung von strategischen (langfris- tigen) Wettbewerbsvorteilen Von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen ist dann die Rede, wenn ein Anbieter, im Vergleich zur Konkurrenz, über relative Positionsvorteile verfügt, die sich in einer überlegenen Wertigkeit für den Kunden oder in relativen Kostenvorteilen ausdrücken. Sie begründen letztlich die Basis des Erfol- ges eines Unternehmens am Markt und ermöglichen dem Unternehmen einen aktiven Gestaltungs- spielraum, der von einer geringen Nachfrageelastizität geprägt ist659. Für Lochridge ist diesbezüglich das Wesen eines Geschäftes grundsätzlich von zwei Faktoren ge- prägt, einmal von der Größe des Vorteils, den ein Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern auf- bauen kann sowie zum anderen von der Anzahl der Möglichkeiten, einen solchen Wettbewerbsvor- teil zu schaffen660. Die Grundlage dieser Wettbewerbsvorteile bilden Fähigkeiten und Ressourcen, die in einer überle- genen Wertschöpfung zum Ausdruck kommen. Die Basis dieser Fähigkeiten wiederum sind die so genannten Kernkompetenzen. Diese lassen sich sehr gut anhand einer von Prahalad/Hamel stam- menden Metapher erläutern. Sie bezeichnen ein Unternehmen als einen großen Baum, wobei Stamm und Äste die Kernprodukte darstellen, die dünnen Zweige die Geschäftseinheiten und die Blätter, Blüten und Früchte die Endprodukte sind. Das Wurzelgeflecht schließlich, das den Baum nährt und am Leben erhält, sind die Kernkompetenzen. Jene lassen sich, so die genannten Autoren, vor allem an drei Kriterien festmachen661: 1. Kernkompetenzen eröffnen potenziell den Zugang zu einem weiten Spektrum von Märkten. 2. Sie müssen zu den von den Kunden wahrgenommenen Vorzügen des Produktes erheblich beitra- gen. 3. Sie dürfen von der Konkurrenz nur schwer zu imitieren sein. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Simon, der im Zusammenhang mit der Nutzung interner Ressour- cen anmerkt, dass diese zwar eine notwendige, jedoch keinesfalls hinreichende Bedingung für die Erlangung dauerhafter Wettbewerbsvorteile sind. Letztere sind nur dann zu erlangen, so Simon, wenn sich interne Kompetenzen und externe Möglichkeiten entsprechen. Daher muss ein auf internen Ressourcen beruhender Wettbewerbsvorteil, der eine im Vergleich zum Wettbewerb überlegene Leistung definiert, zusätzlich drei Bedingungen erfüllen662: 1. Für den Kunden wichtig sein 2. Vom Kunden wahrgenommen werden 3. Dauerhaft sein In gleicher Weise argumentieren auch Handlbauer/Hinterhuber/Matzler, für welche es von ent- scheidender Bedeutung ist, dass Unternehmen jene Fähigkeiten entwickeln, die erforderlich sind, um Kundenorientierung zu einem langfristigen Wettbewerbsvorteil auszubauen. Dabei zeichnet sich Letzterer dadurch aus, dass er vom Kunden als einzigartig wahrgenommen wird, von der Konkur- renz schwer imitierbar und auf eine Vielzahl von Märkten übertragbar ist663. Dieses ist wiederum davon abhängig, dass die Produkteigenschaften nicht nur die Leistungsanfor- derungen der Kunden (das, was der Kunde explizit verlangt), sondern darüber hinaus auch deren Begeisterungsanforderungen erfüllen. Wettbewerbsvorteile ergeben sich somit daraus, dass die 659 vgl. Corsten (1998), S. 11 f. 660 vgl. Lochridge (1993), S. 130 661 vgl. Prahalad/Hamel (1991), S. 67 ff. 662 vgl. Simon (1995), S. 124 663 vgl. Handlbauer/Hinterhuber/Matzler (1998), S. 31 f. 175 Kernkompetenzen des Unternehmens in der Lage sind, jene Begeisterungseigenschaften als Basis einer wirkungsvollen Produktdifferenzierung abzubilden664. Obige Aussagen lassen sich auch mit Hilfe eines markt- und ressourcenorientierten Ansatzes be- schreiben. Ersterer stellt die Markt- bzw. Branchenattraktivität für den Unternehmenserfolg in den Mittelpunkt, Letzterer orientiert sich an den einzigartigen Kompetenzen bzw. Fähigkeiten, welche die Grundlage der Wettbewerbsvorteile bilden. Dabei schließen sich beide Ansätze nicht gegensei- tig aus, sondern vermitteln zwei Perspektiven, die es bei der Suche nach und Erklärung von Wett- bewerbsvorteilen zu beachten gilt. Für einen durchdringenden Erfolg am Markt müssen dabei so- wohl unternehmerische Fähigkeiten als auch marktliche Chancen in Einklang gebracht werden665. Neben diesen, in Übereinstimmung zu bringenden Perspektiven, spielt der bereits erwähnte Faktor der Dauerhaftigkeit im Zusammenhang mit Wettbewerbsvorteilen eine wesentliche Rolle. Hierbei geht es darum, dem Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg Gestaltungs- und Hand- lungsspielräume zu sichern, die es ihm zumindest teilweise erlauben, eine aktive Rolle am Markt einzunehmen, anstatt den Ereignissen ausschließlich reaktiv "hinterherzurennen". Gelingt dies, spricht man auch von dem Vorhandensein strategischer (langfristiger) Wettbewerbsvorteile. Eine solche strategische Position ist dabei grundsätzlich von operationalen Verbesserungen zu un- terscheiden. Diese sind zwar zur kurzfristigen Stabilisierung der Wettbewerbsposition notwendig und tragen somit mittelbar auch zum Überleben des Unternehmens (-verbundes) bei (siehe oben Kapitel 3.1.3.1 sowie vertiefend Kapitel 3.2.1), sie werden aber nicht dem langfristigen und tief gehenden Anspruch einer strategischen Vorgehensweise gerecht. Letzteres ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Ergebnis der Umsetzung zahlreicher so genannter strategischer Projekte, auf der Basis von in den letzten Jahren in Mode gekommenen Ma- nagementkonzepten wie Total Quality Management, Benchmarking, Business Process Reenginee- ring etc., sich vielfach in Optimierungen im operativen Bereich niederschlug, und zwar ohne die strategische Position der Unternehmen wirklich nachhaltig zu verbessern666. In Bezug hierauf gewinnt auch die Erkenntnis von Warnecke eine hohe Bedeutung, der den kompe- titiven Wert vieler Beratungsansätze anzweifelt und kritisch anmerkt: "Wenn man das macht, was alle machen, wird man zwar Nachteile vermeiden, sich aber auch keine signifikanten Vorteile verschaffen können"667. Das Ziel innerhalb einer strategischen Vorgehensweise ist es hingegen, anders als die anderen zu sein oder wie Porter es ausdrückt: "Competitive strategy is about being different"668. Wichtig ist, sich gegenüber der Konkurrenz durch eine dauerhafte Einmaligkeit auszuzeichnen, die darüber hinaus vom Kunden als bedeutend anerkannt und wahrgenommen wird (vgl. hierzu noch- mals die obigen Aussagen) sowie vom Wettbewerb nur schwer oder gar nicht zu imitieren ist. Eine anschauliche Abbildung hierzu liefern Mata/Fuerst/Barney669: 664 vgl. Handlbauer/Hinterhuber/Matzler (1998), S. 44 665 vgl. Corsten (1998), S. 20 ff. 666 vgl. Piller (2000), S. 112 667 vgl. Warnecke (1999), S. 18 (zitiert im Original) 668 vgl. Porter (1996), S. 64 (zitiert im Original) 669 entnommen aus Mata/Fuerst/Barney (1995), S. 494 176 Abb. 46: Bedingungen eines dauerhaften, strategischen Wettbewerbsvorteils Nach diesen Aussagen über die wesentlichen Grundlagen des Aufbaus von langfristigen Wettbe- werbsvorteilen geht es im Anschluss darum, einige Besonderheiten im Zusammenhang mit der Ausprägung der Informationsgesellschaft herauszuarbeiten. 3.1.3.2.1 Grundsätze des Aufbaus und der Verteidigung langfristiger Wettbewerbsvorteile im Informations- und Wissenszeitalter Wie in Kapitel 2 bereits ausführlich dargestellt, zeichnet sich die Informationsgesellschaft u.a. da- durch aus, dass sich Wissen nicht nur exponentiell weiterentwickelt, sondern mittels der neuen In- formations- und Kommunikationstechnologien auch blitzschnell weltweit verbreitet und somit na- hezu jedermann sofort verfügbar wird (vgl. Kapitel 2.2 ff.). Dies hat vielfach die einschneidende Konsequenz, dass sich die Nutzung von Wissensvorsprüngen nicht mehr in Jahren oder wenigstens Monaten bemessen lässt, sondern eher in Wochen und Tagen, ja sogar manchmal in Stunden oder Minuten. Istvan und Stalk sprechen diesbezüglich von Zeit als neuer Dimension des Wettbewerbs, welche die ursprünglichen Dimensionen wie Kosten- und Qualitätswettbewerb sowie Produktdiffe- renzierung zunehmend obsolet erscheinen lässt670. Des Weiteren wird insbesondere durch den Einfluss von Internet und E-Commerce sowie neuer elektronischer Medien der Bestand und die Aufrechterhaltung von teilweise seit Jahrzehnten beste- henden strategischen Wettbewerbsvorteilen massiv gefährdet, wie anhand der Beispiele Encyclo- paedia Britannica, Barnes & Noble sowie dem Privatkundengeschäft der Banken in Kapitel 2.5.1.4.1 gezeigt wurde. Aus diesen Fakten geht eindeutig hervor, wie durch konsequente Anwendung der technologischen Möglichkeiten die bisher allgemein anerkannten Definitionen von Unternehmen, Branchen und eben auch Wettbewerbsvorteilen verändert werden können. Dabei spielt es im Zweifel keine Rolle, dass das Unternehmen bereits seit über 200 Jahren am Markt ist und scheinbar über unüberwindli- che Wettbewerbsvorteile verfügt. Im Gegenteil, oft sind es gerade junge Unternehmen, die nicht über Erblasten, wie schwerfällige Mainframe-Systeme, Vertriebs- und Distributionssysteme, Ge- bäude, Anlagen oder Marken verfügen, die bisher vielfach als erforderliche Schlüsselkompetenzen 177 670 vgl. Oetinger (1993a), S. 531 f. angesehen wurden. Sie können sich somit "gewissermaßen unbelastet" dem Aufbau neuer strategi- scher Wettbewerbsvorteile widmen671. Diesbezüglich merken Evans/Wurster an, dass sich gerade Marktführer damit schwer tun, etablierte Geschäftsmodelle, zusammen mit den damit verbundenen Fähigkeiten, in Frage zu stellen. Oft zeigen sie wenig Bereitschaft, die existierenden Geschäftsmo- delle, verbunden mit den entsprechenden Gewinnen, etwa durch die Nutzung neuer Vertriebskanäle oder Medien zu kannibalisieren672. Allerdings darf keineswegs übersehen werden, dass diesen unbestrittenen Vorteilen, ohne „admi- nistratives Erbe“ den Markt bearbeiten zu können, auch einige gravierende Nachteile gegenüberste- hen. So verfügen neu am Markt tätige Unternehmen in der Regel nicht über etablierte, langfristige Kun- denbeziehungen (in vielen Fällen die Basis des eigentlichen Unternehmenswertes, vgl. Kapitel 3.1.2.2.1.1). Ähnliches gilt für eingespielte Bindungen und Geschäftsbeziehungen in Bereichen, die dem Unternehmen vor- und nachgelagert sind, wie Handel und Zulieferer. Schließlich müssen sich neu am Markt tätige Unternehmen in den meisten Fällen erst einmal derart positionieren, dass das kurzfristige Überleben am Markt gesichert ist, wobei in vielen Fällen anfangs keineswegs gesichert ist, dass das Geschäftsmodell auf langfristig verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen beruht. Des Weiteren ist mit Bezug auf den Aufbau von langfristigen Wettbewerbsvorteilen im Informati- onszeitalter eine andere Entwicklung nicht zu übersehen. So haben Mata et al. noch vor wenigen Jahren vier wichtige Faktoren identifiziert, die den Einfluss der IuK-Technologie beim Aufbau strategischer Wettbewerbsvorteile zur Geltung brachten. Dies waren Umstellungskosten für den Kunden, Zugang zu Kapital und proprietären Technologien sowie technisches Know-how673. Hält man sich demgegenüber den Fortschritt der letzten Jahre vor Augen, so ist es mehr als zweifel- haft, dass die genannten Faktoren zukünftig ausreichen, einen langfristigen Wettbewerbsvorteil zu begründen. Zum einen gibt es heute einen breiten Zugang zu Technologien durch Standardisierungen, Vernet- zungen und offene Systeme sowie eine weitaus homogenere Verteilung der Ressourcen, was deut- lich abnehmende Umstellungskosten und einen sinkenden Kapitalbedarf zur Folge hat. Zum ande- ren nimmt die Entwicklung aufwendiger proprietärer (meist sehr unflexibler) Technologien bzw. Anwendungen immer mehr ab. Und letztlich stellt auch IV-technisches Know-how in Zeiten des Internets bzw. Standardisierung und Offenheit der Systeme kein exklusives Geheimwissen mehr dar, was nur wenigen zugänglich ist (vgl. Aussagen in Kapitel 2.2.3.3 sowie 2.5.2.1). Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, über neue ressourcenorientierte Fähigkeiten nachzudenken, die die Basis zum Aufbau eines langfristigen Wettbewerbsvorteils bilden. Hierzu zählt beispiels- weise das Vermögen, die Potenziale moderner IuK-Technologien zur Gestaltung der intra- wie in- terorganisationalen Schnittstellen und Interdependenzen zu erkennen und zu nutzen. Ebenso gehört die Fähigkeit dazu, die Informations- und Kommunikationsbedarfe aller an der Wertschöpfung Be- teiligten möglichst proaktiv zu identifizieren, um frühzeitig durch gezielten Einsatz von IuK-Tech- nologien eine effiziente Bedürfnisbefriedigung herbeizuführen. Demnach geht es weniger um den Einsatz der Technik an sich, sondern mehr um die übergeordnete, abteilungs- und unternehmens- übergreifende Organisation der IT-Prozesse. Zentrale Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit von IT-Managern, mit Managern anderer funktionaler Bereiche sowie solchen von anderen Organisatio- nen zusammenarbeiten zu können, was zukünftig als zentrale Grundlage für den Aufbau von dauer- haften Wettbewerbsvorteilen anzusehen ist674. 671 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 17 f. 672 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 65 f. 673 vgl. Mata/Fuerst/Barney (1995), S. 495 ff. 674 vgl. Piller (2000), S. 117 178 Aus diesen Feststellungen lässt sich ableiten, dass für einen dauerhaften Geschäftserfolg zwar nicht auf die klassischen Erfolgsfaktoren des physischen Geschäftes wie Größenvorteil, Segmentierung, Wirtschaftlichkeit etc. verzichtet werden kann. Parallel dazu gilt es jedoch, die kritischen Erfolgs- faktoren für ein erfolgreiches Wirtschaften im Zeitalter von Internet und E-Commerce zu beachten. Hierzu zählen der effiziente und effektive Umgang mit steigender Komplexität und Dynamik (Be- wältigung der Informationsflut, Anpassung an sich schnell ändernde Marktbedingungen durch Technologiesprünge und/oder neue Wettbewerber, vgl. Kapitel 2.5.1 ff.) sowie die konsequente Nutzung der neuen technologischen Medien. Eng damit verbunden spielt aber auch der Aufbau von strategischen Wettbewerbsvorteilen vor dem Hintergrund einer zunehmend vernetzten und globalen Wirtschaft eine wichtige Rolle675. Aldrich schließlich merkt zu dem Ansinnen vieler Unternehmen, die in der digitalen Wirtschaft eine führende Rolle einnehmen wollen, an, dass diese im Wesentlichen die folgenden drei Fragen beant- worten können müssen676: x Ist es dem Unternehmen wirklich bewusst, welcher Wert der Kunde den einzelnen Leistungen zugesteht? x Ist es dem Unternehmen klar, auf welche Weise die digitale Wirtschaft die Beziehungen zu Verkäufern, Kunden (und anderen Partnern entlang der Wertkette Anmerkung fw) verändert? x Wie gestalten sich die Auswirkungen der digitalen Wirtschaft auf Organisation und Kultur im Unternehmen? Aus den bisherigen Aussagen über die Gewinnung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen im In- formations- und Wissenszeitalter geht demnach deutlich hervor, dass Kooperationen bzw. Allianzen im Allgemeinen sowie deren Aufbau und Entwicklung im Besonderen einen entscheidenden Bei- trag zur Erreichung dieses Ziels beisteuern. Hierzu merken Jäger/Boucke an, dass zur Realisierung eines "sustained competitive advantage" (vgl. hierzu nochmals Abb. 46, Kapitel 3.1.3.2) besonders der Aufbau von Netzwerken (Allianzen) große Chancen mit sich bringt, indem etwa in diesen nur solche Fachkompetenzen eingebracht wer- den, die zu den Kernkompetenzen des jeweiligen Unternehmens zählen. Daraus wiederum kann sich eine Struktur entwickeln, in der die verschiedenen Spitzenleistungen im Zusammenspiel zu einer optimalen Problemlösung gebündelt werden, was zweifellos die Basis eines gewichtigen Wettbewerbsvorteils darstellt677. 3.1.3.2.2 Der Zusammenhang zwischen der Formulierung einer tragfähigen Strategie und dem Aufbau von strategischen Wettbewerbsvorteilen in der digitalen Wirtschaft Nach Henderson handelt es sich bei einer Strategie um eine langfristige, nicht unmittelbar erkenn- bare Führung eines Systems über längere Zeiträume, wobei das Ziel einer Strategie die dauerhafte Schaffung echter Werte und wettbewerblicher Vorteile ist. Letzteres besagt, dass das Unternehmen in die Lage versetzt werden soll, Produkte, Dienstleistungen und Verfahren zu schaffen, die in die- ser Form bisher nicht existiert haben und es somit durch den Einsatz von Ressourcen gelingt, Ver- änderungen in den Wettbewerbsbeziehungen zu erreichen. Die Grundlage einer Strategie bildet wiederum ein Aktionsplan bzw. Handlungsschema, durch das die (langfristigen) Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens entwickelt und gefestigt werden678. 675 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 8 676 vgl. Aldrich (1999), S. 20f. 677 vgl. Jäger /Boucke (1999), S. 96 678 vgl. Henderson (1993), S. 55 ff. 179 In gleicher Weise argumentiert Stetter, indem er das Strategische dadurch charakterisiert, dass es einerseits in die Zukunft ausgerichtet ist und zum anderen auf die langfristigen Erfolgspotenziale abzielt679, wobei die Entwicklung eines jeden Unternehmens immer im Zusammenhang mit der geplanten und verfolgten Strategie zu sehen ist680. Wichtig ist dabei, dass es weniger um die Art und Weise des Erreichens bestimmter (bisweilen illusorischer) Ziele geht, sondern um die langfris- tige Überlebens- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens. Mit dieser sollen die Unternehmen als soziale Systeme in die Lage versetzt werden, sich an die bisweilen sprunghafte Entwicklung der Umwelt anzupassen681. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen dem Eingehen von Kooperationen als Ausdruck eines veränderten Umgangs mit dem externen Markt auf der Basis einer neuen Interaktionsform (Abkehr von alleinigen Koordinationsprinzipien Wettbewerb, Tausch, Hierarchie) und dem Erlangen strategischer Wettbewerbsvorteile kommt klar zum Ausdruck, dass der Formulierung einer fundierten Strategie für den veränderten Umgang mit dem "externen" Markt eine enorme Bedeutung zukommt. Dabei handelt es sich keinesfalls um einen neuen Strategieansatz. Im Gegenteil, weiterhin werden althergebrachte Ziele wie Größenvorteile, Marktanteile, Kostenvorteile, Innovationen, Fähigkeiten, Aufbau von Kompetenzen etc. im Rahmen der drei folgenden wesentlichen wettbewerbsstrategi- schen Entscheidungsbereiche im Mittelpunkt des Denkens und Handelns stehen: x Analyse der Wettbewerbskräfte zur Bestimmung der relativen Position im Branchenwettbewerb (bestimmt durch die fünf Einflussfaktoren Bedrohung durch neue Konkurrenten, Verhandlungs- stärke der Abnehmer, Verhandlungsstärke der Lieferanten, Bedrohung durch Substitute, Verhal- ten der Wettbewerber)682 x Ableitung der Wettbewerbsstrategien (Kostenführerschaft, Differenzierung, Konzentration auf Schwerpunkte/Nischen)683 x Optimierung der Wertkette (ressourcenbasierte Ergänzung im Gegensatz zur Marktsicht unter Anerkennung, dass Unternehmenserfolg immer auch von der Einmaligkeit der Ressourcen und Fähigkeiten abhängt)684 Wichtig ist jetzt allerdings, dass die Notwendigkeit des Eingehens von Kooperationen sowie der Einfluss und das Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologie bei den strategischen Überlegungen angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere Letzteres wird sehr gut durch das nachfolgende Schaubild illustriert685. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei, dass der Einsatz der IuK-Technik vielfach die Möglich- keit bietet, die Wertschöpfung auf andere (effizientere) Art und Weise zu vollziehen. Ergebnis des- sen sind verschiedene Potenziale, die es den Unternehmen erlauben, sich entsprechend im Wettbe- werb zu positionieren und welche letztlich in einer Differenzierungs- oder Kostenführerschaftsstra- tegie aufgehen. Letztere hat dabei das Ziel, die operationale Effektivität zu verbessern, während Erstere an der Steigerung des Wertes der angebotenen Leistung für den Abnehmer ansetzt. Auf der Basis dieser beiden generischen Strategietypen können im Wesentlichen drei Möglichkei- ten unterschieden werden, die es einem Unternehmen erlauben, sich mit Hilfe zwischenbetrieblicher 679 vgl. Stetter (1994), S. 79 680 vgl. Stetter (1994), S. 10 681 vgl. Stetter (1994), S. 59 682 vgl. Hildebrand (1995), S. 69 683 vgl. Porter (1997), S. 67 684 vgl. Porter (1992), S. 107 685 in Anlehnung an Piller (2000), S. 120 180 Kooperationen gegenüber den genannten fünf Wettbewerbskräften (siehe oben) abzugrenzen: Pro- dukt-, Markt- und Unternehmensdifferenzierung. Neue IuK- Technologien Datenzugriffs- potenzial Koordinations- potenzial Informations- qualität Aufgaben- integration Schnelligkeits- und Innovations- potenzial Individualisie- rungspotenzial Produktionsbez. Kostensenkungs- potenzial Transaktionsbez. Kostensenkungs- potenzial Differenzierungspotenzial Kostenführerschaftspotenzial Produktdifferenzierung, Marktdifferenzierung und Unternehmensdif- ferenzierung Abb. 47: Differenzierungspotenziale durch den Einsatz moderner Informationstechnologien Im Rahmen dieser strategischen Optionen bietet der Einsatz von IuK-Technologien insbesondere unter Rückgriff auf neue Koordinationsformen vielfältige Möglichkeiten, die im Weiteren kurz dar- gelegt werden. 3.1.3.2.2.1 Neue strategische Optionen durch die Etablierung von Kooperationen und den Einsatz moderner IuK-Technologien sowie die damit verbundenen Folgen für die strategischen Wahlmöglichkeiten Bezüglich der Produktdifferenzierung ergeben sich mit Hilfe von Kooperationen zahllose Differen- zierungschancen im Hinblick auf eine gemeinsame Produktentwicklung sowie durch ein enges Ge- flecht mit Händlern und Kunden. Darüber hinaus werden auch durch eine computergestützte Pro- duktentwicklung und Auftragsverfolgung sowie durch die Optimierung der Wertkette mittels des Einsatzes von IuK-Technik Produktdifferenzierungspotenziale ermöglicht (vgl. Kapitel 3.1.2.2 f.). Bei der Marktdifferenzierung geht es darum, unter Nutzung der Potenziale der IuK-Technologien sowie ggf. mit Partnern gezielt nach Marktnischen zu suchen und dabei in spezifischer Art und Weise auf die (besonderen) Wünsche der Kunden einzugehen. Dies kann bisweilen sogar so weit 181 gehen, dass jeder Kunde bzw. einige wenige Kunden ein eigenständiges Marktsegment bilden, was es individuell zu bedienen gilt686. Bei der Unternehmensdifferenzierung spielt die Nutzung der IuK-Techniken hinsichtlich unterneh- mensübergreifender Vernetzungen eine tragende Rolle. So ist beispielsweise denkbar, dass zwei kleinere Unternehmen derselben Branche unter Rückgriff auf die neuen technischen Medien eine operative, horizontale Kooperation eingehen. Auf diese Weise können sie Größenvorteile wahr- nehmen (Einkaufsmacht gegenüber Abnehmern oder Lieferanten), die sonst deutlich größeren Un- ternehmen vorbehalten sind687. Diesbezüglich ermöglichen die vorhandenen oder in der Entwick- lung befindlichen Standards eine kurzfristige und informationstechnisch ausgereifte Integration zwischen zwei und mehreren Unternehmen der gleichen oder unterschiedlichen Wertschöpfungsstu- fen. Dies birgt nicht nur zahllose Differenzierungschancen, sondern auch vielfältige Rationalisie- rungspotenziale in Richtung Kostenführerschaft in sich688. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass es der Einsatz moderner IuK-Techno- logien im Rahmen interorganisationaler Kooperationen ermöglicht, nicht einseitig auf eine der stra- tegischen Optionen Kostenführerschaft oder Differenzierung setzen zu müssen, sondern auch ein Sowohl-als-auch-Ansatz denkbar ist. Dies ist der Fall, wenn einerseits Optimierungsmöglichkeiten entlang der Wertkette durch Just-in-time-Konzepte ausgeschöpft werden, und andererseits sich in derselben Kooperation durch gemeinsame F&E-Aktivitäten zusätzliche Produktdifferenzierungs- chancen eröffnen. Damit wäre auch die von Porter geprägte Alternativenhypothese zumindest in Frage zu stellen. Die- se geht zwar nicht von der generellen Unvereinbarkeit von Kostenführerschaft und Differenzie- rungsstrategie aus, legt aber dennoch unmissverständlich dar, dass ein Unternehmen, dass jeden Strategietyp verfolgt, über keinen wirklichen Wettbewerbsvorteil verfügt. Somit kann es allenfalls unterdurchschnittliche Leistungen erbringen689. Begründet wird dies damit, dass ein Unternehmen, welches eine Doppelstrategie verfolgt, immer auf einen Wettbewerber stößt, der bei Differenzie- rung oder Kosten überlegen ist. Ohne Konzentration auf einen Strategietyp kann demnach keine Spitzenleistung erbracht werden690. Dass diese Argumentation so heute nicht immer tragbar ist, zeigt auch ein Blick auf die herrschen- den Wettbewerbsbedingungen (vgl. hierzu nochmals Kapitel 2.5 f. und 3.1.2 f.). Diese lassen un- schwer erkennen, dass in vielen Branchen aufgrund des fortgeschrittenen Lebenszyklus wirkliche Kostensenkungspotenziale eigentlich nicht mehr vorhanden sind, womit jeder Strategie der Kosten- führerschaft die Erfolgsgrundlage entzogen ist. In dieser Situation zu einer reinen Differenzierungs- strategie zu greifen, ist auch nicht völlig unproblematisch, da oftmals der zusätzlich angebotene Nutzen vom Nachfrager nicht bzw. nicht ausreichend honoriert wird691. Dies darf jedoch nicht so interpretiert werden, dass die Verfolgung der ursprünglichen generischen Strategien in jedem Fall zu Gunsten eines "Sowohl-als-auch-Ansatzes" zurückzustellen ist. Viel- mehr gilt es zu bedenken, dass es eine zusätzliche "hybride" Strategieform gibt, die situationsbezo- gen überlegen sein kann692, aber nicht sein muss. Letzteres zeigt deutlich, dass sich die Anzahl der strategischen Optionen gerade vor dem Hinter- grund des unternehmensübergreifenden Einsatzes von IuK-Technologien erhöht hat; mit der wich- tigen Konsequenz, dass sich parallel dazu neue Chancen (und Risiken) ergeben, durch einen ent- 686 siehe hierzu auch Aussagen über kundenbezogene Massenproduktion Kapitel 2.2.4.2.2 687 vgl. Moreton/Chester (1996), S. 152 f. 688 vgl. Piller (2000), S.122 689 vgl. Porter (1992), S. 71 ff. 690 vgl. Porter (1992), S. 38 691 vgl. Piller (2000), S. 215 f. 692 das eine hybride Strategieverfolgung in Form einer simultanen Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategie durchaus erfolgversprechend sein kann, zeigen Miller/Dess (1993), S. 553 ff. 182 sprechenden Mix von ressourcen- und marktorientierten Wertaktivitäten einen dauerhaften Wett- bewerbsvorteil zu schaffen (und althergebrachte zu verlieren). 3.1.3.3 Zusammenfassung der zentralen Voraussetzungen für eine systemverträgliche Ent- wicklung und Erläuterung der psychologischen Einflussfaktoren im Zusammenhang mit der Wertschöpfung innerhalb von Kooperationen Rekapituliert man kurz die wesentlichen Aussagen dieses Abschnitts, so ist zu sagen, dass vor dem Hintergrund eines übergeordneten inhaltlichen Zieles die Notwendigkeit besteht, Kooperationen einzugehen, um gemeinsam am Markt möglichst dauerhaft systemverträglich zu überleben. Wichtig ist hierbei, dass im Zeitalter der Informationsgesellschaft letztlich eine zweigeteilte Vorge- hensweise für eine interorganisationale, systemverträgliche Entwicklung von großer Bedeutung ist. Um dies zu gewährleisten, ist es auf der einen Seite von entscheidender Bedeutung, dass es gelingt, langfristig ausgerichtete, strategische Wettbewerbsvorteile aufzubauen, die möglichst dauerhaft sind, vom Kunden geschätzt und wahrgenommen werden und von der Konkurrenz nur schwer zu kopieren sind. Hierbei sind in besonderer Weise die zur Verfügung stehenden technologischen Möglichkeiten zu nutzen, wobei auch das Gefahrenpotenzial, welches von diesen ausgeht, in die anzustellenden Überlegungen einzubeziehen ist. Ergebnis dessen kann beispielsweise eine unter- nehmensübergreifende hybride Strategie sein, welche zur gleichen Zeit Differenzierung und Kos- tenführerschaft anstrebt. Auf der anderen Seite geht es darum, insbesondere die (neuen) Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien unternehmensübergreifend dahingehend zu nutzen, etwa durch das Eingehen von Ein- und Verkaufskooperationen (vgl. Kapitel 2.2.4.2 ff. 3.1.2.2.1) und der damit verbundenen Steigerung der operationalen Effizienz kurzfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Diese untermauern die vorhandene Wettbewerbsposition. Hierbei muss jedoch grundsätzlich be- rücksichtigt werden, dass das Ergebnis dieser Vorgehensweise in der Regel weder mittel- bis lang- fristig schwer imitierbar ist noch ein wirkliches Potenzial hinsichtlich einer dauerhaften Einmalig- keit in sich birgt (vgl. Kapitel 3.1.3.2).. Infolgedessen liegt eine entscheidende (strategische) Erkenntnis in der Notwendigkeit, durch den intelligenten und effizienten Aufbau bzw. durch die Steuerung und Entwicklung einer Vielzahl von Kooperationen die Umsetzung kurzfristiger und strategisch-langfristiger Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Um dies zu bewerkstelligen, kommt es in hohem Maße darauf an, ein gedankliches Grundgerüst zur Orientierung an der Hand zu haben, welches den Aufbau und die Pflege von Kooperationen sowie deren Ausrichtung in Bezug auf das Erlangen oder Bewahren von Wettbewerbsvorteilen theoretisch fundiert unterstützt. Zur Formulierung eines solchen Rahmens, als Grundlage eines umfassenden, ganzheitlichen Ko- operationsansatzes bzw. einer entsprechenden Kooperationsstrategie, ist es von besonderer Bedeu- tung, dass logische und psychologische Faktoren, welche die Wertschöpfung bzw. den Aufbau von (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen beeinflussen, gleichermaßen berücksichtigt werden. Das heißt, neben den logischen Faktoren, die durch die analysierten informatorischen und ökonomischen Lo- giken zum Ausdruck kommen, gilt es in gleicher Weise, für eine möglichst reibungslose Entwick- lung auch die wesentlichen psychologischen Stellparameter mit ins Kalkül einzubeziehen (vgl. Ein- führung Kapitel 3). Dass diesen gerade im Zusammenhang mit dem Eingehen von Kooperationen zum Aufbau von langfristigen bzw. der Stabilisierung vorhandener Wettbewerbsvorteile eine unge- heure Bedeutung zukommt, wird nachfolgend kurz erläutert. 183 3.1.3.3.1 Die verschiedenen psychologischen Einflussfaktoren im Rahmen der Wertschöp- fung von Kooperationen Diesbezüglich sind in erster Linie übergreifende Zusammenhänge zu berücksichtigen, die aus psy- chologisch-menschlicher Sicht zur Schärfung des Verständnisses beitragen, wo der eigentliche Wert bei interorganisationalen Kooperationen herrührt bzw. wie dieser Wert geschaffen wird693. Dieses zielt in zentraler Weise auf die Etablierung, das Management sowie insbesondere die Entwicklung der Beziehungen innerhalb von Unternehmen als "extended enterprises" ab (vgl. Kapitel 3.1.2.3). Dabei kommt es beispielsweise beim Aufbau von strategischen Wettbewerbsvorteilen entscheidend darauf an, dass ein Unternehmen die (oft zahllosen) externen Bindungen im Ganzen beherrscht und in der Lage ist, diese bezüglich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten zu hinterfragen. Darauf aufbauend sollte gezielt mit den "high potentials" eine langfristige, strategische Partnerschaft eingegangen werden. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass einer der zentralen Beweggründe zum Eingehen von Ko- operationen aus der Sicht des einzelnen Unternehmens in der Reduzierung von (Umwelt-) Komple- xität zu sehen ist. Demgegenüber steht aber eine erhöhte Koordinationskomplexität in Form von Kommunikations- und Abstimmungsbedarf (vgl. Kapitel 3.1.2.1 f.). Hierfür müssen Mechanismen zur Verfügung stehen, die es den Unternehmen nicht nur erlauben, den Abstimmungsbedarf untereinander zu minimieren, sondern welche gegebenenfalls auch dazu zu nutzen sind, sich gemeinsam weiterzuentwickeln, z.B. von einer losen Kopplung innerhalb einer Einkaufskooperation hin zu einer strategischen Partnerschaft (vgl. hierzu Kapitel 3.2 ff.). Dieser innerhalb jeder Kooperation zumindest implizit zum Tragen kommende Entwicklungsaspekt verdeutlicht, dass es neben strukturierten Routineaufgaben, die sich vielfach auf der Grundlage öko- nomischer und informatorischer Logiken durch den Einsatz der IuK-Technik unternehmensüber- greifend automatisieren lassen, auch eine große Anzahl unstrukturierter Aufgaben gibt, die weder durch den Einsatz von IuK-Technologien noch vertraglich vollständig zu lösen sind. Hierzu sind, neben spezifischen Koordinations- und Kooperationsfähigkeiten694 (siehe vertiefende Aussagen im Weiteren), zusätzliche institutionelle Mechanismen erforderlich, die es beispielsweise erlauben, aus Entwicklungsgesichtspunkten zwischen operativen und strategischen Kooperationen zu differenzieren und daran anschließend unterschiedliche Steuerungs-, Anreiz- und Zusammenar- beitsmechanismen greifen zu lassen. Dabei sind es genau jene Steuerungs- und Entwicklungselemente, die sich weder mit ökonomischen noch mit informatorischen Logiken wirklich fassen und erklären lassen. Vielmehr greifen hier vor allem psychologische Logiken, was entscheidend darauf zurückzuführen ist, dass es sich bei einer Unternehmenskooperation um ein soziales Obersystem handelt, welches aus den jeweils beteiligten sozialen Untersystemen gebildet wird. In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis von Bedeutung, dass jegliche Entwicklung von Koope- rationen bzw. jeglicher Aufbau von (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen nicht aus sich selbst he- raus erfolgt, sondern unmittelbar an die Gehirne der beteiligten Mitarbeiter gekoppelt ist. Das be- deutet, kommt es hier nicht zu Erkenntnisfortschritten, entwickelt sich auch die Kooperation nicht wirklich weiter bzw. nicht in die gewünschte Richtung (vgl. hierzu Kapitel 2.4.2 ff.). Diesbezüglich ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass es sich bei den einzelnen Subsystemen (sprich den beteiligten Unternehmen) um operativ geschlossene Systeme handelt, wobei jedes Sub- system seine eigene innere Ordnung und Komplexität gegenüber der Umwelt erhält und reprodu- ziert, was im Übrigen zusätzlich durch die vorhandene weit gehende rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit verstärkt wird (vgl. Kapitel 3.1.1.3). Weiterhin folgt aus der Abgeschlossenheit 693 vgl. Aldrich (1999), S. 21 694 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 96 184 bzw. Strukturdeterminiertheit der an der Kooperation beteiligten sozialen Systeme, dass von einem Misslingen der direkten Steuerung und Intervention von außen auszugehen ist. Denn die Entwick- lung der einzelnen sozialen Subsysteme geht auf der Basis von Eigengesetzlichkeiten, Spezialse- mantiken und spezifischen Erwartungs- und Entscheidungsmustern vonstatten695. Dementsprechend ist es erforderlich, im Rahmen einer interorganisationalen Entwicklung diese spezifischen Realitä- ten zumindest ansatzweise aufzudecken, da anderenfalls im wahrsten Sinne des Wortes aneinander vorbei geredet wird (vgl. Kapitel 2.4 ff.). Darüber hinaus kommt als weitere besondere (psychologische) Herausforderung bei Kooperationen im oben definierten Sinn hinzu, dass die maßgebliche Koordinations- und Steuerungsvariable die Kommunikation von Interessen ist, welche auf freiwilliger Basis ohne abschließende proaktive Kontrollmöglichkeit des tatsächlichen Handelns erfolgt (siehe Kapitel 3.1.1.3). Dieser Umstand stellt bisweilen besondere Anforderungen an die Koordinations- und Kooperationsfähigkeiten, da insbesondere das erwünschte kooperative Verhalten weder hierarchisch sanktioniert werden kann noch es sich um einen einmaligen Akt handelt, der im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage austariert wird (siehe Abb. 40, Kapitel 3.1.1.3). Um diese (psycho-) logischen Einflussfaktoren in Bezug auf den Aufbau und die Entwicklung von Kooperationen zur Stabilisierung der Wettbewerbsposition sowie zur Schaffung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen gebührend ins Kalkül zu ziehen, ist letztlich ein Bezugsrahmen erforderlich, der folgende Aspekte beinhaltet: x Beurteilungskriterien bzw. Ausprägungsformen zur Charakterisierung von Kooperationen x Grundgerüst zur qualifizierten Einordnung bestehender und potenzieller Kooperationen x Analyse der wichtigsten logischen und psychologischen Gestaltungsparameter der einzelnen kooperativen Ausprägungen mit Fokus auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen x Darstellung von Entwicklungspotenzialen bei potentiellen und bestehenden Kooperationen Infolgedessen ist es im Weiteren das Ziel, jene Bausteine herauszuarbeiten, die eine qualifizierte Einordnung bestehender und potenzieller Kooperationen im Hinblick auf ihre jeweiligen Entwick- lungsmöglichkeiten erlauben. Ferner soll ein vertieftes Verständnis dafür geschaffen werden, wel- che wesentlichen Stellschrauben bezüglich der Steuerung und Entwicklung von Kooperationen von Bedeutung sind. Hierdurch steht den Unternehmen ein theoretisch fundiertes Grundgerüst zur Verfügung, um die direkte Aufgabenumwelt (siehe Kapitel 3.1.2.1) durch ein "Sammelsurium" an unterschiedlich aus- geprägten Geschäftsbeziehungen, untermauert durch einen ganzheitlichen Kooperationsansatz, zu- mindest ansatzweise zu beeinflussen. Denn auf diese Weise werden jene Handlungsspielräume ge- schaffen, die Voraussetzung dafür sind, Harmonie mit der Umwelt zu erzeugen, was eine Vorbe- dingung für einen dauerhaften, organisatorischen Erfolg darstellt696. Damit wird insbesondere dem von Schein geforderten Umdenken Rechnung getragen, dass die Be- zugsgröße für das Management längst nicht mehr die eigene Organisation sein kann697, sondern Konzepte bereitstehen müssen, in einer immer vernetzteren und globaleren Welt handlungsfähig zu bleiben698. In ähnlicher Weise äußert sich auch Braun, indem er feststellt, dass zwar einerseits durchaus die Bereitschaft zur Kooperationsbildung seitens der Unternehmen vorhanden ist, es andererseits aber 695 vgl. Willke (1992), S. 26 ff. 696 vgl. Schmidt, (1997), S. 160 697 siehe oben Aussagen zur unternehmensübergreifenden Produktivitätsabhängigkeit Kapitel 2.5.3.3 698 vgl. Sprick (1995), S. 47 f. 185 an Kenntnissen und Wissen mangelt, nach geeigneten Partnern zu suchen, Netzwerke zielgerecht aufzubauen und Kooperationen erfolgreich durchzuführen699. Genau diese Kenntnisse, welche die Basis zur Formulierung einer offensiven Umweltstrategie bil- den, gilt es in den kommenden Abschnitten und Kapiteln zu erarbeiten. 3.2 Theoretisch-Analytische Ableitung: Die wichtigsten inhaltlichen Beurtei- lungskriterien bzw. Ausprägungsformen von Kooperationen und deren (psycho-) logischen Grundlagen Die Basis für den Aufbau des erwähnten theoretischen Grundgerüstes sind (neben den in den ver- gangenen Abschnitten erwähnten Zusammenhängen) verschiedene im Folgenden zu erarbeitende Charakteristiken bzw. Ausprägungsformen von Kooperationen, anhand welcher diese in einen grö- ßeren Bezugsrahmen eingeordnet und näher beurteilt werden können. Der Bezugsrahmen soll es ermöglichen, bestehende und potenzielle Kooperationen hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes sowie -potenzials beurteilen zu können und damit dazu dienen, die er- forderlichen Maßnahmen in Richtung eines Aufbaus von (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen in die Wege zu leiten. In diesem Zusammenhang wird in erster Linie angestrebt, jene spezifischen Kooperationskriterien zu ermitteln, die, vor dem Hintergrund eines möglichst systemverträglichen Überlebens, einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklungsfähigkeit einer Kooperation haben. Infolge werden daher die drei wichtigsten Kriterien auf Basis der vergangenen Analysen sowie ei- niger neuer Erkenntnisse aufgezeigt. Dabei wird zusätzlich ein besonderes Augenmerk auf die den einzelnen Kooperationsmerkmalen zu Grunde liegenden logischen und psychologischen Faktoren gelegt, welche, wie die kommenden Ausführungen zeigen werden, einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklungsfähigkeit bzw. den Entwicklungsstand einer Kooperation ausüben. 3.2.1 Operativ versus strategisch als erstes Ausprägungsmerkmal zur qualifizierten Einord- nung von Kooperationen Wie die bisherigen Analysen gezeigt haben, sind für die Entwicklung eines Unternehmens im Zu- sammenhang mit dem Eingehen einer Kooperation vor allem zwei Dinge entscheidend. Einerseits geht es um das Halten bzw. den Ausbau der aktuellen Wettbewerbsposition sowie andererseits um den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile (vgl. Kapitel 3.1.3 ff.). Ersteres ist sehr eng mit der Verbesserung der operationalen Effizienz verbunden, welche sich, wie mehrfach erwähnt, sehr gut durch den professionellen Einsatz der analysierten IuK-Technologien erreichen lässt (vgl. Kapitel 2.2 ff.). Darüber hinaus bieten die nahezu zahllosen technischen Optionen und Anwendungsgebiete Koope- rationsmöglichkeiten, die sich ausschließlich auf eine effizientere, operative Abwicklung konzen- trieren oder aber zu einer kurzfristigen Verbesserung der Kostenposition führen. Diesbezüglich sei an die Gründung von Ein- oder Verkaufsgemeinschaften mit Hilfe eines elektronischen Marktplat- zes oder die Umsetzung von Just-in-Time- bzw. Supply-Chain-Konzepten erinnert (vgl. Kapitel 3.1.2.2.1 und 3.1.3.2). 699 vgl. Braun (1999), S. 43 186 Demgegenüber steht die in Kapitel 3.1.3 ff. analysierte Notwendigkeit des interorganisationalen Aufbaus von langfristigen Wettbewerbsvorteilen auf der Basis einer entsprechenden Strategie. Somit ergeben sich bezüglich der Stoßrichtung einer Kooperation im Wesentlichen zwei Richtun- gen: Zum einen die eher operativ ausgerichtete Kooperation, bei der es hauptsächlich um die (meist kurz- bis mittelfristig ausgerichtete) Bewahrung und den Ausbau der bestehenden Wettbewerbspo- sition unter Kostengesichtspunkten geht und zum anderen die eher strategisch fokussierte Koopera- tion, bei welcher der Erwerb und die Verteidigung von langfristig ausgerichteten Wettbewerbsvor- teilen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Daher ist die erste wesentliche Ausprägungsform, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung einer Kooperation ausübt, und anhand welcher man den inhaltlichen Fokus einer Kooperation be- werten bzw. beurteilen kann, in der Unterscheidung zwischen operativ und strategisch zu sehen. Von einer strategischen Zusammenarbeit kann immer dann gesprochen werden, wenn es um Frage- stellungen geht, die sich mit der langfristigen Sicherstellungen von Handlungs- und Gestaltungs- spielräumen auseinandersetzen. Sie soll dem Unternehmen die Einnahme einer aktiven Rolle am Markt ermöglichen. Das übergeordnete Ziel ist dabei grundsätzlich die Abstellung auf langfristige Erfolgspotenziale und infolgedessen die dauerhafte Realisierung echter Werte und wettbewerblicher Vorteile (siehe Kapitel 3.1.3.1). Diesbezüglich kann im Sinne von Pümpin argumentiert werden, dass das Strategische die langfris- tige Wettbewerbsfähigkeit im Blickpunkt hat, wobei es in erster Linie darum geht, die richtigen Dinge im Markt zu tun700. Weiterhin kann strategisches Handeln als Wettrennen zwischen Qualifikationen und Möglichkeiten bezeichnet werden, welches für die Positionierung eines Unternehmens in seinem Wettbewerbsum- feld sorgt701. Stetter schließlich legt dar, dass Strategien für handlungssteuernde Regeln stehen, die die Erfolgs- potenziale des Unternehmens betreffen. Sie bringen die lebensweltliche Handlungsorientierung der Akteure zum Ausdruck, die dann direkt auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens Einfluss nehmen702. Hiervon strikt zu trennen ist ein operativer Fokus, von dem in Bezug auf Kooperationen die Rede ist, wenn es sich um eine Zusammenarbeit mit dem Ziel handelt, die Wettbewerbsfähigkeit auf- rechtzuerhalten bzw. die operationale Effizienz zu verbessern. Diesbezüglich argumentiert wiederum Pümpin, dass das Operative eindeutig in Richtung Effizienz einzuordnen ist, wobei es darum geht, "die Dinge (meist kurzfristig) richtig zu tun"703. Bleicher wiederum sieht die Hauptfunktion des Operativen darin, "die normativen und strategischen Vorgaben vollziehend in Operationen umzusetzen"704. Diesbezüglich spielt beispielweise die Neugestaltung von Prozessabläufen eine entscheidende Rolle, wobei die (im strategischen Management) definierte unternehmensspezifische Wertschöp- fungskette und die entsprechende Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt stehen705. Somit ist unstrittig, dass eine Kooperation mit einem eher operativen Fokus zum einen im Blickfeld hat, dass die intendierten strategischen Inhalte in die Praxis umgesetzt werden706 sowie zum ande- ren, dass der Vollzug des Tagesgeschäftes so effizient und effektiv wie möglich gestaltet wird. Hierzu bieten die in Kapitel zwei erwähnten zahllosen neuen technischen Möglichkeiten im Rah- 700 vgl. Pümpin (1991), S. 20 701 vgl. Mintzberg (1995), S. 44 702 vgl. Stetter (1994), S. 88 703 vgl. Pümpin (1991), S. 20 704 vgl. Bleicher (1994), S. 47 (zitiert im Original) 705 vgl. Bleicher (1996), S. 382 706 vgl. Stetter (1994), S. 11 187 men des E-Commerce eine Reihe von interessanten Ansatzpunkten der unternehmensübergreifen- den Zusammenarbeit. Weitere vertiefende Analysen, insbesondere in Bezug auf eine klare Abgrenzung von operativen und strategischen Zielen, Aufgabenstellungen und Gestaltungsparametern, werden in Kapitel 4.5 ff. angesprochen. Bei den einer operativ oder strategisch ausgerichteten Kooperation zugrunde liegenden logischen und psychologischen Einflussfaktoren stehen bezüglich des Einsatzes der IuK-Technologien sowie hinsichtlich der Bewertung des tatsächlichen (operativen oder strategischen) Outputs eindeutig i formatorische und ökonomische Logiken im Vordergrund (siehe hierzu im Weiteren vertiefend die Aussagen zu den einzelnen Kooperationsausprägungen Kapitel 4 ff.). n- interorganisationa- t. rundsätz- verhältnis existiert zw. ort- Unterzieht man hingegen jene Bindungskonstellationen bzw. Entwicklungsprozesse einer näheren Betrachtung, die für die eigentliche Erzeugung bzw. Umsetzung entsprechender ( ler) kurz- und langfristiger Wettbewerbsvorteile verantwortlich sind (Stichwort gemeinsame Schaf- fung von Mehrwert), so werden diese in zentraler Weise durch psychologische Faktoren beeinfluss Letztere werden ausführlich in Kapitel 3.2.3 ff. sowie Kapitel 4 ff. behandelt, daher wird auf eine eingehende Erläuterung der entsprechenden Zusammenhänge an dieser Stelle verzichtet. 3.2.2 Kooperation vor dem Hintergrund bestehender Konkurrenzverhältnisse bzw. einer Zusammenarbeit ohne bestehenden direkten oder indirekten Konkurrenzdruck Die Ermittlung des nächsten Charakteristikums, welches einen großen Einfluss auf die Entwicklung einer Kooperation ausübt, ergibt sich aus dem Interaktionsspektrum zwischen einem Unternehmen und dem Markt. Wie die obigen Analysen gezeigt haben, besteht die Möglichkeit, dass eine Kooperation g lich mit Unternehmen eingegangen werden kann, mit denen ein reines Austausch (z.B. zwischen Hersteller und Handel) oder aber mit denen eine Konkurrenzsituation besteht b mit solchen ohne jegliche geschäftliche bzw. wirtschaftliche Berührungspunkte. Übertragen auf das oben aufgezeigte Interaktionsspektrum nach Wurche (siehe Abb. 40, Kapitel 3.1.1.3) heißt dies, dass der bisherige Interaktionsmechanismus entweder durch Rivalität bzw. Wettbewerb, durch Angebot und Nachfrage oder keines von beiden bestimmt ist. Daraus lässt sich vereinfacht ableiten, dass jegliche Kooperation einerseits mit Unternehmen eingegangen wird, zu denen eine Konkurrenzsituation besteht oder aber mit jenen, wo dies nicht der Fall ist. Dieser an sich triviale Zusammenhang zieht bei näherer Betrachtung eine Reihe wichtiger (psychologischer) Konsequenzen gerade in Bezug auf die Entwicklungsfähigkeit von Kooperationen nach sich, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. 3.2.2.1 Die möglichen Auswirkungen einer bestehenden Konkurrenzsituation auf den F gang bzw. die Entwicklung eines parallelen kooperativen Verhältnisses Geht man zunächst auf einige grundsätzliche Aussagen bezüglich Konkurrenz und Wettbewerb ein, so verbindet Hayek mit Wettbewerb, in Abkehr von dem alten Gleichgewichtsmodell, welches auf den Annahmen vollständiger Konkurrenz und symmetrischer Information sowie homogenen Gütern 188 und unendlich schneller Anpassung beruht, ein Verfahren zur Entdeckung von Tatsachen, die ohne das Vorhandensein des Wettbewerbs entweder nicht genutzt oder unbekannt bleiben würden707. Des Weiteren ist Wettbewerb dadurch gekennzeichnet, dass dessen Ergebnisse nicht vorhersehbar sind und er als ziellos bezeichnet werden kann. Ferner dient der Wettbewerb den Interessen und Zielen einzelner Akteure und basiert auf einer permanent zerfallenden und wieder entstehenden spontanen Ordnung, was der noch im Industriezeitalter vielfach geltenden Gleichgewichtstheorie diametral entgegensteht708 (vgl. auch Kapitel 1.3 ff.) Dabei sorgt im Wesentlichen die zerstörerische Kraft des kreativen Unternehmers in einer Art Wechselspiel zwischen Zerstörung und Neuschöpfung (-gestaltung) für eine permanente Abkehr von einem solchen (imaginären) Gleichgewichtszustand709. Bezüglich der Konkurrenz ist zu sagen, dass diese regelmäßig zur Folge hat, dass die Ziele eines (sozialen) Systems, wie Umsatzsteigerung oder Gewinnung von Marktanteilen, nur auf Kosten e nes anderen Systems erreicht werden können, also ein Nullsummenspiel vorliegt71 i- ontinu- er- rnehmen, , den- Bei- uch leicht von - . 0. Beim Versuch einer Definition von Konkurrenz bietet sich jene von Jansen an, der sie "als eine sich über Aufbau und Entwertung von Innovationsrenten dynamisch stabilisierende und damit k ierlich ungleichgewichtige Koordinationsform" beschreibt711. Ein Konkurrent wiederum lässt sich dadurch charakterisieren, dass er unter Herstellungs- und V fahrensgesichtspunkten dieselben oder ähnliche Produkte anbietet wie ein anderes Unte oder aber auf der gleichen Stufe der Wertschöpfung in wenigstens einem wichtigen Geschäftszweig direkt oder indirekt denselben Markt bedient und sich damit um dieselben Kunden bemüht. Aus Kundensicht kann man auch definieren, dass all jene Unternehmen zu Konkurrenten zu zählen sind deren Produkte beim Kauf durch die Kunden den Wert des eigenen Produktes vermindern, also selben Bedarf decken, so dass der Kunde dann nicht mehr auf das eigene Produkt zurückgreift ( spiel Coca Cola und Pepsi)712. Auf dieser Basis lassen sich Konkurrenzunternehmen a so genannten Komplementatoren unterscheiden, also Unternehmen, die Produkte und Dienstleis tungen anbieten, die das eigene Produkt attraktiver machen, sprich an Wert gewinnen lassen713 Das Verhältnis zweier in Konkurrenz stehender Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass diese gerade wegen der bestehenden Konkurrenzsituation ihre Mittelwahl weder völlig autonom noch ausschließlich an den eigenen Zielen orientiert auswählen. Im Gegenteil, das Konkurrenzverhältnis impliziert eine Interdependenz der Mittelwahl, da jene sich normalerweise direkt gegen die Interes- sen der Konkurrenz richtet. Konsequenz dessen ist eine Wettbewerbssituation, in der der höhere Zielerreichungsgrad des einen Wettbewerbers in der Regel einen geringeren Zielerreichungsgrad des anderen Wettbewerbers nach sich zieht. Diesbezüglich spricht man auch von einer antagonisti- schen Verhaltensweise, bei der die am Wettbewerb beteiligten Wirtschaftssubjekte durch den Ein- satz eines oder mehrerer Aktionsparameter (Preis, Menge, Qualität, Werbung, Service etc.) versu- chen, den eigenen Zielerreichungsgrad zu Lasten der anderen Konkurrenten zu verbessern714. Dabei gilt, sowohl Mittel als auch Handlungen werden zwischen Konkurrenten zu Waffen im Wett- bewerb, wo es in erster Linie darum geht, sich eigene Vorteile auf Kosten der Rivalen, im Sinne eines Nullsummenspiels, zu verschaffen. In einer solchen Wettbewerbssituation kann die gegensei- tige Rücksichtnahme nahezu ausgeschlossen werden. Im Gegenteil, sie weicht bisweilen sogar Kampfhandlungen715. Ziel ist es, die Konkurrenz zu überlisten, Marktanteile zu erobern oder Han- 707 vgl. Hayek (1969), S. 249 708 vgl. Hayek (1969), S. 250 ff. 709 vgl. Schumpeter (1950), S. 136 ff. 710 vgl. Luhmann (1984), S. 521 711 vgl. Jansen (2000), S. 30 (hervorgehoben im Original) 712 vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 30 f. 713 vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 23 714 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, (1997), S. 4360 715 vgl. Wurche (1994), S. 57 ff. 189 delsmarken zu bekämpfen, wobei es stets Sieger und Besiegte gibt und von einer gegenseitigen Be- dingtheit von Gewinn und Verlust auszugehen ist716. Hierbei gilt es gesondert zu berücksichtigen, dass sich ein solches Konkurrenzverhältnis trotz der Interdependenz der Mittelwahl letztlich als eine nahezu kommunikations- und interaktionsfreie Veranstaltung darstellt, wo die einseitige Orientierung an Preisen und Grenznutzen vielfach K munikation und Interaktion ersetzt717. om- nde- euge Kommt es zu einer Kooperation zwischen Konkurrenten spricht man in Anlehnung an Nalebuff/ Brandenburger auch von „Coopetition“, eine Wortschöpfung, die aus "competition und cooperati- on" hervorgeht. Diese Konstruktion weist auf den ersten Blick auf die paradoxe Situation hin, dass zwei Unternehmen, die einerseits in direktem Wettbewerb stehen, andererseits eine Kooperation eingehen. Dabei besteht ein grundsätzliches Ziel darin, die in einer Wettbewerbssituation stehenden Kontrahenten aus ihren Nullsummenspielen herauszuholen und die Regel des Wettbewerbs so zu ändern, dass ein Positivsummenspiel entsteht718. Dass solche coopetitive Wettbewerbskonstellationen alles andere als selten sind, beweist eine Stu- die von Booz Allen & Hamilton, welche festgestellt hat, dass etwa 50 % der strategischen Koopera- tionen der größten 2000 Unternehmen in den USA zwischen Wettbewerbern stattgefunden ha- ben719. Als Beispiele seien die internetbasierte Einkaufsplattform Covisint (siehe oben Kapitel 2.2.4.3.2) erwähnt oder aber die Kooperation zwischen Wal-Mart und Procter & Gamble (P&G). Letztere tauschen auf der einen Seite täglich unzählige Absatzinformationen aus und arbeiten insbesondere bei der Vorratshaltung und dem Auffüllen der Regale eng zusammen. Auf der anderen Seite stehen diese Unternehmen etwa im Bereich Waschmittel aber in direkter Konkurrenz zueinander, da ent- sprechende neue Produkte von Wal-Mart gegen etablierte Produkte von P&G konkurrieren720. Fer- ner können hier auch die Fluglinien American und Delta Airlines angefügt werden, die sich einer- seits einen harten Konkurrenzkampf um Passagiere, Landerechte und Flughafenraum liefern, a rerseits aber sehr eng zusammenarbeiten, wenn es darum geht, bei Boeing den Bau neuer Flugz zu beauftragen721. Betrachtet man im Weiteren die hinter einer solchen Kooperation "mit kompetitivem Grundcharak- ter" stehenden Koordinations- und Interaktionsformen im Vergleich zu einem reinen Konkurrenz- verhältnis, so sind deutliche Unterschiede zu erkennen, wie das nachfolgende Schaubild aufzeigt722: 716 vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 15 717 vgl. Luhmann (1994), S. 101 718 vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 23 ff. 719 vgl. Jansen (2000), S. 43 720 vgl. Prahalad/Ramaswamy (2000), S. 64 f. 721 vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 40 722 verändert nach Jansen (2000), S. 52 190 Merkmale Konkurrenz Coopetition/Kooperation Stabilisierende Elemente Verträge, Eigentumsrechte Komplementarität, Reziprozität, Wiedersehen Kommunikationsweg Eingeschränkt/nicht vorhanden Beziehungen/Relationen Steuerungsmedium723 Rivalität/Konkurrenz Kommunikation von Interessen Akteursentscheidung724 Interdependenz der Mittelwahl Freiwillige Ziel-/Mittel- Verflechtung Anpassung an Um- welt/Flexibilität Sehr hoch Mittel bis hoch Modus der Interaktion Opportunismus „zone of difference“, Win-Win- Positionen Konfliktbewältigung Durch Wettbewerb, ggf. Ge- richtsverfahren Durch Kommunikation, Re- ziprozität Verpflichtungsgrad Niedrig Mittel bis hoch Bindungsgrad Kurzfristig Temporalisiert bis langfristig Motive Gewinnen auf Kosten des ande- ren Gemeinsame Verbesserung der Innovations- und Konkurrenz- fähigkeit Abb. 48: Koordinations- und Interaktionsformen bei Konkurrenz und Coopetition/Kooperation im Vergleich Bei der Analyse dieser Gegenüberstellung fällt auf, dass die Gegensätze bezüglich der Interaktions- formen im Grunde kaum größer sein können: Auf der einen Seite die nahezu interaktions- und kommunikationsfreie Zone innerhalb der direkten Konkurrenzbeziehung, auf der anderen Seite die zwingende Erfordernis der freiwilligen (intensiven) Kommunikation von Interessen im Rahmen der Coopetition/Kooperation. Dieser Unterschied wird auch sehr gut durch Wieland verdeutlicht, der in Bezug auf eine marktliche Koordination (sei es durch Tausch oder Konkurrenz) anmerkt, dass diese sich durch einen sachli- chen Prozess der „ex post Abstimmung“ sowie Unpersönlichkeit, also personenungebunden, und den Ausschluss von Unsicherheit auszeichnet. Die Kooperation (Coopetition) hingegen basiert auf individuellen Interaktionen zwischen Personen, vor dem Hintergrund ex ante vereinbarter Regeln und zur Erbringung von Leistungen, deren Erfüllung ex ante niemals umfassend kontrolliert bzw. ex post zum Problem werden können. Somit erfolgt die Leistungserstellung im Rahmen einer Ko- operation immer auf der Basis von Unsicherheit, etwa durch opportunistische Verhaltensmöglich- keiten (Entkopplung von Leistungsversprechen und -erfüllung) und einem "personalen Angewie- sensein"725. Somit wird durch die Kooperation zwischen zwei oder mehr Konkurrenten die bisherige mehr oder weniger anonyme Koordinationsform des Marktes, welcher als monolinguales System alle Ereig- nisse nur in der Sprache der Preise kommuniziert und bewertet726, obsolet. Sie muss durch gänzlich andere kommunikationsintensive und personenzentrierte Interaktions- bzw. Umgangsformen ersetzt werden, dies wohlgemerkt auf der Grundlage eines weiterhin bestehenden Konkurrenzverhältnisses. Dieser Übergang von marktlichen Koordinations- zu interorganisationalen Kooperationsformen, basierend auf einem bestehenden Konkurrenzverhältnis, wird durch verschiedene Begleiterschei- 723 siehe hierzu auch Schaubild Wurche Kapitel 3.1.1.3 Abb. 39 724 siehe hierzu auch Schaubild Wurche Kapitel 3.1.1.3 Abb. 39 725 vgl. Wieland (2000), S. 110 f. 726 vgl. Wieland (2000), S. 115 191 nungen beeinflusst, die einmal in der Natur der Unternehmen als soziale Systeme sowie zum ande- ren in typischen wettbewerbsbedingten Verhaltenscharakteristiken begründet liegen. Wie die nach- folgenden Abschnitte zeigen werden, üben diese Verhaltensgrundlagen einen gehörigen Einfluss auf die Entwicklungsfähigkeit einer Coopetition aus. 3.2.2.1.1 Einige typische konkurrenzbedingte Verhaltensmerkmale und deren mögliche Kon- sequenzen auf die Ausgestaltung einer Kooperation Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass konkurrieren nicht einfach nur heißt, auf bestimmte Ziele in einer Art und Weise hinzuarbeiten, welche andere Mitkonkurrenten daran hindert, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Wettbewerb ist vielfach auch dadurch gekennzeichnet, dass Misstrauen und Feindseligkeit genährt werden, verbunden mit der Konsequenz, dass Konkurrenten eher selten dazu neigen, sich gegenseitig zu schätzen oder gar zu vertrauen und daraus auch noch Nutzen zu ziehen. Im Gegenteil, jedes gemeinsame freie, risikofreudige und am Nutzen des anderen orientierte Han- deln, eine wichtige Grundlage für jede Kooperation, ist genau dort kaum zu erwarten, wo der poten- zielle Kooperationspartner sich als Gegner herausstellt, der er ja durch das fortdauernde Konkur- renzverhältnis weiter zwingend ist727. Verstärkt wird diese Tendenz unter Umständen noch durch enttäuschte Erwartungen, Erinnerungen an frühere Misserfolge bzw. entsprechende emotionale Zustände, die einen offenen Umgang mit den Interaktionsanforderungen einer Kooperation (siehe obiges Schaubild) zumindest nicht erleich- tern728. Des Weiteren ist hinzuzufügen, dass diese wettbewerbsbedingten Ausprägungen weder einer über- triebenen Form der Darstellung noch irgendwelchen neurotischen oder gar sadistischen Neigungen einzelner Akteure zuzuschreiben sind. Sie entspringen der Natur des Wettbewerbs, welche darauf ausgelegt ist, dass die Interessen der Konkurrenten zwingend gegeneinander gerichtet sind und je- der versucht, um des eigenen Erfolges willen, den anderen zu überholen. Mehr noch, bisweilen ist es unter Konkurrenten ein weit verbreitetes Phänomen, dass der Misserfolg der anderen im Grunde denselben Effekt hervorruft wie der eigene Erfolg729. Dementsprechend hegen Konkurrenten vielfach den impliziten Wunsch, der Wettbewerber möge bei einem bestimmten Vorhaben versagen (etwa bei der Erreichung von Umsatzzielen) oder aber an einer Aufgabe scheitern. Auf die Spitze getrieben kann dies dann im Sinne von Henry nach sich ziehen, dass der Erfolg eines anderen, völlig unabhängig davon, ob er das eigene Unternehmen be- rührt oder nicht, mit dem eigenen Misserfolg gleichbedeutend ist730. Weitere beobachtbare konkurrenzbedingte Gegebenheiten sind, dass Wohltätigkeit und Hilfsbereit- schaft, welche bei Kooperationen, gerade im Hinblick auf eine systemverträgliche Entwicklung, mit Sicherheit nicht von Nachteil sind (vgl. Kapitel 3.1.3 f.), in einem offenen Widerspruch zu konkur- renzbasiertem Verhalten stehen. Ferner weckt Konkurrenz leicht Neid gegenüber Stärkeren, Ver- achtung gegenüber Schwächeren bzw. Argwohn gegenüber allen anderen731. Parallel dazu kommen dann meist noch Ressentiments hinzu und bei dauerhaftem Neid auf den oder die Sieger besteht die Gefahr, dass daraus hervorgehende Bitterkeit in Feindseligkeit umschlägt. In diesem Zusammenhang merkt Kohn an, dass Argwohn und Misstrauen letztlich ein ständiger Begleiter einer jeden Konkurrenzbeziehung sind, was sich darin äußert, dass man dem anderen aus 727 vgl. Kohn (1989), S. 73 728 vgl. Kohn (1989), S. 74 729 vgl. May (1977), S. 173 730 vgl. Henry (1963), S. 153 731 vgl. Kohn (1989), S. 171 192 Angst vor Übervorteilung (eine Gefahr, die sich bei jeder Kooperation niemals komplett ausschlie- ßen lässt, siehe Kapitel 3.1.1.2.1) und wegen der bestehenden Rivalität nicht wirklich vertraut. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass die Erfahrungen aus der Vergangenheit, geprägt durch eine Konkurrenzbeziehung, auf jegliche neue Situation in der Zukunft (Coopetition) übertragen wird. Auf diese Weise droht ein Teufelskreis, der den Aufbau von Vertrauen (siehe zum Vertrauen auch Kapitel 3.2.4.1 f.), freie Selbstdarstellung und Hilfsbereitschaft gegenüber dem anderen von vornherein auf ein Minimum reduziert732. In ähnlich drastischer Weise äußert sich Deutsch, indem er anmerkt, dass der Mensch dazu neigt, in einer kompetitiven Beziehung nicht nur eine negative Einstellung gegenüber dem anderen zu entwi- ckeln, sondern zusätzlich auch eine misstrauische und bisweilen feindselige Haltung einzunehmen. Das führt dazu, dass man sich gegenüber Dritten verschließt, ständig auf der Suche nach Vorteilen für sich selbst ist und man im Grunde davon überzeugt ist, dass der andere genauso denkt und han- delt733. Bezieht man infolge diese Aussagen auf die inhaltliche Ausgestaltung von Kooperationen, so zieht dies eine Reihe wichtiger Konsequenzen nach sich, die es zu berücksichtigen gilt. Dabei ist es trotz der durchaus drastischen Schilderung der Wirkungsmechanismen des Wettbe- werbs, welche natürlich immer fallbezogen in unterschiedlicher Form zum Tragen kommen, keines- falls unmöglich, entsprechende Kooperationen mit Wettbewerbern einzugehen, wie ja auch die obi- gen Beispiele beweisen (siehe obiger Abschnitt). Andererseits wäre es aber äußerst naiv, bei der Ausgestaltung von Kooperationen jene Wirkungsmechanismen vollends zu ignorieren und so zu tun, als gäbe es sie nicht. Eine wichtige Schlussfolgerung aus den obigen Zusammenhängen ist beispielsweise, dass es auf- grund der nach wie vor bestehenden Konkurrenzsituation innerhalb der Coopetition keine umfas- sende Win-Win-Situation geben kann, da zumindest in Teilbereichen "das gleiche Feld beackert" wird. Insbesondere in Zeiten schrumpfender Märkte, wo es darum geht, Marktanteile auf Kosten der Konkurrenten zu halten, zieht dies die (zwangsläufige) Konsequenz nach sich, dass das Wohl des einen das Leid des anderen bedeutet. Eng verbunden mit dieser Feststellung ist die Erkenntnis, dass ein (bestehendes oder potenzielles) Konkurrenzverhältnis automatisch eine Einschränkung der Diversität der Möglichkeiten im Rah- men einer Kooperation bedeutet. Denn die Unternehmen werden zumindest in den Bereichen, die einer direkten oder indirekten Konkurrenz unterliegen, nicht uneingeschränkt bereit sein, beispiels- weise wesentliche Bestandteile ihrer Kernkompetenzen (vgl. Kapitel 3.1.3.2), verbunden mit dem dahinter stehenden Know-how, offenzulegen. Dies ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn etwa im Rahmen einer (operativen oder strategischen) Kooperation angestrebt wird, genau in jenen Bereichen neue (langfristige) Wettbewerbsvorteile aufzubauen (oder vorhandene zu stabilisie- ren), deren Know-how-Bestandteile aber gleichzeitig massiv innerhalb des bestehenden Wettbe- werbsverhältnisses zum Tragen kommen können (siehe auch Kapitel 4.3.4 und 4.8.2.1). Das heißt, jede Art von direkter oder indirekter Konkurrenz impliziert offene und/oder verdeckte Tabuzonen, die den Handlungsspielraum mal mehr und mal weniger stark einengen und welche zur Minimierung möglicher Reibungsverluste eine saubere Abgrenzung des Kooperationsfeldes erfor- dern. Weiterhin steht hinter jeder Konkurrenzbeziehung eine implizit oder explizit vorhandene Historie, die zwar nicht zwingend handlungsleitend, jedoch zumindest handlungsbeeinflussend wirkt. Dabei ist die Historie letztendlich Ergebnis gemeinsamer "Schlachten", etwa im Arbeitgeberverband zur Abwehr gewerkschaftlicher Tarifforderungen, aber auch ein Sinnbild des Wettbewerbs, sprich Sieg 732 vgl. Kohn, (1989), S. 173 733 vgl. Deutsch (1985), S. 85 193 und Niederlage, begleitet von dem ständigen Blick nach Umsatz, Gewinn, Marktanteilen, neuen Produkten etc. der jeweiligen Konkurrenten (siehe oben). Aus den beiden letzten Punkten (gemeinsame Historie und Einschränkung der Diversität der Mög- lichkeiten unter Konkurrenzbedingungen) folgt im Hinblick auf eine Kooperation, dass die poten- zielle Gefahr und die Angst vor Übervorteilung im Zusammenhang mit einer Konkurrenzsituation tendenziell höher ist als bei Kooperationen ohne eine solche Bürde (siehe auch den nächsten Ab- schnitt). Folge dessen ist, dass der Gedanke an eventuell notwendig werdende umfassende Absicherungsak- tivitäten bei nahezu jeder Form der Zusammenarbeit permanent im Hintergrund präsent ist. Dieses bedingt unter Umständen, dass die Transaktionskosten in die Höhe getrieben werden, ohne parallel dazu beizutragen, die Etablierung langfristiger Wettbewerbsvorteile wirkungsvoll zu fördern (vgl. hierzu auch Aussagen zur Transaktionskostentheorie in Kapitel 3.1.1.2). Letzteres darf allerdings nicht so interpretiert werden, dass es bei Kooperationen zwischen Unter- nehmen, die sich parallel in einer Konkurrenzbeziehung befinden, in keinem Fall zum Aufbau von strategischen Wettbewerbsvorteilen kommen kann (vgl. oben). Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, ist dies sehr wohl möglich. Insbesondere Fragen der Abgrenzung des Kooperations- feldes und die Festlegung von verbindlichen Spielregeln sowie einigen anderen noch zu diskutie- renden Zusammenhängen kommt dabei eine wesentliche Rolle zu (siehe ausführliche Analyse Ka- pitel 4.7 ff.). 3.2.2.2 Folgen, die sich aus einem nicht bestehenden parallelen Konkurrenzverhältnis für eine Kooperation ergeben Diesbezüglich sind in Anlehnung an oben Gesagtes grundsätzlich zwei Fälle denkbar. Zum einen Kooperationen mit Unternehmen, zu denen bisher keinerlei marktgesteuerte Koordinationsformen bestehen, also mit denen man sich weder in einem Tausch- noch einem Wettbewerbsverhältnis be- findet. Andererseits ist ein kooperatives Zusammengehen mit solchen Unternehmen denkbar, mit denen bisher eine marktgesteuerte Kunden-/Lieferantenbeziehung besteht. Dieser Fall wird zuerst einer genaueren Analyse unterzogen. Bei näherer Betrachtung fällt bezüglich dieses marktgesteuerten Verhältnisses auf, dass im Gegen- satz zur eben analysierten Konkurrenzsituation die jeweiligen Mittel mehr oder weniger völlig au- tonom und ausschließlich an den eigenen Zielen orientiert ausgewählt werden. Das heißt, zwischen Kunde und Lieferant besteht im Allgemeinen keinerlei Ziel-/Mittelverflechtung bzw. jeder wählt seine Mittel und Ziele ohne Rücksicht auf die Mittel und Ziele des anderen aus. Dies lässt sich auch daran festmachen, dass sich der Abnehmer normalerweise einzig mit dem faktischen Angebot und der dahinter stehenden Preisforderung und nicht mit den Zielen des Anbieters auseinandersetzt734 (siehe hierzu nochmals Abb. 40 Kapitel 3.1.1.3). Kohn spricht in diesem Zusammenhang von einem unabhängigen Handeln, wobei jeder für sich arbeitet und der Erfolg des einen keinen oder nur einen sehr beschränkten Einfluss auf den Erfolg des anderen hat. Dieses zieht im Übrigen den positiven Beigeschmack nach sich, normalerweise nicht in eine Situation gezwungen zu werden, wo man den Gegenüber als Feind oder Rivale be- trachtet735. Darüber hinaus ist ein wichtiges Kennzeichen reiner Tauschhandlungen, dass sämtliche gegenseiti- gen Ansprüche in einem Akt (in der Regel durch Lieferung und Leistung) abgegolten werden, und 734 vgl. Wurche (1994), S. 53 735 vgl. Kohn (1989), S. 55, 181 194 demzufolge eine weitergehende Rücksichtnahme oder vertiefende Auseinandersetzung nicht weiter notwendig ist736. Geht man erneut auf die sich daraus ergebenden Koordinations- und Interaktionsformen ein, so sind im Vergleich zu einem Kooperationsverhältnis folgende Unterschiede festzustellen737: Merkmale Tausch Kooperation Stabilisierende Elemente Verträge, Eigentumsrechte Komplementarität, Reziprozität, Wiedersehen Kommunikationsweg Erfolgt über Preise und Zahlun- gen Beziehungen/Relationen Steuerungsmedium Angebot und Nachfrage Kommunikation von Interessen Akteursentscheidung Autonom Freiwillige Ziel-/Mittel- Verflechtung Anpassung an Um- welt/Flexibilität Sehr hoch Mittel bis hoch Modus der Interaktion Indifferenz „zone of difference“, Win-Win- Positionen Konfliktbewältigung Verhandeln, Feilschen oder Ausstieg Durch Kommunikation, Re- ziprozität Verpflichtungsgrad Niedrig - mittel Mittel bis hoch Bindungsgrad Kurzfristig - mittelfristig Temporalisiert bis langfristig Motive Eigenständiges Erfolgsstreben Gemeinsame Verbesserung der Innovations- und Konkurrenz- fähigkeit Abb. 49: Koordinations- und Interaktionsformen bei Tausch und Kooperation im Vergleich Aus dieser Tabelle geht eindeutig hervor, dass das hier beschriebene Kunden-/Lieferantenverhältnis im Normalfall bei weitem nicht so spannungsgeladen und emotional vorbelastet ist (auch wenn es etwa bei Preisverhandlungen und dem Vollzug der tatsächlichen Leistung durchaus zu Reibungen kommen kann), wie dies im Falle einer bestehenden Konkurrenzbeziehung zu beobachten ist (vgl. oben). Demzufolge ergibt sich auch bezüglich des Eingehens einer Kooperation zwischen bisherigen Tauschpartnern eine andere Ausgangssituation, was neben obigen Anmerkungen insbesondere da- durch unterstrichen wird, dass es kein gemeinsames direktes oder indirektes Wettbewerbsfeld mit auseinander strebenden Interessenlagen und daraus hervorgehenden antagonistischen Verhaltens- weisen gibt. Hieraus folgt, dass zumindest potenziell die Möglichkeit zur Erreichung einer umfassenden Win- Win-Situation auf allen Ebenen der Zusammenarbeit besteht, und zwar völlig unabhängig davon, ob eine eher operative oder eher strategische Form der Kooperation angestrebt wird. Entscheidend ist die, im Vergleich zu einem (möglichen) Konkurrenzverhältnis, deutlich größere Unvoreingenommenheit, welche sich darin äußert, dass eine "weniger kriegerische Vergangenheit" besteht (siehe vorheriger Abschnitt). Das heißt, die bestehende Handelsbeziehung und die damit verbundene gemeinsame Geschichte kann bei zukünftigen Überlegungen natürlich nicht völlig au- 736 vgl. Lorenz (1988), S. 194 737 verändert nach Jansen (2000), S. 52 195 ßer Acht gelassen werden. Jedoch ist in der Regel davon auszugehen, dass die gemeinsame Vergan- genheit gerade nicht durch Siege und Niederlagen, emotionale Höhen und Tiefen oder etwa Neid, Argwohn, Missgunst, Feindseligkeit sowie ggf. auch Bewunderung geprägt ist (vgl. obige Aussagen zum Konkurrenzverhalten). Dies hat in der Folge eine andere kooperative Ausgangsbedingung zur Konsequenz, z.B. in Form eines zwangloseren und unvorbelasteteren Miteinanders, verbunden mit einer geringeren Gefahr der gegenseitigen Übervorteilung bzw. einem größeren Vertrauensvorschuss. Konsequenz dessen ist, dass zumindest potenziell die Chance der Realisierung einer umfassenden Win-Win-Situation im Rahmen der überbetrieblichen Zusammenarbeit ins Auge gefasst werden kann und somit der Diversität der Kooperationsmöglichkeiten keine unmittelbaren Grenzen gesetzt sind. Dies zieht wiederum eine Reihe nicht zu unterschätzender Vorteile nach sich, etwa was die Abgrenzungsproblematik, die Etablierung von Sicherungs- und Kontrollaktivitäten oder aber ein vergleichsweise schnelles Erreichen kurz- und langfristiger Wettbewerbsvorteile angeht (siehe hier- zu ausführlich Kapitel 4 ff.). Geht man zum Abschluss dieses Abschnitts noch kurz auf jene Ausgangskonstellation bezüglich eines Kooperationspartners ein, mit welchem bisher keinerlei Geschäftsbeziehung besteht, so ist zu sagen, dass in diesem Fall ähnliche Voraussetzungen gelten, wie eben in Bezug auf eine existieren- de Handelsbeziehung dargelegt wurde. Dies bezieht sich in erster Linie auf die nicht vorhandene Ziel-/Mittelverflechtung und das damit verbundene vollkommen eigenständige Handeln der (zu- künftigen) Kooperationspartner. Des Weiteren ist aufgrund der nicht vorhandenen geschäftlichen Vergangenheit davon auszugehen, dass die Akteure sich nicht als Rivalen gegenüberstehen und auch keine größeren, tief sitzenden Ressentiments gegeneinander hegen. Im Gegenteil, hier kann quasi völlig unbelastet (zumindest hinsichtlich des wirtschaftlichen Umfel- des) damit begonnen werden, eine umfassende Win-Win-Situation zu realisieren, um auf diese Wei- se die zumindest potenziell bestehende uneingeschränkte Diversität der Möglichkeiten auch ent- sprechend auszunutzen. Durch diese augenscheinlichen (großen) Parallelen, was das Eingehen einer Kooperation mit einem Geschäftpartner oder einem Unternehmen ohne bestehende Geschäftsverbindung angeht, macht es im Weiteren Sinn, diese als eine Einheit und nicht getrennt zu behandeln. Somit bleibt festzuhalten, dass es sich bei der zweiten wichtigen kooperativen Ausprägungsform, welche einen großen Einfluss auf die Entwicklungsfähigkeit sowie den Entwicklungsstand einer Kooperation ausübt, um die Unterscheidung zwischen einer Kooperation mit wettbewerblichem Hintergrund und einer ohne eine solche Basis handelt (siehe vertiefend Kapitel 4 ff.). 3.2.3 Statisch versus dynamisch als wesentliches Merkmal entwicklungsorientierte von nicht entwicklungsorientierten Kooperationen zu unterscheiden Ähnlich wie bei den vorhergehenden Ausprägungsformen bzw. Beurteilungskriterien erschließt sich auch diesmal der Gegensatz statisch versus dynamisch in Bezug auf die Einschätzung der Entwick- lungsorientierung einer Kooperation nicht unmittelbar aus dem Zusammenhang. Um die enorme Tragweite dieses Kriteriums für jegliche Entwicklung innerhalb einer Kooperation zu verdeutlichen bzw. anhand welcher wesentlichen logischen und psychologischen Charakteristiken sich eine ent- sprechende statische oder dynamische Kooperationsausprägung überhaupt erkennen lässt, ist es im Folgenden erforderlich, deutlich ausführlicher auf die einzelnen Zusammenhänge einzugehen. 196 Fürs Erste wird daher direkt im Anschluss (siehe Kapitel 3.2.3.1) nochmals kurz auf die Begriffe Statik und Dynamik in Bezug auf die Entwicklung der Umwelt eingegangen. Darauf werden diese Erkenntnisse auf die Entwicklung eines Unternehmens als soziales System bzw. Bestandteil einer Kooperation übertragen. Nach diesen Ausführungen geht es in Kapitel 3.2.3.2 ff. darum, die entscheidenden Faktoren zu identifizieren, die innerhalb einer Kooperation einer dynamischen bzw. statischen Entwicklung un- terliegen können und damit einen wichtigen Einfluss auf die Gesamtentwicklung einer Kooperation ausüben. Hierbei wird für ein besseres Verständnis angestrebt, jene Faktoren nicht nur einer ober- flächlichen Betrachtung zu unterziehen, sondern diese besonders im Hinblick auf zu beachtende logische und psychologische Gesichtspunkte näher zu beleuchten (siehe Kapitel 3.2.3.2.1 ff.). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Wirkungsmechanismen eines sozialen Systems (vgl. Kapitel 2.4 ff.) in besonderer Weise Berücksichtigung finden. Denn bei einer Kooperation handelt es sich um eine freiwillige und nicht erzwingbare Zusammenarbeit, auf der Grundlage einer freiwil- ligen Kommunikation von Interessen, weshalb mit einem Kooperationspartner anders umgegangen werden muss, als wenn dieser etwa zu einem Konzernverbund gehören würde738 (vgl. auch Kapitel 3.1.1.3). 3.2.3.1 Statische und dynamische Ordnungen gespiegelt an der Entwicklung von Umwelt und Unternehmen Bei der Rekapitulation der bisherigen Aussagen im Zusammenhang mit statischen und dynamischen Ordnungen ist festzustellen, dass diese in erster Linie auf marktliche Bedingungen bzw. die Umwelt gerichtet waren. In diesem Zusammenhang wurde u.a. festgestellt, dass es nicht an der Komplexität liegt, die den Umgang mit der Umwelt so schwierig gestaltet, sondern an den dynamisch-vernetzten Umweltsituationen mit ihren inhärenten Eigendynamiken, was zur Folge hat, dass die Voraussag- barkeit des Verhaltens der (unendlich) vielen Umweltzustände nahezu unmöglich ist. Somit ist von Dynamik in Bezug auf die Veränderungsrate der Umweltsegmente im Zeitablauf die Rede, wobei die Umwelt um so turbulenter bzw. dynamischer ist, je weniger man in der Lage ist, die Veränderungen vorauszusagen (siehe nochmals Kapitel 3.1.2.1). Dementsprechend bedeutet statisch, dass sich (Umwelt-) Situationen zwar durch Komplexität und einer Vielzahl an Elementen auszeichnen, was diese auf Anhieb nur schwer begreifbar macht, aller- dings ändern sich die Teile und die Wechselwirkungen zwischen diesen Elementen nicht perma- nent, sondern bleiben mehr oder weniger unverändert. Folge dieser statischen Vernetzung ist, dass diese Situationen mit einem entsprechenden analytischen Aufwand weit gehend umfassend zu be- greifen und damit auch zu beeinflussen sind. Diesbezüglich wird auch von einer statischen Ordnung gesprochen, welche durch eine genaue Analyse objektiv diagnostiziert werden kann, wobei etwaige vorhandene Probleme durch gezielte Eingriffe beseitigt werden können739. Somit steht im Sinne von Dyllick hinter einer statischen eine gemachte Ordnung, welche auf tech- nomorphem Denken beruht. Letzteres geht dabei von einer grundsätzlichen Machbarkeit der Ge- staltbarkeit von Ordnungen aus, wobei das Verhalten der Ordnung durch das Verhalten seiner Ele- mente (Strukturen, Prozesse, Systeme usw.) eindeutig definiert wird und demnach keine unvorher- sehbaren (Eigen-) Dynamiken vorhanden sind740. Somit impliziert der Begriff statisch im Hinblick auf die (Weiter-) Entwicklung einer Ordnung ei- nen auf den Status Quo ausgerichteten Fokus, welcher vergangenheitsorientiert ist. Eine solche Ordnung lässt sich nur durch den bewussten und intendierten Eingriff von außen beeinflussen, wo- 738 siehe nochmals Abb. 39 Interaktionsformen zwischen Unternehmen im Vergleich, Kapitel 3.1.1.3 739 vgl. Wehrhahn (1980), S. 132 ff. 740 vgl. Dyllick (1982), S. 342 197 bei das Ergebnis dieses Eingriffes wegen der Vorhersehbarkeit der Ereignisse von vornherein klar ist. 3.2.3.1.1 Die Ausprägung statischer und dynamischer Ordnungen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Unternehmen Überträgt man die bisherigen Aussagen auf die Entwicklung von Unternehmen, so bietet sich an dieser Stelle zunächst ein Vergleich statischer und dynamischer Systeme in verschiedenen Gleich- gewichtszuständen nach Bierfelder an. Statische Systeme sind für diesen solche, die in einem Gleichgewichtszustand "verharren" und deren interne Zustände, Umweltbeziehungen, Organisation und Struktur im Zeitablauf mehr oder weniger unverändert bleiben, also von einem System ohne Übergangsverhalten gesprochen werden kann. Dynamische Systeme hingegen zeichnen sich durch dissipative Selbstorganisation aus, sind fern von jedem Gleichgewicht sowie offen bezüglich ihrer Umweltbeziehung, Struktur und Organisation und können somit als evolvierende Systeme mit Ü- bergangsverhalten bezeichnet werden741. Dieser Zusammenhang lässt sich in anschaulicher Weise durch folgendes Schaubild vermitteln742: Abb. 50: Unterschiede zwischen strukturbewahrenden Systemen mit und evolvierenden Systemen ohne Übergangsverhalten 198 741 vgl. Bierfelder (1991), S. 172 742 entnommen aus Bierfelder (1991), S. 172 Bezieht man obige Erkenntnisse auf die Zustände in einem Unternehmen als soziales System, so ist zu sagen, dass ein Gleichgewicht eine eher unwahrscheinliche Ausgangsbedingung hinsichtlich der Dynamiken im organisatorischen und strukturellen Geschehen einer Unternehmung ist (vgl. Kapitel 2.4). Es ist jedoch nach wie vor ein stark ausgeprägtes Interesse auf Seiten von Theorie und Praxis bezüglich einer gleichgewichtsökonomischen Denkweise vorhanden743. Letztere wiederum ist für ein bis heute weit verbreitetes Konstrukteursdenken im Management ver- antwortlich (siehe Kapitel 1.3 ff.), welches sich nach Malik durch folgende Eigenschaften charakte- risieren lässt744: x Führung weniger x Aufgabe weniger x Auf Optimierung von Zuständen ausgerichtet x Glaubt ausreichende Informationen zu besitzen x Führung von Menschen x Direktes Eingreifen x Hat das Ziel der Gewinnmaximierung Demgegenüber steht das an Ungleichgewichtszuständen ausgerichtete Systemdenken, welches sich wiederum nach Malik wie folgt gekennzeichnet ist745: x Gestaltung und Lenkung ganzer Institutionen x Führung vieler x Aufgabe vieler x Auf Steuerbarkeit ausgerichtet x Hat nie ausreichende Information Beim Übertragen obiger Erkenntnisse auf die Entwicklung von Unternehmen fällt auf, dass das Ü- berleben eines sozialen Systems, wie beispielsweise eines Unternehmens, weit mehr als ein bloßes reaktives Sich-treiben-lassen im Sinne eines "muddling through" ist. Vielmehr schließt Überleben auch die aktive Weiterentwicklung (vgl. Aussagen zum Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile in Kapitel 3.1.3), Entfaltung und Evolution eines Systems mit ein. Gemäß der Theorie der Selbstor- ganisation komplexer Systeme kommt es dabei weniger zu einer Konkurrenz zwischen Individuen als zwischen Ordnungstypen und Regelsystemen. Dabei überleben die Ordnungstypen und Regel- systeme, deren Befolgung für die betreffende Gruppe oder das entsprechende soziale System (lang- fristig) Vorteile bringt746 (siehe auch im Weiteren Kapitel 4.5.1 ff.). Für das Überleben von sozialen Systemen ist es daher wichtig, dass diese sich nicht an dem (biolo- gisch gesteuerten) Werden und Vergehen von Einzelorganismen orientieren, sondern sich mehr oder weniger bewusst auf einer höheren Ebene auf die Schaffung von Ordnungstypen und Regelsysteme konzentrieren (sei es aktiv oder reaktiv). Diese optimieren die Anpassungs- und Steuerungsfähigkeit des sozialen Systems langfristig. Dabei liegt die Überlebensfähigkeit eines sozialen Systems, welches sich immer durch Offenheit und damit Wandlungsfähigkeit auszeichnet, in seiner Dynamik und nicht in seinem Status Quo begründet747. x Indirektes Einwirken x Hat das Ziel der Maximierung der Lebensfähigkeit 743 vgl. Bierfelder (1991), S. 173 744 vgl. Malik entnommen aus Vester (1988), S. 153 745 vgl. Malik entnommen aus Vester (1988), S. 154 746 vgl. Kastner (1993a), S. 3 f. 747 vgl. Vester (1988), S. 155 199 Anders ausgedrückt, die Dynamik und damit die Veränderungs- und Anpassungsfähigkeit des sozi- alen Systems entscheiden letztendlich über dessen langfristiges Überleben (siehe auch das Unter- nehmen als soziales System Kapitel 2.4 ff.). Aus diesem Grund spielt (wie die folgenden Ausführungen noch deutlich zeigen werden) gerade die Dynamik innerhalb einer Kooperation, die ein übergeordnetes soziales System auf der Basis der freiwilligen Kommunikation von Interessen darstellt (vgl. Kapitel 3.1.1.3), eine tragende Rolle. Dies kommt sowohl bei der Verteidigung der Wettbewerbsposition als auch beim Aufbau sowie der Verteidigung langfristiger Wettbewerbsvorteile zum Tragen. Warnecke etwa leitet im Zusammen- hang mit der Dynamik-Debatte die zentrale Forderung an die Unternehmen ab, aktiv zu handeln statt nur zu reagieren. Er begründet dies damit, dass die Dynamik ihrem Wesen nach sinnvolle Re- aktionen nur selten zulässt, und somit aktives Handeln und nicht reaktives Abwarten zu den Tugen- den der Zukunft zu zählen ist748. Nach diesen einführenden Aussagen zur Deutung von statischen und dynamischen Systemen sowie der Erläuterung des Zusammenhangs zwischen Dynamik und Überlebens- bzw. Entwicklungsfähig- keit eines sozialen Systems gilt es, diese Erkenntnisse dahingehend zu analysieren, an welchen ein- zelnen Kriterien eine statische vs. dynamische Kooperationsausprägung tatsächlich festgemacht werden kann. 3.2.3.2 Statik und Dynamik gespiegelt an den verschiedenen interorganisationalen Bezie- hungsebenen In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, das mikroökonomische Umfeld von Kooperationen gerade in Bezug auf die interorganisationale Zusammenarbeit einer genaueren Betrachtung zu un- terziehen. Dieses bildet die analytische Basis, anhand welcher sich die Beurteilungskriterien statisch gegenüber dynamisch bezüglich der Entwicklungsmöglichkeiten kooperationaler Zusammenarbeit spiegeln lassen. 1. Leistungsbeziehungen Nach Baumgarten können drei Kategorien interorganisationaler Beziehungsebenen bei Unterneh- menskooperationen unterschieden werden: 2. Koordinations- bzw. Einflussbeziehungen 3. Informations- bzw. Wissensbeziehungen Die Leistungsbeziehungen setzen sich mit den interorganisationalen Input-/Outputverflechtungen auseinander, die Koordinationsbeziehungen zielen dagegen mehr auf Entscheidungs- und Koordina- tionsprozesse zwischen den beteiligten Einheiten ab, wohingegen bei den Informationsbeziehungen Aspekte des interorganisationalen Wissenstransfers im Mittelpunkt stehen749. Infolge werden die einzelnen Beziehungsebenen einer näheren Analyse unterzogen, wobei den An- fang eine kurze Betrachtung der Leistungsbeziehungen macht. Darauf werden die Koordinations- und Wissensbeziehungen als die entscheidenden Steuerungsparameter hinsichtlich der Kooperati- onsentwicklung einer gezielten Analyse im Hinblick auf die impliziten (psychologischen) Wir- kungsmechanismen und den dahinter liegenden Dynamisierungspotenzialen unterzogen. 748 vgl. Warnecke (1999), S. 8 749 vgl. Baumgarten (1998), S. 159 ff. 200 3.2.3.2.1 Statische und dynamische Charakteristiken in Bezug auf die interorganisationalen Leistungsbeziehungen In Bezug auf die Leistungsbeziehungen lässt sich bei näherer Betrachtung feststellen, dass diese bei der Entscheidungsfindung über das Für und Wider einer Kooperation oft von zentralem Interesse sind. Denn normalerweise kommt es nur dann zu einer Kooperation, wenn die Leistung mit Hilfe des Partners günstiger oder besser erbracht werden kann als allein bzw. durch reinen marktlichen Erwerb (vgl. Kapitel 3.1.1.2). Als Formen der Leistungsbeziehungen lassen sich im Wesentlichen gemeinsame Wertschöpfungs- aktivitäten, seien sie horizontaler, vertikaler oder diagonaler Art sowie die Art der Nutzung der Res- sourcen unterscheiden. Letzteres zielt darauf ab, inwieweit die an einer Kooperation beteiligten Un- ternehmen ihre Ressourcen lediglich tauschen oder aber durch gemeinsame Nutzung von Ressour- cen Synergievorteile erzielt werden sollen. Diesbezüglich lassen sich wiederum die Verwirklichung von Größenvorteilen (Economies of scale) durch die Bündelung von gleichartigen Ressourcen und die Erzielung von Verbundvorteilen (Economies of scope) durch die Bündelung von komplementä- ren Ressourcen unterscheiden (vgl. Kapitel 3.1.2.2.2). Genannte Synergieeffekte können etwa durch gemeinsame Entwicklungsvorhaben erreicht werden oder aber innerhalb von Produktionsverbünden. Neben der Reduzierung der innerbetrieblichen Komplexität stellen auf der Leistungsebene vor allem ökonomische Aspekte, wie die Realisierung von Zeit- und Kostenvorteilen im Rahmen von Time-to-market- und/oder Just-in-time-Konzepten, den Hauptantriebsfaktor interorganisationaler Zusammenarbeit dar (vgl. Kapitel 2.2.3.2, 2.5.3.2 und 3.1.2.2.1.1). Hieraus lässt sich ableiten, dass es bei der Betrachtung von Leistungsbeziehungen in erster Linie um logisch-analytische Aspekte geht, wobei die Kosten- und Nutzenmaximierung für die Beteilig- ten durch den effizienten und effektiven Vollzug von Leistungen den zentralen Interessenschwer- punkt bildet. Dies ist zudem auch der wichtigste Anknüpfungspunkt bezüglich der einer Kooperation inhärenten Statik oder Dynamik. Hinsichtlich der Leistungsprozesse zeigt sich die Dynamik bzw. Statik darin, inwieweit die Kooperationsunternehmen in der Lage sind, kontinuierlich Verbesserungen ihrer In- put-/Outputverflechtungen, insbesondere hinsichtlich Kosten, Schnelligkeit bzw. der operationalen Effizienz der sie überlagernden elektronischen Medien zu gewährleisten (vgl. Kapitel 3.1.3.2 ff.). Dynamik im Rahmen der Leistungsbeziehungen ist dementsprechend davon abhängig, ob es inner- halb einer Kooperation gelingt, möglichst dauerhafte Verbesserungen logisch-analytischer Aspekte in die Tat umzusetzen. 3.2.3.2.2 Statische und dynamische Ausprägungen hinsichtlich der interorganisationalen Koordinations- und Einflussbeziehungen Die Koordinations- und Einflussbeziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Leistungsbe- ziehungen generell vorgelagert sind. Letztere entwickeln sich nämlich nicht aus sich selbst heraus, sondern sind immer Handlungsfolge von im Vorfeld stattfindenden Koordinationsbemühungen in Form von Verhandlungen oder Absprachen. Aus diesen gehen wiederum Entscheidungen hervor, die die Leistungsbeziehungen zentral beeinflussen. Somit rückt bei Unternehmenskooperationen neben den Input-/Outputverflechtungen eine weitere Form von Interdependenz in den Blickpunkt, nämlich die Entscheidungsinterdependenz, womit die wechselseitige Abhängigkeit von Entscheidungen bzw. Entscheidungsträgern gemeint ist750. 750 vgl. Kirsch (1971), S. 62 201 Jene Entscheidungen basieren innerhalb einer interorganisationalen Zusammenarbeit in der Regel auf Koordinations- und Integrationsmechanismen jenseits von Markt und Hierarchie (vgl. Kapitel 3.1.1.2 f.). Dabei bewegen diese sich in der Regel im Spannungsfeld von eher kooperativen Ele- menten wie Autorität, Vertrauen, Reputation und Solidarität auf der einen Seite und eher konfligie- renden Elementen wie unterschiedliche Ziele, Interessen und Werte der Partialzentren auf der ande- ren Seite. Daraus resultiert die Annahme eines politischen Charakters von (interorganisationalen) Abstimmungsprozessen auf der Basis eines Kontinuums von rückhaltloser Übereinstimmung bis hin zur Ausübung von Macht751. An dieser Stelle wird nochmals deutlich, dass Unternehmenskooperationen bei weitem nicht nur durch die Variable Wirtschaftlichkeit zu erfassen bzw. geprägt sind, sondern gerade im Hinblick auf das Management von Kooperations- bzw. Entscheidungsprozessen auch umfassende psychologi- sche Elemente zu berücksichtigen sind, wie die folgenden Erkenntnisse zeigen werden752. Um dieses Spannungsfeld der Koordination bzw. der Entscheidungsfindung im Rahmen von Ko- operationen und dessen tragende Parameter besser zu verstehen, sei nachfolgend nochmals kurz auf einige zentrale Prinzipien der Funktionsweise von Unternehmen verwiesen. 3.2.3.2.2.1 Die zentralen Prinzipien der interorganisationalen Entscheidungsfindung auf der Basis der Funktionsweise eines Unternehmens als sozialem System Ein Unternehmen als eigenständiges Partialsystem ist aufgrund seiner Funktionsweise als soziales System zu bezeichnen, welches operational geschlossen und strukturdeterminiert ist. Dies hat zur Folge, dass der Zugang zu einem Unternehmen (von innen wie von außen) nur durch Beobachtung und Kommunikation erfolgen kann. Man muss demnach die Sprache des Systems verstehen und sprechen, um mit ihm in Interaktion treten zu können753. Weiterhin führt die Strukturdeterminiertheit dazu, dass ein Unternehmen Problem- und Aufgaben- definitionen generell vor dem Hintergrund der eigenen Lebens- und Sprachformen, d.h. vor dem Hintergrund spezifischer Kontexte bewertet, die nie vollständig mit denen anderer Partialsysteme übereinstimmen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Inkommensurabilität der zwi- schenbetrieblichen Lebens- und Sprachformen754. Darüber hinaus zeichnet sich ein soziales System nicht nur durch die Ausprägung eigener System- sichten, sondern auch eigener Systeminteressen aus. Letztere entstehen, indem die an der Mei- nungsbildung beteiligten Mitarbeiter (des sozialen Systems) parallelisierte Zustände synreferentiell (d.h. durch zwangfreies Konstruieren eines gemeinsamen Denkrahmens durch kognitive Subsyste- me) ausbilden. Dadurch erzeugen die Mitarbeiter einen konsensuellen Bereich bzw. gemeinsame Realitätskonstrukte, auf deren Grundlage sie interagieren. Kastner bezeichnet eine solche wechsel- seitige Annäherung kognitiver Systeme als synreferentielle Hirnstrukturkopplungsprozesse, wobei durch diese "strukturellen Kopplungsprozesse" die Systeminteressen definiert werden755 (vgl. auch Ausführungen in Kapitel 2.4 ff.). Im Hinblick auf eine genaue Analyse der einzelnen Kooperations- und Integrationsmechanismen zur Herbeiführung von Entscheidungen innerhalb von Kooperationen sind obige Funktionsweisen sozialer Systeme als Grundbedingungen anzusehen. Das heißt, operationale Geschlossenheit, Struk- 751 vgl. Ringelstetter (1995), S. 142 ff. 752 vgl. Schertler (1995), S. 48 753 vgl. Malik (1989), S. 382 754 vgl. Baumgarten (1998), S. 95, 170 755 vgl. Kastner (1990), S. 26 ff. 202 turdeterminiertheit und das Vorhandensein eigener systemspezifischer Interessen sind für sich be- trachtet systemimmanent und können weder negiert noch beseitigt werden. Bezüglich der interorganisationalen Entscheidungsfindung ist jetzt von wesentlicher Bedeutung, auf welche Weise bei den jeweiligen Abstimmungsprozessen mit der Strukturdeterminiertheit und den Interessen des oder der jeweils anderen (Unternehmen) im Rahmen der wechselseitigen Kommuni- kation von Interessen als entscheidender Interaktionsvariable (vgl. Kapitel 3.1.1.3) umgegangen wird. Letzteres lässt sich anhand der drei Koordinationsmechanismen Ɣ Ausübung von Macht, Ɣ Durchführung von Verhandlungen und Ɣ Koordination auf der Grundlage einer gemeinsamen Regelbasis bzw. übergeordneten Hand- lungsstruktur erläutern. 3.2.3.2.2.2 Macht als möglicher Koordinationsmechanismus innerhalb der kooperativen Ent- scheidungsfindung und deren Folgen gespiegelt an der Theorie der kollektiven Entscheidungsprozesse Unter Macht wird die Kraft bzw. die Möglichkeit verstanden, Einfluss dahingehend auszuüben, dass der Beeinflusste sich im Sinne des Beeinflussenden verhält756. Noch prägnanter formuliert dies Baron, für den Macht die Fähigkeit beinhaltet, die Aktionen ande- rer zu kontrollieren, um die eigenen Ziele zu fördern. Dies geschieht selbst ohne deren Zustimmung oder Verständnis und kann sogar gegen ihren Willen geschehen. Dabei unterscheidet er explizit zwischen Einfluss als der Fähigkeit, situationsbezogen das Verhalten von anderen ändern zu können sowie Macht als der Fähigkeit, dieses regelmäßig und unbeirrt zu tun, und zwar unabhängig von der jeweiligen Situation oder Beziehung757. Hinter dieser Art der zwischenbetrieblichen Koordination ist letztlich ein starkes Abhängigkeitsver- hältnis zu vermuten. Somit ähnelt die eigentliche Interaktionsform im Grunde eher der Hierarchie als klassischer Koordinationsform mit klaren (Befehls-) Entscheidungsstrukturen, als einer interme- diären Form, welche im Normalfall auf polyzentrischen Strukturen beruht, wo mehrere Partialzent- ren wechselseitige Forderungen austauschen, ohne dass ein Zentrum regelmäßig seine Forderungen durchsetzen kann758 bzw. eine freiwillige Ziel-/Mittelverflechtung zum Tragen kommt (siehe Kapi- tel 3.1.1.3). Bezüglich der machtbasierten Koordination ist jedoch zu berücksichtigen, dass es im Zusammen- hang mit den geschilderten Möglichkeiten der neuen IuK-Technologien und den damit verbundenen steigenden Anforderungen in Bezug auf eine deutlich erkennbare Wertschöpfung (vgl. Kapitel 2.5.1 ff.) zu einem deutlich erhöhten Druck seitens der Hersteller in Richtung der jeweiligen Zulieferer kommen kann. Dem Druck werden diese sich, auch wenn sie rein juristisch eigenständige Unter- nehmen sind, nicht immer vollständig entziehen können. Dieser Prozess ist beispielsweise in der Automobilindustrie in vollem Gange, wo zum einen die Händler und zum anderen die Zulieferer seitens der Hersteller harte Vorgaben bekommen, die bei Bringt man dies mit den obigen Aussagen zur Funktionsweise eines Unternehmens als sozialem System in Verbindung, so lässt sich daraus ableiten, dass innerhalb einer Kooperation das macht- ausübende Unternehmen weder auf die Systemsichten noch auf die Systeminteressen des zu beein- flussenden Unternehmens Rücksicht nimmt. 756 vgl. Tosy (1988), S. 51 757 vgl. Baron (1983), S. 422 ff., 436 758 vgl. Baumgarten (1998), S. 168 203 Nichterfüllung unweigerlich das Ende der Geschäftsbeziehung zur Folge hat, was in den meisten Fällen einer Bedrohung der gesamten Existenz gleichkommt759. Schaut man sich die Folgen eines solchen machtzentrierten Verhaltens an, so lassen sich diese sehr gut an dem Verlauf sowie dem Output des jeweiligen Entscheidungsprozesses festmachen. Letzteres wird, gemäß der Theorie der kollektiven Entscheidungsprozesse, stark davon beeinflusst, inwieweit der Entscheidungsprozess einen eher integrativen, also an einer Win-Win-Situation orien- tierten Charakter oder eher distributiven, an einer Win-Lose-Situation orientierten Charakter, an- nimmt760. Dieses wiederum hängt nach Obring u.a. davon ab, ob bei Entscheidungsprozessen Ɣ eher konsens- und erkenntnisbezogene oder machtbezogene Aktivitäten dominieren, Ɣ wie es um die individuell definierte Problemkomplexität bestellt ist sowie Ɣ ob der individuellen Wahrnehmung der Interdependenzen durch die Beteiligten genügend Auf- merksamkeit gewidmet wird761. Bei der Übertragung dieser Erkenntnisse auf die Situation innerhalb der machtbasierten Koordinati- on ist deutlich zu erkennen, dass der Entscheidungsprozess einen deutlich distributiven Charakter annimmt, sprich von einer stark ungleichen Verteilung von Nutzen und Lasten (Win-Lose-Situa- tion) auszugehen ist. Des Weiteren ist zu vermuten, dass nicht wirklich verhandelt wird und inner- halb des "Koordinationsprozesses" eindeutig machtbezogene Aktivitäten dominieren, und demnach von einer erkenntnisbezogenen oder konsensorientierten Vorgehensweise kein Gebrauch gemacht wird. Weiterhin spielt die Inkommensurabilität der Lebens- und Sprachformen der beteiligten Partialsys- teme mit der damit verbundenen Problemkomplexität nur eine untergeordnete Rolle. Denn das machtausübende Unternehmen ist aufgrund seiner Position in der Lage, die Systemsichten der ande- ren Beteiligten zu großen Teilen zu ignorieren, ohne gleichzeitig zumindest kurzfristig die Durch- setzung seiner Interessen zu riskieren. Gleiches gilt in demselben Maße für die erwähnte Strukturdeterminiertheit, welche u.a. für eine unterschiedliche Wahrnehmung der am Kooperationsprozess Beteiligten verantwortlich ist. Auch diese hat bei machtbasierenden Entscheidungsfindungen keinen tragenden Einfluss auf das Ergeb- nis der Bemühungen, da durch die stark asymmetrische Machtverteilung der Wahrnehmung des Schwächeren keine große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Letzteres darf allerdings nicht derart interpretiert werden, dass es innerhalb eines solchen Entschei- dungsfindungsprozesses nicht zu interorganisationalen strukturellen Kopplungen (Hirnstruktur- kopplungsprozesse der Mitarbeiter verschiedener Organisationen) kommt. Dieses ist sehr wohl der Fall, jedoch ist die Ausbildung parallelisierter Zustände bzw. eines "konsensuellen" Bereiches gera- de nicht vor dem Hintergrund der Kompromissbildung zur Vereinheitlichung unterschiedlicher In- teressen zu interpretieren (zum Beispiel durch Überzeugung, Kompromiss oder fairen Deal, siehe Erläuterung im nächsten Abschnitt), sondern dient einzig und allein der Durchsetzung der Ziele des Stärkeren durch den Einsatz von Macht. Zusammenfassend bleibt anzumerken, dass es sich bei machtzentrierten Entscheidungsprozessen einerseits sicherlich um eine Extremposition handelt, deren Durchsetzung die Verfügbarkeit ent- sprechender Druckmittel voraussetzt. Andererseits gibt es aber durchaus viele Beispiele dafür, dass ein starker Partner einem schwächeren im Rahmen von Kooperationen Konditionen und Bedingun- gen aufzwingt, die bei näherer Betrachtung eher der asymmetrischen Machtverteilung, denn einer 759 vgl. Trojan (2000), S. 77 f.; Weiß (1999), S. 37 ff., 73 ff. 760 vgl. Baumgarten (1998), S. 169 761 vgl. Obring (1992), S. 260 ff. 204 an Konsens oder wenigstens Kompromiss orientierten Verhandlung zuzusprechen sind. Ferner könnte sich diese Entwicklung in Zukunft noch verschärfen, wenn namhafte Hersteller und Anbie- ter die Zahl ihrer Zulieferer drastisch reduzieren sowie durch Einkaufsgemeinschaften via Internet bei Gütern des täglichen Bedarfs die entsprechenden Lieferanten, mit denen häufig auch Kooperati- onsverhältnisse bestehen, massiv unter Druck setzen (siehe das obige Beispiel der Automobilindust- rie sowie Kapitel 2.2.4.3.2). 3.2.3.2.2.3 Verhandlungen als weiterer Koordinationsmechanismus innerhalb der kooperativen Entscheidungsfindung Der zweite denkbare Koordinations- und Integrationsmechanismus zur Herbeiführung von Ent- scheidungen in Bezug auf interorganisationale Zusammenarbeit liegt, wie erwähnt, in der Durch- führung von Verhandlungen. Mittels dieser wird dabei explizit und implizit anerkannt bzw. berück- sichtigt, dass hier eine wirklich intermediäre Koordinationsform zwischen Markt und Hierarchie zum Tragen kommt. Dabei gilt es für die beteiligten Partialsysteme, sich mit polyzentrischen Struk- turen auseinanderzusetzen, welche in wechselseitigen Abstimmungsprozessen, sprich Verhandlun- gen, Bedürfnisse und Forderungen austauschen. Dies geschieht, ohne dass ein Partialzentrum regel- mäßig seine Vorstellungen und Forderungen auch gegen den Widerstand der anderen Beteiligten durchsetzen kann und somit der Charakter der Freiwilligkeit gewahrt bleibt762. Bezieht man diese Aussagen wiederum auf die Berücksichtigung der wechselseitigen Systeminte- ressen und -sichten der einzelnen Partialsysteme, so ist festzustellen, dass diesen eine wesentlich größere Bedeutung zukommt, als im Fall der rein machtbasierten Koordination. Dies liegt darin begründet, dass sowohl die Herbeiführung als auch die Umsetzung jeglicher Entscheidung von der Zustimmung der an der Kooperation beteiligten Unternehmen abhängig ist. Diese werden in der Regel nur dann zustimmen, wenn sie ihre vor dem Hintergrund der jeweiligen Systemsichten for- mulierten Interessen (siehe Aussagen zur Strukturdeterminiertheit oben) zumindest ansatzweise gewahrt sehen. Die Durchführung von Verhandlungen dient demzufolge dazu, nach Möglichkeit genau solche Lö- sungen und Entscheidungen herbeizuführen, die den Interessen und Forderungen der Beteiligten insoweit entgegenkommen, dass sie vor dem Hintergrund der eigenen Ziele und Bedürfnisse akzep- tabel erscheinen und somit die vormals eventuell divergierenden Interessen zumindest ein Stück weit in Einklang gebracht werden können. Jenes geschieht, genau wie bei der Ausprägung der jeweils einzelnen Systeminteressen, mittels ei- ner (durch Verhandlung herbeigeführten) wechselseitigen Annäherung verschiedener kognitiver (sozialer) Systeme in Form von Hirnstrukturkopplungsprozessen. Erwünschtes Ergebnis dieser Kopplungsprozesse ist die Ausbildung parallelisierter Zustände sowie die Erzeugung gemeinsamer Realitätskonstrukte763. Auf deren Grundlage werden nicht nur wechselseitige Forderungen ausge- tauscht und Unterstützungsleistungen gewährt, sondern diese Realitätskonstrukte dienen auch einer Vereinheitlichung der Interessen sowie einer Kompromissbildung bei divergierenden Interessen764. Ob es innerhalb dieser Phase der Strukturkopplung zu eher integrativen oder distributiven Entschei- dungsfindungen im Zuge der Verhandlungen kommt, hängt wiederum entscheidend davon ab, in- wiefern bei den Entscheidungsprozessen eher konsens- und erkenntnisbezogene oder machtbezoge- ne Aktivitäten dominieren bzw. wie mit der individuellen Problemkomplexität und damit verbun- 762 vgl. Malik (1989), S. 382 sowie Baumgarten (1998), S. 168 763 vgl. Kastner (1990), S. 26 ff. 764 vgl. Traxler (1988), S. 269 205 denen individuellen Wahrnehmungsmustern umgegangen wird (vgl. obige Aussagen zur Theorie der kollektiven Entscheidungsprozesse). Von Bedeutung ist diesbezüglich, wie die am Entscheidungsprozess Beteiligten mit divergierenden oder gar konfligierenden Interessen umgehen bzw. ob die Partialsysteme zur Vereinheitlichung der (unterschiedlichen) Interessen eher konsens- und erkenntnisorientiert handeln oder lieber auf machtpolitische Instrumente zurückgreifen. Zur Konkretisierung dieses Zusammenhangs bietet sich sehr gut folgende von Kastner geprägte Unterteilung verschiedener Verhaltensmöglichkeiten bei wechselseitigen Abstimmungsprozessen an765. An oberster Stelle bzw. am erstrebenswertesten sind konsens- und erkenntnisorientierte Aktivitäten, welche darauf beruhen, durch Überzeugung bei dem jeweiligen Gegenüber angst- und zwangsfrei Einsicht bzw. Erkenntnis (zur Lösung divergierender Interessen) hervorzurufen. Gelingt dies, d.h., besteht wechselseitig Einsicht bzw. Überzeugung über die Notwendigkeit einer Maßnahme, kann von einem Konsens gesprochen werden. Ist auch dies nicht möglich, weil beispielsweise die Dimensionen, über die verhandelt wird, nicht teilbar sind, bietet sich ein fairer Deal als Verhaltensgrundlage an. Hierbei sind die Beteiligten auf- gefordert, durch gegenseitige Tauschgeschäfte (nach dem Motto "ich gebe dir, du gibst mir"), eine möglichst einvernehmliche Lösung zu finden. Scheitert es auch daran, kann von erkenntnisorientierten Aktivitäten keine Rede mehr sein, es bleibt letztlich nur noch der Einsatz von politischen Ränkespielen bzw. Macht (sofern vorhanden), um doch noch zu einer wie auch immer gearteten Lösung zu kommen. Ein integrativer Charakter der Entscheidungsprozesse ist damit eher zu erwarten, wenn die Partial- systeme einen Interessensausgleich auf der Basis gegenseitiger Überzeugung oder auf Grund eines fairen Kompromisses sowie, eingeschränkt, mit Hilfe eines fairen Deals herbeiführen. Die einge- schränkte Brauchbarkeit des fairen Deals bezüglich einer integrativen Lösung ist dabei Folge des zunehmenden (potenziellen) Manipulationscharakters, der die Entscheidungsprozesse umgibt, je weiter man sich von einer konsensuellen Lösung wegbewegt. Dies rührt daher, dass es nur bei ge- genseitiger Überzeugung sowie der Aushandlung eines fairen Kompromisses zu einem wirklichen Abgleich der gegenseitigen Interessen kommt, und die Beteiligten folglich in den meisten Fällen voll und ganz hinter der Entscheidung stehen. Beim fairen Deal hingegen und insbesondere bei machtpolitischen Entscheidungen werden die gegenseitigen Interessen nur ansatzweise oder gar nicht abgeglichen, verbunden mit einem hohen Manipulations- und Übervorteilungspotenzial und der daraus resultierenden Gefahr eines distributiven Charakters der Entscheidungsprozesse. Dieses lässt sich gut durch jene Zusammenhänge verdeutlichen, die es zu beachten gilt, wenn auf Basis gemeinsam getragener Zieldefinitionen (zum Beispiel erreicht durch gegenseitige Überzeu- Ist dies aufgrund der unterschiedlichen (konstruierten) Wahrheiten und Systemsichten (geprägt durch die operationale Geschlossenheit und Strukturdeterminiertheit) der einzelnen Beteiligten nicht möglich, ist ein fairer Kompromiss anzustreben. Hierbei gilt es auf der Basis gegenseitigen Respekts und ohne die Absicht, den anderen zu übervorteilen, eine für alle tragfähige Lösung zu finden. Neben diesen grundsätzlichen Verhaltensgrundlagen zur Herbeiführung eines Interessensausgleichs innerhalb von Verhandlungen spielt des Weiteren der Umgang mit den wechselseitigen Problemde- finitionen und Wahrnehmungsmustern der am Entscheidungsprozess beteiligten Parteien im Hin- blick auf einen mehr integrativen oder mehr distributiven Charakter eine wichtige Rolle. 765 vgl. in Bezug auf die folgenden Aussagen Kastner (1999), S. 235 ff. 206 gung und/oder faire Kompromisse) entsprechende Handlungsgrundlagen bzw. Umsetzungsschritte definiert werden sollen. Hier hat die bereits mehrfach erwähnte operationale Geschlossenheit und die Strukturdeterminiertheit der jeweiligen Partialsysteme einen entscheidenden Einfluss auf den Gang der Dinge. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich bei den in Verhandlungssituationen auftretenden Prob- lemen in erster Linie um Multi-Kontext-Probleme handelt, wobei sowohl die Kontexte als auch die Probleme Folge des spezifischen Wahrnehmungsvermögens bzw. der Strukturdeterminiertheit des jeweiligen sozialen Systems sind766. Vor diesem Hintergrund gilt es im Hinblick auf einen möglichst integrativen Entscheidungsprozess zu erreichen, dass die Inkommensurabilität der Lebens- und Sprachformen und die daraus resultie- rende Problemkomplexität der beteiligten Einheiten nicht zu stark voneinander abweichen. Ziel muss es sein, durch gegenseitige Reflexion über die unterschiedlichen Kontexte und den daraus entspringenden Problemdefinitionen zu einem gemeinsamen Problem- und damit Komplexitätsver- ständnis zu gelangen, wodurch sich zwar nicht alle Probleme lösen lassen, diese aber zumindest besser gehandhabt werden können. Hierfür ist es von großem Vorteil, wenn die Unternehmen nicht nur in der Lage sind, auf eben erwähnte konsens- und erkenntnisorientierte Aktivitäten im gegensei- tigen Umgang zurückgreifen zu können, sondern sie darüber hinaus zumindest ansatzweise über die Fähigkeit verfügen, sich auch in die Lage des jeweils anderen versetzen zu können (Stichwort Em- pathiefähigkeit, vgl. die Aussagen im Anschluss). Je weniger jenes gelingt oder beabsichtigt wird, desto eher ist damit zu rechnen, dass auf Seiten des jeweils anderen bestehende Probleme nicht erkannt und dementsprechend beim weiteren Vorgehen unberücksichtigt bleiben. Dieses birgt wiederum die Gefahr mangelnder Anschlussfähigkeit und so- mit den Charakter eines distributiven Entscheidungsprozesses in sich. Jene sorgt nämlich dafür, dass jedes Partialsystem vor dem Hintergrund der eigenen Entwicklung und Erfahrungen (der eigenen Lebens- und Sprachformen) zunächst auf Basis der Zieldefinition entsprechende Problemdefinitionen vornimmt. Diese sind wiederum Grundlage ihres eigenen Han- delns und Verhaltens und unterscheiden sich bezüglich Umfang und Komplexität häufig deutlich von dem, was die anderen Partialsysteme an Problemdefinitionen zu Tage fördern. Je besser dies gelingt, umso höher ist auch die jeweilige "Anschlussfähigkeit" auf Seiten des Ge- genüber. Letztere zielt darauf ab, dass die Akzeptanz eines Partialsystems bezüglich gemeinsam er- arbeiteter Lösungen und Handlungsgrundlagen in dem Maße steigt, wie die eigenen Kontexte und Problemdefinitionen entsprechend gewürdigt bzw. berücksichtigt werden. Genau dieses ist, sofern das Prinzip auf alle Beteiligten angewendet wird, ein sicheres Indiz für das Vorliegen eines integra- tiven Entscheidungsprozesses. Eng verbunden mit der Bedeutung, sich intensiv mit den Problemdefinitionen der beteiligten Part- ner im Rahmen eines integrativen Entscheidungsprozesses auseinandersetzen zu können, ist die Fähigkeit, zumindest ansatzweise während der Verhandlungen zu einem Abgleich der Wahrneh- mungen bezüglich eventuell folgender Interdependenzen zu kommen. Je größer diese für ein Parti- alzentrum werden oder sind, desto aktiver wird es versuchen, auf sämtliche Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen. Geschieht dies nicht in einer offenen Art und Weise und womöglich vor dem Hintergrund eines starken Interdependenzgefälles, ist die Gefahr von wechselseitigen Manipulati- onsversuchen (sei es aus Unkenntnis oder Angst vor Übervorteilung) groß, was letztendlich in dist- ributiven Entscheidungsprozessen endet. Zusammenfassend lässt sich somit bezüglich der verhandlungsbasierten Koordinationsform feststel- len, dass diese sich in einem Kontinuum zwischen eher integrativen und eher distributiven Ent- 766 vgl. Kirsch (1992), S. 9 f. 207 scheidungsprozessen bewegt, je nach Ausprägung bzw. Verhaltensweisen und Aktivitäten, die von den sozialen Systemen an den Tag gelegt werden. Dies unterscheidet die verhandlungsbasierte Ko- ordinationsform deutlich von der machtbasierten, wo von integrativen Bestandteilen innerhalb der Entscheidungsprozesse eigentlich zu keinem Zeitpunkt die Rede sein kann. Bei näherer Betrachtung der Verhandlungslösungen mit einem stark ausgeprägten distributiven Charakter ist zu sagen, dass diese eigentlich kaum von der rein machtbasierten Koordinationsform unterschieden werden können. Denn die „Interessengleichheit“ wird durch macht-politische Ränke- spiele herbeigeführt und infolge wird auch wenig Rücksicht auf Problemdefinitionen und Wahr- nehmungsmuster der jeweils Beteiligten genommen. Andererseits bringen auch die integrativen Verhandlungslösungen eine Reihe interessanter Er- kenntnisse ans Tageslicht. Bei dieser positiven Ausprägung von Koordination, bei der mit Hilfe von integrativen Entscheidungsprozessen bestehende Interessenunterschiede rein konsens- bzw. er- kenntnisorientiert gelöst werden sowie umfassend die Problembelange und Wahrnehmungsmuster aller Beteiligten bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, kann in letzter Konsequenz zumindest teilweise auf wirkliche Verhandlungen verzichtet werden. Durch die weit gehende (wenn auch nicht vollständige) Integration der Systemsichten zusammen mit dem damit verbundenen Ver- trauens- und Wissenspotenzial (man weiß zumindest ansatzweise, wie der andere denkt und han- delt), besteht die Chance, Entscheidungen, die ursprünglich das Ergebnis von Verhandlungen wa- ren, durch solche zu ersetzen, die beispielsweise der Reputation oder der Autorität bzw. Kompetenz eines Partners entspringen767. In diesem Fall wären Verhandlungen schlicht überflüssig, da die ei- nem Partner zugewiesene Kompetenz, welche von allen anderen Teilnehmern anerkannt wird, an- stelle von Verhandlungen für eine integrative Problemlösung herangezogen wird768. Diesbezüglich merkt Schmidt zusätzlich an, dass das Risiko von Fehlentscheidungen, welche den Kooperationser- folg gefährden dann am geringsten ist, wenn die Entscheidungen vom kompetentesten Partner ge- troffen werden. Dementsprechend sollte derjenige über die endgültige Entscheidungsbefugnis ver- fügen, der das beste Know-how bzw. die beste Fachkompetenz besitzt769. Aus diesen Aussagen geht hervor, dass sich hinter dem Koordinationsmedium Verhandlung ein breites Spektrum verbirgt, welches auf der einen Seite die Verhandlungen selbst wenigstens zum Teil obsolet werden lässt, während auf der anderen Seite die Verhandlungen stark durch machtpoli- tische Gegebenheiten beeinflusst werden770. Die große Masse der mittels Verhandlungen gefundenen Lösungen wird dabei sicherlich zwischen den beiden Extrempunkten zu finden sein. Darüber hinaus ist an dieser Stelle anzumerken, dass in diesem Kontinuum ein enormes Dynamisie- rungspotenzial hinsichtlich der Koordinations- und Einflussbeziehungen verborgen liegt, was es gerade im Hinblick auf die Erlangung langfristiger Wettbewerbsvorteile zu nutzen gilt. Der entscheidende Gesichtspunkt dieses Koordinationsmechanismus ist darin zu sehen, dass kom- plett auf Verhandlungen verzichtet werden kann. Dieser Verzicht wird dadurch ermöglicht, dass Bevor allerdings der Zusammenhang zwischen den Kooperationsmechanismen statisch/dynamisch und den einzelnen Koordinationsformen näher erläutert wird, gilt es zuvor, die Koordination auf der Grundlage einer gemeinsamen Regelbasis genauer zu analysieren. 3.2.3.2.2.4 Interorganisationale Entscheidungsfindung auf der Grundlage einer gemein- samen Regelbasis 767 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 96 768 vgl. Baumgarten (1998), S. 243 769 vgl. Schmidt (1997), S. 133 ff. 770 vgl. Baumgarten (1998), S. 165 208 sich die an der Kooperation beteiligten Partialsysteme, sei es implizit oder explizit, auf andere Re- gelmechanismen geeinigt haben. Dabei beruht die Feststellung, dass genannter Entwicklungsprozess in Bezug auf eine überwiegend regelbasierte Koordination nur eingeschränkt bewusst abläuft im Wesentlichen auf zwei Faktoren. Andererseits spielen aber auch unbewusste, psychologische Faktoren wie Sympathie, Ausstrahlung oder Vertrauen in die Fähigkeiten eines anderen eine gewichtige Rolle, die den Beteiligten beim Rückgriff auf diese Regelmechanismen allenfalls am Rande bewusst sind. Trotz dieses nur eingeschränkt transparenten Entwicklungsweges besteht allerdings kein Zweifel daran, dass es sich hierbei um eine hochintegrative Koordinationsform handelt. Denn nur, wenn im Rahmen des gegenseitigen Miteinanders und einer entsprechenden Würdigung der wechselseitigen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsprozesse konsequent auf integrative Elemente gesetzt wird, kann überhaupt auf Verhandlungen in größerem Ausmaß verzichtet werden. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist, dass alle Beteiligten einen hohen Bewusstseinsgrad über die eigenen Befindlichkeiten sowie die Befindlichkeiten der anderen erreichen. Dieses zieht wie- derum einen konsens- bzw. erkenntnisorientierten Umgang miteinander sowie umfassende Transpa- renz der gegenseitigen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster nach sich (vgl. oben). Ferner gilt es, genau dieses "Bewusstsein" in Regeln und Handlungsstrukturen bezüglich der Me- chanismen der (täglichen) Zusammenarbeit zu überführen, welche fortan zu großen Teilen an die Stelle der normalerweise gebräuchlichen Verhandlungslösungen treten. Darüber hinaus ist zu be- achten, dass sich die Bewusstmachung von Zusammenhängen nicht nur auf die gemeinsame Zieler- reichung sowie Problemdefinition und Wahrnehmung (Fragen des "was") "beschränkt", sondern zusätzlich auch Fragen des "Wie" thematisiert und in entsprechende Regelmechanismen überführt werden. Angesprochen seien hier Übereinkünfte in Bezug auf Handlungsmuster zur Umsetzung gefundener Lösungen sowie Verhaltensspielregeln im Falle von Konflikten, welche sich nicht zu- letzt vor dem Hintergrund der bereits mehrfach erwähnten Inkommensurabilität von Lebens- und Sprachformen und der damit verbundenen Problemkomplexität (vgl. Kapitel 3.2.3.2.2.1) nie voll- ständig vermeiden lassen. Um so mehr dieses gelingt, also letztlich die sozialen Systeme einer Kooperation in der Lage sind, üblicherweise per Verhandlung gelöste Entscheidungsprozesse in regelbasierte zu überführen, desto größer ist auch die Chance, sofort zielgerichtet mit der Problemlösung zu beginnen, anstatt zunächst meist langwierige Debatten über gegenseitige Standpunkte, Sinn und Zweck des Ganzen, Art und Weise der Durchführung etc. führen zu müssen, wie es bei rein verhandlungsbasierten Entschei- dungsprozessen meist der Fall ist. Hieraus resultiert ggf. ein enormer Zeitvorteil, was mit einem hohen Einsparpotenzial an Transakti- onskosten verbunden ist (siehe hierzu Kapitel 3.1.1.2) , da jede durch Verhandlungen hervorgerufe- ne Verzögerung Geld kostet und darüber hinaus die Verhandlungen selbst meist mit beträchtlichen Aufwendungen zu Buche schlagen. Im Mittelpunkt steht dabei ein in der Regel gradueller, meist nur in Teilbereichen bewusst gesteuer- ter integrativer, wechselseitiger Entwicklungsprozess. Dieser ermöglicht es den Beteiligten, auf Basis in der Vergangenheit gemachter positiver Erfahrungen, situativ oder generell, bei den ent- sprechenden Zieldefinitionen oder Problemlagen von einer verhandlungsbasierten auf eine z.B. ver- trauensbasierte Entscheidungsfindung (zum Vertrauen siehe Kapitel 3.2.4.1 f.) auf der Grundlage von Kompetenz überzugehen. Einerseits beinhalten Regelmechanismen, die vertrauensbasiert sind oder auf Autorität, Reputation, Solidarität und/oder schlichtweg Erkenntnis und Einsicht beruhen, ein Stück weit (gemeinsame) erlebte Geschichte. An diese, verbunden mit daraus resultierender positiver Erfahrung, erinnern sich die Beteiligten in der konkreten Situation, ohne dass bis ins Detail darüber Klarheit besteht, wie es zu dieser Bedingungskonstellation kam. 209 Diese Aussagen dürfen allerdings nicht dahin interpretiert werden, dass auf Verhandlungen zu Gunsten regelbasierter Lösungen generell und zu jeder Zeit verzichtet werden kann. Insbesondere am Anfang bzw. im Vorfeld einer Kooperation, wo der beschriebene Bewusstseinsfindungsprozess noch gar nicht begonnen hat bzw. erst in den Anfängen steckt, ist alles andere als ein verhandlungs- oder bisweilen auch machtbasierter Entscheidungsprozess als utopisch anzusehen. Mit zunehmen- der Dauer der Kooperation und der damit verbundenen potenziellen Möglichkeit eines tiefer gehen- den (gesteuerten) Bewusstseinsprozesses stellt die regelbasierte Koordination, auch vor dem Hin- tergrund ihrer Ziel- und Zeitfokussierung sowie dem daraus resultierenden Kosteneinsparpotenzial, jedoch eine durchaus ernst zu nehmende Option dar. Besonders deutlich wird dies im Zusammen- hang mit der Erlangung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen, wie an anderer Stelle (siehe Kapi- tel 4.6 ff.) ausführlich gezeigt werden wird. Letztlich ist die regelbasierte Koordination als eine mögliche Entwicklungsoption innerhalb beste- hender Kooperationen zu betrachten, die sich neben der verhandlungs- oder machtbasierten Koordi- nationsform entwickeln kann, aber nicht muss. Letzteres steht in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung von sozialen Systemen, welche immer auch mit der Schaffung und Nutzung von Ordnungstypen und Regelsystemen verknüpft ist. Die Anpassungsfähigkeit des Systems an seine Umwelt wird dadurch optimiert und dessen Überle- bensfähigkeit gesichert, wobei dieses wiederum von der dem System inhärenten Dynamik abhängig ist (vgl. Kapitel 3.2.3 ff.). 3.2.3.2.2.5 Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Koordinations- und Einflussmecha- nismen und der einer Kooperation inhärenten Dynamik Die eben vorgestellten Koordinationsmechanismen stellen letztlich verschiedene Typen von Regel- systemen dar, angefangen von solchen niederer Ordnung bis hin zu jenen höherer Ordnung, wie dies insbesondere bei der regelbasierten Koordination der Fall ist. In Abhängigkeit dieser innerhalb der Kooperation zur Anwendung gebrachten Einflussmechanismen lassen sich jetzt Aussagen dar- über treffen, ob die interorganisationale Zusammenarbeit als eher statisch oder dynamisch zu be- zeichnen ist. Dies richtet sich danach, ob eher distributive Entscheidungsprozesse, welche in der Regel sehr konfliktbeladen sowie eingeschränkt entwicklungsorientiert und somit im Hinblick auf eine systemverträgliche Unternehmensentwicklung meist kontraproduktiv sind, oder eher inte- grative Entscheidungsprozesse, welche das genaue Gegenteil verkörpern, zum Tragen kommen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, welchen großen Einfluss die Kooperationsausprägungen statisch vs. dynamisch in Bezug auf eine (Höher-) Entwicklung zwischenbetrieblicher Zusammen- arbeit haben. Im Gegensatz zu den Leistungsbeziehungen spielen bei den Koordinations- und Einflussbeziehun- gen bezüglich der Dynamik allerdings eher sozio-emotionale, sprich psychologische Elemente eine wesentliche Rolle. Das heißt, es geht weniger darum, alles schneller, effizienter und effektiver ab- zuwickeln, sondern eher darum, innerhalb der täglichen Zusammenarbeit zu einem "besseren Mit- einander" durch Verhaltensoptimierung zu kommen. Kennzeichen von dynamischen Elementen wäre somit die sukzessive Abkehr von kompetitiven Aktivitäten im Rahmen von Verhandlungen (Durchsetzung von Positionen um jeden Preis) zu Gunsten von integrativen Aktivitäten (suche nach fairem Deal oder fairem Kompromiss bis hin zum Konsens). Ist Letzteres während Verhandlungen und Absprachen bereits an der Tagesordnung, zeigt sich Dynamik darin, dass versucht wird, ein Mehr an regelbasierter Koordination statt direkter Verhandlung zu versuchen. Wie diese Beispiele zeigen, kann von einer dynamischen und wirklich entwicklungsorientierten Kooperation im Grunde nur dann die Rede sein, wenn insbesondere bei den zur Anwendung kom- menden Koordinationsmechanismen deutlich erkennbare integrative Elemente (beim Vollzug der 210 Entscheidungsprozesse, beim Abgleich der wechselseitigen Problemdefinitionen sowie der Interde- pendenz der Wahrnehmungsmuster) Bestandteil der Entscheidungsprozesse sind. Wohingegen Ko- operationen, bei denen distributive Elemente vorherrschen und es nicht zu einer erkennbaren (posi- tiven) Veränderung kommt bzw. diese auch nicht beabsichtigt ist, eher als statisch bzw. einge- schränkt entwicklungsorientiert bezeichnet werden können. Führt man sich zusätzlich vor Augen, dass jede auf Dynamik beruhende Entwicklungsorientierung eine wesentliche Grundbedingung zur Erschaffung dauerhafter Wettbewerbsvorteile ist, welche wiederum zusehends nur durch das Eingehen von Kooperationen zu erreichen sind (vgl. Kapitel 3.1.2 ff.), kann die dynamische Komponente bei Kooperationen für das langfristige systemverträg- liche Überleben der beteiligten sozialen Systeme eigentlich gar nicht hoch genug eingeschätzt wer- den. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die nachfolgend zu analysierenden Informations- und Wissens- beziehungen, wobei in gleicher Weise verdeutlicht wird, anhand welcher Stellparameter von eher statischen oder eher dynamischen Informations- und Wissensbeziehungen gesprochen werden kann bzw. was dies für Konsequenzen hinsichtlich der Kooperationsentwicklung nach sich zieht. 3.2.3.2.3 Statische und dynamische Ausprägungen in Bezug auf die interorganisationalen Informations- und Wissensbeziehungen Bezüglich der Informationsbeziehungen ist einleitend anzumerken, dass diese sich in einen eher technischen und in einen eher zwischenmenschlichen, psychologischen Teil aufsplitten. Ersterer basiert darauf, dass es gerade die neuen technischen Errungenschaften ermöglichen, Wis- sen preiswert und digital zu speichern und über Netze jederzeit für jeden verfügbar zu halten und somit einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen771. Diese Zusammenhänge wurden bereits einge- hend im zweiten Kapitel behandelt (siehe Kapitel 2.1 ff.) und werden daher an dieser Stelle nur noch am Rande Gegenstand der Betrachtung sein. Im Mittelpunkt steht im Folgenden der psycholo- gische Teil. Diesbezüglich geht es zunächst darum, die ungeheure Bedeutsamkeit von Wissen im Informations- zeitalter für jegliche Entwicklung eines Unternehmens herauszuarbeiten. Danach richtet sich der Blickpunkt auf den Aufbau der organisatorischen Wissensbasis sowie deren Erweiterung mit Hilfe von Kooperationen. Dabei werden erneut, in Anlehnung an die Vorgehensweise bei der Analyse der Koordinations- und Einflussbeziehungen, die meist im Hintergrund ablaufenden psychologischen Prozesse einer näheren Untersuchung unterzogen. Zu diesen zählen beispielsweise die Erzeugung von Wissen durch organisatorisches Lernen und interorganisationalen Wissenstransfer, der eng da- mit verbundene Prozess der Übertragung von explizitem und implizitem Wissen sowie die Generie- rung gemeinsamer Lern- und Wissensprozesse. Abschließend wird dann erneut der Frage nachgegangen, was es mit Statik bzw. Dynamik hinsicht- lich der Ausprägung der Informations- und Wissensbeziehungen auf sich hat. 771 vgl. Huly/Raake (1995), S. 246 ff. 211 3.2.3.2.3.1 Die Bedeutung von Information und Wissen für die Entwicklung eines Unterneh- mens Im Gegensatz zu den bereits erwähnten Leistungsbeziehungen, durch welche in der Regel mess- und zählbare Güter ausgetauscht werden, geht es bei den Informations- und Wissensbeziehung vor allem um den Austausch intangibler Ressourcen, nämlich Informationen und Wissen. Dabei bezeichnet man Information nach Wittmann als zweckbezogenes Wissen mit dem Ziel, wirt- schaftliches Handeln vorzubereiten772. Ähnlich argumentiert Braun, welcher Information allgemein als zweckgerichtetes Wissen über Zustände und Ereignisse bezeichnet, wobei bei fehlender Zweck- neigung von Daten gesprochen wird773. Lehner et al. haben demgegenüber einen mehrstufigen Informationsbegriff entwickelt. Auf der in- dividuellen, menschenbezogenen Ebene sind Informationen das Ergebnis der Interpretation einer Sinneswahrnehmung auf Basis des dem Individuum zugänglichen Wissens. Letzteres steuert wie- derum die Interpretation in Abhängigkeit des verfolgten Zwecks. Weiterhin lenkt Wissen als Wahr- nehmungsfilter die Aufmerksamkeit des Individuums auf jene Umweltreize, die vor dem Hinter- grund des aktuellen Kontextes als relevant angesehen werden774. Neben diesem individuellen Informationsbegriff gibt es einen zusätzlichen organisationalen Infor- mationsbegriff. Demnach kann man Informationen als jene Daten auffassen, die für die entspre- chende Organisation ausgewählt, gespeichert, geordnet und verfügbar gemacht werden775. So gesehen können Informationen als zielgerichtete Daten verstanden werden, die den Ausgangs- punkt für begründete Entscheidungen bilden776. Als Wissen bezeichnet man diesbezüglich das an die menschliche Existenz gebundene Ergebnis geistiger Aktivität, etwa in Form subjektiver Erfahrungen und Einsichten. Es wird durch Zusam- menfügen von Informationen auf der Basis von Bewertungen und Erfahrungen sowie der Einord- nung in höhere Zusammenhänge gebildet777. Des Weiteren unterscheidet Badaracco zwischen verankertem und wanderndem Wissen. Letzteres ist nicht an Gehirne gebunden, relativ leicht zugänglich und in hohem Maße beweglich, weil es z.B. in Printmedien oder digital verfügbar ist. Verankertes Wissen hingegen ist an Gehirne gebunden bzw. in komplexen sozialen Beziehungen enthalten und kann in der Regel nur sehr langsam über- tragen werden778. Darüber hinaus kann im Sinne von Kirsch noch zwischen explizitem und implizitem Wissen unter- schieden werden. Ersteres meint Wissen, was in Medien außerhalb menschlicher Gehirne gespei- chert ist, während Letzteres Wissen meint, das in menschlichen Gehirnen gespeichert ist779. Müller-Stewens/Osterloh sprechen in diesem Zusammenhang von implizitem Kontextwissen und explizitem Know-how780. Nonaka/Takeuchi unterscheiden zusätzlich zwei Dimensionen des impliziten Wissens. Einmal eine technische, wo es um Fähigkeiten und Fertigkeiten geht, die jemand im Laufe seines Lebens entwi- ckelt hat (Kernkompetenzen, Handlungs- und Umsetzungsfähigkeiten etc.) sowie zusätzlich eine kognitive Dimension, welche aus mentalen Modellen, Überzeugungen und Glaubenssätzen, Perzep- tionen u.ä. besteht. Diese ist letztlich dafür verantwortlich, dass der Einzelne seine Realität so sieht, wie er sie sieht781. 772 vgl. Wittmann (1980), S. 894 773 vgl. Braun (1999), S. 81 774 vgl. Lehner et al (1995), S. 260 f. 775 vgl. Lehner et al (1995), S. 260 f. 776 vgl. Schmidt, (1997), S. 106 777 vgl. Tsichritzis (1995), S. 106 778 vgl. Badaracco (1991), S. 22 779 vgl. Kirsch (1992), S. 316 780 vgl. Müller-Stevens/Osterloh (1996), S. 18 781 vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 8 212 Huly schließlich macht die treffende Feststellung, dass fundierte Entscheidungen nur mit ausrei- chendem Informationsstand getroffen werden können, und daher Wissen letztlich Macht impli- ziert782. Geht man infolge der Frage nach, welche Bedeutung Information und Wissen für ein soziales Sys- tem bzw. dessen Entwicklung hat, so lässt sich u.a. feststellen, dass die Grundlage jeder bewussten Entwicklung, jedes "Handelns einer Unternehmung", auf Annahmen über die Umwelt und den Wettbewerb der Zukunft basiert783. Hinter diesen Handlungen stehen Denkmodelle, die als erinnerte Handlungsprogramme bezeichnet werden können. Diesen Handlungsprogrammen wiederum liegen Wissen bzw. Ideen und Kenntnisse zu Grunde, die ihrerseits die Basis jeglichen bewussten (und un- bewussten) Handelns bilden. Bevor im Weiteren ausführlich auf diese Zusammenhänge eingegangen wird, bietet sich für ein bes- seres Verständnis zunächst an, auf einige grundsätzlich Erkenntnisse bezüglich der Entwicklung der organisationalen Wissensbasis sowie deren Erweiterung mit Hilfe von Kooperationen einzugehen. 3.2.3.2.3.2 Entwicklung und Aufbau der organisationalen Wissensbasis Jenes Wissen, was einer Organisation für dessen Entwicklung zur Verfügung steht, kommt in der organisationalen Wissensbasis zum Ausdruck. Diese umfasst im Sinne von Rombart alle Wissens- bestandteile, also Daten, Informationen, Wissen und Fähigkeiten, über die ein Unternehmen zur Lösung seiner vielfältigen Aufgaben verfügt784. Pautzke spricht in diesem Zusammenhang von Wissen, welches tatsächlich Eingang in die Entscheidungsprozesse und Handlungen der Organisa- tion gefunden hat bzw. welches für die Mitarbeiter einer Organisation prinzipiell erreichbar ist785. Zusätzlich hierzu führt Pautzke eine Unterscheidung zwischen der manifesten und der latenten Wis- sensbasis durch. Die manifeste Wissensbasis beinhaltet das gesamte individuelle Wissen der Mit- glieder eines Partialsystems, welches allen Mitgliedern zugänglich ist, wobei es sich letztlich um explizit verfügbares Wissen handelt. Die latente Wissensbasis hingegen enthält zusätzlich zu eben genanntem Wissen auch das individuelle Wissen, was den anderen Mitarbeitern nicht zugänglich ist (vgl. die obige Aussagen zum impliziten Wissen) sowie darüber hinaus Umweltwissen, welches allerdings nur als Metawissen dem Partialsystem zur Verfügung steht786. Vereinfacht kann man bezüglich der latenten Wissensbasis von der Summe des dem Unternehmen zur Verfügung stehen- den expliziten und impliziten Wissen sprechen. Bezüglich der Entstehung der Wissensbasis ist zu sagen, dass diese durch die einzelnen Organisati- onsmitglieder sowie, insbesondere was die manifeste Wissensbasis anbelangt, mit Hilfe von wech- selseitigen, synreferentiellen Hirnstrukturkopplungsprozessen im Unternehmen generiert bzw. kon- struiert wird787. Dieser Wahrnehmungs- und Konstruktionsprozess unterliegt natürlich wieder der operationalen Geschlossenheit und Strukturdeterminiertheit des sozialen Systems. Das heißt, was an Ideen generiert wird bzw. dann tatsächlich in die manifeste Wissensbasis ein- fließt, ist eine Frage der individuellen Wahrnehmung und Deutung der Organisationsmitglieder so- 782 vgl. Huly (1995), S. 246 ff. 783 vgl. Henderson (1993), S. 203 784 vgl. Rombardt (1997), S. 78 785 vgl. Pautzke (1989), S. 77 786 vgl. Pautzke (1989), S. 87 787 vgl. Maturana/Varela (1987), S. 263 ff.; hier spielen natürlich auch Fragen organisatorischen Lernens eine zentrale Rolle, diese werden aber aus Gründen der Übersichtlichkeit weiter unten im Zusammenhang mit der Entwicklung der organisationalen Wissensbasis behandelt, an dieser Stelle geht es um den reinen Wahrnehmungs- und Konstruk- tionsprozess und dessen Beschränkungen, Anmerkung fw 213 wie eine Frage der synreferentiellen Kopplungsprozesse, welche zusammen als "internal constraints" bezeichnet werden können788. Dieser Zusammenhang wird zur besseren Verdeutli- chung nachfolgend kurz erläutert. Mit Bezug auf die ”internal constraints” ist zunächst festzustellen, dass diese sich in erster Linie auf den unternehmenseigenen Wahrnehmungsprozess beziehen, der die Grenzen festlegt und somit va- rietätsbeschränkend wirkt. Die Beschränkung der Varietät wird dabei von zwei Umständen stark beeinflusst. Auf der einen Seite sind die "cognitive maps" bzw. inneren Landkarten789 der einzelnen Organisati- onsmitglieder, die nur sehen können, was sie zu sehen gelernt bzw. was gegenüber ihren Gehirnen anschlussfähig ist, anzumerken. In diesem Zusammenhang spricht Klimecki vom Prozess der Ein- klammerung als einem wesentlichen Gestaltungsmechanismus (der Mitarbeiter) im Unternehmen. Jener besagt, dass aus einer unendlichen Fülle von Informationen und Daten im Unternehmen be- stimmte Teile selektiert und andere ignoriert werden. Im Rahmen dieses Prozesses besteht bei Or- ganisationen (bzw. den Gehirnen der Akteure) die Tendenz, stets die Informationen zu suchen und herauszufiltern, die erste Ahnungen und Vermutungen, die auf frühere Schemata aufbauen, verstär- ken790. Auf der anderen Seite spielt aber die Prozessrealität bezüglich der synreferentiellen Kopplungspro- zesse eine gewichtige Rolle. Diese Synevolutionsprozesse sind für die Steuerung verantwortlich, welches dem Unternehmen zur Verfügung stehende Wissen tatsächlich in die manifeste Wissensba- sis oder "organizational map" einfließt und somit nicht nur allen Organisationsmitgliedern zugäng- lich ist, sondern auch die handlungsrelevante Wissensgrundlage des Unternehmens darstellt791. Anders ausgedrückt, auch noch so gute Ideen einzelner oder mehrerer Organisationsmitglieder nüt- zen im Grunde dem Unternehmen und damit seiner Entwicklung wenig, wenn sie nicht das "Ideen- stadium" verlassen und Eingang in die organisationale Wissensbasis (vgl. oben Pautzke) finden. Dadurch, dass diese zweite Selektion entscheidend dafür verantwortlich ist, potenziell handlungsre- levantes von nicht-handlungsrelevantem Wissen zu trennen, ist dieser Prozess für die Unterneh- mensentwicklung in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzen. Es sind demnach die synreferentiellen Kopplungsprozesse, die für eine zweite Selektion bzw. eine zweite Einschränkung (constraint) der unternehmensintern konstruierten Wirklichkeit nach der ei- gentlichen Wahrnehmung durch die Organisationsmitglieder sorgen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl die Produktion von Ideen als auch die Über- führung in die organisationale Wissensbasis letztlich einer Selbstorganisationsdynamik unterliegt, deren Grenzen und Entwicklungsmöglichkeiten zu großen Teilen durch das System selbst festgelegt werden792. Das heißt, in dem, was die Mitglieder eines sozialen Systems wahrnehmen und als eine Situation interpretieren, macht sich Gewohnheit geltend. Jene Denkgewohnheiten sind es, die zu Schranken der Wahrnehmung werden und zur Einförmigkeit von Denken und Handeln beitragen793. Hier spielt die Selbstbeschränkung als ein Aspekt der Selbstorganisation eine gewichtige Rolle. Diesbezüglich stellt Sprüngli fest, "so wie jedes evolvierende System mit seinem Wachstum die Bedingungen zu seiner eigenen Strukturüberwindung erzeugt, so ist auch in jedem lebenden System die Dynamik seiner Beschränkung und seines Untergangs inhärent"794. In gleicher Weise äußert sich Rüegg mit seiner Feststellung, dass die Evolution ein Wechselspiel zwischen der Wirksamkeit 788 vgl. Rüegg (1989), S. 55 789 vgl. Bougon/Weick/Brinkhorst (1977), S. 609 ff. sowie Sprenger (1995), S. 125 790 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 58 791 vgl. Bierfelder (1991), S.189 sowie Pautzke (1989), S.105 792 vgl. Sprüngli (1981), S. 306 793 vgl. Brodbeck (1996), S. 105 f. 794 vgl. Sprüngli (1981), S. 132 (hervorgehoben im Original) 214 von ”internal constraints” und dem natürlichen Driften der Organisation wegen autonomer, interner Eigendynamiken ist795. Nach diesen Ausführungen über die Entstehung der organisationalen Wissensbasis steht im Folgen- den die Bedeutung der Erweiterung der Wissensbasis mit Hilfe von Kooperationen im Mittelpunkt. 3.2.3.2.3.3 Die Bedeutung der Erweiterung der organisationalen Wissensbasis mit Hilfe von Kooperationen Grundsätzlich ist die Erweiterung bzw. Erneuerung der Wissensbasis für ein soziales System inso- fern von großer Bedeutung, weil durch dieses Wissen neue Handlungsoptionen erschlossen werden. Vor dem Hintergrund einer komplexen und dynamischen Umwelt, welche einen starken Anpas- sungsdruck erzeugt (vgl. Kapitel 2.5.1 ff.), ist dies für die Entwicklungs- und damit Überlebensfä- higkeit eines Unternehmens von großem Vorteil. Hierzu merkt Probst an, dass mit Hilfe des neu konstruierten (oder neu erworbenen) Wissens die Chance steigt, zu einer besseren Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens beizu- tragen796. Eine ähnliche Argumentation verfolgt Stetter, indem er anführt, dass Unternehmen durch neue kog- nitive Strukturen, neue Konstruktionen und neu verfügbares Wissen zumindest potenziell in die Lage versetzt werden, ihren natürlichen Beharrungstrieb zu überwinden, Veränderungen über die Zeit wahrzunehmen sowie auftretende Probleme innerhalb neuer paradigmatischer Grenzen zu lö- sen797. Blohowiak bringt in diesem Zusammenhang die Metapher eines Montagesatzes ins Spiel, der nur eine endliche Kombination von Teilen und damit eine begrenzte Anzahl an Montagemöglichkeiten offen lässt. Will das Unternehmen mehr Montagemöglichkeiten im Sinne von Referenzen haben, braucht es mehr Teile, hier verstanden im Sinne von Wissen und Ideen, die handlungsleitend sind. Genau diese bekommt das Unternehmen durch das Konstruieren neuer Kontexte, dem Aufbau neuer Bezugsrahmen sowie natürlich auch durch Wissenstransfers innerhalb von Kooperationen798. Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, dass der Wissenstransfer als einer der wichtigsten Gründe bzw. Motive für das Eingehen von Kooperationen angesehen wird799. Rupprecht-Däullary spricht diesbezüglich auch vom Produktionsfaktor Information (als Ausgangs- punkt für begründete Entscheidungen bzw. Grundbestandteil von Wissen), dessen Bedeutung in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat800. Dabei hat der Informationserwerb, sei es durch Akquisition, Konstruktion oder durch "Lernen vom Partner", nicht zuletzt bedingt durch die Inten- sivierung und Beschleunigung des Wettbewerbs, deutlich an Tragweite gewonnen801. Jansen entwickelt in diesem Zusammenhang die These, dass dem Wissen letztlich dieselbe Qualität eines interorganisationalen Steuerungsmediums wie den Preisen, der Konkurrenz oder den Anwei- sungen der Hierarchie im Konzernverbund zuzuweisen ist. Wobei insbesondere noch nicht marktfä- higes (implizites) Wissen eine wichtige Erklärung für das Aufkommen und die Stabilisierung von Kooperationen liefert802. 795 vgl. Rüegg (1989), S. 55 796 vgl. Probst (1987), S. 88 sowie Rüegg (1989), S. 358 797 vgl. Stetter (1994), S. 231 798 vgl. Blohowiak (1995), S. 228 799 vgl. Baumgarten (1998), S. 171 800 vgl. Rupprecht-Däullary 1994, S. 102 ff. 801 vgl. Hamel/Doz/Prahalad (1989), S. 134 802 vgl. Jansen (2000), S. 53 215 Der Wissenstransfer an sich ist das Produkt eines entsprechenden Übertragungsprozesses, welcher einen entscheidenden Einfluss darauf ausübt, was tatsächlich an Informationen übermittelt wird. Er steht im Folgenden im Blickpunkt der Betrachtung. 3.2.3.2.3.4 Der Prozess des interorganisationalen Wissenstransfers Hierbei handelt es sich wohlgemerkt nicht nur um die Übertragung von Wissen im definierten Sinn, sondern auch um Informationen oder schlichtweg Daten. Letztere werden dabei als nicht zweckge- richtete Informationen bezeichnet sowie, bei Zuordnung zu einem maschinellen Kontext, als Teil- menge der Informationen, die auf Grund der Form ihrer sprachlichen und materiellen Konsistenz eine Verarbeitung mittels elektronischer Verarbeitungsmedien ermöglichen803. Innerhalb des interorganisationalen Wissenstransfers auf der einen Seite sowie der tatsächlichen Erweiterung der jeweiligen Wissensbasis der an der Kooperation beteiligten Partialsysteme auf der anderen Seite (Internalisierung des Wissens) sind im Folgenden einige wesentliche Kernpunkte zu beachten. Bevor dies geschieht, ist es jedoch zunächst erforderlich, sich etwas intensiver mit dem so genann- ten organisatorischen Lernen auseinanderzusetzen, weil dieses in zentraler Weise für die Verände- rung und Fortentwicklung der organisationalen Wissensbasis und somit für die Entwicklung eines sozialen Systems als Ganzes verantwortlich ist. 3.2.3.2.3.4.1 Organisatorisches Lernen als wichtiger Bestandteil eines interorganisationalen Wissenstransfers und die wesentlichen Ausprägungsformen Die Bedeutung und Ziele des (organisatorischen) Lernens spielen für die Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens eine große Rolle. Probst/Büschel stellen diesbezüglich fest, dass es zur Bewäl- tigung der mannigfaltigen makroökonomischen Herausforderungen (vgl. Kapitel 2.5 ff. und 3.1.2 f.) erforderlich ist, im Unternehmen eine höhere Handlungskompetenz zu entwickeln. Für ein Unter- nehmen hat dies zur Folge, nach Wegen zu suchen, seine Handlungskompetenz zu verbessern sowie die Problemlösungsfähigkeit zu erhöhen. Aus diesem Grund nimmt das Lernen als der Prozess, sich auf neue Situationen für eine zukünftige Problembewältigung vorzubereiten, im Rahmen der Unter- nehmensentwicklung eine immer größere Bedeutung ein804. Istvan wiederum merkt bezüglich derselben Problematik an: "Wenn viele große Unternehmen ver- sagen, heißt das nicht, dass sie von Anfang an schlecht „gespielt“ haben: Sie haben es vielmehr ver- säumt, lern- und anpassungsfähig zu bleiben, während sich das Geschäft veränderte"805. Ferner macht Senge bezüglich des Lernens deutlich, dass sich ein Spitzenunternehmen der Zukunft dadurch auszeichnen wird, dass es weiß, auf welche Weise man Engagement und Lernpotenzial auf allen Ebenen einer Organisation erschließt806. Um diese zu verdeutlichen, bietet es sich an, den Gesamtprozess zwischenbetrieblichen Wissens- transfers nebst der Internalisierung in verschiedene Einzelprozesse zu zerlegen, je nachdem, ob es sich um die Übertragung und Internalisierung von explizitem, impliziten oder etwa der Generierung eines gemeinsamen Wissens- und Lernprozesses handelt. 803 vgl. Braun (1999), S. 81 sowie Piller (2000), S. 18 804 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 5 f. 805 vgl. Istvan (1993), S. 216 (hervorgehoben im Original) 806 vgl. Senge (1996), S. 12 216 Klimecki schließlich bringt zum Ausdruck, dass eine wirkliche Entwicklung im Unternehmen dann vorliegt, wenn eine Organisation über eine verbesserte Lern- und Wahrnehmungsfähigkeit verfügt sowie ein höheres Problemlösungspotenzial erreicht hat807. In Bezug auf die Ziele eines solchen organisationalen Lernprozesses bietet sich folgende Aufzäh- lung an808: x Im Wandel der Um- und Inweltbedingungen zielt ein evolutorisches organisationales Lernen auf eine effizienzsteigernde Verhaltensverbesserung von Systemen. x Das organisatorische Gedächtnis (die Wissensbasis der Organisation) bewahrt Erlerntes raum- zeitlich auf und gibt es bei Bedarf an die Systemmitglieder weiter. x Organisationales Lernen bildet das fundamentale Prinzip zur strategischen Veränderung des Problemverhaltens der Mitarbeiter eines Systems. Beim Lernen handelt es sich im Sinne von Kastner um eine absichtsgeleitete Verhaltensänderung auf Grund von Erfahrung809. Die Erfahrung wiederum ist von Wahrnehmungs- bzw. Reflexionsprozessen abhängig. Daraus lässt sich folgern, dass die Fähigkeit, wahrzunehmen, letztlich eine der grundlegenden Voraussetzungen für das Lernen darstellt. Diese Erkenntnis geht auf Piaget zurück, der gezeigt hat, dass für die kog- nitive Entwicklung des Menschen und somit auch für das Lernen eine Vorstellungsfähigkeit not- wendig ist, die es dem Menschen ermöglicht, gegenwärtige Wahrnehmungen mit vergangenen zu vergleichen. Hierdurch wird der Mensch in der Lage versetzt, solche Vergleiche in die Zukunft zu projizieren, und zwar in eine von seinem Erlebnisfluss unabhängige Zeit810. Das Ergebnis dieses "Lernprozesses" ist die Veränderung des verfügbaren Wissens, wobei Wissen "Lernerfolge konserviert"811. Hierdurch werden Gewohnheiten ("cognitive maps") ausgebildet, die es dem Menschen einerseits ersparen, ein Problem, jedes Mal wenn es auftritt, neu zu durchdenken, welche andererseits aber auch die Basis für die beschriebenen "internal constraints" bilden (vgl. hierzu nochmals die Aussagen zur Entstehung der Wissensbasis, Kapitel 3.2.3.2.3.2). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Funktionsweise von sozialen Systemen wird deutlich, dass die Lernfähigkeit des Unternehmens und damit auch seine Problemlösungs- und Entwicklungspotenziale im Grunde genommen eine Funktion der Erkenntnismöglichkeiten und kognitiven Kategorien sowie der Intelligenz und Erfahrung seiner Mitarbeiter ist812. Anders ausge- drückt, Lernfähigkeit ist immer an menschliches Handeln sowie an menschliche Wahrnehmung gebunden. Daher ist (institutionales) Lernen einzig und allein durch individuelle Kognitions- und Handlungsträger realisierbar. Lernen können demnach nur einzelne Menschen813. x Das Ergebnis von Prozessen organisatorischen Lernens ist wissensbasiertes Problemverhalten, wobei das Lernverhalten zeitlich durch den Perzeptions- und Präferenzspeicher der Vergangen- heit geprägt wird. Nach diesen Aussagen über die Wichtigkeit und Ziele des Lernens geht es in Folge um eine defini- torische Schärfung der Begriffe Lernen und organisatorisches Lernen. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, um etwaigen Missverständnissen in Bezug auf den häufig gebrauchten Terminus "ler- nende Organisation" vorzubeugen. 807 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 47 808 vgl. Bleicher (1996), S. 331-332 809 vgl. Kastner (1993), S. 4 810 vgl. Kastner (1993), S. 9 811 vgl. Pautzke (1989), S. 2 812 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 17 813 vgl. Rüegg (1989), S. 361 217 In gleicher Weise argumentiert Senge, indem er anmerkt, dass Organisationen nur lernen, wenn die einzelnen Organisationsmitglieder etwas lernen. Dieses individuelle Lernen ist zwar keine Garantie dafür, dass die Organisation etwas lernt, beispielsweise durch die Erweiterung der Wissensbasis (siehe folgende Aussagen zum organisatorischen Lernen), ohne individuelles Lernen gibt es jedoch generell keinen Lernfortschritt in Organisationen814. Kastner schließlich argumentiert in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Prozesse, die dem Lernen zu Grunde liegen, wie Verhaltensänderung, Informationsfilterung, Erfahrungsbewertung, Motive, Einstellungen etc. an die Existenz eines Nervensystems geknüpft sind. Eine Organisation hingegen hat weder bestimmte Einstellungen noch ist sie motiviert. Sie fühlt nicht, denkt nicht, hat kein Bewusstsein und nimmt auch nicht wahr, insofern lernt sie auch nicht815. Die Quintessenz aus dem Gesagten ist daher, dass es die lernende Organisation nicht gibt, sondern lediglich lernende Mitarbeiter. Organisatorisches Lernen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Organisationsmitglieder in Form von synreferentiellen Hirnkopplungsprozessen gemeinsame kognitive Strukturen entwickeln bzw. ähnliche Hirnbahnungsprozesse ablaufen lassen. Im Zuge dieses dauerhaften, gegenseitigen Anpassungsprozesses übernehmen die einzelnen Organisationsmitglieder fertige Erkenntnisse ande- rer sowie Vorurteile, Meinungen und Ursachenzuschreibungen und entwickeln gemeinsam neue "Wirklichkeiten"816. Diese haben allerdings die Möglichkeit, durch das so genannte organisatorische Lernen gemeinsa- me Lernprozesse und -programme durch kommunikative Interaktionen zu entwickeln und somit effektiver zu lernen, kollektiv ihre Lerneffekte zu bündeln, Synergien zu erzielen und in letzter Konsequenz die organisationale Wissensbasis zu erhöhen. Unter organisatorischem Lernen verstehen Probst und Büschel einen Prozess, der zur Erhöhung und Veränderung der organisatorischen Wissensbasis führt, die Problemlösungs- und Handlungs- kompetenz verbessert und den gemeinsamen Bezugsrahmen der Organisationsmitglieder verän- dert817. Hieraus folgt, dass individuelles Lernen zwar notwendig, nicht jedoch hinreichend für institutiona- les Lernen ist. Um Letzteres zu gewährleisten, müssen die individuell gewonnenen Einsichten auch anderen Handlungsträgern zugänglich gemacht bzw. durch Hirnstrukturkopplungsprozesse an- schlussfähig übermittelt werden818, was im Übrigen gleichermaßen auf intra- wie interorganisatio- nale Zusammenarbeit zutrifft, wie im Anschluss noch näher erläutert werden wird. Die entscheidende Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende wechselseitige, sprachliche Ver- ständigung, denn ohne eine synreferentielle Kommunikation (vgl. zur Synreferenz Kapitel 3.2.3.2.2.1) ist eine konsensuelle Verständigung über die durch die Individuen konstruierte Wirk- lichkeit sowie darauf aufbauendes Handeln nicht möglich. Synreferentielle Kommunikation kommt wiederum nur dann zu Stande, wenn die an dem Prozess beteiligten Individuen bereit sind, ihre in- dividuellen Konstruktionen der Wirklichkeit in kollektive Hirnkopplungsprozesse einzubringen und somit ihre individuelle Lebenswelt mit den anderen betreffenden Organisationsmitgliedern zu tei- len819. Individuelle Erfahrungszusammenhänge werden somit durch synreferentielle Kopplungsprozesse zu intersubjektiv konstruierten Wirklichkeiten und auf diese Weise kollektiv kommunizier- und verän- derbar. In diesem Prozess leisten die beteiligten Individuen ihren Beitrag durch individuelle Lern- 814 vgl. Senge (1996), S. 171 815 vgl. Kastner (1993), S. 4 816 vgl. Kastner (1993), S. 5 ff. 817 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 17 818 vgl. Jelinek, M (1979), S. 157 819 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 20 218 prozesse, was aber ohne eine interaktive Auseinandersetzung und anschließende Konsensfindung für die Organisation nutzlos ist820. Nach diesen Aussagen über Sinn und Zweck des organisatorischen Lernens, der dahinter liegenden Definition sowie der Abläufe und Voraussetzungen, die dieses innerhalb eines sozialen Systems erst ermöglichen, wird abschließend noch kurz auf die wichtigsten Formen des organisatorischen Ler- nens eingegangen, welche auch im Hinblick auf die darauf zu analysierenden Lernprozesse inner- halb von Kooperationen einen großen Einfluss ausüben. 3.2.3.2.3.4.1.1 Die einzelnen Formen des organisatorischen Lernens Mit Bezug auf mögliche unterschiedliche Lernformen lassen sich nach Probst/Büschel im Wesentli- chen drei verschiedene Ebenen unterscheiden821: Ɣ Anpassungslernen (single-loop learning bzw. Einfachschleifen-Lernen) Ɣ Veränderungslernen (double-loop learning bzw. Doppelschleifen-Lernen) Ɣ Prozess- oder Deutero-Lernen Beim Einfachschleifen-Lernen geht es darum, einen Fehler zu korrigieren, bereits vorhandenes Wissen neuen Mitgliedern nahezubringen oder einen Mitarbeiter des Unternehmens in die Lage zu versetzen, existierende Handlungsprogramme entsprechend umsetzen zu können, also bereits vor- handenes Wissen nutzbringend anzuwenden. Im Rahmen dieses Lernprozesses erfährt die Organisa- tion keinerlei Veränderung der organisatorischen Wissensbasis, wenn es der Fall ist, dass bereits im Unternehmen vorhandenes Wissen auf Dritte übertragen wird. Es erfolgt allerdings dann eine Ver- änderung der Wissensbasis, wenn das Wissen von einem anderen Unternehmen bzw. dessen Mitar- beiter auf das selbige übertragen wird. Beim Doppelschleifen-Lernen hingegen werden in der Organisation bestehende Regeln, Handlungs- programme oder Problemlösungskompetenzen gezielt hinterfragt, mit dem Ziel, neue Lösungswege aufzuzeigen und Bestehendes im Unternehmen, wenn nötig, zu verändern822. Dadurch kommt es in jedem Fall zu einer Erweiterung der Wissensbasis. Im Sinne von Dörner kann man beim Anpassungslernen auch von epistemischer Kompetenz spre- chen. Beim Veränderungslernen hingegen, bei dem durch Nachdenken oder Ausprobieren neue Lö- sungen gefunden werden sollen, ist von heuristischer Kompetenz die Rede823. Beim Deutero-Lernen schließlich wird angestrebt, das Lernen zu lernen. Diese Art des (Meta-) Ler- nens zeichnet sich zum Beispiel dadurch aus, dass über das Denken im Unternehmen nachgedacht wird oder man sich darum bemüht, die "cognitive and organizational maps" im Unternehmen zu hinterfragen824. Bezüglich des umfassenden Ziels der Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens fällt somit sofort ins Auge, dass insbesondere das Doppelschleifen- und Deutero-Lernen entscheidend zur langfristi- gen Entwicklungs- und Überlebensfähigkeit eines Unternehmens beiträgt. Das heißt, Wissen an sich bzw. ein einfaches Anpassungslernen reichen heute vielfach nicht mehr aus, den beschriebenen Herausforderungen gerecht zu werden. Vielmehr ist es die Fähigkeit des zweckmäßigen, marktori- 820 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 64 821 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 35 822 vgl. Kastner (1993), S. 3 823 vgl. Dörner zitiert aus Kastner (1990), S. 75 824 vgl. Kastner (1993), S. 3 219 entierten und raschen Erwerbs von Veränderungswissen, das sich zunehmend als ausschlaggeben- der Erfolgsfaktor erweist825. Obige Erkenntnisse mit Bezug auf organisatorisches Lernen werden im Folgenden auf die entspre- chenden Informations- und Wissensbeziehungen, wie sie üblicherweise zwischen kooperierenden Unternehmen bestehen, übertragen. Dabei wird der Gesamtprozess, wie oben bereits angedeutet, in drei Einzelprozesse (Übertragung und Internalisierung von explizitem und implizitem Wissen sowie Generierung eines gemeinsamen Lern- und Wissensprozesses) untergliedert, welche getrennt analy- siert werden. 3.2.3.2.3.4.2 Der Übertragungsprozess von explizitem Wissen Bei der interorganisationalen Übertragung von explizitem Wissen bzw. den zu Grunde liegenden Informationen und Daten fällt auf, dass es zumindest für den reinen Austausch von explizitem Wis- sen nicht unbedingt interorganisationaler, synreferentieller Kopplungsprozesse bedarf. Die Übertra- gung kann auch mittels der Speicherung in Medien, also außerhalb menschlicher Gehirne826, in elektronischer Form erfolgen, so z.B. über Datentransfers. An dieser Stelle wird insbesondere der technische Aspekt von Informationsbeziehungen deutlich. So ist gerade im Fall der elektronischen Übertragung von explizitem Wissen die Strukturierung der Informationen bzw. Daten sowie die unternehmensübergreifende Nutzung professioneller Speicher- , Übertragungs- und Weiterverarbeitungsmedien für alle Beteiligten besonders unter Zeitgesichts- punkten, aber auch ökonomischen Aspekten von großem Vorteil . 827 Ist die elektronische Übermittlung vollzogen, liegt das explizite Wissen als bloße Information bzw. Ansammlung von Daten bei dem empfangenden Unternehmen vor, ohne dass bereits ein Übergang in die (latente oder manifeste) Wissensbasis stattgefunden hat. Die Internalisierung des von außen herangetragenen Wissens ist davon abhängig, ob die Informati- onen von einem Organisationsmitglied zweckgebunden interpretiert werden können. Ist dies der Fall und hat der Mitarbeiter durch einen individuellen Lernprozess (single-loop-learning) sein Wis- sen verändert oder erweitert, so ist zumindest die latente Wissensbasis des Unternehmens erweitert worden. Soll zusätzlich auch ein organisatorischer Lernprozess erfolgen und somit auch die mani- feste, handlungsleitende Wissensbasis erweitert werden, sind synreferentielle Strukturkopplungs- prozesse zwischen dem bereits wissenden und anderen Mitarbeitern notwendig. Dabei handelt es sich auch in diesem Fall um ein Anpassungslernen, weil kein neues Wissen erzeugt wird. Vielmehr wird das von einem anderen Unternehmen generierte und auf das jeweilige Unternehmen übermit- telte Wissen „lediglich“ durch Strukturkopplungsprozesse auf andere Mitglieder des Unternehmens übertragen. Ein ähnlicher Prozess läuft ab, wenn die Übermittlung des Wissens nicht elektronisch, sondern auf direktem Weg erfolgt. Hierbei treten die beteiligten Partialsysteme mittels synreferentieller Kopp- lungen miteinander in Verbindung, wodurch es zu einem Transfer des expliziten Wissens kommt. An dieser Stelle ist auf eine wichtige Einschränkung hinzuweisen. Auf Grund der biologischen Funktionsweise von sozialen Systemen, geprägt durch die Inkommensurabilität der jeweiligen Le- bens- und Sprachformen, ist ein reiner Wissenstransfer im wörtlichen Sinne gar nicht möglich, da (auch von außen herangetragenes) Wissen letztlich immer auf der Basis der eigenen Lebenswelt beurteilt und somit umkontextuiert wird. Daher müsste korrekterweise bei jedem Wissenstransfer auch gleichzeitig von Wissensentstehung gesprochen werden, weil es sich spätestens bei der Veran- 825 vgl. Philips (1982), S. 128 ff. 826 siehe zur Erläuterung explizites/implizites Wissen Kapitel 3.2.3.2.3.1 827 vgl. Klink (1999), S. 129 ff. 220 kerung in der Wissensbasis des empfangenen Unternehmens streng genommen nicht mehr um das- selbe Wissen handelt . Dieser Zusammenhang wird bei genauer Betrachtung der einzelnen Wis- senskopplungsformen im Rahmen der Übertragung von explizitem Wissen besonders deutlich. 828 So lassen sich nach Nonaka/Takeuchi diesbezüglich zwei Formen des Wissenstransfers unterschei- den, zum einen die Übertragung von explizitem Wissen, welches bei dem empfangenden Unter- nehmen ebenfalls zu explizitem Wissen wird und zum anderen die Übertragung von explizitem Wissen, was in der anderen Organisation zu implizitem Wissen wird . 829 Ersteres lässt sich als reiner Know-how-Transfer bezeichnen, bei dem die Übertragung in der oben geschilderten Form vonstatten geht, also entweder persönlich oder elektronisch, wobei das Wissen mehr oder weniger unverändert in die Wissensbasis des empfangenden Unternehmens überführt wird. In diesem Fall kann noch am ehesten von einem Wissenstransfer im wörtlichen Sinn gespro- chen werden. Hiervon kann hingegen bei der zweiten erwähnten Möglichkeit, der Überführung von explizitem zu implizitem Wissen in der informierten Organisation, nicht mehr die Rede sein. Dies ist damit zu be- gründen, dass zwar die reine Übertragung des Wissens in der erwähnten Form stattfindet, allerdings das Know-how bei dem jeweiligen Partner (auf der Grundlage der eigenen Lebenswelt) weiterent- wickelt bzw. an die spezifischen Bedürfnisse angepasst wird. In diesem Zusammenhang kann dann auch nicht mehr von einem Anpassungslernen gesprochen werden, sondern es ist auf Seiten der empfangenden Organisation von einem Veränderungslernen die Rede (double-loop-learning). Weiterhin ist in Bezug auf die Übertragung von explizitem Wissen noch ein weiterer Aspekt von Bedeutung, welcher in engem Zusammenhang mit den analysierten Koordinationsmechanismen steht. So ist die empfangende Organisation bei der Internalisierung von explizitem Wissen nicht unbe- dingt auf die direkte Mitarbeit der gebenden Organisation angewiesen, sondern "lediglich" auf er- folgreiche, synreferentielle Kopplungen innerhalb des eigenen Unternehmens, unter der Vorausset- zung, dass das Wissen elektronisch verfügbar ist. Dieses hat den augenscheinlichen Vorteil, insbe- sondere bei der Internalisierung des Wissens nicht auf die Befindlichkeiten des Gegenüber (aus dem anderen Partialsystem) Rücksicht nehmen zu müssen bzw. auf dessen Bereitschaft, seine individuel- len Konstruktionen der Wirklichkeit in kollektive Hirnkopplungsprozesse einzubringen und somit sein Wissen zu teilen. Genau Letzteres ist allerdings zwingende Notwendigkeit, wenn der Austausch der Informationen nicht elektronisch, sondern in direkter persönlicher Form erfolgt. Hierfür ist insbesondere die Be- reitschaft des Informierenden, sich aktiv und dialogorientiert an den jeweiligen synreferentiellen, interorganisationalen Kopplungsprozessen zu beteiligen, von enormer Wichtigkeit. Geschieht dies nicht oder gibt der Informierende nur widerwillig und zudem unvollständige Informationen preis, ist die Erweiterung der manifesten Wissensbasis des informierten Unternehmens zwar weiterhin zumindest teilweise möglich, allerdings längst nicht in dem Umfang, wie es bei voller Kooperation des anderen möglich gewesen wäre. Diese im direkten Kontakt zwischen zwei Organisationen notwendige Bereitschaft, an synreferen- tiellen und konsensuellen Strukturkopplungsprozessen teilzuhaben, ist wiederum in starkem Maße davon abhängig, ob die bereits angesprochenen interorganisationalen Koordinationsprozesse eher integrativ oder distributiv verlaufen. Diesbezüglich ist davon auszugehen, je integrativer die Koor- dinations- und Entscheidungsprozesse ablaufen, desto mehr steigt auch die Bereitschaft der einzel- nen Mitarbeiter der Partialsysteme, sich wirklich in die erforderlichen synreferentiellen Kopplungs- prozesse einzubringen. Umgekehrt ist kaum zu erwarten, dass bei stark macht- und/oder politikzent- rierten Koordinationsmechanismen, wo ein Partialsystem seine Interessen auf Kosten des anderen Partialsystems durchzusetzen versucht, eine hohe gegenseitige Offenheit und Bereitwilligkeit vor- 828 vgl. Baumgarten (1998), S. 180 f. 829 vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 62 221 herrscht, sein jeweiliges Wissen mit dem Gegenüber zu teilen und womöglich zu vertiefen bzw. auszubauen. 3.2.3.2.3.4.3 Der Übertragungsprozess von implizitem Wissen Besonders augenscheinlich wird obiger Kontext bei der interorganisationalen Übermittlung von implizitem Wissen als zweiter zu untersuchender Wissensübermittlungsart. Auf Grund der obigen Erkenntnis, dass implizites Wissen unmittelbar an menschliche Gehirne ge- koppelt und gerade nicht auf einem externen Speichermedium allen Organisationsmitgliedern ver- fügbar ist, bedeutet dies für die von dem Wissen profitierende Organisation, dass es ohne eine akti- ve Mitarbeit der jeweiligen Wissensträger zu keiner Wissensübertragung kommt. Das heißt, die persönliche und freiwillige interorganisationale Kommunikation bzw. das Eintreten in synreferen- tielle Hirn-strukturkopplungsprozesse spielt eine überragende Rolle. Ruft man sich vor diesem Hin- tergrund nochmals die Aussagen im Zusammenhang mit der interorganisationalen Entscheidungs- findung bzw. den Koordinations- und Einflussbeziehungen in Erinnerung, so ist hieraus eindeutig abzuleiten, dass die Übertragung von implizitem Wissen um so fruchtbarer und intensiver ist, je mehr integrative statt distributive Elemente bei dem wechselseitigen (täglichen) Miteinander zur Anwendung kommen. Das bedeutet, dass die Nutzung möglichst vieler integrativer Elemente wie konsens- und erkennt- nisorientierte Aktivitäten (Überzeugung, fairer Kompromiss etc., siehe Kapitel 3.2.3.2.2.3) bei der gemeinsamen Entscheidungsfindung von herausragender Bedeutung ist. Wichtig ist ebenfalls die aktive Auseinandersetzung mit den eigenen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmustern und denjenigen der beteiligten Partialsysteme, gerade beim "Transfer" von implizitem Wissen. Die Art des Wissenstransfers bei implizitem Wissen kommt durch folgende zwei Möglichkeiten zum Ausdruck. Einmal ist die Überführung von implizitem zu explizitem Wissen in der empfangenden Organisati- on anzusprechen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn vom gebenden Unternehmen, im Rahmen von synreferentiellen Kopplungsprozessen, eigene Kernkompetenzen oder besondere Fähigkeiten übermittelt werden, die dann im empfangenden Unternehmen innerhalb eigener Kopplungsprozesse und vor dem Hintergrund der eigenen Lebenswelt rekonstruiert werden. Innerhalb dieser Reflexi- onsprozesse kommt es damit zumindest teilweise zur Überführung von implizitem in explizites Wissen. Andererseits geht es um die Überführung von implizitem zu implizitem Wissen. Nonaka/Takeuchi bezeichnen diese Form der Wissensübermittlung auch als Sozialisation, welche sich u.a. dadurch auszeichnet, dass neben den technischen Dimensionen des impliziten Wissens auch ein Teil der dahinter liegenden Lebens- und Sprachwelt innerhalb der gegenseitigen "Soziali- sierungsprozesse" transparent gemacht, ausgetauscht und vom empfangenden Unternehmen interna- lisiert wird. Das heißt, Letzteres "taucht ein Stück weit" in die Lebens- und Sprachwelt des anderen Unternehmens ein, macht sich also des Kontextes bewusst und internalisiert ein Teil von diesem . 830 Dieser intensive gemeinschaftliche Prozess des Veränderungslernens erfordert natürlich von allen Beteiligten ein sehr hohes Maß an Integrationsbereitschaft. Diese äußert sich dadurch, dass man sich nicht nur mit den jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Stichwort Kernkompetenzen), die es zu übermitteln gilt, auseinandersetzt, sondern darüber hinaus auch deren Entwicklungsgeschichte, verbunden mit oft zahllosen spezifischen Details, wie implizite Erfolgsfaktoren und besondere Kon- textbedingungen, zur Sprache kommt. 830 vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 62 222 Dass ein solches Vorgehen bei jedem eher kompetitiv und/oder machtorientiert ausgerichtetem Mit- einander absolut undenkbar ist, sei hier nur am Rande erwähnt. 3.2.3.2.3.4.4 Die Generierung gemeinsamer Lern- und Wissensprozesse Ein hohes Maß an interorganisationaler Integrationsfähigkeit ist ebenfalls für die höchste Stufe der Informations- und Wissensbeziehungen erforderlich, nämlich die Generierung gemeinsamer Lern- und Wissensprozesse. Ging es bisher im Wesentlichen um die Übertragung von Wissen, dessen Grundlagen in der Regel von dem übertragenden Unternehmen erarbeitet wurden und welche dann in der einen oder anderen Form von der empfangenden Organisation weiterverarbeitet bzw. -entwickelt werden, liegt der Fo- kus jetzt auf der Etablierung einer gemeinsamen Wissens- bzw. Lerngemeinschaft. Diese setzt auf dem bisherigen Stand des Wissenstransfers auf und versucht auf dieser Grundlage bewusst eine gemeinsame Wissensbasis zu definieren und zu entwickeln. Im Rahmen dieses Pro- zesses geht es nicht nur darum, die gemeinsame Wissensbasis beständig zu erweitern bzw. zu ver- ändern und von dort aus wiederum Rückschlüsse für die jeweils eigenen Wissensbasen zu ziehen. Vielmehr sind, in Erweiterung dessen, was bereits im Rahmen der Überführung von implizitem zu implizitem Wissen gesagt wurde, die jeweiligen Kontexte, die zur Generierung des Wissens geführt haben, gemeinsam gezielt zu hinterfragen und ggf. zu verändern bzw. zu verbessern. Hierbei wird nicht „nur" gemeinschaftlich gelernt bzw. Wissen generiert, sondern ebenso werden bestehende Lern- und Wissensstrukturen und die dahinter stehenden Kontexte hinterfragt. Hierbei handelt es sich um das erwähnte Deutero-Lernen als höchste Form des Lernens. Ziel dessen ist beispielsweise die "gemeinschaftliche Entdeckung" von "internal constraints" (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3.2) wie etwa "core beliefs and assumptions"831, welche wegen der vergangenen Sozialisierungsprozesse dafür verantwortlich sind, dass das jeweilige Unternehmen interne Gegebenheiten und die Umwelt so wahrnimmt, wie es sie wahrnimmt, und welche zugleich Sinnbild für die eigene "Beschränktheit" sind832. Des Weiteren ist auch denkbar, den "ongoing process of collaborative exchange"833 in seiner Ge- samtheit einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Hierbei könnte dann gezielt hinterfragt werden, inwieweit im täglichen Miteinander tatsächlich auf integrative Entscheidungsfindungsprozesse im Rahmen der gemeinsamen Lösungsfindung zurückgegriffen wird bzw. inwiefern eventuelle Infor- mationspathologien, seien sie struktureller, doktrinbedingter oder psychologischer Art, genau dieses verhindern834. Bei strukturellen Informationspathologien handelt es sich um Aspekte der Hierarchie, wobei be- stimmte (implizite) Informationen, die an einer Stelle zentralisiert vorliegen, von dem entsprechen- den Handlungsträger nicht oder nur verzerrt weitergegeben werden. Von doktrinbedingten Informa- tionspathologien spricht man, wenn es bestimmte Realitätsdoktrinen in Form von Parolen, Slogans oder Stereotypen gibt, die (meist unhinterfragte) Annahmen über die systemimmanente Wirklich- keit enthalten und Handlungen bzw. Entscheidungen entsprechend steuern. Psychologische Infor- mationspathologien schließlich stehen in engem Zusammenhang mit der beschränkten Informati- onsverarbeitungskapazität der Individuen und führen beispielsweise dazu, dass jegliche Informatio- nen, die sich kritisch mit bestimmten Entscheidungen oder deren Entstehungsgeschichte auseinan- dersetzen, bewusst ausgeblendet bzw. unterdrückt werden835. 831 vgl. Pautzke (1989), S. 105 832 vgl. Stetter (1994), S. 230 833 vgl. Hamel (1991), S. 100 f. 834 vgl. Pautzke (1989), S. 145 835 vgl. Pautzke (1989), S. 145 f. 223 Auf der Basis dieses Bewusstseinsprozesses können dann gezielt, sei es gemeinschaftlich oder indi- viduell, entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, die bezüglich der herausgearbeiteten Defizi- te für Abhilfe sorgen und somit in einem nicht zu unterschätzenden Ausmaß zur (systemverträgli- chen) Entwicklung der betreffenden sozialen Systeme beitragen. Abschließend bleibt anzumerken, dass die Etablierung solcher Wissens- und Lernprozesse unab- hängig von den anderen beiden Wissensübertragungsformen geschehen kann. Das heißt, es muss nicht unbedingt zu einer komplexen und teilweise hoch komplizierten Übertragung von implizitem Wissen kommen, ehe überhaupt daran gedacht wird, eine Lerngemeinschaft ins Leben zu rufen. Dies ist im Grunde zu jedem Zeitpunkt der bestehenden Beziehung möglich. Entscheidend hierfür ist allerdings, dass auf Seiten der Beteiligten die Bereitschaft vorhanden ist, sich wirklich mit den angerissenen Fragestellungen auseinandersetzen zu wollen, was wiederum eine Frage der Erkennt- nis sowie der jeweiligen Situation und Umstände ist, in welcher sich die Kooperation gerade befin- det. So dürfte auch hier ein kompetitiv und machtpolitisch geprägtes Kooperationsverhältnis eher kontraproduktiv sein. Sollten hingegen zumindest ansatzweise integrative Elemente in Richtung des Aufbaus einer gemeinsamen Zukunft erkennbar sein, kann die Verwirklichung einer Lerngemein- schaft ein ideales Instrument sein, die Kooperation dynamisch voranzutreiben, anstatt im Status quo zu verharren. Letztlich lässt sich also auch bei den Informations- und insbesondere Wissensbeziehungen erken- nen, dass die Verwirklichung einer integrativen Zusammenarbeit deutlich mehr Chancen in Rich- tung Erkenntnis und damit Entwicklungspotenzial in sich birgt, als dies beim Vorherrschen von kompetitiven Elementen der Fall ist. 3.2.3.2.3.5 Statische und dynamische Elemente bezüglich der Wissenstransferprozesse Bezüglich der Kooperationsausprägung statisch vs. dynamisch lässt sich auf Basis der obigen Aus- sagen zweifelsfrei ableiten, dass hinter den analysierten interorganisationalen Informations- und Wissensbeziehungen ein hohes Maß an logisch-technischem, aber vor allem auch sozio-emotiona- lem bzw. psychologischem Dynamisierungspotenzial verborgen liegt. Dies lässt sich hervorragend in Richtung Aufbau und Verteidigung von (langfristigen) Wettbewerbsvorteilen nutzen. So sind beispielsweise die technisch geprägten Informationsbeziehungen abhängig von der Struktu- rierung und Zugänglichkeit der Informationen, dem Grad der Vernetztheit zwischen den Partialsys- temen, der Nutzung professioneller Speicher-, Übertragungs- und Weiterverarbeitungsmedien sowie einer entsprechenden Aufbereitung und Pflege der Daten bzw. Informationen836. Hinter all diesen Aspekten stecken mannigfaltige Möglichkeiten einer Dynamisierung. Ähnlich wie bei den Leis- tungsbeziehungen geht es dabei in erster Linie um die logisch-technische Verbesserung des Beste- henden. Dynamik zeigt sich also beispielsweise darin, ob die Systeme in der Lage sind, Informatio- nen schneller, zu günstigeren Kosten sowie mit einer höheren Reichhaltigkeit (die vom Benutzer definierte Qualität der Informationen) und/oder Reichweite837 (Anzahl der Personen, die an den Informationen teilhaben) usw. (vgl. auch Kapitel 2.5.1.4) bereitzustellen. Dynamik bezeichnet dies- bezüglich letztendlich einen Parameter, an dem man erkennen kann, ob es der Kooperation dauer- haft gelingt, die vorwiegend logisch-technischen Abläufe zu verbessern. Bei den Wissensbeziehungen wiederum hat die psychologische Komponente ein deutliches Über- gewicht. Ähnlich wie bei den Koordinations- und Einflussbeziehungen steht die zwischenmenschli- 836 vgl. Braun (1999), S. 82 837 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 31 224 che Zusammenarbeit im Vordergrund, wobei eine dynamische Wissensbeziehung nicht nur die Ü- bermittlung und Genese von implizitem Wissen beinhaltet, sondern auch ansatzweise das Vorhan- densein einer Lerngemeinschaft umfasst. Auf die hierfür erforderlichen Voraussetzungen bezüglich der Koordinationsbeziehungen, sprich das Vorliegen von integrativen Entscheidungsprozessen, wurde bereits oben eingegangen. Somit lässt sich erneut die Schlussfolgerung ziehen, dass ohne eine Integration von Wissenselemen- ten höherer Ordnung, wie das Veränderungs- und das Deutero-Lernen, nicht von einer dynamischen und entwicklungsorientierten Kooperation gesprochen werden kann. Ein reiner Austausch von ex- plizitem Wissen hingegen verkörpert im krassen Gegensatz dazu schon fast sinnbildlich das Gefüge einer statischen, auf den Status quo bedachten Kooperation. Darüber hinaus sind diese Erkenntnisse auch in einem anderen Zusammenhang von großem Interes- se. Wie bereits eingangs erwähnt, entwickeln sich zwischenbetriebliche Leistungsbeziehungen (wie auch die Informationsbeziehungen) nie aus sich selbst heraus, sondern sind in erster Linie Ergebnis besagter Koordinations- und Wissensbeziehungen. Die Leistungsbeziehungen sind gewissermaßen die "sichtbar gewordene Form" der Koordinations- und Einflussbeziehungen auf der einen Seite sowie der Informations- und Wissensbeziehungen auf der anderen Seite. Dies lässt den Schluss zu, je dynamischer diese Beziehungen beschaffen sind (Übertragung und Generierung von implizitem Wissen, Etablierung einer Lerngemeinschaft sowie Erarbeitung von Lösungen auf der Basis integrativer Entscheidungsprozesse), desto größer ist auch die Chance bzw. Wahrscheinlichkeit, dass sich auch die Input-/Outputverflechtungen zwischen den Kooperationsunternehmen in ähnlicher Weise entwickeln. Von einer vollends dynamischen Kooperationsbeziehung ist somit dann die Rede, wenn sich auf Basis von hoch integrativen Entscheidungsprozessen sowie begleitenden Lern- und Wissensprozes- sen innerhalb der Kooperation eine Eigendynamik entwickelt, die einen selbsttragenden Entwick- lungsprozess in Richtung der Generierung und Umsetzung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen (begleitet von einer permanenten Verbesserung der Leistungs- und Informationsbeziehungen) nach sich zieht. Hiermit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich auch bei Kooperationen um dy- namische Gebilde handelt, die internen und externen Veränderungen ausgesetzt sind, was sich im Wesentlichen auf zwei Problemkreise bezieht. Einmal erfordern die ständigen Marktveränderungen und Technologiesprünge ständig neue Impulse und Anpassungen seitens der Kooperationen, ande- rerseits ziehen veränderte Ziele, Interessen und Erwartungen der Partialsysteme ständige Entwick- lungsbemühungen nach sich838. Jenes wird mittels der Ausprägung einer dynamischen Kooperation im obigen Sinn umfassend berücksichtigt. An dieser Stelle wird nochmals sehr deutlich, wie ungeheuer wichtig gerade psychologische Ele- mente als Grundsteine einer vertrauensvollen und entwicklungsorientierten Zusammenarbeit sowie beim Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile innerhalb von Kooperationen sind. Umgekehrt ist anzunehmen, dass distributive Entscheidungsprozesse, verbunden mit einer weit we- niger impliziten Wissensgenese und schon gar keiner Etablierung einer Lerngemeinschaft, eher da- zu führen, dass sich die Leistungsbeziehungen vor allem inkremental im Sinne eines evolutionären „piecemeal change“ entwickeln839. Das Resultat dessen ist eine einseitige Konzentration auf opera- tionale Verbesserungen, mit der damit verbundenen Konsequenz einer lediglich kurzfristigen Auf- rechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Dementsprechend kann die Ausprägung einer solchen Kooperation nur als statisch bezeichnet werden. 838 vgl. Braun (1999), S. 66 f. 839 vgl. Pümpin (1991), S. 79 225 3.2.3.2.4 Die Ausprägung einer bedingt dynamischen Kooperationsbeziehung als weitere Konsequenz der bisherigen Analysen Bei näherer Betrachtung der bisherigen Ergebnisse dieses Abschnitts fällt auf, dass in der Regel ent- weder von einer statischen oder einer dynamischen Ausprägung der jeweiligen Beziehungsebene die Rede war. Diesbezüglich darf allerdings nicht übersehen werden, dass es sich hierbei im Grunde um zwei Extrempunkte in einem Kontinuum handelt, und somit neben diesen beiden Ausprägungs- formen der einzelnen Beziehungsebenen noch eine dritte anzuführen ist, die sich als bedingt dyna- misch bezeichnen lässt. Von einer bedingt dynamischen Kooperation kann dann gesprochen werden, wenn sich innerhalb der Kooperationsbeziehung die dynamischen Elemente einseitig oder überwiegend auf logisch- analytische Aspekte beziehen bzw. im Bemühen um ein möglichst integratives Miteinander "auf halber Strecke Halt gemacht wird", ohne dass es zu einer Vertiefung der einzelnen Beziehungsebe- nen in oben analysiertem Sinn kommt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn einerseits im Rahmen der Entscheidungsfindung ver- sucht wird, "aus Vernunftsgründen" den fairen Kompromiss oder fairen Deal zu finden, hingegen nur unzureichend auf die gegenseitigen Problemdefinitionen bzw. Wahrnehmungsmuster eingegan- gen wird. Dieselbe Situation liegt vor, wenn die interorganisationale Übermittlung und Generierung von implizitem Wissen gelingt, jedoch bewusst oder unbewusst darauf verzichtet wird, eine Lern- gemeinschaft ins Leben zu rufen. Durch ein solches Vorgehen werden weder bestehende Entscheidungsmuster hinterfragt noch exis- tierende Informationspathologien aufgedeckt. Hält man sich zusätzlich vor Augen, dass im Rahmen von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen gerade die psychologische Komponente "chro- nisch" unterrepräsentiert ist, sind die Folgen einer einseitigen Orientierung an den aus der Vergan- genheit stammenden logischen Mustern nicht verwunderlich840. Ergebnis dessen ist dann vielfach, dass es versäumt wird, einen selbsttragenden interorganisationa- len Entwicklungsprozess in Gang zu setzen und darüber hinaus die Gefahr besteht, dass es lediglich auf der logisch-analytischen Ebene, etwa bei den Leistungs- und Informationsbeziehungen, zu Fort- schritten kommt. Diese schlagen sich zudem oft genug nur in der Verbesserung der operationalen Effizienz nieder, welche für das kurzfristige Überleben zwar notwendig, aber hinsichtlich des Auf- baus von langfristigen Wettbewerbsvorteilen mitnichten hinreichend ist (vgl. diesbezüglich noch- mals Kapitel 3.1.3.2 sowie im Weiteren Kapitel 4.5 ff.). Ruft man sich in diesem Zusammenhang nochmals die oben analysierten kooperativen Ausprä- gungsformen strategisch vs. operativ ins Gedächtnis, so lässt sich zumindest näherungsweise ablei- ten, dass sich eine eher operativ ausgerichtete Kooperation tendenziell im Spannungsfeld zwischen statisch und bedingt dynamisch bewegt, was den Grad der Dynamisierung auf den einzelnen inte- rorganisationalen Beziehungsebenen angeht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es dur- chaus auch bei operativen Kooperationen zu einer umfassenden dynamischen Ausprägung der ein- zelnen Beziehungsebenen zum Tragen kommen kann (vgl. Kapitel 4.3 ff.). Handelt es sich hingegen um eine strategisch ausgerichtete Kooperation, deren Fokus eindeutig auf der Genese und Etablierung langfristiger Wettbewerbsvorteile liegt (vgl. Kapitel 3.1.3), so ist es in diesem Fall nahezu zwingend erforderlich, dass die Kooperation im Spannungsfeld zwischen be- dingt bis umfassend dynamisch ausgerichteten interorganisationalen Beziehungsebenen operiert. Ist dies nicht oder nur sehr eingeschränkt der Fall, ist die Erreichung der strategischen Ziele akut ge- fährdet, wenn nicht unmöglich (siehe hierzu vertiefend Kapitel 4.6 ff.). 840 vgl. Kastner (1995) 226 3.2.4 Die notwendigen Voraussetzungen auf der Verhaltensebene zur Umsetzung der Dy- namiken bei den Koordinations- und Wissensbeziehungen Nach diesen ausführlichen Analysen bezüglich der Ausprägungsmöglichkeiten der Koordinations- und Wissensbeziehungen innerhalb von Kooperationen bzw. dem damit verbundenen Aufzeigen der Dynamisierungspotenziale geht es zum Abschluss des Kapitels darum, die hierfür erforderlichen Verhaltensgrundlagen einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Auf diese Weise soll ein Stück weit Transparenz dahingehend geschaffen werden, dass beispiels- weise der Rückgriff auf integrative Entscheidungsprozesse oder aber die Umsetzung einer Lernge- meinschaft nicht ohne weiteres allein kraft der Erkenntnis der Notwendigkeit zu vollziehen ist, son- dern in direkter Abhängigkeit von entsprechenden Verhaltensgrundlagen steht. Hierin kommt er- neut zum Ausdruck, dass sich ein soziales System eben nicht "auf Knopfdruck" von a nach b be- wegt, sondern in der Regel vielfältige Wechselwirkungen beim Zusammenspiel zwischen einem gewünschten Ergebnis (z.B. ein integrativer Vollzug der interorganisationalen Entscheidungspro- zesse) und dem dazugehörigen Verhalten zu berücksichtigen sind (siehe Kapitel 2.4.2 ff.). 3.2.4.1 Vertrauen als eines der Grundelemente zur Implementierung von Koordinations- und Wissensbeziehungen höherer Ordnung Vertrauen wird sehr oft im Zusammenhang mit der Entstehung, der Stabilität sowie der Entwick- lung von Kooperationsbeziehungen angeführt. So nennt Tröndle bezüglich der Dimensionen, die für die Ausgestaltung eines Kooperationsklimas von Bedeutung sind: Autonomie, Symmetrie, Harmo- nie, Innovation, Zielorientierung und Vertrauen841. Ähnlich äußern sich Evans/Wurster, sie bezeichnen bestimmte managementorientierte Verhaltens- weisen als wesentlich für den Zusammenhalt von Allianzen, wobei diese von drei Faktoren domi- niert werden: Fließende Übergänge, flache Strukturen und Vertrauen842. Kaufmann wiederum merkt in Bezug auf die Bedeutung von Kooperationsproblemen an, dass die Einschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Partnerunternehmens und das Vertrauens- bildungsproblem andere Problemstellungen deutlich übertreffen843. Schmidt schließlich erwähnt, dass im Rahmen von Kooperationen eine erfolgreiche Zusammenar- beit ohne gegenseitiges Vertrauen kaum denkbar ist. Vertrauen ist dabei schon deshalb so wichtig, weil die einzelnen Kooperationsunternehmen allein durch ihre Kooperationsentscheidung zu einem gewissen Grad voneinander abhängig sind844 (vgl. auch Aussagen zur wechselseitigen Ziel-/ Mittel- verflechtung Kapitel 3.1.1.3). Nach diesen einleitenden Feststellungen ist es erforderlich, sich etwas ausführlicher mit den Grund- lagen von Vertrauen sowie dessen Einfluss auf die Realisierung weiter gehender, sprich dynamisch ausgerichteter Koordinations- und Wissensbeziehungen auseinanderzusetzen. Dieses ist auch des- wegen von Bedeutung, um von vornherein einer allzu oberflächlichen und pauschalen Behandlung der Tragweite des Vertrauens in Unternehmenskooperationen entgegenzuwirken845. Geht man daher etwas tiefer auf die Bedeutung von Vertrauen ein, so ist dies zum einen wesentlich, wenn es darum geht, die Unsicherheit über das Verhalten von anderen an der Kooperation beteilig- 841 vgl. Tröndle(1987), S. 112 842 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 188 843 vgl. Kaufmann (1993), S. 86 844 vgl. Schmidt (1997), S. 128 f. 845 vgl. Baumgarten (1998), S. 192 227 ten Unternehmen zu minimieren846 sowie zum anderen, die Transaktionskosten zu senken. Denn Vertrauen verringert ein Stück weit Koordinations-, Informations- und Kontrollaktivitäten847. In diesem Zusammenhang merkt Bellmann an, dass zwischen räumlich getrennten Kooperations- partnern das gegenseitige Vertrauen eine wesentliche Rolle spielt, weil es auf Grund der unsicheren Unternehmensumwelt, den dynamischen Märkten und der begrenzten Rationalität der Handelnden generell unmöglich ist, alle denkbaren Kontingenzen in langfristig gültigen Verträgen verbindlich zu regeln. Daher ist Unsicherheit in Folge von Handlungsspielräumen, die durchaus in opportunisti- scher Weise ausgefüllt werden können, nie völlig auszuschließen848 (vgl. bezüglich opportunisti- scher Verhaltensweisen in Kooperationen auch Kapitel 3.1.1.2.1). Darüber hinaus ist jene Unsicherheit auch als Folge der in Unternehmenskooperationen bestehen- den sozialen Komplexität zu sehen. Diesbezüglich kann Vertrauen im Sinne von Luhmann auch als ein Mechanismus zum Abbau dieser sozialen Komplexität beschrieben werden. Kooperatives Han- deln bzw. koordiniert ablaufendes Einzelhandeln erschließt dabei durch die Reduktion von Kom- plexität gewisse Handlungsmöglichkeiten, die ohne Vertrauen nicht zum Zuge gekommen wären849. So gesehen ist das grundsätzliche Vorhandensein von Vertrauen letztlich eine Grundbedingung da- für, dass es überhaupt zu Kooperationen kommt bzw. dass erfolgsträchtige Situationen auch wirk- lich gemeinsam angegangen und zum beiderseitigen Vorteil genutzt werden850. 3.2.4.1.1 Die einzelnen Gestaltungsparameter für den Aufbau von interorganisationalem Vertrauen Baumgarten unterscheidet, in Anlehnung an Luhmann, Zucker und Giddens, zwischen personalem und institutionellem Vertrauen bzw. Systemvertrauen sowie verschiedenen Vertrauensquellen. Erstgenanntere beziehen sich entweder auf bestimmte Akteure oder auf die beteiligten Partialsyste- me selbst, welchen jeweils Vertrauen entgegengebracht wird. Die Vertrauensquellen lassen sich in prozessbasiertes, eigenschaftsbasiertes und auf institutionalen Regelungen beruhendes Vertrauen unterteilen. Mit Letzteren sind beispielsweise Verträge, Mana- gementsysteme oder Kooperationsvereinbarungen gemeint, die wiederum personales Vertrauen ein Stück weit substituieren. Das eigenschaftsbasierte Vertrauen ist, ähnlich dem personalen und institutionellen Vertrauen, di- rekt an bestimmte vertrauenswürdige Personen bzw. Institutionen, die etwa für ihre Integrität und Vertrauenswürdigkeit bekannt sind, gekoppelt. Prozessbasiertes Vertrauen schließlich bezieht sich auf konkrete Erfahrungen, die (bei den interorganisationalen Kooperationsbeziehungen) im Laufe der Zeit gesammelt werden, welche also aus den Austauschbeziehungen im täglichen Miteinander hervorgehen851. Setzt man diese unterschiedlichen Bestandteile von Vertrauen mit den zuvor analysierten Zusam- menhängen in Bezug auf die Koordinations- und Wissensbeziehungen in Verbindung, lässt sich folgende Abhängigkeit herleiten: Sowohl der Rückgriff auf integrative Entscheidungsprozesse als auch die Übertragung von implizitem Wissen oder gar die Etablierung einer Lerngemeinschaft er- scheint ohne eine fundierte wechselseitige Vertrauensbasis kaum machbar. Diesbezüglich ist in Er- innerung zu rufen, dass eine Kooperation auf einer freiwilligen Ziel-/Mittelverflechtung beruht, deren entscheidendes Interaktionsmedium die freiwillige Kommunikation von Interessen ist (Kapi- 846 siehe zu opportunistischen Verhaltensweisen Kapitel 3.1.1.2.1 847 vgl. Fontanari (1996), S. 111 848 vgl. Bellmann (1999), S. 210 849 vgl. Luhmann (1973), S. 26 850 vgl. Kaufmann (1993), S. 160 851 vgl. Baumgarten (1998), S. 193 228 tel 3.1.1.3). Infolgedessen tritt Vertrauen an die Stelle von Droh- oder gar Zwangspotenzialen, wel- che im Rahmen einer Kooperation in der Regel keine erfolgversprechenden Handlungsoptionen sind. Im Hinblick auf die Entwicklung einer Vertrauensbasis ist zu sagen, dass für jegliche Kooperati- onsbemühungen, unabhängig von der tatsächlichen Ausprägung, ein Minimum an gegenseitigem eigenschaftsbasiertem oder institutionalem Vertrauen vorhanden sein muss, da anderenfalls die je- weiligen Partner kaum für eine Kooperation zur Verfügung stehen. Für eine dynamische Entwicklung auf den einzelnen Beziehungsebenen in oben beschriebenem Sinn reicht hingegen ein rein personen- oder unternehmenszentriertes Vertrauen bei weitem nicht aus. Im Gegenteil, erst wenn das einmal entgegengebrachte (personelle oder institutionelle) Vertrauen im Prozess der gemeinsamen Zusammenarbeit nicht enttäuscht, sondern vielmehr stabilisiert und ausgebaut wird, sind die genannten Beziehungsebenen höherer Ordnung überhaupt denkbar. Das heißt, durch einen Mix aus im Zeitablauf tiefer gehendem Vertrauen und paralleler Verpflich- tung, diesem auch gerecht zu werden, wird eine wichtige Grundlage gelegt, gemeinsam für eine erfolgreiche Durchführung der Kooperation zu sorgen852. Hieraus geht eindeutig hervor, dass die Entwicklung des prozessbasierten Vertrauens eine entschei- dende Variable hinsichtlich der dynamischen Ausprägung einer Kooperation darstellt, d.h., ohne tiefer gehendes prozessbasiertes Vertrauen sind weder (hoch) integrative Entscheidungsprozesse noch interorganisationale Lerngemeinschaften denkbar. Dabei ist im Besonderen zu beachten, dass das Entgegenbringen von Vertrauen, ähnlich wie bei den an anderer Stelle analysierten Kriterien hinsichtlich vorliegender Kernkompetenzen (vgl. Kapitel 3.1.3.2), immer das Ergebnis einer subjektiven Beurteilung und Einschätzung seitens der Beteilig- ten darstellt. Das heißt, Vertrauen ist nie objektiv erfassbar, sondern immer abhängig von den in der Regel impliziten und individuellen Erwartungen der Kooperationspartner. Werden die Anforderun- gen im Laufe der Zusammenarbeit erfüllt oder gar übertroffen, folgt hieraus ein Zustand der Zufrie- denheit bzw. des Vertrauens853. An dieser Stelle kommt auch die Doppeldeutigkeit des Vertrauens zum Vorschein. Einerseits ist dieses, wie oben dargelegt, eine Grundvoraussetzung, damit es überhaupt zur Aufnah- me und Durchführung von Verhandlungen im Vorfeld von Kooperationen kommt. Das heißt, es muss ein zumindest oberflächliches Vertrauen vorhanden sein, was dann während der Verhandlun- gen zumindest ansatzweise gefestigt wird. Dieses oberflächliche Vertrauen kann beispielsweise aus der Reputation des oder der Gegenüber herrühren. Diese kommt häufig dann ins Spiel, wenn die potenziellen Kooperationsunternehmen vor der Problematik stehen, Informationen über die Unternehmenspolitik sowie die Unternehmens- kultur der jeweiligen Partner zu erhalten und darüber hinaus große Schwierigkeiten bestehen, die ei- gentliche Leistungsfähigkeit beurteilen zu können. In diesem Fall kann die (anerkannte) Reputation eines Unternehmens den Ausschlag dafür geben, als Kooperationspartner geeignet zu sein854, mit der Konsequenz, dass Reputation formale Mechanismen wie Prüfung und Kontrolle zumindest teil- weise ersetzt855. Andererseits wird insbesondere das prozessbasierte, tiefer gehende Vertrauen erst im Zeitablauf durch wiederholte Handlungen entwickelt856. Diesen Aspekt greift Sennett auf, welcher besonders die Bedeutung einer langfristigen Vertrauens- entwicklung unterstreicht. Für ihn kann Vertrauen einerseits etwas rein förmliches sein, z.B., wenn sich Geschäftspartner nach Vertragsabschluss die Hand schütteln und sich parallel darauf verlassen, 852 vgl. Lorange/Roos (1992), S. 354 853 vgl. Piller (2000), S. 167 854 vgl. Buckley/Casson (1988), S. 23 f. 855 vgl. Evans/Wurster (2000), S. 189 856 vgl. Loose/Sydow (1994), S. 170 ff. 229 dass die im Vertragswerk geregelten Abmachungen auch eingehalten werden. Handelt es sich hin- gegen um emotional tiefer gehende Erfahrungen, ist Vertrauen in der Regel weit weniger förmlich, etwa wenn es in einem gemeinsamen Lernprozess darum geht, substanzielle Denk- und Wahrneh- mungsmuster auszutauschen bzw. zu erfahren, auf wen man sich in schwierigen Situationen wirk- lich verlassen kann. Solche Erkenntnisse und soziale Bindungen brauchen Zeit, nicht nur um sich zu entwickeln, sondern auch, um in den Institutionen Wurzeln zu schlagen857. In ähnlicher Weise argumentiert auch Kastner, indem er anmerkt, dass menschliche Bindung, Zuneigung und Vertrau- en Zeit brauchen, diese somit langfristig gesät und gepflegt werden müssen858. Die angesprochene Doppeldeutigkeit ist so zu verstehen, dass z.B. für eine beabsichtigte strategi- sche Kooperation zwischen zwei Unternehmen, die sich kaum kennen, ein prozessorientiertes Ver- trauen erforderlich ist, welches zu diesem Zeitpunkt nicht oder erst in Ansätzen existiert. An dieser Stelle ist die Existenz bzw. die Realisierung eines „prozessorientierten Vorabvertrauens“ von gro- ßem Vorteil, welches gewissermaßen als Vorstufe eines prozessorientierten (bzw. -basierten) Ver- trauens zu sehen ist (siehe ausführlich Kapitel 4.5 ff.). Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass jede weitergehende, systematische Vertiefung der Koordinations- und Einflussbeziehungen sowie der Wissensbeziehungen entscheidend davon abhängig ist, inwieweit das bestehende Vertrauen nicht nur nicht enttäuscht, sondern darüber hinaus auch vertieft und ausgebaut, sprich dynamisch weiterentwickelt wird. Dabei zeigt sich ein tiefer gehendes Vertrauen darin, dass die an der Kooperation beteiligten Organisationen auch tatsächlich bereit sind, sich "in Abkehr von einem oberflächlichen Händeschütteln" ein Stück weit zu öffnen und in einen erweiterten Wahrnehmungsprozess im obigen Sinn einzutreten. Die Voraussetzung hierfür ist zunächst einmal, dass die aus den Austauschbeziehungen bzw. Inter- aktionen resultierenden konkreten Erfahrungen im "ongoing process" der Unternehmenskooperation keine deutlich negativen Begleiterscheinungen an den Tag legen. Ist dies der Fall, so ist die Bereit- schaft der beteiligten Kooperationsunternehmen hinsichtlich einer weiteren (mentalen) Öffnung (im Vergleich zur Ausgangssituation) sowie dem Eingehen tieferer sozialer Bindungen als sehr gering einzuschätzen. Des Weiteren gilt es zusätzlich, den jeweiligen Status quo in Bezug auf die Vertrau- ensbasis systematisch zu vertiefen und zu erweitern. Dabei werden die gemachten Erfahrungen durch den Stand des bis dato erarbeiteten Regelwerkes und Grundverständnisses beeinflusst bzw. durch das jeweilige Gefühl, inwieweit dieses auch wirk- lich im täglichen Umgang angewandt wird (Stichwort Verpflichtung). Ferner wird durch die Fähig- keit, aus den Erfahrungen selbst zu lernen, die Vertrauensbasis auf ein höheres Niveau gehoben. So gesehen geht ein langfristig ausgerichtetes, prozessbasiertes Vertrauen aus dem Wechselspiel zwi- schen der (permanenten) Erarbeitung von Rahmenbedingungen, der gegenseitigen Verpflichtung, sich auch daran zu halten sowie dem tatsächlich wahrgenommenen Verhalten hervor. Letzteres führt unweigerlich zu der Frage, von welchen Parametern im Allgemeinen der Aufbau und die Stabilisierung von Vertrauen sowie im Speziellen die Etablierung eines prozessbasierten Vertrauens abhängig sind. Denn letztlich sind es diese Stellgrößen, die auf längere Sicht dafür sor- gen, dass das zunächst entgegengebrachte Vertrauen entweder verifiziert wird, womit die Chance auf Vertiefung der Vertrauensbasis und damit der einzelnen Beziehungsebenen impliziert ist, oder aber falsifiziert wird, was mit einer Einschränkung der Dynamik gleichzusetzen ist. Diese Parameter stehen im Weiteren im Mittelpunkt der Diskussion. 3.2.4.2 Das Prinzip des Synegoismus basierend auf Sozialkompetenz, Reflexion, Selbstbe- schreibung und die Darlegung der gegenseitigen Erwartungshaltungen als wesentli- che Elemente vertrauenswürdiges Verhalten zu fördern 857 vgl. Sennett (1996), S. 28 858 vgl. Kastner (1999), S. 15 230 Eine wesentliche Grundbedingung zum Aufbau bzw. der Festigung der gewünschten prozessbasier- ten Vertrauensbasis ist das so genannte synegoistische Verhalten. Dieses liegt auf der Grundlage einer fiktiven Verhaltensskala zwischen den beiden Extrempunkten Egoismus auf der einen Seite (Handeln zum eigenen Vorteil auf Kosten anderer) und Altruismus auf der anderen Seite (Handeln ausschließlich zum Nutzen anderer) verortet. Hinter dem synegoistischen Verhaltensprinzip steht dabei das Ideal einer Bergsteigermannschaft, wo der eine dem anderen in einer schwierigen Situation zur Seite steht, in der Erwartung, dass na- türlich auch der andere einem selbst hilft, wenn dies erforderlich ist. Die Basis dessen ist ein Ge- meinschaftsverständnis, bei dem vor dem Hintergrund einer Win-Win-Situation die gemeinsame Zielerreichung im Mittelpunkt steht. Sie wird getragen von der Erkenntnis, dass eine aktive Unter- stützung des eigenen sozialen (Ober-) Systems langfristig am besten dazu beiträgt, sich selbst zu helfen. Dies muss wohlgemerkt den Konkurrenzgedanken (innerhalb des sozialen Systems) nicht völlig ausschließen, jedoch wird ausschließlich um die beste Leistung oder Idee konkurriert und nicht dar- um, den anderen auszubeuten859. 3.2.4.2.1 Sozialkompetenz als wichtiger Baustein des Synegoismus Ein wichtiger Baustein dieses synegoistischen Verhaltens ist, dass die Beteiligten über ein ausrei- chendes Maß an Sozialkompetenz verfügen. Damit wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Intelligenz, Fleiß, Disziplin und Leistungsmotivation heute nur noch bedingt zur Erklärung von Erfolg ausreichen, sondern zusätzlich Kenntnisse über Beeinflussungsmöglichkeiten von Mitmen- schen sowie über deren Bedürfnisse, Interessen und Ziele erforderlich sind860. Geht man in Folge der Frage auf den Grund, was Sozialkompetenz eigentlich ist, so meint Sauder damit die Fähigkeit des Menschen, sich mit sich selbst und anderen konstruktiv auseinandersetzen zu können861. Deutlich tiefer gehender äußert sich Kastner. Für ihn bedeutet Sozialkompetenz die Fähigkeit, "mit den Interessen, Gefühlen und Systemansichten der anderen Personen bzw. dem sozialen System in- klusive der eigenen Person umzugehen“862. Des Weiteren unterscheidet Kastner zwei verschiedene Facetten der Sozialkompetenz, die für die Verwirklichung eines systemverträglichen Verhaltens zwingend erforderlich sind. Zum einen ist dies die soziale Intelligenz, womit die Fähigkeit zu verstehen ist, das zu erfassen, "was in anderen Menschen vorgeht, und dann gemäß den eigenen Absichten und Gefühlen so zu agieren, dass bei anderen Menschen situativ erwünschte Gefühle ausgelöst werden“863. Zum anderen spricht er von sozialer Verantwortung und meint damit die Tugend und den Willen, für die Folgen des eigenen Tuns einzustehen (Verantwortung zu übernehmen) sowie darüber hinaus auch für die Folge dessen gerade zu stehen, was man nicht getan hat, aber eigentlich hätte tun müs- sen. Hier schwingt implizit ein erzieherischer Aspekt mit, bei dem es darum geht, das Verhalten des anderen zu beeinflussen. Dementsprechend ist ein sozial verantwortliches Handeln dadurch gekenn- zeichnet, dass die Beeinflussung eines Dritten zu dessen Gunsten, sprich Erziehung stattfindet und nicht zum eigenen Nutzen, was einer Manipulation gleichkäme. Im Mittelpunkt dieser "Einfluss- nahme" steht der Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe, wobei der Beeinflussende sozial verantwortlich handelt, wenn er etwas für andere in deren Interesse tut864. 859 vgl. Kastner (1999), S. 13 f. 860 vgl. Kastner (1999), S. 16 861 vgl. Sauder (1997), S. 1168 ff. 862 vgl. Kastner (1999), S. 23 (hervorgehoben im Original) 863 vgl. Kastner (1999), S. 29 (hervorgehoben im Original) 864 vgl. Kastner (1999), S. 32 f. 231 Überträgt man diese Aussagen auf die Notwendigkeit eines vertiefenden Vertrauensprozesses im Zusammenhang mit dem Erreichen von Beziehungsebenen höherer Ordnung innerhalb einer Ko- operation, so kann die Bedeutung der sozialen Intelligenz zusammen mit der sozialen Verantwor- tung gerade für eine vertrauensfördernde Zusammenarbeit gar nicht hoch genug eingeschätzt wer- den. Denn letztlich sind es diese beiden Komponenten, die den an einer (strategischen) Kooperation Beteiligten auf Dauer das Gefühl vermitteln, im eigenen Denken und Handeln zumindest ansatz- weise verstanden zu werden. Dies geschieht, indem die gegenseitigen Vorstellungen, Wertungen und Ursachenzuschreibungen, die wiederum wahrnehmungs- und entwicklungsabhängig sind, sozi- al intelligent erfasst und analysiert werden. Des Weiteren sorgt anschließend die soziale Verantwor- tung dafür, dass mit diesen (bisweilen hoch sensiblen) Kenntnissen kein Missbrauch getrieben wird, sondern im Gegenteil, diese als Ansatzpunkte für Maßnahmen zur Selbsthilfe bzw. Höherentwick- lung im Rahmen der gemeinsamen (strategischen) Zielfindung gesehen werden. Konkret bedeutet dies, dass bei sozial intelligentem Handeln vor allem folgende Fähigkeiten von Bedeutung sind865: x Soziale Prozesse bei anderen zu diagnostizieren x Sich auf diese einzulassen und soziale Signale wahrnehmen zu können x Auf andere einzuwirken x Mit anderen zu kommunizieren Verantwortliches Handeln hingegen bedeutet: x Indirekt passives Handeln durch Zurückhaltung, Toleranz, Respekt x Indirekt aktives Handeln durch Beobachtung von anderen, um daraus erwünschtes Verhalten zu lernen x Direkt aktives Handeln durch Übernahme von Verantwortung für andere und das Einstehen für diese Letztlich ist wichtig zu erkennen, dass es bei diesem sozial intelligenten und verantwortlichen Han- deln um einen Prozess geht, der eine permanente Auseinandersetzung mit den Interessen, Motiven und Fähigkeiten der jeweils anderen Kooperationsteilnehmer erfordert. Diese Beziehungsanalyse ist die Grundlage von jeglichem Synegoismus und liefert im Laufe der Zusammenarbeit die entspre- chenden Ansatzpunkte zur Umsetzung eines langfristigen und vertrauensvollen Miteinanders. In diesem Zusammenhang ist es erneut von großer Wichtigkeit, dass sich dieser vertrauensbildende synegoistische Prozess zwischen den an der Kooperation beteiligten sozialen Systemen dynamisch entwickelt. Ausdruck eines solchen Prozesses ist beispielsweise die zunehmende Akzeptanz von Verschiedenartigkeit, begleitet von einer gesteigerten Offenheit zueinander. Offenheit ist dabei eine Frage der Vertrautheit, des sich Sicherfühlens, wobei gemeinsame Motive, Interessen und Erfah- rungen vorurteilsfrei ausgetauscht werden. Hierzu zählt z.B. auch der gegenseitige Austausch von Fehlern, Problemen und Schwierigkeiten auf Seiten der beteiligten Organisationseinheiten. Diese werden normalerweise gern im Verborgenen gehalten, sei es aus Angst, sich eine Blöße zu geben, sei es, weil man opportunistische Folgeerscheinungen fürchtet. Dabei ist es nicht selten der Fall, dass die anderen Unternehmen sich durchaus dieser Schwächen bewusst sind, aber aus Angst vor Bevormundung oder mangelnder sozialer Verantwortung nicht dazu Stellung nehmen. In einer sol- chen Situation ist ein synegoistisches Verhalten für einen offenen Umgang miteinander und einer damit verbundenen positiven Entwicklung von großem Nutzen866. Die Basis dessen bildet die Fä- 865 vgl. Kastner (1999), S. 58 866 vgl. Senge/Kleiner/Roberts/Ross/Roth/Smith (1999), S. 77 232 higkeit zur Empathie, also sich selbst in die Rolle anderer Akteure hineinversetzen zu können, um aus deren Perspektive die eigene Rolle zu sehen. Verschiedenartigkeit hingegen hat immer auch etwas mit Vielfalt, Heterogenität und Bereicherung zu tun, welche es zu erkennen und (sozial verantwortlich) für den Erhalt des (der) sozialen Sys- tem(e)s zu nutzen gilt. Dementsprechend zeichnet sich Akzeptanz von Verschiedenartigkeit durch eine hohe Toleranz gegenüber Menschen mit anderen Werten und Einstellungen sowie gegenüber unterschiedlichen Verhaltensweisen und Unternehmenskulturen aus867. 3.2.4.2.2 Reflexion und Selbstbeschreibungen als weitere Eckpfeiler des Synegoismus Ein weiteres Kennzeichen der erwünschten „Verhaltensdynamik“ sind regelmäßige Beschreibungen der Interessenslagen und Wünsche der jeweiligen Partialsysteme sowie die dahinter liegenden Prob- lemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster868 (vgl. auch Aussagen zur Theorie der kollektiven Ent- scheidungsprozesse Kapitel 3.2.3.2.2.2 f.). Diese sind das Ergebnis entsprechender Reflexionen und dienen u.a. dazu, den statischen Charakter vertraglicher Regelungen, welche grundsätzlich Zeit- punktbetrachtungen darstellen, zu überwinden. Letztere sind meist deswegen problematisch, weil sich bei der (dynamischen) Veränderung der internen und externen Ausgangsbedingungen meist eine diffuse Unsicherheit über die bestehenden Regelungen breit macht, wodurch es zu beträchtli- chen Unwägbarkeiten kommen kann869. Um Letzteres zu vermeiden ist neben dem Austausch der wechselseitigen Interessenslagen zusätz- lich eine interorganisationale Abstimmung auf Basis einer antizipativen Erwartungsbildung von großem Vorteil. Bestandteil dieser Erwartungsbildung ist die Formulierung von Verhaltenserwar- tungen auf der Basis von Selbst- und Fremdbeschreibungen. Im ersten Fall richtet das betreffende Partialsystem die Erwartungshaltungen an sich selbst, im zweiten Fall werden diese von außen, sprich von den anderen an der Kooperation beteiligten Unternehmen, an das jeweilige System he- rangetragen870. Gegenstand dieser Selbst- und Fremdbeschreibungen sollte dabei nicht nur die Auf- gabenverteilung sowie damit verbundene Rechte und Pflichten sein, sondern es sollten darüber hin- aus auch Verhaltenskodizes, z.B. in Form von Fairness- und Handlungsregeln871, vertrauensbilden- de Maßnahmen, wie beispielsweise verbindliche Verhaltensregelungen bei der Informationspolitik, sowie entsprechende Reflexions- und Feedbackgrundlagen zur Sprache kommen872. Die Reflexionen dienen dazu, sub- und gesamtsystemische Selbstbeschreibungen zu tätigen. Mit subsystemischen Reflexionen ist dabei die Auseinandersetzung mit der Rolle eines Partialsystems im jeweils eigenen Umfeld gemeint, während es bei der gesamtsystemischen Variante darum geht, dass das Partialsystem sich selbst als Umwelt der anderen Partialsysteme begreift und so seine Rol- le in Bezug auf das Gesamtsystem reflektiert873. Darüber hinaus dienen Reflexionen dazu, mit den Kooperationspartnern, den internen Kunden so- zusagen, in einen aktiven, eingehenden und fortgesetzten Dialog zu treten, wobei die eigentliche Herausforderung darin liegt, zunehmend den Zweck und die Bedeutung aus Sicht des jeweils ande- ren zu begreifen und auf dieser Basis den Dialog permanent (dynamisch) fortzuentwickeln874. Mit dieser Vorgehensweise wird auf der einen Seite den Anforderungen an die Gestaltung und Kul- tivierung neuer Kontexte sowie der Verwirklichung eines ganzheitlichen Ansatzes Rechnung getra- 867 vgl. Klink (1999), S. 146 868 siehe auch Theorie kollektiver Entscheidungsprozesse Kapitel 3.2.3.2.2.2 869 vgl. Baumgarten (1998), S. 252 ff. 870 vgl. Baumgarten (1998), S. 267 f. 871 vgl. Radel (1997), S. 120 ff. 872 vgl. Haury (1989), S. 86 f. 873 vgl. Baumgarten (1998), S. 270 874 vgl. Prahalad/Ramaswamy (2000), S. 67 233 gen. Auf der anderen Seite wird zusätzlich sichergestellt, dass die Kooperationspartner im Fortgang der Zusammenarbeit mehr von dem jeweiligen Gegenüber erfahren. Diese Erkenntnisse können dann anhand einer fiktiven Skala von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen bezüglich der Kooperationsentwicklung klassifiziert werden. Dabei stellen insbesondere die Begeisterungsan- forderungen genau jene Ansatzpunkte dar, durch die der jeweilige Kooperationspartner "zu packen ist", d.h., deren Erfüllung entscheidend dazu beiträgt, die Beziehung zu vertiefen und das Vertrauen zu erhöhen875. 3.2.4.2.3 Konfliktmanagement und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit zur Förderung und Bewältigung des synegoistischen interorganisationalen Zusammenlebens Der nächste wichtige Punkt im Zusammenhang mit einem ausgeprägten synegoistischen Verhalten zur Förderung von dynamischen und vertrauensbildenden Prozessen ist der Umgang mit Konflik- ten. Nach Boulding kann ein solcher als eine Wettbewerbssituation definiert werden, in der die ver- schiedenen Parteien sich über die Unvereinbarkeit möglicher Zukunftsperspektiven bewusst sind, und jeder danach trachtet, eine Position wahrzunehmen, die mit den Wünschen der anderen kolli- diert876. Konflikte dieser Art sind gerade bei zwischenbetrieblichen Kooperationen nichts Besonderes, son- dern auf Grund der unterschiedlichen Interessen der sozialen Systeme bzw. deren Mitarbeiter eher die Regel statt die Ausnahme. Dabei ist ein Konflikt nicht immer negativ zu bewerten, sondern trägt vielfach dazu bei, dass Individuen sich mit dem bisherigen unbefriedigenden Zustand auseinander- setzen und daraus neue Ideen und Erkenntnisse ableiten877. Um den Vertrauensbildungsprozess bei Konflikten nicht zu gefährden bzw. um zu verhindern, dass der Konflikt in einen kostspieligen Dauerstreit mündet, bei dem die Opponenten sehr viel Zeit in- vestieren, um sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen und der daraus folgenden Konsequenz einer entsprechenden Leistungsreduzierung sowie bisweilen gar Feindschaft und Ohnmacht878, ge- hört zur (sozial-intelligenten) Konfliktminderung ein ausgleichendes, vermittelndes, friedenstiften- des und synegoistisches Verhalten. In diesem Zusammenhang merkt Kastner einige zentrale Vor- aussetzungen an, die zur Bewältigung von Konflikten von großer Bedeutung sind879: x Die sachliche, emotionskontrollierte und unvoreingenommene Bearbeitung des Konfliktes x Der Versuchung zu widerstehen, sein Ego durch Niederlagen des Kontrahenten zu stärken x Die Steigerung des Selbstwertgefühls des oder der Gegenüber x Vermeidung einer Frustrations-Aggressionsspirale und die emotionale Beteiligung der Kontra- henten x Wechselseitige Toleranz bezüglich anderer Systemsichten x Durchführung einer genauen Ursachenanalyse x Synegoistisches Verhalten aller Beteiligten Dabei zeichnet sich das synegoistische Verhalten u.a. durch die Fähigkeit aus, unterschiedliche Sichtweisen beleuchten und deren Ergebnisse sinnvoll in eine Problemlösung integrieren zu kön- 875 vgl. Hermann/Huber/Braunstein (2000), S. 48 876 vgl. Boulding definiert aus Bosshard (1988), S. 5 877 vgl. Baron (1983), S. 403 878 vgl. Baron (1983), S. 406 879 vgl. Kastner (1999), S. 164 234 nen. Hierzu zählen die ursachenorientierte Sichtweise (Gründe und Systemsichten der Beteiligten), die zielorientierte (Absichten und Erwartungen), die personenorientierte (Emotionen und Ziele) sowie die umwelt- und sachorientierte Sichtweise (äußere objektivierbare Merkmale der Ursachen- analyse)880. Hinter all diesen Aspekten, welche dazu beitragen, einen dynamischen und vertrauensfördernden Prozess zu initiieren und beizubehalten, steht letztlich die zwischenbetriebliche Kommunikation als Klammer, welche den größten Teil des "interorganisationalen Zusammenlebens" mittels Sprache beeinflusst. Somit kann die Fähigkeit des "guten Kommunizierens“ insbesondere vor dem Hinter- grund, dass die freiwillige Kommunikation von Interessen als entscheidendes Steuerungsinstrument einer Kooperation zu sehen ist, als ein wichtiger Bestandteil der Sozialkompetenz angesehen wer- den881 (vgl. auch Kapitel 3.1.1.3). In ähnlicher Weise argumentiert auch Mohr, für den die Kommunikation die wesentliche Interakti- onsvariable der einzelnen Kooperationspartner ist und welche somit für ein erfolgreiches Koopera- tionsmanagement unverzichtbar ist882. Kommunikation im Sinne eines verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes ist dabei weit mehr als reine Informationsübermittlung bzw. der wechselseitige Austausch von Informationen zwischen Perso- nen, der auch als Interaktion bezeichnet wird. Im Gegenteil, Kommunikation wird von einer ganzen Reihe von Parametern beeinflusst bzw. gesteuert, deren genaue Erläuterung den Rahmen dieser Ar- beit bei weitem sprengen würde. In diesem Zusammenhang seien die Arbeiten von Argyle, Ma- derthaner, Maturana, Wahren, Watzlawick, Wiswede und Wittgenstein erwähnt, welche sich aus- führlich mit dem Prozess und den Interaktionsvariablen der Kommunikation auseinandersetzen883. Stellvertretend für diese soll hier das psychologische Modell der zwischenmenschlichen Kommuni- kation von Schulz von Thun zur Sprache kommen, welcher sehr anschaulich den Vorgang der zwi- schenmenschlichen Kommunikation und die (eventuell) damit verbundenen Komplikationen schil- dert. Diesbezüglich unterscheidet Schulz von Thun zwischen einem Sender, einem Empfänger und einer Nachricht, wobei der Sender die Nachricht verschlüsselt und diese an den Empfänger sendet, der seinerseits die Nachricht entschlüsselt. Die Nachricht selbst ist Träger einer Vielzahl an Botschaf- ten, die Schulz von Thun in vier Kategorien einteilt884. Dementsprechend enthält jede Nachricht einen x Sachaspekt (Sachinformation, über die der Empfänger informiert werden soll), x Selbstoffenbarungsaspekt (Informationen über die Person des Senders), x Beziehungsaspekt (sagt aus, in welcher Beziehung der Sender zum Empfänger steht) und x Appellaspekt (drückt das aus, wozu der Sender den Empfänger veranlassen will). Das heißt, jede durch den Sender codierte Nachricht beinhaltet diese vier Aspekte, welche durch den Empfänger decodiert werden müssen. Das Schwierige an der Kommunikation ist dabei, dass der Empfänger in seinem Verhalten mehr oder weniger frei ist, den verschiedenen Aspekten eine eigene Bedeutung beizumessen und in der ein oder anderen Art auf die unterschiedlichen Seiten der Nachricht zu reagieren. Letzteres führt im Idealfall dazu, dass die gesendete und empfangene Nach- richt zwischen Sender und Empfänger übereinstimmt, und darüber hinaus der Empfänger auch das 880 vgl. Kastner (1999), S. 165 881 vgl. Kastner (1999), S. 152 882 vgl. Mohr (1995), S. 351 883 siehe ausführlich zur Kommunikation: Argyle (1979), Maderthaner, Maturana (1992), Wahren (1987), Watzlawick (1972 und 1979), Wiswede (1981) und Wittgenstein (1990) 884 vgl. Schulz von Thun, 1989, S. 26 f. 235 erwünschte Verhalten im Sinne des Appellaspektes an den Tag legt. Der Empfänger kann aber auch nicht intendierte Aspekte in die Nachricht hineininterpretieren oder andere intendierte Aspekte gar nicht wahrnehmen, womit die Nachricht verfälscht wird und der Empfänger auf der Basis der eige- nen Wahrnehmung unter Umständen völlig anders handelt als vom Sender beabsichtigt885. Dieses Verhalten löst dann im positiven Fall eine entsprechende Feedbackschleife aus, wo es zur Klärung des "Übertragungsfehlers" kommt. Es kann aber im negativen Fall auch zu ungeklärten Missver- ständnissen kommen bis hin zum vollkommenen Unverständnis auf Seiten des Senders. Begleitet wird dieses Unverständnis eventuell von eigenmächtigen "Abwehrreaktionen", die ihrerseits den Empfänger zusätzlich verunsichern und daher die Gefahr einer negativen Aktions-Reaktions-Spirale deutlich verschärfen, welches mit Sicherheit nicht zu einem vertrauensbildenden Prozess beiträgt. Aus diesen Aussagen wird deutlich, dass es Abschied zu nehmen gilt vom Grundmuster der eindi- mensionalen Kommunikation, welche noch dem Wirklichkeitsmodell der Industriegesellschaft ent- springt, basierend auf dem Glauben an die Machbarkeit all dessen, was gemäß einer eindimensiona- len Kausalität rational erscheint886 (siehe auch Kapitel 1.3.1 ff.). Im Gegenteil, aus den obigen Anmerkungen sollte deutlich geworden sein, dass Kommunikation immer aus den verschiedenen Facetten der oben genannten Aspekte einer Nachricht besteht, wobei die verschiedenen Aussagen in der Regel immer subjektiv unterschiedlich erfahren werden. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass der Empfänger beim Decodieren der Botschaft grundsätzlich auf eigene Erfahrungen, Erwartungen oder Befürchtungen zurückgreift887, welche der eigenen Lebens- welt entspringen. Diese decken sich nie komplett mit der Lebenswelt des Senders888 und bergen somit die Gefahr in sich, Dinge in die Nachricht hineinzuinterpretieren, die so vom Sender nie be- absichtigt waren. 3.2.4.2.3.1 Die Basis einer sozial-intelligenten Kommunikation sowie Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Bringt man die erwähnten sozial intelligenten Verhaltensprinzipien mit den Aussagen über die Be- deutung von Kommunikation in Verbindung, ergeben sich eine Reihe interessanter Erkenntnisse. Kastner unterteilt, in Anlehnung an das Modell von Schulz von Thun, die vier Aspekte einer Nach- richt in eine Tatsachendimension, die von Miss- oder Unverständnis bis hin zur Übereinstimmung reicht, eine Ausdrucksdimension, welche sich zwischen den beiden Polen Selbstdarstellung und Unterwürfigkeit bewegt, eine Lenkungsdimension, die "Laisser-faire" auf der einen und Manipula- tion und Befehl auf der anderen Seite vereint sowie die Kontaktdimension, welche von wenig Kon- takt und Ausgrenzung bis hin zur Nähe reicht889. Ein sozial intelligentes Kommunizieren zeigt sich darin, dass die Kommunizierenden sich zunächst einmal der Erkenntnis bewusst werden, dass der logische Sach- bzw. Tatsachenaspekt gerade mal ein Viertel der Kommunikation, wenn überhaupt, ausmacht. Darüber hinaus ist sozial intelligentes Kommunizieren dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten sich auf der Grundlage der obigen Feststellung bemühen, sachliche Übereinstimmung zu erzielen, sich ohne Selbstdarstellung oder Selbstverleumdung zu äußern, den Gegenüber durch Beobachtung anzuregen sowie eine mensch- lich angenehme Atmosphäre zu erzeugen, ohne den anderen auszugrenzen oder ihm zu nahe zu kommen890. 885 vgl. Schulz von Thun, 1989, S. 61 886 vgl. Lutz (1994), S. 99 887 vgl. diesbezüglich die Aussagen zum Unternehmen als soziales System, Kapitel 2.4.2 ff. 888 siehe hierzu auch Aussagen über die Inkommensurabilität der Lebens- und Sprachformen, Kapitel 3.2.3.2.2.1 889 vgl. Kastner (1999), S. 189 890 vgl. Kastner (1999), S. 190 236 Sehr hilfreich ist zudem die Pflege einer dialogorientierten zwischenbetrieblichen Kommunikation, bei der auf Basis einer offenen, zwischenmenschlichen Verständigung und Beteiligung gegenseitige Nachrichten ausgetauscht werden. Hierbei ist, unter Rückgriff auf aktives Zuhören, Rückfragen und Feedbackschleifen, so weit wie möglich dafür zu sorgen, dass Missverständnisse gar nicht erst auf- kommen891. Die Konsequenz einer derartigen niveauvollen Kommunikationskultur ist, dass Konflikte vermie- den bzw. im Keim erstickt werden und es zu einer Stärkung der Vertrauensbasis kommt. Des Wei- teren wird durch eine sozial intelligente Kommunikation Gerüchten, Reibungen und Missverständ- nissen, welche die Realisierung der (strategischen) Ziele der Kooperation in Frage stellen könnten, zumindest zum Teil vorgebeugt892. In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass die Vermeidung von Konflikten nicht mit der Un- terdrückung jeglicher heterogener Werte oder Meinungsvielfalt gleichzusetzen ist, sondern es dar- um geht, sich sozial-intelligent, also konstruktiv und vorurteilsfrei mit den jeweiligen Problemlagen auseinanderzusetzen. Dabei spielt es im Grunde keine Rolle, ob es sich um homogene oder heterogene Kooperationspart- ner mit jeweils gleichen oder unterschiedlichen Werthaltungen und Zielsetzungen handelt, entschei- dend ist, dass sozial kompetent miteinander kommuniziert wird. Ist dies der Fall, können gerade he- terogene Kooperationspartner mit unterschiedlichen Unternehmenskulturen sehr förderlich für die Kooperationsentwicklung sein, einmal wenn es darum geht, eine kritische Diskussion über den Sta- tus quo zu führen oder aber positive Synergieeffekte aus der Unterschiedlichkeit zu ziehen893. Entscheidend sind somit letztlich nicht kulturelle Unterschiede zwischen den Kooperationspartnern, sondern die Art und Weise, wie diese kommunikativ damit umgehen. Geschieht dies sozial kompe- tent, ist, im Gegensatz zu Schertler, nicht davon auszugehen, dass "cultural misfits" zu einer Asym- metrie der Austauschbeziehungen führen, verbunden mit einer Auseinanderentwicklung der Werte sowie dem Nachlassen der Kommunikationsbeziehung insgesamt und damit der Schwächung der Kooperation894. Im Gegenteil, durch eine sozial kompetente Kommunikation bringen die Koopera- tionspartner zum Ausdruck, dass sie offen gegenüber kulturellen Unterschieden sind. Dies trägt dazu bei, dass die Partner sich nicht vor etwaigen Störungen fürchten, weil sie über ein ausreichen- des Maß an Kompromissfähigkeit verfügen und zudem Verhaltensweisen wie Verständnis, Tole- ranz und Achtung an den Tag legen, die als Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit bezeich- net werden können895. Dementsprechend sind die Partialsysteme in der Lage, die sich unter Umständen im Laufe der Zu- sammenarbeit herausstellenden größeren kulturellen Unterschiede, basierend auf anderen Wertvor- stellungen, Normen und Regeln oder auftretenden Störungen, zumindest insoweit einzuebnen, dass die Vertrauensbasis nicht untergraben wird und die Zusammenarbeit erfolgreich fortgeführt werden kann. Im Übrigen sei hinzugefügt, dass sich das Auftreten von Störungen oftmals als wesentliche Ursache für die Weiterentwicklung von Unternehmenskooperationen erweist und damit ein zentrales Ele- ment der Entwicklungsdynamik darstellt896. Eine sozial intelligente Kommunikationsplattform ist dabei in zentraler Weise dafür verantwortlich, dass Störungen Anlass für eine produktive und nicht destruktive Entwicklung geben. 891 vgl. Lutz (1994), S. 103 892 vgl. Mirow (1995), S. 111 893 vgl. Schmidt (1997), S. 127 894 vgl. Schertler (1995), S. 48 895 vgl. Staudt et al. (1992), S. 86 896 vgl. Baumgarten (1998), S. 202 237 Ferner trägt eine solche Kommunikationsplattform ein Stück weit mit dazu bei, die Komplexität von Kooperationen, die nie durch detaillierte Planung reduziert oder beherrschbar gemacht werden kann, in den Griff zu bekommen. Dies geschieht, indem es durch sozial intelligente und verantwort- liche Kommunikation gelingt, für die Anschlussfähigkeit des Handelns zwischen den Kooperati- onspartnern zu sorgen und auf diese Weise eine indirekte Beeinflussung von Richtlinien und Spiel- regeln der Zusammenarbeit herbeizuführen, was wiederum zur Entwicklung der Kooperation bei- trägt897. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus nicht vermessen, von der Kommunikationsfähigkeit als Kernkompetenz der Zukunft zu sprechen. Allerdings ist damit keinesfalls gemeint, sich selbst am besten verkaufen zu können, sondern Kommunikationsfähigkeit zielt vielmehr darauf ab, diese sozial kompetent einzusetzen, um auf diese Weise die Chancen auf eine gemeinsame, erfolgreiche Zusammenarbeit zu steigern898. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Umsetzung einer profunden (interorganisationalen) Ver- trauensbasis zu großen Teilen von einem entsprechenden synegoistisches Verhalten auf der Grund- lage von Sozialkompetenz, welche sich aus sozialer Intelligenz und sozialer Verantwortung zu- sammensetzt, abhängig ist. Konkret kommt die Sozialkompetenz in der Akzeptanz von Offenheit und Vielfältigkeit, dem Anfertigen von Selbst- und Fremdbeschreibungen, der Fähigkeit, Konflikte zu handeln sowie generell in einer entsprechenden Kommunikationsfähigkeit zum Ausdruck. All diese Punkte üben in zentraler Weise einen große Wirkung auf die Koordinations-, Einfluss- und Wissensbeziehungen aus und unterliegen wiederum einer entsprechenden Dynamik, welche den Fortgang der Kooperation unmittelbar tangiert. Nach diesen ausführlichen Analysen der für die Entwicklung einer Kooperation wesentlichen in- haltlichen Kooperationsausprägungen, der enormen Dynamisierungspotenziale, insbesondere auf der interorganisationalen Koordinations- und Wissensebene sowie der dahinter stehenden notwen- digen Verhaltensausprägungen hinsichtlich Vertrauen, Synegoismus und Kommunikation werden nachfolgend die einzelnen Ausprägungsformen mit Hilfe eines Kooperationswürfels einander zuge- ordnet. Letzterer dient als Ausgangsbasis, um die daraus ersichtlichen einzelnen denkbaren Koope- rationsmöglichkeiten einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Hierbei geht es darum, auf Basis der vergangenen Ausführungen näher zu beleuchten, wie sich die einzelnen Kooperationsformen hinsichtlich der Ausprägung einzelner Beziehungsebenen, ein- schließlich der dahinter stehenden (Psycho-) Logiken, charakterisieren lassen. Des Weiteren ist es zentraler Bestandteil dieser Analyse, mögliche Gefährdungspotentiale hinsicht- lich einer Übervorteilung (vgl. Kapitel 3.1.1.2.1) sowie denkbare Einschränkungen in Bezug auf die Diversität der Möglichkeiten (vgl. Kapitel 3.2.2 ff.) aufzuzeigen. Ferner wird aufgezeigt, inwieweit die jeweilige Kooperationsform tatsächlich der gewünschten Zielerreichung in Bezug auf die Stabi- lisierung der vorhandenen Wettbewerbsposition bzw. den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile (vgl. Kapitel 3.1.3 ff.) dienlich ist. 897 vgl. Schertler (1995), S. 32 f. 898 vgl. Klink (1999), S. 147 238 4 Denkbare Kooperationsmöglichkeiten, deren (psycho-) logische Konsequen- zen und der Grad der jeweiligen Zielerreichung Auf der Basis der insbesondere in Kapitel drei gewonnenen Erkenntnisse (hinsichtlich der Stellgrö- ßen strategisch – operativ, statisch – dynamisch, kooperative – kompetitive Kooperationsbasis) las- sen sich acht verschiedene Kooperationsfälle unterscheiden, mit denen Unternehmen, die entweder Kooperationen eingehen wollen oder dies bereits getan haben, konfrontiert sind. Dies kommt zur besseren Verdeutlichung in dem vorliegenden Kooperationswürfel zum Ausdruck. D SDK C1 SSoK A1 OSoK A OSK B ODK C SSK B1 ODoK D1 SDo Konkurrenz/ Keine Konkurrenz Legende: A: Operativ/Statisch/Konkurrenz (OSK) B: Operativ/Dynamisch/Konkurrenz (ODK) C: Strategisch/Statisch/Konkurrenz (SSK) D: Strategisch/Dynamisch/Konkurrenz (SDK) A1: Operativ/Statisch/ohne Konkurrenz (OSoK) B1: Operativ/Dynamisch/ohne Konkurrenz (OdoK) C1: Strategisch/Statisch/ohne Konkurrenz (SSoK) D1: Strategisch/Dynamisch/ohne Konkurrenz (SDoK) Operativ/ Strategisch Statisch/Dynamisch K Abb. 51: Der Kooperationswürfel An dieser plastischen Darstellung ist die Vielfältigkeit der möglichen Kooperationsausprägungen unschwer zu erkennen. Jene dienen dazu, in unterschiedlicher Weise die als wesentlich erkannten Ziele Stabilisierung der Wettbewerbsposition sowie Aufbau von langfristigen Wettbewerbsvorteilen zu verfolgen (siehe Kapitel 3.1.3 ff.). Jede dieser Kooperationsformen zeichnet sich dabei einmal durch eher explizite Gegebenheiten aus, wie die beabsichtigte Stossrichtung (operativ oder strategisch) oder die aktuelle Wettbewerbssitua- tion (kompetitiv vs. non-kompetitiv). Auf der anderen Seite lässt sich jede dieser Kooperationsausprägungen durch einen Mix an implizi- ten Erfordernissen charakterisieren, angefangen bei der (dynamischen) Ausgestaltung der Koordina- tions- und Einflussbeziehungen, über eine entsprechende Ausprägung der Wissens- und Koordina- tionsbeziehungen sowie den dahinter liegenden Verhaltensmerkmalen (siehe Kapitel 3.2.3.2.2 ff.), über die Leistungsbeziehungen bis hin zum Umfang des Einsatzes der IuK-Technologien (siehe Kapitel 2.2 ff.). 239 Das Ziel in den kommenden Abschnitten ist es daher, jede dieser acht Kooperationsformen mit ih- ren unterschiedlichen Ausprägungen einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Hierbei geht es einerseits darum, aufzuzeigen, durch welche logischen und psychologischen Merkmale sich die jeweiligen Kooperationsformen auszeichnen sowie andererseits, inwieweit jene tatsächlich dazu geeignet sind, entweder zur Stabilisierung der Wettbewerbsposition und/oder zum Aufbau langfris- tiger Wettbewerbsvorteile beizutragen. 4.1 Die operativ-statische Kooperationsform auf der Basis eines bestehenden Konkurrenzverhältnisses Eine derartige Kooperationsbeziehung ist zunächst durch ihren kompetitiven Grundcharakter ge- kennzeichnet. Das heißt, zwischen zwei oder mehr Kooperationsunternehmen besteht ein direktes oder indirektes Konkurrenzverhältnis, durch welches, gemäß der an anderer Stelle erwähnten Defi- nition, der Zielerreichungsgrad eines Wettbewerbers in dem entsprechenden Markt immer zu Lasten des anderen Wettbewerbers geht (siehe Kapitel 3.2.2.1). Des Weiteren ist aus dem operativen Fokus abzuleiten, dass im Mittelpunkt der unternehmensüber- greifenden Zusammenarbeit das Ziel steht, die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten bzw. die operationale Effizienz zu verbessern. Dabei geht es um die zentrale Fragestellung, wie der momen- tane (überbetriebliche) Aufgabenvollzug, welcher durch Leistungs- bzw. Input-/Outputverflechtun- gen zum Ausdruck kommt, zu gestalten ist (vgl. Kapitel 3.2.1). Bringt man infolge diese beiden Gegebenheiten mit dem dieser Kooperationsform anhaftenden sta- tischen Charakter in Verbindung, ergeben sich hieraus einige interessante Gesichtspunkte. 4.1.1 Die Folgen des bestehenden Konkurrenzverhältnisses und der der Kooperation inhä- renten Statik in Bezug auf die einzelnen Beziehungsebenen und die entsprechenden Verhaltensgrundlagen Für die Koordinations- und Einflussbeziehungen hat dies zur Folge, dass der Vollzug der interorga- nisationalen Entscheidungsprozesse auf Verhandlungslösungen hinausläuft. Dies hängt damit zu- sammen, dass zum einen auf Grund des statisch operativen Charakters keinerlei Notwendigkeit für eine regelbasierte Entscheidungsfindung besteht. Zum anderen ist auch nicht davon auszugehen, dass die sich in Konkurrenz befindlichen Kooperationsunternehmen in einem derartigen Abhängig- keitsverhältnis zueinander stehen, dass ein Unternehmen dem anderen eine solche Kooperation auf- zwingen könnte, was infolge eine machtbasierte Entscheidungsfindung nach sich ziehen würde (vgl. Kapitel 3.2.3.2.2.2). Die konkrete Ausprägung der Verhandlungslösungen im Spannungsfeld zwischen Konsens und eher politisch – machtzentrierter Entscheidungen ist u.a. davon abhängig, in welchem Wettbewerbs- verhältnis die beteiligten Unternehmen zueinander stehen. Dabei trägt eine "weniger kriegerische Vergangenheit", gekennzeichnet durch eine zumindest ansatzweise vorhandene wechselseitige Rücksichtnahme statt permanenter Kampfhandlungen899, sicherlich dazu bei, dass bisweilen in An- sätzen auf integrative statt distributive Entscheidungsmechanismen zurückgegriffen wird (vgl. Ka- pitel 3.2.3.2.2.1 ff.). 899 vgl. Wurche (1994), S. 59 240 Des Weiteren ist anzumerken, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmustern des Gegenüber (Stichwort Inkommensurabilität der Kontexte) schon wegen der relativ geringen Tragweite der operativen Fragestellungen nicht stattfindet. Demzufolge bewegt sich nicht nur die Wahrnehmung der interorganisationalen wechselseitigen In- terdependenzen durch die Beteiligten auf sehr niedrigem Niveau, sondern auch die Wissensbezie- hungen kommen in der Regel über einen Austausch von explizitem Wissen nicht hinaus (vgl. Kapi- tel 3.2.3.2.3.4.2). Das Ergebnis dessen ist, dass die Einfluss- und Wissensbeziehungen mehr oder weniger statisch auf geringem Niveau verharren und dementsprechend von einer Kooperation bzw. einem sozialen Sys- tem ohne Übergangsverhalten ausgegangen werden kann900. Bezüglich des interorganisationalen Vertrauens ist daher zu sagen, dass in diesem Fall eine ober- flächliche, eigenschaftsbasierte oder institutionelle Vertrauensbasis völlig ausreichend ist (vgl. Ka- pitel 3.2.4.1). Somit spielen auch synegoistische Verhaltensweisen, basierend auf Sozialkompetenz, Reflexion oder sozial intelligenter Kommunikation, keine wesentliche Rolle im Umgang miteinan- der. Dementsprechend sind auch die Verhaltensanforderungen an den Menschen bzw. Mitarbeiter als gering anzusehen und deutliche Parallelen zu den verhaltensmäßigen Anforderungen bzw. menschlichen Verhaltensweisen im Industriezeitalter nicht zu übersehen (vgl. Kapitel 1.1.2). 4.1.2 Die Ausprägung der Leistungsprozesse vor dem Hintergrund einer operativ-statischen Kooperation Die interorganisationalen Leistungsprozesse zeichnen sich durch eine diskontinuierliche Zusam- menarbeit aus, wobei sich die involvierten Unternehmen von Fall zu Fall, auf Grund eines auftre- tenden Mangels oder einer entsprechenden Gelegenheit, kurzzeitig zusammenfinden und sich nach der Durchführung der Transaktionen bis zur nächsten gemeinsamen Aktion wieder trennen. Dieses kommt beispielsweise zum Tragen, wenn die betreffenden Unternehmen im Rahmen von Onlineauktionen als Bieter- oder Anbietergemeinschaften auftreten, Nachfrageschwankungen durch gemeinsames Einkaufspooling versuchen auszugleichen oder aber Größenvorteile durch einen ge- meinsamen Einkauf von Gütern des täglichen Bedarfs oder Standardprodukten auf Spotmärkten bzw. Marktplätzen nutzen901 (siehe auch Kapitel 3.1.2.2.1). Anhand obiger Beispiele lässt sich im Weiteren erkennen, dass die an der Kooperation beteiligten Unternehmen einerseits die neuen Medien innerhalb des E-Commerce für ihre Zwecke nutzen. Diesbezüglich trägt jede Transaktion für sich betrachtet durchaus dazu bei, über einen kurzen Zeit- raum Kostenvorteile für die Unternehmen zu realisieren, die wiederum kurzfristig die Wettbewerbs- position der betreffenden Unternehmen stärken. Anderseits schöpfen die Unternehmen aber die technologischen Potenziale hinsichtlich einer dauerhaften, interorganisationalen Verknüpfung, ver- bunden mit einem permanenten Güter- und Leistungsaustausch, nur am Rande bzw. gar nicht aus (siehe auch Kapitel 2.2.3 ff.). Für die interorganisationale Zusammenarbeit heißt dies, dass von ei- ner wirklichen prozess- und informationstechnischen Verflechtung der Kooperationspartner im oben analysierten Sinn902 keinesfalls die Rede sein kann, sondern die Unternehmen eher auf Basis der Grundsätze des Industriezeitalters (siehe Kapitel 1.1.1) unter zeitweiliger Nutzung der neuen Medien zusammenarbeiten. 900 vgl. Bierfelder (1991), S. 170 ff. 901 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 34 902 siehe Aussagen bezüglich virtueller Prozessorganisation, Supply Chain Management oder Simultaneous Enginee- ring, Kapitel 2.3.2.1, 3.1.2.2.2 241 Am Rande sei angemerkt, dass es streng genommen sicherlich treffender wäre, von einer weiterhin bestehenden klassischen Konkurrenzsituation statt Kooperation zu sprechen, bei der die Wettbe- werber von Zeit zu Zeit die neuen technologischen Möglichkeiten für eine gelegentliche, kurzfristi- ge Zusammenarbeit nutzen. Da jedoch während dieser Zusammenarbeit durchaus von einer ziel- und nutzenorientierten Beziehung gesprochen werden kann, geprägt durch einen gemeinsamen Zielerreichungsgrad (z.B. gemeinsame Senkung der Vorproduktkosten), und darüber hinaus die Selbstständig- und Unabhängigkeit der Geschäftspartner sichergestellt ist, spricht einiges dafür, den Begriff Kooperation verwenden zu können (siehe Kapitel 3.1.1.3). 4.1.3 Die Gefahr einer möglichen Übervorteilung und der Zielerreichungsgrad Das Übervorteiltwerden (vgl. Kapitel 3.1.1.2.1 f.), welches bei jeder Kooperationsform, bedingt durch die freiwillige Ziel-/Mittelverflechtung, die Problematik einer notwendigen ex ante Abstim- mung (vgl. Kapitel 3.2.2.1), die eingeschränkte Kontrolle des Leistungsvollzuges und wegen dem Fehlen umfassender Zwangsmitteln bei Nichtübereinstimmung, eine permanente Herausforderung darstellt903, kann in diesem Fall als vernachlässigbar angesehen werden. Dies hängt damit zusammen, dass es weder zu einem (im- und explizitem) Wissensaustausch in größerem Umfang kommt noch die so genannte Faktorspezifität (Spezifität und Langlebigkeit einer für eine Kooperation getätigten Investition) und die Plastizität (Veränderbarkeit und Manipulations- möglichkeit bei der Nutzung einer Ressource, siehe Kapitel 3.1.1.2.1) eine wirklich tragende Rolle innerhalb der Kooperationsbeziehung spielen. Somit steht vergleichsweise wenig auf dem Spiel und die beteiligten Unternehmen profitieren darüber hinaus davon, dass in der Regel jene Kosten weg- fallen, die bei Kooperationen oft genug zur Verhinderung von verborgenen und schwer zu kontrol- lierenden Aktionen getätigt werden904. Sollte dennoch ein Schaden auf Grund opportunistischer Verhaltensweisen entstehen, ist dieser so- mit eher als gering zu betrachten, zumal das betroffene Unternehmen jederzeit die Möglichkeit hat, beeinflusst durch die geringe Faktorspezifität, die Kooperation ohne größere Folgekosten umgehend zu beenden. In Bezug auf den Aufbau und die Beendigung von Kooperationen sei an dieser Stelle nochmals da- ran erinnert, dass die neuen technologischen Errungenschaften es den Unternehmen zumindest in den hier beschriebenen Fällen operativer Zusammenarbeit weit gehend gefahrlos ermöglichen, neue Kooperationen eingehen zu können (durch Standardisierungen, Vernetzungen, die Etablierung offe- ner Systeme etc., siehe Kapitel 2.2.3.3), ohne größere Investitionen tätigen zu müssen905. Schaut man sich abschließend den Zielerreichungsgrad einer solchen Kooperation an, so ist zu- nächst festzustellen, dass deren statisch operativer Charakter für sich betrachtet nichts Negatives oder Abzulehnendes ist. Im Gegenteil, die Realisierung einer solchen Kooperation stellt ein nützli- ches Mittel dar, um von den Segnungen des E-Commerce-Zeitalters, sprich Online-Auktionen, Or- ganisation von Ein- und Verkaufsgemeinschaften etc., in einer immer turbulenteren und globaleren Wirtschaft (vgl. Kapitel 3.1.2 f.) zu profitieren. Damit kann diese Kooperationsform durchaus ihren Teil dazu beitragen, für eine Stabilisierung der gegenwärtigen Wettbewerbsposition zu sorgen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allerdings die Absicht, die sich seitens der betreffenden Unternehmen hinter dem Eingehen einer Kooperation verbirgt. Geht es darum, fallweise, ohne feste, dauerhafte Bindungsabsicht, die Vorteile des E-Commerce als einen Baustein zur kurzfristigen Stabilisierung der Wettbewerbsposition zu nutzen, bietet sich diese Kooperationsform an. Sie wäre allerdings völlig verfehlt, wenn die beteiligten Unternehmen erwar- 903 vgl. Kaufmann (1993), S. 24 ff. 904 vgl. Arrow 1985, S. 37 ff. 905 vgl. Thome et al. (1997), S. 53 f. 242 ten, durch die beschriebene Kooperationsform dauerhaft zu einer Verbesserung ihrer operationalen Effizienz zu gelangen oder gar langfristige Wettbewerbsvorteile aufbauen zu können906 (siehe auch Kapitel 3.1.3.2). Bezüglich der Einschränkung der Diversität der Möglichkeiten auf Grund des bestehenden Konkur- renzverhältnisses (vgl. Kapitel 3.2.2.1.1) ist zu sagen, dass jene vor dem Hintergrund des oben ge- schilderten Umfeldes weniger im Zusammenhang mit gegenseitigen Vorbehalten im Hinblick auf die Übertragung kritischer Wissensbestandteile zu sehen ist, sondern in erster Linie auf den gesam- ten statischen Charakter der Kooperation selbst zurückzuführen ist. Dies wird dadurch unterstrichen, dass innerhalb einer solchen Kooperation in keinster Weise sen- sible Bereiche, wie der Transfer von impliziten Wissensbestandteilen oder aber die Behandlung von für den Unternehmenserfolg kritischen Fragestellungen und Problemlösungen, tangiert werden. Somit ist die eingeschränkte Nutzung der sich bietenden Möglichkeiten im Informationszeitalter (siehe hierzu Kapitel 2.2 ff. und 3.1.2.2 ff.) eindeutig dem statischen Charakter zuzuschreiben. Des- sen Beseitigung, was immer auch in Verbindung mit der Überwindung von bisherigen Schemata bzw. Problemlösungsstrukturen zu sehen ist907, ist letztlich eine Grundvoraussetzung, um eine in- tensivere und breitere Anwendung der sich bietenden Gelegenheiten im digitalen Zeitalter sicher- stellen zu können908 (siehe vertiefend auch Kapitel 5.2 ff.). 4.2 Die operativ-statische Kooperationsform ohne bestehendes Konkurrenz- verhältnis Diese Kooperationsausprägung verkörpert einerseits Merkmale, welche auch im erstgenannten Fall Bestandteil der Zusammenarbeit sind, was insbesondere auf die operative Ausprägung zutrifft (sie- he Kapitel 3.2.1). Andererseits ist auf den ersten Blick als wesentlicher Unterschied festzustellen, dass die an der Ko- operation beteiligten Unternehmen in keinem Konkurrenzverhältnis stehen, was darauf schließen lässt, dass deren Beziehung entweder durch ein Anbieter-Nachfragerverhältnis oder keinerlei Ge- schäftsverbindung gekennzeichnet ist (vgl. Kapitel 3.2.2.2 ). Vor diesem Hintergrund ergeben sich bezüglich der Ausprägung der interorganisationalen Bezie- hungsebenen, der Gefahr der Übervorteilung sowie des Zielerreichungsgrades eine Reihe von Ge- meinsamkeiten aber auch Unterschieden zum ersten Fall, die nachfolgend diskutiert werden. 4.2.1 Gemeinsamkeiten und Abweichungen bezüglich der Ausprägung der einzelnen Bezie- hungsebenen im Vergleich zum obigen Fall In Bezug auf die zwischenbetrieblichen Entscheidungsprozesse im Rahmen der Koordinationsbe- ziehungen ist zu sagen, dass entweder die Verhandlungslösung oder aber eine machtbasierte Ent- scheidungsfindung in Frage kommt. Letzteres ist der Fall, wenn zwischen den Kooperationspart- nern ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, und der Mächtigere dem Schwächeren eine solche Ko- operationsform "aufzwingt" (vgl. Kapitel 3.2.3.2.2.2). 906 vgl. Day/Wensley (1988), S. 2 ff. 907 zum Begriff des Schemas als die einer Handlung zugrundeliegenden Problemlösungsstrukturen vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 44 ff. und die dort angegebene Literatur 908 siehe zur Entwicklung der einzelnen Kooperationsformen Kapitel 5.1 f. 243 Dieses kommt z.B. dann zum Tragen, wenn einem Zulieferer der Automobilindustrie seitens der Hersteller nahegelegt wird, zukünftig enger mit elektronischen Zwischenhändlern (Intermediaries, vgl. Kapitel 2.2.4.1.ff.) wie AutoXchange oder TradeXchange zusammenzuarbeiten, wodurch sich die Hersteller eine deutliche Straffung der Beschaffungsprozesse – oft auf Kosten der Zulieferer – erhoffen909. Die Zulieferer haben in diesem Fall, bedingt durch das hohe Einkaufsvolumen der Her- steller nur eine eingeschränkte Entscheidungsfreiheit, wollen sie nicht einen Großteil der bisherigen Umsätze aufs Spiel setzen. Bei der Entscheidungsfindung durch Verhandlungen ist hingegen davon auszugehen, dass die betei- ligten Kooperationspartner einen eher integrativen Weg zwischen Konsens, Kompromiss oder fai- rem Deal einschlagen910. Dies ist damit zu begründen, dass der Modus der Interaktion bei bisherigen Tauschpartnern in der Regel durch Indifferenz (und nicht Opportunismus wie unter Konkurrenten) und einer nicht bzw. kaum vorhandenen Ziel-/Mittelverflechtung bestimmt wird911. Damit existieren in den meisten Fäl- len keine tief gehenden Ressentiments oder gar Gefühle der Feindseligkeit (vgl. Kapitel 3.2.2.1), was im Übrigen natürlich auch für Kooperationspartner gilt, mit denen bisher keinerlei marktliche Berührung bestand. Bezüglich der Auseinandersetzung mit den gegenseitigen Problemdefinitionen sowie den dahinter liegenden Wahrnehmungsmustern sind, genauso wie beim Umgang mit den Wissensbeziehungen, keine wesentlichen Unterschiede zum obigen Fall festzustellen. Das heißt, es kommt in keinem der Bereiche durch die statisch operative Ausprägung zu einer wirklichen Vertiefung der Kooperations- beziehung. Hieraus lassen sich deutlich Verharrungstendenzen hinsichtlich der Entwicklung der Einfluss- und Wissensbeziehungen ableiten, weswegen auch in diesem Fall von einer Kooperation bzw. einem sozialen System ohne Übergangsverhalten gesprochen werden kann (vgl. oben Kapitel 4.1.1). Ähnliches ist auch in Bezug auf die zwischenmenschlichen Verhaltensausprägungen festzustellen, was zur Folge hat, dass etwa ein tiefer gehendes, prozessbasiertes Vertrauen mit den hierfür benö- tigten Verhaltensgrundlagen hinsichtlich Synegoismus und intelligenten Kommunizierens (siehe Kapitel 3.2.4 ff.) im Rahmen dieser Kooperationsform nicht erforderlich ist. Demzufolge halten sich die (psychologischen) Verhaltensanforderungen an den Menschen in Grenzen bzw. lehnen sich an jene an, die dem Entwicklungsstand des Industriezeitalters entsprechen (vgl. Kapitel 1.1.2 und 1.3.1). Geht man im Weiteren auf die interorganisationalen Leistungsbeziehungen ein, so sind hier grund- sätzlich dieselben Ausprägungsformen vorzufinden wie im ersten Fall. Infolgedessen kommt es zwischen den Beteiligten eher zu einer sporadischen kooperativen Zusammenarbeit, ohne dass die Potenziale der IuK-Technologien hinsichtlich einer nachhaltigen, unternehmensübergreifenden Ver- besserung der Abläufe wirklich umfassend genutzt werden. Als Beispiel für eine solche Form vertikaler Zusammenarbeit ist neben den bereits erwähnten Bie- ter- und Anbietergemeinschaften auch die Kooperation zwischen einem Unternehmen und einem (elektronischen) Informationsbroker zu erwähnen. Dieser hält den Kooperationspartner per Fax oder auf elektronischem Weg bei Bedarf über vorab definierte Wissensgebiete auf dem Laufenden, während ersterer bei seinen Kunden für die Dienste des Informationsbrokers wirbt912. 909 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 10 f. 910 siehe bezüglich der Ausprägung der einzelnen Verhandlungslösungen nochmals Kapitel 3.2.3.2.2.3 911 vgl. Wurche (1994), S. 53 ff. 912 vgl. Hargadon/Sutton (2000), S. 47 ff. 244 4.2.2 Die Gefahr der wechselseitigen Übervorteilung sowie das Ausmaß der Zielerreichung Eine mögliche Übervorteilung ist bei dieser Art der Kooperation gänzlich auszuschließen, zum ei- nen wegen der eher oberflächlichen Form der Zusammenarbeit, die keinerlei informationskritische Bestandteile enthält und zudem ohne größere Investitionsverluste genauso schnell beendet wie be- gonnen werden kann. Zum anderen sei an die in der Regel bestehende indifferente Verhaltensweise zwischen den Koope- rationspartnern erinnert, die einem opportunistischen Verhalten nicht gerade Vorschub leistet, son- dern im Gegenteil durch die nicht vorhandene wettbewerbliche Vergangenheit einen eher fördern- den Einfluss auf die gesamte Kooperationsbeziehung ausübt. Letzteres hängt u.a. damit zusammen, dass wegen der mangelnden Konkurrenzbeziehung und der eingeschränkten Ziel-/Mittelverflech- tung generell das gegenseitige Misstrauen bzw. die Angst, durch opportunistische Verhaltensweisen etwa Marktanteile oder Kunden zu verlieren, längst nicht so ausgeprägt bzw. gar nicht vorhanden ist (siehe Kapitel 3.2.2.2). Mit Bezug auf den Zielerreichungsgrad kann erneut auf die Erkenntnisse aus dem ersten Fall ver- wiesen werden. Das heißt, zur kurzfristigen Erhaltung der Wettbewerbsposition ist diese Kooperati- onsform durchaus geeignet, unter der Voraussetzung, dass dies von allen Beteiligten auch so gese- hen wird. Problematisch wird es dann, wenn mit dieser Kooperationsform eine dauerhafte Verbes- serung der operationalen Effizienz erreicht werden soll oder gar strategische Ziele verfolgt werden (siehe oben Kapitel 4.1.3). Zu der mit der Zielerreichung eng verbundenen Diversität der Möglichkeiten ist zu sagen, dass die- se im vorliegenden Kooperationsfall allenfalls als theoretisches Konstrukt angesehen werden kann. So besteht zwar potenziell die Möglichkeit der Realisierung einer umfassenden Win-Win-Situation auf allen (Beziehungs-) Ebenen der Kooperation (siehe Kapitel 3.2.2.2), jedoch kann diese durch den statischen Charakter noch nicht einmal in Ansätzen umgesetzt werden. Somit ist auch hier eine umfassendere Nutzung der kooperativen Möglichkeiten eng mit der Frage verknüpft, inwieweit etwa durch das Schaffen einer unternehmensübergreifenden „Systemidentität“, verbunden mit einer entsprechenden Ausrichtung der hierzu erforderlichen Aktivitäten, und durch das Auflösen stabili- tätsfixierter Kopplungsbeziehungen eine Überwindung der statischen Kooperationsausprägung ge- lingt913. Dabei kann eine nicht vorhandene kompetitive Vergangenheit einen durchaus positiven Einfluss auf den weiteren Fortgang der Kooperation ausüben (siehe Kapitel 5.3.1). 4.3 Die operativ-dynamische Kooperationsform unter Zugrundelegung eines Konkurrenzverhältnisses Bei dieser Kooperationsausprägung kommt es, was das Konkurrenzverhältnis sowie den operativen Grundcharakter der Zusammenarbeit anbelangt, zu keinen großen Unterschieden im Vergleich zu dem bereits genannten Fall unter Konkurrenzbedingungen (siehe oben Kapitel 4.1). Der tragende Unterschied ist, dass sich die Beziehung dynamisch und nicht statisch verhält. Was dies wiederum konkret bedeutet, wird nachfolgend näher erläutert. Geht man zunächst auf die Folgen der Dynamisierung im Hinblick auf die Koordinations- und Ein- flussbeziehungen ein, so ist diesbezüglich generell anzumerken, dass zumindest ansatzweise eine 913 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 3 245 vertiefte (explizite oder implizite) Auseinandersetzung mit den gegenseitigen Problemdefinitionen und den entsprechenden Wahrnehmungsmustern stattfindet (vgl. Aussagen im Zusammenhang mit der Theorie der kollektiven Entscheidungsprozesse, Kapitel 3.2.3.2.2.2). Die Ergebnisse dieses "Hirnstrukturkopplungsprozesses" (vgl. Kapitel 2.4.2 ff.) fließen in die in- terorganisationalen Einscheidungsprozesse ein, die ihrerseits die Realisierung der entsprechenden Lösungen initiieren. Ähnliches gilt für die Wissensbeziehungen. Auch hier zeigt sich in einer ersten Näherung die Dy- namik darin, dass ein im Vergleich zu den obigen Fällen deutlich intensiverer Wissenstransfer statt- findet, der sowohl explizite als implizite Wissensbestandteile enthält (zum Wissenstransfer siehe Kapitel 3.2.3.2.3.4.2 ff.). Demzufolge kann man auch nicht mehr von einer eher fallweisen Kooperationsbeziehung sprechen, bei der die Beteiligten größtenteils weiterhin in ihrer "abgeschotteten eigenen Welt" leben, und es nur gelegentlich zu einer strukturierten, interorganisationalen Zusammenarbeit kommt. Es ist viel- mehr eine dauerhafte Kooperationsbeziehung mit regelmäßigen Informations- und Kommunikati- onsflüssen bzw. einer wechselseitigen Beziehungsaufnahme zu unterstellen914. Der Tiefgang dieser wechselseitigen Austauschprozesse sowie die Frage, inwieweit beim Vollzug der Entscheidungsprozesse eher integrative oder distributive Elemente eine entscheidende Rolle spielen sowie die entsprechende Ausprägung der dahinter liegenden Verhaltensgrundlagen, ist da- von abhängig, ob es den beteiligten Unternehmen gelingt, die in den einzelnen Beziehungsebenen liegenden Dynamisierungspotenziale vollständig oder nur teilweise zu nutzen. Dies liegt wiederum daran, ob von einer vollständig dynamischen oder bedingt dynamischen operativen Kooperation gesprochen werden kann (vgl. hierzu Kapitel 3.2.3.2.2.5 und 3.2.3.2.3.5 f.). 4.3.1 Die Nutzung der Dynamisierungspotenziale auf den einzelnen Beziehungsebenen in- nerhalb einer bedingt dynamischen Kooperation Betrachtet man zunächst die bedingt dynamische Variante, so ist zu sagen, dass zwischen den Ko- operationspartnern ein dauerhafter Austausch auf der Ebene der Koordinations- und Einflussbezie- hungen stattfindet. Dieser hat allerdings einen eher oberflächlichen Charakter, was sich beispiels- weise darin äußert, dass es zu keiner konsequenten Hinterfragung der wechselseitigen Problemdefi- nitionen und Wahrnehmungen sowie der entsprechenden Interdependenzen in Richtung einer mög- lichen Ausweitung der Beziehung kommt. Ein weiteres Zeichen bedingter Dynamik ist darin zu sehen, dass es die Kooperationsunternehmen allenfalls in Ansätzen schaffen, beim Vollzug der Entscheidungsprozesse, die oft den Charakter wechselseitiger Manipulationen annehmen915, auf integrative Lösungen zurückzugreifen (vgl. Kapi- tel 3.2.3.2.2.3). Stattdessen wird nach wie vor "hart verhandelt", beseelt von dem Wunsch alles un- ter Kontrolle zu haben, um die Chance auf ein mögliches opportunistisches Verhalten so klein wie möglich zu halten (vgl. Kapitel 3.2.2.1 sowie im Weiteren Kapitel 4.3.4). Infolgedessen kommt es natürlich auch innerhalb der Wissens- und Informationsbeziehungen da- hingehend zu Einschränkungen, dass zwar ein wechselseitiger Transfer von expliziten und implizi- ten Wissensbestandteilen erfolgt, dieser aber nur in Ausnahmefällen wirklich kritische implizite In- formationen (Stichwort Kernkompetenzen) umfasst. Darüber hinaus ist auch kein kontinuierlicher Austausch der Kernkompetenzen zu erkennen. 914 vgl. Robra (1976), S. 25 915 vgl. Baumgarten (1998), S. 169 246 Hieraus lässt sich ableiten, dass das wesentliche Manko darin zu sehen ist, dass es nicht zu einer nachhaltigen Vertiefung der einzelnen Beziehungsebenen kommt, sondern die Beteiligten lediglich „dauerhaft an der Oberfläche kratzen“. Damit gelingt es nur eingeschränkt, zu einer umfassenden Entwicklung der Dynamisierungspotenziale bzw. in Folge zu einem höheren Problemlösungspoten- zial und einer verbesserten Lern- und Wahrnehmungsfähigkeit zu kommen916. Für die Vertrauensbasis und die dahinter liegenden Verhaltensmuster bedeutet dies, dass sich ein wirkliches prozessorientiertes Vertrauen nur am Rande entwickelt und nach wie vor größtenteils auf eigenschaftsbasiertes und vor allem institutionelles Vertrauen, basierend auf Abmachungen und Verträgen, zurückgegriffen wird. Das heißt, jeder Beteiligte lebt nach wie zu großen Teilen in sei- ner eigenen Welt, gepaart mit dem Wunsch nach Sicherheit und Kontrolle sowie mit eigenen Zielen und Vorstellungen, die es so weit wie möglich durchzusetzen gilt, ohne sich wirklich ernsthaft mit der Situation bzw. den Sorgen und Nöten der jeweiligen Kooperationspartner auseinanderzusetzen. Demzufolge besteht eine klare Tendenz in Richtung egoistischer Verhaltensweisen, orientiert am eigenen Vorteil, welche allerdings etwas durch die in den Verhandlungslösungen gefundenen politi- schen Kompromisse und Abmachungen gezügelt werden. Somit kann in Anlehnung an Abb. 48, Kapitel 3.2.2.1 (Koordinations- und Interaktionsformen bei Konkurrenz und Coopetition im Vergleich) bezüglich der stabilisierenden Elemente, den Kommu- nikationswegen, den Steuerungsmechanismen oder aber dem Modus der Interaktion festgestellt werden, dass nach wie vor deutlich kompetitive Verhaltenweisen, wenn auch in abgeschwächter Form, an den Tag gelegt werden. Im Rahmen der politischen Tauschprozesse steht dabei weder der Austausch von Unterstützungsleistungen noch die Vereinheitlichung der Ziele im Mittelpunkt des Interesses, sondern lediglich die Kompromissbildung über divergierende Interessen917. Wirft man im Weiteren einen Blick auf die umfassend dynamische Kooperationsvariante, so hat dies einige einschneidende Konsequenzen bezüglich der interorganisationalen Beziehungsebenen. 4.3.2 Die Entwicklung der einzelnen Beziehungsebenen bei einer umfassenden dynamischen Kooperation und die darauf basierenden Verhaltensgrundlagen Bezüglich der Koordinations- und Einflussbeziehungen heißt dies, dass die an der Kooperation be- teiligten Unternehmen, im Gegensatz zu den eben geschilderten bedingt dynamischen kooperativen Ausprägungsformen, in der Lage sind, aus ihrem eigenen "engen Unternehmenskorsett" auszubre- chen. Infolgedessen beschäftigen sie sich deutlich über erste Ansätze hinaus mit den wechselseiti- gen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmustern aller Beteiligten918. Die Folge davon ist, dass es zu intensiveren Strukturkopplungsprozessen kommt, wodurch die im Falle der bedingten Dynamik vorherrschende Oberflächlichkeit, geprägt durch einen geringen ge- danklichen und inhaltlichen Tiefgang der Beziehung, ein Stück weit überwunden wird. Parallel da- zu ist ein zunehmender Gebrauch integrativer Entscheidungsprozesse festzustellen. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass einerseits auf der Basis von Misstrauen und gegenseitiger Distanz um jede Kleinigkeit zur Wahrung des eigenen Vorteils gerungen wird, dieselben Beteiligten aber ande- rerseits zu einem kontinuierlichen tieferen Gedankenaustausch sowie einer deutlich erkennbaren Überwindung der Inkommensurabilität der Lebens- und Sprachformen bereit sind919. 916 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 47 917 vgl. bezüglich des Konzeptes des politischen Tausches Traxler (1988), S. 269 ff. 918 siehe diesbezüglich nochmals die Aussagen zur Theorie der kollektiven Entscheidungsprozesse Kapitel 3.2.3.2.2.2 919 vgl. Kirsch (1992), S. 9 ff. 247 Dies kann in letzter Konsequenz sogar so weit führen, dass in Teilbereichen ganz auf Verhand- lungslösungen zu Gunsten einer regelbasierten Entscheidungsfindung verzichtet wird (vgl. Kapitel 3.2.3.2.2.4). Jener Tiefgang macht sich auch bei den Wissens- und Informationsbeziehungen bemerkbar, wobei insbesondere zu erwarten ist, dass sich der implizite Wissensaustausch in hohem Maße verstärkt. Dies hängt im Wesentlichen mit den intensiveren wechselseitigen Auseinandersetzungen im Rah- men der Koordinationsbeziehungen zusammen, wodurch es nahezu zwangsläufig zu einer vermehr- ten Übertragung von Handlungs- und Erfahrungswissen kommt. Gelingt es den Kooperationsunter- nehmen im Weiteren, diese Austauschprozesse zu institutionalisieren bzw. auf eine strukturierte Basis zu stellen, ist es durchaus angebracht, in Ansätzen von der Etablierung einer Lerngemein- schaft zu sprechen (siehe Kapitel 3.2.3.2.3.4.4 f.). Dies kommt letztlich in einer Lernfähigkeit zum Ausdruck, die sich in der Nutzung, Veränderung und Fortentwicklung der interorganisationalen Wissensbasis äußert920. Dieses trägt wiederum dazu bei, vorhandene Entwicklungshemmnisse in Form von Informationspathologien bzw. andere "internal and external constraints" zu überwinden (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3.5). Unabdingbare Voraussetzung für diese Form der Zusammenarbeit ist ein gegenseitiges Miteinan- der, welches sich deutlich von einem eher kompetitiven, opportunistischen Verhalten abgrenzt. Im Gegenteil, um eine solche dynamische Beziehung zwischen den einzelnen Kooperationspartnern zur Entfaltung zu bringen, ist es zwingend erforderlich, zu großen Teilen auf den Willen, alles und jedes bis ins kleinste Detail regeln zu wollen, auf Opportunismus und Rivalität sowie ein kurzfristi- ges Gewinnstreben zu verzichten. Stattdessen ist eine tief gehende, zumindest in Ansätzen syne- goistische Kommunikation, eine umfassende, freiwillige Ziel-/Mittelverflechtung, eine langfristige- re Perspektive und der Wille zur Erreichung einer wirklichen Win-Win-Situation an den Tag zu legen. Denn die hier beschriebenen Entscheidungsfindungs-, Wissens- bzw. Lernprozesse höherer Ordnung setzen nicht nur die Akzeptanz und (freiwillige) Beteiligung der Betroffenen voraus, son- dern sind „lediglich förderbar“, jedoch nie erzwingbar921. 4.3.2.1 Die Folgen für die der Kooperation zu Grunde liegenden Vertrauensbasis Vor dem Hintergrund der obigen Aussagen greift ein rein eigenschaftsbasiertes und institutionelles Vertrauen auf jeden Fall zu kurz. Stattdessen ist der Aufbau eines prozessbasierten Vertrauens not- wendig, welches sich im Laufe der Zeit im Rahmen einer zunehmend produktiveren Zusammenar- beit entwickelt (vgl. Kapitel 3.2.4.1 ff.). Die Kooperation zeichnet somit dadurch aus, dass es ihr über erste Ansätze hinaus gelungen ist, je- ne Herausforderung zu meistern, die in enger Verbindung mit der erwähnten Doppeldeutigkeit des Vertrauens steht (vgl. Kapitel 3.2.4.1.1). Das heißt, ihr gelingt es, das gerade vor dem Hintergrund der nach wie vor vorhandenen Wettbewerbssituation eher spärlich bzw. rudimentär vorhandene Vertrauen durch wechselseitige wiederholte und vertrauenserweckende Handlungen dahingehend zu vertiefen, dass sich im Zeitablauf ein zunehmend prozessbasiertes Vertrauen ausprägt. Damit geht einher, dass die Kooperationsunternehmen, ungeachtet ihrer Konkurrenzsituation, in der Lage sind, zumindest innerhalb des Kooperationsfeldes Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die an einem gemeinsamen Miteinander, wo alle gewinnen, statt einem Gegeneinander, wo nur einer ge- winnt, ausgerichtet sind922. 920 vgl. Pautzke (1989), S. 175 921 vgl. Pautzke (1989), S. 138 f. 922 Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 49 f. 248 An dieser Stelle leistet das oben erwähnte synegoistische Verhalten, basierend auf sozial intelligen- tem und sozial verantwortlichem Handeln und einer entsprechenden Kommunikation, einen wert- vollen Dienst. Denn dieses stellt letztlich die Basis dafür dar, in Abkehr des vielfach praktizierten egoistischen Verhaltens zu einem gemeinsamen Miteinander zu gelangen, bei dem der eine den anderen in der Erwartung unterstützt, dass ihm bei Notwendigkeit auch selbst geholfen wird. Somit spielt das Vorhandensein von synegoistischen Verhaltenprinzipien, untermauert durch re- gelmäßige Reflexionsbemühungen und einer Kommunikation der gegenseitigen Erwartungshaltun- gen sowie einer sozial intelligenten Konfliktlösung, eine wichtige Rolle (vgl. Kapitel 3.2.4.2 f.). Aus diesen Aussagen wird implizit deutlich, dass die Verhaltensanforderungen an den Einzelnen beträchtlich zunehmen und demzufolge die mechanistisch-rationalen Stellparameter des Industrie- zeitalters (das Unternehmen als triviale Maschine, der Mensch als zu optimierender Produktionsfak- tor etc.) in diesem Zusammenhang alles andere als praktikabel sind (siehe Kapitel 1.1.2 und 1.3.2 f.). Gefragt sind vielmehr sprachlich-kommunikative Fähigkeiten sowie solche, die in einem sozial in- telligenten und sozial verantwortlichen Handeln bzw. Verhalten zum Ausdruck kommen923. Hierbei darf als entscheidende Herausforderung nicht übersehen werden, dass von den Mitarbeitern, gerade vor dem Hintergrund des bestehenden Konkurrenzverhältnisses und in Abhängigkeit von dessen Intensität, teilweise Verhaltensweisen im zwischenbetrieblichen Umgang miteinander ver- langt werden, die genau das Gegenteil von dem verkörpern, was bisher praktiziert wurde. Dieses erfordert einen Mitarbeiter, der als „Verhaltenschamäleon“ agiert, der also in der Lage ist, gemäß einer imaginären Verhaltensskala von egoistisch-autokratisch bis hin zu synegoistisch-demokra- tisch, genau jenes Verhalten an den Tag zu legen, welches die jeweilige Situation erfordert924. Hieran lässt sich unschwer erkennen, welche enormen Anforderungen an das Verhalten des Einzel- nen innerhalb einer umfassend dynamischen Kooperationsentwicklung zu stellen sind. Dies ist ge- rade im Vergleich zu den erwähnten statischen, aber auch bedingt dynamischen Kooperationsaus- prägungen zu sehen, wo keine oder zumindest nicht tief greifende Änderungen bezüglich des inte- rorganisationalen Verhaltens erforderlich sind. 4.3.3 Die zu erwartenden Ergebnisse hinsichtlich der Leistungsbeziehungen Überträgt man obige Erkenntnisse auf die Ausprägung der (logischen) Leistungsbeziehungen bzw. Input-/Outputverflechtungen, hat dies eine Reihe wichtiger Konsequenzen zur Folge. Bei den dynamischen Kooperationsformen handelt es sich nicht mehr um eine gelegentliche Zu- sammenarbeit, bei der von Fall zu Fall mit den Kooperationspartnern unter Zuhilfenahme der tech- nischen Möglichkeiten im Bereich des E-Commerce auf den Spotmärkten Güter und Dienstleistun- gen bezogen werden. Die Input-/Outputverflechtungen zeichnen sich stattdessen durch eine deutlich höhere Komplexität und Intensität aus. Letzteres äußert sich beispielsweise darin, dass zwischen den beteiligten Partialsystemen ein regelmäßiger Austausch an Informationen und Gütern auf der Basis festgelegter Spielregeln erfolgt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn verschiedene Hersteller derselben Branche, parallel zu der bestehenden Konkurrenzsituation, im Rahmen einer horizontalen operativen Allianz mit oder ohne Zuhilfenahme eines Intermediary (siehe Kapitel 2.2.4 ff.) in regelmäßigen Abständen voneinander Teile beziehen oder austauschen, welche dann in die jeweiligen Produkte integriert werden. Oder es wird eine gemeinsame elektronische Handelsplattform ins Leben rufen, um mit Hilfe von E-Com- merce-Anwendungen die übergreifenden Ein- und Verkaufprozesse sowie die entsprechenden un- terstützenden Prozesse zu optimieren925 (siehe hierzu Kapitel 3.1.2.2.1). 923 vgl. Kastner (1999), S. 44ff., 58, 92. ff., 161 ff. 924 vgl. Kastner (1999), S. 126 f. 925 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 6 ff. und die dort aufgeführten Beispiele der Automobilindustrie 249 Handelt es sich bei der Implementierung dieser unternehmensübergreifenden Leistungsprozesse um einen mehr oder weniger einmaligen und abgegrenzten Vorgang, wodurch z.B. mit Hilfe eines In- termediary ein herstellerübergreifender Angebots- und Logistikprozess ins Leben gerufen wird, so steht dies für die Ausprägung einer bedingt dynamischen Kooperationsvariante. Das bedeutet, den Kooperationspartnern ist es auf der Leistungsebene gelungen, in einem definierten Bereich mittels des Einsatzes der IuK-Technologien die operationale Effizienz im Rahmen eines interorganisationa- len Projektes zu verbessern. Dabei stehen die erreichten Fortschritte den Beteiligten dauerhaft zur Verfügung, ohne dass es jedoch zu einer fundierten Weiterentwicklung des Bestehenden kommt. Hieraus geht implizit hervor, dass eine solche bedingt dynamische Kooperation auf Grund des ge- ringeren Tiefgangs der einzelnen Beziehungsebenen bzw. der fehlenden Nachhaltigkeit unter Um- ständen mit einem geringeren Faktoreinsatz auskommt. Dieses wirkt sich dann zwar positiv auf die Transaktionskosten aus, ist aber in jedem Fall negativ für den Zielerreichungsgrad (siehe unten Ka- pitel 4.3.4.1 und 4.3.5). Die dynamische Variante hingegen ist Sinnbild dafür, dass die an der Kooperation beteiligten Un- ternehmen in der Lage sind, einen unternehmensübergreifenden "ongoing transactional supply chain process"926 in Gang zu setzen und diesen auch kontinuierlich (selbsttragend) weiter zu entwickeln. Kennzeichen hierfür ist beispielsweise die Integration einer web-basierten Prozessabwicklung mit dem Ziel einer papier- und faxlosen Abwicklung der gesamten Kooperationsbeziehung oder aber, in Bezug auf die Einrichtung eines gemeinsamen elektronischen Marktplatzes, die sukzessive Aufwer- tung durch (operative) Mehrwerte im Bereich Logistik, Finanzierung und Informationsdienste (sie- he Kapitel 2.2.4.3). Eine solche dynamische Entwicklung, bei der die Felder der Zusammenarbeit auf der Leistungsebe- ne kontinuierlich ausgeweitet werden, lässt sich auch sehr gut durch die folgende Abbildung illus- trieren927: Abb. 52: Die einzelnen Wertschöpfungsschichten: Vom Austausch bis zum Hub 926 vgl. Hamel (1991), S. 83 ff. 927 entnommen aus Phillips/Meeker (2000), S. 47 250 Die Basis dessen, dies sei hier nochmals ausdrücklich unterstrichen, sind natürlich entsprechende Erkenntnisse im Rahmen der (dynamischen) Koordinations- und Wissensbeziehungen, da sich die Leistungsprozesse nie aus sich selbst heraus, sondern immer auf der Grundlage jener entwickeln. Somit werden im Rahmen einer umfassenden dynamisch-operativen Kooperation zwischen zwei oder mehreren Konkurrenzunternehmen nicht nur die jeweiligen intellektuellen Ressourcen weit mehr genutzt als bei der beschränkt dynamischen Variante, sondern zusätzlich werden auch die technologischen Möglichkeiten weit intensiver zur Anwendung gebracht (verbunden mit einem hohen Anfangsinput an materiellen und immateriellen Ressourcen). Vor diesem Hintergrund kann man in diesem Fall von einer dynamischen, horizontalen, operativen Allianz sprechen, welche sich sehr gut zu einer dauerhaften und nachhaltigen Verbesserung der operationalen Effizienz eignet. Sie erweist sich im Nachhinein gerade nicht als einmaliges Strohfeuer, sondern verschafft den Koopera- tionsunternehmen dauerhaft Vorteile928. Dies trägt dann wiederum dazu bei, die Wettbewerbsfähig- keit der Unternehmen mittel- bis langfristig zu stabilisieren bzw. beizubehalten (siehe auch unten zur Zielerreichung). Des Weiteren darf nicht übersehen werden, dass dieser Kooperationsvariante ein bedeutendes Ein- sparpotenzial an Transaktionskosten zu Grunde liegt, da zunehmend auf vorhandene und ausgereifte Entscheidungs- und Wirkungsmechanismen zurückgegriffen werden kann und die Systemsichten der Beteiligten zumindest zum Teil bekannt sind. Dadurch wird es ermöglicht, ansatzweise auf eine regelbasierte Koordination zurückgreifen zu können, indem etwa bei neu anstehenden Entscheidun- gen keine intensiven Vertragsverhandlungen durchgeführt oder Grundsatzentscheidungen getroffen werden müssen, sondern auf dem Bestehenden aufgebaut werden kann. Dies unterscheidet im Übrigen die dynamische Kooperationsausprägung fundamental von der ein- geschränkt dynamischen, bei der solche Lernprozesse nicht oder nur in sehr rudimentärer Form zu erwarten sind. Schließlich birgt die (umfassend) dynamische Variante auf mittlere Sicht die große Chance in sich, durch die zunehmende Stabilisierung und Vertiefung der Zusammenarbeit, eng verbunden mit ei- nem zunehmenden prozessbasierten Vertrauen sowie daraus resultierend einer gesteigerten integra- tiveren Entscheidungsfindung, die gesamten Kooperationsbeziehungen auf ein höheres strategisches Niveau zu heben (siehe diesbezüglich Kapitel 5.2.2.1). 4.3.4 Die wechselseitige Übervorteilung als ernst zu nehmende Gefahr, die erfolgreichen dynamischen Kooperationsbemühungen in Frage zu stellen Insbesondere bei der umfassend dynamischen Variante liegen die Chancen und Risiken eng beiein- ander. Dabei ist ein nicht zu unterschätzendes, lediglich auf den zweiten Blick erkennbares Risiko, dass die oben beschriebene dynamische Entwicklung dann gebremst bzw. eingedämmt wird, wenn einer der beteiligten Partner mit einem weiteren dynamischen Fortschreiten der Kooperation die Gefahr verbindet, mögliche Kernkompetenzen929 an die beteiligten Unternehmen weiterzugeben bzw. dar- aus die Besorgnis ableitet, übervorteilt zu werden. Somit besteht die paradoxe Situation bzw. Be- drohung, dass die an der Kooperation beteiligten Unternehmen Opfer ihres eigenen Erfolges wer- den. Dies ist dahingehend zu interpretieren, dass mit der zunehmenden Entwicklung und dem damit ver- bundenen Ausbau der Beziehung auch eine dementsprechende implizite Wissensübermittlung und 928 vgl. Warnecke (1999), S. 18 929 siehe bezüglich des Zusammenhang zwischen dem Aufbau von Kernkompetenzen und dem Erlangen von Wettbewerbsvorteilen Kapitel 3.1.3.2 251 -genese einhergeht. Dies geht in der Regel so lange gut, wie alle beteiligten Partner bezüglich ihrer Problemdefinitionen halbwegs auf einer Linie liegen (Stichwort Inkommensurabilität der Kontex- te), und keiner der Beteiligten bezüglich der aus den Entscheidungen folgenden Interdependenzen für sein Unternehmen eine Schieflage oder Gefahr heraufkommen sieht. Letzteres ist hingegen um so eher der Fall, je mehr die Kerngeschäfte eines Partners involviert sind und dieser folglich entweder versuchen wird, einen dominierenden Einfluss auf die Entscheidungs- findung auszuüben oder aber das ganze Projekt in seiner Dynamik zu bremsen930. Dieser Prozess wird auf Grund der Konkurrenzsituation dadurch verschärft, dass es, je nach implizi- ter Ausprägung des Wettbewerbsgedankens zwischen den Partialsystemen, bereits in einem ver- hältnismäßig frühen Kooperations-Stadium zu oben beschriebener Entwicklung kommen kann (vgl. Kapitel 3.2.2.1 f.). Dies muss dann im Zweifelsfall nicht wirklich etwas mit tangierten Kernkompe- tenzen zu tun haben, sondern kann ebenso einer präventiven Vorsicht aus reinem Selbstschutz ent- springen. Je früher demnach der beschriebene Effekt bei einer Kooperation eintritt, desto eher ist auf diese Weise mit einer Einengung der Diversität der Möglichkeiten zu rechnen. Des Weiteren darf mit Bezug auf eine umfassend dynamische Kooperation auch nicht übersehen werden, dass sowohl die Faktorspezifität als auch die Plastizität der Ressourcen einige Gefahren in sich bergen, übervorteilt zu werden. Dieses hängt damit zusammen, dass die im Zeitablauf getätigten Investitionen, seien sie intellektu- eller oder materieller Art, durchaus beachtliche Dimensionen annehmen können931 und sich insbe- sondere die Nutzung des übermittelten Know-hows nahezu vollständig der Kontrolle des informie- renden Unternehmens entzieht. Hieraus können durchaus Ressentiments entspringen, ob denn der eigene finanzielle Beitrag tatsächlich gerechtfertigt ist und der Nutzen noch im richtigen Verhältnis zum Ertrag steht bzw. ob der Abfluss des intellektuellen Kapitals wirklich mit dem im Einklang steht, wovon man profitiert. Dabei wird die Situation noch dadurch erschwert, dass die Kooperation im Zweifelsfall nicht ohne höhere Verluste (getätigte materielle und intellektuelle Investitionen) bzw. Folgekosten (Transaktions- und Installationskosten bei der Suche nach einer Ersatzlösung) beendet werden kann. Andererseits bietet dieser Kooperationstyp die Chance, durch die zumindest ansatzweise an den Tag gelegten synegoistischen Verhaltensweisen die eben aufgezeigten Problemlagen präventiv in den Griff zu bekommen. Das bedeutet, dass die Beteiligten durch eine permanente Synchronisation ihrer Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster solche Situationen möglichst frühzeitig, sprich proaktiv identifizieren und dann versuchen, diese mittels einer sozial intelligenten Kommunikation und einem entsprechenden Konfliktmanagement zum Wohl aller Beteiligten konsensuell aus der Welt zu schaffen932 (vgl. auch Kapitel 3.2.4.2.3). Außerdem besteht darüber hinaus die Option, die gesamte Kooperation bewusst in Richtung einer strategischen Allianz weiterzuentwickeln, wobei willentlich und wissentlich unter Einsatz der je- weiligen (Kern-) Kompetenzen an dem Aufbau von langfristigen Wettbewerbsvorteilen gearbeitet wird (siehe hierzu Kapitel 5.2.2). Sollten beide Varianten nicht funktionieren, bleibt letztendlich noch die Möglichkeit, innerhalb der etablierten Verhandlungs- und Abstimmungsprozesse auf die Einsichts- und Kompromissfähigkeit der Beteiligten zu hoffen und auf diese Weise im Nachgang, also reaktiv, zu einer Problemlösung, im Sinne eines Kompromisses zu kommen. Hierbei ist allerdings sorgfältig darauf zu achten, dass kein „Kuhhandel“ dabei herauskommt, der bei den Beteiligten unterschwellig das Gefühl einer un- ausgewogenen Konfliktbewältigung erzeugt und somit das Gefühl der Feindschaft, Ohnmacht oder Ansinnen auf Rache fördert, Gefühlszustände, die gerade im Hinblick auf die parallel existierende Konkurrenzsituation nicht unbedingt leistungsfördernd sind933. 930 vgl. Baumgarten (1998), S. 170 931 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 77 ff. 932 vgl. Baron (1983), S. 402 f. 933 vgl. Baron (1983), S. 403 ff. 252 4.3.4.1 Der Grad einer möglichen Übervorteilung innerhalb der bedingt dynamischen Ko- operationsausprägung Bei der bedingt dynamischen, operativen Kooperation besteht weit weniger die Gefahr, dass die Kooperation Opfer ihres eigenen Erfolges wird, sondern mögliche opportunistische Verhaltenswei- sen sind eher einem unzureichenden Zielerreichungsgrad (siehe hierzu ausführlich den folgenden Abschnitt) zuzurechnen. Die tatsächliche Ausprägung einer möglichen wechselseitigen Übervortei- lung ist neben der Zielerreichung auch von dem Ausmaß der investierten Ressourcen abhängig, welche im Unterschied zu der umfassend dynamischen Variante durchaus um einiges niedriger lie- gen können, aber nicht müssen. Auf dieser Basis lassen sich im Wesentlichen drei Fälle unterscheiden, die jeweils eine unterschied- liche Tragweite an gegenseitiger Übervorteilung in sich bergen. Der erste Fall ist hinsichtlich des Fortbestandes der Kooperation bzw. möglicher opportunistischer Verhaltensweisen der gefährlichste. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die beteiligten Kooperati- onsunternehmen auf der Basis hoher getätigter Vorinvestitionen (z.B. zur Einrichtung eines unter- nehmensübergreifenden Supply Chain Managements oder eines elektronischen Marktplatzes) mit dem bisher erreichten Ergebnis mehr als unzufrieden sind und somit der Aufwand in keinem Ver- hältnis zum Ertrag steht. In einer solchen Situation, welche ggf. noch durch das zusätzlich existie- rende Wettbewerbsverhältnis verschärft wird, besteht die große Gefahr, dass die Kooperationsun- ternehmen, in Abkehr von ihren „ersten integrativen Verhaltensansätzen“, wieder auf jene Interak- tionsmittel zurückgreifen, die sie in der Vergangenheit reichlich gegeneinander eingesetzt haben, nämlich Rivalität und Opportunismus, mit dem Ziel, auf Kosten anderer Vorteile zu erzielen. Ge- lingt es vor diesem Hintergrund nicht, zu einer „deutlichen Dynamisierung“ der Beziehungsebenen zu kommen, droht das unweigerliche Aus der Kooperation, verbunden mit bisweilen enormen Fol- gekosten. Somit ist in diesem Fall der Misserfolg (und nicht der Erfolg) die Grundlage der Bedro- hung bzw. einer möglichen Beendigung der Kooperation. Ist hingegen von einer deutlich geringeren Vorinvestition auszugehen, bietet sich, auch bei allge- meiner Unzufriedenheit über die erreichten Ergebnisse, eine wesentlich geringere gegenseitige An- griffsfläche, da für die Beteiligten bei weitem nicht so viel auf dem Spiel steht. Infolgedessen ist auch die Gefahr der Übervorteilung als deutlich geringer einzuschätzen, einmal wegen der eher geringen Faktorspezifität der Ressourcen sowie einer zumindest ansatzweise über- schaubaren und kontrollierbaren Plastizität der Ressourcen. Im Übrigem besteht in diesem Fall na- hezu jederzeit die Möglichkeit, die Kooperation ohne höhere Verluste und Folgekosten (kein hoher Invest, Beschränkung auf operative Bereiche) zu beenden. Sollte es allerdings tatsächlich zu opportunistischen Verhaltensweisen allein schon durch die unzu- reichenden Ergebnisse kommen, besteht durch die eingeschränkte Ausprägung der (psychologi- schen) Beziehungsebenen (im Gegensatz zur umfassend dynamischen Variante) nicht die Möglich- keit, diese mittels eines synegoistischen Verhaltensrepertoires abzufedern bzw. umzukehren. Im Gegenteil, je nach Tragweite besteht das Risiko, dass die gesamte Situation, noch zusätzlich ver- stärkt durch das bestehende Wettbewerbsverhältnis, eskaliert, mit der Folge einer raschen Beendi- gung der Kooperation. Der dritte denkbare Fall betrifft jene Situation, in der die Beteiligten, unabhängig vom Ausmaß der getätigten Investitionen, mit dem erreichten verbesserungswürdigen Zustand zufrieden sind. Demzufolge besteht natürlich auch für die Kooperationspartner kein unmittelbarer Anlass „das Er- reichte“ durch ein ausgeprägtes opportunistisches Verhalten zu gefährden. Die Gefahr besteht je- doch darin, dass, auch vor dem Hintergrund einer sich schnell ändernden Welt (vgl. Kapitel 3.1.2 ff.), die Ergebnisse zumindest mittelfristig hinter den Erwartungen zurückbleiben. Somit droht ein 253 schleichender Erosionsprozess, der die Kooperation durchaus in ihrem Bestand gefährden kann, sofern es den Beteiligten nicht gelingt, rechtzeitig gegenzusteuern. Dabei spielt es letztlich in allen drei Fällen eine entscheidende Rolle, inwieweit die beteiligten Un- ternehmen im Krisenfall in der Lage sind, in Abkehr der normalerweise gebräuchlichen Wettbe- werbsmechanismen zu einer gütlichen (synegoistischen) Einigung zu kommen, die den Fortgang der Kooperation sichert und den Beteiligten hilft, dauerhaft attraktive (operative) Nutzenpotenziale zu erschließen934 (siehe diesbezüglich im Weiteren Kapitel 5.2.2 f.). 4.3.5 Der Zielerreichungsgrad bei der dynamischen und der bedingt dynamischen Koopera- tionsausprägung Die umfassend dynamische Kooperationsform bietet zweifelsohne den höchsten Zielerreichungs- grad. Dieser ist allerdings, wie beschrieben, entscheidend davon abhängig, ob die Kooperations- partner es schaffen, die in den jeweiligen Beziehungsebenen schlummernden Dynamisierungspo- tenziale auch wirklich zu nutzen sowie die Herausforderungen im Zusammenhang mit einer mögli- chen Übervorteilung zu meistern. Hierbei gilt, je besser die interorganisationale Zusammenarbeit bei den Koordinations- und Wis- sensbeziehungen auf der Basis eines prozessbasierten Vertrauens und einem entsprechenden syne- goistischen Verhalten ist, desto eher wird die Kooperation in der Lage sein, die sich bietenden Mög- lichkeiten der IuK-Technologie auf der Leistungsebene voll auszuschöpfen (vgl. Kapitel 2.2.1 ff. und 3.1.2.2 ff.). Weiterhin wird sie die anfänglich teilweise beträchtlichen Transaktionskosten (Partnersuche, Festlegung von Anwendungsszenarien, Synchronisation der Prozesse, Vergabe und Verwaltung von Nutzungsrechten, etc.) im Laufe der Zeit senken bzw. durch Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen kompensieren können. Am Rande sei daran erinnert, dass zur Realisierung einer dauerhaften und nachhaltigen Verbesse- rung der operationalen Effizienz, im Gegensatz zu einem Engagement auf Spotmärkten (vgl. die Aussagen zu den statischen Kooperationsausprägungen), ein wesentlich höherer Anfangsaufwand (Stichwort Faktorspezifität) erforderlich ist. Dieser ist wiederum verbunden mit deutlich höheren Unsicherheitsfaktoren (Plastizität der Ressourcen, keine umfassende Kontrollmöglichkeit, schwie- rige Erfolgsermittlung und teilweise langwierige Erfolgseinstellung). Ein weiterer wesentlicher Punkt hinsichtlich der gewünschten Zielerreichung ist, dass die Koopera- tionsunternehmen das Kooperationsfeld deutlich von dem nach wie vor existierenden Wettbewerbs- umfeld abgrenzen. Je besser dies gelingt, desto eher sind auch mögliche Gefahren einer gegenseiti- gen Übervorteilung bzw. Ängste, dass die ausgetauschten impliziten Wissensbestandteile gleichzei- tig im Wettbewerb gegeneinander eingesetzt werden könnten, in den Griff zu bekommen (vgl. oben Ausführungen zur Übervorteilung). Letzteres bedeutet, dass sich die beteiligten Partialsysteme über die eingeschränkte Diversität der Kooperationsmöglichkeiten bewusst sind und von vornherein ak- tiv daran arbeiten, eventuell mögliche Konfliktherde gar nicht erst entstehen zu lassen und somit einer Gefährdung der erfolgreichen Zusammenarbeit vorzubeugen. Dies bedeutet im Idealfall, dass die eingeschränkte Nutzung aller sich im Rahmen der Kooperation bietenden Möglichkeiten im Wesentlichen auf die bestehende Wettbewerbssituation zurückzuführen ist, in der es per se keine Win-Win-Situation geben kann. Somit kommt es potenziell nur im Be- reich des Wettbewerbsumfeldes zu einer Einschränkung der Diversität der Möglichkeiten. 934 vgl. Pümpin (1991), S. 252 f. 254 Ferner ist es von großer Bedeutung, dass zwischen den Kooperationsunternehmen zu großen Teilen eine Zielkonformität dahingehend besteht, dass die nachhaltige Verbesserung der operationalen Effizienz sowie die Stabilisierung der Wettbewerbsposition im Mittelpunkt der kooperativen Be- mühungen steht. Dies ist deswegen wichtig, damit von vornherein keine falschen Erwartungshal- tungen mit entsprechenden Irritationen aufkommen. Mit solchen Irritationen ist z.B. dann zu rech- nen, wenn einer der Kooperationspartner beabsichtigt, mittels dieser Kooperationsform eher strate- gische Ziele zu verfolgen. Denn obwohl die hier analysierte Kooperationsform sicherlich eine wün- schenswerte bzw. notwendige Basis zur Erreichung strategischer Ziele darstellt, kann sie keinesfalls als hinreichend bezeichnet werden (siehe hierzu die Kapitel 4.5 und 4.8 ff.). Abschließend ist in Bezug auf die bedingt dynamische Kooperationsform anzumerken, dass hier- durch zwar einerseits durchaus operationale Verbesserungen bei den zwischenbetrieblichen Abläu- fen zu verwirklichen sind (und dies im Idealfall mit einer geringeren Vorinvestition), es hingegen deutlich an einer dauerhaften und nachhaltigen Verbesserung mangelt. Demzufolge gelingt es nicht oder nur sehr eingeschränkt, einen kontinuierlichen interorganisationalen Verbesserungsprozess zu initiieren, der nicht nur die gefundenen Lösungen ständig hinterfragt, sondern auch versucht, neue Felder auf dem Gebiet der operationalen Zusammenarbeit zu erschließen. Hierdurch besteht in den heutigen "dynaxischen Zeiten"935 die Gefahr, dass die einmal kurzfristig erreichten Erfolge schnell obsolet werden und die Kooperationsunternehmen, statt systematisch auf dem Bestehendem aufzu- bauen und dieses kontinuierlich weiterzuentwickeln, ständig von vorn anfangen, ohne von den Vor- teilen einer nachhaltigen Entwicklung profitieren zu können936. Durch die mangelhafte Zielerreichung, eventuell noch verstärkt durch eine nicht vorhandene Ziel- konformität und die damit verbundenen enttäuschten und divergierenden Erwartungen, kann es zu unnötigen Reibereien zwischen den Kooperationspartnern kommen. Dieses kann im Extremfall die Kooperation in ihrer Zielerreichung nicht nur weiter zurückwerfen, sondern im Zweifel in ihrem ge- samten Bestand gefährden. Infolgedessen beruht die Einschränkung der Diversität der Möglichkeiten in diesem Fall nicht in erster Linie auf der bestehenden Wettbewerbssituation, sondern hängt unmittelbar mit "den stati- schen Elementen" innerhalb der Kooperation zusammen. Es stellt sich hier im Grunde weniger das Problem, dass ein Zuviel an übertragenem impliziten Wissen die eigene Wettbewerbsposition ge- fährdet, sondern dass die ungenügende Dynamik eher für ein Zuwenig an generiertem und übertra- genem implizitem Wissen verantwortlich ist. Somit ist auch die Abgrenzungsproblematik weniger kritisch zu sehen, da nicht davon auszugehen ist, dass die relativ schwach ausgeprägten Koordinations- und Wissensbeziehungen eine ernste Ge- fahr in dem Sinne darstellen, dass die daraus hervorgehenden Erkenntnisse in großem Umfang im direkten Wettbewerb gegeneinander eingesetzt werden. Schließlich bleibt festzuhalten, dass dieser, auf einer bedingten Dynamik basierende Kooperations- typ, eine mögliche Erklärung dafür ist, warum so viele Kooperationen scheitern oder nicht die ge- wünschten Ergebnisse bringen. In diesem Zusammenhang sind jene zahllosen, vollmundig angekündigten strategischen Allianzen zu erwähnen, die nicht über erste operative Ansätze hinausgekommen sind bzw. denen es auch im operativen Bereich nicht gelungen ist, zu einer wirklich nachhaltigen Verbesserung zu gelangen. Diesbezüglich ist dann nicht selten zu beobachten, dass die anfänglich erkennbaren Dynamiken verpuffen, alles beim Alten bleibt und die Unternehmen nach der Kooperation nicht unbedingt bes- ser dastehen als vorher, sondern eher um einiges an negativen Erfahrungen reicher geworden sind937 (siehe auch Kapitel 4.7.3). 935 vgl. Kastner (1998a), S. 19 f. 936 vgl. Röhrle (1990), S. 13 937 vgl. Bleeke/Bull-Larsen/Ernst (1992), S. 108 ff. sowie Hirn/Krogh (1992), S. 268 255 4.4 Die operativ-dynamische Kooperationsform ohne bestehendes Konkur- renzverhältnis Bezüglich der operativen Ausprägung und dem nicht bestehenden Konkurrenzverhältnis ist bereits in den vorherigen Abschnitten das Wesentliche gesagt worden, daher sollen an dieser Stelle die da- mit verbundenen Zusammenhänge nicht weiter vertieft werden. Entscheidend ist, wie im vorhergehenden Fall, dass es sich um eine operativ-dynamische Ausprä- gung mit unterschiedlichen Facetten handelt, woraus sich wiederum einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede im Vergleich zu einer entsprechenden Kooperation unter Konkurrenzbedingun- gen ableiten lassen. Schaut man sich dementsprechend zuerst die Koordinations- und Wissensbeziehungen an, so ist in Bezug auf die Dynamisierung grundsätzlich von denselben Ausgangsbedingungen hinsichtlich der Intensivierung der Kooperationsbeziehung auszugehen, wie oben analysiert. Das bedeutet, es kommt im Vergleich zu dem statischen Fall nicht nur zu einer systematischeren und tiefer gehenden Zusammenarbeit, sondern diese unterliegt zudem einer Dauerhaftigkeit bzw. Regelmäßigkeit, wel- che in einem kontinuierlichen Daten- bzw. Informationsfluss zum Ausdruck kommt. Somit ist eine andauernde Bereitschaft der Beteiligten erkennbar, ihre Handlungen aufeinander abzustimmen938. Deren Intensität bzw. die dahinter liegenden Konstellationen in Bezug auf die Tiefe der Bezie- hungsebenen sowie die Ausprägung der hierfür erforderlichen Verhaltenspotenziale ist erneut eine Frage des Dynamisierungsgrades, sprich inwieweit die Kooperation den Ansprüchen einer dynami- schen oder lediglich eingeschränkt dynamischen Variante genügt. 4.4.1 Die Ausprägung der Koordinations- und Wissensbeziehungen sowie der Verhaltens- grundlagen in Bezug auf eine bedingt dynamische Kooperation Die bedingt dynamische Entwicklung zeichnet sich in erster Linie, in Anlehnung an oben Gesagtes, durch ein hohes Maß an Oberflächlichkeit in den Koordinations- und Wissensbeziehungen aus. Es gelingt zwar durchaus, einen fortlaufenden Austauschprozess zu initiieren, dieser ist aber weder durch besonders integrative Elemente im Rahmen der interorganisationalen Entscheidungsprozesse gekennzeichnet (etwa nach dem Motto: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser), bei denen die wech- selseitigen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster in regelmäßiger Weise im Blickpunkt der Betrachtung stehen. Noch mündet er in einen institutionalisierten Austausch von implizitem Wissen oder gar Kernkompetenzen (vgl. Kapitel 4.3.1). Damit ist als wesentliche Parallele zum vorstehenden Fall festzustellen, dass es allenfalls zu einer eingeschränkten Entwicklung der einzelnen interorganisationalen Beziehungsebenen kommt. Dem- zufolge lässt auch das Erschaffen von Nutzen und Problemlösungspotenzialen (auf der Basis einer entsprechenden Wissensbasis) zu wünschen übrig. Dies bedeutet wiederum für die in Abbildung 49, Kapitel 3.2.2.2 (Koordinations- und Interaktions- formen bei Tausch und Kooperation im Vergleich) aufgezeigten unternehmensübergreifenden In- teraktionsmerkmale, dass etwa innerhalb des Interaktionsmodus, der Akteursentscheidung, der Mo- tive, des Steuerungsmediums oder der Konfliktbewältigung davon auszugehen ist, dass durchaus noch indifferente Verhaltensweisen, autonom gefällte Entscheidungen, eigenständiges Erfolgsstre- ben oder aber hartes Verhandeln zur Konfliktbewältigung bzw. Durchsetzung der eigenen Interes- sen an den Tag gelegt werden. 938 vgl. Wurche (1994), S. 51 f. 256 Infolgedessen ist ein wirkliches prozessbasiertes Vertrauen eher unterentwickelt bzw. nicht vorhan- den. Die Kooperation zehrt mehr oder weniger von dem bereits anfänglich vorhandenen Vertrau- ensvorschuss, basierend auf einem eigenschaftsbasierten oder institutionellen Vertrauen, ohne die- ses sukzessive auszubauen bzw. zu vertiefen. Daher ist auch ein lediglich eingeschränktes synegoistisches Verhalten im Umgang miteinander zu erwarten, geprägt durch eine höchstens ansatzweise vorhandene Sozialkompetenz sowie einer nicht überdurchschnittlich ausgeprägten Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. Folglich ist auch in diesem Fall davon auszugehen, dass es zu keiner wirklichen Synchronisation der divergierenden Interessen kommt, sondern die Kooperationsbeziehung sich allenfalls als ein Nebeneinander, manchmal als ein Gegeneinander, aber keinesfalls als ein Miteinander, im Sinne einer freiwilligen Ziel-/Mittelverflechtung innerhalb einer auf Komplementarität, Reziprozität und Interdependenz basierten „zone of difference“, charakterisieren lässt939 (vgl. auch Kapitel 3.1.1.3). 4.4.1.1 Die sich aus der umfassend dynamischen Kooperationsform ergebenden Folgen be- züglich des Entwicklungsstandes der Beziehungsebenen Schwenkt man im Weiteren auf die umfassend dynamische Kooperationsform über, so ist zu sagen, dass es innerhalb der einzelnen (psychologischen) Beziehungsebenen genau zu dem Tiefgang kom- mt, der in Bezug auf die bedingt dynamische Ausprägung als größtes Manko erkannt wurde. Dabei sind im Grunde bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung der Koordinations- und Wissensbe- ziehungen keine größeren Abweichungen zu dem obigen kompetitiv-dynamischen Fall festzustellen (vgl. Kapitel 4.3.2). Bezüglich der dahinter liegenden Verhaltensausprägungen ist allerdings anzumerken, dass die An- forderungen an den Einzelnen zwar durchaus als hoch anzusehen sind, auf Grund der nicht vorhan- denen wettbewerblichen Vergangenheit (und Gegenwart) die Mitarbeiter aber weniger vor der Her- ausforderung stehen, „den Rivalen plötzlich als Freund und Helfer“ zu betrachten und dies auch noch im täglichen kooperativen Miteinander zum Ausdruck zu bringen. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass Unternehmen, die in einem normalen Kunde/Lieferantenverhältnis zueinander stehen, zwar nicht unbedingt gleichzeitig als Freund und Partner angesehen werden können, jedoch auch eine ausgeprägte Rivalität mit allen damit verbundenen Konsequenzen eher der Ausnahmefall ist (vgl. Kapitel 3.2.2 ff.). Infolgedessen erscheinen die erforderlichen Entwicklungsschritte in Bezug auf jene Verhaltens- grundlagen, die eine umfassend dynamische Ausprägung der Koordinations- und Wissensbeziehun- gen erst ermöglichen, weniger tief greifend und radikal. Sie sind eher als vernünftige Fortentwick- lung (von der Indifferenz zum Synegoismus, vgl. Kapitel 3.2.2.2) des Bestehenden zu sehen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass auf dem Weg in Richtung eines integrativen Miteinan- ders weniger Beharrungskräfte und Widerstände zu überwinden sind, weil bei bereits bestehenden Beziehungen ohne parallele Konkurrenzsituation davon auszugehen ist, dass diese durch weniger (bisweilen feindlich gesinnte) Auseinandersetzungen und damit verbundene Nullsummenspiele ge- prägt sind. Für die Kooperation ergibt sich daraus zumindest potenziell der große Vorteil, dass bereits in einem sehr frühen Stadium der integrativen und dynamischen Zusammenarbeit damit begonnen werden kann, erkenntnis- und konsensorientierte Aktivitäten, verbunden mit dem sukzessiven Aufbau einer mehr regelbasierten Koordination, zur Grundlage des täglichen Miteinanders zu machen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Zeit, die benötigt wird, um von einer mehr kontroll- zu einer eher 939 vgl. Jansen (2000), S. 51 ff. 257 vertrauensbasierten Zusammenarbeit zu kommen, bei Unternehmen, die bisher eher ein (indifferen- tes) Kunden-/Lieferantenverhältnis auszeichnete, in der Regel geringer ist, als bei solchen, die im Wettbewerb miteinander stehen und von denen plötzlich Verhaltensweisen verlangt werden, die dem konkurrenzbasierten Geschäftsleben teilweise diametral entgegenstehen940 (vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.2.1). Dadurch besteht die Möglichkeit, bei einer entsprechenden Ausrichtung der Koordinations- und Wissensbeziehungen ungleich früher zu einem wirklichen dynamischen und nachhaltigen Mitein- ander zu gelangen. Die positiven (Neben-) Effekte sind darin zu sehen, dass Transaktionskosten schneller abgebaut werden, die Entwicklung der Leistungsbeziehungen in Richtung Integration zu- sätzlicher Aufgaben bzw. Prozessschritte schneller vorankommt und somit dafür gesorgt wird, dass die erwünschten Leistungssteigerungs- sowie Kosteneinsparungseffekte zu einem früheren Zeit- punkt realisiert werden können. Letzteres erweist sich als ein nicht zu unterschätzender Vorteil, gerade vor dem Hintergrund, dass der Faktor Zeit zu einer immer entscheidenderen Waffe im Wett- bewerb wird941. 4.4.2 Die Entwicklung der unternehmensübergreifenden Leistungsbeziehungen In diesem Zusammenhang ist erneut anzumerken, dass von einem Übergang von einer eher fallwei- sen, bedarfsbezogenen Zusammenarbeit hin zu einer kontinuierlichen, institutionalisierten und dem- entsprechend komplexeren Form auszugehen ist, wobei den Leistungsbeziehungen ein regelbasier- ter Austausch von Informationen und Gütern zugrunde liegt. Es handelt sich hier dementsprechend im Sinne von Phillips/Meeker um "repeat buys" anstelle von "spot buys" innerhalb einer eher sta- tisch ausgerichteten Kooperation942. Im Gegensatz zu einer Kooperation auf Basis einer Wettbewerbssituation geht es jetzt um Bezie- hungen zwischen Herstellern und Zulieferern bzw. Abnehmern im Sinne einer vertikalen Verknüp- fung von zwei oder mehr Unternehmen derselben oder auch unterschiedlicher Branchen und nicht mehr um eine horizontale Kooperation zwischen Konkurrenten (vgl. Aussagen Kapitel 3.1.1 f.). Mit Bezug auf den hier diskutierten Fall heißt dies z.B., dass ein Hersteller von einem Zulieferer unter Zuhilfenahme eines Intermediary in regelmäßigen Abständen Teile bezieht und diese seiner- seits in sein Produkt integriert. Alaniz/Roberts sprechen in diesem Zusammenhang auch von "transactional buying", wobei auf der Basis fest definierter Prozessabsprachen, welchen wiederum entsprechende Verhandlungen voraus- gegangen sind, ein fortwährender Austausch von Bestellungen, gefolgt von entsprechenden Güter- und Zahlungsströmungen, erfolgt943. Ein anders Beispiel für eine solche vertikale operative Kooperation ist das Zusammengehen zwi- schen einem Hersteller und einem elektronischen Zwischenhändler, der den gesamten Einkauf und/ oder Verkauf für den jeweiligen Hersteller auf elektronischem Weg abwickelt (vgl. Kapitel 2.2.4.3.2). Ein wesentliches dahinter stehendes Ziel ist es dabei, die gerade mit Bestell-, Abwicklungs- und Zahlungsprozessen verbundenen Routinearbeiten zu minimieren, wodurch der operative Charakter der Kooperation, welcher in der Regel an die Optimierung von interorganisationalen Prozessabläu- fen ansetzt, deutlich zum Ausdruck kommt. 940 vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 23 ff. 941 vgl. Stalk (1993), S. 535 ff. 942 vgl. Phillips/Meeker (2000), S. 33 943 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 31 258 An dieser Stelle ist jetzt erneut zwischen einer bedingt dynamischen und einer eher umfassend dy- namischen Entwicklung der Input-/Outputverflechtungen zu unterscheiden. Erstere ist, in Anlehnung an die vorherstehenden Ausführungen, dann zu beobachten, wenn es um eine „lediglich“ einmalige Einrichtung eines unternehmensübergreifenden Leistungsprozesses mit oder ohne Intermediary geht. Dabei handelt es sich um ein Projekt mit definiertem Anfang und En- de, wobei der daraus hervorgehende Output in Form von Informations- und Güterströmen den Be- teiligten dauerhaft zur Verfügung steht, ohne dass es im Zeitablauf zu einer fundierten und nachhal- tigen Weiterentwicklung der gefundenen Lösung kommt (vgl. oben Kapitel 4.3.3). Die dynamische Variante hingegen ist Sinnbild dafür, dass die an der Kooperation beteiligten Un- ternehmen in der Lage sind, nicht nur einen unternehmensübergreifenden "transactional buying process" in Gang zu setzen, sondern diesen auch kontinuierlich (selbsttragend) weiterzuentwickeln. Das Ergebnis dieses Prozesses lässt sich daran festmachen, dass die interorganisationalen Input- /Outputverflechtungen nicht nur kontinuierlich ausgebaut werden (z.B. Integration web-basierter Bestellungen, Online-Bestellverfolgung, automatisierte Rechnungsabwicklung), sondern zusätzlich die Aktivitäten auch auf andere (operativ-geprägte) Felder ausgeweitet werden. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Logistikaktivitäten auf der Basis von Just-in-time- Konzepten, die zusätzliche Integration von CRM-Modulen (vgl. Kapitel 3.1.2.2.1), das Anbieten zusätzlicher Finanzierungsbausteine oder das Vereinbaren besonderer Servicekonzepte (vgl. Kapitel 2.2.4.3 f.). Was die Nutzung der intellektuellen und technischen Ressourcen anbelangt, so ist diese natürlich bei der letzten Variante deutlich ausgeprägter, mit der Folge, dass die operative Effizienz nachhaltig verbessert werden kann und somit die Kooperation ihren Teil zur Stabilisierung der gegenwärtigen Wettbewerbsposition beiträgt (siehe auch Aussagen zur Zielerreichung Kapitel 4.4.4). Diese Erkenntnis weist nochmals explizit darauf hin, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem Ausnutzen der technischen Möglichkeiten sowie einer parallelen Entwicklung hin zu einem möglichst integrativen Miteinander gibt. Denn letztlich ist es der Abgleich der gegenseitigen Pro- blemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster sowie die damit verbundene Übermittlung und Genese von implizitem Wissen, die nicht nur Entwicklungspotenziale, sondern gleichzeitig auch mögliche Problemfelder an den Tag bringen. Deren gemeinsame, erkenntnisbezogene Lösung innerhalb einer operativen vertikalen Allianz ist dann der entscheidende Faktor, der das gesamte Projekt voran- bringt und für eine nachhaltige Verbesserung der operationalen Effizienz sorgt. 4.4.3 Die Ausgangsbedingungen und Risikopotenziale einer gegenseitigen Übervorteilung Hierzu ist zunächst anzumerken, dass es insbesondere bei der umfassend dynamischen Variante zu deutlichen Abweichungen hinsichtlich des Übervorteilungsrisikos im Vergleich zu einer Kooperati- on mit kompetitiver Ausprägung kommt. Dies hängt sehr eng damit zusammen, dass die Gefahr, die aus einer Übertragung impliziter Wis- sensbestandteile, was eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer dynamischen Kooperati- on ist, hervorgeht, als deutlich geringer einzuschätzen ist. Zurückführen lässt sich dies in erster Li- nie auf die nicht vorhandene Konkurrenzsituation. Infolgedessen können etwaige neu erworbene Kenntnisse nicht gleichzeitig im direkten Wettbewerb gegeneinander eingesetzt werden, wodurch das Risiko eines Missbrauchs mit einem daran anschließenden opportunistischen Verhalten deutlich minimiert ist. Daher dient die Übertragung von implizitem Wissen etwa innerhalb einer Lerngemeinschaft in ers- ter Linie dazu, den Kooperationspartner erfolgreicher zu machen, ohne dass das informationsüber- mittelnde Unternehmen (un-) mittelbar fürchten muss, nachher deutlich schlechter dazustehen. Im 259 Gegenteil, die Genese solch wertvoller Information trägt eher zu einer weiteren Vertiefung der Ko- operationsbeziehung bei und regt im Idealfall das profitierende Unternehmen dazu an, beim nächs- ten Mal dem anderen Unternehmen unterstützend unter die Arme zu greifen. Damit wäre das Ver- haltensideal der oben erwähnten Bergsteigermannschaft nahezu erfüllt (siehe Kapitel 3.2.4.2). Folglich bleibt festzustellen, dass eine Intensivierung des Wissensaustausches und eine Vertiefung der Koordinationsbeziehungen im Normalfall der Kooperation eher förderlich sind und eine weitere Dynamisierung der einzelnen Beziehungsebenen anregen. Nimmt man im Folgenden die bedingt dynamische Variante als Basis, so sind hier die Dinge in Sa- chen Übervorteilung etwas anders gelagert und nähern sich durchaus dem analysierten Fall unter Konkurrenzbedingungen an. Die größte Gefahr ist darin zu sehen, dass die Unzufriedenheit bei den beteiligten Kooperations- partnern auf Grund der unzureichenden Ergebnisse ansteigt. Sind dann noch zusätzlich in hohem Maße materielle und immaterielle Ressourcen investiert worden und ist damit ein starkes Ungleich- gewicht zwischen Aufwand und Ertrag entstanden, kann dies in dem wechselseitigen Versuch mün- den, sich durch egoistisches Verhalten, auf Kosten der anderen Kooperationsteilnehmer, schadlos zu halten. Damit ist in letzter Konsequenz ein „Verhaltensrückschritt“ verbunden, weil sich die Be- teiligten eher kompetitiven Verhaltensgrundsätzen annähern, anstatt sich von Indifferenz hin zu Synegoismus zu bewegen (vgl. Kapitel 3.2.2.2). In dieser Situation sind die Kooperationspartner darauf angewiesen, schnellstmöglich die Ursachen des bestehenden unbefriedigenden Zustandes zu ermitteln, da anderenfalls eine kostspielige Been- digung der Kooperation droht, verbunden mit der Gefahr, im Nachhinein noch deutlich schlechter dazustehen als vor Beginn der Kooperation. Im Rahmen dieser Konsolidierungsbemühungen kann sich die nicht-kompetitive Vergangenheit durchaus als Vorteil erweisen und mit dazu beitragen, dass der eben beschriebene Extremfall ver- mieden wird. Dies hängt im Wesentlichen mit den veränderten Ausgangsbedingungen zusammen, sprich einer in der Regel weit weniger auf Opportunismus, Misstrauen und Rivalität basierenden Vergangenheit. Hieraus ergibt sich die Chance, dass die Beteiligten bei erkennbaren Fehlentwicklungen frühzeitig aufeinander zu gehen und sich weit gehend vorurteilsfrei mit der bestehenden Situation auseinan- dersetzen, ohne dass es unterschwellig sofort zu Ressentiments kommt und die alten Feindbilder wieder aus der Schublade geholt und implizit handlungswirkend werden. Auf diese Weise kann ein eventuell beginnender Teufelskreis gegenseitiger Anschuldigungen und der daraus folgenden Self-fullfilling-Prophecy des Scheiterns vermieden werden, mit der Folge, dass auch mögliche opportunistische Verhaltensrisiken im Keim erstickt werden. Für den Fall, dass die Beteiligten bei allgemeiner Unzufriedenheit eine deutlich geringere Vorinves- tition getätigt haben und daher nicht so viel auf dem Spiel steht, ist auch die Gefahr eines opportu- nistischen Verhaltens deutlich geringer. Diesbezüglich ist davon auszugehen, dass die bisherigen, weit gehend durch Indifferenz geprägten Verhaltensweisen beibehalten werden und jeder Beteiligte auf der Grundlage einer allenfalls eingeschränkten Ziel-/Mittelverflechtung zu großen Teilen seine eigenen Wege geht, in dem Bewusstsein, dass man weder viel gewonnen noch viel verloren hat. Hier bleibt letztlich nur zu hoffen, dass es den Kooperationsunternehmen aus eigenem Antrieb oder mit Hilfe von außen gelingt, die immer noch vorhandenen positiven Ausgangsbedingungen zu nut- zen, um die bestehenden strukturellen, doktrinbedingten oder psychologischen Informationspatho- logien (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3.4.4) zu überwinden. Denn dieses ist als Grundbedingung anzusehen, die gesamte Kooperation in Richtung einer erfolgsträchtigeren, umfassend dynamischen Form wei- terzuentwickeln (siehe Kapitel 5.3.2). Schließlich ist auch denkbar, dass alle Beteiligten mit den aus der bedingt dynamischen Situation resultierenden Ergebnissen zufrieden sind, sei es, weil von vornherein eine geringe Erwartungshal- 260 tung bestand, sei es aus Unkenntnis, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich hinter einer dynami- scheren Kooperationsausprägung verbergen. In diesem Fall besteht demzufolge auch kein unmittelbarer Anlass zu opportunistischen Verhal- tensweisen, da es sich aus Sicht der Kooperationspartner um eine durchaus erfolgreiche Kooperati- on handelt, deren Output es zunächst zu sichern gilt. Dieses wird sich, ähnlich wie im zuvor analysierten Fall, spätestens dann schlagartig ändern, wenn sich auf längere Sicht die Kooperation als doch nicht so erfolgsträchtig erweist und die Partner er- kennen müssen, dass sie aus Bequemlichkeit oder Unkenntnis die Entwicklung nicht richtig einge- schätzt haben. In diesem Fall sind die Beteiligten dahingehend gefordert, dass es in möglichst sys- temverträglicher Art und Weise944 gelingt, den Bestand der Kooperation zu sichern, wobei auch eine nicht wettbewerbliche Vergangenheit eher als Vorteil denn als Nachteil zu sehen ist. 4.4.4 Der Zielerreichungsgrad im Rahmen der geschilderten Kooperationsausprägungen und kurze Zusammenfassung der Erkenntnisse Unterzieht man zum Abschluss den Zielerreichungsgrad einer näheren Betrachtung, ist anzumerken, dass die umfassend dynamisch-operative Kooperationsausprägung in der oben analysierten Form mit Sicherheit die beste Basis für eine weit gehende und nachhaltige Entwicklung der operationalen Effizienz, auf der Grundlage tief gehender logischer und psychologischer Beziehungsebenen sowie einem professionellem Einsatz der IuK-Technologien, darstellt. Der entscheidende Vorteil gegenüber der kompetitiven Variante ist dabei, dass auf allen (potenziel- len) Ebenen und Feldern der Kooperation die Schaffung einer Win-Win-Situation möglich ist und infolgedessen zumindest theoretisch eine umfassende Diversität der Möglichkeiten besteht (vgl. Kapitel 3.2.2.2). Daher stellt sich z.B. das Abgrenzungsproblem der Kooperationspartner zueinander auf Grund des nicht vorhandenen Konkurrenzfeldes sowie die damit zusammenhängende Gefahr der Übervortei- lung weit weniger. Somit können sich die Beteiligten von Anfang an konsequent auf die Realisie- rung der operationalen Effizienz konzentrieren, was natürlich auch eine entsprechende Bestimmung des Kooperationsfeldes nach sich zieht. Dies geschieht jedoch, ohne dass implizit immer der Ge- danke mitschwingt, dass das gemeinsam erzeugte bzw. übertragene (implizite) Wissen im Wettbe- werb gegeneinander eingesetzt wird. Aus diesem Grund können die Unternehmen einer dynamisch-operativ-vertikalen Allianz, eine ent- sprechende Zielkonformität vorausgesetzt, wesentlich unvoreingenommener bzw. unbelasteter mit dem Thema Übermittlung und Genese von implizitem Wissen umgehen, und zwar nicht nur zu Be- ginn der Zusammenarbeit, sondern insbesondere auch während des (dynamischen) Fortgangs. Hier- aus lässt sich ableiten, dass die Diversität der Möglichkeiten hinsichtlich der Weiterentwicklung der Allianz nicht nur um einiges höher ist, sondern auch, dass die interorganisationale Entscheidungs- findung durch den zu erwartenden deutlich geringeren Widerstand spürbar leichter ist. Ergebnis dessen ist nicht nur eine dynamischere Entwicklung, hervorgerufen durch die schnellere und weniger mühselige Erschließung neuer Wissensgebiete und Handlungsfelder, sondern zugleich die profunde Aufbereitung einer Grundlage, die es zukünftig möglich macht, ohne große Schwie- rigkeiten den Übergang von einer operativen, dynamischen Partnerschaft zu einer strategischen, dynamischen Partnerschaft zu bewältigen (vgl. Kapitel 5.3.2). Mit Blick auf die bedingt dynamische Variante ist zu sagen, dass hier die Dinge bezüglich der ein- geschränkten Zielerreichung ähnlich liegen wie bei der obigen kompetitiven Form. Das heißt, ins- 944 zur Systemverträglichkeit siehe die Kapitel 3.1.3 ff. und 4.5.1 261 besondere eine nachhaltige Entwicklung der operationalen Effizienz ist aus den genannten Gründen nicht zu erwarten. Die Folge ist, dass es zu einer bewussten oder unbewussten Einschränkung der Diversität der Mög- lichkeiten kommt, was die Kooperation, verbunden mit einer erkennbaren oder schleichenden Un- zufriedenheit, mittelfristig in ihrem Fortbestehen gefährdet, sollte es nicht gelingen, zu einer wirkli- chen Weiterentwicklung, sprich Dynamisierung der Kooperation zu kommen. Auch hier bleibt zu vermuten, dass eine lediglich eingeschränkt dynamisch operativ ausgerichtete Kooperation letztlich mit dafür verantwortlich ist, dass häufig vorschnell formulierte, hoch stehende Erwartungen nicht erfüllt werden; sei es, weil von vornherein eine falsche Zielvorstellung vorherr- scht (angestrebt sind umfassende strategische Ziele, erreicht werden, wenn überhaupt, nur kleinere operative), sei es, weil sich die Beteiligten über das Ausmaß der Dynamisierungspotenziale auf den einzelnen Beziehungsebenen (und die Notwendigkeit, diese zu aktivieren) nicht im Klaren sind oder die dahinter stehenden Wechselwirkungen hinsichtlich des Verhaltens nicht erkennen (vgl. Kapitel 4.3.5 sowie 4.7.3). Abschließend ist anzumerken, dass von den hier beschriebenen dynamischen Kooperationsausprä- gungen lediglich die beiden umfassend dynamischen Varianten eine wirkliche Existenzberechti- gung haben, da nur diese eine weit gehende und vor allem nachhaltige Verbesserung der operatio- nalen Effizienz sicherstellen. Somit liefern sie einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung der Wettbewerbsposition und damit einer systemverträglichen Unternehmensentwicklung (vgl. Kapitel 3.1.3 ff.). Im Gegensatz dazu bergen die bedingt dynamischen Kooperationsformen ein großes Risiko in sich, insofern, dass es gerade nicht zu einer dauerhaften Stabilisierung der Wettbewerbsposition kommt, da man durch lediglich einmalige Erfolge schnell den Anschluss an die bisweilen turbulente markt- liche Entwicklung zu verlieren droht945. Dieses ist in den heutigen dynamischen Zeiten als großer Wettbewerbsnachteil anzusehen. Diese Gefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn eine dynamische Entwicklung angestrebt wird, verbunden mit dem Ziel, durch unternehmensübergreifende Kooperationen seine operative Schlag- fertigkeit deutlich zu erhöhen, hingegen das gegenseitige Verhalten, was in den Koordinations- und Wissensprozessen zum Ausdruck kommt, über einen halb-statischen bzw. eingeschränkt-dyna- mischen Entwicklungsstand nicht hinauskommt. Dadurch bringt eine bedingt dynamische Kooperation auf der Leistungsebene im Zweifelsfall „Er- folge“ hervor, die auch im Rahmen einer eher statischen Kooperation zu erreichen gewesen wären, allerdings auf der Grundlage deutlich höherer materieller und immateriellen Investitionen, verbun- den mit einer entsprechenden Unzufriedenheit und einer latenten Übervorteilungsgefahr. Bezüglich der statischen Kooperationen sei nochmals unterstrichen, dass diese im Zeitalter des E- Commerce eine hervorragende und legitime Möglichkeit darstellen, kurzfristig sowie ohne bedeu- tende Investitionen Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Natürlich geschieht dies ohne den Anspruch einer Dauerhaftigkeit bzw. unter der Voraussetzung, dass zwischen den Beteiligten Konformität hinsichtlich des Zweck-/Mitteleinsatzes besteht (vgl. oben Kapitel 4.1 f. und 4.2 f.). Daher ist als Quintessenz festzustellen, dass für jede beabsichtigte dauerhafte Verbesserung der operationalen Effizienz die Etablierung einer dynamischen operativen Kooperation unter Beachtung der beschriebenen Wirkungsmechanismen anzustreben ist. 945 vgl. dargestellt am Beispiel der Innovationsprozesse Braun (1995), S. 54 ff. 262 Zur Realisierung ausschließlich kurzfristiger Fortschritte ist hingegen eine statische Kooperation vorzuziehen. Nach diesen Ausführungen über Sinn und Zweck von operativen Kooperationen, deren Begleiter- scheinungen und inhärenten Notwendigkeiten zur vollen Entfaltung, geht es im Weiteren darum, diesen Ansatz auch bezüglich der strategischen Kooperationsformen zu verfolgen. 4.5 Theoretische Vorüberlegungen bezüglich eines klaren Verständnisses der Ziele, Aufgabenstellungen und der Ausprägung der Beziehungsebenen bei strategischen Kooperationen Bevor mit der Analyse der einzelnen strategischen Kooperationsformen sowie der entsprechenden Ausprägungen (statisch/dynamisch und kooperativ/kompetitiv) fortgefahren wird, ist es zum besse- ren Verständnis und für eine deutliche Abgrenzung der strategischen von den operativen Kooperati- onsausprägungen notwendig, zuvor einige analytische Vorüberlegungen anzustellen. Diese bezie- hen sich in Anlehnung an oben bereits Gesagtes (vgl. Kapitel 3.2.1) auf die wesentlichen Unter- schiede hinsichtlich der zu verfolgenden Ziele, der daraus hervorgehenden inhaltlichen Aufgaben- stellungen sowie der notwendigen Voraussetzungen in Bezug auf die Ausgestaltung der einzelnen interorganisationalen Beziehungsebenen. Diese Überlegungen bilden dann das Grundgerüst, an welchem die einzelnen strategischen Kooperationsformen gespiegelt werden. Wie bereits an anderer Stelle angesprochen, geht es im Rahmen von Strategien bzw. der strategi- schen Ausrichtung eines Unternehmens um die Sicherstellung der langfristigen Wettbewerbsfähig- keit bzw. um die Schaffung entsprechender Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die dem Unter- nehmen zumindest partiell eine "Treiberrolle" ermöglichen (vgl. hierzu Kapitel 3.1.3.1 ff.). Letztere soll das entsprechende soziale System auf längere Sicht in die Lage versetzen, in dem von ihm sel- bst definierten Aufgabenumfeld, also dem unmittelbaren (konstruierten) Wettbewerbsumfeld (vgl. Kapitel 3.1.2.1), eine aktive Rolle einzunehmen, sprich die Entwicklung selbst mitzugestalten, wor- aus sich wiederum neue Handlungsspielräume ergeben. Diese aktive Rolle ist von der dauerhaften Verfügbarkeit entsprechender Erfolgspotenziale abhän- gig, die sich in der Schaffung von Werten konkretisieren, welche sich mittel- bis langfristig erfolg- reich am Markt absetzen lassen. Erfolgreich ist hier so zu interpretieren, dass das soziale System am Markt, also in der vom ihm definierten Umwelt, (über-) lebensfähig ist. Es geht demzufolge bei der Erarbeitung von Strategien um die Ermittlung dieser Erfolgspotenziale mit dem Ziel, dauerhaft echte (am Markt durchsetzungsfähige) Werte bzw. wettbewerbliche Vortei- le zu schaffen. Von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen ist dann die Rede, wenn ein Unternehmen gegenüber der Konkurrenz über solche Positionsvorteile verfügt, die sich für den Kunden entweder in einer über- legenen Wertigkeit oder in relativen Kostenvorteilen niederschlagen. Dabei ist für das Unternehmen und dessen langfristigen Überlebenschancen die Größe des oder der Wettbewerbsvorteil(s)e entscheidend. Dieser ist um so größer, je wichtiger er für die Kunden ist, je besser er von diesen wahrgenommen wird und je dauerhafter bzw. schwerer imitierbar er von der Konkurrenz ist (siehe Kapitel 3.1.3.2). Ferner spielt es auch eine große Rolle, welche Anzahl an Möglichkeiten ein Unternehmen hat, einen solchen Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Hierbei geht es um die interne Verfügbarkeit von Ressour- cen und Fähigkeiten, sprich Kernkompetenzen bzw. implizites Wissen, welches als Grundlage zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen zu sehen ist. 263 So gesehen beinhaltet eine Strategie vor allem drei Dinge: Ɣ Die vorhandenen Wettbewerbsvorteile bzw. deren Erfolgspotenziale zu ermitteln Ɣ Zu überlegen, wie diese im obigen Sinn langfristig zu verteidigen sind Ɣ Intensiv darüber nachzudenken, wie parallel neue Wettbewerbsvorteile geschaffen werden kön- nen. Innerhalb diese Prozesses ist es entscheidend, sowohl einen Blick auf die externen Möglichkeiten zu werfen als auch sich intensiv mit den internen Kompetenzen auseinanderzusetzen, denn zur Er- langung von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen ist grundsätzlich eine entsprechende Kongruenz er- forderlich (siehe Kapitel 3.1.3.2). Die Aufgabe einer strategischen Kooperation als notwendigem Instrument, den komplexen und dy- namischen Marktanforderungen sowie den vielfältigen neuen technologischen Möglichkeiten ge- recht zu werden, ist infolgedessen, sich intensiv mit den obigen Zusammenhängen auseinanderzu- setzen. Dabei hängt die Art und Weise der Auseinandersetzung stark von der jeweiligen Ausprä- gungsform ab, wie die kommenden Abschnitte zeigen werden. Bevor dies der Fall sein wird, sind vorab noch einige spezifische Gegebenheiten anzusprechen, die insbesondere vor dem "systemischen" Hintergrund eines Unternehmens (vgl. Kapitel 2.4 ff.) und somit in gleicher Weise auch für die Kooperation von Unternehmen von Interesse sind und welche dementsprechend in die nachfolgenden Analysen einfließen werden. 4.5.1 Der Zusammenhang zwischen Strategiegenerierung und systemverträglicher Unter- nehmensentwicklung zur Sicherstellung der interorganisationalen Überlebensfähigkeit Aus dem bisher Gesagten sollte deutlich geworden sein, dass die Generierung einer Strategie, sei sie allein oder gemeinsam mit Partnern zu Stande gekommen, ein wichtiges Instrument für die Ent- wicklung eines Unternehmens darstellt. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass der permanente inner- und außerbetriebliche Wandel (vgl. Kapitel 2.5.1 ff. und 3.1.2) als der eigentliche Motor der Unternehmensentwicklung946 angesehen werden kann, wobei die Anpas- sungsfähigkeit sowie die Gestaltung des Wandels (z.B. mit Hilfe einer Strategie) zu den Grundvor- aussetzungen für das Überleben eines Unternehmens zählen947. Diese Zusammenhänge gehen im Übrigen auf Erkenntnisse von Schumpeter zurück, der über die herausragende Bedeutung des Wandels für das Wirtschaftsgeschehen und das Unternehmen als Mo- tor dieses Wandels treffend schrieb: "Der Kapitalismus ist von Natur aus eine Form oder Methode der ökonomischen Veränderung und ist nicht nur nie stationär, sondern kann es auch nie sein. Der fundamentale Antrieb, der die kapita- listische Maschine in Bewegung setzt und hält, kommt von den neuen Konsumgütern, den neuen Produktions- und Transportmethoden, den neuen Märkten, den neuen Formen der industriellen Or- ganisation, welche die kapitalistische Unternehmung schafft“948. Im selben Zusammenhang charakterisiert Oetinger den Wandel als festen Bestandteil des Wirt- schaftslebens, wobei sich die Unternehmen als soziale Systeme diesem anpassen müssen oder zu Grunde gehen. Dabei gilt es, zwischen geringfügigen Störungen des Wettbewerbes im wirtschaftli- chen Umfeld, die keinesfalls die gesamte Strategie in Frage stellen sollten und entscheidenden 946 zur Entwicklung von Unternehmen siehe auch Kapitel 2.4.5 und 3.2.3.1 f. 947 vgl. Pümpin (1991), S. 135 948 vgl. Schumpeter 1950, S. 136 ff. (hervorgehoben im Original) 264 Wendepunkten, die größere Anpassungen erfordern, da sonst die Existenz gefährdet ist, zu unter- scheiden949. In Bezug auf besagte Anpassung sowie die Gestaltung des Wandels kommt einem sozialen System zugute, dass es (durch die Gehirne seiner Mitarbeiter) in der Lage ist, über seine eigene Entwick- lung nachzudenken, sie zu werten und in Frage zu stellen. Darüber hinaus verfügt ein soziales Sys- tem über die Fähigkeit, neue Eigenschaften, sprich Verhaltenspotenziale zu generieren bzw. abzu- bauen und ist zudem in der Lage, in die Zukunft zu schauen, seine Ziele zu formulieren, deren Er- werb zu planen und Entscheidungen zu treffen950 (vgl. auch Kapitel 2.4.5). In diesem Zusammenhang betrachtet Kirch das soziale System Unternehmen als ein evolvierendes bzw. evolutionsfähiges System, welches seine Entwicklung zwar nicht völlig beliebig gestalten kann, jedoch fähig ist, aktiv bahnend auf sie Einfluss zu nehmen im Sinne eines gemäßigten Vo- luntarismus951 (selbiges gilt natürlich auch für eine Kooperation, Anmerkung fw). Ferner bewegt sich dieses System in eine prinzipiell offene Zukunft hinein, die weder umfassend prognostizierbar noch kontrollierbar ist952. Ziel dieses Evolutionsprozesses ist es, zuallererst die (Über-) Lebensfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten. Diese ist das Ergebnis des Zusammenwirkens der einzelnen Eigenschaften des Un- ternehmens bzw. des Verhaltens des sozialen Systems als Gesamtheit in Wechselwirkung mit seiner Umwelt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich das Unternehmen und die Umwelt in einem inter- dependenten Koevolutionsprozess befinden, was sich beispielsweise darin äußert, dass Erkennt- nisse, die sich heute für das Überleben als nachteilig erweisen, schon morgen ein großer Vorteil sein können953. Hieraus geht hervor, dass es sich bei der Evolution im Allgemeinen und der Entwicklung eines Un- ternehmens im Speziellen um ein mehrdimensionales, vernetztes, dynamisches Geschehen handelt, welches sich eng an die Begriffe Veränderung, Anpassung, Selektion usw. anlehnt954, und wo es unmöglich ist, einen bestimmten Referenzpunkt zur Messung der Optimalität zu identifizieren955. Somit ist es auch unzutreffend, dass sich ein Unternehmen an seine Umwelt gut, schlecht oder op- timal anpasst. Entweder das Unternehmen (bzw. die Kooperation) als soziales System (vgl. Kapitel 2.4 ff.) passt und ist damit (über-) lebensfähig oder es passt nicht und ist folglich auch nicht lebens- fähig956. Ist Letzteres der Fall, so ist das Unternehmen nicht in der Lage, die vorhandene Umwelt so auszu- nutzen, dass es überlebt, d.h., konkurrenzfähig bleibt957 oder im Sinne von Malik, dass es dem Un- ternehmen nicht gelingt, die für das System relevante Komplexität unter Kontrolle zu bringen958. Des Weiteren ist hinzufügen, dass der bereits mehrfach gebrauchte Begriff Anpassung nicht un- problematisch ist, handelt es sich doch bei diesem um eine semantische Beziehung zwischen dem zu beobachtenden System und dem Teil der Beobachterumwelt, welche der oder die Beobachter dem Unternehmen als dessen Umwelt zuschreiben959. Dabei wird die Umwelt des Unternehmens erst durch die internen Kohärenzen der Gehirne der Be- obachter als Einheit erzeugt bzw. konstruiert. Die Suche der Unternehmen nach Marktchancen, die 949 vgl. Oetinger (1993), S. 98 f. 950 vgl. Sprüngli (1981), S. 226 f. 951 vgl. Kirsch (1991), S. 273 952 vgl. Strasser (1991), S. 139 953 vgl. Bosshard, S. (1985), S. 45 954 vgl. Dyllick (1982), S. 279 955 vgl. Probst/Semmel (1984), S. 149 956 vgl. Kastner (1993a), S. 4 957 vgl. Dyllick (1982), S. 294 f. 958 vgl. Malik (1989), S. 69 959 vgl. Hejl (1983), S. 47 265 oft genug erst durch die Neukonstruktion der Unternehmensumwelt erkannt werden, beweist dies beispielsweise. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es völlig unzureichend ist, das Entstehen neuer Produkte einseitig auf einen Anpassungsdruck, veränderte Umweltkonstellationen oder die schlichte Überlebensnotwendigkeit zurückzuführen, weil auf diese Weise etwa die spontane Asso- ziationsfähigkeit der Gehirne (der Mitarbeiter) und/oder die innere gestaltende Kraft, sprich die Selbstorganisationsdynamik des jeweiligen Systems, völlig aus dem Blickfeld rückt960. Somit wird die Suche nach einem objektiven und optimalen Fix- oder Anpassungspunkt in Bezug auf die Umwelt, der ja unabhängig von menschlichen Gehirnen existieren müsste, zu einem unmög- lichen Unterfangen. Der Mensch und damit das Unternehmen ist lediglich in der Lage, im Nachhinein festzustellen, ob seine Konstruktionen der Marktchancen bezüglich eines relevanten Ausschnitts des Wirklichen ge- passt haben, wobei diese Erfahrungen immer nur mit Erfahrungen verglichen werden und nicht an- hand einer objektiven Welt gemessen werden können961. Hier hinter steht die zentrale Erkenntnis, dass man als Mensch einsehen muss, dass jede Art von Gewissheit kein Beweis der Wahrheit ist, und dass die Welt, die ein Unternehmen beeinflusst, nicht die Welt ist, sondern eine Welt, die die Mitarbeiter auf der Basis struktureller Kopplungsprozesse konstruieren962. Das Ziel ist es daher, wie bereits oben angedeutet, dass es den Unternehmen im Rahmen eines ko- operativen Strategiefindungsprozesses gelingt, sich unter weit gehender Wahrung der bestehenden Identität und Sinnstrukturen, die sich allenfalls evolutionär verändern sollten, systemverträglich, d.h., unter Berücksichtigung des Aus- und Abgleichs verschiedener Systeminteressen und der Ver- meidung größerer Systembrüche, möglichst dauerhaft zu entwickeln963 (vgl. auch Kapitel 3.1.3.1). Dies bedeutet in Bezug auf die Situation eines Unternehmens bzw. einer strategischen Kooperation, dass es darauf ankommt, vorausschauend die Struktur und Verhaltensweisen des gesamten Systems zu verändern, zu verbessern und zu stabilisieren sowie dafür zu sorgen, das System präventiv vor Erstarrung zu bewahren, so dass auch eventuell auftretende Störungen systemverträglich aufgefan- gen werden können964. Neben diesen Aufgabenstellungen sowie den dahinter liegenden Zielen, die es im Rahmen einer strategischen Kooperation zu bewältigen gilt, lassen sich in Bezug auf die inhaltlichen Anforderun- gen des Weiteren einige wesentliche Differenzen im Vergleich zu operativen Aufgabenstellungen ableiten. 4.5.1.1 Die wesentlichen Unterschiede zwischen einer strategischen und operativen Vorge- hensweise in Bezug auf die Ziele und inhaltlichen Aufgabenstellungen Ein erster gewichtiger Unterschied liegt in dem zu bewältigenden Informationsvolumen, welches im Rahmen von strategischen Fragestellungen als grundsätzlich höher einzuschätzen ist. Dieses hängt entscheidend damit zusammen, dass der Blick im Wesentlichen nicht „nur“ nach innen (ge- meint ist das Zusammenspiel zwischen den an der Kooperation beteiligten Organisationen) gerich- tet werden muss, wie es in Bezug auf operative Kooperationen größtenteils der Fall ist, sondern zusätzlich auch nach außen. Schließlich geht es um die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen (und nicht die Verbesserung der operationalen Effizienz), die für den Kunden wertvoll, wahrnehmbar 960 vgl. Sprüngli (1981), S. 301 ff. 961 vgl. Probst (1987), S. 72 962 vgl. Maturana/Varela (1987), S. 263 ff. 963 vgl. Kastner (1992), S. 878 964 vgl. Vester (1988), S. 238 266 und von der Konkurrenz schwer zu imitieren sind, Faktoren, die mit Ausnahme des letzten Punktes bei einer operativ ausgerichteten Zusammenarbeit in der Regel keine Rolle spielen. In enger Anlehnung an diesen Punkt kommt des Weiteren hinzu, dass das Informationsvolumen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zunimmt. Dies liegt vor allem an der Bedeutungszu- nahme bzw. einem verstärkten Gebrauch von implizitem Wissen, wozu z.B. der Austausch von Kernkompetenzen zu zählen ist (vgl. Kapitel 3.1.3.2 und 3.2.3.2.3.1). Daneben lässt sich aus der Zunahme der Bedeutung des impliziten Wissens auch ableiten, dass im Rahmen von strategischen Kooperationen in der Regel ein gehöriger Tiefgang beim Umgang mit diesen Informationen bzw. Wissensbestandteilen erforderlich ist. Reicht es, bezogen auf operative Problemstellungen, vielfach noch aus, sich mehr oder weniger oberflächlich in bestimmte Zusammenhänge hineinzudenken, so ist ein solches Vorgehen bei der Lösung strategischer Probleme nicht zielführend. Im Gegenteil, normalerweise ist eine strategische Lösung nur dann tragfähig, wenn im Vorfeld intensive Recherchen (bezogen auf Informationstiefe), verbunden mit einer Einarbeitung in verschiedene Sachgebiete (bezogen auf Informationsbreite) stattfinden. Darauf aufbauend werden entsprechende Wirkungszusammenhänge bzw. Wechselwir- kungen erkannt, die dann wiederum in die Strategie einfließen. Mit Wechselwirkungen ist hier gemeint, dass die einzelnen Bereiche nicht isoliert voneinander be- trachtet werden, sprich Organisation, Personen und Umwelt (Markt, Konkurrenz) für sich, sondern deren Interdependenzen und gegenseitige Abhängigkeiten mit in die Analyse einfließen965. Diesbezüglich ist der zentrale Ansatzpunkt in Bezug auf strategische Fragestellungen, den Blick nicht nur nach außen auf Markt und Kunden, sondern ebenso konsequent nach innen zu richten. Hiermit sind die existierenden Wahrnehmungs- und Problemlösungsmuster bzw. –prozesse ge- meint, die für die Sprach-, Interpretations- und Erklärungsschemata in einer Unternehmung verant- wortlich sind. Diese erschaffen die Umwelt geistig, was wiederum als Grundlage für nachfolgende materielle Transaktionen zu sehen ist966. Auf diese Weise wird der existierenden Tiefenstruktur im Unternehmen bzw. innerhalb der Kooperationsbeziehung und Senges zentraler Botschaft seines Buches "Die fünfte Disziplin", nach welcher die Funktionsweise und Entwicklung der jeweiligen Organisation hauptsächlich von derem Denken und deren Interaktion abhängt, am besten Rechnung getragen967. Darüber hinaus gilt es, sich viel intensiver mit übergeordneten, vom Tagesgeschäft weit entfernten Fragestellungen auseinanderzusetzen, die bisweilen einen sehr abstrakten Charakter annehmen kön- nen. Zu erwähnen sind hier beispielsweise Gestaltungsfragen, die die offene (und fernere) Zukunft zum Gegenstand haben, wo es immer auch ein Stück weit um Prognosen sowie Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten geht968. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass in einer prinzipiell offenen Zukunft spätere Gegebenhei- ten weder umfassend prognostizierbar noch kontrollierbar sind und immer wieder Situationen auf- treten, die mit den einer Unternehmung zur Verfügung stehenden Prognoseinstrumenten nicht er- fasst werden können969. Knizia drückt dies folgendermaßen aus: "In fundamental komplexen Systemen (wie dem Unternehmen und seiner Umwelt, Anmerkung fw) versagt die Prognose nicht nur praktisch, sondern grundsätzlich, da sie trotz deterministischer Aus- gangsbedingungen indeterministische oder chaotische Lösungen hat"970. Auf der anderen Seite hat die offene Zukunft zur Folge, dass es keinen ein für allemal fixierten Endzustand des "Systems Unternehmen" gibt, sondern ein Unternehmen unter dem Einfluss der 965 siehe auch Aussagen zum systemischen Denken, Kapitel 4.5.2.1.1 966 vgl. Dyllick (1982), S. 333 967 vgl. Senge (1996), S. 238 968 vgl. Sprüngli (1981), S. 73 969 vgl. Stetter (1994), S. 16 970 vgl. Knizia (1992), S. 122 (hervorgehoben im Original) 267 internen Wechselwirkungen und Rückkopplungen seine (Anfangs-) Bedingungen fortwährend selbst weiterentwickelt, wobei Entwicklung auf kollektiver Ebene letztlich eine Veränderung der Fähigkeiten und der Potenziale des Kooperationssystems sowie der Einzelsysteme meint971. Dabei spielen genau jene (internen, unternehmensübergreifenden) Wechselwirkungen und Rück- kopplungen, die für die Entstehung der Potenziale und Fähigkeiten verantwortlich sind, eine ent- scheidende Rolle. Der Stellenwert von aktiver Partizipation und intensiver Mitarbeit (innerhalb ge- meinsamer Lernprozesse) steigt dabei nochmals deutlich an, was sich z.B. darin zeigt, dass man niemanden zwingen kann, kreativ zu sein oder aber seine Kernkompetenzen im Interesse eines hö- heren Ganzen und zum Wohle aller Beteiligten einzubringen972. Hieraus lässt sich wiederum ableiten, dass die Anforderungen einer strategischen Kooperation an die interorganisationalen Koordinations- und Informationsbeziehungen im Vergleich zu den bishe- rigen Kooperationsformen deutlich zunehmen (vgl. auch Aussagen im Folgenden Abschnitt, Kapi- tel 4.5.2 ff.). Diese zusätzliche Informationsflut als Ergebnis der Auseinandersetzung mit kooperationsinternen und -externen Gegebenheiten (Analyse der Potenziale und Fähigkeiten, Initiierung von Entwick- lungs- und Gestaltungsprozessen, Definition der Aufgabenwelt, Durchführung von Zukunftsszena- rien und Prognosen etc.) ergibt in seiner Gesamtheit, dass es die Beteiligten einer strategischen Ko- operation mit einer deutlich höheren Komplexität zu tun haben als jene einer operativen Kooperati- on. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass nicht nur alle Partialsysteme innerhalb einer Koopera- tion, sondern auch viele Parameter innerhalb der zu definierenden Aufgabenumwelt (das Wettbe- werbsumfeld der Kooperation sowie die darin agierenden wettbewerbsbestimmenden Kräfte wie Abnehmer und Lieferanten, Konkurrenten, Markteintrittsbarrieren, siehe Kapitel 3.1.2.1) sich stän- dig weiterentwickeln und dies teilweise hoch dynamisch973. Das heißt, auf Grund der Diskrepanz zwischen Denken/Gestalten/Entwickeln heute und dem Han- deln bzw. Umsetzen zum Teil erst in ferner Zukunft ergibt sich die Gefahr, von der internen und externen Entwicklung überholt zu werden, was beim Umgang mit operativen Fragestellungen in dieser Form normalerweise nicht passiert. Nach diesem Überblick über die wichtigsten veränderten Vorzeichen sowie die Ziele und Komple- xität der Aufgabenstellung, die es bei der Realisierung einer strategischen im Gegensatz zu einer operativen Kooperation zu beachten gilt, werden im nächsten Abschnitt die wichtigsten inhaltlichen Differenzen in Bezug auf die Ausprägungen der einzelnen Beziehungsebenen aufgezeigt. Dement- sprechend geht es um eine vertiefende Analyse, anhand welcher Charakteristiken sich die interor- ganisationalen Koordinations-, Wissens- und Leistungsbeziehungen einer strategischen im Gegen- satz zu einer operativen Kooperation unterscheiden. 4.5.2 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einer strategischen und einer operativen Kooperation in Bezug auf die Koordinations- und Einflussbeziehungen Aus den obigen Aussagen geht eindeutig hervor, dass sich das Wesen einer strategischen Koopera- tion schon allein der Ziele und inhaltlichen Aufgabenstellungen wegen dadurch auszeichnet, dass die Anforderungen an die interorganisationalen Koordinations- und Wissensbeziehungen in be- trächtlichem Ausmaß zunehmen974. 971 vgl. Probst (1987), S. 88 972 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 179 973 vgl. Braun (1999), S. 66 ff. 974 siehe bezüglich der Ausprägung der Wissensbeziehungen bei strategischen Kooperationen Kapitel 4.5.3 268 Das heißt, um die dahinter stehende Komplexität auch nur ansatzweise zu bewerkstelligen, ist die Kooperation weit mehr auf eine tragfähige Basis hinsichtlich entwickelter Koordinations- und Ein- flussbeziehungen angewiesen. Dies bedeutet konkret, dass jegliche strategische Kooperation, will sie wirklich arbeitsfähig sein, nicht auf ein mehr oder weniger stabiles Grundgerüst an regelbasier- ter Koordination verzichten kann. Letzteres hängt entscheidend davon ab, ob ein gemeinsames Grundverständnis bezüglich der Ziele und Inhalte der Kooperation, der Vorgehensweise, der Verteilung der Kompetenzen und des Mit- einanders sowie der benötigten technischen Hilfsmittel zumindest ansatzweise vorhanden ist bzw. im Laufe der Zeit durch ein entsprechendes Vertrags- und Regelwerk verbindlich vereinbart wird975. Die Entwicklung einer strategischen Kooperation ist also von der Schaffung geeigneter Rahmenbe- dingungen hinsichtlich der Ziel-/Mittelverflechtung abhängig. Diese Rahmenbedingungen ermögli- chen es den beteiligten Kooperationsunternehmen, sich schwerpunktmäßig auf strategische Frage- stellungen im oben erläuterten Sinn konzentrieren zu können, wodurch deren Vollzug nicht perma- nent durch Grundsatzdiskussionen, verbunden mit dem Abstecken der gegenseitigen Positionen und Erwartungshaltungen, überlagert wird976. Ein solches Maß an Verbindlichkeit ist bei operativen Kooperationen schon deswegen nicht erfor- derlich, weil die Transparenz, was die Ziel-/Mittelverflechtungen anbelangt, für alle Beteiligten deutlich höher ist. Zudem erfolgt das Wirksamwerden einzelner Maßnahmen wesentlich zeitnäher und setzt meist an den konkret zu beobachtenden Input-/Outputverflechtungen der Kooperations- partner an. Anders ausgedrückt, im Rahmen einer operativen Kooperation kann für eine effiziente Zielerrei- chung im Zweifelsfall auf umfangreiche Vorabstimmungen und vertragliche Festlegungen verzich- tet und je nach Tiefe der Zusammenarbeit oftmals sofort mit dem eigentlichen „Doing“ begonnen werden977. Innerhalb einer strategischen Kooperation ist dies, bedingt durch die damit verbundenen Ziele und Aufgabenstellungen, nicht möglich. Das bedeutet, ohne ein vertieftes Grundverständnis der Kooperationspartner über die Ziele und Aufgabenstellungen macht ein aktives Angehen der strategischen Fragestellungen wenig Sinn. 4.5.2.1 Die Bestandteile eines gemeinsamen Grundverständnisses zwischen den beteiligten Kooperationspartnern zur Bewältigung der strategischen Aufgaben Bei näherer Betrachtung dieses Grundverständnisses fällt zunächst auf, dass sich dieses durch eine Reihe von Faktoren auszeichnet, die bereits innerhalb der dynamischen-operativen Kooperationen als wichtige Bestandteile der gemeinsamen Zusammenarbeit identifiziert worden sind. In diesem Zusammenhang ist die Notwendigkeit deutlich erkennbarer integrativer Bestandteile in- nerhalb der interorganisationalen Koordinations- und Einflussbeziehungen anzusprechen, wobei im Rahmen der zwischenbetrieblichen, strategischen Entscheidungsfindung bewusst weit gehend auf solche Koordinationsmechanismen zu verzichten ist, die einer konsens- oder erkenntnisbezogenen Vorgehensweise widersprechen978. Voraussetzung hierfür ist eine profunde Beschäftigung mit den gegenseitigen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmustern der beteiligten Partialsysteme, deren Ergebnis beispielsweise in eine Art überbetrieblichen Verhaltenskodex münden kann. Dieser verhindert, dass auf Grund unter- 975 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 112 976 vgl. McCullough (2000), S. 9 977 siehe die Aussagen zu den obigen statischen Kooperationen Kapitel 4.1 und 4.2 978 vgl. diesbezüglich nochmals die Aussagen zur interorganisationalen Entscheidungsfindung Kapitel 3.2.3.2.2.3 f. 269 schwelliger nicht oder unzureichend gelöster Probleme die einzelnen Beteiligten implizit wieder auf machtpolitische Koordinationsformen zurückgreifen oder sich geistig sukzessive immer weniger am eigentlichen strategischen Problemlösungsprozess beteiligen. Letzteres ist bezüglich der operativen Kooperationen insofern weniger ein entscheidendes Problem, da operative Aufgaben fassbarer sind (Verbesserung der operationalen Effizienz), in der Regel an einen konkreten bestehenden Zustand anknüpfen (Regeln, Abläufe, Prozesse) und normalerweise wesentlich unmittelbarer handlungsrelevant werden (was Überprüfung und Kontrolle erleichtert). Die Folge dessen ist, dass zur Lösung operativer Aufgaben vielfach ein deutlich geringerer Teil an implizitem Wissen (aus den verschiedensten Bereichen) benötigt wird bzw. es oftmals auch mög- lich ist, z.B. durch Benchmarking auf explizites Wissen zurückzugreifen, welches dann nicht vor- handenes oder bewusst zurückgehaltenes implizites Wissen ersetzt. Bei strategischen Aufgaben hingegen mag es zwar durchaus Sinn machen, durch Benchmarking an "State-of-the-Art-Wissen" zu gelangen, jedoch geht die Zielvorstellung gerade dahin, Lösungen, sprich Wettbewerbsvorteile zu generieren, die durch die Konkurrenz schwer zu imitieren sind. Hier- für sind Benchmarkstudien allein mit Sicherheit nicht ausreichend, sondern es sind grundsätzlich noch weiterführende eigene Überlegungen erforderlich, die sicherstellen, dass die gewünschte Ein- maligkeit möglichst dauerhaft erreicht wird. Auf dieser Grundlage sind im Rahmen von strategisch orientierten Problemlösungen eine Reihe von Aufgaben zu bewältigen, die in dieser Form bei operativen Aufgabenstellungen nicht oder nur am Rande anfallen. Zu erwähnen sind hier u.a. die Analyse der Potenziale und Fähigkeiten, um vorhan- dene Wettbewerbsvorteile zu ermitteln, die Initiierung von Entwicklungs- und Gestaltungsprozes- sen, die Definition der Aufgabenwelt sowie die Durchführung von Zukunftsszenarien und Progno- sen. Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, dass es für die Bearbeitung bzw. Lösung strategi- scher Fragestellungen in den meisten Fällen zwingend erforderlich ist, dass alle Beteiligten über den Willen und die Fähigkeit verfügen, sich aktiv und unter Zuhilfenahme ihres impliziten Wissens an den entsprechenden Fragestellungen zu beteiligen. Dies sollte auch deshalb geschehen, weil sich Letztere häufig dadurch auszeichnen, dass sie sehr abstrakt und weit in die Zukunft gerichtet sind sowie nur durch neue Lösungsansätze bzw. auf der Basis veränderter Wahrnehmungsmuster, krea- tiver Ansätze und vernetzten Denkens zu bewältigen sind979. Um dies zumindest ansatzweise zu gewährleisten und parallel dazu die Chance zu erhöhen, dass sich die an der Kooperation Beteiligten zu großen Teilen der entscheidenden Aufgabe widmen, die für das System relevante Komplexität unter Kontrolle zu bringen (siehe oben Kapitel 4.5.1), ist dar- über hinaus das Vorhandensein zusätzlicher adäquater Rahmenbedingungen, basierend auf einem entsprechenden Denkgerüst, von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist die Förderung und Verbreitung des systemischen Denkens, welches in erster Linie dazu dient, oben erwähnte Wechselwirkungen in den Griff zu bekommen, sowie die Schaffung und Erweiterung von Kontexten im Rahmen eines erweiterten Wahrnehmungsprozesses anzusprechen. 979 zum vernetzten Denken vgl. Vester (1988) 270 4.5.2.2 Systemisches Denken als eine wesentliche Voraussetzung der Komplexitätsreduzie- rung und Zielfindung bei strategischen Aufgaben Beim systemischen Denken handelt es sich nach Kastner/Widmann darum, bezüglich eines interes- sierenden Zusammenhangs nicht nur die (unmittelbar logischen) Relevanzen zu erkennen, sondern auch die möglichen Konsequenzen auf andere und von anderen (über- und untergeordneten) Zu- sammenhängen zu berücksichtigen980. Kasper spricht diesbezüglich von der Steigerung der Selbststeuerungskapazität eines Systems, wel- che davon abhängt, ob es dem sozialen System gelingt, die Veränderungen in seiner relevanten Um- welt und die damit einhergehenden Rückwirkungen auf sich selbst (mit Hilfe des vernetzten Den- kens) zeitgerecht zu reflektieren981. Darüber hinaus sieht Senge im Systemdenken einen Schlüssel für die Integration von Vernunft und Intuition, wobei Letztere sich dem Zugriff des linearen Denkens, welches ausschließlich auf räum- lich und zeitlich eng beieinanderliegende Ursache-Wirkungs-Beziehungen ausgerichtet ist, ent- zieht982. Dabei kommt dem Zusammenspiel von Vernunft und Intuition im Systemdenken die Auf- gabe zu, nicht einfach nur lineare Ursache-Wirkungs-Beziehungen wahrzunehmen, sondern Feed- backschleifen zu erkennen, Ziele und Zwecke eines Systems in einem größeren Ganzen zu beurtei- len und die Wechselwirkungen von Logik und Psycho-Logik im Rahmen von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen zu begreifen983. Hier ist im Übrigen ein entscheidender Unterschied zu operationalen Fragen festzustellen. Diese lassen sich nämlich in der Regel weit gehend "vernunftbasiert" (zumindest, was die statisch ausge- richteten Kooperationen angeht) unter Zugrundelegung von Ursache-Wirkungsbeziehungen in den Griff bekommen. Das heißt, bei deren Lösung sind meist weit weniger Intuition, Erfindungsgeist, Kreativität oder eben systemisches Denken gefragt. Das Ziel des vernetzten (systemischen) Denkens mit Bezug auf konkrete, strategische Fragestellun- gen liegt also darin, das Denken nicht einseitig an der menschlichen Vernunft auszurichten, welche sich als sehr erfolgreich bei der Lösung isolierter Probleme erwiesen hat, sondern – unter Einbezie- hung von Intuition und Kreativität (vgl. Kapitel 4.5.3.1) – Chancen, Risiken und deren Zusammen- hänge bezüglich der (interorganisationalen) Unternehmensentwicklung zu verstehen und entspre- chende Lösungen zu erarbeiten. Durch dieses Vorgehen soll sichergestellt werden, dass eine Vielzahl möglicher alternativer Ent- wicklungsrichtungen untersucht wird, aus denen Annahmen, Fakten und Heuristiken hervorgehen, die die Wahrscheinlichkeit passender Lösungen erhöhen984. Allerdings entscheidet immer die Praxis darüber, welches Konstrukt bzw. welche Vorgaben und Zielvorstellungen effektiver, effizienter und sinnvoller sind985. 4.5.2.3 Die Schaffung und Erneuerung von Kontexten durch einen erweiterten Wahrnehmungsprozess Bezogen auf die Koordinations- und Einflussbeziehungen heißt dies, dass die im Rahmen von inter- organisationalen, synreferentiellen Strukturkopplungsprozessen ausgetauschten Problemdefinitio- nen und Wahrnehmungsmuster dahingehend zu vertiefen sind, dass nicht nur die zu Grunde liegen- 980 vgl. Kastner/Widmann (1991), S. 28 981 vgl. Kasper (1991), S. 64 982 vgl. Senge (1996), S. 207 983 vgl. Senge (1996), S, 494 984 vgl. Kastner (1990), S. 127 985 vgl. Kastner/Widmann (1991), S. 33 271 den Verhaltensmuster analysiert werden, sondern ebenso die existierenden Deutungs- und Problem- lösungsmuster bzw. -prozesse, die für die Sprach-, Interpretations- und Erklärungsschemata verant- wortlich sind. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass Wechselwirkungen und Vernetzungen kaum erkannt werden und damit die Realisierung eines innovativen und präventiven Verhaltens (Stich- wort systemverträgliche Entwicklung) allenfalls in Ansätzen zu bewerkstelligen ist986. Der Sinn und Zweck dieses ”erweiterten Wahrnehmungsprozesses” ist darin zu sehen, dass sich die an dem Konstruktionsprozess beteiligten Mitarbeiter auf eine so genannte Metaebene begeben, um auf diese Weise neue Kontexte zu erschließen bzw. sich dieser bewusst zu werden. Im Rahmen der Erschließung von Kontexten geht es dabei um die Herausarbeitung jener Perzeptionen, Paradigmen, Präferenzen und Heuristiken als die vier Regelungsarten, die das Gerüst des unternehmens- bzw. kooperationsspezifischen Weltbildes lebenspraktisch manifestieren, und auf deren Grundlage sich die weitere unternehmensübergreifende Entwicklung vollziehen soll. Jene Regelungsarten sind im Sinne von Scheuss wie folgt definiert987: Ɣ Perzeption: Aufbau der Wahrnehmungen und der Strukturierung mentaler Schemen Ɣ Paradigma: Ordnung der Welt und ihrer Ereignisse, Aufbau von Theorien über ihre Funktions- weise Ɣ Präferenz: Aufbau des Wert- und Normensystems Ɣ Heuristik: Aufbau von Rezepten und Strategien des Handelns Das Generieren und die Erneuerung von Kontexten ist somit deswegen von großer Bedeutung, weil dadurch die Wahlmöglichkeiten und somit die Innovationspotenziale für alle Beteiligten erhöht werden, was für die Erfüllung der strategischen Aufgabenstellung von großem Vorteil ist988. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass sich entsprechende Freiräume bezüglich der Wahrnehmung bzw. in Bezug auf ein ungezwungenes Denken und Kommunizieren entweder bereits ansatzweise im Rahmen von operativ-dynamischen Kooperationen entwickelt haben und jetzt vertieft werden oder aber innerhalb der strategischen Kooperation sukzessive erarbeitet werden. Dabei geht es bei der Gestaltung und Kultivierung neuer Kontexte im Vorfeld sowie während der eigentlichen strategischen Arbeit letztlich um die Verwirklichung eines ganzheitlichen (Manage- ment-) Ansatzes, welcher nach Probst für: Ɣ eine Vielfalt von Perspektiven und Wahrnehmungsstandpunkten, Ɣ die Förderung von Interaktionen in quantitativer und qualitativer Hinsicht, Ɣ das Erkennen und Denken in Chancen und Möglichkeiten sowie Ɣ eine kontinuierliche Reflexion über die geistigen und materiellen Strukturen eines sozialen Sys- tems zu sorgen hat 989. Damit wird bezweckt, dass die in dem Unternehmen bzw. den Mitarbeitern schlummernden Kräfte der Selbstorganisation und Erkenntnis auch tatsächlich freigesetzt werden und schöpferisch in die Gestaltung und Konstruktion neuer Kontexte einfließen. Denn, so Bleicher, strategische, in die Zu- kunft gerichtete Vorhaben sind in erster Linie die Folge menschlichen Entdeckungsgeistes, Prob- 986 vgl. Senge (1996), S. 427 987 vgl. Scheuss (1985), S. 58 988 vgl. Rüegg (1989), S. 358 989 vgl. Probst (1987a), S. 253 272 lembewusstseins, Beurteilungsvermögens sowie individueller Initiative und Entscheidungsfreude, welche durch die Perzeptionen und Präferenzen des Menschen gesteuert werden990. 4.5.3 Unterschiede zwischen einer strategischen und einer operativen Kooperation in Bezug auf die Wissens- und Informationsbeziehungen Des Weiteren ist aber auch die Ausgestaltung und Entwicklung der Wissensbeziehungen von großer Wichtigkeit, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden. Diesbezüglich ist von der Etablierung einer auf gemeinsamen synegoistischen Prinzipien beruhen- den Wissens- und Lerngemeinschaft zu sprechen. Diese soll dazu anregen, im Rahmen organisatori- scher Lernprozesse gemeinschaftlich zu lernen und entsprechendes (explizites und implizites) Wis- sen zu generieren. Darüber hinaus verfolgt eine derartige Lerngemeinschaft das Ziel, auf der Basis von Deutero-Lernprozessen bestehende gemeinsame Weltbilder, Wahrnehmungsmuster, Sozialisie- rungsprozesse gezielt zu analysieren, um auf diese Weise die eigene Beschränktheit, sei es in Form von "internal constraints" und "core beliefs and assumptions" oder in Form von strukturellen, dokt- rinbedingten oder psychologischen Informationspathologien, ein Stück weit sichtbar zu machen Dieses entspricht im Übrigen einer Aufgabenstellung, die in dieser Form bei operativ ausgerichteten Kooperationen so nicht anfällt. In einem sehr engen Zusammenhang mit den obigen Aussagen bezüglich der Koordinations- und Einflussbeziehungen stehen die Wissens- und Informationsbeziehungen, welche ebenfalls im Hin- blick auf eine interorganisationale, strategische Entscheidungsfindung überdacht werden müssen. Diesbezüglich ist innerhalb der strategischen Kooperation zumindest ansatzweise die Erkenntnis wichtig, auf welche Weise Engagement und Lernpotenzial auf möglichst vielen Ebenen der Zu- sammenarbeit erschlossen werden können. Dabei geht es nach de Geus letztlich nicht nur um die Frage, ob ein Unternehmen bzw. eine Kooperation etwas lernt (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3.4), sondern ob die jeweiligen Mitarbeiter frühzeitiger, schneller und besser als jene der Wettbewerber lernen991. Hierbei spielt die Gestaltung der zwischenbetrieblichen, technologiebasierten Informationsprozesse eine wesentliche Rolle. Diese werden in Kapitel 4.5.5 ff. einer gesonderten Betrachtung unterzogen und werden daher an dieser Stelle nicht behandelt. Diesbezüglich ist zunächst zu erwähnen, dass zur Bewältigung von strategischen Aufgaben der Ini- tiierung und sukzessiven Vertiefung gemeinsamer kooperationsübergreifender Lern- und Wissens- prozesse eine hohe Bedeutung zukommt. Eine solche Entwicklung zeichnet sich dadurch aus, dass die bestehende Wissensbasis im Zusammenhang mit den zu lösenden strategischen Fragestellungen zunächst definiert und auf diese Weise den Beteiligten transparent gemacht wird. Darauf aufbauend ist in Folge ein synegoistischer Wissensgenerierungsprozess zu initiieren992, welcher dafür sorgt, dass die gemeinsame Wissensbasis beständig erweitert bzw. verändert wird. Zusätzlich muss ein solcher Prozess einen Anstoß dafür geben, dass die jeweiligen Kontexte, die zur Generierung des Wissens geführt haben, gemeinsam gezielt hinterfragt und ggf. verändert bzw. verbessert werden. 993. Ein mögliches Mittel hierzu ist, in Anlehnung an das oben zur Kontextgestaltung Gesagte, dass im Rahmen der Übermittlung und Genese von implizitem Wissen intensive Reflexionsbemühungen über die derzeitige Wissensbasis im Unternehmen angestoßen werden. Dies kann durchaus als eine Art Deutero-Lernen bezeichnet werden, bei dem sich die Mitarbeiter in synreferentiellen Kopp- lungsprozessen über "das Erkennen des Erkennens" bewusst werden. 990 vgl. Bleicher (1996), S. 323 991 vgl. Sattelberger (1994), S. 24-25 992 vgl. zum Synegoismus Kapitel 3.2.4.2 sowie im Weiteren 4.5.4.2 993 vgl. zum organisatorischen Lernen Kapitel 3.2.3.2.3.4 ff. 273 Dabei interessiert bei weitem nicht nur, dass die Mitarbeiter darüber nachdenken, was ist bzw. was zählt, sondern ebenso was sie sich vorstellen können994. Hierin ist auch ein weiterer wichtiger Unterschied im Vergleich etwa zu den operativen dynami- schen Kooperationen zu sehen. Bei diesen bezieht sich das Deutero-Lernen, sofern praktiziert, auf konkrete Fragestellungen und den dahinter stehenden Lernprozessen, wohingegen bei strategischen Kooperationen die Wissensbasis und die Generierung völlig neuer Wissensbausteine als solche im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Ɣ In diesem Zusammenhang merken Gerken/Luedecke in Bezug auf Hart an, dass Lernen derart zu organisieren ist, dass man bei neuen Informationen nicht nur nach Ergänzungen des bisherigen Wissens, sondern nach völlig neuen Wissensbausteinen und Zusammenhängen sucht. Hierdurch wird vermieden, dass man jede neue Information in einer Art Routine einseitig nur unter Ergän- zungs- und Erweiterungsgesichtspunkten auffasst, womit lediglich eine starke Assimilation an be- reits Gelerntes stattfindet. Denn dies vermindert die Chance auf qualitative Lernsprünge zu Gunsten eines "Lerninkrementalismus"995. 4.5.3.1 Die Bedeutung von Fehlertoleranz und Kreativität für die strategische Entscheidungsfindung sowie eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen Ein weiterer wichtiger Punkt bezüglich der Wissensbeziehungen ist ein möglichst hoher Grad an Fehlertoleranz. Diesbezüglich gilt es zu verhindern, dass sich die Lernprozesse generell dadurch auszeichnen, dass sie Ɣ langsam sind, Ɣ imaginative oder abenteuerliche Optionen häufig nicht zum Zuge kommen lassen, eher zur Repetition früherer Erfolgsrezepte führen und Ɣ leichter eine Präferenz zur Bequemlichkeit als zu realem Wandel zeitigen996. Diesbezüglich ist besonders zu beachten, dass die Vertuschung von Fehlern gerade bei der Lösung strategischer Probleme nicht nur als "größte intellektuelle Sünde" zu betrachten ist, sondern auch vor dem Hintergrund, dass viele Lösungsbestandteile erst in ferner Zukunft handlungswirksam wer- den, so weit wie möglich zu vermeiden sind. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass inner- halb der Kooperation implizit ein angepasstes Jasagertum an den Tag gelegt wird, was zur Folge hat, dass man Risikovermeidung fördert und es nicht versteht, Fehler als Möglichkeit zur Kurskor- rektur zu nutzen. Die Konsequenz wäre ein nicht mehr lernfähiges System997. Somit kommt auch dem (Arbeits- bzw. Lern-) Umfeld eine große Bedeutung zu, denn dieses er- möglicht, begrenzt, behindert, kanalisiert oder regt die Lernprozesse an998. Eine wesentliche Maßnahme, die mit dazu beiträgt, den Lernkontext innerhalb strategischer Koope- rationen zu verbessern, ist die Schaffung von so genannten Redundanzen, welche auch als "organi- zational slack" bezeichnet werden. Hierbei geht es um die Differenz zwischen den für eine Aufgabe benötigten und den tatsächlich vorhandenen Ressourcen. Dies ist deshalb so wichtig, damit die an der Kooperation beteiligten Mitarbeiter, die oft genug in den Mutterhäusern noch anderweitig ein- gesetzt sind, auch wirklich die Möglichkeit bzw. die Zeit haben, nach neuen, innovativen Lösungen zu suchen. Dabei geht es darum, bestehende Lösungen kritisch zu hinterfragen sowie kritische Fak- 994 vgl. Blohowiak (1995), S. 21 995 vgl. Gerken/Luedecke (1988), S. 126 996 vgl. Sattelberger (1994), S. 18 997 vgl. Sprenger (1995), S. 196 998 vgl. Kastner (1993), S. 5 274 toren der Lernverhinderung wie organisationale defensive Muster, Privilegien und Tabus oder In- formationspathologien (vgl. oben) aufzuspüren999. Darüber hinaus trägt die erwähnte Fehlertoleranz, zusammen mit einem entsprechenden Lernkon- text, auch dazu bei, die unternehmensübergreifende Kreativität zu fördern. Diese ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn es um die Lösung von vielschichtigen (strategischen) Problemen geht, wo unterschiedliche Wechselwirkungen zu beachten sind, und jene sich generell durch ein rein vernunftorientiertes, eindimensionales, rationales Denken nur unzureichend oder gar nicht lö- sen lassen (vgl. auch Aussagen zum systemischen Denken, Kapitel 4.5.2.2). Bei näherer Auseinandersetzung mit dem Begriff Kreativität wird nochmals deutlich, wie wichtig diese für die Gestaltung und Entwicklung von sozialen Systemen (insbesondere im Zusammenhang mit strategischen Aufgaben) ist. Zahn etwa bezeichnet die Kreativität als die Denkfähigkeit des Menschen, originelle Ideen hervor- zubringen. Dabei kann es sich um neue Problemlösungen, phantasievolle Entwürfe, das Bilden neu- er Kombinationen, die Übertragung bekannter Lösungsprinzipien auf neue Zusammenhänge oder die Entdeckung solcher handeln1000. In gleicher Weise drückt sich Brobeck aus, für den Kreativität bedeutet, dass Menschen etwas er- schaffen, gestalten und formen können, woraus Dinge und (Denk-) Muster hervorgehen. Aus menschlicher Kreativität geht demzufolge Ordnung hervor. Die Freiheit, kreativ etwas gestalten oder aufbauen zu können, ist somit gerade im Wirtschaftsprozess der wichtigste Produktionsfak- tor 1001. Ferner fügt Knizia hinzu, dass Kreativität den Menschen dazu befähigt, Ordnungszustände zu er- kennen, ihren Wert für die Erhaltung des Lebens zu bemessen, Willensbildung und Entscheidung herbeizuführen und Initiative, Intuition, Dynamik und Beständigkeit zur Schaffung oder zur Erhal- tung von Ordnungszuständen wirksam werden zu lassen1002. Kreativität entspringt dabei aus dem Zusammenspiel von Wahrnehmung, Reflexion und dem „Trampeln neuer Hirnpfade" durch die Konstruktion neuer Invarianzen, sprich Wissen (vor kon- struktivistischem Hintergrund ist Wissen als eine Konstruktion und Aufrechterhaltung von Invari- anzen bzw. Regelmäßigkeiten zu verstehen1003). Somit hängt Kreativität entscheidend vom Wissen, der Vorstellungskraft sowie dem Beurteilungsvermögen der Menschen ab. Auf einen recht einfachen Nenner bringt dies Blohowiak, für den Kreativität letztlich auf folgenden drei Dingen beruht1004: 1. Dem Aufzeichnen von Informationen 2. Dem Wiedergewinnen von Informationen (durch Erinnerung oder Rekonstruktion) 3. Dem Neukombinieren von Informationen (verschiedene Teile werden auf verschiedene Art und Weise zusammengesetzt) Insbesondere der dritte Punkt ist die Grundlage dafür, neue Dinge und Ziele zu entwerfen sowie eine Vielfalt neuer, wertvoller und ästhetischer Formen zu schaffen1005. So gesehen stellt Kreativität einen nicht zu unterschätzenden Faktor im Rahmen des Doppel- Schleifen-Lernens dar, welches ohne das Wiedergewinnen bzw. Neukombinieren von Informatio- nen im Grunde undenkbar ist. 999 vgl. Probst/Büschel (1994), S. 50, 74 1000 vgl. Zahn (1995), S. 6 1001 vgl. Brodbeck (1996), S. 53 1002 vgl. Knizia (1992), S.133 f. 1003 vgl. Schmidt (1997), S. 210 1004 vgl. Blohowiak (1995), S. 258 1005 vgl. Brodbeck (1996), S. 197 275 Für Sprenger bedeutet kreativ sein, dass man die eigenen Glaubenssätze aus seiner Vergangenheit überschreitet und dass man vom Glauben abrückt, dass es einen richtigen Standpunkt zu jedem Thema gibt. Somit hat Kreativität primär den Charakter des sich Öffnens gegenüber dem vorgeblich Richtigen, Zwangsläufigen oder Routinierten. Es geht um die schöpferische Neugestaltung von Wirklichkeit, wobei die Schöpferkraft des Einzelnen der Kern menschlicher Kreativität ist1006. Dabei geht es bei weitem nicht um die Abschaffung der Rationalität und des logisch-linearen Den- kens, sondern um die Ausweitung eines zu engen Begriffs technischer und ökonomischer Rationali- tät hin zu einer umfassenderen Vorstellung von dem, was als praktische Vernunft bezeichnet wer- den kann. Diesbezüglich ist es erforderlich, dass die berechnende ökonomische Vernunft nicht voll- ständig menschliche Intuition, Irrationalität und Kreativität überlagert und demzufolge alles einer berechnenden Logik unterworfen wird, und zwar auf Kosten von Innovation und Entwicklungsfä- higkeit rückt, auch in Unternehmen sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Mensch kein rationales Geschöpf ist, und diese Tatsache für den größten Teil des Sozialproduk- tes verantwortlich ist Für die Zusammenarbeit innerhalb einer strategischen Kooperation bedeutet dies wiederum, dass zur Nutzung des kreativen Potenzials zumindest ansatzweise sichergestellt ist, aus kognitiven Rah- men ausbrechen zu können, Antwortoptionen offenzuhalten sowie bekannte und genormte Lösungs- wege in Frage zu stellen1007. Um dies bewerkstelligen zu können, ist es nach Vester mehr denn je notwendig, in Abkehr von der einseitigen, monokausalen Logik, die zu großen Teilen für den Entwicklungserfolg der Industriege- sellschaft verantwortlich war, mehr und mehr durch bewusste Willensakte andere Gehirnpartien in menschliches Denken und Handeln einzubeziehen. Er meint damit vor allem die Funktionen der rechten Gehirnhälfte, die sich durch Kreativität und Intuition, die Fähigkeit, Wesentliches zu erken- nen, Synthese und künstlerische Gestaltung auszeichnen sowie weiterhin den äußerst subtilen und in der Informationsverarbeitung extrem schnellen Gefühlsbereich umfassen. Somit gilt es einmal mehr, von dem Gedanken einer allzu technokratisch, rational-linear geprägten Welt, in der immer mehr gelernt wird, ohne zu verstehen, wo es immer mehr Wissen aber keine Weisheit gibt, Ab- schied zu nehmen1008. 1009. Anders ausged 1010. Die Ergebnisse dieser Lernfortschritte stellen die Grundlage für die weitere Bearbeitung der strate- gischen Fragestellungen dar, und zwar, indem die neuen Erkenntnisse und/oder Wahrnehmungs- und Problemlösungsmuster im Sinne einer systemverträglichen Kooperationsentwicklung eingesetzt werden. 4.5.3.1.1 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse bezüglich der Koordinations- und Wissensbeziehungen im Rahmen einer strategischen Kooperation Im Rahmen der strategischen Entscheidungsprozesse ist nicht nur konsequent auf konsens- und er- kenntnisbezogene Entscheidungsmechanismen zurückzugreifen, sondern es hat zusätzlich eine in- tensive Auseinandersetzung mit den gegenseitigen Problemdefinitionen und den wechselseitigen Wahrnehmungsmustern stattzufinden. 1006 vgl. Sprenger (1995), S. 114 f. 1007 vgl. Amabile (1990), S. 236 f. 1008 vgl. Vester (1988), S. 72 1009 vgl. Brodbeck (1996), S. 190 f. 1010 vgl. Blohowiak (1995), S. 130 276 Hierbei ist es von großer Bedeutung, dass die Beteiligten auch die Wechselwirkungen des unterneh- mensübergreifenden Denkens und Handelns und deren Auswirkungen auf die Entscheidungsfin- dung zumindest ansatzweise verstehen. Die Basis hierfür ist die Fähigkeit, systemisch denken zu können, also in Abkehr vom einseitig linearen "Ursache-Wirkung-Beziehungs-Denken" zusätzlich mittels eines intuitiv-psychologischen Denkens Feedbackschleifen zu erkennen, die Ziele und Zwe- cke der strategischen Kooperation in einem größeren Ganzen einordnen und beurteilen zu können sowie die Wechselwirkungen von Logik und Psycho-Logik zu begreifen. Die Konsequenz dieses Prozesses ist, dass es zu einer vertiefenden Betrachtung der vorhandenen gemeinsamen Deutungs- und Problemlösungsmuster kommt und somit ein Stück weit Transparenz hinsichtlich der Sprach-, Interpretations- und Erklärungsschemata geschaffen wird. Hierdurch wie- derum kommt es zur Auseinandersetzung mit vorhandenen sowie der Entwicklung von neuen Kon- texten, wobei die der Kooperationsentwicklung zu Grunde liegenden Perzeptionen, Paradigmen, Präferenzen und Heuristiken sowohl auf deren Tragfähigkeit hinterfragt als auch ggf. verändert bzw. weiterentwickelt werden. Wie oben bereits angedeutet, liegt diesem Vorgehen ein Denk- und Handlungsmodell zu Grunde, welches deutlich von einem eher rational-technizistischen Weltbild, basierend auf einseitiger Logik und Rationalität sowie einem Glauben an die umfassende Machbarkeit der Dinge abweicht und stattdessen auf einem systemisch-vernetzten Denken beruht (siehe Kapitel 2.4.1 f. und 4.5.2.1.1). Diese (kreative) Weiterentwicklung der Wissensbasis stellt die Grundlage für jedes innovative und präventive Verhalten dar. Das heißt, durch die Schaffung und Erneuerung von Kontexten werden nicht nur die Freiheitsgrade und Wahlmöglichkeiten und damit das Innovationspotenzial für die Kooperationsunternehmen deutlich erhöht. Vielmehr schärft die intensive Beschäftigung mit den internen und externen Wechselwirkungen zusätzlich das Bewusstsein, Bedrohungspotenziale früh- zeitig wahrzunehmen und entsprechend präventiv darauf zu reagieren1011. 4.5.4 Die Konsequenzen bezüglich der interorganisationalen Verhaltensmuster, um den aus den Koordinations- und Wissensbeziehungen resultierenden Anforderungen entgegen- zutreten Um diese erwünschten Ausprägungen der Koordinations- und Wissensbeziehungen wirksam wer- den zu lassen, sind in Erkenntnis der Tatsache, dass diese sich nicht aus sich selbst heraus entwi- ckeln, entsprechende Verhaltensgrundlagen erforderlich. Das bedeutet, die Fähigkeit, vernetzt zu denken und die damit zusammenhängende erweiterte Wahr- nehmung bzw. die Erkenntnis von Wirkungszusammenhängen, die Generierung und Kultivierung gemeinschaftlicher Kontexte sowie die Gestaltung von Synevolutionsprozessen variiert in Abhän- gigkeit von dem Entwicklungsstand verschiedener psychologischer Parameter. Hierzu zählen der Aufbau von Vertrauen und Reputation, Synegoismus, Bewältigung von Konflikten usw. Diese wer- den im Weiteren kurz aufgezeigt, wobei insbesondere jene Zusammenhänge hervorgehoben wer- den, die einen großen Einfluss im Hinblick auf die strategische Stoßrichtung einer Kooperation ausüben. 1011 vgl. bezüglich einer präventiven Unternehmensentwicklung und der Vermeidung von Systembrüchen Kapitel 3.1.3.1 277 4.5.4.1 Vertrauen als eines der Grundelemente einer dynamischen und nachhaltigen strate- gischen Kooperation Ohne Zweifel spielt vorhandenes wechselseitiges Vertrauen beim Aufbau und Vollzug einer strate- gischen Kooperation eine überragende Rolle. Denn ohne dieses ist jegliche Genese und Übermitt- lung von impliziten Wissensbausteinen als Grundelement jeglichen strategischen und innovativen Denkens und Handelns schlichtweg undenkbar. Darüber hinaus wird kein Kooperationspartner ohne Vertrauen bereit sein, bestehende wechselseitige Problemdefinitionen sowie Sprach-, Interpretati- ons- und Erklärungsschemata systematisch zu hinterfragen bzw. sich auf dieser Basis an der Gene- rierung neuer Kontexte zu beteiligen. Ferner ist vorhandenes Vertrauen auch deswegen eine Grundvoraussetzung jeglichen strategischen Handelns, weil durch dieses die ohnehin schon hohe Komplexität der Aufgabenstellung ein Stück weit handhabbarer gemacht wird. Denn Vertrauen verringert nicht nur die Koordinations-, Informa- tions- und Kontrollaktivitäten, sondern kann darüber hinaus als Mechanismus gesehen werden, die soziale Komplexität zu verringern. Auf diese Weise sorgt es dafür, dass die Kooperation zur Erfül- lung ihrer Aufgaben überhaupt erst handlungsfähig ist1012. Letzteres ist so zu interpretieren, dass allein schon die Konzentration auf die strategischen Aufga- ben von allen Beteiligten einen hohen Einsatz erfordert. Würden diese Aufgaben jetzt parallel, we- gen eines nur ansatzweise vorhandenen Vertrauens, durch eine Vielzahl von Absicherungs-, Abstimmungs- und Kontrollaktivitäten tangiert, hätte dies äußerst negative Konsequenzen für die eigentliche strategische Entscheidungsfindung einschließlich eines möglichen Scheiterns zur Folge. Geht man im Weiteren etwas tiefer auf die notwendige Vertrauensbasis im Zusammenhang mit stra- tegischen Kooperationen ein, ist anzumerken, dass die bereits erwähnte Doppeldeutigkeit des Ver- trauens die beteiligten Kooperationspartner vor eine besondere Herausforderung stellt. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass zu Beginn der Kooperation ein hohes Maß an institutionellem (unter- nehmenszentriert) und vor allem eigenschaftsbasiertem Vertrauen (personenzentriert, Stichwort Reputation) erforderlich ist, da ansonsten nicht davon auszugehen ist, dass sich die beteiligten Un- ternehmen auf eine gemeinsame strategische Zielfindung einlassen. Dieses entgegengebrachte Ver- trauen wird dann unmittelbar in den folgenden Abstimmungsprozessen, in denen das oben erwähnte Grundverständnis hinsichtlich der Ziele, der Vorgehensweise, der Verteilung der Kompetenzen etc. erarbeitet und in ein Vertragswerk überführt wird, auf eine erste Bewährungsprobe gestellt. Hierbei stehen die (potenziellen) Kooperationspartner, insbesondere wenn sie auf kein positives, prozessba- sierendes Vertrauen zurückgreifen können, vor dem Dilemma, dass gerade Regeln und Entschei- dungsmechanismen für einen effizienten Vollzug der strategischen Aufgabenstellungen (Umgang mit den wechselseitigen Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmustern, gemeinsame Konstruie- rung neuer Kontexte, Förderung der Kreativität, Umgang mit Konflikten usw.) festzulegen sind, deren Definition eigentlich ein bereits vorhandenes prozessbasiertes Vertrauen zwischen den Betei- ligten erfordert1013. Daher ist es für den erfolgreichen Start einer strategischen Kooperation von großem Vorteil, wenn die Beteiligten auf der Basis eines „proaktiven prozessorientiertes Vorab-Vertrauens“ zumindest in Ansätzen etwaige Schwierigkeiten, die während des (täglichen) Miteinanders bzw. bezüglich des wechselseitigen Umgangs auf den einzelnen Beziehungsebenen auftreten können, gedanklich vor- wegnehmen und hierfür im Rahmen der einführenden Abstimmungsprozesse bereits erste Lösungen entwickelt haben. Diesbezüglich ist ein Austausch der wechselseitigen Interessenlagen auf der Grundlage einer antizi- pativen Erwartungsbildung eine nahezu zwingende Notwendigkeit. Dies kann beispielsweise in 1012 vgl. bezüglich der Bedeutung von Komplexität und interorganisationalen Vertrauen Kapitel 3.1.2.1 und 3.2.4.1 f. 1013 siehe vertiefend zur Doppeldeutigkeit des Vertrauens Kapitel 3.2.4.1.1 278 Form von Selbst- und Fremdbeschreibungen geschehen, wobei erstere an das jeweilige Partialsys- tem selbst gerichtet sind und Letztere sich auf die an der Kooperation beteiligten Unternehmen be- ziehen. Dabei geht es einerseits um die gewünschte Aufgabenverteilung und die daran anknüpfen- den Rechte und Pflichten sowie andererseits auch um die Formulierung von Verhaltensregelungen, etwa bei Unstimmigkeiten oder im Konfliktfall. Letztendlich wird durch diese Grundlagen im Vor- feld der eigentlichen "strategischen Arbeitsphase" gewährleistet, dass opportunistische Verhaltens- weisen minimiert werden und Macht abgegeben bzw. geteilt wird. Denn ohne gemeinsame Verant- wortlichkeiten in Bezug auf Kompetenzen, Verfahrens- und Verhaltensregelungen sowie die Vertei- lung von Aufwand und Nutzen wäre eine Zusammenarbeit höchst chaotisch und nicht erfolg- reich1014. In ähnlicher Weise argumentiert Ohmae, welcher bezüglich der Wichtigkeit einer Substitution von totaler Kontrolle, sprich Macht durch Vertrauen anmerkt: "A real alliance compromises the fundamental independence of economic actors, and managers don´t like that. For them, management has come to mean total control. Alliances mean sharing con- trol. The one precludes the other1015." Während der Durchführung der eigentlichen strategischen Aufgaben nimmt natürlich die Entwick- lung und Ausprägung des prozessbasierten Vertrauens im Zeitablauf eine bedeutende Rolle ein. Dabei geht es vor allem darum, dass das einmal entgegengebrachte Vertrauen im Prozess der ge- meinsamen Zusammenarbeit nicht enttäuscht, sondern vielmehr stabilisiert und ausgebaut wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass es durch einen Mix aus im Zeitablauf tiefer gehendem Vertrauen und paralleler wechselseitiger Verpflichtung dauerhaft gelingt, gemeinsam an der erfolg- reichen Durchführung der strategischen Kooperation zu arbeiten1016. Hieraus geht eindeutig hervor, dass die Entwicklung eines prozessbasierten Vertrauens eine ent- scheidende Variable hinsichtlich Dynamik und Erfolg einer strategischen Kooperation darstellt, da ohne dieses die erforderliche tief gehende Zusammenarbeit innerhalb der Koordinations- und Wis- sensbeziehungen nur schwer vorstellbar ist. An dieser Stelle wird nochmals die enge Verzahnung zwischen (synegoistischen) Koordinations- prozessen auf der einen Seite und der Ausprägung entsprechender Wissensprozesse auf der anderen Seite deutlich. Diesbezüglich kann durchaus auch von einer Wechselwirkung gesprochen werden, z.B. in der Form, dass die zunehmende Ausprägung eines synegoistischen Miteinanders dafür sorgt, die Wissensbeziehungen zu vertiefen. Dieses stärkt wiederum die Vertrauensbasis bzw. die Bereit- schaft, sich noch intensiver mit den gemeinschaftlichen Interessen und Belangen sowie denen der jeweils anderen auseinanderzusetzen, was wiederum Auswirkungen auf die Gestaltung der Wis- sensbasis hat. Dabei gilt, ähnlich wie bei den eben erwähnten Koordinations- und Einflussbezie- hungen, auch für die Wissensbeziehungen, dass ein kontinuierlicher um nicht zu sagen institutiona- lisierter und systematischer Austauschprozess in Gang gesetzt wird. Dieser hat auf der Basis einer sozial kompetenten Kommunikation (siehe die folgenden Aussagen) in regelmäßigen Abständen gemäß der vereinbarten Ziele zu hinterfragen, wie es um den Aufbau der Wissensbasis sowie der Generierung neuer Wissensbausteine bestellt ist und auf welche Weise die bestehenden Prozesse verbessert werden können. Das heißt, jede weitergehende systematische Vertiefung der Koordinations- und Wissensbeziehun- gen im Rahmen von erweiterten Wahrnehmungsprozessen, bei denen bestehende interorganisation- ale Perzeptionen, Paradigmen, Präferenzen und Heuristiken auf der Basis vernetzten Denkens hin- terfragt und verändert werden, ist entscheidend davon abhängig, inwieweit das bestehende Vertrau- en nicht nur nicht enttäuscht, sondern darüber hinaus auch vertieft und ausgebaut, sprich dynamisch 1014 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 101 1015 in Ohmae (1990), zitiert aus Hammes (1995), S. 71 1016 vgl. Lorange/Roos (1992), S. 354 279 weiterentwickelt wird. Das Ergebnis dieser Prozesse ist letztlich die Schaffung und Erneuerung von Kontexten, was wiederum das Innovationspotenzial erhöht (vgl. Kapitel 3.2.4.1.1). 4.5.4.2 Synegoismus als grundlegende Verhaltensweise, um den (strategischen) Anforderun- gen gerecht zu werden Die oben dargelegte Notwendigkeit hinsichtlich eines sich entwickelnden prozessbasierten Vertrau- ens sowie der Fähigkeit, nach Möglichkeit bereits in den Anfängen der strategischen Kooperation zu einer Vereinbarung systemverträglicher Rahmenbedingungen zu kommen, stellt entsprechend hohe Anforderungen an das Verhaltensrepertoire der Kooperationspartner. Diesbezüglich kommt im Grunde nur das bereits an anderer Stelle analysierte synegoistische Ver- halten in Frage (siehe Kapitel 3.2.4.2 f.). Das bedeutet, je besser dieses Gemeinschaftsverständnis in Richtung der konsequenten Verwirklichung von Positivsummenspielen verinnerlicht ist bzw. ge- lebt wird, desto eher sind die Anforderungen an ein prozessbasiertes Vertrauen zu erfüllen. Somit kommt der Sozialkompetenz als einem Kernbaustein des synegoistischen Verhaltens im Rahmen von strategischen Kooperationen eine ungeheure Bedeutung zu. Hierzu zählt die Fähigkeit, mit den Interessen, Gefühlen und Systemansichten der anderen Personen bzw. dem sozialen System inklusive der eigenen Person umgehen zu können. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Notwendigkeit eines vertiefenden Vertrauensprozesses im Zusammenhang mit der Ausprägung eines systemischen Denkens einer näheren Betrachtung un- terzieht. Hierbei spielen sowohl die soziale Intelligenz als auch die soziale Verantwortung als zentrale Be- standteile der Sozialkompetenz im Hinblick auf eine vertrauensfördernde Zusammenarbeit eine ent- scheidende Rolle. So sind es diese beiden Komponenten, die den jeweiligen Beteiligten einer stra- tegischen Kooperation auf Dauer das Gefühl vermitteln, im eigenen Denken und Handeln zumin- dest ansatzweise verstanden zu werden. Dies geschieht beispielsweise, indem die gegenseitigen Vorstellungen, Wertungen und Ursachenzuschreibungen, die wiederum wahrnehmungs- und ent- wicklungsabhängig sind, durch Selbst- und Fremdbeschreibungen bzw. Reflexionen sozial intelli- gent erfasst und analysiert werden. Daran anschließend sorgt der sozial verantwortliche Umgang miteinander dafür, dass mit diesen (bisweilen hoch sensiblen) Kenntnissen vertrauensvoll umge- gangen wird bzw. dass das auf diese Weise erzeugte implizite Wissen entsprechend in die gemein- same strategische Zielerreichung einfließt. Einhergehend mit diesem systemverträglichen Umgang miteinander sind des Weiteren ein gestei- gertes Maß an Offenheit zueinander sowie die Akzeptanz von (kultureller, institutioneller oder per- soneller) Verschiedenartigkeit als wichtige Voraussetzungen zur strategischen Zielerreichung zu erwähnen. Dies bezieht sich auf den Umgang mit Fehlern, Problemen oder anderen substanziellen Herausfor- derungen, welche in gegenseitigem Einvernehmen ohne großes Abwarten oder Zögern zu lösen sind. Ferner geht es um die Ausprägung einer hohen Toleranz gegenüber anders Denkenden, deren Einstellungen und Kreativität gerade im Hinblick auf die Verwirklichung schwer zu imitierender Wettbewerbsvorteile von großem Nutzen sein können. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass das Auftreten von Störungen oftmals als wesentliche Ursache für die Weiterentwicklung von Unternehmenskooperationen zu sehen ist und somit Offenheit und der Umgang mit anders Denkenden ein zentrales Element der (strategischen) Entwicklungsdynamik darstellt (vgl. Kapitel 4.5.3.1). Ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt sozial intelligenten Verhaltens, welcher u.a. dazu dient, den wechselseitigen Vertrauensbildungsprozess zu fördern, ist ein systemverträglicher Umgang mit 280 Konflikten auf der Basis entsprechender emotionaler und kommunikativer Fähigkeiten. Diesbezüg- lich ist es von großem Nutzen, wenn die Beteiligten gerade im Konfliktfall über die Fähigkeit ver- fügen, ein synegoistisches Verhalten in der Form an den Tag zu legen, dass sie die unterschiedli- chen Facetten der Entstehung von Konflikten gemäß der ursachen-, ziel-, personen- und sachorien- tierten Sichtweise nachvollziehen und einer synegoistischen Problemlösung zuführen können (vgl. ausführlich Kapitel 3.2.4.2.3). Hinter diesen synegoistischen Verhaltensausprägungen steht wiederum die (freiwillige) Kommuni- kation von Interessen als entscheidendes interorganisationales Steuerungsmedium (vgl. Kapitel 3.1.1.3). Dieses beeinflusst nahezu alle Bereiche der strategischen Zusammenarbeit direkt oder indi- rekt und ist somit als wichtiger Bestandteil der Sozialkompetenz anzusehen. Diesbezüglich gilt es nicht nur bei der Formulierung des gegenseitigen Grundverständnisses, son- dern auch beim Vollzug der (teilweise hoch komplexen) strategischen Aufgabenstellungen nicht aneinander vorbei zu reden, sondern auf der Basis einer gemeinsamen Ausrichtung der jeweiligen Vorstellungen und Interessen zielstrebig zur Erarbeitung systemverträglicher, langfristig valider Lösungen zu kommen. Hierbei spielt die wechselseitige Fähigkeit, die einzelnen Dimensionen einer Nachricht (Tatsachen-, Ausdrucks-, Lenkungs- und Kontaktdimension) qualifiziert beurteilen (Stichwort intelligentes Kommunizieren) und sich entsprechend verhalten zu können, eine entscheidende Rolle1017. Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass jegliche interorganisationale, strategische Zielfindung und Zielerreichung zu großen Teilen vom Vorhandensein einer profunden Vertrauensbasis der Ko- operationspartner abhängig ist. Diese darf nicht allein zeitpunktbezogen betrachtet werden (etwa zur Formulierung des gemeinsamen Grundverständnisses), sondern es ist mindestens genauso wichtig, ein zunehmend gesteigertes prozessbasiertes Vertrauen im Zeitablauf aufzubauen. Um dieses zu erreichen, ist ein synegoistisches Verhalten, auf der Grundlage von Sozialkompetenz, von überra- gender Bedeutung. Dabei kommt die Sozialkompetenz in der Akzeptanz von Offenheit und Vielfäl- tigkeit, dem Anfertigen von Selbst- und Fremdbeschreibungen, der Fähigkeit, Konflikte zu handeln sowie generell in einer entsprechenden Kommunikationsfähigkeit zum Ausdruck (siehe oben). All diese Punkte üben wiederum in zentraler Weise eine große Wirkung auf die Entwicklung von Koordinations- und Wissensbeziehungen aus, welche den Fortgang der strategischen Kooperation unmittelbar tangiert. So sind beispielsweise die Intensität und die Fruchtbarkeit eines fortwährenden Dialoges über die Koordinations- und Wissensbeziehungen, die sich im Zielerreichungsgrad sowie den zahllosen Ver- änderungen und Verbesserungen in den Austauschbeziehungen niederschlagen, letztlich immer eine Frage des synegoistischen Umgangs miteinander. Das heißt, je offener und vertrauter das gemeinsame Miteinander ist, geprägt durch Akzeptanz und Toleranz gegenüber Anders- bzw. Verschiedenartigkeit, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer entsprechend positiven Entwicklung der Wissensbeziehungen bzw. Lernprozesse. Offenheit und Akzeptanz von Verschiedenartigkeit beziehen sich in diesem Fall allerdings weniger auf Ziele, Interessen oder kulturelle Unterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen, sondern eher auf Vorstellungen, Konzepte, Entwürfe und Ideen, welche der Kreativität der Beteiligten entspringen. Diese gilt es möglichst vorurteilsfrei im Hinblick auf die Brauchbarkeit bezüglich der strategischen Aufgaben zu prüfen. 1017 siehe hierzu auch Aussagen zur Kommunikation im Allgemeinen, zur dialogorientierten Kommunikation, dem Zu- sammenhang zwischen Kommunikation und Anschlussfähigkeit des Handelns, Kommunikation als Kernkompetenz der Zukunft Kapitel 3.2.4.2.3 f. 281 4.5.5 Unterschiede zwischen einer strategischen und einer operativen Kooperation in Bezug auf die technologisch untermauerten Informations- und Leistungsprozesse Bezüglich des Einsatzes moderner Informationstechnologien ist anzumerken, dass durch diese das verstreut vorhandene (explizite und implizite) Wissen der an der Kooperation Beteiligten sys- tematisch erfasst, aufbereitet und somit strukturiert für die interorganisationale Entscheidungsfin- dung nutzbar gemacht wird. Im Mittelpunkt steht dabei die Gestaltung der zwischenbetrieblichen Informationsprozesse, zu deren wichtigsten Aufgaben aus technischer Sicht die Speicherung, Auf- bereitung und Verteilung von Informationen gehört. Somit nehmen diese in zentraler Weise eine Unterstützungsfunktion für die Wissens-, aber auch Koordinationsbeziehungen wahr. Diese Unterstützungsfunktion kann besonders im Hinblick auf die zu lösenden strategischen Auf- gaben im Grunde gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn die Verfügbarkeit von Informa- tionen bzw. expliziten und impliziten Wissensbausteinen ist gerade zur Lösung strategischer Auf- gaben eine Grundvoraussetzung. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen strategi- scher Aufgabenstellungen das zu bewältigende Informationsvolumen, im Gegensatz zu einer opera- tiven Kooperation, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht eine große Herausforde- rung darstellt (vgl. Kapitel 4.5.1.1.). Aus dieser Informationsflut, ausgelöst durch die intensive Erörterung der kooperationsinternen und -externen Gegebenheiten (Analyse der Potenziale und Fähigkeiten, Initiierung von Entwicklungs- und Gestaltungsprozessen, Definition der Aufgabenwelt, Durchführung von Zukunftsszenarien und Prognosen, Darstellung von Wechselwirkungen bzw. Wirkungszusammenhängen etc.) lässt sich eindeutig die hohe Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben ableiten, wobei jene vielfach durch Gegebenheiten beeinflusst wird, die sich (eigen-) dynamisch weiterentwickeln (vgl. Kapitel 3.1.2.1). Demzufolge ist eine der wesentlichen Aufgaben der interorganisationalen Informations- prozesse, die Beteiligten bei der Bewältigung dieser "dynaxischen Situation"1018 zu unterstützen. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass man normalerweise nicht davon ausgehen kann, dass die meisten der an einer strategischen Kooperation mitwirkenden Organisationsmitglieder über einen Metakontext verfügen, durch welchen das Wissen der Partialsysteme zu einem wohlgeordneten Wissenssystem integriert wird. Vielmehr ist im Sinne von Pautzke davon auszugehen, dass Unter- nehmen (und Kooperationen) kontextpluralistische Systeme sind, die sich durch das Nebeneinander einer Vielzahl mehr oder weniger inkommensurabler Kontexte auszeichnen. Die Wissenselemente der gesamten kontextpluralistischen Organisation (und Kooperation) bilden allenfalls lose gekop- pelte Systeme, die sich nicht zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen1019. Die Folge hieraus ist ein hohes Maß an latent vorhandenem Wissen, dessen Gebrauch oft genug sehr hohe Informationskosten, in Form von Recherche- und Aufbereitungsaufwand oder auch Dop- pelarbeiten, erfordert. Genau diese sollen mit der Hilfe entsprechender Informationsprozesse auf der Basis neuester Informations- und Kommunikationstechnologien, welche latent vorhandenes Wissen für einen größeren Kreis an Kooperationsmitgliedern nutzbar machen und damit die Lern- und Entwicklungschancen erhöhen, minimiert werden1020. Im Rahmen dieses Prozesses nehmen die Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK- Technologien) die Rolle eines befähigenden Faktors ein (enabler). Das heißt, sie sind als wichtiges Mittel bzw. Katalysator zu begreifen, um die strategische Entscheidungsfindung zu unterstützen. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass strategischen Entscheidungsprozessen häufig un- strukturierte Probleme zu Grunde liegen, deren Lösung durch die IuK-Technologien mittels Bereit- stellung und Auswertung von Informationen unterstützt wird, was wiederum die Kosten der Ent- scheidungsfindung senkt und die Qualität erhöht. Die eigentliche Generierung der Problemlösungs- 1018 vgl. Kastner (1998a), S. 19 f. 1019 vgl. Pautzke (1989), S. 77 1020 vgl. Pautzke (1989), S. 105 282 vorschläge ist allerdings Sache der mit den Aufgaben befassten Mitarbeiter und wird nur am Rande durch die IuK-Technologie selbst getragen1021. An dieser Stelle ist im Übrigen anzumerken, dass schon heute Agentensysteme, neuronale Netz- werke oder Fuzzytechniken Eingang in den unternehmerischen Entscheidungsalltag gefunden ha- ben. Jedoch kann bis dato nicht davon gesprochen werden, dass diese einen wirklichen eigenständi- gen Beitrag mit entsprechenden selbstständigen Impulsen für die strategische Entscheidungsfindung liefern1022. So gesehen stellt der Einsatz moderner IuK-Technologien letztlich ein Werkzeug dar, welches, ähn- lich einem Customer-Relationship-Management-System (vgl. Kapitel 3.1.2.2.1.1), in unglaublich kurzer Zeit Daten und Informationen in aufbereiteter Form an jedem beliebigen Ort den Anwendern zur Verfügung stellt. Diese sind allerdings im Wesentlichen dafür verantwortlich, die bereitgestell- ten Informationen im Rahmen der strategischen Entscheidungsfindung möglichst optimal zu nut- zen1023. Trotz dieser Einschränkung bezüglich einer umfassenden Anwendbarkeit der IuK-Technologien ist in Bezug auf die strategische Entscheidungsfindung davon auszugehen, dass der Einsatz entspre- chender Technologien allein schon wegen der Möglichkeit der Speicherung, Auswertung und Wei- terleitung von jeglichen digitalisierten Informationen über Unternehmens- und Ländergrenzen hin- weg eine notwendige Voraussetzung zur Lösung dieser Fragestellungen ist. 4.5.5.1 Die Bedeutung der Informationstechnologie in Bezug auf die interorganisationale Zusammenarbeit Geht man im Weiteren etwas näher auf die interorganisationale Zusammenarbeit ein, so liegt ein weiteres wesentliches Potenzial der neuen IuK-Technologien in den zwischenbetrieblichen Integra- tionswirkungen, welche zur Lösung der strategischen Aufgaben von großem Vorteil sind. Bau- er/Stickel sprechen diesbezüglich von einer dreistufigen Wirkung der Technik1024. Auf einer rein technischen Ebene führt eine interorganisationale Integration der Applikationen zu einer Zusammenlegung von Aktivitäten, wobei in der Regel menschliche Eingriffe reduziert, Kos- ten und Übertragungszeit gespart, Abläufe beschleunigt und Mehrfacherfassungen von Daten ver- mieden werden. In diesem Zusammenhang ist der Einsatz von Wissensdatenbanken, Experten- und Web-EDI-Systemen zu erwähnen1025(vgl. auch Kapitel 2.2.3.3). Auf einer organisatorischen Ebene hingegen tragen die entsprechenden Technologien dazu bei, dass sich neue Gestaltungsspielräume bezüglich der zwischenbetrieblichen Entscheidungsfindung eröff- nen. Dies geschieht beispielsweise durch Standardisierung unstrukturierter Prozesse, Parallelisie- rung von Teilaufgaben sowie durch Beschaffung und Filterung von Informationen zur Verbesse- rung bzw. Beschleunigung von Entscheidungen (vgl. auch Kapitel 2.3.1 ff.). Umfasst werden diese beiden Ebenen von einer institutionellen Ebene, welche einerseits vertragli- che Regelungen beinhaltet, die eventuelle opportunistische Risiken vermeiden helfen sollen, sowie andererseits das Verhaltensgerüst näher spezifiziert, welches in der interorganisationalen Zusam- menarbeit auf der organisatorischen Ebene zum Ausdruck kommt1026. Letzteres wiederum übt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf aus, ob es auch tatsächlich zu einer positiven Wirkbeziehung zwischen der Intensität des Einsatzes von IuK-Technologien so- 1021 vgl. Piller (2000), S. 99 1022 vgl. Hazebrouck (1998), S. 129 1023 vgl. Schwetz (2000), S. 215 1024 vgl. Bauer/Stickel (1998), S. 439-441 1025 vgl. Kuhlmann (1997), S. 88 1026 vgl. Bauer/Stickel (1998), S. 441 283 wie dem Output bezüglich der strategischen Entscheidungsfindung kommt. Das bedeutet, es geht im Grunde nicht um die Frage, ob überhaupt in entsprechende Technologien investiert werden soll, sondern vielmehr wie und unter welchen Bedingungen sich diese am wirkungsvollsten einsetzen lassen. Dabei gilt es im Besonderen zu berücksichtigen, dass die wesentlichen Vorteile der IuK- Technologien in ihren interorganisationalen Verbundwirkungen verborgen liegen. Die Effizienz und Effektivität der Nutzung bzw. der Leistungserbringung dieser Technologien wird dabei ganz ent- scheidend von dem Kommunikations- und Abstimmungsgrad an den Schnittstellen bestimmt1027. Das heißt, je weniger Reibungspunkte an den (interorganisationalen) Schnittstellen bestehen und je besser die Kenntnis der gegenseitigen Abhängigkeiten innerhalb und zwischen den Organisationen ist, desto eher ist auch damit zu rechnen, dass es zu einem produktiven bzw. effektiven Einsatz der IuK-Technologien kommt. An dieser Stelle drängen sich obige Aussagen zu den Koordinations- und Einflussbeziehungen im Allgemeinen und zum synegoistischen Verhalten sowie zur Sozialkompetenz im Speziellen förm- lich auf (vgl. Kapitel 4.5.2 und 4.5.4.1 f.). In dem Maße nämlich, wie es den an der strategischen Unternehmenskooperation beteiligten Ein- heiten gelingt, durch Synegoismus und Formulierung der gegenseitigen Erwartungshaltungen eben jene möglichen Reibungspunkte und Abhängigkeiten an den Schnittstellen in Bezug auf den Einsatz der Technologien und die entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen zu identifizieren und zu formulieren, desto eher ist auch damit zu rechnen, dass es auf Dauer zu einem positiven Wir- kungszusammenhang zwischen dem Einsatz der IuK-Technologien sowie der Qualität der zu lösen- den strategischen Aufgaben kommt. Dies bedeutet im Idealfall konkret, dass die zum Einsatz kom- menden Informationstechnologien zu einer deutlichen Verbesserungen der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit beitragen. Zusätzlich sorgen sie dafür, dass die Beteiligten auf Grund einer breite- ren und aktuelleren Informationsbasis in der Lage sind, strategisch ausgerichtete Lösungsvorschläge weniger auf Basis eines induktiven Herantastens als vielmehr durch ein explizites Abwägen bewer- teter Alternativen zu erarbeiten1028. Die entscheidende Herausforderung ist dabei einerseits die intelligente Nutzung der Potenziale der neuen IuK-Technologien und andererseits die Etablierung entsprechender ausgefeilter Informati- onsverarbeitungs-, Entscheidungsfindungs- und Lösungsprozesse. Diese tragen in effektiver und effizienter Weise der Tatsache Rechnung, dass für die Bewertung einer (strategischen) Entschei- dung in der Regel weit mehr Informationen zur Verfügung stehen, als wirklich auf Grund von Kapi- tal- und Zeitrestriktionen in die Entscheidungsfindung einfließen können1029. Nach diesen Aussagen über die interorganisationalen, technologiegestützten Informationsbeziehun- gen gilt es, zum Abschluss des Kapitels noch einen kurzen Blick auf die Leistungsbeziehungen zu werfen. 4.5.5.2 Die Auswirkung der strategischen Fragestellungen auf die zwischenbetrieblichen Leistungsprozesse Bezüglich der Input-/Outputverflechtungen im Rahmen einer strategischen Kooperation ist zu sa- gen, dass sie neben den eher operational ausgerichteten Bereichen, wie etwa Produktion oder die 1027 vgl. Gaitanides/Mueffelmann (1996), S. 40 1028 vgl. Normann (1993), S. 183 1029 vgl. Haywood (1995), S. 23 sowie Glazer (2000), S. 44 284 Abwicklung von Informations- und Zahlungsflüssen, auch andere Gebiete, wie F&E, Marketing und Vertrieb sowie Stabsbereiche, wie Organisation und Unternehmensplanung etc., umfassen. Diese weitergehende Vernetzung kommt ebenso in der Zielsetzung bezüglich der Leistungsbezie- hungen zum Ausdruck. Es geht in erster Linie nicht mehr "nur" um die (nachhaltige) Verbesserung von interorganisationalen, operativen Prozessen und Abläufen, sondern die gemeinsam erstellte (zu erstellende) Leistung in ihrer Gesamtheit und im Hinblick auf die Schaffung langfristiger Wettbe- werbsvorteile steht im Mittelpunkt1030. Diesbezüglich können Fragen entlang der gesamten Wertkette (F&E, Einkauf, Produktion, Absatz) tangiert sein, bei denen nicht nur die Ermittlung von Einsparpotenzialen eine Rolle spielt, sondern ebenso Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine höhere Wertschöpfung sowie den Aufbau zusätzlicher Wettbewerbspotenziale in die Betrachtung mit einbezogen werden. Dabei gilt es, im Gegensatz zu einer operativen Zusammenarbeit, innerhalb der strategischen Kooperation den Blick nicht nur auf die bestehenden Leistungsbeziehungen und deren Wechselwirkungen zu richten, son- dern ständig auch externe Gegebenheiten in Richtung Markt, Kunde und neuer potentieller Partner zur Verbesserung der Leistungserstellung sowie neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik im Fokus zu haben. Nach diesen eingehenden Erläuterungen über die Strategiegenerierung mit Bezug auf eine system- verträgliche (Kooperations-) Unternehmensentwicklung, die inhaltlichen Anforderungen hinsicht- lich strategischer Aufgabenstellungen, die hierfür notwendige Ausgestaltung der einzelnen interor- ganisationalen Beziehungsebenen sowie die entsprechenden Verhaltensmustern und die erforderli- chen technologiegestützten Informationsprozesse werden im Folgenden diese Erkenntnisse an den vier strategischen Kooperationsausprägungen, gemäß des obigen Kooperationswürfels, gespiegelt (vgl. Abb. 51 Kapitel 4). Dabei geht es vor allem um eine vertiefende Analyse, inwieweit die einzelnen strategischen Koope- rationsausprägungen dahingehend geeignet sind, dass sie die Kooperationsunternehmen in die Lage versetzen, langfristige Wettbewerbsvorteile aufzubauen und damit den entscheidenden Grundstein für eine systemverträgliche Entwicklung zu legen, verbunden mit entsprechenden Aussagen hin- sichtlich der Ausprägung der einzelnen Beziehungsebenen sowie den dahinter stehenden Verhal- tensmustern. 4.6 Die strategisch–statische Kooperationsform auf der Basis einer bestehenden Konkurrenzbeziehung Die Grundlage dieser Kooperation (wie auch der folgenden zu diskutierenden Kooperationsformen) ist dadurch gekennzeichnet, dass grundsätzlich strategische Ziele verfolgt werden. In Anlehnung an die obigen Analysen (vgl. ausführlich Kapitel 4.5.1) geht es dabei um inhaltliche Schwerpunkte wie: Ɣ Ermittlung der vorhandenen Wettbewerbsvorteile bzw. deren Erfolgspotenziale Ɣ Überlegungen, wie diese langfristig zu verteidigen sind Ɣ Schaffung von neuen Wettbewerbsvorteilen Als übergeordnetes Ziel ist dabei die langfristige Überlebensfähigkeit im Rahmen einer möglichst systemverträglichen Entwicklung der entsprechenden Organisationseinheiten zu sehen. 1030 vgl. Alaniz/Roberts (1999), S. 31 285 Des Weiteren ist hinzuzufügen, dass bei den hier beschriebenen Kooperationsformen implizit davon ausgegangen wird, dass alle beteiligten Unternehmen grundsätzlich eine strategische Kooperation wollen. Es handelt sich also weder um "Golfplatzallianzen", bei denen durch spontanen Kontakt zwischen Geschäftsführern eine Kooperationsidee geboren wird, ohne dass die Notwendigkeit einer solchen strategischen Allianz wirklich begründet ist, noch tritt eine beteiligte Organisation der je- weiligen Allianz willentlich und wissentlich nur zum Schein bei1031. Bezüglich des vorliegenden Kooperationsfalles ist anzumerken, dass auf Grund der zwischen den Unternehmen bestehenden Konkurrenzsituation in diesem Fall auch von einer horizontalen Koope- ration bzw. einer strategischen Allianz gesprochen werden kann. Eine solche Form der Zusammen- arbeit zeichnet sich in der Regel durch Langfristigkeit aus und basiert auf vertraglichen Vereinba- rungen. Darüber hinaus ist der erfolgreiche Aufgabenvollzug in starkem Maße davon abhängig, dass die beteiligten Unternehmen ihre jeweiligen Kernkompetenzen in die Kooperation einbrin- gen1032 (siehe hierzu auch Kapitel 3.1.1 f.). Die dieser Kooperationsform inhärente Statik und die damit verbundenen Folgen lassen sich erneut an dem Entwicklungsstand der einzelnen Beziehungsebenen der Kooperation festmachen. Dabei dienen die oben analysierten (idealtypischen) Anforderungen als übergeordneter Bezugsrahmen (vgl. Kapitel 4.5.2.1 ff.), wobei auch die grundsätzlichen Erkenntnisse der Kapitel 3.1 und 3.2 ff. mit in die Analyse einfließen. 4.6.1 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die Koordinations- und Ein- flussbeziehungen Wirft man zunächst einen Blick auf die Koordinations- und Einflussbeziehungen, so macht sich der statische Charakter der Kooperation dadurch bemerkbar, dass es den Beteiligten nur bedingt gelingt, in umfassender Weise zu einem gemeinsamen Grundverständnis hinsichtlich Zielen, Verantwort- lichkeiten und den entscheidenden Stellparametern interorganisationaler Zusammenarbeit wie die Vereinbarung von Verhaltensspielregeln sowie den Umgang mit den Einfluss- und Wissensbezie- hungen zu gelangen. Ein solcher Minimalkonsens führt zwar im Idealfall dazu, dass zumindest teilweise auf rein ver- handlungsbasierte Entscheidungsfindungsprozesse zu Gunsten von regelbasierten Prozessen ver- zichtet werden kann, welche, wie oben analysiert, zur Lösung strategischer Aufgaben zwingend er- forderlich sind, weil anderenfalls die Beteiligten nahezu ausschließlich mit operativen oder politi- schen Aufgaben beschäftigt sind (vgl. Kapitel 4.5.1.1 f.). Jedoch hat der nur in Teilbereichen erfolgende Abgleich der gegenseitigen Interessen und die da- hinter liegenden Abhängigkeiten zur Konsequenz, dass eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den wechselseitigen Problemdefinitionen nicht stattfindet und die darauf basierenden Wechselwir- kungen nicht oder nur unzureichend erkannt werden. Spricht man im Weiteren den eigentlichen Vollzug der strategischen Aufgaben in einem systemver- träglichen Sinn an, so ist hierfür die Entwicklung und Verbreitung eines systemischen Denkens in- nerhalb der Kooperation zwingend erforderlich. Denn anderenfalls können weder die enorme Kom- plexität noch die dahinter stehende Dynamik der Aufgabenstellungen wirklich erkannt und (sys- temverträglich) bewältigt werden1033 (siehe auch Kapitel 4.5.2.1.1). 1031 vgl. Fontanari (1995), S. 118 1032 vgl. Fontanari (1995), S. 134 1033 vgl. Probst/Gomez (1991), S. 7, 27 286 Dieses setzt allerdings einen entsprechenden Entwicklungsstand der Koordinations- und Einfluss- beziehungen voraus, welcher gerade bei der hier diskutierten statischen Kooperationsform nicht oder nur sehr eingeschränkt vorhanden ist. Das heißt, es werden zwar (oberflächlich) Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster inner- halb von interorganisationalen Strukturkopplungsprozessen ausgetauscht, aber es kommt nicht zu einer dahingehenden Vertiefung, dass auch die existierenden Deutungs- und Problemlösungsmuster und die damit zusammenhängenden Sprach-, Interpretations- und Erklärungsschemata zumindest ansatzweise transparent gemacht werden. Dies hat unmittelbar zur Folge, dass von einem erweiterten Wahrnehmungsprozess und der damit verbundenen Erschließung neuer und vorhandener Kontexte, im Hinblick auf die der Kooperations- entwicklung zu Grunde liegenden Perzeptionen, Paradigmen, Präferenzen und Heuristiken, nicht die Rede sein kann. Daher werden innerhalb dieser Kooperationsform auch die entsprechenden Wechselwirkungen und Vernetzungen, welche die Basis eines innovativen und präventiven Verhal- tens darstellen, nicht oder nur unzureichend erkannt1034 (vgl. ebenso Kapitel 4.5.2.1.2). Die Konsequenz daraus ist, dass weder zu Anfang der Kooperation systemisch gedacht wird noch es im Zeitablauf zu einer Entwicklung und Verbreitung des systemischen Denkens kommt. Im Ge- genteil, es ist eher zu befürchten, dass die Kooperation mehr oder weniger durch ein profundes, li- neares, vernunftgetriebenes Denken, basierend auf vermeintlich klar erkennbaren Ursache-Wir- kungsbeziehungen, beeinflusst bzw. gesteuert wird. Somit sind die an der Kooperation beteiligten Unternehmen auch nur eingeschränkt in der Lage, Ziele und Zwecke in einem größeren Ganzen zu beurteilen sowie die Wechselwirkungen von Logik und Psycho-Logik im Rahmen von Verände- rungs- und Entwicklungsprozessen wirklich zu begreifen. Infolgedessen herrscht innerhalb der Ko- operation ein eher rational-technizistisches Weltbild vor, getragen vom Glauben an die umfassende Machbarkeit der Dinge, sofern diese nur logisch und rational geplant werden (die strategische Ko- operation als triviale Maschine, vgl. Kapitel 1.3.1 und 2.4 ff.). Hiermit einhergehend ist die Tatsache, dass innerhalb einer solchen statischen Kooperation, durch die mangelnde Schaffung und Erneuerung von Kontexten im Rahmen der bestehenden Koordinati- ons- und Einflussbeziehungen, weder Freiheitsgrade noch Wahlmöglichkeiten für alle Beteiligten signifikant erhöht werden und damit das Innovationspotenzial ebensowenig vergrößert wird1035. In engem Zusammenhang damit steht die unzureichende Verwirklichung eines unternehmensüber- greifenden, ganzheitlichen Managements zur Förderung einer Vielfalt unterschiedlicher Perspekti- ven, quantitativ und qualitativ ausgerichteter Interaktionen und einer kontinuierlichen Reflexion über das bisher Erreichte (siehe Kapitel 4.5.2.1.2). Auch hier sorgt die der Kooperation inhärente Statik dafür, dass die beteiligten Partialsysteme in einem Zustand verharren, der für eine breite Ent- faltung des menschlichen Kreativitätspotenzials und Entdeckungsgeistes alles andere als förderlich ist1036. 4.6.2 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die Wissensbeziehungen In Bezug auf die Wissens- und Informationsbeziehungen auf der Grundlage einer statischen Koope- ration ist festzustellen, dass es durchaus denkbar ist, dass es zur Lösung der strategischen Fragestel- lungen zu einem fortwährenden implizitem Wissensaustausch und einer entsprechenden Wissens- genese kommt. Jedoch ist auch hier davon auszugehen, dass durch die fehlende Dynamik kein Schritt in Richtung intensiver und regelmäßiger Reflexionsbemühungen bezüglich der vorhandenen Wissensbasis bzw. deren Ausbau gelingt. 1034 vgl. Rüegg (1989), S. 59 f. 1035 vgl. Probst (1987), S. 113 1036 vgl. Brobeck (1996), S. 53 287 Dies drückt sich beispielsweise darin aus, dass das „Erkennen des Erkennens“ innerhalb der Koope- ration eher unterentwickelt ist. Daher wird auch die Generierung neuer Wissensbausteine innerhalb der bestehenden gemeinsamen Wissensbasis zu Gunsten eines ständigen Rückgriffs auf die vorhan- dene Wissensbasis vernachlässigt. Darüber hinaus findet auch kein systematischer Wissensaufbau über die jeweiligen Kooperationspartner statt, was insbesondere dann von Nachteil ist, wenn es bei ungenügender Zielerreichung trotz hohen Einsatzes zu kurzfristigen Fehleinschätzungen der Quali- täten und Fähigkeiten der an der Kooperation beteiligten Unternehmen kommt1037. Ferner sind ähnlich unzureichende Ergebnisse in Bezug auf die aktive Gestaltung des Lernumfeldes bzw. die Institutionalisierung des organisatorischen Lernens zu befürchten. Dieses kommt z.B. in dem Fehlen bzw. der ungenügenden Etablierung einer unternehmensübergreifenden Lerngemein- schaft zum Ausdruck, so dass letztlich bestehende Lösungen nicht konsequent hinterfragt werden und allenfalls ansatzweise versucht wird, auf der Basis eines "fehlertoleranten Miteinanders" jene Handlungsroutinen herauszufinden, die sich innerhalb der Kooperation als Entwicklungshemmnis erweisen (vgl. Kapitel 4.5.3 f.). 4.6.3 Die Ausprägung der Vertrauensbasis vor dem Hintergrund einer statisch-strate- gischen Kooperationsentwicklung Somit sind die Lernprozesse weniger als innovativ-dynamisch, sondern eher als langsam-repetitiv, ohne deutliche imaginative und kreative Elemente zu bezeichnen. Es geht also mehr um die Einord- nung von Wissen und Erfahrung in vorhandene Strukturen, statt um eine wissensbasierte Entwick- lung neuer Strukturen und damit zusammenhängend einer Modifikation des Verhaltensrepertoi- res1038. Letzteres deutet zusätzlich darauf hin, dass das in der Kooperation ruhende Kreativitätspotenzial, ähnlich wie das Lernpotenzial, durch das starke Festhalten an bestehenden Strukturen und Prozes- sen zu großen Teilen unausgeschöpft bleibt. Das heißt, Wahrnehmung und Reflexion bewegen sich, nicht zuletzt durch mangelndes systemisches Denken, größtenteils innerhalb der bereits getrampel- ten Hirnpfade. Infolge gelingt es der Kooperation nur unzureichend, aus dem bestehenden kogniti- ven Rahmen ausbrechen zu können, neue Hirnpfade zu trampeln und daraus neue Lösungswege zu generieren (vgl. Kapitel 4.5.3.1). Auch wenn es dieser Kooperationsform an einer dynamischen Entwicklung der Beziehungsebenen mangelt, darf daraus nicht automatisch abgeleitet werden, dass zwischen den Kooperationspartnern keine Vertrauensbasis besteht. Im Gegenteil, ohne ein gegenseitiges institutionelles und/oder eigen- schaftsbasiertes Vertrauen ist jedes Eingehen einer strategischen Kooperation im hier verstandenen Sinn unmöglich (vgl. Kapitel 4.5.4 f.). Der entscheidende Punkt ist allerdings, inwieweit es die beteiligten Kooperationsunternehmen schaffen, schnellstmöglich das oben erwähnte prozessorientierte Vorab-Vertrauen zu etablieren sowie darauf aufbauend systematisch ein prozessorientiertes Vertrauen in die Tat umzusetzen. Die der Kooperation anhaftende Statik macht sich jetzt dadurch bemerkbar, dass es beispielweise in der Anfangsphase nicht gelingt, die oft zahllosen Absicherungs- und Kontrollaktivitäten ein Stück weit zurückzufahren und durch intensive Selbst- und Fremdbeschreibungen, welche die wechselsei- tigen Interessenslagen und gegenseitigen Erwartungshaltungen transparent machen, zu ersetzen. Somit wird kein prozessorientiertes Vorab-Vertrauen an den Tag gelegt und dementsprechend kommt es auch nicht zu einer proaktiven gedanklichen Vorwegnahme möglicher Schwierigkeiten und Stolpersteine im Hinblick auf die Ausprägung der einzelnen Beziehungsebenen (vgl. Kapitel 4.5.4.1). 1037 vgl. Kaufmann (1993), S. 140 1038 vgl. Pautzke (1989), S. 95 288 Darüber hinaus gelingt es den Unternehmen im Zeitablauf nur ungenügend, ein wirkliches prozess- basiertes Vertrauen aufzubauen, mit der Folge einer dauerhaft eher oberflächlich ausgeprägten Ver- trauensbasis und den damit verbundenen Konsequenzen für die Koordinations- und Wissensbezieh- ungen (siehe oben). Dementsprechend ist auch ein ausgeprägtes synegoistisches Verhalten auf Seiten der Beteiligten weder vorhanden noch zu erwarten. Infolgedessen kann ebensowenig davon ausgegangen werden, dass der Umgang miteinander durch eine hohe Sozialkompetenz, verbunden mit einer entsprechen- den Offenheit und Toleranz gegenüber anders Denkenden sowie einer ausgeprägten Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, gekennzeichnet ist. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Verhaltensanforderungen an den Menschen bzw. Mitarbeiter in Bezug auf den interorganisationalen Umgang miteinander als relativ gering anzusehen sind, was sicherlich für den Einzelnen durchaus eine Erleichterung im Rahmen seiner täglichen Arbeit bedeu- tet. Denn er muss deutlich weniger seine eigenen Erwartungen und Ziele artikulieren, kreativ sein, vernetzte (Verhaltens-) Zusammenhänge erkennen oder aber sich intensiv mit dem jeweiligen Ge- genüber auseinandersetzen1039. Für die systemverträgliche Entwicklung der Kooperation als Ganzes hat dies hingegen gravierende Nachteile, wie die nachfolgenden Ausführungen darlegen werden. 4.6.4 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die Informations- und Leis- tungsbeziehungen Die Konsequenz aus oben Gesagtem ist, dass sich die technologiebasierten, interorganisationalen Informationsbeziehungen, welchen für ein professionelles, überbetriebliches Informationsmanage- ment gerade im Hinblick auf die Lösung strategischer Fragestellungen eine nicht zu unterschätzen- de Bedeutung zukommt (vgl. Kapitel 4.5.2.4), nicht oder nur in Ansätzen in der notwendigen Weise entwickeln. So werden die vorhandenen bzw. sich ausprägenden Wissens- und Informationsbeziehungen unzu- reichend durch entsprechende Informationstechnologien unterstützt, was sich beispielsweise darin äußert, dass sich der unternehmensübergreifende Gebrauch elektronischer Medien auf die Nutzung von Telefon, Fax und E-Mail beschränkt. Für den täglichen Arbeitsvollzug bedeutet dies, dass das vorhandene und gemeinsam neu generierte (explizite und implizite) Wissen weder systematisch elektronisch erfasst noch entsprechend struktu- riert allen Beteiligten in aufbereiteter Form elektronisch verfügbar gemacht wird. Daraus folgt, dass die strategischen Potenziale moderner Informations- und Kommunikationssysteme, wie etwa eine strukturierte Aufbereitung der interorganisationalen Wissensbasis in einer überbetrieblich nutz- baren Wissensdatenbank, der Einsatz von Expertensystemen, die Nutzung von Agentensystemen und neuronalen Netzwerken, die Verkettung interner Aktivitäten sowie die Unterstützung unterneh- mensübergreifender Verknüpfungen zur strategischen Entscheidungsfindung, nur unzureichend aus- geschöpft werden1040 (vgl. auch Kapitel 4.5.5 ff.). Die Konsequenz dessen ist, dass gerade auf der technologischen Ebene, was die Informationssuche, -aufbereitung und -verteilung angeht, eine spürbare Zusammenlegung von Aktivitäten, eine Redu- zierung menschlicher Eingriffe, eine Beschleunigung der Abläufe oder der Abbau der Mehrfacher- fassung von Daten nicht festzustellen ist, und damit auch eine ungenügende Einsparung von Kosten einhergeht. Ähnlich sieht es auf der technologisch untermauerten organisatorischen Ebene aus, wo im Idealfall mittels des Einsatzes entsprechender Technologien (vgl. hierzu Aussagen zum virtuellen Unterneh- 1039 vgl. bezüglich der Anforderungen an den einzelnen für eine systemverträgliche Entwicklung Kastner (1990), S. 200 ff. 1040 vgl. Piller (2000), S. 123 289 men, Kapitel 2.3.2 ff. und 2.3.3 ff.) neue Gestaltungsspielräume hinsichtlich einer verbesserten inte- rorganisationalen Entscheidungsfindung eröffnet werden. Auch hier trägt der statische Kooperati- onscharakter dazu bei, dass es nicht in ausreichendem Maße zu einer Standardisierung unstruktu- rierter Prozesse, der Parallelisierung von Teilaufgaben und der Vorstrukturierung von Informatio- nen zur Verbesserung und Beschleunigung der strategischen Entscheidungsfindung kommt. Hieraus lässt sich eindeutig ableiten, dass es der Kooperation keinesfalls gelingt, eine positive Wir- kungsbeziehung zwischen der Intensität des Einsatzes moderner Kommunikationstechnologien und einem qualitativ hochwertigen Output der strategischen Entscheidungsfindung herzustellen. Dies ist letztlich eine Folge des oberflächlichen Umgangs miteinander, der keinesfalls so zielführend ist, dass ein produktiver und effektiver Einsatz der IuK-Technologien sichergestellt werden kann 1041. Geht man im Weiteren auf die Leistungsprozesse über, so ist auch hier festzustellen, dass diese sich allenfalls unterdurchschnittlich, wenn überhaupt entwickeln. Dies kann im Extremfall bedeuten, dass die Kooperation trotz des strategischen Ansatzes über leichte Verbesserungen der operationa- len Effizienz durch die Verwirklichung von Einsparpotenzialen auf operativer Ebene nicht hinaus- kommt. So gesehen zeichnet sich diese Kooperationsform maximal dadurch aus, dass kurz- bis mittelfristig auf der operativen Leistungsebene Kostenvorteile realisiert werden. Es kommt allerdings weder zu einer dauerhaften Verbesserung der operativen, zwischenbetrieblichen Leistungsbeziehungen, im Gegensatz zu einer dynamisch-operativen Kooperation (vgl. Kapitel 4.3 ff.) noch zu einer wirklich nachhaltigen „Revolutionierung“ bestehender oder gar der Erfindung neuer Wertschöpfungspoten- ziale entlang der jeweiligen Wertketten (vgl. Kapitel 3.1.3 ff.). Ferner ist zu erwähnen, dass, sollte die angestrebte höhere Wertschöpfung entlang der gemeinsamen Wertkette zumindest ansatzweise in die Tat umgesetzt werden, diese größtenteils wieder durch ei- nen hohen interorganisationalen Steuerungs- und Regelungsaufwand zunichte gemacht wird1042. Dies wird daran deutlich, dass es die strategische Kooperation im Zeitablauf nicht schafft, die an- fänglich mit hohem Transaktionskostenaufwand etablierten (meist oberflächlichen) institutionellen Rahmenbedingungen (dem Grundgerüst zur Ermöglichung strategischen Handelns, siehe Kapitel 4.5.2 f.) derart selbstregulatorisch zu entwickeln, dass auf Dauer gesehen der interorganisational generierte (strategische) Output den entsprechend getätigten Input deutlich überwiegt. Somit verzeichnet die Kooperation weder auf der technischen Ebene, etwa durch den Einsatz ein- heitlicher unternehmensübergreifender Kommunikationstechnologien, verbunden mit entsprechen- den Anwendungsszenarien (vgl. Kapitel 2.1 ff), noch auf der organisatorisch-psychologischen Ebe- ne (Abstimmung der Planungsprozesse, Aufbau unternehmens- und funktionsübergreifender Teams, Schaffung einer prozessbasierten Vertrauensbasis sowie Etablierung von Kontroll- und Si- cherungsmechanismen) dahingehend wirksame Erfolge, dass auf Dauer eine spürbaren Reduzierung der hohen und fortdauernden transaktionsspezifischen Investitionen wahrzunehmen ist. Das heißt, der für eine Strategieformulierung unter Kooperationspartnern wichtige Prozess des Sich-Austauschens und -Öffnens gegenüber den anderen Allianzpartnern, in welchem die unter- nehmensspezifischen Stärken und Schwächen offengelegt werden, um den Nutzen jedes einzelnen Kooperationspartners sichtbar machen zu können, ist bei dieser Kooperationsvariante entweder nie begonnen worden oder nach kurzer Zeit zum Erliegen gekommen1043. Daher bleibt festzuhalten, dass es zu keinem Aufbau von komplexitätsreduzierenden und transakti- onskostensenkenden regelbasierten Koordinationsmechanismen und einer entsprechenden Wissens- und Vertrauensbasis kommt. Im Gegenteil, es ist von einem gleichbleibend hohen oder gar gestei- gerten internen Koordinations- und Regelaufwand auszugehen sowie entsprechenden Sicherungs- und Kontrollaktivitäten, welche nicht nur die Transaktionskosten auf einem hohen Niveau halten, 1041 vgl. in Bezug auf Produktivitätswirkungen von IuK-Technologien Piller (2000), S. 104 ff. 1042 vgl. Piller (2000), S. 370 1043 vgl. Schertler (1995), S. 45 290 sondern auch die Lösung der eigentlichen strategischen Kernaufgaben in beträchtlichem Maße ne- gativ beeinflussen. Folglich steht der Koordinations-, Informations- und Entscheidungsaufwand zunehmend in keinem akzeptablen Verhältnis mehr zum Ertrag, sprich der erwarteten aber nicht realisierten dauerhaften höheren Wertschöpfung durch den Aufbau entsprechender Erfolgspotenziale1044. Im Grunde drängt sich daher der Eindruck auf, dass, ähnlich wie bei der statischen operativen Ko- operation, von einer umfassenden prozess- und informationstechnischen Verknüpfung der Koopera- tionsunternehmen nicht gesprochen werden kann, sondern im Rahmen der unternehmensübergrei- fenden Zusammenarbeit nach wie vor eher die Grundsätze des Industriezeitalters vorherrschen (vgl. Kapitel 1.4). Dementsprechend ist zu vermuten, dass der Übergang zum Informations- und Wis- senszeitalter, was das Ausnutzen bzw. die Umsetzung der (psycho-) logischen Erkenntnisse angeht, noch nicht wirklich beschritten wurde. 4.6.5 Die Gefahr der gegenseitigen Übervorteilung hinsichtlich der statischen Kooperations- ausprägung Diesbezüglich darf einmal das der Kooperation zugrundeliegende Wettbewerbsverhältnis mit den dazugehörigen Begleitumständen wie Rivalität, Bewältigung von Nullsummenspielen, opportunisti- sches Verhalten, Konfliktbewältigung durch Wettbewerb etc. (vgl. auch Kapitel 3.2.2.1) keinesfalls vernachlässigt werden. Bezieht man diese Situation zusätzlich zu den bis dato erwähnten Anmerkungen mit ins Kalkül ein, ist von einer beträchtlichen Gefahr hinsichtlich der Übertragung der kompetitiven Verhaltensweisen auf das kooperative Miteinander auszugehen. Dieses ist u.a. deshalb der Fall, weil durch die statische Ausprägung der einzelnen Beziehungsebe- nen das Erreichen der strategischen Ziele nicht nur unsicher, sondern massiv gefährdet ist. Dabei kommt hinzu, dass in der Regel in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß materielle und immateriel- le Güter investiert wurden, verbunden mit einer entsprechenden Erwartungshaltung in Richtung einer gemeinsamen strategischen Zielerreichung. Jene massiven Investitionen haben zur Folge, dass ein Abbruch der strategischen Kooperationsbeziehung für alle Beteiligten in der Regel nicht ohne größere Verluste vonstatten geht. Dieses zeigt sich z.B. darin, dass die bis dahin angefallenen Transaktionskosten sowie die im Zusammenhang mit der Kooperation getätigten materiellen Inves- titionen beim Wegfall der Geschäftsbeziehung bzw. Kooperation vielfach ohne Wert sind. - Bleiben die erhofften strategischen Erfolge dann deutlich hinter den Erwartungen zurück, was im hier analysierten Fall sehr wahrscheinlich ist, schwindet das ohnehin nicht sehr stark ausgeprägte (prozessorientierte) Vertrauen. Infolgedessen steigt das Misstrauen und es droht eine permanente Auseinandersetzung über die Frage nach der Verantwortlichkeit für den jeweiligen Zustand. In ei- ner solchen Situation liegt implizit die Gefahr verborgen, dass die Ausrichtung der Kooperation nicht langfristiger, kooperativer und systemverträglicher Natur ist, sondern über die Ebene einer kurzlebigen oder allenfalls mittelfristigen Tauschbeziehung mit deutlichen wettbewerbsgesteuerten Interaktionsvariablen nicht hinausreicht (vgl. Kapitel 3.2.2.1 ff.) Hierin spiegelt sich letztlich die Erkenntnis wieder, dass die beteiligten Unternehmen der Zusammenarbeit eben nicht die Qualität geben können, die über eine (vermeintliche) Sicherung der opportunistischen Risiken deutlich hi nausgeht1045. 1044 vgl. Mohr (1995), S. 336 1045 vgl. Teece (1986), S. 37 291 Dies kann im Weiteren dazu führen, dass die beteiligten Partialsysteme zunehmend von den ohne- hin allenfalls rudimentär vorhandenen integrativen Entscheidungsprozessen Abstand nehmen und implizit versuchen, unter Voranstellung ihrer eigenen Interessen im laufenden Kooperationsgesche- hen so viel wie möglich für sich herauszuholen. Infolgedessen kommt es im ungünstigsten Fall zu einem Wegfall des "long-term incentive for mutual cooperation" zu Gunsten eines "short-term in- centive for defection", wobei jeder Partner aus kurzfristiger Perspektive dem Anreiz unterliegt, ent- weder selbst möglichst wenig zum Gelingen des gemeinsamen Vorhabens beizutragen oder aber sich auf Kosten der anderen zu profilieren1046. Hiermit käme der bereits latent vorhandene Wettbewerbsgedanke wieder voll zum Tragen, mit der Konsequenz, dass sowohl die strategische Entscheidungsfindung als auch die wünschenswerte Sys- temverträglichkeit noch mehr in den Hintergrund gedrängt bzw. im Zweifel ganz aus den Augen verloren wird. An dieser Stelle wird deutlich, welches hohe Bedrohungspotenzial hinsichtlich eines Scheiterns in einer derart ausgerichteten strategischen Kooperation verborgen liegt, insbesondere, wenn es nicht gelingt, die statischen Beharrungskräfte gerade bei den Koordinations- und Wissensbeziehungen sowie den dahinter liegenden Verhaltensgrundlagen zumindest ein Stück weit zu überwinden. Im Gegenteil, denkt man die beschriebene Entwicklung konsequent zu Ende, ist festzustellen, dass diese durchaus in einen Teufelskreis münden kann, aus welchem die beteiligten Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen und welcher unweigerlich zur Auflösung der Kooperation führt. Dieses ist dann der Fall, wenn die zusehends gesteigerte Unzufriedenheit über die erreichten Ergeb- nisse in ein gesteigertes Misstrauen gegenüber den jeweils anderen Unternehmen mündet. Dieses Misstrauen führt seinerseits zu erhöhter Wachsamkeit, welches sich in zusätzlichen Kontroll- und Sicherungsbemühungen bemerkbar macht, um eventuell befürchtetem opportunistischen Verhalten vorzubeugen. Es wird demnach versucht, durch kostenintensive Kontroll- und Überwachungsme- chanismen zu einer formellen Überwindung von opportunistischen Tendenzen zu kommen, anstatt dies durch eine faire und freiwillige Zusammenarbeit als eine der tragenden Säulen einer langfristi- gen Kooperationsbeziehung zu erreichen1047. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass bei den Kooperationsunternehmen ei- ner strategischen Allianz im Normalfall jeweils Kerngebiete betroffen sind und somit ohnehin ein gesteigertes Bedürfnis besteht, sich selbst aktiv in die Entscheidungsprozesse einzubringen und die- se zu seinen Gunsten zu beeinflussen1048 (ganz zu schweigen von der nach wie vor vorhandenen Konkurrenzsituation und eventuell daraus hervorgehender Ressentiments). Durch diese umfassenden Sicherungsmaßnahmen werden allerdings die Transaktionskosten weiter erhöht, was infolgedessen die Bestrebungen nach der Erarbeitung von strategischen Lösungen mas- siv gefährdet, da ein Mehr an Misstrauen und Kontrolle nicht unbedingt förderlich für diese sind. Somit bleiben die Ergebnisse noch weiter hinter den Erwartungen zurück, mit der Folge, dass das Misstrauen weiter ansteigt und der Teufelskreis dementsprechend von vorne beginnt, bis irgend- wann das Ende der Kooperation erreicht ist. In diesem Fall bleibt dann oft genug nicht nur ein bitte- rer Beigeschmack, welcher darin mündet, dass das Bewusstsein der gegenseitigen Rivalität wieder stark in den Vordergrund gerückt wird, sondern es kommt zusätzlich nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, in denen die "Schuldfrage" und damit etwaige Restitutionsansprüche geklärt werden sollen. 1046 vgl. Axelrod (1984), S. 134 1047 vgl. Hakansson (1989), S. 115 f. 1048 vgl. Baumgarten (1998), S. 144 292 4.6.6 Die eingeschränkte Diversität der Möglichkeiten und der ungenügende Zielerrei- chungsgrad als Sinnbild einer kaum lebensfähigen Kooperation Die eingeschränkte Diversität der Möglichkeiten ist auf Grund des existierenden Konkurrenzver- hältnisses ein nicht zu umgehender impliziter Bestandteil einer derartigen Kooperation. Sie schränkt die Entwicklungsmöglichkeiten einer Kooperation ein Stück weit ein bzw. setzt eine entsprechende Abgrenzung des Kooperationsfeldes voraus (siehe Kapitel 3.2.2.1.1). Im Falle der hier diskutierten Kooperationsform ist es jedoch weniger die Wettbewerbsbeziehung, welche die Ausprägung der Kooperationsmöglichkeiten einschränkt, als vielmehr der statische Cha- rakter der Kooperation. Darüber hinaus verstärkt sich die Einschränkung der (noch möglichen) Di- versität umso mehr, je intensiver egoistische Verhaltensweisen durch die ungenügende Zielerrei- chung und die dadurch bedingte Unzufriedenheit an den Tag gelegt werden. Daher werden die sich normalerweise in großer Anzahl bietenden Möglichkeiten hinsichtlich der Ausprägung der Koope- ration bzw. der Bearbeitung denkbarer Kooperationsfelder in keinster Weise auch nur annähernd ausgenutzt. Aus diesem Grund stellt sich im Normalfall auch kein Abgrenzungsproblem in dem Sinn, dass von vornherein intensiv darauf geachtet werden muss, wie mit eventuell generiertem (implizitem) Hand- lungswissen zu verfahren ist, was bezüglich des bestehenden Konkurrenzfeldes von Relevanz sein könnte (vgl. Kapitel 4.3.4). Vielmehr steht die Kooperation eher vor der Herausforderung, über- haupt erst einmal entsprechende implizite Wissensbausteine als Basis strategischer Lösungen zu generieren und somit weit weniger vor dem Problem, auf welche Weise diese für alle nutzbringend zu verwenden sind. Letztlich ist es aus diesen Gründen wenig verwunderlich, dass sich die beschriebene Entwicklung besonders bei der Suche nach bzw. dem Aufbau von neuen Wettbewerbspotenzialen negativ be- merkbar macht. So steigert das mangelnde Systemdenken und die damit verbundene eingeschränkte Fähigkeit einer entsprechenden Selbstreflexion, die unzureichende Transparenz der existierenden Deutungs- und Problemlösungsmuster sowie die nicht voll ausgeschöpfte Lern- und Kreativitätspo- tenziale das Risiko, dass es nicht oder nur sehr eingeschränkt gelingt, wirklich neue Wettbewerbsvorteile zu generieren und diese auch langfristig zu verteidigen. Zusätzlich resultiert aus dem nicht oder nur eingeschränkt vorhandenen vernetzten Denken, dass ein Großteil der zwischenbetrieblichen, aber auch der externen Wechselbeziehungen gar nicht erkannt werden. Dies reduziert zwar einerseits die zu behandelnde Komplexität bewusst oder unbewusst, andererseits birgt es aber eine enorme Bedrohung in sich, weil die der Kooperation inhärenten Ei- gendynamiken sowie die marktlichen Entwicklungen die langfristig ausgerichteten strategischen Ergebnisse schnell konterkarieren können, ohne dass die an der Kooperation beteiligten Unterneh- men sich dessen wirklich bewusst sind1049. Eng hiermit verbunden ist die Frage nach einer wirklich systemverträglichen Entwicklung der an der Kooperation beteiligten Unternehmen. Diese ist vor dem Hintergrund der beschriebenen Unzu- länglichkeiten als sehr unwahrscheinlich zu bezeichnen, zumal sich die beteiligten Unternehmen in einem Konkurrenzverhältnis befinden, was sich, verstärkt durch den niedrigen Entwicklungsstand der strategischen Kooperation, mit Sicherheit nicht als Vorteil erweist. So gesehen liefert dieser Kooperationstyp letztlich ein Erklärungsbild für zahllose mit großer Eu- phorie und den besten Absichten begonnener horizontaler strategischer Allianzen ab, welchen es aber über kurz oder lang jedoch nicht oder nur in geringem Umfang gelungen ist, die statischen Beharrungskräfte auf den einzelnen Beziehungs- sowie den dahinter liegenden Verhaltensebenen zu überwinden bzw. zu dynamisieren (siehe hierzu auch Kapitel 4.7.3). Infolge haben sie nicht nur 1049 vgl. Probst (1987), S. 27 ff. 293 große Schwierigkeiten, ihre angestrebten strategischen Ziele auch nur annähernd zu erreichen, son- dern sie müssen sogar massiv um ihren Fortbestand fürchten1050, sollte der hier beschriebene Zu- stand weiter fortdauern bzw. die beteiligten Partialsysteme nicht in der Lage sein, das Ruder herum- zureißen (siehe hierzu im Weiteren Kapitel 5.2.3). Die Ausprägung der Koordinations- und Einflussbeziehungen unterscheidet sich nicht grundlegend von der vorstehenden Variante. 4.7 Die strategisch-statische Kooperationsform ohne ein bestehendes Konkur- renzverhältnis Genauso wie bei vorstehender Kooperationsform steht auch hier die Auseinandersetzung mit strate- gischen Fragestellungen innerhalb der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit zur Erreichung einer systemverträglichen Entwicklung eindeutig im Vordergrund (vgl. Einführung, Kapitel 4.6). Ein wesentlicher Unterschied hingegen liegt darin, dass sich die an der Kooperation beteiligten Un- ternehmen in keinerlei Konkurrenzsituation zueinander befinden, hier also von einer strategischen, vertikalen Kooperation gesprochen werden kann, wie sie beispielsweise sehr häufig in den pyrami- denförmigen Zulieferstrukturen der Automobilindustrie vorzufinden ist1051. Diese Ausgangssituation zieht einige Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zu dem eben disku- tierten Kooperationstyp nach sich. 4.7.1 Der Einfluss der statischen Kooperationsausprägung auf die einzelnen interorganisati- onalen Beziehungsebenen Das bedeutet, dass weder in der Abstimmungsphase zur Festlegung der Rahmenbedingungen über- geordnete Ordnungszusammenhänge und Wechselwirkungen erkannt und entsprechend berücksich- tigt werden noch während der eigentlichen Durchführung der strategischen Aufgaben von einer intensiven Auseinandersetzung über existierende Problemdefinitionen und Wahrnehmungsmuster gesprochen werden kann. Demzufolge kommt es zu keiner Ausprägung eines wirklich systemischen Denkens oder einem er- weiterten Wahrnehmungsprozess und der damit verbundenen Kontexterschließung. Auch eine Auf- deckung der einer systemverträglichen Kooperationsentwicklung zu Grunde liegenden Perzeptio- nen, Paradigmen, Präferenzen und Heuristiken erfolgt nicht. Folglich spielen psychologisch-systemische Elemente sowie ein intuitiv-kreatives Denken bei der Kooperationsentwicklung so gut wie keine Rolle, sondern es ist eher vom Vorherrschen eines ratio- nal-linearen Denkens auszugehen (vgl. oben Kapitel 4.6.2). Bei einem Blick auf die Informations- und Wissensbeziehung ergeben sich ebenfalls keine signifi- kanten Unterschiede gegenüber der kompetitiven Variante. Das heißt, die bestehende gemeinsame Wissensbasis wird allenfalls inkremental entwickelt, dynamische Lernprozesse und regelmäßige Reflexionen über die bestehenden Wissensprozesse sind nicht vorhanden, ganz zu Schweigen von der Etablierung eines Deutero-Lernens oder einer wirklichen Lerngemeinschaft. 1050 siehe diesbezüglich auch Abb. 53 Kapitel 4.7.3 1051 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 112 294 Darüber hinaus bleibt das Kreativitätspotenzial bei weitem unausgeschöpft, und es kommt allenfalls am Rande zur Erweiterung des kognitiven Rahmens und dem Verlassen der eingetrampelten Hirn- pfade (vgl. oben Kapitel 4.6.2). Des Weiteren ist auf Basis des vorhandenen institutionellen und/oder eigenschaftsbasierten Ver- trauens keine Etablierung eines prozessorientierten Vorab-Vertrauens oder aber eine proaktive Fest- legung eines umfassenden Grundgerüsts verbindlicher Verhaltensregeln festzustellen. Ferner ist auch die Entwicklung eines tiefer gehenden prozessorientierten Vertrauens im Zeitablauf nicht er- kennbar. Infolgedessen sind ein synegoistisches Verhalten und die damit verbundenen Konsequen- zen hinsichtlich Sozialkompetenz sowie entsprechender Konflikt- und Kommunikationsfähigkeiten eher Wunschdenken denn Realität. Dieses lässt wiederum auf nur oberflächliche bzw. geringe Ver- haltensanforderungen an den einzelnen Mitarbeiter schließen, was das Leben für den Einzelnen im Zweifel enorm erleichtert, allerdings die angestrebte strategische Zielerreichung für die beteiligten Kooperationsunternehmen deutlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht (vgl. oben S. 4.6.3). 4.7.2 Die ungenügende Nutzung der technologischen Potenziale, die daraus resultierenden Konsequenzen hinsichtlich der Zielerreichung und das Risiko opportunistischer Ver- haltensweisen Bezüglich der sich aus den obigen Aussagen ergebenden Konsequenzen für die Informations- und Leistungsprozesse heißt dies, dass auch hier der Einsatz modernere IuK-Technologien als „enabler“ und Unterstützungsmedium zur Lösung strategischer Fragestellungen deutlich zu wünschen übrig lässt. Das bedeutet, sowohl auf der technologischen Ebene, sprich bei der Aufbereitung, Nutzung und Verteilung von Informationen, als auch auf der organisatorischen Ebene, also dem Aufbau elektro- nisch gestützter interorganisationaler Organisations- und Entscheidungsstrukturen, ist nicht von nennenswerten Kosteneinsparungen, Verbesserungen der Abläufe oder Beschleunigung der strate- gischen Entscheindungsfindung auszugehen. Demzufolge ist auch hier keine oder eine lediglich eingeschränkt erkennbare positive Wirkungsbe- ziehung bezüglich der Nutzung der IuK-Technologien und der Qualität der strategischen Entschei dungen zu erkennen (siehe oben Kapitel 4.6.4). - Hieraus geht hinsichtlich der Zielerreichung hervor, dass die angestrebten strategischen Ziele durch die nicht vorhandene Fähigkeit, vernetzt zu denken, und die damit zusammenhängende ungenügen- de Kenntnis der internen und externen Wechselbeziehungen sowie Eigendynamiken kaum zu errei- chen sind. Ferner sorgen auch die kaum ausgeschöpften Lern- und Kreativitätspotenziale, verbun- den mit einer nachteiligen umfassenden Einschränkung der zur Erarbeitung der strategischen Er- folgspotenziale benötigten und relevanten Komplexität, dafür, dass eine derartige Zielerreichung in weiter Ferne liegt. Hieraus lässt sich ableiten, dass es wenig wahrscheinlich ist, nachhaltig jene Er- folgspotenziale aufbauen zu können, die dauerhaft die Überlebens- und Anpassungsfähigkeit der sozialen Systeme sichern. Ähnliches ist auch im Zusammenhang mit den interorganisationalen Leistungsprozessen festzustel- len, welche entgegen der eigentlichen strategischen Zielsetzung, keine nachhaltige strategisch aus- gerichtete, sondern, wenn überhaupt, eine eingeschränkte (operationale) Verbesserung erfahren. Somit steht es auch in diesem Fall um die Leistungsprozesse im Grunde schlechter als bei der an anderer Stelle analysierten dynamischen, operativen Variante (vgl. Kapitel 4.4 ff.), ganz zu schwei- gen von der Erschließung und Umsetzung neuer Wertschöpfungspotenziale zur langfristigen (sys- temverträglichen) Sicherung der Überlebens- und Anpassungsfähigkeit der Kooperationsunterneh- men. 295 Im Gegenteil, es ist davon auszugehen, dass es eher zu (inkrementalen) Verbesserungen auf der operativen Leistungsebene (Stichwort operationale Effizienz) kommt und eben nicht zu den ge- wünschten Ergebnissen, die einem wirklichen strategischen „quantum change“ gerecht werden1052. Allerdings besteht im vorliegenden Fall zumindest theoretisch die Chance, dass die erreichten Effi- zienzverbesserungen nicht parallel durch einen hohen Koordinations- und Informationsaufwand in- nerhalb der Kooperation wieder zunichte gemacht werden und somit zumindest bescheidene Fort- schritte hinsichtlich der operationalen Effizienz gemacht werden. Dies hängt damit zusammen, dass die zu Beginn der Kooperation für die Etablierung der institutio- nellen und technischen Rahmenbedingungen getätigten Transaktionskosten in der Regel geringer sind als bei oben genannter kompetitiven Variante. Denn die Notwendigkeit, in hohem Maße zur Vermeidung von opportunistischen Risiken auf regel- und kontrollbasierte Aktivitäten zurückgrei- fen zu müssen, ist im hier diskutierten Fall deutlich niedriger einzuschätzen. Letzteres birgt bei einer kompetitiven, statischen Kooperation deshalb ein wesentlich höheres Ge- fahrenpotenzial in sich, weil auf Grund der horizontalen Verflechtung mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliche Kernkompetenzen tangiert sind bzw. diese bei Kenntnisnahme auch direkt gegenüber dem Wettbewerber eingesetzt werden könnten. Somit sind in diesem Fall auf institutioneller und techni- scher Ebene höhere Absicherungsanstrengungen notwendig, was gleichzeitig die Transaktionskos- ten in die Höhe treibt, als dies bei der hier diskutierten vertikal ausgerichteten Kooperationsform erforderlich ist. Überträgt man diese Erkenntnis auf die eigentliche Kooperationsphase, lässt sich zusätzlich schluss- folgern, dass eine nicht opportunistische Vergangenheit mit dazu beiträgt, dauerhaft mit weniger hohen Transaktionskosten auszukommen. Dieses führt letztendlich dazu, dass jeder (auch noch so kleine) Ertrag aus einer verbesserten Wertschöpfung zumindest nicht in demselben Maße durch transaktionskostenverursachende Aktivitäten konterkariert wird wie im oben geschilderten Konkur- renzfall. Jedoch dürfen diese bescheidenen Erträge, sofern sie überhaupt zu Stande kommen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im Grunde wenig mit der eigentlich beabsichtigten strategischen Zieler- reichung zu tun haben, sondern eher operativen Fragestellungen sowie einem entsprechenden Out- put zuzuordnen sind. Daher kann auch keinesfalls von einer wirklichen Nutzung der sich bietenden umfassenden Diversität der Möglichkeiten gesprochen werden. Im Gegenteil, trotz eines nicht vor- handenen Konkurrenzverhältnisses führt die mangelnde Dynamik innerhalb der Kooperation eher dazu, Diversität einzuschränken, statt sie zu fördern und auszubauen. 4.7.2.1 Die Gefahr der Ausprägung opportunistischer Verhaltensweisen Hinsichtlich einer möglichen Übervorteilung im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit ist zu sagen, dass auch hier die Bedrohung keineswegs von der Hand zu weisen ist, dass die betei- ligten Kooperationsunternehmen in Versuchung geraten, ihr Heil, in Abkehr von eher integrativen Koordinationsbemühungen, zunehmend in egoistischen und opportunistischen Verhaltensweisen zu suchen. Dies ist in erster Linie mit dem in nahezu jeder Hinsicht ungenügenden Zielerreichungsgrad zu er- klären, wobei in engem Zusammenhang damit auch die getätigten hohen Vorinvestitionen zu sehen sind, mit denen eine entsprechende Erwartungshaltung verknüpft war, die bisher enttäuscht wurde. Somit ist, je nach Höhe der investierten materiellen und immateriellen Vorleistungen sowie dem „Frustrationsgrad“ über das bisher Erreichte, durchaus mit einem Verhalten zu rechnen, bei dem die Beteiligten unter der rationalen Abwägung von Kosten und Nutzen sich darüber Gedanken machen, 1052 vgl. Pümpin (1991), S. 79 296 auf welche Weise man, auch unter Inkaufnahme der Schädigung bzw. Benachteiligung der anderen, einen größtmöglichen Teil der Investitionen zurückholen kann. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass es im Rahmen dieses oftmals schleichen- den Prozesses nicht in jedem Fall zu einer ähnlichen Spirale des gegenseitigen Misstrauens (siehe oben Kapitel 4.6.5), verbunden mit dem zunehmenden Rückgriff auf dispositive Entscheidungspro- zesse sowie auf intensivierte Kontroll- und Regelmechanismen, kommen muss, an dessen Ende un- weigerlich die Auflösung der Kooperation steht. In diesem Zusammenhang spielt erneut die nicht vorhandene Konkurrenzsituation eine zentrale Rolle. Diese Situation trägt nicht nur dazu bei, dass zumindest potenziell die Chance auf eine umfassende Win-Win-Situation im Rahmen der jeweiligen Kooperationsfelder besteht, verbunden mit dauerhaft niedrigeren Transaktionskosten (siehe oben), sondern auch, dass normalerweise von einer deutlich geringeren „historischen Vorbelastung“ in Bezug auf das gemeinsame Miteinander auszugehen ist (vgl. Kapitel 3.2.2.2). Letzteres wiederum hat zur Folge, dass die vorhandene Vertrauensbasis durch die nicht bzw. weit weniger opportunistische Vergangenheit in der Regel auf etwas stabileren Grundlagen steht. Hier- durch erhöht sich bei einem ungenügenden strategischen Output und den damit verbundenen Kon- flikten die Chance, dass die Beteiligten sich nüchterner und emotionsloser mit der Situation ausei- nandersetzen. Dies führt im Idealfall dazu, dass die Kooperationspartner zunächst gemeinsam nach Auswegen suchen, anstatt vorschnell, gestützt auf die wettbewerbliche Vergangenheit, die Schuld- frage zu stellen und sich opportunistischen Lösungen zuzuwenden. Daraus geht hervor, dass eine nicht vorhandene Konkurrenzsituation zumindest das Risiko senkt, dass die Beteiligten sich in erkennbaren Krisensituationen eher destruktiv-eskalierend verhalten, womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es noch rechtzeitig gelingt, dass Ruder herumzureißen (siehe hierzu auch Kapitel 5.3.3). Sollte dies allerdings nicht oder nur unzureichend der Fall sein, ist auch bei dieser Kooperations- form nicht auszuschließen, dass der, wenn auch zeitversetzt, oben beschriebene Teufelskreis in Gang gesetzt wird und fortan das Ende der Kooperation näher rückt. 4.7.3 Der Versuch einer Erklärung für die hohe Misserfolgsquote strategischer Kooperatio- nen Schaut man sich auf der Basis der bisher getätigten Analysen die Entwicklung der statischen Ko- operationsvarianten insgesamt etwas genauer an, ist festzustellen, dass es einen fundamentalen Un- terschied zwischen den strategisch-statischen Kooperationsformen und den operativ-statischen gibt, was die erwünschte bzw. gewollte Zielerreichung anbelangt. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass die operativ-statische Kooperationsform, welche im Übrigen wesentlich geringere Investitionen materieller oder immaterieller Art erfordert, vom Ergebnis her durchaus von den beteiligten Unternehmen gewünscht sein kann, sofern sich alle Beteiligten über die Ziele und Zwecke einer solchen Allianz einig bzw. im Klaren sind (vgl. Kapitel 4.1.3 und 4.2.2). Dementgegen führt die statisch-strategische Ausprägung immer zu suboptimalen, um nicht zu sagen unerwünschten Ergebnissen, weil die der Kooperation inhärente Statik die Erreichung der verschie- denen strategischen Ziele akut gefährdet, was mit Sicherheit nicht im Interesse der an der Koopera- tion beteiligten Unternehmen ist. Diese Kooperationsform ist also in der Regel das Resultat einer ungewollten bzw. nicht beabsichtigten Entwicklung. Dabei trägt im Zweifel die Unkenntnis über die beschriebenen Wirkungszusammenhänge seitens der Beteiligten sicherlich entscheidend mit dazu bei, dass es nicht gelingt, die jeweilige strategische Kooperation zumindest ansatzweise aus 297 ihrer Lethargie zu befreien bzw. zu neuem Leben zu erwecken und damit die Lösung strategischer Fragestellungen in obigem Sinn anzugehen. Somit kann die einer Kooperation innewohnende Statik bzw. die Unfähigkeit aus dieser auszubre- chen auch als einer der Hauptgründe angesehen werden, warum es teilweise zu hohen Misserfolgs- quoten bei Kooperationen kommt, welche je nach Studie bis zu 90% betragen können, wie nachfol- gende Tabelle verdeutlicht1053. Abb. 53: Überblick über Studien mit dem Fokus auf Misserfolgsquoten bei Kooperationen Die Feststellung der mangelnden Dynamik als wichtigstem Scheiterungsgrund von Kooperationen wird insbesondere von Fontanari im Rahmen seiner Untersuchung der Voraussetzungen für den Kooperationserfolg untermauert. Er spricht dabei bezüglich der häufigsten Gründe, warum Koope- rationen scheitern, in erster Linie von einer unzureichenden Auseinandersetzung mit der Komplexi- tät des Kooperationsphänomens, einer fehlenden Gesamtkonzeption des Kooperationsgestaltungs- prozesses, der Vernachlässigung so genannter "Softfacts", wie Vertrauensbildung und der Abbau von Informationsasymmetrien, einer unzureichenden Bewertung zwischenbetrieblicher Konfliktpo- tenziale sowie einer fehlenden tiefer gehenden Analyse der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des eigenen Unternehmens und der Kooperationsunternehmen Eine wesentliche Erkenntnis hieraus ist, dass der Erfolg einer von allen Beteiligten gewollten stra- tegischen Kooperation, gemessen an den oben definierten Zielen, entscheidend davon abhängig ist, inwieweit insbesondere in Bezug auf die Koordinations- und Einflussbeziehungen sowie die Wis- sens- und Informationsbeziehungen eine Dynamisierung in oben beschriebenem Sinn gelingt (vgl. Kapitel 4.5 ff.). 1054. Dies ist vor allem deshalb kein einfaches Unterfangen, weil die hier geschilderte Ausprägung der Beziehungsebenen inklusive Mitarbeiterverhalten mehr an das Industriezeitalter, denn an einen ge- lungenen Übergang in Richtung Informations- und Wissensgesellschaft erinnert1055. Ist demzufolge ein Umsteuern nicht zu erreichen, kommt es bestenfalls zu einer kurzfristigen Ver- besserung der Wettbewerbsposition der an der Kooperation beteiligten Unternehmen gegenüber der Konkurrenz, hingegen nicht zum Aufbau und der Verteidigung wirklich langfristig ausgerichteter Wettbewerbsvorteile sowie schlimmstenfalls zu der oben beschriebenen Abwärtsspirale, die unwei- gerlich das Ende der Kooperation zur Folge hat (vgl. auch Kapitel 5.2.3 und 5.3.3). 1053 entnommen aus Fontanari (1995), S. 119 1054 vgl. Fontanari (1995), S.115 ff. 1055 siehe bezüglich der Entwicklungsmöglichkeiten der einzelnen Kooperationsformen Kapitel 5 ff. 298 4.8 Die strategisch-dynamische Kooperationsform auf der Grundlage eines be- stehenden Wettbewerbsverhältnisses Bei dieser Kooperationsvariante ist davon auszugehen, dass, neben dem eindeutig gewollten strate- gischen Fokus aller Beteiligten sowie bestehenden horizontalen, kompetitiven Berührungspunkten, die Kooperation zumindest ansatzweise über die notwendige Dynamik verfügt, die anvisierten stra- tegischen Ziele zur Sicherstellung einer systemverträglichen Entwicklung wenigstens in Teilberei- chen zu erreichen. Ein erster wesentlicher Aspekt, der auf das Vorhandensein einer dynamisch ausgerichteten strategi- schen Kooperation hindeutet, ist die Etablierung eines prozessorientierten Vorab-Vertrauens auf der Grundlage vorhandener institutioneller und eigenschaftsbasierter Vertrauensbestandteile. Dieses kommt innerhalb der Kooperationsbeziehung insbesondere durch die Erarbeitung umfassender Rah- menbedingungen mit Hilfe einer proaktiven Erwartungsbildung auf der Basis von Selbst- und Fremdbeschreibungen für das tägliche Miteinander zum Ausdruck. Hierdurch wird letztlich ein Grundgerüst an Normen und Richtlinien sowie Rechten und Pflichten erarbeitet, die fortan die täg- liche Zusammenarbeit explizit und implizit steuern. In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, dass das kooperationsübergreifende Ziel einer systemverträglichen gemeinsamen Entwicklung entscheidend von der Generierung und dem Aufbau entsprechender dauerhafter Wettbewerbsvorteile abhängig ist, welche im Rahmen einer strategischen Kooperation entwickelt werden sollen. Diesbezüglich spielt die Fähigkeit, vernetzt zu denken, eine wesentliche Rolle. In Abkehr von einem einseitigen rationalen und linearen Ursache- Wirkung-Beziehungs-Denken tritt dabei eine erweiterte Wahrnehmung, das Erkennen von Wir- kungszusammenhängen sowie die Erzeugung und Pflege gemeinsamer Kontexte zu Tage. Letzteres steht unter dem Einfluss der in den Koordinations- und Wissensbeziehungen vorherr- schenden Fehlertoleranz sowie dem Ausmaß der Förderung von Kreativität und divergentem Den- ken (vgl. die Kapitel 3.1.3 ff. und 4.5 ff.). Die Basis dessen wiederum ist, die Ziele und Zwecke der strategischen Kooperation in ein größeres Ganzes einzuordnen und beurteilen zu können sowie die Wechselwirkungen von Logik und Psy- cho-Logik zu begreifen. Hierfür spielt das Verständnis von Synegoismus und demzufolge die Ausprägung interorganisationaler Synevolutionsprozesse eine tragende Rolle. Diese sind wiederum vom Grad der zwischenbetrieblichen Vertrauensbasis und entsprechenden synegoistischen Verhal- tenselementen wie Sozialkompetenz, Kommunikations- und Konfliktbewältigungsfähigkeiten ab- hängig sowie der Verfügbarkeit geeigneter Wissens- und Informationsbeziehungen (siehe Kapitel 4.5.4). Überträgt man diese Anmerkungen jetzt auf mögliche Situationen innerhalb einer strategisch-dyna- mischen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen, ergibt sich nachfolgendes Bild. 4.8.1 Der Einfluss der dynamischen Kooperationsausprägung auf die Koordinations- und Einflussbeziehungen Des Weiteren wird das Vorliegen einer dynamischen Kooperation dadurch untermauert, dass sich mit fortschreitender Dauer der Beziehung ein zunehmendes prozessbasiertes Vertrauen entwickelt. Auf diese Weise wird das in Form von Verträgen und Kooperationsvereinbarungen sowie über per- sönliche Beziehungen entgegengebrachte (personale und institutionale) Vertrauen stabilisiert bzw. vertieft und ausgebaut. Ein positiver Begleitumstand dieses Prozesses ist, dass der zunehmende Vertrauensaufbau ein Stück weit Koordinations-, Informations- sowie Kontroll- und Sicherungsaktivitäten ersetzt. Damit ein- 299 hergehend werden im Zeitablauf die Transaktionskosten gesenkt, ein gerade für parallel in Konkur- renz stehende Unternehmen kein zu vernachlässigender Aspekt und ein wichtiger Schritt in Rich- tung eines Sich-Austauschens und -Öffnens gegenüber den anderen Allianzpartnern1056. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass sich die Beteiligten in großem Umfang den eigentlichen strategi- schen Aufgaben widmen können. Ferner kommt die der Kooperation anhaftende Dynamik dadurch zum Ausdruck, dass es mit Hilfe eines systemischen Denkens gelingt, bestehende Paradigmen und Heuristiken sowie intra- und in- terorganisationale Wahrnehmungs- und Problemlösungsmuster zu hinterfragen und bei Notwendig- keit anzupassen. Die daraus hervorgehenden Veränderungen dienen der Schaffung und Erneuerung von Kontexten. Im Rahmen dieser Kontextgestaltung ergibt sich wiederum die Möglichkeit, alternative Führungs-, Prozess- oder Systemrealitäten konstruieren zu können. Damit hat die Kooperation als übergeordne- tes soziales System die Chance bzw. eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, implizite Annahmen, rigide Weltbilder und unreflektierte Handlungstheorien überprüfbar zu machen. Aber auch unbewusste Wirklichkeitskonstruktionen, sprich Eigendynamiken, welche die Wahrnehmung und damit die Konstruktion der Wirklichkeit durch die Mitarbeiter bisher beeinflusst haben, sowie die damit ver- bundenen Absichten und Anliegen, können neu überdacht werden1057. Auf diese Weise ist es der Kooperation möglich, verzerrte und einseitige Weltbilder oder aber be- stimmte struktur-, doktrinbedingte oder psychologische Informationspathologien offen zu legen1058. Diese Transparenz dient auf der einen Seite einer erweiterten Wahrnehmung sowie der Überschrei- tung bisheriger Grenzen. Andererseits ist es aber auch sehr wichtig, blinde Flecken aufzudecken bzw. die das System unbewusst und implizit beeinflussenden Eigendynamiken näher zu beleuchten. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die meisten im Unternehmen generierten Handlungsprogramme, wie etwa eine Strategie, nicht nur einen stark formierten Charakter haben, also Resultat eines synreferentiellen, dynamischen Austauschprozesses sind, sondern auch durch nicht direkt kontrollierbare Umstände, nämlich die systemspezifischen Eigendynamiken, geprägt werden1059. 4.8.2 Der Einfluss der dynamischen Kooperationsausprägung auf die Wissens- und Infor- mationsbeziehungen und die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Abgrenzung des Ko- operationsfeldes Diesbezüglich zeichnet sich eine dynamische Kooperationsbeziehung dadurch aus, dass die Bedeu- tung einer Vertiefung der interorganisationalen Wissensbasis nicht nur erkannt, sondern auch kon- kret vorangetrieben wird. Damit diese Dynamik tatsächlich zur Entfaltung kommt, ist einerseits eine kontinuierliche Verbes- serung bzw. Vertiefung der Wissensbasis sowie andererseits der Aufbau einer auf synegoistischen Prinzipien beruhenden Wissens- und Lerngemeinschaft erforderlich. Im Mittelpunkt steht dabei nicht allein die Übertragung und das Generieren von explizitem und implizitem Wissen oder das Initiieren von Deutero-Lernprozessen. Vielmehr sind darüber hinaus die infolge des Systemdenkens analysierten Wechselwirkungen, Sozialisierungsprozesse sowie auch die (Informations-) Patholo- gien und internen Beschränkungen zusätzlich zu untersuchen und in die Wissensbasis einzustellen. Hierdurch wird eine allgemeine Verfügbarkeit der Erkenntnis- und Lernfortschritte sichergestellt und somit die Möglichkeit eröffnet, durch einen erweiterten Wahrnehmungsprozess die bisherigen 1056 vgl. Schertler (1995), S. 45 1057 vgl. Dachler (1988), S. 304 1058 vgl. Pautzke (1989), S. 144 1059 vgl. Bleicher (1996), S. 417 300 Grenzen und „Varietätsbeschränkungen“ zu überwinden. Die daraus gewonnenen Erfahrungen kön- nen dann in die Erarbeitung der strategischen Problemfelder einfließen1060. Das auf diese Weise neu konstruierte Wissen hat, eine Umsetzung in entsprechende Handlungspro- gramme vorausgesetzt, die Chance, zu einer besseren Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens, im Sinne von Probst, beizutragen. Dieses liegt darin begründet, dass mit der Erwei- terung der Wahrnehmung und dem daraus in synreferentiellen Prozessen abgeleiteten neuen Wissen gleichzeitig die Wissensbasis des Unternehmens erweitert wird1061. Letzteres lässt sich sehr gut mit der oben angesprochenen Metapher von Blohowiak in Verbindung bringen. Denn durch das Kon- struieren neuer Kontexte sowie dem Aufbau neuer Bezugsrahmen bekommt die Kooperation "neue Teile" in Form von Ideen und Wissen, womit zumindest potenziell neue "Montagemöglichkeiten" im Sinne von Referenzen eröffnet werden (siehe Kapitel 3.2.3.2.3.3). Mit Hilfe dieser neuen kognitiven Strukturen, die neue Konstruktionen und damit neues Wissen be- wirken, wird die strategische Kooperation in die Lage versetzt, ihren natürlichen Beharrungstrieb auf Grund ihres konservativen Charakters zu überwinden1062, Veränderungen über die Zeit wahrzunehmen sowie auftretende Probleme innerhalb neuer paradigmatischer Grenzen zu lösen1063. Das Einstellen in die Wissensbasis setzt wiederum das Vorhandensein bzw. den Einsatz entspre- chender Informations- und Kommunikationstechnologien voraus. Deren Einsatzfelder beschränken sich jedoch nicht nur auf die Speicherung, Verarbeitung, Aufbereitung und Verteilung von Informa- tionen, sondern sie sind zusätzlich dahingehend zu nutzen, dass deutliche Effizienz- und Effektivi- tätssteigerungen im Hinblick auf den Vollzug zwischenbetrieblicher Aufgaben (technische und or- ganisatorische Ebene) und die Freisetzung von strategisch-innovativen Potenzialen (psychologische Ebene, unterstützt durch Experten- und Wissenssysteme) zu verzeichnen sind. Somit stellt auch der umfassende Einsatz der IuK-Technologie ein weiteres wichtiges Indiz für das Vorliegens einer dy- namisch-strategischen Kooperation dar (siehe hierzu vertiefend Kapitel 4.8.4 unten). 4.8.2.1 Die Bedeutung der richtigen Abgrenzung des Kooperationsfeldes im Hinblick auf eine dynamische Entwicklung Die Notwendigkeit der Abgrenzung des Kooperationsfeldes rührt u.a. aus der Anerkenntnis der ein- geschränkten Diversität der Möglichkeiten sowie der Unmöglichkeit der Realisierung einer umfas- senden Win-Win-Situation auf allen Ebenen im Rahmen dieser Kooperationsform (vgl. Kapitel 3.2.2.1 f.). Hieraus folgt gerade vor dem Hintergrund einer strategischen Zusammenarbeit, dass sich die beteiligten Unternehmen auf die Kooperationsfelder konzentrieren, bei denen die jeweiligen Kernkompetenzen keinem direkten Konkurrenzverhältnis unterliegen. Diesbezüglich darf nicht übersehen werden, dass insbesondere den Kernkompetenzen eine ent- scheidende Bedeutung zukommt, weil hier unternehmensübergreifend die besondere Chance be- steht, die auf Kernkompetenzen beruhenden Spitzenleistungen zu einer optimalen Problemlösung zu bündeln. Hierbei sind neben Produkt-, Prozess- und Produktions-Know-how vor allem netzwerk- spezifische Komponenten wie Koordinations- und Kooperationsfähigkeiten gefragt. Zu Letzteren zählt beispielsweise die Fähigkeit, verschiedene Prozesse (operativ) aufeinander abzustimmen so- wie die zahlreichen individuellen Kernkompetenzen zusammenzuführen. Dabei sollte idealerweise 1060 vgl. Bierfelder, (1991), S. 189 1061 vgl. Probst (1987), S. 88 1062 vgl. Maturana (1994), S. 295 1063 vgl. Stetter (1994), S. 231 301 derjenige Kooperationspartner die zentrale Koordinationsaufgabe übernehmen, der diese Aufgabe nachweislich am besten bewältigt1064. Darüber hinaus ist sowohl das Einbringen der jeweiligen Kernkompetenzen als auch die Akzeptanz einer zentralen Koordinations- und Integrationsinstanz, die immer mit einer Teilung der Macht und Abgabe von Kompetenzen sowie Verantwortlichkeiten einhergeht1065, im Wesentlichen davon ab- hängig, dass die einzelnen Partner das Gefühl haben, hierdurch mittel- bis langfristig keine Nachtei- le zu erleiden1066. Um dies zu gewährleisten führt an einer Abgrenzung des Kooperationsfeldes in Bezug auf die Eta- blierung einer strategischen Partnerschaft in zweifacher Hinsicht kein Weg vorbei. Einmal sind die für strategische Problemlösungen einzubringenden (Kern-) Kompetenzen deutlich voneinander abzugrenzen, um von vornherein ein größeres Gerangel um Kompetenzen und Verant- wortlichkeiten zu minimieren. Zum anderen ist zur Verwirklichung einer systemverträglichen Entwicklung weit gehend sicherzu- stellen, dass das jeweils durch Wissensübertragung und Wissensgenese neu erworbene Know-how nicht innerhalb der existierenden Wettbewerbsbeziehung gegeneinander eingesetzt wird. Jenes wür- de nämlich unweigerlich zu einer verschärften Wettbewerbssituation führen mit der negativen Be- gleiterscheinung, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht nur konterkariert würde, sondern auch die gesamte weitere Kooperationsentwicklung stark gefährdet wäre (vgl. Kapitel 4.3.4). Des Weiteren ist im Zusammenhang mit den einzubringenden Kernkompetenzen zu erwähnen, dass diese in erster Linie dazu dienen, gemeinsame Überlegungen anzustellen, wie auf diesen Kernkom- petenzen basierende neue Wettbewerbsvorteile geschaffen werden können. Jeder Kooperationspart- ner bringt dabei seine spezifischen Kenntnisse ein, wobei eine entsprechende Abgrenzung des Ko- operationsgebietes dafür Sorge trägt, dass die daraus hervorgehenden Ergebnisse sich nicht in der einen oder anderen Form negativ auf die bestehende Konkurrenzsituation auswirken. Darüber hinaus ist vorstellbar, dass es auf dieser Grundlage zu einer umfassenden Analyse der ge- meinsam erarbeiteten Wettbewerbsvorteile sowie Überlegungen zu deren Verteidigung kommt. Im Rahmen dieses Prozesses kommt es dabei aus Wettbewerbsgründen in der Regel nicht zu einer konsequenten Hinterfragung der unternehmensspezifischen Kernkompetenzen, da dies eine entspre- chende Offenlegung erfordern würde, die in Anbetracht der Konkurrenzsituation als nicht sehr wahrscheinlich betrachtet werden kann. Somit zeigt sich eine wirkungsvolle Abgrenzung der Betä- tigungsfelder innerhalb einer strategischen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen darin, dass sich die eingeschränkte Diversität der Möglichkeiten u.a. an den unhinterfragten Kernkompetenzen der beteiligten Partner festmachen lässt. 4.8.3 Die synegoistische Verhaltensausprägung als Grundvoraussetzung einer systemver- träglichen und dynamischen Entwicklung der Beziehungsebenen Um die oben analysierten Dynamiken nicht nur in Gang zu setzen, sondern des Weiteren auch sys- temverträglich weiterzuentwickeln, ist das Vorhandensein bzw. die Erarbeitung von Rahmenbedin- gungen und Verpflichtungen, die den Vertrauensprozess begleiten, zwingend erforderlich. Diese Rahmenbedingungen und Verpflichtungen haben die Aufgabe, dafür Sorge getragen, dass die bis dato gemachten Erfahrungen, sei es im Umgang miteinander, sei es mit Bezug auf das vorhandene Grundverständnis, regelmäßig kritisch hinterfragt werden und die Kooperation auf diese Weise in 1064 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 96 1065 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 101 ff. 1066 dass dies eine nicht unwesentliche Rolle spielt, zeigt sich z.B. darin, dass strategische Kooperationen im Bereich F&E zwischen Konkurrenten in der Regel nicht vereinbart werden, vgl. Kaufmann (1993), S. 162 302 die Lage versetzt wird, durch interorganisationale Lernprozesse zusätzliche Entwicklungspotenziale aufzuzeigen1067. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Generierung und der interorganisationale Trans- fer von implizitem Wissen, was nicht selten die Kernkompetenzen der Beteiligten tangiert, gerade im Hinblick auf die strategische Zielsetzung eine zwingende Voraussetzung ist. Durch die opportu- nistische Vergangenheit und (zumindest teilweise) Gegenwart, verbunden mit dem bestehenden Konkurrenzverhältnis, ist es durchaus nicht abwegig, dass eine ausgeprägte Vertrauensbasis einzig und allein das Ergebnis von sozial intelligentem Verhalten ist und die betreffenden Partialsysteme bewusst oder unbewusst kein sozial verantwortliches Verhalten an den Tag legen. Dies äußert sich dann beispielsweise darin, dass die gewonnenen neuen Erkenntnisse ganz bewusst auch zum eige- nen Vorteil im Wettbewerb gegeneinander eingesetzt werden. Die Folge dessen ist, dass die einsei- tig ausgeprägte Sozialkompetenz lediglich als Mittel zum Zweck genutzt wird, um auf die eine oder andere Weise den Konkurrenzgedanken wachzuhalten, wobei es nicht darum geht, um die beste Leistung oder Idee zu konkurrieren, sondern sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen, was nicht im Sinne einer systemverträglichen Entwicklung ist (vgl. Kapitel 3.1.3.1 und 4.5.1). wicklung ist natürlich auch die unmittelbar aus der Sozialkompetenz hervorgehende Akzeptanz von Offenheit und Verschiedenartigkeit. Letzteres ist u.a. daran festzumachen, dass Fehler toleriert so- wie andere Denkansätze und Sichtweisen akzeptiert werden, was im Übrigen auch dazu beiträgt, die latent vorhandene Kreativität an die Oberfläche zu befördern Mit diesen Rahmenbedingungen und Verpflichtungen sind auf der Verhaltensebene in erster Linie ein ausgeprägter Synegoismus sowie entsprechende sozial kompetente Verhaltensweisen gemeint. Diese sind dafür verantwortlich, dass wirklich ein Gemeinschaftsverständnis zu Stande kommt, wo zum Nutzen aller die gemeinsame Zielerreichung im Fokus der Beteiligten ist und jeder nach besten Kräften das übergeordnete soziale System unterstützt, basierend auf dem Glauben, dass einem selbst geholfen wird, wenn man anderen hilft1068. Demzufolge ist ein zentraler Bestandteil einer umfassend dynamischen Kooperation, dass das zu- nehmend tiefere Vertrauen parallel durch ein sozial intelligentes und sozial verantwortliches Ver- halten als den beiden Facetten der Sozialkompetenz untermauert wird. Letzteres spielt deswegen eine besondere Rolle, weil es im vorliegenden Fall um eine strategische Kooperation auf Basis ei- nes Wettbewerbsverhältnisses geht. Dementsprechend wird durch ein solches sozial unverantwortliches Verhalten im Zweifel der Fort- gang der gesamten Kooperation einer akuten Gefährdung ausgesetzt. Dies geschieht dann, wenn ein Kooperationsunternehmen Kenntnis darüber erlangt bzw. sich darüber im Klaren wird, dass es nicht nur „die anderen schlau macht“, sondern diese das neu gewonnene Wissen sofort im parallelen Konkurrenzkampf gegeneinander einsetzen. In diesem Fall wird die zukünftige Bereitschaft des Un- ternehmens, sich weiter aktiv an der impliziten Wissensgenerierung als Grundbestandteil jeglicher Wettbewerbsvorteile zu beteiligen, auf ein Minimum sinken, und zwar weit gehend unabhängig davon, wie groß die Kooperationserfolge bisher gewesen sind. Somit ist klar, wie wichtig ein wirklich umfassendes sozial kompetentes Verhalten für eine dynami- sche und systemverträgliche Entwicklung einer Kooperation mit dieser Ausgangskonstellation ist1069. Unverzichtbarer Bestandteil einer solch umfassenden synegoistischen Verhaltensweise bzw. -ent- 1070 (siehe auch Kapitel 4.5.3.1). Eng hiermit verbunden ist schließlich auch die Fähigkeit des "guten Kommunizierens", basierend auf der Kenntnis der verschiedenen Facetten der Kommunikation wie Sachaspekt, Selbstoffenba- rungsaspekt, Beziehungsaspekt und Appellaspekt (vgl. Kapitel 3.2.4.2.3.). 1067 vgl. Piller (2000), S. 370 1068 vgl. das obige Verhaltensideal einer Bergsteigermannschaft Kapitel 3.2.4.2 1069 vgl. bezüglich sozial kompetenten Verhaltens Kastner (1999), S. 21 ff. 1070 vgl. Franke (1980), S. 103 f. 303 Diese drückt sich in einer dialogorientierten Kommunikation aus, welche auf der Grundlage eines offenen Miteinanders, geprägt durch aktives Zuhören und Rückgriff auf Feedbackschleifen, für eine angenehme Atmosphäre sorgt. Diesbezüglich geht es darüber hinaus darum, zu einer sachlichen Übereinstimmung ohne ausufernde Selbstdarstellung zu kommen und dafür zu sorgen, dass der je- weilige Gegenüber sich (trotz der Inkommensurabilität der Lebens- und Sprachformen, vgl. Kapitel 3.2.3.2.2.1) in seinen Erwartungen, Erfahrungen oder Befürchtungen ernst genommen fühlt, in sei- nem Denken und Handeln angeregt wird und das Gefühl hat, nicht ausgegrenzt zu werden (siehe Kapitel 3.2.4.2.3.1). Zusätzlicher positiver Nebeneffekt einer solchen Kommunikation ist ein positiver Beitrag zur Ver- meidung bzw. Eingrenzung von Konflikten. Diese werden zwar nicht gänzlich verhindert, jedoch trägt der konstruktive und vorurteilsfreie Umgang mit den Konflikten dafür Sorge, dass die Situati- on weder außer Kontrolle gerät noch die Gefahr besteht, die aufgebaute Vertrauensbasis zu erodie- ren. Im Gegenteil, Konflikte werden als produktives Mittel gesehen, um zu neuen Ideen und Er- kenntnissen zu gelangen1071. Die Konsequenz der oben beschriebenen dynamischen Entwicklung mit den dahinter liegenden Verhaltensmerkmalen ist des Weiteren, dass die Anforderungen an den einzelnen Mitarbeiter deut- lich ansteigen. Dabei ist nicht nur der Mitarbeiter als „Knowledge worker“ gefragt (siehe Kapitel 2.3.3.2.1), sondern auch als „Verhaltenschamäleon“ im Umgang mit Dritten (vgl. Kapitel 4.3.2.1), seien diese aus der eigenen Firma oder den verbundenen Kooperationsunternehmen. Letzteres wird noch dadurch verstärkt, dass die strategische Kooperation einerseits ein hohes Maß an synegois- tischen Verhaltensweisen erfordert, während die kompetitiv ausgerichteten Handlungsfelder im Zweifel eher ein egoistisch-opportunistisches Verhalten honorieren. 4.8.4 Der Einfluss der dynamischen Kooperationsausprägung auf die Informations- und Leistungsbeziehungen und der damit verbundene Zielerreichungsgrad Bei den interorganisationalen Informationsbeziehungen macht sich die Dynamik dahingehend be- merkbar, dass es mit Hilfe des Einsatzes leistungsfähiger IuK-Technologien gelingt, die interorga- nisationale Wissensbasis strukturiert aufzubereiten und einer überbetrieblichen Nutzung durch die beteiligten Kooperationsmitglieder zuzuführen. Ein weiteres Kennzeichen ist der Einsatz von Wis- sensdatenbanken, Expertensystemen oder neuronalen Netzwerken für die überbetriebliche strategi- sche Entscheidungsfindung (vgl. Kapitel 4.5.5.1). Die Folgen dieser technologiegestützten Informationsbeziehungen lassen sich in erster Linie in ei- ner geringeren Informationssuche und klarerer Strukturierung der Daten sowie Kosteneinsparungen auf Grund der Zusammenlegung von Aktivitäten, Vermeidung von Mehrfacherfassungen bei der Dateneingabe und Verschlankung der Abläufe bemessen. Des Weiteren ist die entsprechende Nutzung der IuK-Technologien auch damit verbunden, dass auf der organisatorischen Ebene, sprich im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit (Stich- wort virtuelle Organisation, siehe Kapitel 2.3.1 ff.), deutliche Fortschritte in Bezug auf die überbe- triebliche Entscheidungsfindung hinsichtlich Schnelligkeit und Qualität des Outputs realisiert wer- den. In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung und Kennzeichen einer hohen Dyna- mik innerhalb der Kooperation, dass die positive Wirkungs- bzw. Wechselbeziehung zwischen der professionellen Nutzung der IuK-Technologien und der Qualität der strategischen Lösungen, insbe- sondere unter Zeit- und Kostengesichtspunkten, deutlich erkannt wird. Dieses hängt in Anlehnung 1071 vgl. Baron (1983), S. 400 f. 304 an oben Gesagtes wiederum von einem entsprechenden Entwicklungsstand der Koordinations- und Wissensbeziehungen ab. In Bezug auf die Leistungsprozesse weist eine dynamische Entwicklung eindeutig darauf hin, dass eine wirkliche Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsposition der Kooperationspartner erfolgt und nicht lediglich von einer Erhöhung der operationalen Effizienz gesprochen werden kann. Dies bedeutet, dass entlang der gemeinsamen interorganisationalen Wertkette genau jene Wettbewerbs- vorteile generiert werden, die für den Kunden wichtig sind, von ihm wahrgenommen werden und von Dauer, also von der Konkurrenz schwer zu imitieren sind (vgl. Kapitel 3.1.3 ff.). Die Realisierung solcher Wettbewerbsvorteile trägt natürlich ein Übriges dazu bei, dass sich die hohen materiellen und immateriellen Investitionen im Laufe der Zeit amortisieren, was wiederum das entgegengebrachte Vertrauen stärkt und somit entscheidend zu einer langfristigen und nutzbrin- genden Stabilisierung der Kooperation beiträgt. Bezüglich der Umsetzung der strategischen Zielvorgaben ist weiter anzumerken, dass diese vor dem Hintergrund der hier diskutierten Kooperationsform eine lösbare Aufgabe darstellt, weil das bereits an den Tag gelegte synegoistische Verhalten sowie die bereits vollzogene Systemintegration hierfür eine wertvolle Basis sind. Dieses zeigt sich z.B. an den bestehenden ausgeprägten Wissens- und In- formationsbeziehungen, welche sich durch die Implementierung leistungsfähiger Informationspro- zesse, basierend auf entsprechenden IuK-Techniken, auszeichnen. Demzufolge existieren bereits profunde Erfahrungen hinsichtlich des Übergangs von einem Wissensstadium (Übertragung und Generierung von Wissen) zu einem Umsetzungsstadium (Aufbau und Umsetzung von interorgani- sationalen Wissens- und Informationsprozessen), welche sich vielfach auch für die Verbesserung der bestehenden oder dem Aufbau völlig neuer Leistungsbeziehungen bzw. -prozesse nutzen lassen. Dies kann in letzter Konsequenz sogar so weit gehen, dass es zwischen Kooperationspartnern in den Bereichen Produktion, Einkauf, Absatz oder gar F&E zu der Entwicklung völlig neuer Geschäfts- modelle kommt. Letztere basieren auf gemeinsamen Business-Plänen, wobei denkbar ist, dass Ge- winne partnerschaftlich geteilt und Verluste und Risiken gemeinsam getragen und minimiert wer- den. Somit besteht eine hervorragende Grundlage, dass die bestehenden Wettbewerbsvorteile auch wirk- lich langfristig verteidigt werden können oder aber, wenn dies nicht möglich ist, durch andere er- setzt werden. Es kommt also zu einer nachhaltigen Entwicklung in dem Sinne, dass der auf strategi- schen Ergebnissen beruhende Erkenntnisfortschritt zu einem höheren Problemlösungspotenzial führt, welches zudem durch entsprechende Handlungsprogramme gleichzeitig mit messbarem Er- folg in die Tat umgesetzt wird1072. Weiterhin ist im Hinblick auf eine mögliche Übervorteilung zu sagen, dass diese trotz der nach wie vor vorhandenen Konkurrenzsituation als nicht sehr wahrscheinlich bzw. kalkulierbar bezeichnet werden kann. Dies ist im Wesentlichen durch den hohen Zielerreichungsgrad sowie eine entsprechende Vertrau- ens- und Wissensbasis zu begründen. Kommt es innerhalb der Zusammenarbeit zu Störungen oder Konflikten, besteht keineswegs unmittelbar die Gefahr eines Rückschlages oder gar Rückschritts in Richtung einer eingeschränkten Dynamik oder gar statischer Kooperationsausprägungen. Vielmehr ist bei einer wirklich dynamischen Kooperation davon auszugehen, dass Störungen und Konflikte genau in oben beschriebenem Sinn als zentrale Grundlage für eine produktive Weiterentwicklung gesehen werden und nicht als wirkliche Bedrohung des Kooperationsfriedens (vgl. Kapitel 4.8.3). Aus diesen Gründen ergibt sich für die Kooperation als Ganzes, dass sie über eine hervorragende Basis verfügt, um der gemeinsamen Erfüllung der strategischen Aufgaben für eine systemverträgli- che (Kooperations-) Entwicklung auch wirklich gerecht werden zu können; sprich, dass es der Ko- 1072 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 47 ff. 305 operation in hohem Maße gelingt, die zum Überleben erforderlichern Lern-, Kreativitäts- und Inno- vationspotenziale zu aktivieren und infolgedessen die für die Kooperation relevante Komplexität in den Griff zu bekommen1073. In diesem Fall kann von einer wirklichen dynamischen strategischen Kooperation gesprochen wer- den, welche sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit auf ein Niveau gehoben wird, das eher an eine Partnerschaft, basierend auf Vertrauen, Synegois- mus, der Bereitschaft zu teilen und gemeinsamer Zielerreichung (im Sinne einer Bergsteigermann- schaft), erinnert, statt an konkurrierende Unternehmen, die sich argwöhnisch belauern und ständig auf Fehler und Unzulänglichkeiten des jeweils anderen hoffen (siehe hierzu nochmals Kapitel 3.2.2.1 f.). 4.8.5 Sicherstellung einer kontinuierlichen Entwicklung durch Nachhaltigkeit als wesentli- ches Unterscheidungskriterium zwischen einer dynamischen und einer bedingt dyna- mischen Kooperation Neben den oben genannten Zusammenhängen spielt der Aspekt der Nachhaltigkeit bezüglich einer dynamischen Kooperationsentwicklung eine wichtige Rolle. Hiermit wird sichergestellt, dass der einmal eingeschlagene gemeinsame Entwicklungsweg im Rahmen einer strategischen Partnerschaft auch konsequent weiterverfolgt und ausgebaut wird. Dies ist insofern von großer Bedeutung, weil ohne eine wirklich nachhaltige Entwicklung die Gefahr besteht, dass es nicht zu einer dauerhaften Vertiefung der Vertrauens- und Wissensbasis kommt, mit der Folge, dass die Kooperation in einen Beharrungszustand verfällt und sich nicht weiterentwickelt. Dieser Stillstand wirkt sich dann derart auf die Koordinations- und Wissensebene aus, dass entsprechende Innovations-, Kreativitäts- und Wissenspotenziale brachliegen bzw. nicht umfassend erschlossen werden und demzufolge diese Informationen nicht für die strategische Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Somit kom- men sie auch nicht in entsprechenden Informations- und Leistungsprozessen zum Ausdruck. Aus diesen Gründen ist es zwingend erforderlich, alle interorganisationalen Beziehungsebenen ei- nem kontinuierlichen Reflexionsprozess zu unterziehen. Dieser hat die Aufgabe, den jeweiligen Entwicklungsstand, insbesondere der Vertrauens- und Wissensbasis, vor dem Hintergrund der defi- nierten Ziele systematisch zu hinterfragen, um dann darauf basierend etwaige Verbesserungsmög- lichkeiten abzuleiten. Hierbei geht es nicht nur um Fragen wie: “Are we doing the right things?", sondern notwendig ist auch eine systematische Auseinandersetzung mit der Zukunft, was sich bei- spielsweise in der Frage: "If we keep doing this, will it continue to be right?" widerspiegelt1074. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass, im Gegensatz zu einer operativ ausgerichteten Kooperati- on, die eigentliche Handlungsrelevanz oft in großem zeitlichen Abstand der strategischen Entschei- dung folgt. In dieser Zeit können sich die internen und externen Ausgangsbedingungen auf Grund der beschriebenen Dynamik (eigen-) dynamisch weiterentwickelt bzw. fundamental geändert haben. Im weiteren Fokus dieser nachhaltigen Reflexionsbemühungen sind ferner die Prozesse der tägli- chen Zusammenarbeit auf der technischen, organisatorischen und gestalterischen Ebene sowie die verfügbaren institutionalen Rahmenbedingungen, also Regeln, Abmachungen und vertragliche Grundlagen. Dabei sind regelmäßige Reviews von großer Bedeutung, welche das Ziel verfolgen, die Tragfähigkeit für die gefundene Basis der täglichen Zusammenarbeit hinsichtlich der angestreb- ten Zielerreichung zu überprüfen und ggf. Anpassungsmaßnahmen zu initiieren. Dass im Rahmen dieser interorganisationalen Hirnstrukturkopplungsprozesse die Anwendung von synegoistisch ausgerichteten Verhaltensweisen, basierend auf Sozialkompetenz und entsprechenden 1073 vgl. Malik (1989), S. 69 1074 vgl. Pautzke (1989), S. 136 306 kommunikativen Fähigkeiten, was einen professionellen Umgang mit potenziellen Konflikten und Störungen impliziert (vgl. oben), von unschätzbarem Vorteil ist, versteht sich fast von selbst. 4.8.5.1 Konsequenzen einer lediglich bedingt dynamischen Entwicklung der Kooperation hinsichtlich der Zielerreichung und einer gegenseitigen Übervorteilung Kommt es nicht zu der eben erwähnten Nachhaltigkeit in Bezug auf die Entwicklung der einzelnen Beziehungsebenen, ist davon auszugehen, dass es sich um eine bedingt oder eingeschränkt dynami- sche strategische Kooperation handelt, welche infolgedessen auch Einschränkungen bezüglich ihrer Innovations- und Entwicklungsfähigkeit in Kauf nehmen muss. Das heißt, die Chancen auf eine wirklich systemverträgliche Entwicklung und einer entsprechenden strategischen Zielerreichung sind zumindest als reduziert anzusehen. Ein Grund hierfür könnte in der bereits angesprochenen Problematik der wettbewerblichen Vergan- genheit und Gegenwart zu sehen sein, wo sich mehr oder weniger opportunistisch ausgeprägte Ver- haltensweisen „derart in den eingetrampelten Hirnpfaden verfestigt haben“, dass zumindest einer umfassenden Dynamisierung auf der Verhaltensebene (und damit implizit auch auf der Koordinati- ons-, Wissens und Leistungsebene) enge Grenzen gesetzt sind, was sich beispielsweise in unüber- windbaren „strategic, structural and cultural misfits“ äußert1075. Weiterhin ist natürlich ebenso denkbar, dass die beschriebenen Einflüsse, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten auf Grund von strukturellen, psychologischen oder doktrinbedingten Informations- pathologien (siehe hierzu Kapitel 3.2.3.2.3.4.4) schlichtweg nicht erkannt bzw. als vernachlässigbar angesehen werden. Die Konsequenz dessen ist in jedem Fall, dass sich das erwähnte prozessorientierte Vertrauen als Grundelement einer wirklich tief gehenden dynamischen Entwicklung nicht oder nur in einge- schränktem Umfang entwickelt. Folglich kann auch nur von einer eingeschränkten Bereitschaft der Kooperationspartner ausgegangen werden, die verschiedenen Welten der einzelnen Partialsysteme in hohem Umfang zu verschmelzen. Vielmehr ist jedes Kooperationsunternehmen zunächst einmal den eigenen Sorgen und Nöten verpflichtet und nur bedingt bereit, diese aktiv mit den anderen zu teilen bzw. sich intensiv mit deren Herausforderungen und Problemlagen auseinanderzusetzen (vgl. Kapitel 4.5.4.2). Für die Ausprägung der Leistungsprozesse heißt dies konkret, dass deren Qualität darunter leidet, wenn die strategischen Ziele durch die eingeschränkte Dynamik nicht in vollem Umfang erreicht werden. Dementsprechend ist mit suboptimalen Ergebnissen hinsichtlich der Ermittlung der Er- folgspotenziale bzw. bezüglich der Verteidigung und des Neuaufbaus von Wettbewerbsvorteilen zu rechnen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich die Phase der (mittel- bis längerfristigen) Umset- zung des generierten strategischen Outputs um einiges schwieriger gestaltet als dies bei der dynami- schen Variante der Fall ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Erfahrungsschatz bzw. der Entwicklungsstand der interor- ganisationalen Zusammenarbeit nicht die Fülle bzw. das Niveau einer umfassend dynamischen Ko- operation erreicht. So bestehen z.B. nicht jene ausgefeilten Wissens- und Informationsprozesse, die im Zweifel als Leitbild für eine erfolgreiche und reibungslose Implementierung der gewonnenen (suboptimalen) Erkenntnisse herhalten könnten. Zusätzlich hierzu erhöht sich durch die nur bedingt dynamisch ausgeprägten Koordinations- und Wissensbeziehungen das Risiko, dass die Kooperation in die so genannte Komplexitätsfalle tappt. Letztere äußert sich dadurch, dass komplexe Problemstellungen, wie etwa die Generierung und 1075 Schertler (1995), S. 44 ff. 307 Umsetzung strategischer Erkenntnisse, mit einfachen (mechanischen) Problemlösungsmustern an- gegangen werden und es demnach versäumt wird, Potenziale aufzubauen, mit denen Komplexität, Eigendynamiken und das Unvorhersehbare bewältigt werden können1076 (vgl. Kapitel 3.1.2.1 f.). Schließlich ist anzumerken, dass die Gefahr einer möglichen Übervorteilung, die sich hinter einer solchen bedingt dynamischen Entwicklung verbirgt, bei der hier beschriebenen Kooperationsform vor allem in zwei Richtungen zielt. Einerseits ist denkbar, dass es wegen der unzureichenden Ergebnisse (in der Regel verbunden mit massiven Investitionen) relativ schnell dazu kommt, dass das aufgebaute Vertrauensverhältnis in starkem Maße durch ein zunehmend opportunistisches Verhalten, bei dem sich jeder selbst der Nächste ist, unterhöhlt wird. Dies kann dazu führen, dass die Kooperation, anstatt über die wesent- lichen Engpässe und Unzulänglichkeiten zu reflektieren und auf diese Weise die Kooperation wie- der zu "dynamisieren", vollends zu erstarren bzw. in Lethargie zu verfallen droht. Im Grunde käme dies einem Rückschritt in Richtung einer statischen strategischen Kooperation gleich, mit allen da- mit verbundenen negativen Konsequenzen hinsichtlich gegenseitiger Übervorteilung und Zielerrei- chung (vgl. oben Kapitel 4.6.5 f. Aussagen zum Bedrohungspotenzial in Bezug auf das Scheitern einer strategischen Kooperation). Andererseits ist in gleicher Weise vorstellbar, dass die sich in Teilbereichen dynamisch entwickeln- de Kooperation für alle Beteiligten positive Ergebnisse hervorbringt. Jedoch die Beteiligten sich hinsichtlich der Suboptimalität der gefundenen Lösungen infolge der eingeschränkten Dynamik bzw. der Unkenntnis der beschriebenen Wirkungszusammenhänge nicht im Klaren sind. Tritt dann der Fall ein, dass die nur bedingt brauchbaren Resultate wegen ihrer strategischen Trag- weite erst mittel- bis langfristig wirksam werden, fügt dies der Kooperation unmittelbar keinen Schaden zu. Infolgedessen ist auch die Gefahr der gegenseitigen Übervorteilung fürs Erste gebannt, da die beteiligten Unternehmen zunächst einmal mit den Ergebnissen zufrieden sind und daher kein Anlass zu einer kritischen Hinterfragung der Zusammenarbeit besteht. Letzteres dürfte aber spätes- tens zu dem Zeitpunkt zu Tage treten, wenn die Ergebnisse mittel- bis langfristig doch nicht die ge- wünschten Ergebnisse bringen bzw. diese auf Dauer einen Mittelzufluss erfordern, der in den Au- gen der Beteiligten zunehmend als ungerechtfertigt angesehen wird und in keinem Verhältnis zum Aufwand steht. Die Folge ist ein schleichender Vertrauensverlust mit den eingehend beschriebenen Konsequenzen, der, wenn er nicht gestoppt wird, die Kooperation als Ganzes durchaus gefährden kann (siehe zu den Entwicklungsmöglichkeiten dieser Kooperationsform auch Kapitel 5.2.4). 4.9 Die strategisch-dynamische Kooperationsform ohne das Bestehen einer Konkurrenzsituation zwischen den Kooperationspartnern Zum Abschluss des vierten Kapitels gilt es, jene Kooperationsvariante einer näheren Betrachtung zu unterziehen, die von den Voraussetzungen her die optimalen Bedingungen hinsichtlich eines hohen strategischen Zielerreichungsgrades im Sinne einer systemverträglichen (Kooperations-) Unterneh- mensentwicklung mit sich bringt. Dies ist einmal natürlich auf die strategische und dynamische Ausrichtung zurückzuführen. Zum anderen hängt es damit zusammen, dass die nicht vorhandene Konkurrenzsituation an der einen oder anderen Stelle, sei es in Bezug auf die Ausgangssituation, sei es während des eigentlichen Vollzuges der Kooperation, die Chancen erhöht, zu einer langfristigen Win-Win-Situation auf na- hezu allen Ebenen und für alle Beteiligten zu gelangen. 1076 vgl. Klimecki/Probst/Eberl (1994), S. 2 ff. 308 Um die Wiederholung bereits bekannter Sachverhalte so gering wie möglich zu halten, zielen die folgenden Abschnitte in erster Linie darauf ab, die wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu der vorhergehenden strategisch-dynamischen Kooperationsvariante unter Konkurrenzbedingungen auf- zuzeigen. 4.9.1 Die Auswirkungen der Dynamik auf die einzelnen interorganisationalen Beziehungs- ebenen Kennzeichen einer ausgeprägten Dynamik hinsichtlich der interorganisationalen Koordinations- und Einflussbeziehungen ist auch in diesem Fall der Aufbau eines wirklich dauerhaften, prozessbasier- ten Vertrauens, wo es zu einer systematischen Vertiefung der Beziehung kommt. Durch die nicht vorhandene Konkurrenzsituation, verbunden mit den entsprechenden Ausgangsbe- dingungen (siehe u.a. Kapitel 3.2.2.2), ist dabei in der Regel davon auszugehen, dass der interorga- nisationale Vertrauensbildungsprozess nicht nur erleichtert, sondern darüber hinaus beträchtlich beschleunigt wird. Darin liegt insbesondere bei dieser Kooperationsform die große Chance, dass es zu einem schnellen Aufbau des prozessorientierten Vorab-Vertrauens kommt sowie entsprechenden positiven Nebeneffekten hinsichtlich der Formulierung der interorganisationalen Rahmenbedingun- gen (Stichwort proaktive Erwartungsbildung auf der Grundlage von Selbst- und Fremdbeschreibun- gen, siehe u.a. Kapitel 4.5.4.2). Darüber hinaus ist zu erwarten, dass auch der Aufbau und die Stabi- lisierung des prozessorientierten Vertrauens im Zeitablauf deutlich schneller vonstatten geht als bei der obigen Kooperationsvariante. Diese trägt dazu bei, dass die existierende Vertrauensbasis und die daraus folgenden Ergebnisse (Darstellung von Paradigmen und Heuristiken, Konstruktion neuer Kontexte) kontinuierlich hinter- fragt und auf neue Entwicklungspotenziale hin untersucht werden. Dadurch wird es der Kooperation letztendlich ermöglicht, die explizit und implizit vorhandenen Dynamisierungspotenziale früher zu nutzen, was zur Konsequenz hat, dass auch die strategischen Ergebnisse schneller zu erwarten sind. Dies ist gerade bei den beschriebenen „dynaxischen Zeiten“ nicht unbedingt von Nachteil (vgl. Kapitel 4.5.5; 3.1.2 ff.; 2.5.1 ff.). Eine der tragenden Säulen der Dynamik innerhalb der strategischen Kooperationsbeziehung ist da- bei erneut der systematische Aufbau und eine entsprechende Vertiefung der interorganisationalen Einflussbeziehungen sowie der Wissensbasis, getragen von einer auf synegoistischen Verhaltens- prinzipien beruhenden Wissens- und Lerngemeinschaft. Deren Aufgabe ist in erster Linie darin zu sehen, die mit Hilfe des Systemdenkens erkannten Wechselwirkungen sowie die dahinter liegenden Informations- und Sozialisierungsprozesse nicht nur zu analysieren, sondern den damit verbunde- nen Erkenntnis- und Lernfortschritt auch zu dokumentieren und für alle Beteiligten verfügbar zu machen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die strategischen Entscheidungen vor dem Hin- tergrund einer ausreichenden Wissensbasis generiert bzw. gefällt werden können. 4.9.2 Die Konsequenzen für die beteiligten Kooperationspartner hinsichtlich Nachhaltigkeit, (inter-) organisationaler Systemverträglichkeit und strategischer Zielerreichung Ähnlich wie bei der dynamischen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen spielt auch hier die Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den eingeschlagenen Weg wirklich dauerhaft zu sichern und auf diese Weise zu einer kontinuierlicheren Höherentwicklung der Bezie- hungsebenen der Kooperation zu gelangen. 309 Diesbezüglich ist es erforderlich, durch einen dauerhaften und systematischen Reflexionsprozess zu gewährleisten, dass die jeweilige Vertrauens- und Wissensbasis permanent hinsichtlich der zu ver- folgenden strategischen Ziele analysiert wird. Auf diese Weise werden eventuell brachliegende In- novations- und Kreativitätspotenziale aufgezeigt, welche dann entsprechend zu entwickeln und dem strategischen Entscheidungsfindungsprozess zuzuführen sind. Darüber hinaus ist die Nachhaltigkeit auch mit Bezug auf die Prozesse der täglichen Zusammenar- beit sowie die bis dato erarbeiteten Regeln und Abmachungen zur Anwendung zu bringen, verbun- den mit entsprechenden Korrekturen, falls diese der Zielerreichung nicht oder nur noch einge- schränkt förderlich sind (vgl. Kapitel 4.8.5). Wird dies in die Tat umgesetzt, sind letztlich die idealen Voraussetzungen für eine langfristige und fruchtbare Partnerschaft sowie eine systemverträgliche Entwicklung der einzelnen Partialsysteme geschaffen. Eine solche Partnerschaft hat im vorliegenden Fall den Vorteil, dass die aus den ausgeprägten Ko- ordinations- und Einflussbeziehungen resultierenden Ergebnisse theoretisch auf nahezu jedes denk- bare Kooperationsfeld zur Anwendung gebracht werden können. Dies hängt mit der bereits bekann- ten umfassenden Diversität der Möglichkeiten im Rahmen von Kooperationsbeziehungen ohne da- hinter stehendes Konkurrenzverhältnis zusammen. Jene erlaubt es in potenziell jedem Bereich der strategischen Kooperation zu einer Win-Win-Situation zu gelangen. Das heißt, die vertrauensbasierten, auf systemischem Denken beruhenden Reflexionsbemühungen sowie das Anwendungsgebiet der daraus resultierenden strategischen Ergebnisse unterliegen für sich betrachtet erst einmal keinerlei (konkurrenzbasierter) Einschränkungen. Dabei zeichnet sich ein wirklich partnerschaftliches Handeln dadurch aus, dass ein fairer Interes- senausgleich angestrebt wird, basierend auf gemeinsam erstellten Business-Plänen sowie einer ge- rechten Teilung von Chancen und Risiken bzw. Gewinnen und Verlusten. Der Grundtenor des gemeinsamen Handelns ist dabei, dass der eine dem anderen hilft, damit es dem anderen daraufhin besser geht (Erziehung, Höherentwicklung) und nicht, um auf dessen Kosten zu profitieren (Manipulation)1077. 4.9.2.1 Die umfassende Wahrnehmung von sozialer Verantwortung auf allen Handlungsfel- dern als wichtiges Merkmal einer dynamischen Kooperation ohne bestehendes Kon- kurrenzverhältnis Ein besonderes Kennzeichen dieser Kooperationsform ist, dass es nicht nur zu der Übernahme von sozialer Verantwortung für die Partner auf den Gebieten kommt, auf denen von vornherein die Fä- higkeiten ungleich verteilt sind, sondern auch dort, wo die unmittelbaren Kernkompetenzen des jeweils anderen betroffen sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Kooperationspartner einen konkreten Verbesserungs- und/oder Handlungsbedarf bei den Kernkompetenzen des Gegenüber erkennt und diesen entsprechend darauf hinweist. Dieser Prozess vollzieht sich in der Regel im Rahmen einer umfassenden zweistufigen Systemin- tegration. Die erste Stufe der Integration zeichnet sich dadurch aus, dass es gelingt, die jeweiligen Fach- und Kernkompetenzen derart zusammenzuführen, dass die Kombination der einzelnen Leis- tungen in Summe zu einer möglichst optimalen Problemlösung beiträgt. Hierbei übernehmen be- züglich der jeweiligen Kompetenzfelder wie Produkt-, Prozess- und Produktions-, aber auch Koor- dinations-Know-how jeweils die Partner, welche auf diesem Gebiet über besondere Erfahrungen 1077 vgl. Kastner (1999), S. 32 f. 310 verfügen, auf sozial intelligente und verantwortliche Weise die Führung und treiben die Entwick- lung der Kooperationspartnerschaft aktiv voran1078. Die zweite Integrationsstufe hingegen bezieht sich auf die (Kern-) Kompetenzen der Partner selber, welche nicht als "unantastbares und unhinterfragbares Heiligtum" angesehen werden, sondern ge- nauso Bestandteil regelmäßiger Reflexionsbemühungen der einzelnen Partner sind. Infolgedessen geht es im Rahmen der strategischen Zusammenarbeit nicht allein darum, gemeinsam an der Lösung der strategischen Aufgaben zu arbeiten, bei der jeder Partner seine (Kern-) Kompe- tenzen einbringt. Sondern darüber hinaus kommt es zusätzlich auch zu einer gegenseitige Verant- wortungsübernahme für die Entwicklung der Kernkompetenzen der Partner, was wiederum jene in die Lage versetzt, ihrem Kerngeschäft besser nachzugehen und damit den Grundstein für einen zu- sätzlichen Innovations- und Entwicklungsschub legt. Dieses bedeutet, dass je nach Erfordernis nicht nur die Schaffung neuer Wettbewerbsvorteile im Mittelpunkt der interorganisationalen Zusammenarbeit steht, sondern ebenso die umfassende Ana- lyse der bestehenden unternehmensindividuellen Erfolgspotenziale sowie daran anschließend ent- sprechende Ausarbeitungen zu deren Verteidigung. Innerhalb eines solchen Prozesses ist es durchaus denkbar, dass einem Kooperationspartner mit Hil- fe der anderen bezüglich der Entwicklung seiner Wettbewerbsvorteile geholfen wird, ohne dass die Partner hiervon in irgendeiner Form profitieren. Allerdings zeichnet sich eine solche Partnerschaft gerade dadurch aus, dass die unterstützenden Partner bei Erfordernis genauso davon ausgehen kön- nen, dass man ihnen in gleicher "selbstloser" Weise zur Seite steht. Durch diese Vorgehensweise wird nochmals der Partnerschaftsgedanke in zentraler Weise unterstri- chen. Dieser zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Kooperationspartner bei weitem über den Austausch der gegenseitigen Erwartungshaltungen hinausgehen. Vielmehr kommt es regelmäßig dazu, sich darüber auszutauschen, wie gemeinsam Werte geschaffen werden können und was der Einzelne jeweils bezüglich konkreter Problemstellungen bei den Partnern tun kann. Hier kommt im- plizit eine wirklich wechselseitige Problemorientierung zum Vorschein, welche auf die strategische Kooperation übertragen bedeutet, dass Partnerorientierung grundsätzlich Problemlösungsorientie- rung heißt, verbunden mit der Schaffung von Werten mit den und für die Partner1079. An dieser Stelle wird ein wichtiger Unterschied zu einer strategischen Kooperation unter Konkur- renzbedingungen deutlich. Bei dieser ist bezüglich der gegenseitigen sozialen Verantwortungsüber- nahme bei der Entwicklung der Kernkompetenzen nicht davon auszugehen, dass diese in demselben Umfang erfolgt. Der Hintergrund ist, dass eine umfangreiche Offenbarung der gegenseitigen Kern- kompetenzen grundsätzlich die Gefahr mit sich bringt, dass das neu erworbene Wissen dort einge- setzt wird, wo gegenseitig um dieselben Kunden konkurriert wird. Somit wird der Wettbewerb ggf. zusätzlich verschärft bzw. erschwert, was nicht im Interesse der Kooperationspartner sein kann. Bei einer Kooperationsbeziehung ohne parallele direkte Konkurrenz führt die Anwendung neu er- lernter oder erkannter Erkenntnisse hingegen zu einer Stabilisierung oder Verbesserung der Markt- position des von dem Wissen profitierenden Unternehmens. Der Partner, der den eigentlichen An- stoß für diese Entwicklung gegeben hat, hat hierbei in der Regel keine negativen Konsequenzen zu befürchten. Im Gegenteil, dadurch, dass ein Partner ohne eigene Vor- oder Nachteile dazu beigetra- gen hat, bei seinem Gegenüber neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zu erschließen, ist letztlich eine ideale Basis für eine zusätzliche Vertiefung der Vertrauens- und Wissensbasis geschaffen wor- den1080. Anders ausgedrückt, durch derartige synegoistische Verhaltensweisen existieren praktisch keinerlei Risiken in Bezug auf eine wie auch immer geartete Übervorteilung und daran anschließende oppor- tunistische Verhaltensweisen, sondern jede Art von Störungen oder Meinungsverschiedenheiten 1078 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 96 ff. 1079 vgl. Levitt (1965), S. 26 ff. 1080 vgl. Walsh (1998), S. 308 311 wird eher als Chance für eine fruchtbare Höherentwicklung betrachtet, denn als Bedrohung des Ge- samtsystems. Auf der Grundlage dieser Aussagen ist es auch nicht verwunderlich, dass die Definition bzw. Ab- grenzung des strategischen Kooperationsfeldes vor dem Hintergrund der herrschenden Komplexität und Dynamik nicht unbedingt eine leichte Aufgabe ist. Jedoch sind in jedem Fall deutlich weniger risikobehaftete Variablen in Bezug auf den oder die Kooperationspartner zu beachten, was die Komplexität der jeweils relevanten Unternehmensumwelt zumindest ein Stück weit reduziert (vgl. Kapitel 4.5.1.1). Unterzieht man die möglichen Konsequenzen einer solchen Entwicklung einer näheren Betrach- tung, so ist einerseits ein großes Risiko darin zu sehen, dass die unzureichenden Ergebnisse, sofern sie von den Kooperationspartnern als solche erkannt werden, mittelfristig zu einer Erodierung der Vertrauensbasis führen. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass die Kooperationsunternehmen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund größerer getätigter Investitionen, zunehmend opportunistische, aus- schließlich am Eigeninteresse ausgerichtete Verhaltensweisen an den Tag legen. Im ungünstigsten Fall endet dies in einer zunehmend durch Statik und Lethargie geprägten Abwärtsspirale, an deren Ende unweigerlich das Aus der Kooperation steht (vgl. Kapitel 4.8.5.1, 4.7.2, 4.6.5). Durch die nicht vorhandene Konkurrenzsituation, welche gerade bei ausbleibenden erwarteten Er- gebnissen zumindest nicht unmittelbar dem Hang zu egoistischen Verhaltensweisen und der be- schriebenen Abwärtsspirale Vorschub leistet, besteht allerdings eine deutlich größere Chance, dass es nicht zu dem beschriebenen Szenario kommt. Stattdessen ist zu hoffen, dass die Beteiligten die unzureichenden Ergebnisse zum Anlass nehmen, die bisherige Vorgehensweise auf der Basis eines fundierten Rahmenkonzeptes kritisch zu hinterfragen, aus den Fehlern zu lernen und es in Zukunft besser zu machen (siehe auch Kapitel 5.3.4). 4.9.2.2 Die Folgen einer beschränkt dynamischen Kooperationsentwicklung Umgekehrt gilt natürlich genauso, dass von einer systemverträglichen Entwicklung bzw. Zielerrei- chung nur sehr eingeschränkt auszugehen ist, wenn die den Kooperationsbeziehungen zu Grunde liegenden Dynamisierungspotenziale nur am Rande bzw. nicht nachhaltig genutzt werden. In die- sem Fall ist die strategische Kooperation allenfalls als bedingt dynamisch zu bezeichnen, mit den damit verbundenen negativen Konsequenzen einer oft unzureichend entwickelten Wissensbasis, unausgeschöpften Kreativitäts- und Innovationspotenzialen und der damit zusammenhängenden eingeschränkten Fähigkeit, langfristige Wettbewerbsvorteile aufbauen zu können. Als wesentlicher Grund für eine solche Entwicklung dürfte in diesem Fall vor allem die mangelnde Kenntnis der beschriebenen Wechselwirkungen zu sehen sein, bei der weder die wechselseitigen Abhängigkeiten noch die dahinter liegenden Dynamisierungspotenziale wirklich erkannt werden. Letzteres ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Kooperation für sich betrachtet völlig unbelastet bezüglich eines etwaigen Konkurrenzverhältnisses agieren kann, da ein solches nicht vorhanden ist und somit mögliche Entwicklungseinschränkungen wegen der wettbewerbsorientier- ten Vergangenheit als Gründe für eine eingeschränkte Dynamik wegfallen. Des Weiteren trifft es andererseits natürlich auch für diese Kooperationsform zu, dass Unkenntnis und damit zusammenhängende eingeschränkte Dynamik nicht zwangsläufig in den aufgezeigten Extrempunkten des Scheiterns auf der einen Seite sowie der kritischen Reflexion auf der anderen Seite enden müssen. Vielmehr ist ebenso denkbar, dass die Unternehmen trotz aller (erkannten oder nicht erkannten) Unzulänglichkeiten mit den erreichten Ergebnissen zufrieden sind und diese dem- nach weder die Vertrauensbasis unterhöhlen noch Anlass zur kritischen Hinterfragung des Erreich- ten geben. In diesem Fall bedarf es entweder eines internen Anstoßes über entsprechende synego- 312 istische Reflexionsprozesse, welche zu der Erkenntnis gelangen, dass das Dynamisierungspotenzial noch zu großen Teilen unausgeschöpft ist oder aber eines externen Anstoßes, beispielsweise in Form eines Zustandsberichtes über die mäßigen bzw. schlechten Zielerreichungsgrade. Darauf ist es wiederum entscheidend, dass die beteiligten Unternehmen mittels interorganisationaler (synegoistischer) Hirnstrukturkopplungsprozesse in der Lage sind, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten und entsprechend zu einer „Redynamisierung“ der einzelnen Beziehungsebenen zu gelangen (vgl. Kapitel 5.3.4). 4.9.3 Die Auswirkungen auf die interorganisationalen Leistungsprozesse Was die Leistungsprozesse angeht, so treffen hier im Wesentlichen dieselben Begleitumstände zu, wie sie bereits im Zusammenhang mit der konkurrenzbasierten strategischen Kooperationsvariante erwähnt wurden. Das heißt, je dynamischer und nachhaltiger sich die Koordinations- und Wissensbeziehungen ent- wickeln, desto höher ist der potenzielle Zielerreichungsgrad im Hinblick auf die Grundlagen des Aufbaus und der Verteidigung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen, was wiederum die Ausprä- gung sowie den Verbesserungsgrad der Leistungsprozesse entscheidend beeinflusst. Die beteiligten Kooperationspartner stehen dabei vor der grundsätzlichen Herausforderung, dass die erarbeiteten strategischen Erkenntnisse auch wirkungsvoll in die Praxis umgesetzt werden. Dies gelingt um so eher, je besser die Kooperationspartner in der Lage sind, die für eine erfolgreiche Implementierung notwendigen Kenntnisse zu ermitteln bzw. zu generieren. Diesbezüglich ist erneut davon auszuge- hen, dass diejenigen Kooperationen, die bis dato bereits deutliche synegoistische Verhaltensweisen zeigen, sich bei der eigentlichen Umsetzung wegen der bereits gemachten profunden Erfahrungen im Rahmen der Zusammenarbeit deutlich leichter tun als strategische Kooperationen mit einer be- dingt dynamischen Ausprägung. Zusätzlich zeichnen sich die Leistungsprozesse dadurch aus, dass diese auf dem jeweiligen Gebiet der Zusammenarbeit einen sehr hohen Grad an wechselseitiger Verzahnung aufweisen. Dabei kann es sich um gemeinsame Forschungsvorhaben, die Ausbeutung bestehender oder die Erschließung neuer Marktsegmente genauso wie um die Umsetzung gemeinsamer Ein- und Verkaufs- sowie Pro- duktionsaktivitäten handeln. Als Beispiel für eine derartige vertikale Partnerschaft ist die Zusammenarbeit zwischen einem Inge- nieurbüro, einem Automobilhersteller sowie dem Betreiber eines virtuellen Marktplatzes anzuse- hen. Dabei arbeitet das Ingenieurbüro eng mit dem Hersteller bezüglich der Verbesserung beste- hender Produkte sowie der Entwicklung neuer Produkte zusammen, während sich der Marktplatz- betreiber beispielsweise um Beschaffung, Lagerung und Transport von Gütern des täglichen Be- darfs, aber auch um die Sonderwünsche seitens des Herstellers kümmert. Das Strategische bei Letz- terem ist, dass sich der Marktplatzbetreiber umfassend mit den Belangen des Herstellers auseinan- dersetzt, also bemüht ist, ein möglichst breites Spektrum entlang der Wertkette für diesen abzuwi- ckeln. Dies kann Fragen des Einkaufs, des Transports, der Lagerung genauso behandeln wie Fragen der Finanzierung und Versicherung sowie des Verkaufs. Auf diese Weise wird ein Betreiber eines digitalen Marktplatzes zu einem strategischen Partner, welcher für den oder die Hersteller ein Groß- teil der Koordinations-, Integrations- und Steuerungsaufgaben und damit einen riesigen Transakti- onskostenblock übernimmt, welcher ansonsten durch die Hersteller selbst aufzubringen wäre1081 (siehe auch Kapitel 2.2.4.3 ff.). Geht man abschließend auf die Ausprägung der Leistungsprozesse im Rahmen der bedingt dynami- schen Kooperationsvariante ein, so ist einmal von Einschränkungen auszugehen, was die Leistungs- 1081 vgl. Deutsche Banc Alex. Brown (2000), S. 11 ff. 313 fähigkeit der Leistungsprozesse im Hinblick auf die Etablierung langfristiger Wettbewerbsvorteile angeht. Darüber hinaus kann es auch zu Schwierigkeiten bei der Implementierung der Ergebnisse kommen, beispielsweise indem sich der gesamte Prozess deutlich in die Länge zieht und wesentlich mehr Koordinations- und Informationsaufwand nach sich zieht als bei der dynamischen Variante. Ferner ist vorstellbar, dass die (suboptimalen) strategischen Ergebnisse größtenteils reibungslos in die Tat umgesetzt werden und etwaige Schwierigkeiten erst mittelfristig auftreten, wenn sich der schlechtere strategische Unterbau derart bemerkbar macht, dass häufigere Anpassungen der beste- henden Leistungsprozesse erforderlich sind, da die Wettbewerbsvorteile sich als weniger valide erwiesen haben als ursprünglich geplant (vgl. auch Kapitel 4.8.5.1). 4.9.4 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse bezüglich Aufbau und Durchführung einer strategischen Kooperation Zusammenfassend bleibt anzumerken, dass das Eingehen einer strategischen Kooperation im We- sentlichen zum Ziel hat, im Hinblick auf eine systemverträgliche Entwicklung gemeinsam langfris- tige Wettbewerbsvorteile aufzubauen sowie die Grundlage für deren Verteidigung zu erarbeiten. Hierfür ist eine langfristig ausgerichtete, vertrauensvolle und auf synegoistischen Prinzipien beru- hende Kooperationspartnerschaft, welche vernetzt denkend und in dynamischer Art und Weise nachhaltig die einzelnen Beziehungsebenen weiterentwickelt, von entscheidender Bedeutung. Hierin spiegelt sich im Grunde der bei (strategischen) Kooperationen häufig zu beobachtende Zwie- spalt zwischen strategischem Anspruch und operativer Wirklichkeit wieder, wobei als einer der Hauptgründe hierfür die mangelnde Dynamisierung auf den einzelnen Beziehungsebenen, unter- mauert durch entsprechende Verhaltensgrundlagen, anzusehen ist. Kommt es dann noch zu einer steigenden Unzufriedenheit auf Seiten der Kooperationspartner, die ursprünglich mit einer ganz anderen Erwartungshaltung angetreten sind, und gelingt es nicht, zu einer deutlich dynamischeren Entwicklung zu gelangen, ist es kein Wunder, dass eine hohe Zahl an Kooperationen scheitert (sie- he Schaubild 53, Kapitel 4.7.3). Diese Kooperationsform mit ihrem eindeutig strategischen Fokus ist deutlich von vielen so genann- ten strategischen Allianzen abzugrenzen, die zwar vorgeben, strategische Ziele zu verfolgen, deren Fokus im Grunde aber eher in Richtung der Stärkung ihrer kurz- oder mittelfristigen Wettbewerbs- position geht und eben nicht den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile in den Mittelpunkt stellt1082. Vor dem Hintergrund der hier erarbeiteten Erkenntnisse, die in den verschiedenen Koope- rationsformen und deren Einflussfaktoren zum Ausdruck kommen, ist in diesem Fall lediglich von einer dynamisch-operativen Kooperation bzw. Allianz zu sprechen, welche den Beteiligten allen- falls kurz- bis mittelfristige Vorteile (wenn überhaupt) bietet. Darüber hinaus kann auf Basis der obigen Annahmen und Analysen auch nicht davon gesprochen werden, dass eine strategische Allianz ein flexibles Instrument zur parallelen Erschließung externer Synergien mit unterschiedlichen Partnern ist, das problemlos gebildet, ausgedehnt und wieder auf- gelöst werden kann und bei dem weder große Risiken bestehen noch umfangreiche Finanzmittel erforderlich sind1083. Dieses trifft, wenn überhaupt, nur auf statische, operative bzw. beschränkt dynamische Kooperatio- nen zu, aber mit Sicherheit nicht auf strategische Kooperationen, die ihren Anspruch im oben analy- sierten Sinn wirklich ernst nehmen. Die Gefahr solcher Aussagen liegt darin, dass der Eindruck erweckt wird, strategische Allianzen und damit indirekt auch deren Ziele seien einfach zu etablieren, nahezu problemlos erfolgreich 1082 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 111 1083 vgl. Hammes (1995), S. 74, 92 314 durchzuführen und ohne Schwierigkeiten wieder zu beenden. Dass dies gerade bei strategischen Kooperationen mit ihren anspruchsvollen und oft überlebenswichtigen Zielen gerade nicht der Fall ist, sondern im Gegenteil sogar erhebliche Anstrengungen erforderlich sind, um den Aufgabenstel- lungen auch nur annähernd gerecht zu werden, ist mit Hilfe der obigen Abschnitte verdeutlicht worden. Dabei dienen diese Bemühungen letztlich einem professionellen und systematischen Umgang mit den Herausforderungen des externen Marktes, bei gleichseitiger Betrachtung der internen Gegeben- heiten und Zustände1084. Diesbezüglich bergen gerade die dynamischen strategischen Kooperatio- nen eine nicht zu unterschätzende Differenzierungschance in sich, insbesondere wenn es gelingt, mittels einer sehr hohen synegoistischen, interorganisationalen Kontaktqualität die Basis für den Aufbau dauerhafter und folglich schwer zu kopierender Wettbewerbsvorteile zu legen. Auf diese Weise soll, auf Basis der bisherigen Ausarbeitungen, das erwähnte Rahmenkonzept abge- rundet werden, welches ein Unternehmen dabei unterstützt, den richtigen Mix aus operativen und strategischen Kooperationen orientiert an einem "Sowohl-als-auch-Ansatz" zu finden (vgl. auch Kapitel 2.5.4 und 3 ff.). Nach der ausführlichen Analyse möglicher Kooperationsformen im Zeitalter des E-Commerce geht es im folgenden Kapitel darum, die analysierten Ergebnisse mittels der Entwicklung eines Bewer- tungsverfahrens zu konsolidieren. Darüber hinaus werden mögliche Entwicklungsrichtungen der verschiedenen Kooperationsausprägungen aufgezeigt. Diese dienen dazu, denkbare Entwicklungs- optionen besser beurteilen zu können, was wiederum ein Stück weit zu einer reaktiven und vor al- lem proaktiven Steuerung immer komplexerer Gefüge von Kooperationen beiträgt1085. 1084 vgl. Simon (1995), S. 111 1085 vgl. Radel (1997), S. 109 315 5 Die Ableitung eines Verfahrens zur Kooperationsbewertung und die Erörte- rung von Entwicklungspfaden anhand des Kooperationswürfels Auf der Grundlage der in den vergangenen Kapiteln getätigten Analysen wird an dieser Stelle ein Verfahren zur Kooperationsbewertung vorgestellt. Mit diesem Bewertungsverfahren wird einem Unternehmen ein Instrument an die Hand gegeben, um den Status quo sowie das Entwicklungspo- tenzial einer bestehenden (und denkbaren) Kooperation qualifiziert erfassen zu können (siehe Kapi- tel 5.1 im Anschluss). Des Weiteren werden die wesentlichen Gesichtspunkte, die es hinsichtlich einer möglichen (Wei- ter-) Entwicklung einer bestehenden Kooperationsbeziehung (z.B. von einer dynamischen operati- ven in Richtung einer strategischen Kooperation) zu beachten gilt, herausgearbeitet (siehe Kapitel 5.2). Somit geht es in logischer Konsequenz der bisherigen Vorgehensweise darum, auf Basis der we- sentlichen kooperativen Ausprägungen des Kooperationswürfels (vgl. Abb. 51, Kapitel 4) und de- ren dahinter stehenden (psycho-) logischen Bedingungskonstellationen (vgl. Kapitel 4.1 ff.) aufzu- zeigen, wie eine Kooperation bewertet und in welche Richtung die analysierte Kooperation entwi- ckelt werden kann. 5.1 Die Entwicklung eines Verfahrens zur Bewertung bestehender (und poten- zieller) operativer und strategischer Kooperationen Im Zusammenhang mit dem Bewertungsverfahren bildet der Kooperationswürfel (siehe Abb. 51, Kapitel 4) einen ersten wichtigen Ansatzpunkt. Dieser eignet sich nicht nur zur plastischen Darstel- lung denkbarer Kooperationsmöglichkeiten, sondern ebenso für eine erste Verortung einer beste- henden Kooperationsbeziehung. Das heißt, mittels des Kooperationswürfels ist es den Kooperati- onspartnern möglich, eine erste Einschätzung im Hinblick auf den derzeitigen Status quo der zwi- schenbetrieblichen Zusammenarbeit vorzunehmen. Dabei ermöglicht die dreidimensionale Darstel- lung eine eindeutige Zuordnung, je nachdem, ob ein Konkurrenzverhältnis vorliegt oder nicht, die Kooperation eher strategisch oder eher operativ ausgeprägt ist bzw. ob die Kooperationspartner von einer eher statischen, einer bedingt dynamischen oder einer umfassend dynamischen Kooperation ausgehen. Die Basis einer solchen Einschätzung auf dem Kooperationswürfel bilden die entsprechenden Aus- führungen in den jeweiligen Kapiteln, die sich ausführlich mit den Ausprägungsformen auseinan- dersetzen1086. Neben dieser (eher oberflächlichen) Verortung auf dem Kooperationswürfel zur Erfassung des Sta- tus quo, empfiehlt es sich, im Zusammenhang mit einer fundierten Bewertung etwas tief gehender auf die tatsächlichen Dynamisierungsgrade innerhalb der einzelnen Beziehungsebenen sowie den dahinter stehenden Verhaltensbedingungen einzugehen bzw. diese jeweils qualifiziert zu erfassen. Dabei ist es auf der einen Seite wichtig, sich näher mit den Koordinations- und Wissensbeziehun- gen sowie der dahinter stehenden Vertrauensbasis und den entsprechenden Verhaltensgrundlagen auseinanderzusetzen bzw. diese durch eine Bewertung messbar und transparent zu machen. Auf der anderen Seite sind in gleicher Weise die Leistungsbeziehungen und der Zielerreichungsgrad, welche 1086 siehe bezüglich des Unterschieds zwischen operativen und strategischen Kooperationen die Kapitel 3.1.3 ff., 3.2.1 sowie 4.5 ff., bezüglich des Einflusses einer Konkurrenzbeziehung Kapitel 3.2.2 ff. sowie bezüglich des Einflusses der Ausprägung statisch vs. dynamischer Beziehungsebenen Kapitel 3.2.3 ff. 316 als Ergebnis der Koordinations- und Wissensbeziehungen zu sehen sind (vgl. hierzu Kapitel 3.2.3.2.1 ff.), einer Bewertung zugänglich zu machen. Darüber hinaus macht es insbesondere im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Kooperation Sinn, die existierenden (psycho-) logischen Rahmenbedingungen innerhalb der Kooperation sowie das jeweils zu erwartende Engagement der Kooperationspartner zu erfassen. Um diese einzelnen Anforderungen in Bezug auf die Bewertung und Potenzialanalyse einer Koope- ration zu bewerkstelligen, bieten sich die im Anhang befindlichen Fragebögen als Basis an. Letztere sind im Wesentlichen als Produkt der in den vergangenen Kapiteln erarbeiteten Erkenntnisse zu sehen und sollen dementsprechend eine qualifizierte Erfassung des Status quo einer bestehenden (oder möglichen) Kooperationsbeziehung sicherstellen. 5.1.1 Die wesentlichen Inhalte der Fragenkataloge, das dahinter stehende Auswertungsver- fahren und die damit verbundenen Ziele Zunächst ist anzumerken, dass sich die Fragen zur Erfassung des Status quo einer Kooperation in einen eher operativ-allgemein ausgerichteten Teil und einen mehr strategisch ausgerichteten Teil aufspalten. Diese Trennung wird als nötig erachtet, weil die vergangenen Analysen eindeutig ge- zeigt haben, dass insbesondere an die Ausprägung der Koordinations- und Wissensbeziehungen sowie die entsprechenden Verhaltensgrundlagen, aber auch an die (psycho-) logischen Rahmenbe- dingungen innerhalb einer strategischen Kooperation deutlich höhere Anforderungen zu stellen sind, als dies bei einer operativen Kooperation der Fall ist (vgl. Kapitel 3.1.3.2 ff., 3.2.1 und 4.5 ff.). Daher würde eine vollständige Gleichbehandlung von strategischen und operativen Kooperationen zu verfälschten Ergebnissen führen. Bezüglich des eher operativ-allgemein ausgerichteten Fragebogens ist zu sagen, dass sich in diesem der Kooperationswürfel (siehe Abb. 51, Kapitel 4) zur ersten Verortung der Kooperationsbeziehung durch die jeweiligen Partner befindet. Weiterhin besteht der Fragebogen aus sechs verschiedenen Frageblöcken, die die Erfassung der bestehenden Einfluss- und Koordinationsbeziehungen, der Wissens- und Informationsbeziehungen, der interorganisationalen Verhaltensgrundlagen, des Status quo der Leistungsbeziehungen und des Zielerreichungsgrades, der psycho-logischen Rahmenbedin- gungen sowie des zu erwartenden zukünftigen Engagements der an der Kooperation beteiligten Un- ternehmen ermöglichen. Somit steht mit diesem allgemeinen Teil ein probates Mittel zur Verfü- gung, den derzeitigen Ist-Zustand einer Kooperation zu erfassen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine operativ oder eher strategisch ausgerichtete Kooperation handelt (siehe Anhang 1). Der strategisch ausgerichtete Fragenteil ist grundsätzlich ähnlich aufgebaut. Dabei beschränkt sich dieser Teil allerdings auf die Erfassung der Koordinations-, Wissens- und Informationsbeziehungen, der entsprechenden Verhaltensgrundlagen sowie der erwarteten Rah- menbedingungen (siehe Anhang 2). Dies hängt damit zusammen, dass in diesen Bereichen die größ- ten inhaltlichen Unterschiede vorzufinden sind, wohingegen die Verortung auf dem Kooperations- würfel, die Erfassung des Zielerreichungsgrades sowie das zu erwartende Engagement eindeutig dem allgemeinen Teil zuzuordnen sind und dort entsprechend erfasst werden. In Bezug auf die Durchführung der Befragungsaktion ist anzumerken, dass zum einen die Teilnah- me einer möglichst großen Zahl an Mitarbeitern aus den betreffenden Kooperationsunternehmen wünschenswert ist bzw. es sich zum anderen empfiehlt, dass die befragten Mitarbeiter unterschied- lichen Hierarchiestufen angehören, da auf diese Weise einer eventuell eingeschränkten bzw. einsei- tigen Sichtweise über den Status quo der Kooperationsbeziehung vorgebeugt wird. 317 Die Beantwortung der Fragen erfolgt durch ein einfaches Ankreuzen der vorgegebenen Antworten, denen zusätzlich eine Skalierung von 1-6 unterlegt ist (siehe die Anhänge 1 + 2). Dabei sind von den beteiligten Mitarbeitern in jedem Fall beide Fragebögen auszufüllen, unabhängig davon, ob eine operative oder strategische Kooperation vorliegt. Die daran anschließende Auswertung der Ergebnisse gestaltet sich derart, dass zunächst anhand der Verortungen auf dem Kooperationswürfel ermittelt wird, inwieweit eine eher operativ oder eher strategisch ausgerichtete Kooperation vorliegt bzw. ob von einem parallel existierenden Konkur- renzverhältnis auszugehen ist oder nicht. Deuten die Ergebnisse auf das Vorliegen einer operativen Kooperation hin, heißt dies für die fol- gende Auswertung der oben erwähnten allgemein-operativen sowie strategischen Fragenblöcke, dass in die Erfassung des entsprechenden Status quos der Beziehung nur die Antworten des allge- mein-operativen Teils einfließen. Die ebenfalls vorhandenen Antworten in Bezug auf die strategisch ausgerichteten Fragestellungen sind ausschließlich im Zusammenhang mit einer Potenzialanalyse zu verwenden, die den Zweck hat, die Entwicklungsmöglichkeiten der bestehenden operativen Ko- operation zu beurteilen. Lässt sich aus den ermittelten Ergebnissen hingegen das Vorliegen einer strategischen Kooperation ableiten (durch eine entsprechende Verortung auf dem Kooperationswürfel), fließen beide Fragebö- gen komplett in die Bewertung des Status quos ein, woraus dann auch die Potenzialanalyse erfolgt. Die Auswertung der verschiedenen Frageblöcke dient in erster Linie dazu, den jeweiligen Dynami- sierungsgrad der einzelnen zu untersuchenden Bereiche zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass jede der zu beantwortenden Fragen auf einer Skala von eins bis sechs basiert. Dabei steht der Skalierungsbereich von 1 – 2,5 tendenziell für eine geringe Entwicklungsorientie- rung im Sinne einer statischen Ausprägung, der Skalierungsbereich von 2,5 – 4,5 bringt das Vor- handensein einer bedingt dynamischen Ausprägung zum Ausdruck, während ab einem Wert von 4,5 von einer umfassend dynamischen Ausprägung auszugehen ist. Auf dieser Grundlage sind die von den jeweiligen Mitarbeitern gegebenen Antworten in Bezug auf die einzelnen Fragenblöcke zunächst aufzusummieren und einer Mittelwertbildung zu unterziehen. Durch eine einfache Addition der erfassten Mittelwerte aller befragten Mitarbeiter eines Unterneh- mens und der erneuten Mittelwertbildung bzw. durch eine entsprechende unternehmensübergreifen- de Vorgehensweise lassen sich bequem bereichs-, unternehmensspezifische oder kooperationsüber- greifende Ergebnisse ermitteln. Hinsichtlich der einzelnen spezifischen Fragestellungen lässt sich somit analysieren, inwieweit bei- spielsweise die jeweiligen Beziehungsebenen in den Kooperationsunternehmen eher dynamisch oder eher statisch ausgerichtet sind. Darüber hinaus kann man mit Hilfe dieses Verfahrens auch erfassen, wie die Kooperation als Ganzes über einzelne oder alle Fragen hinweg im Durchschnitt auf der Skala von eins bis sechs bezüglich ihres jeweiligen Dynamisierungsgrades zu bewerten ist. Mittels dieses Bewertungsverfahrens wird folglich eine Möglichkeit geboten, den momentanen Zu- stand einer Kooperation hinsichtlich der ihr inhärenten Entwicklungsdynamik qualifiziert zu erfas- sen bzw. zu bewerten. Diese Bewertung umfasst wie erwähnt sowohl die Kooperation als Ganzes als auch spezifische Teilbereiche, wie die einzelnen Beziehungsebenen, die psycho-logischen Rah- menbedingungen oder das zu erwartende Engagement. Hierdurch wird es des Weiteren ermöglicht, die eingangs von den Kooperationspartnern auf dem Kooperationswürfel vollzogene Verortung in Bezug auf die vorzufindende Dynamik kritisch zu hinterfragen. Das heißt, es kann festgestellt werden, inwieweit die Eigeneinschätzung hinsichtlich der dynamischen Ausprägung der Kooperation tatsächlich von den Ergebnissen der Bewertung bes- tätigt wird oder nicht. Die auf diese Weise ermittelten Ergebnisse dienen als Grundlage, um daraus entsprechende Hand- lungsoptionen im Hinblick auf eine möglichst systemverträgliche interorganisationale Entwicklung abzuleiten. Daneben sind die in Kapitel 3 und 4 erarbeiteten Zusammenhänge als wichtige Orientie- 318 rungshilfe im Hinblick auf die Generierung von Maßnahmenvorschlägen zu sehen. Letzteres kann beispielsweise in der Art erfolgen, dass man sich etwas detaillierter mit den spezifischen Bedin- gungskonstellationen der gefundenen Kooperationsausprägung beschäftigt, je nachdem, wo anhand der Ergebnisse der Fragebogenauswertung die größten Defizite gefunden wurden. Tritt beispielsweise als zentrales Ergebnis des Bewertungsverfahrens zu Tage, dass es sich um eine bedingt dynamische, strategische Kooperation auf der Basis eines gleichzeitig existierenden Wett- bewerbsverhältnisses handelt, liefern die in den vorherigen Kapiteln getätigten Analysen eine Viel- zahl konkreter Anhaltspunkte: Z.B., was bei den Koordinations- und Wissensbeziehungen zu beachten ist, damit diese einer wirklich strategisch ausgerichteten Kooperation genügen, was es mit den opportunistischen Risiken auf sich hat, welche denkbaren Alternativen es bei der Verzahnung der Leistungsprozesse gibt etc. (siehe in Bezug auf die konkrete praktische Anwendung auch das Fallbeispiel in Kapitel 6). Des Weiteren dienen die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens auch dazu, einige qualifizierte Aus- sagen darüber zu treffen, welche konkreten Ansatzpunkte es in Richtung einer Weiterentwicklung der bestehenden Kooperationsbeziehung gibt. Das heißt, neben der Generierung von Aussagen hin- sichtlich der Vertiefung einzelner Kooperationsebenen wird zusätzlich das existierende interorgani- sationale Entwicklungspotenzial einer näheren Betrachtung unterzogen. In diesem Zusammenhang spielen auch die kommenden Aussagen über denkbare Entwicklungs- möglichkeiten einer bestehenden Kooperation eine wichtige Rolle, da sie als zusätzlicher Anhalts- punkt zu sehen sind, wenn es darum geht, die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen des Bewer- tungsverfahrens zu ziehen. Diesbezüglich ist beispielsweise zu erwähnen, dass in Abhängigkeit der Ergebnisse des vorgestell- ten Bewertungsverfahrens und den damit verbundenen Begleitumständen eine bestehende Koope- ration nicht in jede beliebige Richtung weiterentwickelt werden kann. Im Gegenteil, je nach analysierter Ausgangssituation, ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten der interorganisationalen Weiter- bzw. Höherentwicklung. Dabei werden in den kommenden Abschnitten genau diese Möglichkeiten bzw. jene Randbedingun- gen einer genaueren Betrachtung unterzogen, die bei der (Weiter-) Entwicklung einer Kooperation auf der Basis einer erfolgreich durchgeführten Bewertung zu berücksichtigen sind. Den Anfang macht diesbezüglich die Betrachtung der Entwicklungsmöglichkeiten von Kooperatio- nen vor dem Hintergrund eines parallel bestehenden Konkurrenzverhältnisses. Nimmt man im Folgenden für die Analyse der potenziell möglichen Entwicklungsrichtungen den bereits erwähnten Kooperationswürfel als Basis (vgl. Abb. 51, Kapitel 4), so lässt sich hieraus eine erste wichtige Erkenntnis ableiten. Wird unterstellt, dass ein vorhandenes Konkurrenzverhältnis eine auf Dauer unter Kooperationsbedingungen unabwendbare Tatsache ist (Stichwort rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit, siehe Kapitel 3.1.1.3), so ergibt sich hieraus eine wichtige Ein- schränkung dahingehend, dass eine Entwicklungsrichtung im Hinblick auf eine Kooperation unter nicht wettbewerblichen Bedingungen nicht möglich ist. Denn die durch das Konkurrenzverhältnis gesetzten Rahmenbedingungen können nicht bzw. nur durch eine Übernahme oder gegenseitige Kapitalverflechtung, was hier nicht Gegenstand der Betrachtung ist, verlassen werden. 5.2 Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich von Kooperationsbeziehungen un- ter Konkurrenzbedingungen 319 Daher ist klar, dass ein bestehendes Konkurrenzverhältnis als ein in der Regel dauerhafter Zustand anzusehen ist, dessen Folgen, je nach Ausprägung bzw. Entwicklung der jeweiligen Kooperation, in unterschiedlicher Art und Weise zu Tage treten (siehe die folgenden Abschnitte), der aber mittels der hier analysierten denkbaren Kooperationsausprägungen keinesfalls überwunden werden kann. 5.2.1 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-operativen Kooperation auf der Grund- lage eines bestehenden Konkurrenzverhältnisses Beim Vorliegen einer statischen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen im oben genannten Sinn (siehe Kapitel 4.1 ff.) bzw. auf der Grundlage des obigen Bewertungsverfahrens stellt sich zunächst die Frage, inwieweit diese in Richtung einer dynamisch-operativen oder eventuell sogar strategischen Kooperation entwickelt werden kann. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass sich das Ziel einer operativen Kooperation zunächst einmal daran orientiert, die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten sowie die operationale Effizienz zu verbessern. Wird jetzt vor dem Hintergrund einer bestehenden statischen Kooperation unterstellt, dass dieses Ziel von den Kooperationspartnern auch weiterhin anvisiert wird, steht in diesem Fall eine mögliche Entwicklung in Richtung einer strategischen Kooperation nicht mehr zur Debatte. Darüber hinaus darf jedoch auch nicht übersehen werden, dass eine eventuell gewünschte strategi- sche Zusammenarbeit nicht nur veränderte Zielvorstellungen, sondern auch eine fundamental ande- re Form des interorganisationalen Miteinanders auf den einzelnen Beziehungsebenen erfordert (vgl. Kapitel 4.5 ff.). Ruft man sich auf dieser Basis den Entwicklungsstand einer solchen Kooperation bezüglich der Einfluss- und Wissensbeziehungen in Erinnerung (vgl. Kapitel 4.1.1), so ist dieser doch ein gewaltiges Stück von dem Stand entfernt, der bezüglich einer strategischen Kooperation als erforderlich anzusehen ist. Hieraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass ein solcher Übergang schon wegen des "adminis- trativen Erbes" und des damit zusammenhängenden natürlichen organisatorischen Beharrungstrie- bes zumindest in einem Schritt als nicht machbar angesehen werden kann1087. Demnach macht diesbezüglich eine weitergehende analytische Betrachtung „lediglich“ hinsichtlich der Entwicklung von einer statischen hin zu einer dynamisch-operativen Kooperation Sinn. Sieht man sich infolgedessen den Übergang von einer statischen zu einer dynamischen Kooperation etwas genauer an, so setzt dies neben einer gegenseitigen Zielkonformität (dauerhafte Verbesserung der operationalen Effizienz) voraus, dass die beteiligten Unternehmen grundsätzlich bereit sind, von einer eher fallweisen Form der Zusammenarbeit zu einer dauerhaften, regelbasierten und deutlich verzahnteren gemeinsamen Aufgabenerfüllung überzugehen. Das heißt, in Abkehr von unregelmäßig wiederkehrenden einmaligen, gemeinsamen Ein- oder Ver- kaufsaktionen mit bzw. ohne Beteiligung internetbasierter Marktplatzbetreiber geht es jetzt um den Aufbau dauerhafter interorganisationaler Verknüpfungen, welche mittels einer tiefer gehenden Nut- zung der technologischen Potenziale der neuen Medien für einen permanenten Güter- und Leis- tungsaustausch zwischen den beteiligten Unternehmen sorgen (siehe Kapitel 4.3.3). Entscheidend ist jetzt, dass eine solche Vertiefung von den Kooperationsunternehmen gewünscht wird, die Beteiligten also den Willen bezüglich einer solchen intensiveren Zusammenarbeit an den Tag legen sowie diese auch vor dem Hintergrund der bestehenden Leistungsbeziehungen sinnvoll erscheint. Letzteres dürfte dabei im Grunde kein wirkliches Problem darstellen, weil der bisherige statische Zustand gerade im Hinblick auf die ungeheuren Potenziale der IuK-Technologien (siehe Kapitel 2.2 ff.) auf jeden Fall verbesserungsfähig ist. 1087 vgl. Stetter (1994), S. 231 f. 320 In diesem Zusammenhang darf allerdings nicht übersehen werden, dass es zwar durch die neuen IuK-Technologien zu, im Vergleich zum Industriezeitalter, deutlich niedrigeren Investitionen er- möglicht wird, gerade im operativen Bereich Kooperationen einzugehen (vgl. Kapitel 1.1 ff.). Je- doch ist der zusätzliche Aufwand zur Etablierung der vertieften Koordinations-, Wissens- und Leis- tungsbeziehungen, gerade wenn es um die Etablierung dauerhafter Leistungsbeziehungen geht, kei- nesfalls zu unterschätzen (siehe Kapitel 4.3.4). Ein deutlich erhöhter Aufwand ist im Unterschied zu einer rein statisch-operativen Kooperation vor allem dann zu tätigen, wenn es um die Realisierung einer umfassenden dynamischen Kooperation geht. Trotz dieser erhöhten Investitionen ist die Umsetzung dieser Kooperationsvariante auf jeden Fall zu empfehlen, weil jede eingeschränkt dynamische Kooperationsentwicklung in der Regel sub- optimale Ergebnisse hervorbringt, die, gemessen am Verhältnis von Aufwand und Ertrag, nicht mit der dynamischen Variante konkurrieren können und manchmal sogar schlechter sind als die Ergeb- nisse einer statischen Kooperation. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die analysierten Risiken in Bezug auf den Bestand einer bedingt dynamischen operativen Kooperation verwiesen (vgl. hierzu Kapitel 4.3.5). Darüber hinaus ist natürlich auch im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung die umfassend dynami- sche Kooperationsform zu bevorzugen, denn nur diese stellt einen kontinuierlichen und systemati- schen Ausbau des Bestehenden und damit eine dauerhafte Verbesserung der operationalen Effizienz sicher. Damit kann gleichzeitig auch der bisweilen hohe Einsatz an materiellen und immateriellen Ressourcen gerechtfertigt werden. Das bedeutet, erkennen die Kooperationsunternehmen für sich die Vorteilhaftigkeit einer dynami- schen Kooperationsbeziehung im Gegensatz zur bisherigen statischen, ist zur Sicherstellung eines wirklichen Erfolges grundsätzlich die Realisierung der umfassend dynamischen Variante in der beschriebenen Form anzustreben. Hierfür ist auf Grund des nach wie vor existierenden wettbewerblichen Hintergrunds eine klare Ab- grenzung des Kooperationsfeldes zusätzlich zur bereits erwähnten Zielkonformität sowie Sinnhaf- tigkeit hinsichtlich der operationalen Effizienz zwingend erforderlich. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Gefahr verwiesen, dass eine unkontrollierte dynamische Entwicklung die Angst auf Seiten der Beteiligten schürt, insbesondere wegen der Konkurrenzbeziehung zu viel an eigenem Wissen preiszugeben. Im Zweifelsfall stärkt dies die Konkurrenten und wirkt sich demzufolge negativ auf den bestehenden Wettbewerb aus. Tritt eine solche Entwicklung ein, ist jegliche Dyna- mik innerhalb der bestehenden Kooperationsbeziehung nicht nur akut gefährdet, sondern droht bisweilen sogar ins Gegenteil umzuschlagen, verbunden mit einer deutlichen Verschlechterung des Kooperationsklimas und möglichen Tendenzen zu gegenseitiger Übervorteilung (vgl. Kapitel 4.3 ff.). Neben der zu lösenden Abgrenzungsproblematik sind die interorganisationalen Koordinations- und Wissensbeziehungen auf ein deutlich höheres Niveau zu heben. Hierbei besteht die entscheidende Herausforderung darin, den „verhaltensmäßigen Übergang“ vom Industriezeitalter, basierend auf einem linear-mechanistischem Denken, dem Glauben an die umfassende Machbarkeit der Dinge und dem Unternehmen als triviale Maschine (siehe Kapitel 1.2, 1.3, 1.4 ff.), hin zum Informations- und Wissenszeitalter, basierend auf synegoistischen Verhaltensweisen, der eingeschränkten Beein- flussbarkeit von Mensch und Umwelt sowie dem Unternehmen als sozialem System (siehe Kapitel 2.3, 2.4 ff.) zu bewältigen. Dabei spielen die vorherrschenden Ausgangsbedingungen eine entscheidende Rolle. Das heißt, es ist von großer Bedeutung, ob die existierende statische Kooperation das Ergebnis einer gewollten Entwicklung ist oder dieser Zustand negativen Begleitumständen zuzuschreiben ist und die Koope- ration sich dementsprechend in einer Sackgasse befindet. Ist Ersteres der Fall, dürfte die weitere Entwicklung um einiges leichter fallen. Denn Letzteres setzt zunächst eine intensive Auseinander- setzung mit den bestehenden Unzulänglichkeiten auf den Beziehungs- und Verhaltensebenen vor- aus, um darauf aufbauend entsprechende Korrekturmaßnahmen einzuleiten (siehe hierzu vertiefend den folgenden Abschnitt). Solche Maßnahmen sind natürlich nicht erforderlich, wenn die weiteren 321 Bemühungen zur Vertiefung der Kooperationsbeziehung auf der Grundlage einer erfolgreichen sta- tischen, operativen Zusammenarbeit aufsetzen. e - Geht man im Folgenden vom Vorliegen einer dynamischen Kooperation unter Konkurrenzbedin- gungen statt einer statischen aus, ergeben sich eine Reihe weiterer Entwicklungsmöglichkeiten, welche im Anschluss aufgezeigt werden. 5.2.2 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-operativen Kooperation Diesbezüglich ist zunächst von Bedeutung, inwieweit von einer bedingt dynamischen oder einer umfassend dynamischen Kooperation gesprochen werden kann. Handelt es sich um eine bedingt dynamisch ausgeprägte Kooperation, ist eine Parallele zu den Startbedingungen der statischen Kooperation unverkennbar. Hierbei geht es um die potenzielle Entwicklung in Richtung einer strategischen Kooperation. In diesem Zusammenhang ist in gleicher Weise davon auszugehen, dass eine bedingt dynamische Kooperation vor dem Hintergrund der xistierenden Zielvorstellungen, dem meist unzureichenden Zielerreichungsgrad und vor allem dem eingeschränkten Entwicklungsniveau nicht in der Lage ist, sich direkt in Richtung einer wirklichen strategischen Kooperation zu entwickeln. Dementsprechend kann der Entwicklungsfokus einer bedingt dynamischen Kooperation im Sinne einer Weiterentwicklung zunächst immer nur in Richtung einer umfassend dynamischen Kooperati- on gehen. Um dies zu bewerkstelligen, ist auf der einen Seite das Vorliegen entsprechender Potenziale bei den Input-/Outputverflechtungen erforderlich, was angesichts der vorhandenen Grundlagen und der un- geheuren Breite der technischen Anwendungsmöglichkeiten in der Regel nicht das Problem sein dürfte. Auf der anderen Seite muss eine eingehende Auseinandersetzung mit dem bisher erreichten Status in Bezug auf die einzelnen Beziehungsebenen (Koordinations-, Wissens- bzw. die dahinter liegenden Verhaltensbeziehungen) erreicht werden. Diese gilt es gezielt dahingehend zu hinterfragen, welche konkreten Umstände auf den einzelnen Ebenen es bis dato verhindert haben, das volle Dynamisierungspotenzial zur Entfaltung zu bringen. Parallel dazu ist auf eine saubere Abgrenzung des Kooperationsgebietes zu achten, um das Risiko im Zusammenhang mit der Übertragung und Genese von kritischem implizitem Wissen zu mini- mieren. Ein solches Vorgehen setzt natürlich voraus, dass die beteiligten Kooperationsunternehmen willens und in der Lage sind, den bestehenden unbefriedigenden Zustand im Sinne eines gemeinsamen Ganzen ändern zu wollen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Beteiligten noch nicht vollends in die "innere Emigration" begeben haben und demzufolge eigennützige, opportunistische Verhal- tensweisen an der Tagesordnung sind bzw. die Kooperation im Grunde nur noch auf dem Papier existiert. Ein erster wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass die Beteiligten in Erfahrung bringen, ob die ungenügende Beziehungsdynamik in erster Linie auf ein nicht vorhandenes prozessorientier- tes Vertrauen und dementsprechendes Misstrauen wegen weiterhin vor vorherrschenden Wettbe- werbssituation zurückzuführen ist, oder aber, ob eventuell vorhandene strukturelle, doktrinbedingte oder psychologische Informationspathologien zu der bestehenden unbefriedigenden Situation ge- führt haben (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3.4.4). In jedem Fall ist hier eine eingehende Auseinandersetzung mit den vorherrschenden Verhaltens mustern (Grad der Vertrauensbasis und des synegoistischen Verhaltens) sowie mit den Koordinati- ons- und Wissensbeziehungen empfehlenswert, wobei das oben angesprochene Bewertungsverfah- 322 ren hierfür einen gut geeigneten Ausgangspunkt bietet. Dabei gilt es, dass sich die Kooperations- partner mit Hilfe des Bewertungsverfahrens Klarheit über folgende Punkte verschaffen: Ɣ Art und Weise des Vollzuges der Entscheidungsprozesse Ɣ Umgang mit der wechselseitigen Problemdefinition und den Wahrnehmungsinterdependenzen Ɣ Austauschmechanismen bei der Genese und Übertragung von explizitem und implizitem Wis- sen Ɣ Initiierung gemeinsamer Lernprozesse Ɣ Einsatzspektrum der IuK-Technologien Auf dieser Grundlage haben die Unternehmen einen guten Überblick über die wesentlichen Schwachpunkte, um darauf aufbauend gezielt die logischen und psychologischen Prozesse derart zu verbessern, dass der Umschwung in Richtung einer umfassend dynamischen Kooperation gelingt. Kommen die Beteiligten im Rahmen der Untersuchungen allerdings zu der Erkenntnis, dass keine wirkliche Bereitschaft besteht, sich für eine Weiterentwicklung der bestehenden Kooperation einzu- setzen, bleiben letztlich nur zwei Möglichkeiten. Zum einen ist eine möglichst reibungslose Abwicklung der Kooperation vorstellbar, bei der sich die einzelnen Kooperationsunternehmen (idealerweise) in gegenseitigem Einvernehmen ohne größere Verluste aus der bestehenden Kooperation zurückziehen. Zum anderen liegt auch das bewusste Ein- gehen einer statischen Kooperation im Bereich des Möglichen, wobei man sich darauf verständigt, die Kooperation zwar nicht aufzugeben, in Zukunft aber eher formlos und fallweise miteinander zusammenarbeiten zu wollen. Wie oben dargelegt, kann dies im Informationszeitalter durchaus ein probates Mittel zur kurzfristigen Stabilisierung der Wettbewerbsposition sein (vgl. Kapitel 4.1.3 und 4.4.4). 5.2.2.1 Entwicklungsperspektiven einer umfassend dynamischen Kooperation: Der Übergang von operativen zu strategischen Fragestellungen Handelt es sich hingegen um das Vorliegen einer umfassend dynamischen Kooperation unter Kon- kurrenzbedingungen, sind die Entwicklungsperspektiven deutlich anders gelagert als bei den eben diskutierten Fällen. Diesbezüglich besteht die Möglichkeit, die Kooperation auf Basis der verfolgten operativen Ziel- vorstellungen weiter auszubauen, um auf diese Weise den bereits erreichten Entwicklungsstand zu konsolidieren sowie den erarbeiteten Stand der Koordinations- und Wissensbeziehungen zu vertie- fen. Parallel dazu kann dann ein entsprechender Ausbau der Leistungsbeziehungen erfolgen, indem beispielsweise interorganisationale E-Procurement-Projekte, die umfassende Vernetzung der ein- zelnen Supply-Chain-Ketten oder aber Just-in-time-Konzepte ausgebaut bzw. in Angriff genommen werden (vgl. Kapitel 2.2.3.3 und 2.3.2.2). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang immer, dass man sich seitens der Kooperationsteilnehmer grundsätzlich der eingeschränkten Diversität der Mög- lichkeiten innerhalb einer solchen Kooperationsform bewusst ist. Infolgedessen ist das Kooperati- onsfeld entsprechend abzugrenzen, damit die benannten Risiken im Zusammenhang mit der Über- tragung kritischer Kernkompetenzen zumindest minimiert werden (vgl. Kapitel 4.3.4). Des Weiteren ist auch denkbar, die rein operative Zielfindung zu verlassen und sich in Erweiterung der bestehenden Kooperationsbasis auf die gemeinsame Verfolgung strategischer Ziele zu verstän- digen. Für einen solchen Quantensprung in Sachen Entwicklung sind im Wesentlichen zwei Aspek- te zu berücksichtigen. 323 Erstens sollte unternehmensübergreifend Klarheit darüber bestehen, was es mit der Verfolgung stra- tegischer Ziele (Ermittlung und Verteidigung bzw. Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile) im Gegensatz zu operativen Zielen (möglichst langfristige Verbesserung der operationalen Effizienz) wirklich auf sich hat (siehe Kapitel 3.1.3 ff. und 4.5 ff.). Hierdurch wird der Gefahr vorgebeugt, dass man zwar den Willen zu einer strategischen Allianz bekundet, tatsächlich aber weiter die Ver- wirklichung operativer Ziele im Auge hat. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Langfristigkeit und Höhe des Engagements, was sich in einer hohen Plastizität und Faktorspezifität der Ressourcen und entsprechenden Investitionen niederschlägt, mit Sicherheit kontraproduktiv1088. Zweitens ist es wichtig, dass die an der Kooperation beteiligten Unternehmen nicht nur den Ein- druck haben, dass die jeweils anderen Unternehmen von den Fähigkeiten und Kenntnissen her auch wirklich in der Lage sind, den hohen Ansprüchen dieser Kooperationsform zu entsprechen, sondern dass dies auch entsprechend verifiziert ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein hoher Wissensstand über einen Kooperationspartner gerade dann vorteilhaft ist, wenn eine lang- fristige strategische Bindung gewünscht wird, und somit die Auswirkungen einer Fehleinschätzung bezüglich der Qualitäten und Fähigkeiten eines Partners bedrohliche Ausmaße annehmen kön- nen 1089. Diese Verifikation kann einmal auf der Basis der bereits gemachten (positiven) Erfahrungen inner- halb der bestehenden dynamischen operativen Kooperation gemacht werden. Dabei muss der zu- künftig veränderte Fokus in Richtung systemverträglicher Aufbau und Verteidigung von langfristi- gen Wettbewerbsvorteilen zusammen mit den analysierten Verhaltensanforderungen und den ent- sprechenden Konsequenzen bezüglich der Ausprägung der einzelnen Beziehungsebenen mit in das Kalkül einbezogen werden. Genau dies ermöglicht im Grunde die Anwendung des oben erwähnten Bewertungsverfahrens, da insbesondere der auf strategische Fragestellungen ausgerichtete Teil erste tiefere Einblicke in diesem Zusammenhang erlaubt (siehe hierzu nochmals Kapitel 5.1 f. sowie An- hang 2). Darüber hinaus ist es empfehlenswert, die erforderlichen Kriterien für eine strategische Kooperation anhand eines gesonderten (strategischen) Bewertungsverfahrens zu eruieren1090. So bietet es sich beispielsweise an, entlang der jeweiligen Wertkette mögliche strategische Partner anhand der Wertigkeit für das Unternehmen sowie anhand des Potenzials zur Bewältigung der stra- tegischen Aufgaben zu beurteilen. Bezüglich der Ermittlung der Wertigkeit ist die aus der Materialwirtschaft bekannte ABC-Analyse sehr hilfreich. Hierbei geht es darum, die Verteilung des wert- und mengenmäßigen prozentualen Anteils einzelner Güter am Gesamtgütervolumen zu ermitteln und mit Hilfe einer Lorenzkurve dar- zustellen1091. Übertragen auf die Bewertung und Auswahl möglicher strategischer Kooperationspartner entlang der Wertkette heißt dies, dass einerseits auf der Kundenseite diejenigen Unternehmen bzw. Kunden mit den höchsten Umsätzen und/oder Gewinnmargen herausgefiltert werden sowie andererseits die- jenigen Unternehmen entlang der Wertkette, deren Input einen wesentlichen Beitrag für den eige- nen Unternehmenserfolg leistet. Auf der Basis dieser Segmentierung ist dann zu ermitteln, inwie- weit gemeinsam mit diesen Unternehmen/Kunden das Angehen strategischer Problemlösungen sinnvoll ist. Hierzu bietet sich wiederum die Durchführung einer Projektstudie an, welche auf der Grundlage einer durchzuführenden Investitions- bzw. Projektrechnung die quantitativen (Kosten/ Nutzen), aber auch qualitativen Aspekte (Einschätzung des Lern- und Innovationspotenzials) der möglichen Erweiterung in Richtung einer strategischen Kooperation näher untersucht1092. 1088 vgl. hierzu die Aussagen in Kapitel 4.7.3 1089 vgl. Kaufmann (1993), S. 140 1090 vgl. zum Prozess der Bewertung auch Eccles/Nohria (1992), S. 149 1091 vgl. Berg (1990), S. 43 1092 vgl. Börsig/Baumgarten (1997), S. 481 ff. 324 Zusätzlich macht zur Validierung der Ergebnisse das Durchführen von Benchmark-Studien und die Analyse von Best-practise-Fallstudien Sinn1093. Darüber hinaus kann auch die Analyse der Leistungen des eigenen Unternehmens im Vergleich zu seinen Wettbewerbern und deren Spiegelung an den Marktanforderungen in Form einer Zusam- menhangsmatrix Aufschluss darüber geben, wo ein konkreter Handlungsbedarf besteht, welcher un- ter Umständen mit einem strategischen Partner zu decken ist. Dieser Zusammenhang wird durch folgende Abbildung verdeutlicht1094: Abb. 54: Bestimmung des Handlungsbedarfs zur Verbesserung der Marktzielorientierung Letztlich dient der gesamte Bewertungsprozess dazu, den Kreis der potenziellen strategischen Ko- operationspartner überschaubar und damit handhabbar zu halten. Denn mit einer steigenden Anzahl strategischer Kooperationen ist zugleich immer das Risiko verknüpft, sich nicht mehr in der erfor- derlichen Tiefe um die entsprechenden Kooperationen kümmern zu können (vgl. Kapitel 4.9.4). Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt (Zielkonformität und positives Ergebnis im Rahmen des Bewertungsprozesses), steht einer Höher- bzw. Weiterentwicklung der bestehenden dynamischen Kooperation in Richtung einer strategischen Partnerschaft grundsätzlich nichts im Wege. Entscheidend ist jetzt, dass die bestehende Kooperationsbasis kontinuierlich und systematisch in Richtung der definierten Anforderungen für eine dynamische strategische Kooperation entwickelt wird. Dabei empfiehlt es sich ähnlich wie beim Übergang zwischen einer statischen zu einer dyna- mischen operativen Kooperation auch in diesem Fall, dass die Umsetzung auf Basis der umfassend dynamischen Ausprägung erfolgt. Die Vorzeichen hierfür sind durch die gemachten vergangenen positiven Erfahrungen im Rahmen der umfassend dynamischen operativen Kooperation sicherlich als sehr gut zu bezeichnen. Diese Dynamik gilt es jetzt in gleicher Weise für die strategischen Auf- gaben zu nutzen, wobei die gesamte Kooperation entsprechend der oben analysierten Erfordernisse auf der Grundlage einer weiteren Stärkung der synegoistischen und prozessorientierten Vertrauens- basis auszubauen ist. Bestandteil dessen ist des Weiteren die Umsetzung eines systemisch-vernetz- 1093 vgl. Butteriss (1998), S. 177 1094 entnommen aus Fleig (1999), S. 181 325 ten Denkansatzes, die Vertiefung der Sprach-, Interpretations- und Erklärungsschemata, die Er- schließung neuer Kontexte, die Etablierung entsprechender Wissens- und Leistungsbeziehungen sowie eine klare Abgrenzung des Kooperationsfeldes gegenüber dem Wettbewerbsfeld (vgl. Kapitel 4.8 ff.). Kann dies nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt werden, passiert im günstigsten Fall das, was in den obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der Ausprägung einer bedingt dynamischen stra- tegischen Kooperation gesagt worden ist (siehe Kapitel 4.8.5 f.). Dies muss zwar nicht unbedingt automatisch einen Rückschritt bezüglich des bereits erreichten Kooperationsniveaus darstellen. Al- lerdings besteht die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass der gesamte dynamische Prozess ins Sto- cken gerät, wobei auch der Rückgriff auf zunehmend opportunistische Verhaltensweisen nicht ganz auszuschließen ist, zumindest dann, wenn es nicht gelingt, die Situation der unzureichenden Zieler- reichung mit der daran anschließenden Unzufriedenheit der Beteiligten nachhaltig zu verbessern. Ist dies nicht möglich oder werden noch nicht einmal eingeschränkt dynamische strategische Poten- ziale erschlossen, kann es im ungünstigsten Fall aber auch zu einer statischen strategischen Koope- ration kommen, was mit Sicherheit eine dramatische Verschlechterung des bisher erreichten Ent- wicklungsniveaus nach sich ziehen würde. Dies sollte zur Wahrung der bereits erzielten operativen Erfolge unbedingt vermieden werden. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass bei dieser Kooperationsausprägung sowohl der Zielerreichungsgrad als auch das Entwicklungsniveau bei weitem hinter den hohen Ansprüchen an eine solche Kooperation sowie, eng damit verbunden, den Erwartungen der Kooperationsteilnehmer zurückgeblieben ist. Auf Grund dieser eher ernüchternden Erfahrungen, einhergehend mit den nega- tiven Begleiterscheinungen auf den einzelnen Beziehungsebenen, erscheint es daher mehr als sinn- voll, sich nochmals intensiv mit den (strategischen) Zielen der Beteiligten sowie der generellen Eignung der Partner für die Zielerreichung auseinanderzusetzen (vgl. obige Aussagen bezüglich der Verifikation eines strategischen Partners). Das hieraus hervorgehende Ergebnis beeinflusst im Wesentlichen die entsprechenden Entwick- lungsmöglichkeiten. Nach diesen Erläuterungen über die Entwicklungsmöglichkeiten auf der Grundlage einer existie- renden operativen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen geht es im Folgenden um die gleiche Analyse, diesmal jedoch bezogen auf eine vorliegende strategische Kooperation. 5.2.3 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-strategischen Kooperation Ist davon auszugehen, dass es sich um eine statisch-strategische Kooperation handelt, sind bei die- ser zunächst die Zielkonformität sowie die Fähigkeiten und Kenntnisse der Partner einer gesonder- ten Betrachtung zu unterziehen. Sollte hierbei beispielsweise herauskommen, dass letztlich viel eher eine operative Zielsetzung in Betracht kommt und die ursprüngliche strategische Zielsetzung eher als Worthülse, denn als ernst- haftes Vorhaben zu verstehen ist, bietet sich durchaus die Etablierung einer operativ ausgerichteten Kooperation an. Vor dem Hintergrund des bis dato erreichten Entwicklungsstandes ist dies durch- aus als Fortschritt und keineswegs als Rückschritt zu werten. Wichtig ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass sich die Beteiligten über die Tiefe der ange- strebten Zusammenarbeit im Klaren sind. Das heißt, ob sie eher eine statische oder dynamische Form der operativen Kooperation bevorzugen, welche beide auf Basis der analysierten Randbedin- gungen ihre Existenzberechtigung haben. Bei der dynamischen Variante ist allerdings besonders darauf zu achten, zu einer möglichst umfassenden dynamischen Zusammenarbeit zu kommen, da 326 anderenfalls dieselben negativen Erfahrungen wie in der Vergangenheit drohen, diesmal jedoch auf operativer statt strategischer Ebene (siehe Kapitel 4.3.4.1 f. sowie die vorstehenden Ausführungen). Kommt bei dem Zielfindungs- und Bewertungsverfahren hingegen heraus, dass trotz der bisherigen unbefriedigenden Erfahrungen an der strategischen Zielerreichung festzuhalten ist und auch die der- zeitigen Kooperationsteilnehmer als hierfür geeignet anzusehen sind, bleibt als Entwicklungsvarian- te letztlich nur, konsequent den Weg in Richtung einer umfassenden dynamischen strategischen Ko- operation einzuschlagen. Diese zusätzlichen Investitionen lassen sich daher nur rechtfertigen, wenn intensiv angestrebt wird, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und konsequent auf eine wirklich dynamische Koope- ration zu setzen (zu den Voraussetzungen einer strategischen dynamischen Kooperation siehe Kapi- tel 4.8). Denn nur diese dynamische Kooperationsform stellt die gewünschte Zielerreichung und einen entsprechenden "return on investment" sicher und beugt gleichzeitig der Gefahr unzureichen- der Ergebnisse mit den damit verbundenen Konsequenzen vor (siehe Kapitel 4.8.5 f.). Schließlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass das Ergebnis der Analyse der Ausgangssituati- on auch zu Tage fördern kann, dass weder eine operative noch eine strategische Kooperation Sinn machen. Dieses hat unweigerlich das Ende der Kooperation zur Folge, womit die möglichst rei- bungslose Abwicklung der Kooperation in den Mittelpunkt rückt. Diesbezüglich ist im Besonderen zu berücksichtigen, dass bei der existierenden statischen strategi- schen Kooperation in der Regel bereits in beträchtlichem Ausmaß transaktionsspezifische Investiti- onen angefallen sind. Diese werden bisher allerdings mangels einer dynamischen Entwicklung auf den einzelnen Beziehungsebenen nicht durch entsprechende strategische Zielerreichungen kompen- siert. Gelangen die Kooperationsteilnehmer jetzt zu der Erkenntnis, dass die Fortsetzung unter strategi- schen Vorzeichen Sinn macht, fallen zunächst natürlich weiter in hohem Maße Transaktionskosten an. Dabei ist auf Grund der vergangenen Entwicklung zumindest kurzfristig nicht davon auszuge- hen, dass diese durch spezifische vertrauensbildende Mechanismen nennenswert zurückgefahren werden können (vgl. Kapitel 4.6 ff.). Bezüglich der Vorgehensweise zur Dynamisierung der Kooperationsbeziehung bietet sich erneut eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Status quo an, z.B. basierend auf den Aus- wertungen des obigen Bewertungsverfahrens. Auf dieser Basis sind dann solche Maßnahmen zu ergreifen, die eine entsprechende Vertiefung der Vertrauensbasis und die Initiierung einer anschlie- ßenden positiven Entwicklung innerhalb der einzelnen Beziehungsebenen nach sich ziehen (vgl. nochmals die Aussagen in Kapitel 5.2.2). Darüber hinaus ist es wegen der nach wie vor existenten Konkurrenzbeziehung parallel zum Aufbau einer dynamischen Beziehung von großer Bedeutung, auf eine entsprechende Abgrenzung des Ko- operationsfeldes zu achten, um von vornherein das Risiko des Gefühls einer möglichen Übervortei- lung durch eine zu weit gehende Wissensübertragung zu minimieren. 5.2.4 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-strategischen Kooperation Betrachtet man im Weiteren die bedingt dynamische strategische Kooperationsvariante, so stellt sich hier die Frage der Zielkonformität bzw. einer eingehenden (gesonderten strategischen) Bewer- tung der beteiligten Kooperationsunternehmen in einer deutlich abgeschwächten Form. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es bezüglich der Entwicklung der einzelnen Be- ziehungsebenen und der damit verbundenen Zielerreichung durchaus zu Fortschritten gekommen ist, wenn auch von einer wirklich systemverträglichen Zielerreichung nicht gesprochen werden kann. Diese zumindest eingeschränkte Zielfindung ist jedoch ein Indiz dafür, dass die Kooperation 327 in ihrem Ansatz nicht grundsätzlich falsch liegt und infolgedessen eine intensive Auseinanderset- zung bezüglich Zielkonformität sowie Bewertung der Partner nicht in gleicher Weise erforderlich ist wie bei der statischen Kooperationsvariante. Somit fällt auch eine bewusste Entwicklung in Richtung einer operativen Kooperation, zumindest vor dem Hintergrund einer nicht funktionierenden strategischen Kooperation, aus dem Kalkül. Vielmehr gilt es, die gemeinsamen Anstrengungen dahingehend zu lenken, den bis dato erreichten Status einer bedingt dynamischen Kooperation zu verlassen und sich darauf zu konzentrieren, jene Entwicklungspathologien zu identifizieren und zu beseitigen, welche bisher eine weiter- bzw. tiefer gehende Entwicklung zur Sicherstellung einer systemverträglichen strategischen Zielfindung ver- hindert haben. An dieser Stelle bietet sich die gleiche Vorgehensweise an, wie sie bereits im Rahmen der Analyse der Entwicklungsmöglichkeiten einer bedingt dynamischen operativen Kooperation zur Sprache kam. Das heißt, es ist zunächst wichtig, dass sich die beteiligten Kooperationsunternehmen auf Ba- sis der Ergebnisse des eingangs analysierten Bewertungsverfahrens Klarheit darüber verschaffen, ob die stockende Entwicklung auf die Konkurrenzsituation, bestimmte Informationspathologien (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3.4.4) oder schlichtweg auf die Unkenntnis der Beteiligten hinsichtlich der Dynamisierungspotenziale innerhalb der einzelnen Beziehungsebenen zurückzuführen ist. Anschließend sind die Verhaltensmuster sowie die darauf aufbauenden Koordinations- und Wis- sensbeziehungen einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Diese sollten dann idealerweise in einen entsprechenden Erkenntniszuwachs münden, der wiederum die Basis einer Richtungsände- rung zur Implementierung der gewünschten dynamischen Kooperation bildet. Gelingt dies nicht oder nur eingeschränkt, ist die weitere Entwicklung davon abhängig, inwieweit die zu Tage geförderten Ergebnisse im Sinne der Kooperationspartner sind und einen signifikanten strategischen Beitrag zum Überleben der beteiligten Unternehmen leisten. Ist dies der Fall, steht zu- mindest mittelfristig die Kooperation nicht in Frage. Wenn nicht, droht durchaus ein Abgleiten in Richtung einer eher statisch ausgerichteten Kooperation mit allen damit verbundenen negativen Konsequenzen (vgl. Kapitel 4.6 ff.). Schließlich ist bezüglich der Kooperationsvarianten unter Konkurrenzeinfluss noch jene zu er- wähnen, bei der bereits in ausgeprägter Form eine dynamische Entwicklung auf allen Kooperati- onsebenen stattgefunden hat. Da dies die höchstmögliche Kooperationsstufe ist und davon ausge- gangen wird, dass sich an der Konkurrenzsituation grundsätzlich nichts ändert, liegt die entschei- dende Herausforderung darin, die bestehende Basis für eine systemverträgliche Kooperationsent- wicklung beständig und nachhaltig zu vertiefen bzw. auszubauen. Dies kann sich einerseits auf die synegoistischen Verhaltensmerkmale und die Fähigkeit des vernetzten Denkens beziehen. Es kann aber auch eine kontinuierliche Höherentwicklung der Koordinations- und Wissensbeziehungen, ver- bunden mit der Nutzung entsprechender Innovations- und Kreativitätspotenziale, sowie eine konse- quente und reibungslose Umsetzung bei den Leistungsprozessen angestrebt werden. Entscheidend ist dabei wiederum, dass es der Kooperation parallel in gleicher Weise dauerhaft gelingt, dass Ko- operationsfeld dahingehend abzugrenzen, dass jeder Kooperationsteilnehmer mit der sich entwick- elnden dynamischen Kooperation leben kann und keinerlei Befürchtungen aufkommen, dass die positiven Ergebnisse durch einen sich verschärfenden Wettbewerb innerhalb der parallel existieren- den Konkurrenzbeziehung konterkariert werden. 328 5.3 Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich von Kooperationsbeziehungen ohne existierende Konkurrenzbedingungen Zum Ende dieses Kapitels ist noch ein Blick auf die Entwicklungsmöglichkeiten von Kooperatio- nen zu werfen, deren Teilnehmer bisher entweder keinerlei geschäftliche Beziehungen pflegten oder aber welche sich in erster Linie durch Tauschbeziehungen im Rahmen eines normalen Kunden-/Lie- ferantenverhältnisses auszeichnen (vgl. Kapitel 3.2.2.2). Hierbei ist jetzt, im Gegensatz zu den Kooperationen auf der Basis eines Konkurrenzverhältnisses, gesondert zu berücksichtigen, dass zumindest potenziell jederzeit die Möglichkeit besteht, dass die Kooperationspartner, je nach individueller Entwicklung der Beteiligten, plötzlich auch in Konkur- renz zueinander stehen. Dies kann bisweilen einen durchaus nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Kooperation ausüben, wie die folgenden Abschnitte zeigen werden. In diesem Zusammenhang kommt der Ausgangssituation eine wichtige Bedeutung zu. Das heißt, es macht einen großen Unterschied, ob die derzeitige Situation gewollt oder Ergebnis einer negativen Entwicklung ist. Erstere ist wiederum als unkritisch anzusehen, weil die Beteiligten auf mehr oder weniger positiven Erfahrungen im Rahmen einer fallweisen Zusammenarbeit aufbauen können, wohingegen Letztere grundsätzlich mit einem negativen Beigeschmack belegt ist. 5.3.1 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch-operativen Kooperation Für die statisch-operative Kooperationsausprägung trifft hinsichtlich einer zumindest theoretischen Entwicklungsmöglichkeit in Richtung einer strategischen Kooperation dieselbe Einschränkung zu wie bei der oben aufgeführten kompetitiven Kooperationsvariante. Auf Grund der klaren operativen Zielfokussierung sowie dem damit verbundenen Entwicklungsstand der gesamten Kooperationsbe- ziehung ist es unmöglich, auf direktem Weg eine Kooperationsentwicklung von einer statischen operativen Kooperationsform hin zu einer wie auch immer gearteten strategischen Ausprägung zu bewältigen. Somit "beschränkt" sich eine sinnvolle Entwicklungsorientierung mehr oder weniger ausschließlich auf eine Veränderung bezüglich der Etablierung einer dynamisch-operativen Koope- ration. Ein solcher Übergang setzt wiederum eine Übereinstimmung der gegenseitigen Zieldefinition in Richtung einer dauerhaften Verbesserung der operationalen Effizienz sowie die Bereitschaft zu ei- ner deutlich engeren Zusammenarbeit auf den einzelnen Beziehungsebenen voraus. Ist dies der Fall, ist eine eindeutige Fokussierung hinsichtlich der Realisierung einer umfassend dy- namischen Kooperation zu legen, einmal, um die dahinter liegenden operativen und dynamischen Entwicklungspotenziale wirklich auszuschöpfen sowie um die zu tätigenden deutlich höheren trans- aktionsspezifischen Investitionen auch wirklich zu amortisieren. Dies trägt im Übrigen auch ent- scheidend zu einer dauerhaften Stabilisierung und Vertiefung des Kooperationsklimas bei und beugt somit etwaigem Unmut wegen unbefriedigender Kooperationsergebnisse vor (siehe Kapitel 4.4.3 f.). Die Umsetzung der gewünschten Dynamik erfordert natürlich erneut eine Vertiefung der einzelnen Beziehungsebenen in der oben dargestellten Form (siehe Kapitel 4.4 ff., 5.2.1). In dieser Situation bleibt zu hoffen, dass die Bemühungen um eine dynamischere Kooperationsent- wicklung nicht zu sehr von den statischen Ausgangsbedingungen und den damit verbundenen nega- tiven Erfahrungen überlagert werden. Dabei kommt den Kooperationspartnern in diesem Fall zu Gute, dass das existierende Verhältnis nicht zusätzlich durch eine Konkurrenzbeziehung belastet wird. Aus diesem Grund können sich die Beteiligten in der Regel nüchterner mit dem momentanen 329 Zustand auseinandersetzen bzw. ihre Kräfte ausschließlich auf die anstehenden Aufgaben im Rah- men der Revitalisierung der Kooperation konzentrieren. In diesem Zusammenhang ist als weiterer wichtiger Unterschied im Vergleich zur statischen Ko- operation unter Konkurrenzbedingungen anzusehen, dass die beteiligten Unternehmen weit weniger auf eine klare Abgrenzung des Kooperationsfeldes achten müssen. Denn es besteht in diesem Fall weit weniger das Risiko, dass eine zu starke Ausweitung oder Intensivierung der Kooperation, zu sammen mit den entsprechenden impliziten Wissenstransfers, in einer einseitigen Übervorteilung endet (vgl. Kapitel 4.3.4 ff. und 5.2.1). - Einmal sind die Kräfte darauf zu konzentrieren, dass die der Kooperation inhärenten Statik über- wunden wird. Parallel dazu sind die möglichen Folgewirkungen hinsichtlich der neu aufgekom- menden Konkurrenzsituation abzuschätzen. Hierbei geht es im Besonderen darum, dass sich die Kooperationspartner über die fortan existierende Abgrenzungsproblematik sowie die eingeschränkte Diversität der Möglichkeiten im Klaren sind (siehe Kapitel 3.2.2.1 f. und 4.3.4 f.). Somit erhöht sich wegen der neuen Konkurrenzsituation die für alle Beteiligten zu berücksichtigenden Variablen in beträchtlichem Umfang, so dass ohne Zweifel von einer signifikanten Mehrbelastung im Vergleich zu der vorherigen Situation gesprochen werden kann. - So gesehen ist durch die umfassende Diversität der Möglichkeiten, verbunden mit der potenziellen Erreichung einer Win-Win-Situation auf allen Ebenen und der nicht vorhandenen Gefahr, dass Übertragenes Wissen nicht nur die anderen Kooperationsteilnehmer schlauer macht, sondern gleich- zeitig auch im direkten Wettbewerb gegeneinander eingesetzt werden kann, mit Sicherheit von ei- ner deutlich besseren Ausgangsposition auszugehen, als bei der obigen Kooperationsvariante unter Konkurrenzbedingungen. Letzteres verhält sich bisweilen deutlich anders, wenn sich parallel zur Entwicklung einer dyna- misch-operativen Kooperation zusätzlich auf einem anderen Gebiet eine Konkurrenzsituation (z.B. durch die vertikale Ausdehnung eines Kooperationsteilnehmers durch Zukauf) ergeben sollte. Dies muss nicht in jedem Fall automatisch eine Verschlechterung der gesamten dynamischen Ko- operationsentwicklung nach sich ziehen. Es muss jedoch verstärkt darauf geachtet werden, inwie- weit die zumindest teilweise veränderten Verhältnisse der Zusammenarbeit einen negativen Ein- fluss auf die Entwicklung der Koordinations- und Wissensbeziehungen ausüben. Diesbezüglich sind im Wesentlichen zwei Herausforderungen zu bewältigen. In diesem Zusammenhang darf keinesfalls unterschätzt werden, dass es insbesondere dann, wenn parallel eine umfassende Dynamisierung der Kooperationsbeziehung geplant ist, zu ernsten Schwie- rigkeiten kommen kann. Dies ist damit zu begründen, dass auf der einen Seite eine umfassende Ver- tiefung der einzelnen Beziehungsebenen (in der Regel verbunden mit nicht unbeträchtlichen Inves titionen) angestrebt wird, auf der anderen Seite ein Kooperationspartner sein Heil aber im Aufbau einer zusätzlichen Konkurrenzsituation sieht. Hieraus könnte im Extremfall, je nach Tragweite, ein schwerwiegender Vertrauensbruch abgeleitet werden, der, wenn er sich nicht vermeiden lässt, für die Weiterentwicklung der Kooperation unter Umständen alles andere als förderlich ist. An dieser Stelle bekommt die oben angesprochene statische Ausgangssituation eine ganz neue Di- mension. Das bedeutet, je negativer die Begleitumstände sind, die zu dem jetzigen Zustand geführt haben, desto eher ist mit größeren Schwierigkeiten zu rechnen, wenn die Beteiligten neben der Revitalisie- rung der Kooperation zusätzlich noch eine neu auftretende Konkurrenzsituation zu bewältigen ha- ben. Im Umkehrschluss heißt dies, dass die Beteiligten den neuen Zustand deutlich besser handhaben können, wenn die statische Kooperationsausprägung das Ergebnis einer gewollten Entwicklung ist, wobei jene Zusammenhänge zu beachten sind, die oben in Zusammenhang mit der Entwicklung ei- ner statisch operativen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen gesagt worden sind (vgl. Kapitel 5.2.1). 330 Wiederum eine andere Situation ergibt sich, wenn die Kooperationspartner mit dem bisherigen Zu- stand zufrieden sind und dementsprechend keine Dynamisierung der Kooperationsbeziehung an- streben. Sollte es vor diesem Hintergrund zum Aufkommen einer parallelen Konkurrenzsituation kommen, ist dies nicht von großer Relevanz, da weder in größerem Umfang Investitionen getätigt werden noch es zu einem Austausch von kritischen Wissensbestandteilen kommt (vgl. Kapitel 4.1.3). In diesem Fall können die Beteiligten weiter ihren statisch geprägten Kooperationsaktivitä- ten nachgehen, ohne dass die Konkurrenzsituation einen größeren Einfluss auf diese ausübt. 5.3.2 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-operativen Kooperation Geht man im Folgenden vom Vorliegen einer dynamischen Kooperationsbeziehung aus, ist auch hier zunächst nach dem Grad der tatsächlich verwirklichten Dynamik zu fragen. Sollte dem nicht so sein und die Beteiligten keine Bereitschaft an den Tag legen, obige Dynamisie- rung zu verwirklichen, besteht einerseits die Möglichkeit, die Kooperation auf dem jetzigen Stand weiter zu führen. Dies ist allerdings auf Dauer nur zu bewerkstelligen, wenn sich die Teilnehmer mit den suboptimalen Ergebnissen zufrieden geben und sich keine erkennbare Schieflage hinsicht- lich des Kosten-/Nutzenverhältnisses ergibt. Auf der anderen Seite könnte auch der Rückgriff auf eine statische operative Kooperation eine Lösungsalternative darstellen, falls dies in entsprechender Form von allen Beteiligten gewollt wird. Kommen die Beteiligten zu dem Schluss, dass bisher allenfalls von einer bedingt dynamischen Ko- operation im oben analysierten Sinn gesprochen werden kann (vgl. Kapitel 4.4 ff. und 5.1 f.), lassen auch hier das erreichte Kooperationsniveau und die verfolgten Ziele wenig Spielraum hinsichtlich einer direkten Entwicklung in Richtung einer strategischen Kooperation. Somit kann es zumindest kurzfristig in erster Linie nur darum gehen, die in der Kooperation schlummernden Dynamisie- rungspotenziale zu wecken und auf dieser Basis zu einer umfassend dynamischen Kooperation zu gelangen. Die zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass alle beteiligten Kooperationsunternehmen der Meinung sind, dass diese Potenziale auf den einzelnen Beziehungsebenen hinsichtlich der dauerhaften Ver- besserung der operationalen Effizienz auch wirklich vorhanden sind. Hierbei geht es vor allem um die Bereitschaft der einzelnen Unternehmen, sich wirklich intensiv mit den bisherigen Unzuläng- lichkeiten auseinandersetzen zu wollen. Das heißt, es sind die bisherigen „blinden Flecken“, seien sie logischer oder psychologischer Art, mittels gemeinsamer synreferentieller Kopplungsprozesse einer vertieften Analyse zu unterziehen. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass sich die hier diskutierte Kooperationsva- riante durch zwei Begleitumstände auszeichnet, die, im Vergleich zur kompetitiven Variante, zu einer deutlichen Beschleunigung des gesamten Dynamisierungsprozesses beitragen können. Zum einen ist dies eine in der Regel unbelastetere Vergangenheit, weswegen eine bedingt dynamische Kooperation häufig eher Ausdruck einer indifferenten oder auf Unkenntnis beruhenden Haltung ist, denn Folge eines tief sitzenden durch die Konkurrenzsituation geprägten Misstrauens. Zum anderen ermöglicht die umfassende Diversität der Möglichkeiten erneut, dass die dynamischen Elemente je nach Bedarf und Erkenntnisstand auf nahezu jedem Gebiet voll zur Entfaltung gebracht werden können, ohne dass permanent darüber reflektiert werden muss, ob und wenn ja, inwieweit die ge- fundenen Erkenntnisse auch Auswirkungen auf das bestehende Konkurrenzverhältnis haben. Aus diesen Gründen ist es einer bedingt dynamischen Kooperation ohne bestehendes Konkurrenz- verhältnis im Zweifel nicht nur schneller, sondern auch effektiver und effizienter möglich, den Ü- bergang zu einer umfassend dynamischen Kooperation zu bewältigen. 331 Entsteht parallel zu der gewünschten Weiterentwicklung der bedingt dynamischen Kooperation ein Konkurrenzverhältnis, treffen im Grunde dieselben Aussagen zu, wie oben im Zusammenhang mit der statischen Kooperationsausprägung getätigt. Das heißt, je unbefriedigender die Ausgangsbedingungen innerhalb der bedingt dynamischen Ko- operation sind, desto schwieriger wird es, die Weiterentwicklung der Kooperation mit dem parallel auftretenden Wettbewerbsverhältnis in Einklang zu bringen. Hierbei geht es nicht nur darum, he- rauszufinden, inwieweit die sich entwickelnde Kooperation, sei es durch mögliche Überschneidun- gen bei den Handlungsfeldern, sei es durch andere entgegengerichtete Interessen, beeinträchtigt wird. Vielmehr trägt das ohnehin schon erodierte Vertrauensverhältnis ein Übriges dazu bei, dass die Kooperationspartner nicht um jeden Preis ein neues Wettbewerbsverhältnis akzeptieren, was die Bemühungen um eine dynamischere Kooperationsentwicklung konterkariert. Einigen sich die Partner hingegen, aufgrund einer bisherigen negativen Entwicklung, zukünftig zu einer eher statisch ausgerichteten Zusammenarbeit überzugehen, ist die Etablierung eines parallelen Konkurrenzverhältnisses in letzter Konsequenz als nicht besonders schwerwiegend zu betrachten. Dies liegt daran, dass durch die recht oberflächliche Kooperationsbeziehung nicht so viel auf dem Spiel steht bzw. in diesem Zusammenhang nicht in gleicher Weise von einem umfassenden Ver- trauensbruch gesprochen werden kann. 5.3.2.1 Bestehende Entwicklungsrichtungen innerhalb einer umfassend dynamischen Ko- operation Der andere Bereich zielt auf eine Höherentwicklung in Richtung der Etablierung einer strategischen Kooperation ab. Liegt bereits eine umfassend dynamische Kooperation vor, so kann die Stoßrichtung bezüglich ei- ner Weiterentwicklung sich im Wesentlichen auf zwei Bereiche konzentrieren. Der eine Bereich bezieht sich auf die kontinuierliche Weiterentwicklung des Bestehenden, wobei es sukzessive zu einem Ausbau bzw. einer Vertiefung der einzelnen interorganisationalen Beziehungs- ebenen kommt. Die Folge einer solchen Entwicklung kann mittelfristig sogar sein, dass das ur- sprüngliche Ziel einer dauerhaften Verbesserung der operationalen Effizienz darin mündet, dass das generierte Erfahrungs- und Handlungswissen entscheidend dazu beiträgt, zumindest mittelfristig einen nicht zu unterschätzenden langfristigen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Dieser besteht darin, dass die Beteiligten es schaffen, vor dem Hintergrund der intensiven Einfluss- und Wissensbeziehungen, eine zumindest kurzfristig schwer zu kopierende operationale Effizienz zu verwirklichen. Diese kommt unter weit gehender Ausnutzung der bestehenden technologischen Möglichkeiten durch hoch leistungsfähige interorganisationale Input-/Outputverflechtungen (in Form optimierter zwischenbetrieblicher Supply-Chain-Ketten, durch den Aufbau umfassender E- Procurement-Lö-sungen, der Etablierung leistungsfähiger E-Commerce-Marktplätze etc.) zum Ausdruck (siehe Kapitel 2.2.4 ff.). Hierbei kommt der Kooperation in umfassender Art und Weise die unbegrenzte Diversität der Mög- lichkeiten und die entsprechende (potenzielle) Umsetzung einer umfassenden Win-Win-Situation auf allen Ebenen zu Gute. Denn diese versetzt die Kooperation in die Lage, systematisch allen sich bietenden Möglichkeiten zur Stabilisierung und Verbesserung der Wettbewerbsposition nachgehen zu können. Dadurch erhöht sich wiederum die Chance, dass es auch durch nachhaltige Verbesse- rungen im operativen Bereich gelingt, langfristig ausgerichtete Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Dies ist zwar auch unter Konkurrenzbedingungen nicht völlig auszuschließen, jedoch weit weniger wahrscheinlich. 332 Für ein wirkungsvolles und effizientes Herangehen an diesen qualitativen Entwicklungssprung ist es wiederum ratsam, eine genaue interorganisationale Zielvorstellung darüber zu entwickeln, was es mit einer systemverträglichen und strategischen Entwicklung von langfristigen Wettbewerbsvortei- len wirklich auf sich hat und welche Konsequenzen dies für den Einzelnen aber auch das Zusam- menspiel der Kooperationspartner nach sich zieht. Parallel dazu bietet sich der Vollzug des oben entwickelten Bewertungsverfahrens erneut als fun- dierte Grundlage an (siehe Kapitel 5.1), wobei insbesondere der strategisch ausgerichtete (Fragebo- gen-) Teil einige wertvolle Informationen im Hinblick auf die Erfolgsträchtigkeit einer solchen Ko- operation liefert. Dabei dürfen sich die Kooperationsunternehmen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise keines- wegs von den vergangenen Erfolgen täuschen lassen. Denn einmal unterscheiden sich gerade opera- tive Ziele beträchtlich von strategischen, wie die vergangenen Analysen gezeigt haben. Des Weite- ren sind ein anderes Know-how sowie zusätzliche transaktionsspezifische Investitionen erforder- lich, und parallel dazu ist die zumindest potenzielle Möglichkeit ins Kalkül zu ziehen, dass auch eventuelle Konkurrenzbeziehungen zukünftig nicht völlig auszuschließen sind (vgl. Kapitel 5.2.2.1). Aus diesen Gründen macht auch die intensive Auseinandersetzung mit den Fähigkeiten und Kennt- nissen, aber auch möglichen Zielen der Partner Sinn (vgl. Kapitel 5.2.2.1). Zumal nie aus den Au- gen verloren werden darf, dass im Falle eines Scheiterns oder einer unzureichenden Zielerreichung nicht nur die in diesem Zusammenhang getätigten Mühen und Investitionen umsonst waren, son- dern bisweilen auch die bisher erzielten Erfolge im operativen Bereich gefährdet sind. So gesehen dient der gesamte Bewertungsprozess dazu, so gut es geht die Chancen der erfolgrei- chen Durchführung einer strategischen Kooperation zu beurteilen sowie das Risiko zu minimieren, mit zu vielen strategischen Partnern zu wenig zu erreichen. Im Gegenteil, es gilt die Chance zu er- höhen, mit möglichst wenig strategischen Partnern ein Maximum zu erreichen (vgl. Kapitel 4.9.4). Um Letzteres sicherzustellen, ist neben einer umfassenden Zielkonformität und positivem Bewer- tungsverfahren vor allem die Realisierung einer dynamischen strategischen Partnerschaft anzustre- ben, wobei die Ausgangsbedingungen durch die guten Erfahrungen im Rahmen der Zusammenar- beit im operativen Bereich im Grunde kaum besser sein können. Denn die dort an den Tag gelegte Dynamik ist jetzt auch unter veränderten Vorzeichen für die Realisierung der strategischen Ziele von Nutzen. Durch die nicht vorhandene Konkurrenzsituation besteht dabei erneut der Vorteil, dass deutlich weniger Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten in Sachen Wissenstransfer zu Kooperationspart- nern genommen werden muss. Infolgedessen können sich im Idealfall nicht nur die in den einzelnen Beziehungsebenen liegenden dynamischen Elemente leichter entfalten, sondern auch der gesamte Transformationsprozess geht bisweilen deutlich schneller und effizienter vonstatten als unter Kon- kurrenzbedingungen (was z.B. die schnelle Erschließung neuer Wissensgebiete und Handlungsfel- der zur Folge hat). An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die einzelnen Kooperationsunternehmen unterschiedlichen Branchen mit verschiedenen Kundenzielgruppen angehören und somit in der Re- gel ein anderes Marktsegment bedienen bzw. ihr Wissen zur Befriedigung unterschiedlicher Kun- denbedürfnisse und -gruppen einsetzen (vgl. nochmals Unterschiede zwischen Konkurrenten und Komplementatoren, Kapitel 3.2.2.1). Sollte es hingegen der Fall sein, dass es neben der oben skizzierten Entwicklung zu der Ausprägung einer Konkurrenzbeziehung kommt, sind die Folgen u.a. davon abhängig, ob die Kooperationsent- wicklung eher auf eine weitere Vertiefung der bisher an den Tag gelegten dynamischen Entwick- lung oder aber die Realisierung einer strategischen Kooperation abzielt. Kommt Ersteres zum Tragen, ist in Anlehnung an oben Gesagtes durchaus mit einer schwierigen Situation zu rechnen, welche im Wesentlichen aus einem Vertrauensbruch heraus resultiert. Gelingt es jedoch, diesen zu vermeiden bzw. deutlich zu mindern, ist dann mit keinen ernsten Konsequen- 333 zen zu rechnen, wenn des Weiteren eine deutliche Abgrenzung der einzelnen Betätigungsfelder realisiert wird. Die Chancen, dass es zu einer solchen Einigung ohne größeren Vertrauensverlust kommt, sind inso- fern nicht schlecht, weil das bereits erreichte partnerschaftliche Kooperationsniveau sowie der da- mit verbundene Erfahrungsschatz und Vertrauensvorschuss mit dazu beitragen, in möglichst syne- goistischer Art und Weise die aus dem Konkurrenzverhältnis resultierenden Entwicklungshemmnis- se auf den einzelnen Beziehungsebenen zu analysieren und zu beseitigen. Hierbei ist allerdings von großer Bedeutung, dass es zu einer wirklichen Verständigung zwischen den Beteiligten hinsichtlich der betroffenen Handlungsfelder und den entsprechenden Wissensgebieten kommt. Gelingt dies nicht oder besteht die Gefahr einer wie auch immer gearteten Übervorteilung, ist die Wahrschein- lichkeit groß, dass die Partner ihr Heil auch innerhalb der Kooperation in wettbewerbsorientiertem Verhalten suchen, verbunden mit einer massiven Gefährdung der vergangenen Erfolge. In diesem Zusammenhang könnte eine mögliche Konsequenz sein, dass die beteiligten Kooperationsunter- nehmen sich bewusst auf die Positionen zurückziehen, von der sie glauben, dass dort auch ein hin- zukommendes Wettbewerbsverhältnis keinen großen Schaden anrichten kann. Letzteres ist aller- dings vor dem Hintergrund einer bereits dynamisch ausgeprägten Kooperation ein deutlicher Rück- schritt. Ist hingegen beabsichtigt, die Kooperation in Richtung einer strategischen Partnerschaft auszubau- en, ist eben dargelegte Entwicklung einer eventuell möglichen friedlichen Koexistenz von strategi- scher Kooperation und Konkurrenz nahezu undenkbar. Dies hängt erneut in zentraler Weise mit der Erodierung der Vertrauensbasis zusammen, da es si- cherlich auf Seiten eines Kooperationspartners nicht mit Freude aufgenommen wird, dass ein zu- künftiger strategischer Partner gleichzeitig auch beabsichtigt, in Konkurrenz zu einem selbst zu treten. Ein wesentlicher Grund hierfür ist in der Komplexität und Tragweite einer strategischen Ko- operation, gerade was die Koordinations- und Wissensbeziehungen anbelangt, zu sehen. Diese er- fordern nicht nur die volle Aufmerksamkeit der beteiligten Unternehmen, zumal es sich um eine Höherentwicklung einer bestehenden Kooperation handelt, sondern tangieren auch implizite Wis- sensbestandteile, wie z.B. Kernkompetenzen, deren Übertragung im Rahmen einer hinzukommen- den Konkurrenzsituation völlig anders zu bewerten ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen willens ist, einerseits die Mühen und Herausforderungen im Zusammenhang mit einer bedeutenden Höherent- wicklung der bestehenden Kooperation auf sich zu nehmen und andererseits bereit ist, auch eine sich parallel entwickelnde Konkurrenzsituation zu akzeptieren. Sollte es dennoch zur Ausprägung eines Konkurrenzverhältnisses kommen, ist demzufolge zu er- warten, dass eine Höherentwicklung in Richtung einer strategischen Kooperation als nicht machbar angesehen werden kann. Somit wird bestenfalls die dynamische operative Ausprägung weiter ver- folgt, wobei auch diese eindeutig den eben analysierten Einschränkungen unterliegt (vgl. vorheriger Absatz). 5.3.3 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer statisch strategischen Kooperation Hat sich die Kooperation bis dato lediglich statisch entwickelt, ist auch hier grundsätzlich die Frage nach der Zielkonformität der Kooperationspartner zu stellen. Parallel dazu ist das bereits erwähnte (erweiterte strategische) Bewertungsverfahren (vgl. Kapitel 5.2.2.1) anzuwenden, um sich auf Sei- ten der Kooperationsunternehmen nochmals damit auseinanderzusetzen, ob die angestrebten an- spruchsvollen Ziele in dieser Form und mit diesen Partnern überhaupt erreichbar sind. 334 Auf dieser Grundlage lassen sich im Wesentlichen drei Entwicklungsmöglichkeiten ableiten, wobei die Erstere keine Weiterentwicklung im Sinne einer Vertiefung der einzelnen Beziehungsebenen darstellt, sondern schlichtweg die Beendigung der Kooperation zur Folge hat. Diese ist dann anzu- streben, wenn die Beteiligten weder im strategischen noch im operativen Bereich für sich und die Kooperation als Ganzes genug Potenzial sehen, diese in der ein oder anderen Form fortzuführen. An dieser Stelle bleibt dann nur noch zu hoffen, dass die nicht vorhandene Konkurrenzsituation und die damit verbundene unbelastetere Vergangenheit durch die aktuelle Kooperationssituation nicht so weit erodiert worden ist, dass eine friedliche Einigung über die Beendigung der Kooperation nicht mehr möglich ist, sondern die Beteiligten "ohne Rücksicht auf Verluste" systemunverträglich ver- suchen, ihre eigenen Interessen, etwa durch Machtausübung oder Gerichtsverfahren, gegen die an- deren durchzusetzen. Am Rande ist diesbezüglich anzumerken, dass es bei strategischen Kooperationen, gerade vor dem Hintergrund der angestrebten Ziele und der damit verbundenen Komplexität der Aufgaben, alles andere als abwegig ist, dass die Unternehmen von ihrem Potenzial oder Leistungsvermögen her nicht zueinander passen. Wohingegen sich eine eher operativ ausgerichtete Kooperation im Grunde immer in die eine oder andere Richtung weiterentwickeln kann, insbesondere wenn man sich die Bandbreite der technischen Möglichkeiten anschaut (siehe Kapitel 2.2 ff.). Kommen die Kooperationsunternehmen hingegen zu der Erkenntnis, dass die Fortführung der Ko- operation sinnvoll erscheint, kommt auf der einen Seite, in Abkehr von der bisherigen Vorgehens- weise, die Realisierung einer operativ ausgerichteten Kooperation infrage. Diesbezüglich ist von großer Bedeutung, dass die Beteiligten Einigkeit darüber erzielen, ob von vornherein eine statische Variante, also eine lose, informelle Kopplung oder aber eine dynamische Variante, sprich eine wei- terführende und tiefer gehende Form der Zusammenarbeit im operativen Bereich, anzustreben ist. Dabei stellen beide Kooperationsausprägungen im Vergleich zu dem bestehenden Status, welcher grundsätzlich als nicht wünschenswert angesehen werden kann (vgl. Kapitel 4.7.2 ff.), einen Ent- wicklungsfortschritt dar. Die zentrale Voraussetzung hierfür ist natürlich wiederum, dass die Ko- operationsteilnehmer ein wirkliches Verständnis dafür entwickeln, was sich hinter diesen Koopera- tionsformen von der Zielsetzung und der Vorgehensweise her verbirgt und dieses bei den Folgeak- tivitäten entsprechend berücksichtigen (siehe Kapitel 4.1 ff. und 4.3 ff.). Auf der anderen Seite ist es auch denkbar, dass auf der Basis der getätigten Analysen der Entschluss gefällt wird, die strategische Kooperation trotz aller bisher aufgetretenen Entwicklungshemmnisse fortzusetzen. Ein solches Vorgehen macht allerdings nur dann Sinn, wenn alle involvierten Koope- rationspartner willens und in der Lage sind, konsequent den Weg in Richtung einer umfassend dy- namischen Kooperation einzuschlagen. Dies hängt erneut damit zusammen, dass die zusätzlich zu tätigenden teilweise massiven transaktionsspezifischen Investitionen sich nur dann vertreten lassen, wenn mit Nachdruck die Erarbeitung von strategischen Zielen im systemverträglichen Sinn voran- getrieben wird. Letzteres kann, wie oben ausführlich analysiert, nur durch eine umfassend dynami- sche strategische Kooperation sichergestellt werden, wobei der Kooperation zugute kommt, dass die Nutzung der brachliegenden Dynamisierungs- und Innovationspotenziale nicht durch ein bestehen- des Konkurrenzverhältnis gebremst oder gar verhindert wird. Jede andere Kooperationsentwick- lung, die auf die Umsetzung einer lediglich bedingten Dynamik auf den Beziehungsebenen abzielt, birgt nicht nur die Gefahr einer unzureichenden Zielerreichung in sich, sondern enthält darüber hin- aus das Risiko, dass die gesamten getätigten Investitionen in keinem Verhältnis zu dem meist unzu- reichendem Ertrag stehen (vgl. Kapitel 4.9.2.2 f.). Sollte es jetzt gleichzeitig zu der Etablierung eines Konkurrenzverhältnisses kommen, ist in Anleh- nung an oben Festgestelltes die parallele Entwicklung hin zu einer dynamischen strategischen Ko- operation als sehr unwahrscheinlich anzusehen. Denn insbesondere die Vertrauensbasis, die vor allem bei dieser Kooperationsausprägung sowieso nur am Rande ausgeprägt ist, wird dadurch noch 335 zusätzlich unterhöhlt. Dies hat letztendlich zur Folge, dass die dringend benötigte Vertiefung des prozessbasierten Vertrauens als Basis einer Dynamisierung der strategischen Kooperation einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt ist, was alles andere als positiv für die zukünftige Entwicklung der Kooperation zu werten ist (vgl. vorherigen Abschnitt). Gleiches gilt, wenn das Umschwenken auf eine dynamische operative Kooperation beabsichtigt ist. Auch hier tragen die ungünstigen Ausgangsbedingungen ein Übriges dazu bei, dass mit dem Auf- tauchen einer parallelen Konkurrenzbeziehung nahezu unüberwindliche Hürden aufgebaut werden. Denn die Kooperationsunternehmen stehen vor der schweren Aufgabe, die statische, festgefahrene Kooperationsbeziehung mit hohem Aufwand zu dynamisieren und parallel dazu etwaige Konse- quenzen aus dem aufkommenden Konkurrenzverhältnis bei diesen Überlegungen mit zu berück- sichtigen. Zwar ist ein solches Vorhaben nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen, beispielswei- se, wenn das beabsichtigte Handlungsfeld nicht oder allenfalls am Rande mit der Konkurrenzbezie- hung kollidiert. Andererseits darf aber auch nicht übersehen werden, dass es angesichts weiterer er- forderlicher materieller und immaterieller Investitionen in vielen Fällen wenig Sinn macht, dass die Kooperationsunternehmen, die bisher schon nicht unbedingt ein umfassend harmonisches Miteinan- der an den Tag gelegt haben, sich auf der Basis eines parallelen Konkurrenzverhältnisses „auf ein weiteres Abenteuer operativer Art“ einlassen. Kommen die Beteiligten hingegen überein, dass die Zukunft der Kooperation einzig im operativ- statischen Bereich zu sehen ist, tut dies auch einem parallelen Konkurrenzverhältnis keinen Ab- bruch. Denn in diesem Fall ist der Charakter der Zusammenarbeit ohnehin durch Kurzfristigkeit und Oberflächlichkeit geprägt und erfordert keinerlei ausgeprägte Koordinations- und Wissensbe- ziehungen, so dass sich jegliche Konkurrenz zwischen den Beteiligten ohne größere Auswirkungen auf die Kooperation entfalten kann. 5.3.4 Entwicklungsmöglichkeiten bei einer dynamisch-strategischen Kooperation und Zu- sammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Wirft man abschließend einen Blick auf die strategischen Kooperationen, die bereits einen dynami- schen Charakter an den Tag legen, so bleibt für jene, deren Kooperationslevel eher als bedingt dy- namisch zu bezeichnen ist, letztlich nur eine Entwicklung in Richtung einer umfassenden dynami- schen Kooperation. In diesem Zusammenhang stellt sich auch nicht mehr die Frage nach dem Für und Wider eines erneuten intensiven Zielfindungsprozesses und einem daran anschließenden strate- gischen Validierungsprozess. Denn die durchaus vorhandenen positiven Ansätze haben bereits ge- zeigt, dass der eingeschlagene Weg als richtig anzusehen ist. Daher ist es vor allem erforderlich, dass sich die Kooperationspartner voll und ganz darauf konzent- rieren, jene, z.B. auf der Basis des Bewertungsverfahrens erkannten Unzulänglichkeiten, Hemm- nisse und Pathologien zu identifizieren, welche bisher die volle Entfaltung einer umfassenden Dy- namik auf den einzelnen Beziehungsebenen verhindert haben. Diese gilt es im Weiteren systema- tisch zu beseitigen (Vertiefung des prozessorientierten Vertrauens, Erschließung der Dynamisie- rungspotenziale bei den Koordinations-, Wissens- und Leistungsbeziehungen etc). Ist dies erfolgt, steht einer nachhaltigen und systemverträglichen Kooperationsentwicklung nichts mehr im Wege (vgl. hierzu Kapitel 4.9 ff.). Für den Fall, dass dies nicht gelingt, bleibt letztlich nur zu hoffen, dass der auf dieser suboptimalen Basis generierte Output zumindest in Teilen den Erwartungen der beteiligten Unternehmen gerecht wird bzw. zum Überleben der Unternehmen beiträgt und somit ein Abgleiten in eine eher statisch ausgeprägte Kooperation mit den damit verbundenen negativen Folgen verhindert wird (vgl. Kapi- tel 4.7 ff.). 336 Wenn einer der Partner zusätzlich zu der angestrebten umfassend dynamischen Kooperation beab- sichtigt, in Konkurrenz zu einem oder mehreren der Partner zu treten, hat dies mit Sicherheit eine nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zur Folge. Denn das jeweilige Unternehmen bringt auf diese Weise zum Ausdruck, dass es an der Realisierung einer umfassenden Win-Win- Situation im Grunde kein Interesse hat, sondern eher bestrebt ist, sein Heil zusätzlich in der Etablie- rung einer Wettbewerbsbeziehung zu suchen. Für den Fortgang der Kooperation ist dies mit Sicher- heit alles andere als ein positives Zeichen, zumal die von dieser Maßnahme betroffenen Kooperati- onsunternehmen nahezu zwangsläufig den Willen des zukünftigen Konkurrenten in Zweifel ziehen, sich parallel noch intensiver als bisher in die strategische Kooperation einbringen zu wollen. Daher ist von einem nicht unbeträchtlichen Risiko auszugehen, dass die Kooperation in Bezug auf die Ausschöpfung der Dynamisierungspotenziale nicht in der gewünschten Weise von der Stelle kommt. Je nach Höhe des Vertrauensverlustes oder der mit der neuen Konkurrenzsituation verbun- denen Gefahr besteht in diesem Fall durchaus die Möglichkeit, dass es zu nicht unbeträchtlichen Rückschritten kommt, was einer Gefährdung der Kooperation gleichkommt. Bezüglich einer bereits bestehenden umfassenden dynamischen Kooperation ist schließlich zu er- wähnen, dass sich in diesem Fall die Frage nach einer Höherentwicklung nicht mehr auf die eigent- liche Kooperationsform bezieht, denn hier ist der höchste anzustrebende Entwicklungszustand ja erreicht, sondern vielmehr auf die inhaltliche Ausgestaltung der verschiedenen interorganisationalen Beziehungsebenen. Das heißt, der eindeutige Fokus ist auf die Sicherstellung einer systematischen, nachhaltigen und vor allem synegoistischen Entwicklung des Gesamtsystems Kooperation zu legen, alles andere wäre eindeutig als Rückschritt zu werten (vgl. Kapitel 4.9). Vor dem Hintergrund einer solch erfolgreichen Kooperation stellt sich auch das mögliche Aufkom- men einer Konkurrenzsituation in einem etwas anderen Licht dar. Nach dem Motto „never change a winning team“ wäre es für jedes Unternehmen mit beträchtlichen Risiken verbunden, eine derartige Basis, mit all den damit verbundenen Ergebnissen hinsichtlich der Erarbeitung langfristiger Wettbewerbsvorteile, dadurch auf Spiel zu setzen, dass „parallel eine zweite Front eröffnet wird“. Hierdurch würde sich für das betreffende Unternehmen nicht nur schlagartig die Unsicherheit, sondern auch die Komplexität in Bezug auf den Umgang mit dem ex- ternen Markt erhöhen (vgl. Kapitel 4.5.1.1). In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zu bedenken, dass die Kooperationspartner ein Stück Si- cherheit und Vorhersehbarkeit, Faktoren, die bei der zunehmenden Zersplitterung von Unternehmen und einer exponentiell ansteigenden Unübersichtlichkeit der marktlichen Gegebenheiten (vgl. Kapi- tel 2.5 und 3.1.2 ff.) einen Rückhalt geben, gegen die Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit des Wettbewerbs eintauschen würden1095. Somit ist das parallele Auftauchen eines Konkurrenzverhältnisses zwischen den Kooperationspart- nern als sehr unwahrscheinlich zu bezeichnen. Darüber hinaus sollten die Unternehmen insbesondere auch auf der Grundlage der bestehenden tief gehenden Vertrauensbasis in der Lage sein, etwaige damit zusammenhängende Konsequenzen im Vorfeld zu erörtern, so dass es nicht oder allenfalls in unbedeutenden Randbereichen zu einer sol- chen Wettbewerbssituation kommt. 1095 vgl. Noam (1995), S. 35 ff. sowie Kastner (1999a), S. 33 ff. 337 5.3.4.1 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse und Überleitung zur abschließen- den Fallstudie Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Rahmen jeglicher strategischer Kooperationen (sei- en sie durch ein Konkurrenzverhältnis unterlegt oder nicht) mit einem entsprechenden Potenzial auf jeden Fall die Realisierung einer umfassend dynamischen Kooperation anzustreben ist. Nur auf die- se Weise ist die Etablierung von langfristigen, schwer angreifbaren Wettbewerbsvorteilen unter vollständiger Nutzung der "E-Commerce-Potenziale" sichergestellt. Die Basis dessen bildet Ver- trauen, Synegoismus, Empathie, die Fähigkeit Pathologien zu überwinden, proaktiv zu handeln so- wie der Einsatz netzübergreifender "Supply-Chain-Management-Systeme“ oder Workflow-Ma- nagement-Systeme, deren Implementierung in der Regel nur auf Basis einer längerfristigen tief ge- henden Zusammenarbeit Sinn macht1096. Sollte es auf der Grundlage einer Kooperation ohne bestehendes Konkurrenzverhältnis parallel dazu jedoch zur Ausprägung einer Konkurrenzsituation kommen oder ist diese zumindest angedacht, ist die Realisierung einer solchen dynamischen Kooperation auf Grund des Vertrauensverlustes als hochgradig gefährdet anzusehen. In diesem Fall können die beteiligten Kooperationsunternehmen schon froh sein, wenn es ihnen gelingt, einen bedingt dynamischen Status zu erreichen bzw. auf- rechtzuerhalten. Bezüglich der operativ ausgerichteten Kooperationen ist anzumerken, dass deren Entwicklungmög- lichkeiten als deutlich umfassender zu beurteilen sind. Hier kann bisweilen sogar ein vermeintlicher Rückschritt als Fortschritt gesehen werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Kooperationsunterneh- men übereinkommen, zukünftig eine eher fallweise statische Form der Zusammenarbeit statt eine bedingt dynamische zu bevorzugen, welche bei Übereinstimmung der Ziele und Zwecke der Betei- ligten durchaus seine Vorteile haben kann (vgl. Kapitel 4.1.3 und 4.2.2). Abgesehen von diesem Fall macht es natürlich gerade in Bezug auf die Dauerhaftigkeit bzw. Nach- haltigkeit der Stabilisierung von Wettbewerbsvorteilen Sinn, beim Vorliegen einer bedingt dynami- schen Kooperation die Entwicklung in Richtung einer dynamischen operativen Kooperation anzu- streben. Ist im Rahmen dieses Prozesses wiederum vom Aufkommen einer parallelen Konkurrenzsituation auszugehen, so ist das Ziel der Umsetzung einer umfassend dynamischen Kooperation sicherlich nicht in gleichem Maße gefährdet, wie eben erwähnt. Jedoch darf auch hier der negative Einfluss eines drohenden Vertrauensverlustes keinesfalls unterschätzt werden. In Bezug auf das Vorhandensein einer dynamischen Kooperation ist schließlich zu sagen, dass hier natürlich jede Entwicklung, die auf eine bedingt dynamische oder gar statische Kooperation hinaus- läuft, eindeutig als Rückschritt zu werten ist. Infolgedessen erscheint entweder die Vertiefung der bestehenden Beziehung oder aber die Höherentwicklung in Richtung einer dynamischen strategi- schen Kooperation als erstrebenswertes Ziel. Kommt es in diesem Rahmen zur Ausprägung eines zusätzlichen Konkurrenzverhältnisses, ist im Grunde von einer ähnlichen Bedingungskonstellation wie beim Vorliegen einer strategischen Ko- operation auszugehen. Das heißt, ein Quantensprung in Sachen Kooperationsbeziehung ist letztlich alles andere als wahrscheinlich und die Kooperationspartner können sich glücklich schätzen, wenn es ihnen gelingt, das Erreichte zu sichern. Eine weitere wichtige implizite Erkenntnis aus den obigen Aussagen ist, dass es in hohem Maße fahrlässig wäre, sich im Zeitalter des E-Commerce einseitig auf die Etablierung und Entwicklung langfristig ausgerichteter strategischer Partnerschaften zu konzentrieren. Damit würde ein Unter- nehmen nur unzureichend auf die kurz- bis mittelfristigen wirtschaftlich-technologischen Dynami- ken vorbereitet sein, welche es erfordern, auch kurzfristig auf unvorhersehbare Ereignisse sowie plötzliche Gelegenheiten reagieren zu können. 1096 vgl. Sautter (1999), S. 179 338 Ferner würden auch die bestehenden technologischen Möglichkeiten sowie deren Leistungsfähig- keit gerade im operativen Bereich kaum bzw. nicht in dem erforderlichen Ausmaß genutzt. Entscheidend ist vielmehr ein Mix aus operativen und strategischen Kooperationen (sowohl als auch, im Sinne eines multiplen ganzheitlichen Kooperationsansatzes), wobei die strategischen Part- nerschaften im Wesentlichen auf der Basis einer selbsttragenden "learning relationship" für den Aufbau und die Verteidigung langfristiger Wettbewerbsvorteile verantwortlich sind, wohingegen die operativen Kooperationen ihre Daseinsberechtigung aus Schnelligkeit und Flexibilität als Reak- tion auf sich dauernd veränderte Marktbedingungen ziehen. Für Letztere sind wiederum die in Kapitel vier und fünf erarbeiteten Erkenntnisse bezüglich der denkbaren kooperativen Ausprägungen (deren Basis wiederum Kapitel drei bildet) und der entspre- chenden Entwicklungsmöglichkeiten von großer Bedeutung. Denn diese bilden letztlich das analyti- Am Rande sei hier des Weiteren bezüglich der operativen Kooperationen angemerkt, dass diese zwar einerseits durch ihre vermeintlich lose Kopplung für eine optimale Umweltanpassung dienlich sind, denn locker miteinander verbundene Unternehmen können durch ihre Eigenständigkeit spon- tanen Störungen besser begegnen als starre hierarchische Strukturen1097. Andererseits ist vor dem Hintergrund der vergangenen Analysen festzustellen, dass von einer wirklich losen Kopplung ledig- lich im Zusammenhang mit statischen operativen Kooperationen gesprochen werden kann, die im Sinne von Prahalad/Ramaswamy eine Organisationsform darstellen, die sich nahtlos verknüpfen und wieder trennen lässt1098. Alle anderen dynamisch ausgerichteten Kooperationsformen ziehen teilweise beträchtliche transak- tionsspezifische Investitionen und dementsprechende Abhängigkeiten nach sich und erfordern dar- über hinaus eine tiefer gehende Zusammenarbeit, so dass hier von einer losen Kopplung im obigen Sinn nicht mehr gesprochen werden kann1099. Daher scheint es vor dem Hintergrund der Komplexi- tät der zu bewältigenden interorganisationalen Aufgaben auch vermessen zu sein, im Sinne von Bock/Zillessen zu glauben, man könne für eine spezifische Leistung gezielt den "weltbesten" Liefe- ranten heraussuchen und mit diesem im Rahmen von kurzfristig eingerichteten, hoch dynamischen Wertschöpfungsstrukturen, die lediglich mittels der neuen Technologien verbunden sind und ohne feste formale Bedingungen rein vertrauensbasiert zusammengehalten werden, agieren bzw. die Ge- schäftstätigkeit abwickeln1100. Letzteres muss wiederum nicht bedeuten, dass mit dem Eingehen von vertieften Kooperationsbe- ziehungen automatisch jene Flexibilität verloren geht, die heute für das Überleben am Markt ständig und überall gefordert wird. Im Gegenteil, durch die Sicherstellung von Dynamik und Nachhaltigkeit innerhalb der Kooperationsbeziehungen werden die Kooperationsunternehmen in die Lage versetzt, gemeinsam den marktlichen Anforderungen wirksam entgegentreten zu können. Nach diesen ausführlichen Erörterungen, auf welcher Grundlage eine bestehende Kooperation be- wertet werden kann, und einer darauf basierenden Ableitung der denkbaren Entwicklungsmöglich- keiten wird im folgenden letzten Kapitel mittels einer Fallstudie das obige Bewertungsverfahren und die daraus folgenden Konsequenzen auf Anwendbarkeit in der Praxis überprüft. Hierbei geht es konkret darum, eine bestehende Kooperationsbeziehung zwischen zwei Unterneh- men dem beschriebenen Bewertungsverfahren zu unterziehen. Auf diese Weise soll zum einen der Status quo der Kooperationsbeziehung erfasst werden, was einen Rückschluss auf die Ausprägung der existierenden Beziehungsebenen und Erwartungshaltungen sowie einiger psycho-logischer Rah- menbedingungen erlaubt. Zum anderen dienen diese Ergebnisse aber auch dazu, das bestehende Entwicklungspotenzial der Kooperation einschätzen zu können, um daraus entsprechende Hand- lungsempfehlungen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise abzuleiten. 1097 vgl. Staehle (1991), S. 327 ff. 1098 vgl Prahalad/Ramaswamy (2000), S. S. 75 1099 vgl. Jäger/Boucke (1999), S. 98 f. 1100 vgl. Bock/Zillessen (1996), S. 287 339 sche Grundgerüst, wenn es darum geht, Handlungsempfehlungen in Bezug auf eine bewertete Ko- operation zu generieren. So gesehen bilden die Kapitel drei bis fünf das bereits mehrfach erwähnte Rahmenkonzept, welches die Unternehmen in die Lage versetzen soll, bestehende (aber auch potenzielle) Kooperationen zu bewerten, um auf diese Weise den richtigen Mix aus operativen und strategischen Kooperationen zu finden. Somit dient die folgende Fallstudie auch dazu, an einem konkreten praktischen Beispiel die Anwendung des erarbeiteten Rahmenkonzeptes zu demonstrieren. 340 6 Die praktische Anwendbarkeit der Grundlagen zur Formulierung eines ganzheitlichen Kooperationsansatzes gezeigt anhand einer Fallstudie aus der Praxis Vorab ist darauf hinzuweisen, dass aus Wettbewerbsschutzgründen und auf ausdrücklichen Wunsch der beteiligten Unternehmen die Darstellung der Fallstudie in anonymisierter Form erfolgt. Bei der vorliegenden Fallstudie handelt es sich um die konkrete Anwendung des in Kapitel 5 be- schriebenen Bewertungsverfahrens in Bezug auf eine bestehende Kooperation zwischen einem Un- ternehmen der chemischen Industrie und einer führenden Molkereigenossenschaft. Zum besseren Verständnis des Gesamtzusammenhangs erfolgt in Kapitel 6.1 vorab eine Schilderung der Aus- gangsbedingungen. Hierbei geht es um die Vorstellung der beiden Unternehmen sowie um die Her- ausarbeitung, inwieweit im Rahmen der bestehenden Zusammenarbeit tatsächlich von einer Koope- ration im hier analysierten Sinn gesprochen werden kann. Nach diesen einführenden Erläuterungen werden in Kapitel 6.2 die zentralen Gründe für die Durch- führung der Studie erläutert und die konkrete Vorgehensweise sowie die damit verbundenen Ziel- vorstellungen dargelegt. In Kapitel 6.3 werden die Ergebnisse der Studie präsentiert und in Kapitel 6.4 kommt es auf der Basis derselbigen schließlich zur Generierung einiger Handlungsempfehlungen, die die beteiligten Unternehmen in die Lage versetzen sollen, die gemeinsame Zukunft erfolgreich (er) zu bewältigen. Das Chemieunternehmen setzt sich u.a. intensiv mit allen Fragen rund um die Hygiene industrieller Erzeugungsprozessen auseinander, wie etwa bei der Herstellung von Getränken aller Art, Milch- produkten, Fleisch, Fisch, Backwaren sowie pharmazeutischen und chemischen Produkten. Hierzu bietet das Unternehmen eine umfangreiche Produktpalette von Reinigungs- und Desinfektionsmit- teln an, die je nach Kundenbedarf entweder bei diesen gelagert oder just-in-time angeliefert werden. Darüber hinaus umfasst das Angebot auch komplette, bisweilen beratungsintensive Hygienelösun- gen, welche allen Fragen rund um die Hygiene bei der Erzeugung von Lebensmitteln und chemisch- pharmazeutischen Produkten zum Inhalt haben. Diesbezüglich seien die Implementierung innerbe- trieblicher Hygieneprogramme durch die (ökonomische und ökologische) Optimierung von Reini- gungs- und Desinfektionskreisläufen unter Berücksichtigung internationaler Umwelt- und Sicher- heitsbestimmungen erwähnt. Des Weiteren ist die Durchführung von Mitarbeiterschulungen bzw. – trainings am Arbeitsplatz über den richtigen Umgang mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sowie die Bedeutung von Hygiene im Betrieb anzumerken. Darüber hinaus beinhaltet das Liefer- und Leistungsprogramm die Durchführung von Produktionsanlagenaudits sowie Betriebs- und Per- sonalhygieneberatung, die permanente Überwachung der Hygieneprozesse sowie die Erstellung von Hygieneplänen. 6.1 Die an der Fallstudie beteiligten Unternehmen und die zu Grunde liegenden Ausgangsbedingungen Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei den beteiligten Firmen um ein Unternehmen aus der chemischen Industrie und eine Molkereigenossenschaft. Schließlich bietet das Unternehmen auch innovative Komplettlösungen im Bereich Hygiene an. Diese umfassen die Unterstützung bei der Neuinstallation und darauf aufbauend die Implementie- rung von Anwendungs-, Mess- und Dosiersystemen sowie von patentierten Produkt- und System- technologien bzw. den Einsatz speziell entwickelter Maschinen für Hygieneanwendungen. 341 Dabei verfolgt das Chemieunternehmen mit dieser Angebotspalette letztlich das Ziel, bei seinen Kunden und Partnern die Lagerhaltungskosten zu optimieren, Personalkosten einzusparen und die Hygieneprozesse hinsichtlich des Einsatzes an Reinigungs- und Desinfektionsmitteln bzw. Wasser zu reduzieren und dahingehend zu verbessern, dass ein hoher Hygienegrad sichergestellt ist. Dies trägt bei den Kunden und Partnern entscheidend dazu bei, dass es weder zu Verunreinigungen der herzustellenden Produkte noch zu entsprechenden Produktvernichtungen oder gar Rückrufaktionen kommt. Ferner ist ebenso beabsichtigt, die Reinigungs- und Desinfektionskosten zu senken sowie generell für optimale Anlagenausstattung und Hygieneprozesse zu sorgen. Setzt man sich nachfolgend etwas näher mit der Molkereigenossenschaft auseinander, so ergibt sich deren Angebotspalette beinahe selbstredend. Es handelt sich um ein auf dem Molkereisektor weltweit tätiges Unternehmen, dessen Milchproduk- te wie Desserts, Frischmilch, Pudding, Joghurt sowie Käse- und Butterprodukte nahezu in jedem Land verfügbar sind. Des Weiteren zählt es zu den wichtigsten Partnern international tätiger Su- permarktketten sowie der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie. Hinter diesem Unternehmen steht eine Genossenschaft, basierend auf einem unternehmerischen Konzept, welche über ein großes Erfahrungsspektrum entlang der gesamten Milchverarbeitungsket- te verfügt. Die wesentlichen Ziele der Molkereigenossenschaft lassen sich dahingehend beschreiben, dass ein ständiger Anstieg des beeinflussbaren Teils des Milchpreises für die angeschlossenen Genossen- schaftsmitglieder, sprich Milcherzeuger angestrebt wird sowie eine permanente Erneuerung von Konzepten, Produkten, Technologien und Prozessen in Zusammenhang mit der Verarbeitung von Milch stattfindet. Dabei geht es letztendlich darum, dass eine ständige Erhöhung des Marktanteils mit Hilfe von Marken, Produkten und Kommunikation als Bindeglied zwischen dem Bedarf des Verbrauchers und den natürlichen Eigenschaften von Milchprodukten realisiert wird. 6.1.1 Die Entwicklung der Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen Bei näherer Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der Zusammenarbeit der an dieser Fallstudie partizipierenden Unternehmen fällt auf, dass sich diese ursprünglich auf ein klassisches Kunden- /Lieferantenverhältnis beschränkte. Dies lässt sich u.a. daran festmachen, dass sich die Aufgabe des Chemieunternehmens zunächst darauf reduzierte, zu einem möglichst günstigen Preis Reinigungs- und Desinfektionsmittel an die Molkereigenossenschaft zu liefern. Der Aufgabenbereich des Chemieunternehmens endete somit mit der Ablieferung der gewünschten Produkte am Lagertor der Molkereigenossenschaft. Letztere wiederum setzte die Produkte eigenverantwortlich zur Reinigung und Desinfektion der bestehenden Fertigungsanlagen ein, wobei es in Abhängigkeit des Verbrauches an Reinigungs- und Desinfekti- onsmitteln zu regelmäßig wiederkehrenden Bestellungen bei dem Chemieunternehmen kam, sobald der Vorrat zur Neige ging. Schaut man sich vor diesem Hintergrund die von den beteiligten Unternehmen jeweils verfolgten Ziele etwas genauer an, so bestand das wesentliche Interesse des Chemieunternehmens darin, die größtmögliche Anzahl an Reinigungs- und Desinfektionsmitteln zum maximalen Preis an die Mol- kereigenossenschaft zu verkaufen. Diese war andererseits vor allem daran interessiert, so wenig Produkte des Chemieunternehmens wie möglich im Fertigungsprozess einzusetzen und dies natür- lich zu geringsten Kosten. Auf dieser Basis ist es daher keinesfalls abwegig, davon zu sprechen, dass sich beide Unternehmen in einer andauernden Preisauseinandersetzung befanden, wobei einzig Angebot und Nachfrage bzw. das Prinzip Leistung und Gegenleistung im Mittelpunkt der Interaktionen stand. 342 Hieraus lässt sich eindeutig ableiten, dass die dargestellte Beziehung zwischen den Unternehmen im Wesentlichen der wirtschaftlichen Interaktionsform des Tausches entspricht. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Charakter der Mittelwahl autonom erfolgt, kein Abgleich der Ziele stattfindet und die Steuerung der Interaktionen durch Angebot und Nachfrage erfolgt (vgl. Kapitel 3.1.1.3 und Abbildung 40). Dieses wird im vorliegenden Fall dadurch unterstrichen, dass von einer Ziel-/Mittel- verflechtung zu keinem Zeitpunkt gesprochen werden kann. Im Gegenteil, die Molkereigenossen- schaft setzt sich einzig und allein mit den von dem Chemieunternehmen angebotenen Produkten und der dahinter stehenden Preisforderung auseinander. Innerhalb dieses Prozesses stehen die eige- nen Ziele im Mittelpunkt und es kommt im Rahmen der eigenen unabhängigen Entscheidungsfin- dung zu keinem Zeitpunkt zu der Berücksichtigung der Ziele des Anbieters bzw. Chemieunterneh- mens. Weiterhin spricht für die Interaktionsform des Tausches die Tatsache, dass alle gegenseitigen Ansprüche durch die Lieferung der Produkte und deren entsprechender Bezahlung abgegolten sind, und es zu keinerlei Zusammenarbeit nach der eigentlichen Leistungserbringung kommt. Schließlich zeichnet sich die Zusammenarbeit dadurch aus, dass innerhalb des erwähnten Interaktionsmodus als Grundmotiv des Handelns ein eigenständiges Erfolgsstreben zu erkennen ist, der gegenseitige Ver- pflichtungsgrad als eher niedrig bezeichnet werden kann und die Konfliktbewältigung durch das Verhandeln bzw. Feilschen über Preise erfolgt (vgl. Kapitel 3.2.2.2 und Abbildung 49). Vergleicht man demgegenüber die Austauschbeziehungen bzw. Interaktionsformen wie sie sich heute darstellen, so kann ohne Zweifel von einem profunden Wandel in den Geschäftsbeziehungen zwischen beiden Unternehmen gesprochen werden. Dies drückt sich insbesondere dadurch aus, dass sich die Zusammenarbeit bei weitem nicht nur auf eine reine Liefer- und Leistungsbeziehung in Form des Kaufes und der Lieferung von Produkten beschränkt, sondern deutlich tief gehender ist. Dies lässt sich beispielsweise daran festmachen, dass seitens der Molkereigenossenschaft nach deutlich mehr Dienstleistungen gefragt wird, die darauf abzielen, eine ordnungsgemäße Hygiene in allen Produktionsbereichen sicherzustellen. Jene Dienst- bzw. Serviceleistungen sehen vor, dass von beiden Unternehmen gemeinsam Leistungsfaktoren, z.B. in Bezug auf den Hygienestatus oder bezüglich Obergrenzen für den Verbrauch von Reinigungsmitteln und Wasser, erarbeitet, festgelegt und umgesetzt werden. Demzufolge erstreckt sich die Zusammenarbeit auch auf die Erstellung von Verfahrensbeschreibungen, bei denen das spezifische Know-how des Chemieunternehmens ein- fließt und welche zudem an die speziellen Bedürfnisse der Molkereigenossenschaft angepasst wer- den. Darüber hinaus umfasst die Aufgabenstellung auch eine fundierte Analyse und Weiterentwick- lung der bestehenden Reinigungs- und Desinfektionsverfahren. Dem Chemieunternehmen obliegt es dabei, die neuesten technologischen Erkenntnisse in die Untersuchungen einzubringen, während die Molkereigenossenschaft vor allem für die nötige Transparenz der vorhandenen Produktionsan- lagen sowie Reinigungs- und Desinfektionsverfahren, nebst etwaigen Änderungen von Prozessab- läufen oder durchgeführten Umbaumaßnahmen, zu sorgen hat. Diesbezüglich ist des Weiteren anzumerken, dass die durch das Chemieunternehmen zu erbringen- den Serviceleistungen u.a. eine regelmäßige Istaufnahme der Reinigungskreisläufe zur Optimierung der Chemie- und Energiekosten, eine fortlaufende Überprüfung des Reinigungsmitteleinsatzes, die Festlegung gemeinsamer Optimierungsschritte, die regelmäßig wiederkehrende Durchführung von Hygienemonitorings und Review-Meetings zur Erfolgskontrolle umfasst. Ferner darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Erarbeitung von Bestellplänen, die Durchfüh- rung von Mitarbeiterschulungen sowie eine umfassende Dokumentation in Form von Reinigungs- plänen, Produktdatenblättern, Serviceprotokollen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen etc. Gegenstand der Zusammenarbeit sind. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig verwunderlich, dass beide Unternehmen in dem der Zu- sammenarbeit zu Grunde liegenden Vertragswerk davon sprechen, eine langfristig ausgerichtete Partnerschaft aufbauen zu wollen. 343 Unterzieht man auf dieser Basis die unternehmensübergreifende Leistungsbeziehung einer näheren Betrachtung, kann daraus abgeleitet werden, dass ein Übergang von der wirtschaftlichen Interakti- onsform des Tausches hin zu einer Kooperation stattgefunden hat. Dies ist beispielsweise daran zu erkennen, dass es im Rahmen der eben beschriebenen Leistungsbe- ziehung zu einer Involvierung der Ziele bzw. Interessen des jeweiligen Gegenübers innerhalb der eigenen Entscheidungsfindung kommt. Letzteres zeigt sich darin, dass die Koordination zwischen dem Chemieunternehmen und der Molkereigenossenschaft vor der eigentlichen Leistungserbrin- gung nicht mehr ex post durch die Abstimmung über Marktpreise erfolgt (wie dies ursprünglich der Fall gewesen ist), sondern ex ante durch die Abstimmung über die wechselseitigen Interessenlagen und Zielsetzungen der Beteiligten sowie die daraus hervorgehenden Inhalte der zu vollziehenden Leistungsbeziehung1101. Ein wichtiges Indiz für diese wechselseitige Zielverflechtung ist z.B. die Tatsache, dass die oben erwähnte gemeinsame Festlegung und Umsetzung von Leistungsfaktoren zur Folge hat, dass Ober- grenzen hinsichtlich des Verbrauches von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln festgelegt und re- gelmäßig überwacht werden. Darüber hinaus kommt es zur Definition von Einsparpotenzialen hin- sichtlich der Reinigungskosten, die es im Laufe der Zusammenarbeit zu erreichen gilt. Dies hat den keineswegs zu vernachlässigenden Nebeneffekt, dass die erfolgreiche Optimierung der Hygienepro- zesse mit Hilfe der Fähigkeiten des Chemieunternehmens u.a. dazu führt, den Einsatz an Reini- gungs- und Desinfektionsmitteln desselben Unternehmens deutlich zu senken. Somit hat die erfolg- reiche Anwendung des Know-hows des Chemieunternehmens zur Folge, dass das Molkereiunter- nehmen durch die niedrigeren Herstellungskosten wettbewerbsfähiger ist, wohingegen gleichzeitig der Absatz an chemischen Produkten sinkt. Des Weiteren geht aus diesen Ausführungen hervor, dass nicht nur eine unübersehbare Einschrän- kung der Entscheidungsautonomie zu beobachten ist1102, sondern auch ein Großteil der Anonymität der Unternehmen aufgehoben ist. Ersteres ist darin zu sehen, dass das Molkereiunternehmen hin- sichtlich der Optimierung der eigenen Hygieneprozesse zu großen Teilen von einem entsprechen- den Wissenstransfer seitens des Chemieunternehmens abhängig ist. Somit ist es in seiner Entschei- dungsautonomie eingeschränkt; zumal es schon aus wirtschaftlichen Gründen wenig Sinn macht, die entsprechenden Kenntnisse parallel im eigenen Unternehmen aufzubauen. Bezüglich der Aufhebung der Anonymität ist zu sagen, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der geschilderten Form eine entsprechende Öffnung der beiden Unternehmen voraussetzt. So ist beispielsweise jeder Verbesserungsansatz seitens des Chemieunternehmens in Bezug auf die Reini- gungsprozesse der Molkereigenossenschaft in hohem Maße gefährdet, wenn diese nicht bereit ist, die entsprechenden Abläufe und sonstigen Begleitumstände rückhaltlos offenzulegen. Selbiges gilt umgekehrt auch für das Chemieunternehmen, welches aufgefordert ist, die neuesten technischen Errungenschaften und wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Analysen einfließen zu lassen, da an- derenfalls in gleicher Weise ein nachhaltiger Erfolg eher unwahrscheinlich ist. Aus diesen Gründen ist es daher keinesfalls abwegig, von der Ausprägung einer Kooperationsbe- ziehung zu sprechen, bei der eine ausgeprägte wechselseitige Ziel-/Mittelverflechtung vorherrscht, die sich deutlich von einem anonymen, einseitig an Angebot und Nachfrage ausgerichtetem Markt- bzw. Tauschmechanismus unterscheidet. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass die gegenseitige Einengung der Handlungsspielräume bei den Beteiligten auf freiwilliger Basis erfolgt und das tatsächliche Handeln, schon allein der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der beiden Unternehmen wegen weder umfassend kontrolliert noch erzwungen werden kann1103. 1101 hierbei handelt es sich um eine Koordination über die Handlungsabsichten statt über die Handlungsfolgen, vgl. Kapitel 3.1.1.3 1102 vgl. das Paradoxon der Freiheit nach Boettcher Kapitel 3.1.1 1103 vgl. bezüglich der erarbeiteten Kooperationskriterien auch Kapitel 3.1.1.3 344 Ruft man sich schließlich das ein oder andere Koordinations- bzw. Interaktionsmerkmal in Erinne- rung, durch welche die Ausprägung einer Kooperation zum Tragen kommt, so spricht auch hier einiges dafür, dass es sich bei der Form der geschilderten Zusammenarbeit um eine Kooperation handelt1104. So stehen bezüglich des Interaktions- bzw. Steuerungsmediums nicht mehr Angebot und Nachfrage, sondern die Kommunikation von Interessen, die es vor und während der eigentlichen Leistungs- erbringung permanent abzugleichen gilt, im Mittelpunkt der Betrachtung. Was die Konfliktbewälti- gung angeht, so greift auch hier ein einseitiges Verhandeln oder Feilschen über Preise mit Sicher- heit zu kurz. Vielmehr hat diese schon allein wegen der hohen Verflechtung der gegenseitigen Inte- ressen durch Kommunikation und Reziprozität zu erfolgen. In Bezug auf den wechselseitigen Bin- dungs- und Verpflichtungsgrad ist zu sagen, dass dieser eher hoch einzuschätzen ist, zumal durch die Aufhebung der Anonymität und die Einschränkung der Entscheidungsautonomie (siehe oben) eine solche Beziehung nicht ohne weiteres von heute auf morgen beendet werden kann. Ferner ist im Hinblick auf die Grundmotive des Handelns der beteiligten Unternehmen festzustellen, dass von einem eigenständigen Erfolgsstreben wie dies früher innerhalb des beschriebenen einfachen Kun- den-/Lieferantenverhältnisses der Fall gewesen ist, nur noch eingeschränkt die Rede sein kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Erreichen einer gemeinsamen Win-Win-Situation sowie die Verbesserung der Innovations- und Konkurrenzfähigkeit das Denken und Handeln der Akteure in zentraler Weise beeinflusst. Somit ist es unstrittig, dass es sich bei der derzeitig vorliegenden Form der Zusammenarbeit eindeu- tig um eine Kooperation zwischen zwei rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen handelt, die auf der Basis einer wechselseitigen Ziel-/Mittelverflechtung versuchen, durch gemein- same Anstrengungen am Markt erfolgreich zu bestehen. 6.2 Die zentralen Gründe zur Durchführung der Fallstudie und die beabsich- tigte Vorgehensweise Vergegenwärtigt man sich die eben analysierte Entwicklungsgeschichte der beiden Unternehmen etwas genauer, so ist zweifelsohne anzuerkennen, dass große Fortschritte im Rahmen der gemein- samen Zusammenarbeit gemacht worden sind. Dies wird u.a. dadurch untermauert, dass es im Lau- fe der letzten Jahre zu einer Umsatzverdreifachung zwischen den Kooperationspartnern gekommen ist, was im Wesentlichen auf die veränderte bzw. intensivere Form der Zusammenarbeit mit deut- lich höheren Wertschöpfungsanteilen zurückgeführt wird1105. Auf der Grundlage dieser unbestreitbaren Erfolge und dem bis dato positiven Entwicklungsweg ist seitens der Verantwortlichen in den beiden Unternehmen die Vorstellung gereift, dass es an der Zeit ist, die bestehende Kooperationsbeziehung einem Review von unabhängiger dritter Seite zu unter- ziehen. Dem vorausgegangen war eine Reihe von Präsentationen bzw. Interviews, welche der Autor an verantwortlicher Stelle bei den betreffenden Unternehmen hielt bzw. führte. Im Rahmen dieser Treffen kam man überein, dass eine genauere Analyse des derzeitigen Status quo der Kooperations- 1104 vgl. hinsichtlich der Ausprägung einzelner Koordinations- und Interaktionsmerkmale in Bezug auf verschiedene wirtschaftliche Interaktionsformen Kapitel 3.2.2 ff. sowie die Abbildungen 48 und 49 1105 Die Aussagen basieren auf einem Interview mit einem Mitarbeiter des Chemieunternehmens am 19.12.01. 345 beziehung und die Ableitung daraus folgender Handlungsempfehlungen aus mehreren Gründen Sinn macht1106. Diesbezüglich ist zunächst zu erwähnen, dass sich die beteiligten Unternehmen bzw. deren leitende Mitarbeiter zwar voll und ganz über die Notwendigkeit eines vermehrten Eingehens von Kooperati- onen bewusst sind, jedoch weit gehend Unklarheit darüber besteht, wie Kooperationen inhaltlich ausgerichtet werden können und wodurch sich diese infolge charakterisieren bzw. bewerten lassen. Des Weiteren sind sich die Beteiligten einerseits darüber im Klaren, dass die bestehende kooperati- ve Zusammenarbeit weit über das normale Maß einer einfachen Kunden-/Lieferantenbeziehung hinausgeht. Andererseits fällt es ihnen aber sichtlich schwer, den genauen Status quo der Koopera- tionsbeziehung zu erfassen bzw. entsprechende Entwicklungspotenziale daraus ableiten zu können. Darüber hinaus ist auffällig, dass es an tiefer gehenden Kenntnissen über die Steuerungsmechanis- men von Kooperationen mangelt. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Beteiligten auf der einen Seite offen von dem Wunsch nach partnerschaftlichen Beziehungen zur Abwicklung von Lö- sungsgeschäften reden. Auf der anderen Seite sind aber die veränderten Funktions- bzw. Stellpara- meter (Stichwort Kommunikation von Interessen als wesentliche Interaktionsvariable, siehe Kapitel 3.1.1.3), die für einen möglichst reibungslosen Ablauf einer solchen weitergehenden Zusammenar- beit sorgen, nur unzureichend oder gar nicht bekannt. Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass sich trotz der unbestreitbaren Erfolge in den vergan- genen Jahren bei den Beteiligten zumindest ansatzweise der Eindruck verfestigt hat, dass die Ko- operationsbeziehung nicht mehr ganz so rund läuft bzw. die ersten Erscheinungen von Stillstand oder gar Rückschritt zu Tage treten. Dieses hat die Verantwortlichen in ihrem Ansinnen bestärkt, sich einmal grundsätzlich mit dem derzeitigen Entwicklungsstand der Kooperation und den ihr in- härenten Potenzialen aber auch Risiken auseinandersetzen zu wollen. Vor diesem Hintergrund kam man seitens der erwähnten Unternehmen überein, mittels der vorlie- genden Fallstudie zumindest näherungsweise für Transparenz bzw. für ein tieferes Verständnis der oben angeführten offenen Punkte und Fragen zu sorgen. 6.2.1 Die Vorgehensweise im Rahmen der Fallstudie und die dahinter stehenden Zielvorstel- lungen Die Grundlage zur Durchführung der Fallstudie sind die in Kapitel 5 vorgestellten Fragebögen. Hierbei handelt es sich auf der einen Seite um einen vor allem an allgemeinen Fragestellungen ori- entierten Fragebogen, welcher einer ersten Verortung der Kooperationsbeziehung auf dem Kooperationswürfel (vgl. Abbildung 51), einer qualifizierten Aufnahme der einzelnen interorganisationalen Beziehungsebenen und der dahinter stehenden Verhaltensgrundlagen1107 dient. Weiterhin nützt er zur Darstellung des derzeitigen Zielerreichungsgrades und einer Bewertung des zukünftigen Engagements des jeweiligen Unternehmens (siehe Anhang 1). Auf der anderen Seite ist der an strategischen Fragestellungen ausgerichtete Fragebogen in Erinne- rung zu rufen. Dieser berücksichtigt in besonderer Weise, dass zur Lösung strategischer Aufgaben innerhalb einer entsprechend ausgerichteten Kooperation ein anderes Entwicklungsniveau der ein- zelnen interorganisationalen Beziehungsebenen erforderlich ist, welches es mittels spezieller Frage- stellungen zu erfassen gilt1108 (siehe Anhang 2). 1106 Die nachfolgenden Anmerkungen basieren auf einer Reihe von Präsentationen bzw. Interviews, die der Autor im Vorfeld der eigentlichen Untersuchungen mit den Verantwortlichen der beteiligten Unternehmen in den Monaten September und Oktober 2001 durchgeführt hat. 1107 vgl. die Aussagen über die Einfluss-, Wissens- und Leistungsbeziehungen in Kapitel 3.2.3.2 ff. 1108 vgl. bezüglich des erforderlichen Entwicklungsniveaus der einzelnen interorganisationalen Beziehungsebenen zur Lösung strategischer Fragestellungen insbesondere Kapitel 4.5 ff. 346 Hieraus lässt sich daher ableiten, dass die Fragebögen zur Bewertung der bestehenden Kooperation zwischen dem Chemieunternehmen und der Molkereigenossenschaft in erster Linie folgende grund- sätzliche Aussagen liefern: Ɣ Verortung der bestehenden Kooperation auf dem Kooperationswürfel Ɣ Erfassung des derzeitigen Status quo auf den einzelnen Beziehungsebenen Ɣ Gewinnung von Aussagen über die vorzufindenden Rahmenbedingungen sowie dem momenta- nen Zielerreichungsgrad Ɣ Schaffung von Transparenz bezüglich des jeweiligen Engagements der Beteiligten Ɣ Einschätzung des der Kooperation inhärenten Risiko- und Entwicklungspotenzials Um diese Daten zu erheben, ist auf Basis der Fragebögen eine Interviewserie durchgeführt worden, welche das Kernstück der Fallstudie bildet. In diesem Zusammenhang wurden pro Unternehmen sechs Mitarbeiter befragt, die jeweils unter- schiedlichen Hierarchiestufen angehören (Direktion, Verkaufs- und Projektleitung vor Ort auf Sei- ten des Chemieunternehmens sowie Werks-, Produktions- und Projektleitung vor Ort bezüglich der Molkereigenossenschaft). Die Basis bildeten dabei Einzelinterviews, die der Autor mit den Mitarbeitern geführt hat und bei welchen die Fragebögen im Beisein des Autors ausgefüllt worden sind. Diesbezüglich ist hinzuzu- fügen, dass der Einfachheit halber der eher strategisch ausgerichtete Fragebogen in den allgemein ausgerichteten Fragebogen integriert worden ist, so dass alle Mitarbeiter einen einzigen gleichen Fragebogen auszufüllen hatten. Die im Rahmen der Einzelinterviews ausgefüllten zwölf Fragebögen sind darauf gemäß des erwähnten Bewertungsverfahrens (vgl. Kapitel 5.1 f.) ausgewertet worden. In Bezug auf die mit der Fallstudie verbundenen weitergehenden Zielvorstellungen ist hinzuzufü- gen, dass diese mehrere Bereiche umfassen. So erhoffen sich die Beteiligten eine fundierte Aussage darüber, wie es um die Positionierung der Kooperation auf dem Kooperationswürfel bestellt ist. Dabei geht es insbesondere darum, herauszu- finden, inwieweit sich die Eigeneinschätzung der Beteiligten bezüglich des Dynamisierungsgrades der Kooperation mit den Ergebnissen des Bewertungsverfahrens tatsächlich deckt oder ob es zu größeren Abweichungen kommt und wie dies zu erklären ist. Des Weiteren sind Anmerkungen hinsichtlich des Entwicklungspotenzials der Kooperation ge- wünscht. Diese Vorstellung zielt darauf ab, auf Basis der gefundenen Ergebnisse einige Perspekti- ven im Hinblick auf die weitere Zusammenarbeit abzuleiten und damit einige konkrete Anhalts- punkte für die weitere Vorgehensweise zu haben. Eng mit diesem Punkt verbunden ist die Heraus- arbeitung einiger valider Handlungsempfehlungen, die im Wesentlichen auf drei Teilbereiche abzie- len: 1. Festigung der bestehenden Kooperation durch die Vertiefung einzelner Beziehungsebenen 2. Höherentwicklung der gesamten Kooperation 3. Neuausrichtung der Kooperation bei erkennbaren Fehlentwicklungen Inwieweit die aus der Fragebogenaktion resultierenden Ergebnisse und die daran anschließenden (Potenzial-) Bewertungen tatsächlich geeignet sind, den mittels der Zielvorstellungen geäußerten Ansprüchen gerecht zu werden, wird ausführlich Gegenstand der folgenden Kapitel sein. 347 6.3 Auswertung und Analyse der aus der Fragebogenaktion resultierenden Er- gebnisse Die erste Aufgabe der Befragten in Bezug auf das Ausfüllen des Fragebogens bestand darin, eine Einschätzung auf dem Kooperationswürfel vorzunehmen, wie sie die derzeitige Ausprägung der Kooperation hinsichtlich der Charakteristiken operativ – strategisch, paralleles Konkurrenzverhält- nis ja/nein sowie statisch – dynamisch einschätzen. Dem vorausgegangen war eine ausführliche Erläuterung im Rahmen der Einzelinterviews, was sich hinter den einzelnen Ausprägungsformen verbirgt. Schaut man sich in diesem Zusammenhang die Verortungen auf dem Kooperationswürfel an, die die interviewten Mitarbeiter der beiden Unternehmen gemäß ihrer persönlichen Einschätzung vor- genommen haben, so fällt sofort ins Auge, dass es in keinem Fall zu einer Beurteilung kam, die auf das Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses zwischen den Kooperationspartnern hindeutet. Das bedeutet, es wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass keinerlei paralleles Wettbewerbs- verhältnis zwischen den Partnern besteht. Aus diesem Grund konzentriert sich die Einschätzung der Kooperationsbeziehung ausschließlich auf das Viereck A1 – B1 – C1 – D1, welches Aussagen darüber liefert, inwieweit es sich bei einer Kooperation ohne parallele Konkurrenzsituation um eine eher statisch oder eher dynamisch ausge- richtete Kooperation handelt bzw. ob diese mehr strategisch oder eher operativ ausgerichtet ist (vgl. Abbildung 51, Kapitel 4). Dabei fällt bei der näheren Betrachtung der einzelnen Beurteilungen innerhalb des betreffenden Bereiches auf, dass sich die Verortungen auf dem Kooperationswürfel sowohl bezogen auf das ein- zelne Unternehmen als auch unternehmensübergreifend in starken Maße ähneln. Dies geht aus der nachfolgenden Gegenüberstellung deutlich hervor: 1) Einschätzung 2) Einschätzung Mitarbeiter Chemieunternehmen Mitarbeiter Molkereigenossenschaft C1 SSo D1 SDo B1 ODoK A1 OSoK C1 SSo D1 SDo B1 ODoK A1 OSoK 348 Zwar haben auch hier die Hälfte der Mitarbeiter die gleiche Sichtweise wie jene des Chemieunter- nehmens. Es gibt allerdings auch einen Mitarbeiter, der die Kooperation eher im statischen operati- ven Bereich sieht sowie zwei andere Mitarbeiter, die nicht nur von einer mehr oder weniger dyna- misch-operativen Kooperation sprechen, sondern zusätzlich auch ansatzweise die Umsetzung stra- tegischer Fragestellungen innerhalb der Kooperation gewährleistet sehen. Somit kann in einer ersten Näherung festgestellt werden, dass alle befragten Mitarbeiter von einer Kooperation ohne ein gleichzeitig vorhandenes Konkurrenzverhältnis ausgehen. Weiterhin sind drei Viertel aller Mitarbeiter der Überzeugung, es ausschließlich mit einer operativen Kooperation zu tun zu haben. Von diesen drei Vierteln sind 88% der Meinung, dass es sich um eine bedingt bis um- fassend dynamische Kooperation handelt, während die restlichen 12% glauben, dass die Koopera- tion eher statisch ausgerichtet ist. Legende: A1: Operativ/Statisch/ohne Konkurrenz B1: Operativ/Dynamisch/ohne Konkurrenz C1: Strategisch/Statisch/ohne Konkurrenz D1: Strategisch/Dynamisch/ohne Konkurrenz Hieraus lässt sich zumindest annäherungsweise ableiten, dass die Mehrheit der Mitarbeiter vom Vorliegen einer operativen Kooperation ausgeht, was sich im Übrigen auch mit den obigen Aussa- gen in Bezug auf die heutige Ausprägung der Geschäftsbeziehung deckt (vgl. Kapitel 6.1.1). Dabei gehen die Meinungen insbesondere bei den Mitarbeitern des Chemieunternehmens unverkennbar in eine mehr oder weniger einheitliche Richtung. So sind diese, bis auf eine kleine Abweichung, vom Vorherrschen einer bedingt bzw. in Ansätzen umfassend dynamischen operativen Kooperation ü- berzeugt. Etwas diversifizierter ist das Meinungsbild bei den Mitarbeitern der Molkereigenossenschaft. Ein Viertel aller Befragten geht hingegen davon aus, dass die Kooperation nicht allein bedingt bis umfassend dynamisch und operativ ausgerichtet ist, sondern zusätzlich auch in Ansätzen strategi- sche Fragestellungen zum Tragen kommen, ohne dass gleichzeitig von einer strategischen Koopera- tion gesprochen werden kann. 6.3.1 Die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens auf der Basis des allgemein bzw. operativ ausgerichteten Teils des Fragebogens und die daraus folgenden Konsequenzen Hierzu ist zunächst anzumerken, auf welche Art und Weise die folgenden Auswertungen zu Stande kommen. Bezüglich der einzelnen Fragenkomplexe (Koordinations- und Einflussbeziehungen, Informations- und Wissensbeziehungen, Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen, Leistungsbeziehung und Zielerreichungsgrad, zukünftig erwartete Rahmenbedingungen und eigenes Engagement, siehe An- hang 1) werden die von den Befragten angekreuzten Antworten, die jeweils einer Skalierung unter- liegen, aufsummiert und von dieser Summe wird der Mittelwert gebildet. Dieser Mittelwert steht für den Dynamisierungsgrad innerhalb des jeweiligen Fragenbereiches auf der Grundlage der Bewer- tung eines jeden Mitarbeiters. Durch eine einfache Aufsummierung der einzelnen Mittelwerte und der erneuten Mittelwertbildung von diesem Ergebnis gelangt man zu dem übergreifenden Dynami- sierungsgrad aller Mitarbeiter eines Unternehmens bzw. zu einem unternehmensübergreifenden Ergebnis, bezogen auf einen Fragenkomplex. Auf die gleiche Art und Weise lassen sich natürlich auch (unternehmens-) übergreifende Dynamisierungsgrade über alle Fragen hinweg herausfinden. 349 Vor diesem Hintergrund sehen die ermittelten Ergebnisse wie folgt aus. Bezüglich der Bewertung der Einfluss- und Koordinationsbeziehungen treten folgende Dynamisie- rungsgrade zutage: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Koordinations- und Einflussbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,92 Mitarbeiter 2 4,33 Mitarbeiter 3 3,79 Mitarbeiter 4 4,83 Mitarbeiter 5 4,5 Mitarbeiter 6 3,63 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,17 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Koordinations- und Einflussbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,75 Mitarbeiter 2 4,77 Mitarbeiter 3 4,67 Mitarbeiter 4 5,02 Mitarbeiter 5 4,55 Mitarbeiter 6 5,5 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,71 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,44 350 Was die Auswertungen der Beurteilung der Informations- und Wissensbeziehungen anbelangt, so ergibt sich folgendes Bild: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Informations- und Wissensbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,5 Mitarbeiter 2 4,25 Mitarbeiter 3 3,69 Mitarbeiter 4 4,25 Mitarbeiter 5 3,0 Mitarbeiter 6 2,55 Mittelwert aller Mit- arbeiter 3,54 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Informations- und Wissensbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 2,63 Mitarbeiter 2 3,74 Mitarbeiter 3 3,03 Mitarbeiter 4 4,34 Mitarbeiter 5 4,15 Mitarbeiter 6 1,75 Mittelwert aller Mit- arbeiter 3,27 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 3,41 351 In Bezug auf die Ausprägung des interorganisationalen Vertrauens und den dahinter stehenden Ver- haltensgrundlagen ist anzumerken: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Vertrauensbasis und die Verhaltensgrundlagen betreffen, im Durch- schnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 4,58 Mitarbeiter 2 4,92 Mitarbeiter 3 4,62 Mitarbeiter 4 4,97 Mitarbeiter 5 4,5 Mitarbeiter 6 4,42 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,67 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Vertrauensbasis und die Verhaltensgrundlagen betreffen, im Durch- schnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,83 Mitarbeiter 2 4,41 Mitarbeiter 3 4,49 Mitarbeiter 4 4,58 Mitarbeiter 5 4,54 Mitarbeiter 6 4,67 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,42 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,55 352 Geht man im Weiteren auf die Ergebnisse der Einschätzung des Status quo bezüglich der Leis- tungsbeziehungen und den Zielerreichungsgrad ein, ist folgendes festzustellen: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Leistungsbeziehungen und den Zielerreichungsgrad betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 2,33 Mitarbeiter 2 3,67 Mitarbeiter 3 3,67 Mitarbeiter 4 4,37 Mitarbeiter 5 3,0 Mitarbeiter 6 3,08 Mittelwert aller Mit- arbeiter 3,35 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Leistungsbeziehungen und den Zielerreichungsgrad betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 2,94 Mitarbeiter 2 3,71 Mitarbeiter 3 3,42 Mitarbeiter 4 3,92 Mitarbeiter 5 4,43 Mitarbeiter 6 3,58 Mittelwert alle Mit- arbeiter 3,67 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 3,51 353 Bei der Analyse der zwischenbetrieblichen Rahmenbedingungen, die es im weiteren Verlauf der Kooperation zu berücksichtigen gilt, wurden folgende Werte ermittelt: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die zukünftig erwarteten Rahmenbedingungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 4,83 Mitarbeiter 2 4,33 Mitarbeiter 3 4,05 Mitarbeiter 4 5,07 Mitarbeiter 5 5,17 Mitarbeiter 6 3,12 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,43 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die zukünftig erwarteten Rahmenbedingungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,5 Mitarbeiter 2 4,3 Mitarbeiter 3 4,04 Mitarbeiter 4 4,38 Mitarbeiter 5 4,85 Mitarbeiter 6 3,67 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,12 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,28 354 Was schließlich das zu erwartende Engagement angeht, so haben die befragten Mitarbeiter die Situ- ation wie folgt eingeschätzt: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die das zukünftige eigene Engagement betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,4 Mitarbeiter 2 4,0 Mitarbeiter 3 3,8 4,38 Mitarbeiter 5 4,4 Mitarbeiter 6 3,38 Mittelwert aller Mit- arbeiter 3,89 Mitarbeiter 4 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die das zukünftige eigene Engagement betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: 4,5 Mitarbeiter 3 4,45 Mitarbeiter 4 5,09 Mitarbeiter 5 4,3 4,81 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,63 Mitarbeiter 1 4,6 Mitarbeiter 2 Mitarbeiter 6 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,26 355 Auf Grundlage der obigen Auswertungen lassen sich darüber hinaus eine Reihe von Gesamtdyna- misierungsgrade ermitteln. Diese können wiederum auf das einzelne oder auf beide Unternehmen zusammen bezogen werden. Bei der Betrachtung der Einschätzung über alle Bereiche hinweg ergibt sich in Bezug auf die Mol- kereigenossenschaft: Bereich Mittelwert Koordinations- und Einflussbeziehungen 4,17 Informations- und Wissensbeziehungen 3,54 Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen 4,67 Leistungsbeziehung und Zielerreichungsgrad 3,35 Zukünftig erwartete Rahmenbedingungen 4,43 Eigenes Engagement 3,89 Gesamt 4,01 Bezüglich des Chemieunternehmens sieht die Auswertung wie folgt aus: Bereich Mittelwert Koordinations- und Einflussbeziehungen 4,71 Informations- und Wissensbeziehungen 3,27 Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen 4,42 Leistungsbeziehung und Zielerreichungsgrad 3,67 Zukünftig erwartete Rahmenbedingungen 4,12 Eigenes Engagement 4,63 Gesamt 4,14 Somit ergibt sich insgesamt für beide Unternehmen folgendes Bild: Bereich Mittelwert Koordinations- und Einflussbeziehungen 4,44 Informations- und Wissensbeziehungen 3,41 Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen 4,55 Leistungsbeziehung und Zielerreichungsgrad 3,51 Zukünftig erwartete Rahmenbedingungen 4,28 Eigenes Engagement 4,26 Gesamt 4,08 356 6.3.1.1 Analytische Betrachtung der Ergebnisse des Bewertungsverfahrens In diesem Zusammenhang fällt sofort ins Auge, dass die ermittelten unternehmensbezogenen bzw. unternehmensübergreifenden Dynamisierungsgrade (4,01 bezogen auf die Molkereigenossenschaft, 4,14 bezogen auf das Chemieunternehmen und 4,08 gesamt gesehen) im Großen und Ganzen dem entsprechen, was sich bereits bei der ersten oberflächlichen Verortung auf dem Kooperationswürfel abgezeichnet hat (vgl. Kapitel 6.3). Das heißt, das Vorliegen einer bedingt bis ansatzweise umfas- send dynamischen Kooperation wird anhand der eruierten Zahlen bestätigt. Geht man im Weiteren genauer auf die ermittelten Zahlen innerhalb der einzelnen Fragenkomplexe ein, ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild. Unternehmensübergreifend gibt es einige Bereiche, die einen mehr oder weniger hohen Dynamisie- rungsgrad aufweisen wie dies bei den Koordinations- und Einflussbeziehungen (4,44), der Vertrau- ensbasis und den Verhaltensgrundlagen (4,55) sowie den zu erwartenden Rahmenbedingungen (4,28) und dem Engagement (4,26) der Fall ist. Bei den Informations- und Wissensbeziehungen (3,41) sowie den Leistungsbeziehungen und dem Zielerreichungsgrad (3,51) kann hingegen eher von einem mittleren Dynamisierungsgrad gesprochen werden. Hieraus lässt sich u.a. ableiten, dass insbesondere die interorganisationale Vertrauensbasis und die dahinter stehenden Verhaltensgrundlagen auf einer soliden Basis stehen, die über Jahre gewachsen ist und bei weitem nicht nur auf eigenschaftsbasiertem oder institutionellem Vertrauen beruht, son- dern zu großen Teilen auch ein prozessbasiertes Vertrauen umfasst. Parallel dazu kann des Weiteren davon gesprochen werden, dass das wechselseitige Miteinander sich durch ein hohes Maß an syne- goistischem Verhalten auszeichnet. Das heißt, man geht auf den anderen zu, legt ein konsensorien- tiertes Verhalten an den Tag und versucht möglichst frühzeitig Konflikte proaktiv anzugehen. Hier- aus ist zu folgern, dass die Gefahr einer gegenseitigen Übervorteilung im Grunde nahezu vernach- lässigt werden kann1109. Einen ähnlichen Entwicklungsstand haben, wenn auch in etwas abgeschwächterer Form, die Koor- dinations- und Einflussbeziehungen. Hier besteht zweifelsohne ein großer Hang zu erkenntnis- und konsensbezogenen, sprich integrativen Entscheidungs- bzw. Koordinationsmechanismen. Im Rah- men dieser Prozesse findet auch eine fundierte Auseinandersetzung mit den Denk- und Sichtweisen des Gegenüber statt, begleitet von dem Anspruch, mehr als nur oberflächlich die wechselseitigen Problembelange und Wahrnehmungsmuster aller Beteiligten bei der Entscheidungsfindung zu be- rücksichtigen1110. Als nahezu logische Konsequenz dieser Feststellungen sind auch die überdurchschnittlichen Ergeb- nisse bezüglich der zu erwartenden Rahmenbedingungen sowie des Engagements der beiden Unter- nehmen zu werten. Erstere lassen sich dahingehend interpretieren, dass einer weiteren fundierten und vertieften Zusam- menarbeit nichts im Wege steht und ein großes Interesse an der erfolgreichen Weiterführung der Kooperation besteht. Durch Letztere kommt wiederum zum Ausdruck, dass die Unternehmen nicht nur den Wunsch nach einer Intensivierung der Kooperationsbeziehung an den Tag legen, sondern auch bereit sind, die hierfür benötigten Mittel bereitzustellen. Was die Informations- und Wissensbeziehungen angeht, so sind hier durchaus positive Ansätze zu erkennen, jedoch bleibt der Dynamisierungsgrad ein Stück weit hinter eben genannten Bereichen zurück. Daraus lässt sich schließen, dass es einerseits zwar zu einem (fallweisen) Austausch von expliziten und impliziten Wissensbestandteilen kommt, aber andererseits nur mit Einschränkungen von einem wirklich strukturierten interorganisationalen Lernprozess, der darüber hinaus auch noch in fundierter Weise elektronisch untermauert ist, auszugehen ist. Das heißt, es bestehen auf der ei- 1109 vgl. zum (interorganisationalen) Vertrauen und dessen Bestandteilen sowie der Ausprägung eines synegoistischen Verhaltens, siehe ausführlich Kapitel 3.2.4. ff. 1110 vgl. bezüglich der wichtigsten Prinzipien der interorganisationalen Entscheidungsfindung Kapitel 3.2.3.2.2.1 ff. 357 nen Seite keine Vorbehalte hinsichtlich einer Übertragung von impliziten Wissensbestandteilen, wo dies im Rahmen der Kooperation erforderlich ist. Auf der anderen Seite kann allerdings von einer regelmäßigen gemeinsamen Generierung neuer Wissensbestandteile (Stichwort interorganisationa- les Lernen) in Form institutionaler Lernprozesse nur am Rande gesprochen werden1111. Einen ähnlichen durchschnittlichen Dynamisierungsgrad weisen die Leistungsbeziehungen bzw. der Zielerreichungsgrad auf. Diesbezüglich ist zu folgern, dass es den Unternehmen trotz einiger positi- ver Ansätze bis dato noch nicht in umfassender Weise gelungen ist, wirklich nachhaltige Erfolge auf der Leistungsebene zu erzielen. Hierfür lassen sich verschiedene Gründe anbringen. Zum einen kommt beispielsweise ein Umsetzungsdefizit in Betracht, welches sich darin äußert, dass die Zeitspanne von der Ideengenerierung bis zur tatsächlichen Implementierung eine über Ge- bühr hohe Zeitspanne in Anspruch nimmt oder aber gute Ideen gar nicht umgesetzt werden. Des Weiteren ist auch ein unzureichender Einsatz der zur Verfügung stehenden Informations- und Kom- munikationstechnologien denkbar. Das darin liegende mögliche hohe Einsparpotenzial wird dabei im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit nicht oder nur ungenügend realisiert. Zum anderen kann die durchschnittliche Dynamik bei den Leistungsbeziehungen auch mit einem Wis- sensdefizit begründet werden. Dieses äußert sich darin, dass sich die Beteiligten trotz aller erkenn- baren positiven Entwicklungen nicht wirklich darüber im Klaren sind, was die wesentlichen techni- schen und psychologischen Anknüpfungspunkte hinsichtlich einer nachhaltigen Verbesserung der Leistungsbeziehungen sind1112. Unterzieht man abschließend die analysierten Bereiche in Bezug auf das einzelne Unternehmen einer näheren Betrachtung und vergleicht diese miteinander, so ist festzustellen, dass sich die jewei- ligen Dynamisierungsgrade bis auf die Koordinationsbeziehungen (4,17 bei der Molkereigenossen- schaft zu 4,71 bei dem Chemieunternehmen) und das Engagement (3,89 bei der Molkereigenossen- schaft zu 4,63 bei dem Chemieunternehmen) durchaus ähneln. Das bedeutet, sowohl hinsichtlich der überdurchschnittlichen Dynamisierungsausprägungen bei der Vertrauensbasis und den erwarte- ten Rahmenbedingungen als auch bezüglich der eher durchschnittlichen Ausprägungen bei den Wissens- und Leistungsbeziehungen liegen die Einschätzungen der Mitarbeiter der beiden Unter- nehmen in einer relativ engen Schwankungsbreite (etwa +/- 0,30). Hierdurch wird die Homogenität der Ergebnisse unterstrichen sowie die Erkenntnis, dass die einzelnen zu bewertenden Bereiche von den Mitarbeitern hinsichtlich ihrer Dynamisierung ähnlich eingeschätzt werden. Dies ist vor allem deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil somit eine hohe Gleichverteilung vorliegt und die Ergebnisse nicht in erster Linie dadurch zu Stande kommen, dass das eine Unternehmen einen Bereich besonders hoch bewertet und das andere denselben Bereich eher niedrig. Dadurch wird die bisherige Entwicklung der Kooperation von den Mitarbeitern beider Unternehmen in etwa gleich eingeschätzt. Es gibt demnach keine größeren Divergenzen, die Anlass zu vertiefenden Dis- kussionen geben, sondern man kann von einer fundierten, ausgewogenen, kooperativen Grundlage sprechen. Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Ungleichgewicht der jeweiligen Dynamisierungsgrade bei den Koordinations- und Einflussbeziehungen sowie des Engagements ist zu sagen, dass seitens der Molkereigenossenschaft beide Bereiche nicht in gleicher Weise mit den hohen Werten, etwa in Bezug auf die Vertrauensbasis oder die angenommenen Rahmenbedingungen, Schritt halten. Setzt man diese Erkenntnis darüber hinaus mit dem geringen Wert des Zielerreichungsgrades von 3,35 in Verbindung, lässt sich daraus ableiten, dass das vergleichsweise geringe Engagement mit für die eher durchschnittliche Ausprägung der Leistungsbeziehungen bzw. des Zielerreichungsgrades ver- antwortlich ist. 1111 vgl. in Bezug auf die denkbare Ausprägung zwischenbetrieblicher Informations- und Wissensbeziehungen Kapitel 3.2.3.2.3 ff. 1112 vgl. bezüglich der Einsatzmöglichkeiten der IuK-Technologien Kapitel 2.2 ff. sowie 3.1.2.2 ff. und in Bezug auf psychologische Rahmenbedingungen der Entwicklung von Kooperationen Kapitel 3.2.3 ff. 358 Sollte dies so bleiben, besteht zumindest latent die Gefahr, dass das auf Dauer tatsächlich an den Tag gelegte Verhalten gerade bei der Molkereigenossenschaft nicht immer in gleicher Weise mit den hohen Ansprüchen in Einklang zu bringen ist und auf diese Weise die Entwicklung der gesam- ten Kooperation beeinträchtigt wird (siehe hierzu vertiefend Kapitel 6.4 ff.). Nach diesen Auswertungen und Analysen des allgemeinen und operativen Teils des Fragebogens wird nach derselben Methodik der strategische Teil einer genaueren Betrachtung unterzogen. 6.3.2 Die Ergebnisse des strategischen Teils des Fragebogens und die sich daraus ergebende analytische Bewertung Im Hinblick auf die Auswertung des strategisch ausgerichteten Fragenkomplexes ist voranzustellen, dass auf Grund der erkennbaren operativen Ausrichtung der Kooperation dieser Teil separat analy- siert wird, so dass eine eindeutige Trennung bzw. eine getrennte analytische Erfassung der beiden Bereiche möglich ist. Weiterhin sei daran erinnert, dass sich die strategisch ausgerichteten Fragen auf die Koordinations- und Wissensbeziehungen, die Vertrauensbasis sowie die zu erwartenden Rahmenbedingen konzent- rieren, da sowohl die Erfassung der Leistungsbeziehungen als auch das Engagement dem eben ana- lysierten allgemeinen Teil zuzuordnen sind. Somit ergibt sich hinsichtlich der Koordinations- und Einflussbeziehungen folgendes Bild: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Koordinations- und Einflussbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 4,75 Mitarbeiter 2 4,0 Mitarbeiter 3 4,54 Mitarbeiter 4 4,23 Mitarbeiter 5 4,0 Mitarbeiter 6 1,62 Mittelwert aller Mit- arbeiter 3,86 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Koordinations- und Einflussbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 3,5 Mitarbeiter 2 4,19 Mitarbeiter 3 3,94 Mitarbeiter 4 4,6 Mitarbeiter 5 4,6 Mitarbeiter 6 5,5 359 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,39 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,13 Bezüglich der Wissens- und Informationsbeziehungen zeigt die Auswertung folgende Ergebnisse: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Informations- und Wissensbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: 2,38 Mitarbeiter 2 4,38 Mitarbeiter 3 3,64 Mitarbeiter 4 3,05 Mitarbeiter 5 3,5 Mitarbeiter 6 2,0 Mittelwert aller Mit- arbeiter 3,16 Mitarbeiter 1 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Informations- und Wissensbeziehungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: 2,38 Mitarbeiter 2 3,58 Mitarbeiter 3 2,83 Mitarbeiter 4 4,18 Mitarbeiter 5 1,8 Mitarbeiter 6 1,25 2,67 Mitarbeiter 1 Mittelwert aller Mit- arbeiter Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 2,92 360 In Bezug auf eine strategische Ausrichtung der Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen ist fest- zustellen: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Vertrauensbasis und die Verhaltensgrundlagen betreffen, im Durch- schnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 4,72 Mitarbeiter 2 4,33 Mitarbeiter 3 4,25 Mitarbeiter 4 5,3 Mitarbeiter 5 4,33 Mitarbeiter 6 4,3 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,54 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die Vertrauensbasis und die Verhaltensgrundlagen betreffen, im Durch- schnitt bewertet wird: 4,0 Mitarbeiter 2 3,98 Mitarbeiter 3 3,85 Mitarbeiter 4 4,58 Mitarbeiter 5 5,08 Mitarbeiter 6 5,67 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,53 Mitarbeiter 1 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,54 361 Was schließlich die erwarteten Rahmenbedingungen anbelangt, so sieht die entsprechende Auswer- tung wie folgt aus: Befragte Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die zukünftig erwarteten Rahmenbedingungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: 4,83 Mitarbeiter 2 4,58 Mitarbeiter 3 4,66 Mitarbeiter 4 4,08 Mitarbeiter 5 4,67 4,15 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,5 Mitarbeiter 1 Mitarbeiter 6 Befragte Mitarbeiter des Chemieunternehmens: Mittelwert, mit welchem die Kooperation über alle Fragen, die die zukünftig erwarteten Rahmenbedingungen betreffen, im Durchschnitt bewertet wird: Mitarbeiter 1 4,67 Mitarbeiter 2 4,31 Mitarbeiter 3 4,19 Mitarbeiter 4 4,82 Mitarbeiter 5 4,2 Mitarbeiter 6 4,85 Mittelwert aller Mit- arbeiter 4,51 Mittelwert der Mit- arbeiter beider Un- ternehmen 4,51 362 Diese Ergebnisse bilden wiederum die Basis für die Ermittlung einiger unternehmensbezogener sowie unternehmensübergreifender Indikatoren, wie die folgenden Tabellen zeigen. Bei der Betrachtung der Einschätzung über alle Bereiche hinweg ergibt sich in Bezug auf die Mol- kereigenossenschaft: Bereich Mittelwert Koordinations- und Einflussbeziehungen 3,86 Informations- und Wissensbeziehungen 3,16 Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen 4,54 Zukünftig erwartete Rahmenbedingungen 4,5 Gesamt 4,02 Bezüglich des Chemieunternehmens sieht die Auswertung wiefolgt aus: Bereich Mittelwert Koordinations- und Einflussbeziehungen 4,39 Informations- und Wissensbeziehungen 2,67 Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen 4,53 Zukünftig erwartete Rahmenbedingungen 4,51 Gesamt 4,03 Somit ergibt sich insgesamt über beide Unternehmen hinweg folgendes Bild: Bereich Mittelwert Koordinations- und Einflussbeziehungen 4,13 Informations- und Wissensbeziehungen 2,92 4,54 Zukünftig erwartete Rahmenbedingungen 4,51 Gesamt 4,03 Vertrauensbasis und Verhaltensgrundlagen 363 6.3.2.1 Analyse der Ergebnisse des strategisch ausgerichteten Teils des Fragebogens Diesbezüglich ist fürs Erste festzustellen, dass sich unternehmensübergreifend nahezu derselbe Dy- namisierungsgrad ergibt, wie dies im Rahmen der allgemeinen bzw. operativ ausgerichteten Frage- stellungen der Fall gewesen ist (4,02 bei der Molkereigenossenschaft und 4,03 bei dem Chemieun- ternehmen). Grundsätzlich ist diese Erkenntnis zunächst einmal positiv zu bewerten. Sie zeigt, dass es innerhalb der interorganisationalen Beziehungsebenen bereits heute durchaus über erste Ansätze hinaus zu Verhaltensweisen kommt, die, insbesondere im Hinblick auf eine (mögliche) strategische Zusammenarbeit, von großer Bedeutung sind (siehe hierzu vertiefend den folgenden Abschnitt). Diese Erkenntnis darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei einer näheren Betrachtung der Ergebnisse einige gewichtige Unterschiede anzumerken sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der nahezu identische Dynamisierungsgrad in erster Linie auf die hohen Werte in den Bereichen Vertrauensbasis (4,54 bei der Molkereigenos- senschaft zu 4,53 bei dem Chemieunternehmen) und erwartete Rahmenbedingungen (4,5 bei der Molkereigenossenschaft und 4,51 beim Chemieunternehmen) zurückzuführen ist. Das Gesamter- gebnis wird auch dadurch stark beeinflusst, dass insgesamt nur vier Bereiche (statt vorher sechs) in die Bewertung einflossen. Des Weiteren ist zu erkennen, dass die Ausprägung der Koordinations- und Einflussbeziehungen ein gutes Stück (3,86 bei der Molkereigenossenschaft und 4,39 beim Chemieunternehmen) und die der Wissens- und Informationsbeziehungen mehr oder weniger enorm hinter den obigen Werten zurückbleibt (3,16 bei der Molkereigenossenschaft und 2,67 beim Chemieunternehmen). Ferner ist auch nicht zu übersehen, dass es innerhalb der beiden eben erwähnten Bereiche zusätz- lich noch zu erkennbaren Schwankungen bezüglich der jeweiligen Einschätzung in den Unterneh- men kommt. Vor diesem Hintergrund ergibt sich letztlich ein geteiltes Bild. Auf der einen Seite ist hinsichtlich der Vertrauensbasis und der Verhaltensgrundlagen zu sagen, dass diese nahtlos an die positiven Ergebnisse des allgemeinen Teils anschließen. Somit ist davon auszugehen, dass im kooperativen Miteinander zumindest teilweise synegoistische Verhaltensprin- zipien (Stichwort vereinbarte Verhaltensspielregeln, vernetztes Denken, gegenseitige Offenheit und Fehlertoleranz) an den Tag gelegt werden, die auch den höheren Ansprüchen strategischer Frage- stellungen genügen1113. Nahezu Gleiches gilt für die erwarteten Rahmenbedingungen, mit dem kleinen Unterschied, dass die entsprechende unternehmensübergreifende Bewertung im Rahmen der strategisch ausgerichte- ten Fragestellungen sogar noch etwas höher ausfiel als zuvor (4,51 im Vergleich zu 4,28). Dieses lässt darauf schließen, dass die Unternehmen nicht nur in hohem Maße an der Lösung strategischer Aufgaben interessiert sind, sondern darüber hinaus auch den Willen zeigen, sich verstärkt mit eige- nen Problemlösungsmustern der zwischenbetrieblichen Wissensbasis oder aber zukünftigen strate- gischen Handlungsfeldern auseinandersetzen zu wollen. Schaut man sich auf der anderen Seite allerdings die momentane Situation bei den Koordinations- und insbesondere den Wissensbeziehungen anhand der jeweiligen Dynamisierungsgrade an, so werden diese den eben zum Ausdruck gebrachten hohen Ansprüchen kaum gerecht. Dies kann im Hinblick auf die Koordinationsbeziehungen damit zusammenhängen, dass eine um- fassende regelbasierte Koordination, eine konsequente Abkehr von einem linearen Ursache-Wirk- ungs-Beziehungsdenken oder eine regelmäßige kreativ-intuitive Auseinandersetzung mit strategi- schen Themenstellungen erst in Ansätzen stattfindet. Einschränkend ist hinzuzufügen, dass diese Anmerkungen laut der Auswertung in erster Linie für die Molkereigenossenschaft zutreffen (Dynamisierungsgrad 3,86), wohingegen das Chemieunter- 1113 vgl. in Bezug auf die zur Lösung strategischer Fragen erforderlichen Verhaltensmuster Kapitel 4.5.4 ff. 364 nehmen einen deutlich höheren Dynamisierungsgrad erreicht (4,39). Dies lässt wiederum den Schluss zu, dass der Entwicklungsstand von den beteiligten Unternehmen recht unterschiedlich be- urteilt wird, und daher nicht von einer unternehmensübergreifenden homogenen Einschätzung ge- sprochen werden kann. Besonders deutlich wird die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit erneut bei den Wissens- und Informationsbeziehungen. Diese weisen einerseits eine beträchtliche Differenz zu den Werten der Vertrauensbasis und der erwarteten Rahmenbedingungen aus. Hieraus geht deutlich hervor, dass von einer strukturierten intensiven Auseinandersetzung mit der interorganisationalen Wissensbasis sowie der Generierung neuer Wissensbausteine im Rahmen einer entsprechenden Lerngemeinschaft keinesfalls die Rede sein kann1114. Andererseits ist erneut ein deutliches Gefälle hinsichtlich der Bewertung der Wissensbeziehungen in den jeweiligen Unternehmen festzustellen, wobei sich die Werte darüber hinaus auf einem ver- hältnismäßig niedrigen Niveau bewegen (3,16 bei der Molkereigenossenschaft gegenüber 2,67 beim Chemieunternehmen). Somit gibt es erneut, wie bei der Einschätzung der Koordinationsbeziehungen, ein relatives Un- gleichgewicht, was die Bewertung des jeweiligen Entwicklungsstandes angeht. Diese augenschein- lichen Divergenzen sprechen für eine eher unausgewogene kooperative Grundlage der beiden Un- ternehmen, wenn es darum geht, sich gemeinsam mehr strategischen Fragestellungen zuzuwenden. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass die obigen Ergebnisse insbesondere bei den Koordinations- und Wissensbeziehungen vor dem Hintergrund der operativ ausgerichteten Kooperation letztlich nicht verwunderlich sind. Dies zeigt, dass gerade bei operativen Kooperationen eine Trennung der Fragenkomplexe sinnvoll ist. Denn anderenfalls würden bei einer Gesamtbewertung niedrigere Dy- namisierungsgrade herauskommen, die jedoch vor dem Hintergrund der eigentlichen operativen Aufgabenstellung ein verzerrtes Bild der eigentlichen Dynamik innerhalb der Kooperation zur Fol- ge hätten. Somit fließen die innerhalb der strategischen Fragestellungen ermittelten Ergebnisse voll- ständig in die Potentialanalyse ein (siehe hierzu vertiefend die Aussagen in dem folgenden Ab- schnitt) und haben keinerlei Auswirkungen auf die Resultate des operativ-allgemeinen Teils. 6.4 Die denkbaren Handlungsoptionen und das hinter der Kooperation stehen- de Entwicklungspotenzial Wie die obigen Auswertungsanalysen gezeigt haben, ist im vorliegenden Fall von einer operativen Kooperation ohne ein parallel bestehendes Konkurrenzverhältnis auszugehen. Der ermittelte Dyna- misierungsgrad von 4,08 über beide Unternehmen hinweg deutet dabei darauf hin, dass es sich um eine bedingt dynamisch ausgeprägte Kooperation handelt. Diesbezüglich ist hervorzuheben, dass sich der von den Mitarbeitern im Rahmen der Verortung auf dem Kooperationswürfel angenommene Dynamisierungsgrad innerhalb der Kooperation zu großen Teilen mit den Ergebnissen des Bewertungsverfahrens deckt. Somit ist festzuhalten, dass die Eigeneinschätzungen der Mitarbeiter bezüglich des Entwicklungs- standes der Kooperation weit gehend von den ermittelten Ergebnissen untermauert werden. Dabei liegen nicht nur die jeweiligen unternehmensbezogenen Werte von 4,01 (Einschätzung der existie- renden Kooperationsdynamik bei der Molkereigenossenschaft) bzw. 4,14 (Einschätzung der existie- renden Kooperationsdynamik bei dem Chemieunternehmen) eng beieinander, sondern es herrscht 1114 vgl. im Zusammenhang mit der Etablierung einer Lerngemeinschaft sowie hinsichtlich der Anforderungen an die Wissens- und Informationsbeziehungen im Rahmen strategischer Fragestellungen Kapitel 3.2.3.2.3.4.4 und 4.5.3 ff. 365 zusätzlich Einigkeit darüber, dass kein Konkurrenzverhältnis und eine in starkem Maße operativ ausgerichtete Kooperation vorliegt. So hat sich, wie eingangs des Kapitels beschrieben, das derzeitige Kooperationsverhältnis aus einer typischen Kunden-/Lieferantenbeziehung heraus entwickelt, wobei ein deutlich erkennbarer Über- Hieraus lässt sich ableiten, dass es zu keinen größeren Fehleinschätzungen bzw. Divergenzen in der Beurteilung seitens der Beteiligten gibt. Dies hat hinsichtlich der Darstellung von Handlungsoptionen den großen Vorteil, dass es weniger darum geht, erkennbare unrealistische Einschätzungen oder aber Fehlentwicklungen zu korrigieren. Im Gegenteil, durch die valide Eigeneinschätzung muss weit weniger Überzeugungsarbeit in Bezug auf eine notwendige Umsteuerung geleistet werden, sondern es kann direkt an dem bestehenden Entwicklungsstand angesetzt werden. Auf dieser Basis bietet es sich in einem ersten Schritt zunächst an, einige Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten, die die Kooperation in die Lage versetzen, den Übergang von einer bedingt zu einer umfassend dynamischen Kooperation zu bewältigen. Dies soll im folgenden Abschnitt ge- schehen. Des Weiteren macht es in einem zweiten Schritt Sinn, sich etwas näher mit dem Entwick- lungspotenzial der Kooperation hinsichtlich der Höherentwicklung in Richtung einer strategischen Kooperation auseinanderzusetzen. 6.4.1 Denkbare Handlungsoptionen in Bezug auf die Realisierung einer umfassend dyna- misch-operativen Kooperation Ruft man sich zunächst einige zentrale Erkenntnisse in Erinnerung, wie sie an anderer Stelle der vorliegenden Arbeit in Bezug auf eine dynamisch-operative Kooperation ohne paralleles Konkur- renzverhältnis erarbeitet worden sind (vgl. Kapitel 4.4 ff.), ist folgendes zu sagen. Zum einen ist es im Hinblick auf die Entwicklung einer solchen Kooperation von einem großen Vorteil, wenn beide Unternehmen nicht durch ein gleichzeitig bestehendes Konkurrenzverhältnis belastet werden, sondern sich der derzeitige kooperative Zustand aus einem normalen Kunden- /Lieferantenverhältnis heraus entwickelt hat. Letzteres ist in der Regel durch ein deutlich geringeres Ausmaß an Rivalität geprägt (vgl. vertiefend Kapitel 4.4.1.1 sowie 3.2.2 ff.). Dies hat wiederum zur Folge, dass die Entwicklungsschritte bezüglich der Verhaltensgrundlagen, die die Mitarbeiter beider Unternehmen zur Etablierung einer umfassenden dynamischen Kooperation zu bewältigen haben, weit weniger tief greifend sind. Des Weiteren ist auch mit weniger Widerständen und Beharrungs- kräften seitens der Kooperationspartner zu rechnen, da davon auszugehen ist, dass es in der Ver- gangenheit weder umfangreiche „kriegerische Auseinandersetzungen“ noch entsprechende Null- summenspiele gegeben hat. Folglich sind die Verhaltensvoraussetzungen hinsichtlich einer Vertie- fung der einzelnen Beziehungsebenen als nahezu ideal zu betrachten. Darüber hinaus kommt hinzu, dass auch die Gefahr, die sich aus einer zunehmenden Übertragung an implizitem Wissen als Grundbestandteil einer umfassend dynamischen Kooperation ableiten lässt, als kalkulierbar angese- hen werden kann. Letzteres ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die übertragenen bzw. gemeinsam generierten Wissensbestandteile in keinem parallel existierenden Wettbewerbsverhält- nis zum Einsatz kommen (vgl. Kapitel 4.4.3). Gleiches gilt auch hinsichtlich einer möglichen wechselseitigen Übervorteilung. Die hiermit ver- bundenen Risiken sind im Rahmen der beschriebenen Kooperationskonstellation zu vernachlässi- gen, es sei denn, beide Partner haben massive Vorinvestitionen getätigt und sind gleichzeitig mit den erreichten Ergebnissen sehr unzufrieden (vgl. Kapitel 4.4.3). Setzt man diese Aussagen mit der ermittelten Kooperationsrealität in Verbindung, lassen sich hier- aus einige gewichtige Erkenntnisse ableiten. 366 gang von einem eher indifferenten bis egoistischen Verhalten hin zu synegoistischen Verhaltens- weisen nicht zu übersehen ist (vgl. Kapitel 6.1.1). Dies wird durch den ermittelten hohen Dynami- sierungsgrad von 4,55 bei der Vertrauensbasis und den dahinter stehenden Verhaltensgrundlagen deutlich unterstrichen. Dieser hohe Wert symbolisiert gewissermaßen die Entwicklung von einem eher nüchternen indifferenten Geschäftsverhältnis zu einer auf eine Win-Win-Situation ausgerichte- ten Partnerschaft. Der überdurchschnittliche Dynamisierungsgrad bei den zukünftig erwarteten Rahmenbedingung wie bei dem eigenen Engagement unterstreicht dies zusätzlich. Was die Gefahr im Hinblick auf die Übertragung und Generierung impliziter Wissensbestandteile anbelangt sowie jene bezüglich einer möglichen Übervorteilung, so ist vor dem Hintergrund der fundierten, prozess- basierten Vertrauensbasis und den zumindest durchschnittlich ausgeprägten Informations- und Leis- tungsbeziehungen davon auszugehen, dass dieses Gefahrenpotenzial in Bezug auf den weiteren Verlauf der Kooperation keine große Rolle spielt. Zudem birgt diese eingeschränkte Nutzung der zumindest potenziell umfassenden Diversität der Möglichkeiten (vgl. Kapitel 3.2.2.2) implizit die Gefahr einer schleichenden Stagnation in sich. Diese ist im Extremfall dafür verantwortlich, dass sich die Kooperation nicht nur nicht weiterentwi- ckelt, sondern es darüber hinaus auch zu Rückschritten in Richtung einer statischen Kooperation kommt, verbunden mit einer Erodierung des gesamten derzeitigen Leistungsstandes (vgl. Kapitel 4.4.4). Daher ist grundsätzlich festzustellen, dass die untersuchte Kooperation über eine hervorragende Ausgangslage verfügt, was die eigene Weiterentwicklung in Richtung einer umfassend dynami- schen Kooperation anbelangt. Über die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung ist zu sagen, dass diese vor allem in der bisheri- gen eingeschränkten Zielerreichung der Kooperation zu sehen ist. Das heißt, es ist bis dato noch nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung der operationalen Effizienz zwischen den beiden Unter- nehmen gekommen. Dies kommt in dem ermittelten unternehmensübergreifenden Wert von 3,51 bezüglich der Leistungsbeziehungen bzw. dem bisherigen Zielerreichungsgrad deutlich zum Aus- druck. Denn aus diesem lässt sich unmittelbar ableiten, dass einerseits durchaus einiges an Erfolgen vorzuweisen ist, was z.B. anhand der Entwicklung von einer normalen Kunden- /Lieferantenbeziehung hin zu einer Kooperation mit einer ausgeprägten Ziel-/Mittelverflechtung zu sehen ist. Auf der anderen Seite sind die Leistungsbeziehungen aber noch nicht so verflochten, dass wirklich von einer nachhaltigen Entwicklung gesprochen werden kann. Um dieser Entwicklung vorzubeugen und eine nachhaltige Steigerung der operationalen Effizienz sicherzustellen, ist ein Übergang von der festgestellten bedingt dynamischen Kooperation hin zu einer umfassend dynamischen operativen Kooperation zwingend erforderlich. Drückt man diese Entwicklung rein plastisch auf dem Kooperationswürfel aus, bedeutet dies, dass sich der Dynami- sierungsgrad auf der Abszisse A1 – B1 so weit wie möglich nach rechts bewegt, also der bisherige Wert von 4,08 deutlich in Richtung 5 und mehr erhöht wird. 6.4.1.1 Die Analyse der Koordinations- und Wissensbeziehungen als Ausgangspunkt zur Er- schließung umfassender Dynamisierungspotenziale Im Hinblick auf einige mögliche Anknüpfungspunkte zur Bewältigung dieses Übergangs ist zu sa- gen, dass es sich auf der Basis der existierenden fundierten Vertrauensbasis anbietet, zunächst die Koordinations- und Einflussbeziehungen einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Ein möglicher Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang ist die Auseinandersetzung mit der Frage, in- wieweit bei anstehenden und gefundenen Problemlösungen bzw. Entscheidungen es zu einer um- fangreichen Berücksichtigung der wechselseitigen Systeminteressen und -sichten der einzelnen Par- tialsysteme gekommen ist. Das heißt, es geht um eine tiefer gehende Transparenz, welche Sichten und Interessen die beiden Kooperationspartner spezifischen Problemstellungen und Entscheidungen 367 im Zusammenhang mit der Verbesserung der operationalen Effizienz zuordnen. Auf diese Weise wird dazu beigetragen, die wechselseitigen Problemdefinitionen bzw. die damit zusammenhängen- den Wahrnehmungsmuster zumindest ansatzweise für den jeweils anderen zugänglich zu machen. Das Ergebnis dieses Prozesses ist die Sichtbarmachung von Strukturdeterminiertheiten hinsichtlich der Definition und Lösung von Problemen, die bisher z.B. eine dynamischere Entwicklung der Leistungsbeziehungen behindert oder gar unmöglich gemacht haben1115. Des Weiteren sind auch die Wissens- und Informationsbeziehungen, die mit einem Wert von 3,41 am schwächsten von allen Bereichen bewertet worden sind, genauer zu untersuchen. Diese sind beispielsweise dahingehend zu hinterfragen, inwieweit es wirklich zu einer regelmäßi- gen, gemeinsamen Generierung und Übertragung von implizitem Wissen kommt. Das bedeutet, es ist aufzuzeigen, welche konkreten impliziten Wissensbestandteile in letzter Zeit von den Mitarbei- tern des Chemieunternehmens auf jene der Molkereigenossenschaft übertragen wurden und umge- kehrt. Des Weiteren gilt es festzustellen, welche impliziten Wissensbestandteile tatsächlich gemein- sam generiert worden sind. Wo also die Einbringung des jeweiligen Know-hows der Kooperations- partner im Rahmen eines gemeinsamen Lernprozesses dazu geführt hat (Stichwort Doppelschleifen- lernen), dass die bestehende gemeinsame Wissensbasis ein Stück erweitert worden ist1116. Darüber hinaus empfiehlt sich auch eine intensive Auseinandersetzung mit den interorganisationa- len Lernprozessen. Hierbei ist zu ermitteln, auf welchen Gebieten es bei den Beteiligten zu erwäh- nenswerten Lernfortschritten gekommen ist bzw. welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass ein regelmäßiger, strukturierter, interorganisationaler Lernprozess bisher nicht initiiert werden konnte. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist in zweifacher Hinsicht zu sehen. Auf der einen Seite geht es um die Darstellung einer Wissenslandkarte (Stichwort „mind map“). Diese führt den Kooperationspartnern vor Augen, in welchen Bereichen es zu Wissens- und Lern- fortschritten gekommen ist, also die Chance besteht, hieraus konkrete Handlungsprogramme abzu- leiten, und wo dies nicht der Fall ist, also Unkenntnis bzw. blinde Flecken vorherrschen, die logi- scherweise auch keine entsprechenden Handlungen zur Folge haben. Auf der anderen Seite ist die Transparentmachung bestehender Informationspathologien von großer Bedeutung1117. Hierbei ist herauszufinden, ob beispielsweise strukturelle Unzulänglichkeiten dafür verantwortlich sind, dass vorhandene Informationen nicht in entsprechende Handlungsprogramme einfließen und somit kein Wissens- sondern ein Umsetzungsdefizit vorliegt. Ferner ist zu hinterfra- gen, inwieweit existierende Doktrinen dafür sorgen, dass die bestehende Kooperationsumwelt im- mer aus derselben eingeschränkten Perspektive betrachtet wird und demzufolge wichtige Bereiche der Umwelt explizit oder implizit aus der Betrachtung ausgeklammert werden. Schließlich ist auch ein Blick auf mögliche psychologische Informationspathologien innerhalb der bestehenden Koope- rationsbeziehung zu werfen. Diese äußern sich darin, dass für die weitere Entwicklung wichtige Informationen, z.B. aus Gründen einer beschränkten Informationsverarbeitungskapazität oder der bewussten Ignorierung, keinen Eingang in die zwischenbetrieblichen Entscheidungsvorgänge fin- den. Auf Basis der ermittelten Ergebnisse sind dann entsprechende Handlungsprogramme zu formulie- ren, die die gröbsten Defizite hinsichtlich der erkannten Wissenslücken und Informationspatholo- gien beseitigen. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass die vorhandene fundierte Vertrauensbasis sowie der hohe Dynamisierungsgrad bei den erwarteten Rahmenbedingungen sowie dem beabsich- tigten Engagement darauf schließen lassen, dass es den Kooperationsunternehmen in vergleichswei- 1115 vgl. im Zusammenhang mit der dynamischen Ausprägung von Koordinations- und Einflussbeziehungen Kapitel 3.2.3.2.2 ff. 1116 zum Prozess des interorganisationalen Wissenstransfers siehe ausführlich Kapitel 3.2.3.2.3.4 ff. 1117 vgl. im Zusammenhang mit dem Auftreten von Informationspathologien Kapitel 3.2.3.2.3.4.4 368 se kurzer Zeit gelingt, entsprechende Dynamisierungspotenziale zu erschließen, sobald es zu einer Initialzündung zum Abbau obiger Defizite gekommen ist. Das heißt, die Kooperation verfügt auf der Grundlage der vorliegenden Auswertungsergebnisse über hervorragende Startbedingungen, eine eventuelle Vertiefung der bestehenden Koordinations-, Wissens- und Informationsbeziehungen sowie eine daran anschließende Verbesserung auf der Leis- tungsebene ohne größere Reibungsverluste oder Widerstände vorantreiben zu können. Dies ist so- wohl aus Effizienz- als auch aus Zeitgründen ein unschätzbarer Vorteil (vgl. Kapitel 4.4 ff.). 6.4.1.2 Die Weiterentwicklung der Leistungsbeziehungen zur nachhaltigen Steigerung der interorganisationalen operationalen Effizienz Was die nachhaltige Optimierung der Leistungsprozesse als Folge der dynamischeren Wissens- und Informationsbeziehungen angeht, so lassen sich an dieser Stelle auf Basis der Erkenntnisse des zweiten Kapitels einige mögliche Entwicklungstendenzen ableiten. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist diesbezüglich die intensivere Nutzung der zur Verfügung stehenden Kommunikations- und Informationstechnologien im Rahmen der bestehenden interorganisationalen Leistungsverflechtungen. So ist beispielsweise denkbar, dass die unternehmensübergreifende Logistik wie auch das gesamte Bestellwesen hinsichtlich der benötigten Reinigungs- und Desinfektionsmittel mit Hilfe des Inter- nets deutlich vereinfacht werden. In diesem Zusammenhang ist der Einsatz eines Web-EDI-Systems anzusprechen, welches den elektronischen Austausch von Belegen, Lieferscheindaten sowie Rech- nungs- und Umsatzdaten über das Internet problemlos ermöglicht1118. Des Weiteren ist denkbar, dass an den bei der Molkereigenossenschaft stehenden Reinigungstanks Sonden angebracht werden, an die ein Modem angeschlossen ist. Sobald eine kritische Menge unterschritten wird, setzt das in- stallierte System über das Modem automatisch eine Information an die Warendisposition des Che- mieunternehmens ab. Hier wird wiederum automatisch eine Bestellmail an die Molkereigenossen- schaft generiert, deren positive Beantwortung eine entsprechende Bestellung bzw. Lieferung in Gang setzt. Ferner lassen sich die Logistikprozesse auch dahingehend optimieren, dass bei der Mol- kereigenossenschaft ein Kognisationslager eingerichtet wird, welches das Chemieunternehmen be- treibt. Sobald die Molkereigenossenschaft ein Produkt aus dem Lager entnimmt, geht dies in dessen Eigentum über. Dabei wird das Produkt beim Verlassen des Lagers automatisch erfasst und in dem elektronischen Warenbestandssystem gebucht. Sobald es auch hier zur Unterschreitung einer defi- nierten kritischen Menge kommt, erfolgt eine automatische Benachrichtigung der Warendisposition des Chemieunternehmens, welches seinerseits die Auffüllung des Bestandes veranlasst. In diesem Fall würde die Molkereigenossenschaft im Idealfall über das Web-EDI-System nur noch die entsprechenden Rechnungen bekommen und hätte ansonsten mit der gesamten Logistik prak- tisch nichts mehr zu tun. Somit geht aus diesen Beispielen letztlich implizit hervor, welche hohen Einsparungs- bzw. Opti- mierungspotenziale im logistischen Bereich liegen, unter der Voraussetzung, dass die existierenden technischen Möglichkeiten intelligent eingesetzt werden. Dabei profitieren letztlich beide Unter- nehmen von einem entsprechenden Einsatz: Die Molkereigenossenschaft dahingehend, dass Be- stell- und Lagerkosten in großem Umfang abgebaut werden und das Chemieunternehmen in der Weise, dass sich Bestellzyklen bzw. Bestellmengen besser optimieren lassen, was letztlich geringe- re Fracht- und Transportkosten nach sich zieht. 1118 vgl. im Zusammenhang mit dem Einsatz von E-Commerce-Lösung zur Optimierung des zwischenbetrieblichen Workflows Kapitel 2.2.3. ff. 369 Abgesehen von den Logistikprozessen ergeben sich auf der Leistungsebene aber noch andere An- satzpunkte bezüglich einer Intensivierung bzw. Dynamisierung der interorganisationalen Zusam- menarbeit. Hier ist beispielsweise eine Ausweitung der operativ geprägten Zusammenarbeit über die eigentli- che Produkthygiene hinaus hin zur Optimierung der gesamten technischen Abläufe vorstellbar. Dies hätte zur Folge, dass seitens des Chemieunternehmens die gesamten technischen Anlagen einer Ü- berprüfung hinsichtlich Effizienz und Effektivität unterzogen werden. Dies kann sich etwa um den Einsatz von Energie, den Verbrauch und die Nutzung von Abwasser oder um die Optimierung der Produktionskapazitäten zur Vermeidung von Standzeiten drehen. Im Übrigen würde eine derartige weitergehende Ziel-/Mittelverflechtung auch der Tatsache Rechnung tragen, dass ein Großteil der gemeinsam zu erzielenden Einsparpotenziale jenseits der Optimierung der eigentlichen Reinigungs- prozesse liegt. Diese sind eher im Einsatz von Personal, der Nutzung der Produktionsanlagen oder eben der Logistik zu finden1119. Des Weiteren wäre eine solche umfassende Zusammenarbeit auf der Leistungsebene, welche zahl- reiche Informations- und Warenströme bzw. die Logistik und Lagerhaltung optimiert sowie darüber hinaus auch die Produktionsprozesse umfassend verbessert, eine ideale Grundlage für eine wirkli- che nachhaltige und dynamische Entwicklung auf der Leistungsebene, die es in dieser Form bisher allenfalls in Ansätzen gegeben hat, wie die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens gezeigt haben. Auf der Grundlage der obigen Aussagen lässt sich somit abschließend feststellen, dass es für die Fortentwicklung der Kooperation entscheidend darauf ankommt, die vorhandene fundierte Vertrau- ensbasis für eine spürbare Vertiefung der Koordinations- und Wissensbeziehungen zu nutzen. Die daraus hervorgehenden Ergebnisse gilt es dann nutzbringend zur Verbesserung der Leistungsbezie- hungen einzusetzen. Dabei ist eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung einer solchen umfassenden dynamischen operativen Kooperation in einem entsprechenden Engagement der Mitarbeiter der beteiligten Un- ternehmen zu sehen. Denn dieses ist letztlich entscheidend dafür verantwortlich, dass die nahezu optimalen Ausgangsbedingungen in Bezug auf die vorhandene Vertrauensbasis, die erwarteten Rahmenbedingungen sowie die existierenden Koordinationsbeziehungen auch wirklich genutzt werden. Dabei kommt es in besonderer Weise darauf an, die Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft, deren Engagement mit einem Wert von 3,89 doch um einiges hinter dem Wert des Chemieunternehmens mit 4,63 zurückliegt, für die oben dargelegte Vorgehensweise zu gewinnen. Denn ein nachhaltiger Erfolg zur Vertiefung der Kooperationsbeziehung ist in hohem Maße von einem entsprechenden dauerhaften, freiwilligen und engagierten Einsatz aller Beteiligten abhängig. Nach diesen Aussagen und Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit der Entwicklung in Richtung einer umfassend dynamischen Kooperation geht es zum Abschluss der Arbeit darum, den Blick auf eine mögliche Höherentwicklung zu richten. Eine solche Höherentwicklung ist darin zu sehen, dass es der Kooperation gelingt, sich von einer operativen Kooperation hin zu einer strate- gisch ausgerichteten Kooperation zu entwickeln. Dieses mögliche Vorhaben ist auf Basis der im Rahmen des Bewertungsverfahrens ermittelten Er- gebnisse an eine Reihe von Voraussetzungen und Grundbedingungen geknüpft, die im folgenden Abschnitt kurz dargestellt werden. 1119 Die Aussagen basieren auf einem Interview mit einem Mitarbeiter der Molkereigenossenschaft am 18.12.01. 370 6.4.2 Die der Kooperation inhärenten Entwicklungsmöglichkeiten und Potenziale im Hin- blick auf eine strategische Ausrichtung Was die Höherentwicklung in Richtung einer strategisch ausgerichteten Kooperation angeht, so heißt dies anhand des Kooperationswürfels ausgedrückt, dass sich die Verortung der Kooperation von der Achse A1 – B1 hin zu der Achse C1 – D1 bewegt. Die Ausprägung ist dabei umso dynami- scher, je näher diese sich an dem Punkt D1 befindet, welcher idealtypisch für eine umfassend dy- namisch-strategische Kooperation ohne paralleles Konkurrenzverhältnis steht (vgl. Abb. 51, Kapitel 4). Dabei ist im vorliegenden Fall grundsätzlich zu beachten, dass ein direkter Übergang von einer be- dingt dynamischen operativen Kooperation zu einer möglichst dynamischen strategischen Koopera- tion nicht unproblematisch ist1120. Dies hängt einmal mit dem bisher erreichten Entwicklungsniveau zusammen, welches darauf hin- deutet, dass es bisher nicht in vollem Umfang gelungen ist, die Dynamisierungspotenziale auf den einzelnen Beziehungsebenen umfassend zu erschließen, was u.a. einen eingeschränkten Zielerrei- chungsgrad zur Folge hat (siehe nochmals die obigen Auswertungsergebnisse bezüglich des allge- meinen bzw. operativen Teils im Kapitel 6.3.1). Abgesehen davon zeigen auch die Ergebnisse der strategisch ausgerichteten Fragen eindeutig, dass sowohl die Koordinations- als auch die Wissens- beziehungen noch keineswegs den hohen Anforderungen genügen, die zur Lösung strategischer Fragestellungen notwendig sind (siehe Kapitel 6.3.2.1). Darüber hinaus darf auch nicht übersehen werden, dass die derzeitigen Zielvorstellungen eindeutig dem operativen Bereich zuzuordnen sind (vgl. Kapitel 6.1.1) und diese keineswegs darauf abzielen, langfristig ausgerichtete strategische Wettbewerbsvorteile aufzubauen1121. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Anforderungen, die eine strategische Ziel- verfolgung an die Ausprägung der einzelnen Beziehungsebenen stellt1122, sind bezüglich einer mög- lichen strategischen Ausprägung der Kooperation im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte zu erwäh- nen. Ersterer zielt darauf ab, dass es auf der Grundlage der gegenwärtigen Situation wenig Sinn macht, parallel zur Realisierung einer umfassend dynamischen operativen Kooperation auch noch die Ver- folgung strategischer Ziele anzustreben. Eine solche Doppelbelastung birgt die große Gefahr einer deutlichen Überforderung aller Beteiligten in sich. In letzter Konsequenz ist dann zu befürchten, dass weder die Umsetzung einer umfassenden dynamischen Kooperation noch eine gleichzeitige strategische Ausrichtung wirklich von der Stelle kommen und die Beteiligten im Nachhinein schlechter dastehen als momentan. Bei dem zweiten Gesichtspunkt geht es darum, dass auch von einer einseitigen Ausrichtung auf eine strategische Kooperation, unter Vernachlässigung der Umsetzung einer umfassend dynamischen operativen Kooperation, abzuraten ist. Letzteres liegt einerseits an den analysierten Unzulänglich- keiten der derzeitigen Beziehungsebenen, welche strategischen Ansprüchen noch nicht gerecht wer- den. Des Weiteren würde eine sofortige einseitige Konzentration auf strategische Ziele auch das momentan Erreichte massiv aufs Spiel setzen, da die erkannten Mängel nicht beseitigt werden. So- mit droht eine Erstarrung der bisher durchaus positiven Entwicklung zur Verbesserung der interor- ganisationalen operationalen Effizienz. Infolgedessen kann eine derartige Verfolgung strategischer Ziele, beruhend auf unzureichenden Ausgangsbedingungen und einer Vernachlässigung der eigent- lichen Erfolgsbasis der Kooperation, unmöglich im Interesse der Kooperationspartner liegen. Somit ist hinsichtlich einer Höherentwicklung der bestehenden Kooperation zu empfehlen, dass diese ihre Kräfte dahingehend bündelt, zunächst entsprechende Fortschritte in Richtung der Etablie- 1120 siehe im Zusammenhang mit den Entwicklungsoptionen einer dynamischen operativen Kooperation ohne Konkurrenzverhältnis auch Kapitel 5.3.2 1121 vgl. bezüglich des Aufbaus und der Verteidigung langfristiger Wettbewerbsvorteile Kapitel 3.1.3 ff. 1122 vgl. in diesem Zusammenhang ausführlich Kapitel 4.5 ff. 371 rung einer umfassend dynamischen operativen Kooperation umzusetzen (vgl. diesbezüglich auch Kapitel 5.3.2). Ist dies bewerkstelligt und sind die jeweiligen Dynamisierungspotenziale erschlossen, steht im wei- teren Verlauf der Kooperation einer Höherentwicklung mit der entsprechenden Fokussierung auf strategische Ziele nichts mehr im Weg. Hierbei kommt der Kooperation insbesondere zu Gute, dass zwischen den Partnern kein Konkur- renzverhältnis besteht und ein solches vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Tätigkeits- schwerpunkte der Unternehmen auch für die Zukunft nicht unbedingt zu erwarten ist. Dadurch er- öffnet sich den Kooperationspartnern dauerhaft eine umfassende Diversität der Möglichkeiten so- wie die Chance, auf jedem denkbaren Kooperationsfeld eine Win-Win-Situation zu erreichen. Wei- terhin besteht ebenso wenig die Gefahr, dass ein deutlich gesteigerter Austausch impliziter Wis- sensbestandteile parallel in einem Wettbewerbsverhältnis zum Tragen kommt, wodurch die Partner die damit verbundene Abgrenzungsproblematik komplett vernachlässigen können. Zudem untersteichen auch die Auswertungen des strategischen Teils zur Vertrauensbasis und zu den erwarteten Rahmenbedingungen die durchweg positiven Entwicklungsaussichten. Hier wurden Werte von 4,54 sowie 4,51 erreicht. Diese lassen darauf schließen, dass schon heute eine fundierte Vertrauensbasis mit entsprechenden Verhaltensgrundlagen vorhanden ist bzw. dass eine hohe Be- reitschaft besteht, sich intensiv mit strategischen Fragen auseinandersetzen zu wollen. Was die allenfalls durchschnittlich ausgeprägten Koordinations- und Wissensbeziehungen angeht, so ist diesbezüglich zu vermuten, dass die erfolgreiche Implementierung einer umfassenden dyna- mischen operativen Kooperation einen zusätzlichen unternehmensübergreifenden Entwicklungs- schub auslösen wird, der auch nicht spurlos an diesen Beziehungsebenen vorübergeht. In diesem Zusammenhang darf allerdings nicht erwartet werden, dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung einer operativen Kooperation gewissermaßen parallel die einzelnen Beziehungsebenen derart aus- prägt, dass mit diesen sofort auch die Lösung strategischer Fragestellungen angegangen werden kann. Vielmehr trägt eine derartige Entwicklung in erster Linie dazu bei, das vorhandene Vertrauen zu stärken bzw. eine solide Grundlage auf den einzelnen Beziehungsebenen für eine etwaige Hö- herentwicklung der Kooperation zu schaffen. Diese einzelnen Ebenen gilt es dann gemäß der in dieser Arbeit analysierten Zusammenhänge wei- ter zu entwickeln, wobei grundsätzlich zu berücksichtigen gilt, dass jegliche strategische Zielver- folgung im Rahmen einer systemverträglichen interorganisationalen Entwicklung höhere Ansprü- che an alle Bereiche der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit stellt (siehe hierzu vertie- fend die Kapitel 3.1.3 ff., 3.2.1 und 4.5 sowie 4.6 ff.). 372 7 Resümee Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Grundlagen für eine ganzheitliche Kooperati- onsstrategie zu erarbeiten. Den Ausgangspunkt hierfür bildet ein Vergleich jener ökonomischen, psychologischen und infor- matorischen Logiken, die die Entwicklung von Unternehmen sowie deren Wertschöpfung im In- dustrie- und Informationszeitalter in zentraler Weise beeinflusst haben (bzw. beeinflussen. Hierbei ist festzustellen, dass die einzelnen Logiken jeweils einen umfassenden Entwicklungspro- zess durchlaufen haben. Am augenscheinlichsten ist zweifelsohne die Entwicklung der informatori- schen Logiken bzw. der dahinter stehenden Informationstechnologie. Diese hat insbesondere mit dem Aufkommen von E-Commerce und Internet zudem auch einen tief gehenden Einfluss auf die ökonomischen Logiken ausgeübt, beispielsweise in Form neuer (unternehmensübergreifender) Ge- staltungsmöglichkeiten bei Organisation und Prozessen. Darüber hinaus, und hier spiegelt sich letztlich die Ganzheitlichkeit des Ansatzes wieder, dürfen auch die veränderten psychologischen Logiken keinesfalls vernachlässigt werden. Der Erkenntnis- fortschritt bezüglich dieser hat sich allerdings weit weniger offensichtlich ausgeprägt und daher ei- nen deutlich geringeren expliziten Bekanntheitsgrad, wobei die implizite Wirkung der psychologi- schen Logiken gerade hinsichtlich der Entwicklung von Unternehmen keinesfalls unterschätzt wer- den darf. Infolgedessen ist es auch ein besonderes Anliegen, jene implizit wirkenden Mechanismen ein Stück weit transparent zu machen. Aus dieser eingehenden Analyse der (psycho-) logischen Bedingungsfaktoren ist abzuleiten, dass der Erkenntniszuwachs in Bezug auf die psychologischen Logiken darin zu sehen ist, dass ein Un- ternehmen keine triviale Maschine, sondern ein komplexes soziales System ist. Die veränderten informatorischen Logiken hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur völlig neue unternehmens- sowie raum- und zeitübergreifende Produktions- und Organisationsme- thoden erlauben, sondern darüber hinaus auch in hohem Maße für tief greifende marktliche Umwäl- zungen verantwortlich sind. Diese äußern sich u.a. in dem Aufkommen neuer Wettbewerber, wie etwa am Markt bereits seit langem etablierte Unternehmen, die durch die technisch bedingte Auflö- sung von Raum und Zeit plötzlich global aktiv werden. Es können aber auch neue elektronische Zwischenhändler (Intermediaries) sein, die sich in ähnlicher Weise die neuen Technologien zu Nut- ze machen, um von einer zunehmenden Dekonstruktion bisher mehr oder weniger fest verankerter Wertketten sowie der Aufhebung des Kompromisses zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite zu profitieren. Darüber hinaus äußern sich die marktlichen Veränderungen in einer deutlichen Zunah- me der Abnehmermacht, in deren Folge die Märkte immer mehr zu Käufermärkten werden, geprägt durch die Auflösung traditioneller Bindungsstrukturen, eine nie dagewesenen Transparenz in Bezug auf Produkte und Anbieter sowie zunehmend individuelleren Kundenanforderungen. Eine weitere wesentliche Konsequenz dieser Entwicklung im Hinblick auf die Ausprägung der ö- konomischen Logiken ist in der rasant steigenden Bedeutung der unternehmerischen Wertschöp- fung zu sehen, welche sich letztlich in zweifacher Weise äußert. Einmal sorgen die Entwicklung der IuK-Technologien und der vom Markt kommende Druck dafür, dass die tatsächlich im Unternehmen vollzogene Wertschöpfung mehr und mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt bzw. solche Wettbewerbsvorteile, die hauptsächlich auf dem Ausnutzen von Informationsvorsprüngen oder besonderen räumlichen und zeitlichen Monopol- bzw. Oligopolbe- dingungen beruhen, zunehmend obsolet werden. Auf der anderen Seite spielt die Schaffung und Entwicklung von Wertschöpfungsverbünden eine immer größere Rolle. Denn diese sorgen in einer immer globaleren Wirtschaft dafür, dass die Un- ternehmen die steigende Komplexität und Dynamik besser bewältigen und dass sie mit Hilfe einer intensiveren unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit die Segnungen des Informationszeital- ters optimal ausnutzen bzw. den marktlichen Anforderungen gewachsen sind. Hinter solchen Wertschöpfungsverbünden steht ein veränderter Umgang mit dem externen Markt, bei dem es mehr denn je darauf ankommt, mit einer Vielzahl an Unternehmen auf unterschiedlichen 373 Stufen der Wertschöpfung mal mehr und mal weniger intensiv in Form von Kooperationen unter- schiedlicher Art zusammenzuarbeiten. In diesem Zusammenhang ist es für Unternehmen wenig zielführend, solche Kooperationen aus dem Stand heraus ohne ein fundiertes Grundkonzept anzugehen, da in diesem Fall die Gefahr be- steht, ziel- und konzeptionslos an die verschiedensten Formen unternehmensübergreifender Zu- sammenarbeit heranzugehen, mit der Konsequenz, dass weder die sich bietenden Möglichkeiten interorganisationaler Zusammenarbeit noch die damit verbundenen Ziele hinsichtlich der Steige- rung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit wirklich erreicht werden. Demzufolge geht es bei der Formulierung eines solchen Grundkonzeptes darum, in fundierter Wei- se aufzuzeigen, durch welche Parameter sich Kooperationen grundsätzlich charakterisieren lassen, welche Ziele mit diesen zu verfolgen sind, welche Kooperationsformen denkbar sind bzw. worin die wesentlichen Steuerungs- und Entwicklungsparameter zu sehen sind. Bei Letzteren ist im Be- sonderen zu berücksichtigen, dass es sich bei Kooperationen um komplexe, übergeordnete soziale Systeme handelt und somit deren Funktionsweise nicht allein durch Logik, Rationalität und ein li- neares Ursache-Wirkung-Beziehungs-Denken erklärbar ist. Hinter diesen konzeptionellen Anforderungen sind die Grundlagen zur Formulierung einer ganz- heitlichen Kooperationsstrategie zu sehen. Das heißt, mittels einer ausführlichen Analyse der Ziel-, Gestaltungs- und Steuerungsparameter, die es beim Eingehen und der Entwicklung von Kooperati- onen zu beachten gilt, werden die Unternehmen in die Lage versetzt, ihre eigenen Kooperationsak- tivitäten kritisch zu durchleuchten bzw. auf eine solide Basis zu stellen. In diesem Zusammenhang ist generell zu berücksichtigen, dass Kooperationen vor allem dazu die- nen, die systemverträgliche Überlebens- und Anpassungsfähigkeit der beteiligten Unternehmen zu gewährleisten. Dies geschieht zum einen durch eine in der Regel kurz- bis mittelfristig ausgerichtete Verbesserung der operationalen Effizienz und zum anderen durch den Aufbau von langfristig aus- gerichteten Wettbewerbsvorteilen. Hierfür bietet sich entsprechend das Eingehen von operativen und strategischen Kooperationen an. Diese strategisch oder operativ ausgerichteten Kooperationen können sich wiederum in unterschied- licher Art und Weise entwickeln. Dabei wird die jeweilige Entwicklung entscheidend dadurch be- einflusst, ob zusätzlich zu der bestehenden oder beabsichtigten Kooperation ein Konkurrenzverhält- nis vorliegt oder nicht. Darüber hinaus kommt es in hohem Maße darauf an, ob sich eine Koopera- tion eher statisch, bedingt dynamisch oder umfassend dynamisch entwickelt, was sich entsprechend an dem Stand der einzelnen interorganisationalen Beziehungsebenen (Koordinations- und Einfluss- beziehungen, Wissens- und Informationsbeziehungen sowie Leistungsbeziehungen), welche ihrer- seits durch verschiedene Verhaltensparameter gesteuert werden, ablesen lässt. Auf dieser Grundlage ergeben sich acht denkbare kooperative Ausprägungen, welche sich plastisch sehr gut anhand des Kooperationswürfels darstellen lassen (vgl. Kapitel 4, Abb. 51). Jede dieser Kooperationsformen hat unterschiedlich ausgeprägte Beziehungsebenen, unterlegt durch spezifische Ausprägungen auf der Verhaltensebene und trägt in unterschiedlicher Art und Weise dazu bei, die systemverträgliche Überlebens- und Anpassungsfähigkeit der Kooperationspartner sicherzustellen. Infolgedessen ergeben sich verschiedene Zielerreichungsgrade sowie ein unterschiedliches Gefähr- dungspotenzial, was die weitere Entwicklung der jeweiligen Kooperation angeht. Diesbezüglich ist der Idealfall in einer umfassend dynamisch strategischen Kooperation ohne paral- lele Konkurrenzsituation zu sehen. Durch die umfassende Dynamik kommt dabei zum Ausdruck, dass es den Partnern auf den einzelnen Beziehungsebenen gelungen ist, die vorhandenen Dynami- sierungspotenziale in vollem Umfang zu nutzen. Ähnlich liegen die Dinge bei einer strategischen dynamischen Kooperation unter Konkurrenzbedingungen. Auch hier ist die strategische Zielerrei- chung in hohem Maße gewährleistet, wobei es entscheidend darauf ankommt, dass sich die beteilig- ten Unternehmen einer eingeschränkten Diversität der Möglichkeiten bewusst sind, und dement- sprechend das Kooperationsfeld auf einer tragfähigen Basis abgegrenzt wird. 374 Bezüglich der statisch ausgeprägten strategischen Kooperationen ist zu sagen, dass diese grundsätz- lich als Ergebnis einer ungewollten negativen Entwicklung zu sehen sind. Dies ist darauf zurückzu- führen, dass es den Beteiligten nicht gelungen ist, die Dynamisierungspotenziale innerhalb der ein- zelnen Beziehungsebenen freizusetzen. Daraus folgt in der Regel eine völlig unzureichende strate- gische Zielerreichung, verbunden mit der Gefahr opportunistischer Verhaltensweisen, welche viel- fach den Fortbestand der Kooperation als Ganzes gefährden. Die bedingt dynamischen strategischen Kooperationsformen wiederum nehmen eine Zwischenrolle in Bezug auf die eben geschilderten positiven wie negativen Extrempunkte ein. Das bedeutet, dass eine erkennbare dynamische Entwicklung der Beziehungsebenen zumindest ansatzweise dazu bei- trägt, die beabsichtigte strategische Zielfindung zu erreichen. Andererseits sind aber einige Behar- rungskräfte zu überwinden, wenn es darum geht, den strategischen Zielen wirklich gerecht zu wer- den. Gelingt dies nicht, besteht zumindest implizit die Gefahr, dass die Kooperation zunehmend statische Züge trägt und sich mehr und mehr von den ursprünglich anvisierten Zielen entfernt. In Bezug auf die operativ ausgerichteten Kooperationen ist festzustellen, dass eine nachhaltige Ver- besserung der operationalen Effizienz in gleicher Weise von einer umfassenden Dynamisierung der verschiedenen Beziehungsebenen abhängig ist. Dabei spielt bezüglich eines eventuell vorhandenen Konkurrenzverhältnisses erneut die Abgrenzung des Kooperationsfeldes eine wichtige Rolle. Bei den eher statisch ausgerichteten operativen Kooperationen ist ein wichtiger Unterschied zu den entsprechenden strategischen anzumerken. Zwar ist auch hier in vielen Fällen anzunehmen, dass eine operativ statische Kooperation das Resultat einer ungewollten negativen Entwicklung ist. Je- doch ist ebenso vorstellbar, dass sich die Kooperationspartner bewusst auf eine derartig ausgeprägte Kooperation verständigt haben. Daher ist in diesem Fall nicht grundsätzlich davon auszugehen, mit einer „pathologischen Entwicklung“ konfrontiert zu sein. Die bedingt dynamischen Kooperationsformen nehmen wiederum eine Mittelstellung zwischen den genannten Extrempunkten ein. Infolge ist eine wirklich nachhaltige Verbesserung der operationalen Effizienz nicht zu erwarten, andererseits ist eine derartige Kooperation auch ein gutes Stück von einer fallweisen, eher durch Marktgesichtspunkte gesteuerte Zusammenarbeit entfernt. Im Hinblick auf die Entwicklungsperspektiven der einzelnen Kooperationsformen ist zu sagen, dass diese einmal davon abhängig sind, ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht oder nicht. Ist von einem parallel zur Kooperation existierenden Konkurrenzverhältnis auszugehen, ist dieses als Faktum hin- zunehmen und entsprechend bei den weiteren Überlegungen mit zu berücksichtigen. Im umgekehr- ten Fall gilt, dass jegliche Entwicklungsbemühungen zwischen zwei oder mehr Partnern, die in der Vergangenheit allenfalls in einem Tauschverhältnis zueinander standen, immer auch implizit mit berücksichtigen müssen, dass es zukünftig durchaus zu einer Konkurrenzsituation kommen könnte. Bezüglich der Notwendigkeit einer vertiefenden Entwicklung der Kooperationsbeziehung ist zu sa- gen, dass diese insbesondere bei statisch-strategisch ausgerichteten Kooperationen deutlich wird. Denn hier kommt es entscheidend auf eine Revitalisierung der gesamten Kooperation an, will man überhaupt die Chance auf einen dauerhaften Fortbestand der Kooperation im Zusammenhang mit der Verfolgung strategischer Ziele bewahren. Ähnlich sieht es bei den bedingt dynamisch strategischen Kooperationen aus. Auch hier trägt der häufig vorzufindende unzureichende Zielerreichungsgrad, in der Regel verbunden mit massiven Investitionen, entscheidend dazu bei, dass eine erkennbare Dynamisierung der Kooperationsbezie- hung anzustreben ist. Bei den schon umfassend dynamisch ausgeprägten strategischen Kooperatio- nen kann es hingegen „nur“ darum gehen, die bestehende Entwicklungsdynamik möglichst dauer- haft zu konservieren, da im Grunde die höchste Entwicklungsstufe schon erreicht ist. Die Konse- quenz dessen ist, dass die Kooperationspartner sukzessive sowohl die Zusammenarbeit innerhalb der bestehenden Kooperationsfelder vertiefen als auch permanent neue Kooperationsfelder zum Aufbau neuer bzw. zur Verteidigung bestehender langfristiger Wettbewerbsvorteile erschließen. 375 Dabei ist bei den Kooperationen, denen ein Wettbewerbsverhältnis zu Grunde liegt, in besonderer Weise auf eine tragfähige Abgrenzung der Kooperationsbereiche zu achten. Umgekehrt gilt, liegt kein Konkurrenzverhältnis vor, ist aber ein solches zu erwarten, kann mit gro- ßer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es durch den damit einhergehenden impli- ziten Vertrauensbruch nicht zu der Umsetzung bzw. Entwicklung hin zu einer hoch dynamischen strategischen Kooperation kommt. Im Zusammenhang mit den Entwicklungsperspektiven der operativen Kooperationen ist zu erwäh- nen, dass bei diesen immer auch eine zumindest theoretisch mögliche Höherentwicklung in Rich- tung einer strategischen Kooperation zu berücksichtigen ist. Wegen der großen Unterschiede hin- sichtlich der Zielverfolgung sowie der damit zusammenhängenden Ausprägung der einzelnen Be- ziehungsebenen, nebst der entsprechenden Verhaltensgrundlagen, macht eine solche Höherentwick- lung allerdings in erster Linie bei den umfassend dynamisch ausgeprägten Kooperationen Sinn. Denn diese verfügen bereits über erste Ansätze hinausgehend über eine solide Grundlage, was die Leistungsfähigkeit der Kooperation im Allgemeinen und die Entwicklung der Beziehungsebenen im Besonderen angeht. Somit ist die Chance, dass eine derartige Höherentwicklung gelingt, bei diesem operativen Kooperationstyp mit Abstand am größten. Andererseits ist eine solche Entwicklung na- türlich kein Muss. Das bedeutet, dass die Kooperationspartner die erzielten Erfolge zur Verbesse- rung der operationalen Effizienz mittels einer kontinuierlichen Vertiefung der Zusammenarbeit auf den bestehenden Kooperationsfeldern sowie der Erschließung neuer Felder konservieren. Dass es auf diese Weise durchaus gelingen kann, auch im operativen Bereich zu beachtenswerten Wettbe- werbsvorteilen gegenüber der Konkurrenz zu gelangen, zeigt im Übrigen das Beispiel der Compu- terfirma Dell in Reinkultur1123 (siehe auch Kapitel 2.2.2.2 und 2.5.1.4.1). Geht man näher auf die eher statisch ausgerichteten operativen Kooperationen ein, so ist in diesem Fall an eine Höherentwicklung in der beschriebenen Form, auf Grund der unzureichenden Leis- tungsfähigkeit der Kooperation auf allen Ebenen, zunächst nicht zu denken. Folglich bleibt für die Kooperationspartner entweder die Option, sich dauerhaft mit den kurzfristig orientierten Ergebnis- sen einer statischen Kooperation zu begnügen oder aber die Entwicklung zu einer umfassend dyna- misch operativen Kooperation anzustreben. Dieses ist im Vergleich zu einer eher bedingt dyna- misch ausgeprägten Kooperation vor allem deswegen sinnvoll, weil der mit der Weiterentwicklung verbundene deutliche Mehraufwand am besten durch eine nachhaltige Verbesserung der operationa- len Effizienz wieder hereingeholt werden kann. Dieses ist wiederum von umfassend dynamisch ausgerichteten interorganisationalen Beziehungsebenen abhängig. In ähnlicher Weise ist die Situation bei den bedingt dynamisch operativen Kooperationen zu beur- teilen. Auch hier ist eine Höherentwicklung auf Basis des bisher Erreichten zumindest kurzfristig nicht zu empfehlen. Somit bietet sich in erster Linie die beschriebene Weiterentwicklung zu einer umfassend dynamisch operativen Kooperation an. Dabei ist dies im Grunde die einzige wirkliche Entwicklungsalternative, weil etwa die Übereinkunft der Kooperationspartner, sich zukünftig auf eine statische operative Kooperation zu beschränken, einem Rückschritt gleichkäme. Die Grundlage aller Entwicklungsbemühungen, sei es im Rahmen einer geplanten oder einer beste- henden Kooperation, liegt dabei in einer fundierten Einschätzung der jeweiligen Zielvorstellungen der beteiligten Unternehmen und dem Status quo hinsichtlich einer dynamischen Entwicklung auf den einzelnen Beziehungsebenen. Auch der bisherige Zielerreichungsgrad, die erwarteten Rahmen- bedingungen sowie das an den Tag gelegte Engagement spielen eine ebenso wichtige Rolle. Genau dies soll mit dem vorgestellten Bewertungsverfahren erreicht werden. Denn das entwickelte Bewer- tungsverfahren dient letztlich dazu, die Grundlagen einer ganzheitlichen Kooperationsstrategie zu ermitteln. Auf dieser Basis können dann existierende oder potenzielle Partner entlang der jeweiligen Wertketten wechselseitig qualifiziert eingeschätzt bzw. beurteilt werden. Das Ergebnis dessen ist, 1123 vgl. Dell (2000) 376 dass den Unternehmen genau die Informationen geliefert werden, die sie benötigen, um eine fun- dierte bzw. Erfolg versprechende Kooperationsstrategie aufzusetzen, welche gleichermaßen opera- tive und strategische Ausprägungsformen berücksichtigt (Stichwort Sowohl-als-auch-Ansatz), die (psycho-) logischen Bedingungskonstellationen aus dem Zusammenspiel zwischen Struktur, Mensch und Technologie gebührend würdigt und entsprechende Entwicklungspotenziale aufzeigt. Die Anwendung des Bewertungsverfahrens und die daraus folgenden Konsequenzen sind schließ- lich anhand eines konkreten Falls aus der Praxis beispielhaft illustriert worden. Dieses Fallbeispiel hat in anschaulicher Weise vor Augen geführt, wie mit Hilfe des Bewertungsverfahrens eine beste- hende Kooperation beurteilt werden kann und welche Entwicklungsperspektiven sich daraus erge- ben. Dem Praktiker stehen somit alle erforderlichen Grundlagen zur Verfügung, die ihn in die Lage ver- setzen, in Abkehr von einem rein intuitiven Versuchs- und Irrtumsprozess, eigenständig eine fun- dierte und valide ganzheitliche Kooperationsstrategie aufzusetzen bzw. gezielt und systematisch an den Aufbau und die Entwicklung von Kooperationen unterschiedlicher Ausprägung heranzuge- hen1124. Im übertragenen Sinn heißt dies, dass der eingangs formulierte Anspruch der Arbeit, es nicht allein bei der Betrachtung und Beschreibung einer veränderten Welt zu belassen (das „Was“), sondern auch einen Beitrag in Bezug auf konkrete Problemlösungen sowie der damit zusammenhängenden Interdependenzen (das „Wie“) zu leisten, bzw. dem Praktiker werden Fisch noch Angel liefern zu wollen, sondern dahingehend Hilfestellung zu leisten, die Angel selbständig konstruieren zu kön- nen, als erfüllt anzusehen ist. 1124 vgl. Fontanari (1995), S. 122 sowie Schmidt (1988), S. 49 ff. 377 Anhang1: Fragenkatalog zur Kooperationsbewertung: Allgemeiner Teil Einschätzung der derzeitigen Entwicklungsrichtung der Kooperation: Anhand des nachfolgenden Kooperationswürfels ist zunächst durch Ankreuzen eine Aussage dar- über zu treffen, wie aus Sicht des Bewerters der momentane Stand der Kooperationsbeziehung ist: D SDK C1 SSoK A1 OSoK A OSK B ODK C SSK B1 ODoK D1 SDo Operativ/ Strategisch Statisch/Dynamisch K K Ke onkurrenz/ ine Konkurrenz Legende: A: Operativ/Statisch/Konkurrenz B: Operativ/Dynamisch/Konkurrenz C: Strategisch/Statisch/Konkurrenz D: Strategisch/Dynamisch/Konkurrenz A1: Operativ/Statisch/ohne Konkurrenz B1: Operativ/Dynamisch/ohne Konkurrenz C1: Strategisch/Statisch/ohne Konkurrenz D1: Strategisch/Dynamisch/ohne Konkurrenz Erläuterung der einzelnen Kooperationsausprägungen: Ɣ Operativ: Darauf abzielend, die operationale Effizienz zu verbessern und damit die kurzfristige Wettbewerbsfähigkeit zu stabilisieren bzw. zu erhöhen Ɣ Strategisch: Darauf abzielend, neue Wettbewerbsvorteile aufzubauen, um langfristig die Wett- bewerbsposition zu verbessern Ɣ Statisch: Am derzeitigen Status quo ausgerichtet, Bewahrung des Ist-Zustandes Ɣ Dynamisch: Entwicklungsorientiert, Verbesserung bzw. Ausbau des Bestehenden ist gewünscht Ɣ Ohne Konkurrenz: Mit dem Kooperationspartner besteht keinerlei Wettbewerbsverhältnis, son- dern allenfalls eine Kunden-/Lieferantenbeziehung Ɣ Konkurrenz: Mit dem Kooperationspartner besteht ein paralleles Konkurrenzverhältnis 378 Wie lassen sich die Einfluss- und Koordinationsbeziehungen im unternehmensübergreifen- den Miteinander charakterisieren? x Wie verlaufen die Entscheidungs- bzw. Abstimmungsprozesse bei den interorganisationalen Verhandlungen? machtorientiert indifferent/kompromissorientiert konsensorientiert 1 2 3 4 5 6 x Wie lässt sich das Klima bei wiederkehrenden/neuen Verhandlungen bzw. Abstimmungen be- schreiben? mäßig/schlecht konstruktiv offen/vertrauensvoll 1 2 3 4 5 6 x Wie intensiv erfolgt innerhalb der Verhandlungen/Abstimmungsprozesse eine Auseinander- setzung mit den Denk- und Sichtweisen des oder der Gegenüber? gering/sehr oberflächlich mittel intensiv 1 2 3 4 5 6 x Inwieweit kommt es zu einer wechselseitigen Ziel-/Mittelverflechtung im Rahmen der Koopera- tionshandlungen? selten/autonome regelmäßig umfassend/intensiv, Ziel-/Mittelwahl umfangreiche Abstimmungen 1 2 3 4 5 6 x Wie lässt sich die Art und Weise der zwischenbetrieblichen Kommunikation beschreiben? beschränkt/reserviert wechselseitiger proaktiv,Transparenz von Erfahrungsaustausch Interessen und Erwartungen 1 2 3 4 5 6 379 x Wie strukturiert läuft die zwischenbetriebliche Kommunikation ab? unstrukturiert, überlagert Struktur erkennbar sehr strukturiert durch Tagesgeschäft und zukunftsorientiert 1 2 3 4 5 6 Wie lassen sich Informations- und Wissensbeziehungen innerhalb der Kooperationsbeziehung charakterisieren? x Inwieweit findet ein strukturierter Informations- und Wissensaustausch statt? selten/nie des öfteren regelmäßig gering, nur expliziter mittel, sehr hoch, x Gibt es einen strukturierten zwischenbetrieblichen Lernprozess? 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 x Wie hoch ist der Anteil an implizitem strukturiertem Wissen, der zwischen den Unternehmen ausgetauscht wird? fallweiser Wissensaustausch sachbezogen umfassend 1 2 3 4 5 6 nein, fallweiser ansatzweise ja, regelmäßiger fun- Erfahrungsaustausch dierter Erfahrungsaustausch 380 x Inwieweit sind die zwischenbetrieblichen Informations- und Wissensflüsse elektronisch unter- mauert? nein, rein teils, teils ja, hochgradige persönlich Vernetzung 1 2 3 4 5 6 Wie ist es um das interorganisationale Vertrauen und die dahinterstehenden Verhaltens- grundlagen bestellt? nein, allenfalls ja, aber profunde x Ist eine fundierte zwischenbetriebliche Vertrauensbasis vorhanden? in Ansätzen verbesserungswürdig Basis existent 1 2 3 4 5 6 x In welchem Umfang spielen Sicherungs- und Kontrollaktivitäten beim Umgang miteinander eine Rolle? hohe Bedeutung, ist zu vernachlässigbar überlebenswichtig berücksichtigen 1 2 3 4 5 6 x Inwieweit ist das entgegengebrachte Vertrauen im täglichen Miteinander gewachsen? gar nicht ansatzweise in hohem Maße 1 2 3 4 5 6 x Wie lässt sich der unternehmensübergreifende Umgang miteinander charakterisieren? egoistisch indifferent nicht-egoistisch Win-Lose-Situation Win-Win-Situation 1 2 3 4 5 6 381 x Wie ist das bisherige Konfliktverhalten einzuschätzen? x Wie hoch wird die Gefahr einer gegenseitigen Übervorteilung im Rahmen der bisherigen Zu- sammenarbeit eingeschätzt? negativ, sehr nüchtern/konstruktiv durchweg positiv spannungsgeladen 1 2 3 4 5 6 eher hoch indifferent eher niedrig 1 2 3 4 5 6 Erfassung des Staus quo der momentanen Leistungsbeziehungen sowie des derzeitigen Zieler- reichungsgrades x Wie integriert bzw. netzbasiert sind die derzeitigen zwischenbetrieblichen Leistungs- beziehungen? niedrig mittel stark 1 2 3 4 5 6 x Inwiefern kann von einer positiven Wirkbeziehung zwischen dem Einsatz der IuK-Techno- logien, der organisatorischen Integration und dem derzeitigen Output gesprochen werden? in keinem Fall ist gegeben, aber in umfassender zu verbessern Weise erfüllt 1 2 3 4 5 6 x Ist es bisher zu nachhaltigen Verbesserungen auf der Leistungsebene gekommen? nein ja, erste positive ja, in hohem Ansätze Maße 1 2 3 4 5 6 382 Ɣ Wie würden Sie die Zeitspanne zwischen der innerbetrieblichen Ideengenerierung und der tat- sächlichen Umsetzung charakterisieren? sehr lang, mühsam akzeptabel schnell, reibungslos 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 x Wie ist der Aufwand zu bewerten, den das Unternehmen bis dato getätigt hat? gering mittel hoch 1 2 3 4 5 6 x Inwiefern kann davon gesprochen werden, dass der angestrebte Zielerreichungsgrad in die Tat umgesetzt wurde? überhaupt nicht teilweise in vollem Umfang 1 2 3 4 5 6 Von welchen Rahmenbedingungen ist im weiteren Verlauf der Kooperation auszugehen? x Inwieweit wird eine weitergehende und dauerhafte Vertiefung der zwischenbetrieblichen Leis- tungsprozesse angestrebt? eingeschränkt, wünschenswert unbedingt, nicht erforderlich in jedem Fall 1 2 3 4 5 6 x Wird eine bewusste Abgrenzung des Kooperationsgebietes als nötig erachtet? unbedingt erforderlich wird angestrebt nein, nicht nötig 383 x Wie lässt sich die Chance auf eine (kurzfristige) Vertiefung der Vertrauensbasis beurteilen? x Inwieweit kann davon ausgegangen werden, dass die gegenseitigen Erwartungshaltungen hin- sichtlich der Ziele, der Inhalte, der Verteilung von Kompetenzen, des Einsatzes von IuK-Tech- nologien etc. umfassend bekannt bzw. geklärt sind? sehr unwahrscheinlich machbar, aber problemlos mit Einschränkungen möglich 1 2 3 4 5 6 ist nicht der Fall mehr oder weniger kein Zweifel 1 2 3 4 5 6 x Inwieweit wird mit einem hohen zu bewältigenden qualitativen und quantitativen Informations- volumen gerechnet? klein, überschaubar mittel hoch/komplex unüberschaubar 1 2 3 4 5 6 x Inwieweit kann davon ausgegangen werden, dass in hohem Maße moderne IuK-Technologien im Rahmen der Kooperation zum Einsatz kommen? nein, nur am Rande in beschränktem Umfang ohne jeden Zweifel 1 2 3 4 5 6 384 Welches Engagement im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der Kooperation ist vom eigenen Unternehmen zu erwarten? x Wie hoch ist die eigene Bereitschaft hinsichtlich einer weiteren Vertiefung der bestehenden Ko- operationsbeziehung? nicht sehr ausgeprägt grundsätzlich ja uneingeschränkt ohne Vorbehalte 1 2 3 4 5 6 x Wenn über 2 (siehe oben), wie hoch sehen Sie die Chancen bei der zwischenbetrieblichen Ent- scheidungsfindung konsequent die Interessen des Gegenüber zu berücksichtigen? eher niedrig mittel, kommt sehr hoch drauf an 1 2 3 4 5 6 Ɣ Wie hoch ist die Erwartung, gemeinsam von und mit dem anderen zu lernen und so die beider- seitige Entwicklung aktiv voran zu treiben? sehr verhalten durchaus gegeben in hohem Maße gewünscht x Wie ist der Einsatz der eigenen personellen Ressourcen von ihrer zeitlichen Verfügbarkeit her zu sehen? 1 2 3 4 5 6 x Wie hoch ist der Aufwand an materiellen und immateriellen Ressourcen, den das Unternehmen bereit ist zu tragen bzw. zu investieren? eher gering durchschnittlich weit überdurchschnittlich 1 2 3 4 5 6 in der Regel < 25% um die 50% > 75% 1 2 3 4 5 6 385 Anhang 2: Fragenkatalog zur Kooperationsbewertung: Strategischer Teil Wie lassen sich die Einfluss- und Koordinationsbeziehungen im unternehmensübergreifen- den Miteinander charakterisieren? x Inwieweit sind abgesehen von Verhandlungen noch andere Koordinationsmechanismen bei an- stehendem Regelungs-/Entscheidungsbedarf im Einsatz? nein ist angedacht ja, wird praktiziert 1 2 3 4 5 6 x Inwieweit kommt es zu einer Auseinandersetzung mit existierenden zwischenbetrieblichen Deutungs- und Problemlösungsmustern sowie Entwicklungs- und Gestaltungsprozessen? selten/nie manchmal/bisweilen öfters/häufig 1 2 3 4 5 6 x Wenn über 2 (siehe oben), inwiefern findet hierbei eine Abkehr von einem linearen Ursache- Wirkungs-Beziehungs-Denken statt? keine, rein linear logisch- hin und wieder öfters, dabei Rück- rationales Vorgehen griff auf divergentes Denken 1 2 3 4 5 6 x Wie hoch ist der Anteil kreativer, intuitiver und zukunftsorientierter Inhalte im Rahmen der zwischenbetrieblichen Kommunikation? vernachlässigbar mittel hoch 1 2 3 4 5 6 386 Wie lassen sich Informations- und Wissensbeziehungen innerhalb der Kooperationsbeziehung charakterisieren? Ɣ Inwieweit kann vom Vorhandensein einer institutionalisierten Lerngemeinschaft gesprochen werden? gar nicht in Ansätzen, systematisch zufallsbezogen und aktiv x Kommt es bei dem Austausch von implizitem Wissen auch zur Generierung neuer Wissensbau- steine? nein, nur Nutzung eingeschränkt, Erweiterung ja, Erzeugung vorhandener Bausteine der vorhandenen Bausteine neuer Bausteine 1 2 3 4 5 6 nicht existent in Ansätzen gelebte Praxis vorhanden 1 2 3 4 5 6 x Inwiefern werden Beschränkungen, die eine Weiterentwicklung der bestehenden Wissensbasis behindern, transparent gemacht und konsequent abgebaut? 1 2 3 4 5 6 Inwieweit ist es im Rahmen der bestehenden Wissensbeziehung zur Erzeugung neuer Kontexte bzw. zur Erschließung völlig neuer Zusammenhänge gekommen? selten/nie bisweilen häufig/regelmäßig 1 2 3 4 5 6 387 Wie ist es um das interorganisationale Vertrauen und die dahinterstehenden Verhaltens- grundlagen bestellt? Ɣ Wieweit ist das wechselseitige Verhalten durch Offenheit, Fehlertoleranz und Proaktivität bei erkennbaren Konfliktfeldern charakterisiert? x Inwieweit beinflussen verbindlich vereinbarte Verhaltensspielregeln den Umgang miteinander? gar nicht von Fall zu Fall größtenteils 1 2 3 4 5 6 Ɣ Inwiefern beeinflusst ein Denken in Wirkungszusammenhängen das zwischenbetriebliche Mit- einander? sehr eingeschränkt in Ansätzen sehr stark 1 2 3 4 5 6 überhaupt nicht in der Regel grundsätzlich 1 2 3 4 5 6 Von welchen Rahmenbedingungen ist im weiteren Verlauf der Kooperation auszugehen? x Inwieweit wird eine nachhaltige Verbesserung der jetzigen Wettbewerbsposition mit Hilfe der Kooperation angestrebt? eingeschränkt, wünschenswert unbedingt, nicht erforderlich in jedem Fall 1 2 3 4 5 6 388 Ɣ Inwieweit wird eine Auseinandersetzung mit den bestehenden zwischenbetrieblichen Entschei- dungsstrukturen und Problemlösungsmustern als sinnvoll erachtet? nicht notwendig wünschenswert zwingend erforderlich 1 2 3 4 5 6 x Wie würden Sie die eigene (Sozial-) Kompetenz beim Umgang mit anderen Unternehmen ein- schätzen? 1 2 3 4 5 6 Ɣ Inwieweit ist es denkbar, dass eigene Kernkompetenzen kontinuierlich in die Entscheidungs- prozesse einfließen und somit ein Stück weit für den anderen transparent werden? 1 2 3 4 5 6 Ɣ Inwieweit gibt es Überlegungen, sich intensiver mit der zwischenbetrieblichen Wissensbasis auseinanderzusetzen? kein Handlungsbedarf wünschenswert absolut notwendig niedrig, kaum mittel, sehr ausgeprägt vorhanden ausbaufähig x Welcher Stellenwert wird zukünftig Kreativität, Intuition und das Denken in Wirkungszusam- menhängen bei der zwischenbetrieblichen Entscheidungsfindung einnehmen? keinen in Maßen in großem Umfang 1 2 3 4 5 6 nein, nur im eingeschränkt bei rückhaltlos, Ausnahmefall Notwendigkeit ohne Vorbehalte 1 2 3 4 5 6 389 Literaturverzeichnis Andersen Consulting (1999): Your Choice. 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