‘Christliche Literatur’ und ihre Kanonisierung seit 1945 1. Teilband: Literaturkonzepte und Argumentationsmuster in der deutschsprachigen Literaturtheolo- gie von 1945 bis heute 2. Teilband: ‘Christliche Literatur’ als literaturwissenschaftlicher Gegenstand (erörtert am Beispiel eines apokryphen katholischen Schriftstellers in der Bundesrepublik der 1950er Jahre) 3. Teilband: Literaturverzeichnis Dissertation im Fach Literaturwissenschaft vorgelegt an der Universität Dortmund / Fakultät Kulturwissenschaften von Dietrich Schlüter aus Recklinghausen Erstgutachter: Prof. Dr. Hartmut Riemenschneider Zweitgutachter: Prof. Dr. Dr. h. c. Albert Klein Oktober 2001 Spuren sind sichtbar, überall. Sie können sich treffen und verlieren. Manche kreuzen sich, andere laufen nebeneinander her, ohne sich zu begegnen. Sie überlagern sich und müssen sich doch nicht finden. Es gibt einsame Spuren und buntverzweigte. Manche sind verwischt, kaum noch erkennbar, aber es bleiben Zeichen für eingeschlagene Wege. Alle Menschen hinterlassen Spuren. Irene Strothmann Meiner Frau IVorwort Als ich gegen Ende der 1980er Jahre auf das Werk eines apokryphen christlichen Schriftstellers stieß, an dem die Kanonisierungspraxis des einschlägigen Diskurses offensichtlich wurde, han- delte es sich um ein akademisches Randthema von deutlich überschaubarem Reiz. Mittlerweile jedoch haben Themen im Schnittbereich von Literatur und Religion eine erstaunliche Konjunk- tur erfahren, was nicht allein rein fachtheologische Gründe zu haben scheint: Auch das Interes- se an religiösen Fragestellungen hat sich gewandelt, und es mehren sich die Anzeichen dafür, dass das, was Habermas die ‘neue Unübersichtlichkeit’ genannt hat, allzu bereitwillig wieder als ‘Unbehaustheit des Menschen’1 gedeutet wird. Dass hieraus Erwartungen an die einschlägi- gen Wissenschaften resultieren, liegt auf der Hand. Beispielsweise eröffnete Erich Kussbach, österreichischer Botschafter in Ungarn, vor nicht langer Zeit an der Universität Szeged ein Symposium über ‘Formen religiöser Dichtung in Österreich 1848 bis 1955’ mit dem Bekennt- nis, er erwarte „[...] als Katholik für mich persönlich ebenso wie für alle interessierten Gläubigen von den Vorträgen, Diskussionen und Ergebnissen Ihrer Tagung eine Bereicherung, wobei ich der Hoff- nung Ausdruck geben möchte, daß die Beiträge des Symposions veröffentlicht werden, um sie ei- nem breiteren Publikum zugänglich zu machen. [...] Ich gehe davon aus, daß im Rahmen des Symposions auch über eine zeitgemäße Definition des Begriffes ‘religiöse Dichtung’ bezie- hungsweise ‘religiöse Literatur’ nachgedacht wird, zumal dieser Begriff - soweit ich es überblik- ken kann - nicht unumstritten, für eine Orientierung in der heutigen etwas unübersichtlich ge- wordenen Literaturlandschaft jedoch unerläßlich ist.“2 Eingekleidet in eine dem institutionellen Rahmen geschuldete Topik drückt sich bei dem theo- logischen Laien Kussbach ein religiöses Interesse aus, das - soweit ich sehen kann - auch prak- tisch allen einschlägigen theologischen Veröffentlichungen zugrunde liegt. Dieses Interesse an religiöser Literatur oder allgemein daran, „in welcher Weise die Literatur zur Gottessuche bei- zutragen vermag“,3 ist in meiner Arbeit nicht perpetuiert. Vielmehr gehe ich - als ebensolcher theologischer Laie - den rein literaturwissenschaftlichen Implikationen des Begriffs ‘christliche Literatur’ nach, um ihn handhabbar zu halten für eine säkulare Literaturwissenschaft, die not- wendigerweise die Interessen eines religiösen oder theologischen Zugangs transzendiert. Wenn es meiner Arbeit tatsächlich gelingen sollte, eine Art von Orientierung zu vermitteln, dann wäre es nicht die einer Ziel- und Wegweisung, sondern die eines begrifflich geläuterten Durch- Schauens. 1 So der Titel der Essaysammlung von Hans Egon Holthusen aus dem Jahre 1953. 2 Zit. nach Auckenthaler 1995, 8. 3 Konstantinovic 1998, V. II Meines Wissens ist ein solcher Versuch bisher nicht unternommen worden, und das mag eine Rechtfertigung sein für den leider erheblichen Umfang der vorliegenden Arbeit: Es galt, den literaturtheologischen Diskurs, dessen historische Tiefendimensionen heute weithin nicht mehr verfügbar sind, nicht nur zu diskutieren, sondern zunächst rein faktenmäßig zu dokumentieren. Ähnliches gilt für den Bereich der literarischen Kultur im westdeutschen katholischen Milieu der 1950er Jahre. Insofern ist die vorliegende Untersuchung auch eine Materialsammlung, auf die zurückgreifen kann, wer sich in Zukunft wissenschaftlich mit dem Problem der ‘christlichen Literatur’ (bzw. ‘christlich relevanten Literatur’) auseinandersetzen möchte. Um es gleich an dieser Stelle zu betonen: Meine Arbeit soll die bisherigen theologischen Zugänge zu diesem Problemfeld nicht ersetzen, sondern soll alternative Möglichkeiten des Zugangs eröffnen und theoretisch begründen. (Die in den einschlägigen Diskurs involvierten Fachtheolog/-innen mö- gen mir diese Anmaßung verzeihen.) Das Unwägbare einer neuen Sichtweise auszuhalten, zumal auf einem so heiklen Terrain, braucht es von Seiten der Betreuenden ein Gutteil an Großzügigkeit und Vertrauen. Beides hat mir mein Doktorvater, Prof. Dr. Hartmut Riemenschneider, beständig und mit großer Freund- lichkeit entgegengebracht, und dafür danke ich ihm von Herzen, ebenso wie Prof. Dr. Dr. h. c. Albert Klein, der trotz seiner Rektoratsverpflichtungen bereitwillig das Zweitgutachten über- nommen hat. Mein Dank gilt auch meinen anderen akademischen Lehrerinnen und Lehrern an der Universität Dortmund für das Klima akademischer Liberalität, das ich dort während meines Studiums (und danach) erfahren habe. Insbesondere danke ich Prof. Dr. Konrad Ehlich, der mich mehrfach nachdrücklich zu meinem Unterfangen ermutigt hat. Jedoch ist die fertige Ar- beit das eine, der Weg dorthin das andere. Ich möchte also meine Dankbezeugungen, vor allem den Hinweis auf die Liberalität, nicht missverstanden wissen: Der gedankliche und formale Zuschnitt der Arbeit, wie ich sie jetzt zur Diskussion stelle, geht allein auf mein Konto. Mich für die vielen hilfreichen Anregungen und Hinweise zu bedanken, die ich im Laufe der Arbeit erhielt, fehlt mir an dieser Stelle der Platz; meinen Dank erstatte ich jeweils ‘an Ort und Stelle’ im Anmerkungsteil. Mein ausdrücklicher Dank gilt jedoch Maria Münz, die mir den Nachlass ihres Mannes für eine literaturwissenschaftliche Aufarbeitung zur Verfügung stellte und damit das Leben und Wirken eines katholischen Literaten in den bundesrepublikanischen fünfziger Jahren zu rekonstruieren half. Möge meine Rekonstruktion, so gut ich sie zu Stande habe bringen können, dazu beitragen, dieses Leben und Wirken angemessen zu würdigen. Sehr freundliches Entgegenkommen fand ich bei der jederzeit belastbaren bibliothekarischen Auskunft und beim Benutzerbüro der Staats- und Landesbibliothek ‘Carl von Ossietzky’, Ham- III burg, ebenso wie in der Nordelbischen Kirchenbibliothek (Hamburg), deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ich an dieser Stelle für die familiäre Atmosphäre herzlich danken möchte. Ein Dank geht auch an die Bibliothek der Universität der Bundeswehr, Hamburg, deren großzügige Arbeitsbedingungen mir meine Arbeit außerordentlich erleichtert haben. Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle Alexandra Puppe von der Universitätsbibliothek Dortmund abstatten, die die Vielzahl meiner Dateien in einen internetfähigen Zustand gebracht hat. Diese Arbeit wäre nicht zu schreiben gewesen ohne verlässliche Stützen im privaten Bereich: Dr. Benedikt Große Hovest danke ich dafür, dass er mit seinen Buchgaben mein Interesse an der katholischen Literatur aufrecht erhalten hat, Elke Mund-Brünger danke ich für ihr jederzeit offenes Ohr, und meinen Eltern danke ich für die moralische Unterstützung. Ganz besonders aber danke ich meiner Mutter für die beschämend gründliche Schlusskorrektur, die ich hoffe vollständig und ohne weitere Folgefehler umgesetzt zu haben. Nicht in Worte zu fassen ist der Dank, den ich meiner Frau schulde. Sie hat in den letzten Jah- ren die in Bibliotheken, am Computer oder im versunkenen Grübeln verbrachten Fehlzeiten geduldig toleriert - immer in der Hoffnung auf eine irgendwann fertige Arbeit, die ich nun, ihr gewidmet, endlich vorlege. - Übersicht über den Inhalt - 1. Teilband Einleitung A Methodische Klärungen 1. Der ‘Dialog zwischen Literatur und Glaube’ 2. Literaturgeschichtliche Zugänge B Zum Gegenstand der Untersuchung 1. Zur Unterscheidung von Literaturtheologie und Literaturwissenschaft 2. Christliche Literatur - Zur Konstitution eines Gegenstandes C Traditionelle und avancierte Konzepte christlicher Literatur nach 1945 1. Traditionelle Literaturtheologie (I): Christliche Literatur und Gegenwart 2. Traditionelle Literaturtheologie (II): Christliche Literatur als Problem Zwischenresümee 1: Argumentationsmuster in der traditionellen Literaturtheologie 3. Aspekte avancierter Literaturtheologie 4. Zur Fokussierung gegenwärtiger Literaturtheologie Zwischenresümee 2: Probleme literaturtheologischen Fokussierens 2. Teilband D Zur Literatur im katholischen Milieu der bundesrepublikanischen fünfziger Jahre 1. Anmerkungen zu einem katholizismusgeschichtlichen Thema 2. Zum westdeutschen Katholizismus nach 1945 3. Katholische Literaturtraditionen 4. Zur Makrostruktur des katholischen Literaturdiskurses nach 1945 5. Katholische Jugendliteratur: Regeln und persuasive Muster E Erwin Karl Münz: apokryphes katholisches Literatentum nach 1945 1. Zur Biographie 2. Literarisch-kulturelles Wirken nach 1945 3. Literarische Kontakte 4. Literarisches Œuvre I 5. Literarisches Œuvre II 6. Erwin K. Münz als katholischer Autor F ‘Christliche Literatur’ unter literaturwissenschaftlichen Aspekten 1. Zur Tauglichkeit des Begriffs ‘christliche Literatur’ 2. Christliche Literatur systematisch 3. Resümee: Zur Ausdifferenzierung des Forschungsgebietes ‘christliche Literatur’ - Inhaltsverzeichnis des ersten Teilbandes - Einleitung......................................................................................................................... 6 A Methodische Klärungen 1. Der ‘Dialog zwischen Literatur und Glaube’............................................................... 13 2. Literaturgeschichtliche Zugänge..................................................................................... 24 a) Teilnehmer- vs. Beobachterperspektive...................................................................... 24 b) Religiöse Literatur als Gegenstand der Literaturgeschichte ....................................... 29 c) Zur Begrifflichkeit...................................................................................................... 30 B Zum Gegenstand der Untersuchung 1. Zur Unterscheidung von Literaturtheologie und Literaturwissenschaft.............. 33 a) Literaturwissenschaft und christliche Tradition.......................................................... 33 i Christlich fundierte Literaturwissenschaft.................................................... 33 ii Ideengeschichtliche Rekonstruktion des Christlichen................................... 38 b) Zum Begriff der Literaturtheologie............................................................................. 42 c) Literaturtheologie im diskursiven Kontext.................................................................. 45 i Literaturtheologie und kirchlich-religiöser Diskurs..................................... 45 ii Zur Verschränkung von Literaturtheologie und Literaturwissenschaft....... 47 2. Christliche Literatur - Zur Konstitution eines Gegenstandes.................................. 54 a) Warum ‘christliche’ Literatur? Eine Problemskizze.................................................... 54 b) Christliche Literatur nach 1945................................................................................... 59 i Traditionen und Phasen................................................................................. 59 ii Selbstverständnis christlicher Autoren.......................................................... 64 C Traditionelle und avancierte Konzepte christlicher Literatur nach 1945 1. Traditionelle Literaturtheologie (I): Christliche Literatur und Gegenwart...... 73 a) Christliche Literatur begründen.................................................................................. 73 i katholisch...................................................................................................... 73 [Zangerle, Hederer, K. Rahner, Balthasar] ii protestantisch................................................................................................ 82 [Rutenborn, Dachsel, Ihlenfeld, Schriewer, Asmussen, Spoerri] b) Christliche Literatur qualifizieren............................................................................... 87 i theologisch..................................................................................................... 87 [Glaser, Schreckenberg, Winklhofer, K. Rahner] ii literaturkritisch.............................................................................................. 92 [Hohoff, Holthusen] c) Christliche Literatur deuten......................................................................................... 98 i pastoral (I): ‘unser Dienst am heutigen Menschen’..................................... 98 [Bourbeck, Urner, Baden] ii pastoral (II): ‘alle Unerlöstheit dieser Welt’................................................ 103 [Thome, Biser, Kampmann] iii literaturhistorisch......................................................................................... 109 [Glaser, Meidinger-Geise, Grenzmann, Mann] d) Christliche Literatur lesen........................................................................................... 117 [Pfleger, Blanchard, Cramer, Ihlenfeld, Glaser, Guardini] 2. Traditionelle Literaturtheologie (II): Christliche Literatur als Problem............. 124 a) Facetten des Problemhorizonts................................................................................... 124 i Phänomenologie christlicher Literatur........................................................... 125 [Dehn, Steinbrinker, Holthusen, Hampe, Allemann, Flügel, Kunisch, Moritz, Grenzmann, Horkel] ii ‘Gibt es heute christliche Dichtung?’............................................................ 131 [Linnerz u.a.] b) Christliche Literatur in der zeitgenössischen Gesellschaft......................................... 135 i ‘Unbehagen’ und Entwürfe............................................................................ 135 [Ross] ii Kanon und Ferment....................................................................................... 140 [Hohoff, Hoyer] c) Literaturtheologische Apologetik................................................................................ 145 i Notwendigkeit christlicher Literatur............................................................. 145 [Horkel, Schmied, Beckmann] ii Christliche Literatur als überzeitliches Phänomen........................................ 149 [Kranz] iii Legitimation des Kanons.............................................................................. 152 [Pfleger, Schriewer, von Arnim] iv Einübung in christliche Literatur................................................................. 155 [Nigg] Zwischenresümee 1 : Argumentationsmuster in der traditionellen Literaturtheologie............... 159 3. Aspekte avancierter Literaturtheologie......................................................................... 163 a) Neufokussierungen..................................................................................................... 163 i ‘Wagnis des Neuen’ vs. Kirche und Welt...................................................... 163 [Bahr, Burkhardt, Kurz] ii Provokation des Christlichen........................................................................ 167 [G. Otto, Rang, Huder, Heidepriem, Blanke, Schröer, Lüthi] b) Neuansätze.................................................................................................................. 172 i ‘Realisation’ vs. ‘Produktive Kollision......................................................... 172 [Sölle, Crimmann, Baltz-Otto, Metz, Rousseau, Mieth] ii ‘Christ sein’ literarisch................................................................................... 178 [Küng, Jens, Kuschel] 4. Zur Fokussierung gegenwärtiger Literaturtheologie................................................. 181 a) ‘Theopoesie’............................................................................................................... 181 i Theopoesie als Aneignung............................................................................ 183 [Kurz, Kuschel] ii Praxeologische Theopoesie.......................................................................... 185 [Schreijäck, Motté, Sölle] iii Theopoesie als Maßstab des erkenntnisleitenden Interesses....................... 190 [Langenhorst, Sedmak/Tschuggnall] b) Christliche Lesepraxis................................................................................................. 196 i Christliches Interpretieren............................................................................. 196 [Altmann, Kienecker, Motté] ii Lesen aus christlicher Perspektive............................................................... 198 [Schäfer, Schramm] iii Kulturchristentum........................................................................................ 201 [Gössmann, Biser] c) Religiöses Buch und Buchpastoral.............................................................................. 205 [L. Muth, Seeber, Tzscheetzsch, Patenge] d) Perpetuierung des traditionellen Kanons.................................................................... 208 i Konfessionelle Begründungen..................................................................... 208 [Kohlschmidt, Klee, Kammermeier] ii Der Gegenwartsbezug christlicher Kanonliteratur....................................... 214 [Thiede, Frühwald, Kuschel, Bach, Pottier, Falk] iii Neokonservative Deutungen........................................................................ 218 Zwischenresümee 2 : Probleme literaturtheologischen Fokussierens......................................... 224 Zur Zitiertechnik: • Um den Anmerkungsapparat übersichtlich zu halten, zitiere ich jeweils nach einem Sigel, bestehend aus Autornamen, Veröffentlichungsjahr und Seitenzahl. Verschiedentlich gebe ich zur Verdeutlichung auch das Jahr der Erstausgabe an (z.B. Curtius 1948/1984). • Alle Hervorhebungen im Original, seien sie gesperrt, in Großdruck, im Kursivdruck oder unterstrichen, markiere ich im Zitat unterschiedslos durch Unterstreichung, alle Anfüh- rungszeichen innerhalb des Zitats unterschiedslos durch einfache Häkchen. • Alle Auslassungen und meine eigenenen Einfügungen kennzeichne ich durch eckige Klam- mern. Wo im Zitat Pünktchen oder runde Klammern erscheinen, sind sie also aus dem je- weiligen Originaltext übernommen. • Eine Seitengrenze innerhalb des Originaltextes kennzeiche ich durch zwei Schrägstriche, das Zeilenende bei zitierten Gedichten durch einen Schrägstrich. Die Arbeit ist nach den neuen Rechtschreibregeln verfasst. Damit sie leichter lesbar ist, ver- wende ich bei Gattungsbezeichnungen (Theologe, Literaturwissenschaftler, Leser etc.) in der Regel die männliche Form; gemeint sind stets Frauen und Männer. EINLEITUNG Die Literaturwissenschaft kennt viele erfolgreiche Versuche, einen übersehenen oder vergesse- nen Dichter in das Blickfeld des Interesses zu rücken: Bei Johann Nestroy, Karl Kraus, Franz Kafka, Robert Musil und Arno Schmidt, um nur einige zu nennen, ist es teilweise der Beharr- lichkeit einzelner Literaturwissenschaftler zu verdanken, dass diese Autoren einerseits Gegen- stand der akademischen Forschung wurden, anderererseits den Weg zum Lesepublikum fanden. Den meisten Versuchen allerdings, sich vergessener Autoren anzunehmen, war ein solcher Er- folg nicht beschieden. Als Gegenstand eines germanistischen Sprengels, der ehedem unter der Rubrik ‘literarisches Leben’ firmierte, sind sie - wenn überhaupt - nur einem verhältnismäßig kleinen Kreis gegenwärtig, dem der Fachkollegenschaft.1 Wenn in der vorliegenden Arbeit ein weiterer ‘vergessener Autor’ ins Licht der wissenschaftli- chen Öffentlichkeit gerückt wird, dann geht es nicht darum, einem möglicherweise zu Unrecht Vergessenen späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen oder eine Einschätzung nachträglich zu korrigieren, die sowohl die damalige Literaturkritik und Leserschaft als auch die einschlägige Literaturwissenschaft explizit oder implizit längst getroffen haben. Der Rahmen ist weiter ge- steckt. In Erwin Karl Münz (1912-1978), einem nach 1945 im süddeutschen Raum tätigen Gymnasial- lehrer, Publizisten und Autor von Novellen und Romanen, findet eine Facette des Katholizis- mus der fünfziger Jahre exemplarische Ausprägung, die nämlich des prononciert katholischen Literaten. An der Person, am Wirken und auch am Scheitern dieses katholischen ‘poetae mino- ris’2 lassen sich die vorkonziliaren Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Literatur weit klarer erfassen als an damals zeitgenössischen Autoren wie Gertrud von le Fort, Stefan Andres oder gar Heinrich Böll, deren Wirkung beträchtlich über katholische Kreise hinausreichte.3 Die nähere Beschäftigung mit Erwin Karl Münz führte auf ein Forschungsdefizit, das ich in der vorliegenden Arbeit in seinen Ausprägungen und Konsequenzen umreiße. Die christlichen 1 Die (gelegentlich zu lesende) Sorge, sozialgeschichtlich orientierte Literaturforschung hätte einen „Zug zur Nivel- lierung und zur musealen Sichtung“ (so beispielsweise Hinck 1983a, 284), halte ich für unbegründet. Sie verkennt die Außenwirkung von innergermanistischen Diskussionen und überschätzt deren Kanonwirkung. 2 Die positive Konnotation dieses Begriffs entlehne ich Bark 1969. Gemeint sind also nicht die christlichen ‘minor poets’, von denen T.S.Eliot sprach, oder jene „poetae minores“, mit denen Curt Hohoff (1959, 16, Sp. 3) die „innerchristliche Gebrauchsliteratur auf bescheidener geistiger Basis“ (ebd., Sp. 5) assoziierte. 3 Die christliche, besonders auch die katholische Literatur in der DDR ist praktisch ganz aus dem Blick der westdeut- schen Germanistik geraten (vgl. Wirth 1996, 187f.). Da jedoch die einschlägigen Diskurse völlig anderen gesell- schaftlichen Rahmenbedingungen unterlagen als in der Bundesrepublik, bleiben sie auch in der vorliegenden Unter- suchung weitgehend außer Betracht. - Einleitung - 7 ‘litterae minores’ nämlich wurden bislang allenfalls pauschal subsumiert, etwa als „Masse christlicher Gebrauchs-, Erbauungs- und Trivialliteratur“,4 und wenn doch gefordert wurde, sich nicht nur der ‘großen’ Autoren anzunehmen, dann regelmäßig mit apologetischen Absich- ten:5 Der Widerhall, den immer wieder auch ‘kleinere’ christliche Autoren im einschlägigen Diskurs finden, überdeckt regelmäßig die Frage, was diese Literatur denn literarisch ausmacht oder welche Bedürfnisse sie erfüllt.6 Diese ambivalente Behandlung der inferioren christlichen Literatur verweist auf den unklaren theoretischen Status der christlichen Literatur insgesamt, was lange durch renommierte Autoren wie Rudolf Alexander Schröder, Gertrud von le Fort, Jochen Klepper, Reinhold Schneider etc. überdeckt wurde. Der Diskurs über christliche Literatur - so die meiner Arbeit zugrundeliegen- de These - perpetuiert zwar in topischer Redundanz bestimmte Argumentationsschemata, ist aber aufzuschlüsseln nur anhand seiner pragmatischen Bezüge; das gilt übrigens bis heute. Der unbekannt gebliebene Erwin Karl Münz ist dafür insofern ein vorzügliches Beispiel, als er bis- lang allen einschlägigen Kanonisierungstendenzen verfiel. Meine Untersuchung geht also in zweierlei Richtung, in die historische und in die systematische. (1) Zum einen soll das Bild bisheriger literaturhistorischer Darstellungen der fünfziger Jahre um eine Facette bereichert werden, indem nämlich aus spezifisch literaturwissenschaftlicher Sicht erarbeitet wird, welche Ausprägungen und welchen Anspruch katholische Literatur als explizit ‘confessio’-nelle Literatur zu dieser Zeit noch hatte, innerhalb der ihr gesetzten Rezeptionsbe- dingungen und innerhalb der Bedingungen des zeitgenössischen literarischen Marktes, für den sie - auch - geschrieben war. Dabei gerät in den Blick, in welcher Weise die dünne Stimme der milieugebundenen katholischen Literatur am Rande des gesellschaftlichen Diskurses jener Zeit mitzureden versuchte. Der Mentalitätswandel, der sich in der Gesellschaft zunächst der West- zonen, dann der Bundesrepublik bis in die sechziger Jahren vollzog, war differenzierter, als gemeinhin angenommen;7 ebendies drückt sich - von dieser Grundannahme gehe ich aus - auch in der Literatur jener Zeit aus, zumal der ambitionierten, die ihr Entstehen einem (subjektiv) gespürten Mangel verdankt, den Weg zu den Lesern aber nicht oder nicht im gewünschten Um- fang fand. 4 Kranz 1975, 13. Eine präzisere Studie über den katholischen Unterhaltungsroman hat Josef Schmidt 1991 vorge- legt; er beschränkt sich jedoch auf das 19. Jahrhundert. 5 Etwa Hübner, P. 1972 oder Kurz 1986, 229. Deutlich wird die Apologetik auch in der Festschrift für den bis dahin von der Literaturwissenschaft wenig beachteten christlichen Schriftsteller Rudolf Henz (Suchy 1977). 6 Hans Wulfs ‘Plädoyer für die christliche Unterhaltungsliteratur’ (Wulf 1982) stellt eine der wenigen Ausnahmen dar. 7 Belege dafür beispielsweise in Kraushaar 1996. - Einleitung - 8 Die vorliegende Arbeit füllt damit ein Desiderat - wenn auch ein bisher kaum beachtetes, wie ich eingestehen muss: In allen Literaturgeschichten und - lexika nämlich, selbst den sozialge- schichtlich orientierten, wird der Gegenstandsbereich ‘christliche Literatur’ durch einen schmalen Kanon von einigen wenigen Namen repräsentiert. Als Gewährsträger dienen dabei Arbeiten, deren Forschungsinteresse nicht ein systematisches oder literaturgeschichtliches, sondern ein theologisches bzw. religionsdidaktisches ist.8 In diesen Zusammenhängen führt der Umstand, dass wissenschaftliche Forschung Gegenstände untersucht, die sie selbst erst konstituiert,9 fast zwangsläufig zu blinden Flecken. Einer davon ist die christliche Literatur katholischer Provenienz. In der Literaturwissenschaft und -kritik der fünfziger Jahre, die sich mit christlicher Literatur beschäftigte - im Folgenden ‘Literatur- theologie’ genannt -, setzte sich eine Betrachtungsweise durch, die konfessionelle Unterschiede in der christlichen Literatur zwar wahrnahm und interpretierte, unter den Bedingungen von Nachkriegszeit und früher Bundesrepublik aber das interkonfessionell Verbindende hervorhob. Damit geriet die vorkonziliare katholische Literatur um so eher aus dem Blickfeld, je katholi- scher sie sich gab. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie aus dem Blick geraten sollte. Der Prozess des Kanonisierens nämlich funktioniert bis heute: Katholische Literatur ist erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit wieder Gegenstand literaturwis- senschaftlichen Interesses. • Einen Markstein bildete 1980 die Arbeit von Bernhard Doppler über katholische Literatur- politik um die Jahrhundertwende; es folgte die (in der deutschen Germanistik wenig rezipier- te) Arbeit von Josef Schmidt (1991) über den katholischen Unterhaltungsroman des 19. Jahr- hunderts sowie die Dissertation von Susanna Schmidt (1994) über die Literatur des katholi- schen Milieus bis 1950. Alle drei Arbeiten behandeln ausschließlich die allgemein akzeptier- ten Exponenten der christlichen Literatur; sie beschränken sich also darauf, den hergebrachten Kanon christlicher Literatur fortzuschreiben. In den zwei Arbeiten dagegen, in denen nicht nur die katholische Hochliteratur in den Blick genommen wird - Jutta Osinski (1993) aus lite- raturwissenschaftlicher, Hans Mendl (1995) aus religionsdidaktischer Perspektive - endet die Darstellung mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. • Die Aneignung katholischer Literatur im gegenwärtigen katholischen Diskurs verläuft in zweierlei Richtung. Wo unter katholizismuskritischen Aspekten die Frage nach den Spezifika des zeitgenössischen katholischen Romans erörtert wird,10 fungiert Literatur als Ort eines emanzipatorischen katholischen Diskurses, wobei gerne übersehen wird, dass sich katholische Literatur beileibe nicht immer nur kritisch mit kirchlicher Dogmatik und katholischem Milieu auseinandergesetzt hat. Wo andererseits die sog. ‘Literatur des katholischen Deutschlands’ als „respektable Alternative“11 zur protestantischen Nationalliteratur beschrieben wird oder gar als „Vorrat poetischer Elemente [...], die im 20. Jahrhundert allmählich wieder in die Mitte der Literatur“12 gerückt seien, ist die Erörterung poetologischer oder literaturgeschichtlicher Sachverhalte überlagert von einer Apologetik, die sich längst überlebt zu haben schien. 8 Auch die umfangreichen Bibliographien zum bundesdeutschen Katholizismus nach 1945 (Hehl/Hürten 1983 und Abmeier/Hummel 1997) weisen vornehmlich literaturtheologische Arbeiten aus. 9 Vgl. Leibfried 1970, 71ff. 10 Hoffmann, F. 1995 oder Langenhorst 1998a. 11 Breuer 1991, 457. 12 Maier 1996a, 31. Ähnliche Gedanken hatte bereits Kurz 1994a in seiner Replik auf Osinski 1993 geäußert. - Einleitung - 9 • Von dem hier umrissenen zweifachen Rezeptionsinteresse unterscheidet sich kategorial ein neuerer Aufsatz von Claus Ensberg.13 An Einzelbeispielen ist hier herausgearbeitet, wie die Fokussierungspraxis gegenwärtiger Literaturtheologie die ästhetische Dimensionen der tradi- tionellen christlichen Literatur verkennt. Indem sich Ensberg jedoch auf die hinlänglich be- kannten Vertreter der christlichen Kanonliteratur beschränkt, schöpft er die methodischen Möglichkeiten seiner Prämisse nur ansatzweise aus. • In der neueren Katholizismusforschung hingegen kommt der Literaturdiskurs des katholi- schen Milieus allenfalls als Randthema vor,14 und die einzige umfangreichere Arbeit neueren Datums zu diesem Thema, die Diplomarbeit von Wolfgang von Nathusius, beschränkt sich auf pädagogische Fragestellungen. Schwer zugänglich ist sie außerdem.15 Der Zeitraum der fünfziger Jahre ist in der jüngsten Sekundärliteratur zum Bereich der katholi- schen Literatur eigenartig unterrepräsentiert; das Interesse gilt vornehmlich repräsentativeren Epochen, also beispielsweise der katholischen Aufklärung oder dem Reformkatholizismus der Jahrhundertwende. Susanna Schmidt dagegen beschreibt die fünfziger Jahre lediglich als Zer- fallszeit des katholischen Milieus und lässt die traditionelle Milieuliteratur mit Alfred Döblin und Reinhold Schneider enden. Die ‘feinen Unterschiede’ (Bourdieu), die im vorkonziliaren Katho- lizismus die Literaturproduktion und -aneignung lenkten oder stimulierten, sie ermöglichten oder prägten, bleiben ausgeblendet.16 Eine literaturwissenschaftliche Untersuchung der katholischen Literatur der fünfziger Jahre steht also bisher noch aus. Sie müsste zudem den bisher vernachlässigten Bereich der religiösen Kinder- und Jugendliteratur einschließen, der für den katholischen Literaturdiskurs seit jeher eine eminent wichtige Rolle gespielt hat.17 Katholische Literatur wäre so nicht nur als Produkt ambitionierter poetologischer Entwürfe wahrzunehmen, sondern als breites Spektrum dessen, was sich dem damaligen katholischen (Durchschnitts)rezipienten anbot. (2) Zum anderen gehe ich in der vorliegenden Arbeit der systematischen Frage nach, inwiefern die erwähnte Fortschreibung eines überlieferten Literaturkanons auf Defizite weist, die der Litera- turtheologie immanent sind. Deren argumentative Topik nämlich versagt bei der Morphologie, der historischen Entwicklung und der Rezeption des ganzen Spektrums christlicher Literatur, also auch der ‘nur’ ambitionierten oder der misslungenen Literatur. Was schwerer wiegt: Die Literaturtheologie ist - bis heute - noch nicht einmal in der Lage, den theoretischen Status einer ‘christlichen Literatur’ zufriedenstellend zu klären; in der literaturtheologischen Diskussion ist sogar strittig, ob dieser Begriff überhaupt notwendig oder gar sinnvoll ist. Zum Problem der unklaren Systematik gehören auch die unterschiedlichen konfessionellen Traditionen beim 13 Ensberg 2000. 14 Am ausführlichsten noch bei Klöcker 1991, der sich aber auf wenige Hinweise beschränkt. 15 Die Untersuchung von Hannes Schwenger über die weltanschauliche Vermittlungsleistung der katholischen Trak- tatliteratur (Schwenger o.J. [1966]) gibt einen aufschlussreichen Aufriss des Themas aus zeitgenössischer Sicht, ist aber ebenfalls kaum noch greifbar. 16 Susanna Schmidt (S. 1994) verbindet in ihrer Arbeit zwar sozialgeschichtliche und poetologische Fragenstellun- gen (ebd., 15), beschäftigt sich für die Zeit nach 1945 aber lediglich mit zwei Romanen Enrica Handel-Mazzettis und mit den späten Sonetten Reinhold Schneiders. Zudem beschränkt sie ihre Analysen auf einige mentalitätsgeschichtli- che Aspekte; die konkreten Rezeptionsbedingungen im katholischen Milieu lässt sie außer acht. 17 Dazu ausführlicher Breuer 1991 und Mendl 1995. - Einleitung - 10 Sprechen über christliche Literatur, die als solche bisher weitgehend unberücksichtigt geblieben sind; auch dies im Übrigen ein deutlicher Hinweis auf die Interessenverhaftetheit des einschlä- gigen Diskurses. Es geht mir hier, wohlverstanden, nicht um die Ökumene als solche; dass sie notwendig und wünschenswert ist, setze ich voraus. Die vorliegende Untersuchung belegt aber mehr als deutlich, dass von der „Per//-spektive einer nicht mehr konfessionalistisch definierten ‘christlichen Literaturgeschichte’“,18 wie sie noch in einem jüngst erschienenen Lexikonartikel mehr proklamiert als beschrieben ist, keine Rede sein kann. Auch die Bewertungspraxis der Literaturtheologie, die auf einer mittlerweile überholten Wert- dichotomie beruht, ist systematisch erst ansatzweise reflektiert worden.19 Indem die Litera- turtheologie an einem traditionellen Verständnis von Literatur festhält und im wesentlichen textimmanent verfährt, ignoriert sie die Ausweitung des Gegenstandsbereichs in der literatur- wissenschaftlichen Diskussion, die die Textimmanenz längst hinter sich gelassen hat. Mehr noch: Sie wird zu derem Gegenstand.20 Meine Einwände betreffen die traditionelle Literaturtheologie genauso wie die avancierte. Die Literaturtheologie neuer Prägung ändert zwar ihre Blickrichtung, übernimmt von der alten aber ihre Sprache und schreibt damit Sichtweisen fort: Auch dort, wo sie sich anschickt, deskriptiv zu verfahren, bleibt sie normativ. Dies wird in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen. Der Einwand betrifft selbst die Publikationen, die in den letzten zehn, fünfzehn Jahren erschie- nen sind und in denen ein neues Interesse am Zusammenhang von Literatur und Religion seinen Ausdruck findet. Die Spannbreite reicht dabei von semiotischen Ansätzen bis hin zur Erörte- rung der umgreifenden hermeneutischen Gemeinsamkeiten von Theologie und Poesie, geht aber selten über eine bestimmte Vorstellung von ‘hoher’ (sc. im kulturellen Gesamtdiskurs ‘vorzeigbarer’) Literatur hinaus.21 Und dort, wo gegenwärtige Bemühungen um eine zeitge- nössische Lesepastoral explizit eine „Theologie des Volkes“22 beschwören, wird zwar der Be- griff der Erfahrung mannigfach expliziert, dafür geht aber das Literarische im Konzept des ‘religiösen Buches’ auf - was die methodischen Probleme nicht vereinfacht: Die Extension die- ses Begriffs ist kaum weniger überschaubar als die des Begriffs ‘christliche Literatur’. 18 Schmidt, S. 1997, 964//965. 19 Für den Bereich der Religionsdidaktik vgl. Hussong 1975 und Wolf, B. 1975. 20 Damit gehe ich über Dorothee Sölle hinaus, die den literaturwissenschaftlichen Zugriff auf Theologie lediglich inhaltlich motivierte: „Wenn die Theologie in ihrer Beziehung zur Literatur in den alten Fehler verfällt, eine Dich- tung unmittelbar, naiv und vom theologischen Stoffinteresse aus zu betrachten, so schlägt alles dies auf sie selber zurück; sie wird selber unmittelbar, d.h. nicht weltlich vermittelt, nicht an Weltgegenständen überhaupt erst entste- hend, sie wird selber naiv, sie hört auf, Stoffe zu verarbeiten, weil sie selber Stoff geworden ist.“ (Sölle 1969, 309) 21 Als Ausnahme sei hier Braungart 1996 und 1997 genannt, der den Zusammenhang von Literatur und Ritual sehr einleuchtend entwickelt. 22 Köster 1999, 153. - Einleitung - 11 Der Einwand von seiten der theologisch motivierten Literaturkritik, ich würde einen positivisti- schen Wertrelativismus vertreten, mag naheliegen, er hielte jedoch nicht stand. Ganz unbe- streitbar muss es im Interesse der Literaturtheologie liegen, Literatur hinsichtlich ihrer literari- schen und theologischen Relevanz auszuwählen und zu bewerten. Da sie aber ihr eigenes Han- deln nicht immer in der notwendigen Differenziertheit reflektiert, hinterlässt sie Defizite, die von der Literaturwissenschaft aufzuarbeiten sind. Dazu gehört insbesondere die literaturtheo- logische Kanonisierungspraxis, die am deutlichsten hervortritt an ihren Rändern, an dem also, was der Wertung verfällt - den Apokryphen.23 Wenn ich hier den ersten Versuch vorlege, die der Literaturtheologie immanente Problematik unter literaturwissenschaftlichen Aspekten zu erörtern,24 dann geschieht dies mit dem Ziel, Perspektiven für den künftigen theoriegeleiteten Umgang mit christlicher Literatur anzuregen. (Diesem Zweck dient auch die Literaturliste, in der ich die z.T. groben Fehler, Ungenauigkeiten und Auslassungen bisheriger Bibliographien zu beheben versucht habe.) Im gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskurs nämlich sind die Diskussionen, die seit 1945 um christliche Litera- tur geführt wurden, in ihrer Differenziertheit nicht verfügbar; das zeigt sich immer wieder auch an neueren literaturwissenschaftlichen Untersuchungen über religiöse Literatur. Deren Unter- suchungskategorien sind zumeist mit einzelnen Zitaten aus diesen Diskussionen begründet, ohne dass die jeweils ganz unterschiedlichen Kontexte berücksichtigt wären.25 Zugleich hoffe ich, dass die begriffliche Klärung, die ich vornehme, einer kritischen literatur- wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Spiritualizismus förderlich ist, der mit dem Anbruch des neuen Milleniums mehr und mehr um sich zu greifen scheint: Im Windschatten eines vehement reklamierten Mythosbedarfs26 erleben auch verschiedene Projekte christlicher 23 Ich folge hier August Langen: „Man kann die Berühmten nicht verstehen, wenn man die Obskuren nicht durchge- fühlt hat.“ (Langen 1964/1978, 113). Langen allerdings gebraucht diesen Satz als Begründung dafür, die individuel- le dichterische Leistung gegenüber dem Zeitstil deutlicher abheben zu können. 24 Waidelich 1964, eine bibliothekswissenschaftliche Examensarbeit, subsumierte die von ihr behandelten Diskussi- onsbeiträge zum Problem der christlichen Literatur zwar unter geeignete Oberbegriffe, verblieb im Wesentlichen aber auf der Ebene des Referierens. Auch Henko 1988, eine theologische Magisterarbeit, ist wenig ergiebig, nicht nur, weil der zugrundegelegte Literaturbegriff unerörtertert blieb. Da Wolf-Dieter von Henko außerdem auf einer zu schmalen Basis von Sekundärliteratur arbeitete, erfasste er die tatsächliche Struktur des Diskurses über christliche Literatur nur annähernd, und es gelang ihm nicht, dessen Problematik über eine theologieimmanente Fragestellung hinaus zu transzendieren. Brauchbar hingegen ist seine Darstellung des literaturtheologischen Diskurses der späten sechziger und der siebziger Jahre, und weitgehend unrezipiert geblieben ist die originelle theologische Konklusion, mit der er seine Darstellung beschloss. Die bis heute einzige ausführlichere Darstellung des literaturtheologischen Diskurses, die allgemein greifbar ist (Schröer, H. 1991), verfolgt ein praktisch-theologisches Interesse und verkürzt ihren Gegenstand zudem auf einen lexikographischen Zuschnitt. Sie ist deshalb - obwohl in vielen Details sehr ein- leuchtend - für eine literaturwissenschaftliche Fragestellung, wie ich sie in der vorliegenden Untersuchung entwicke- le, nur bedingt brauchbar. Karl-Josef Kuschel hingegen, der eine „in engagierter Weise“ (Kuschel 1983, 110) be- triebene Auseinandersetzung mit dem Thema einfordert, argumentiert in seinen Darstellungen des literaturtheologi- schen Diskurses zu eng aus der Binnenperspektive heraus; ähnliches gilt für Gisbert Kranz, der eigene ältere Beiträge zur Literaturtheologie als „überholt und nicht mehr zitierbar“ bezeichnet (Kranz 1983, 278, Anm. 5). 25 Dazu ausführlicher Kap. F.1.b. 26 Vgl. etwa Frank 1982, Frank 1988 und kritisch dazu Jamme 1991. - Einleitung - 12 Literatur und christlicher Literaturvermittlung einen unvermuteten Widerhall in der wissen- schaftlichen Öffentlichkeit. Eines der prominenteren Beispiele des letzten Jahrzehnts war Ge- orge Steiners ‘Von realer Gegenwart’, das in erstaunlicher Weise - vom großen Ansatz bis zum kleinen Detail - auf den katholischen Literaturdiskurs des 19. Jahrhundert zurückgreift, ohne dabei allerdings die eigene geschichtliche Bedingtheit zu reflektieren.27 Nicht zuletzt bezieht die Beschäftigung mit der christlichen Literatur der fünfziger Jahre ihre aktuelle Legitimation durch Versuche, eine prononciert konservative kulturelle Hegemonie zurückzugewinnen. In diesem Kontext, der seit Anfang der siebziger Jahre zu verfolgen ist, erfolgt eine Fortschreibung des alten Kanons der fünfziger Jahre, wenngleich anders motiviert als damals, nämlich im Sinne einer spezifisch deutschen Kultur, allerdings teilweise mit den alten Argumentations- und Abgrenzungsschemata. Solche keineswegs kleinlaut auftretenden Streitschriften ihrer aktuellen Polemik zu entkleiden, ihnen eine historische Tiefenschärfe zu verleihen und sie damit wenigstens zum Teil zu relativieren, ist - last not least - auch ein Ziel der vorliegenden Arbeit. Zusammenfassend: Christliche Literatur der fünfziger Jahre, von der avancierten Literaturtheo- logie zu Recht als ein historisch abgegoltenes Phänomen klassifiziert und damit ad acta gelegt, ist für die Literaturwissenschaft ein noch zu durchmusternder Bereich. Zum einen, um die lite- rarische Physiognomie dieses Epochenabschnitts trennschärfer und differenzierter als bisher zu erfassen, zum anderen, um die literaturwissenschaftlichen Implikate zu klären, die sich aus dem bisherigen und dem gegenwärtigen Umgang mit dem ergeben, was als ‘christliche Literatur’ bezeichnet oder als ‘Literatur für christliches Lesen’ gehandelt wird. 27 Unabhängig von der Konfession des Autors, die mir im Übrigen nicht bekannt ist. - A.1 - 13 A Methodische Klärungen 1. Der ‘Dialog zwischen Literatur und Glaube’ Dass das Feld zwischen Literatur und Glaube höchst komplex, unübersichtlich, geradezu ein „Vexiergebiet“1 sei, ist ein der einschlägigen Diskussion geläufiger Topos. Die Einschätzung lässt sich zum einen auf den Gegenstandsbereich zurückführen: das Christentum, eine im we- sentlichen literarisch verfasste Wortreligion,2 die zudem von der Spätantike bis in die Neuzeit hinein als „tragendes Fundament und normatives Prinzip der Gestaltung“3 von kultureller Praxis diente, und die aus diesen beiden Gründen in Bildlichkeit, Formenrepertoire und Spra- che unmittelbar noch auf die heutige Literatur wirkt bzw. deren Lektüre vorstrukturiert. Zum anderen entwickelte sich im Zuge der Säkularisation ein kulturell äußerst produktives, litera- risch vielschichtiges Verhältnis von Kirche und Theologie einerseits, Staatlichkeit und (bürgerlicher) Öffentlichkeit andererseits.4 So resultiert die Unübersichtlichkeit des Verhältnis- ses von Literatur und Glaube aus einer Vielzahl kontingenter Umgangsweisen mit Literatur verschiedener Sparten, und diesen Umgangsweisen liegen wiederum unterschiedliche Motiva- tionen und Interessen zugrunde.5 Dass die am literarisch-religiösen Diskurs Beteiligten in der Regel mehrere Rollen gleichzeitig besetzen - Theologen verfassen Literatur, Autoren, Literaten, Literaturkritiker reflektieren theologische Streitfragen6 etc. -, führt zudem zu einer Verzahnung beider Bereiche, wobei die Frage, wie das Verhältnis von Literatur und Glaube genau zu be- stimmen ist, möglicherweise immer eher ein Problem der theologischen Literaturkritik war als eines der Schriftsteller oder Dichter.7 1 Bloom 1991, 128. Genau entgegengesetzt ist die Metaphorik des Lichts bei Wolfgang Nehring gedeutet: „Das Thema Literatur und Religion ist durchaus nicht so unerhört und neu wie jüngere Forschung uns glauben machen möchte. [...] Aber seit dem Tübinger Symposium von 1984 ist die Diskussion in eine neue Phase getreten [...]. - Wir können dem Organisator unserer Veranstaltung dankbar sein, daß er die Fackel aufgenommen hat und uns ermög- licht, weiter in das faszinierende Geheimnis hineinzuleuchten.“ (Nehring 1995, 77) 2 Einen Überblick über die Facetten der sprachlich-literarischen Prägung christlicher Tradition gibt die Auswahlliste neuerer Literatur in Zerfass 1988 (S. 198-203). Allerdings ist die sprachliche Dimension des Christentums, vor allem auch die literarische Dimension der Bibel (vgl. Gössmann 1991), lediglich sekundär: Das Diktum etwa, dass „die großen Religionen Judentum, Christentum und Islam ihr Fundament auf literarischem Grund bauen“ (Sedmak/Tschuggnall 1998, 176), übergeht den Offenbarungscharakter der genannten Religionen, die zwar litera- risch tradiert, aber nicht literarisch gegründet sind. 3 Tanner 1988/1995, 700. 4 Vgl. etwa Gutzen 1972. 5 Vgl. dazu auch das einführende Kapitel in Kaiser, G. 1997. 6 Bis hin zur These Benno von Wieses, ohne Theologie könne man „keine Geistesgeschichte von Rang betreiben“ (Wiese 1984, 9). 7 Besonders aufschlussreich ist es hier, die Länge der Umfragebeiträge von 1959 über ‘christliche Literatur heute’ (vgl. Kap. C.2.a.ii) gegeinanderzusetzen; darauf wies bereits Linnerz (1960, 85) hin. - A.1 - 14 Die Gemeinsamkeiten bzw. die Überschneidungen lassen sich in Bezug auf den Autor,8 in Bezug auf das Werk und in Bezug auf den Leser bzw. Hörer verschiedentlich nachweisen und durchzie- hen die europäische Poetologie wie eine ‘idée fixe’. Das wäre beispielsweise die Vorstellung ei- ner göttlichen Inspiration des Dichters, die in vielerlei Variationen bis heute lebendig geblieben ist,9 zum anderen der Anspielungshorizont, auf den literarische Werke bis heute verweisen kön- nen. Auch die unterschiedlichen literarischen Ästhetiken partizipieren in unterschiedlicher Varia- tion an Vorstellungen, die ursprünglich religiöser Provenienz sind. Nicht zum wenigsten liegt die Gemeinsamkeit von Literatur und Religion auch darin, ‘Wissen von der Welt’ spiegeln, d.h. - im zweifachen Sinne - reflektieren zu können. 1. Das Problem des Verhältnisses von Glaube und Literatur lässt sich leichter aufschlüsseln, wenn man es historisch angeht. Zumindestens lässt es sich historisch verorten: Die antagonistische Entgegensetzung von Literatur (sc. autonom-schöpferischem Dichter) und Glaube (sc. institu- tionell verfasster Kirche) lässt sich auf die vielfältigen kulturellen und politischen Frontstellun- gen im Europa des späten 18. und 19. Jahrhunderts zurückführen.10 Im Hinblick auf ihre Funk- tionalität bedeutet das: Sie drückt nicht nur „ein über einen längeren Zeitraum als ungleich- gewichtig empfundenes Verhältnis“11 aus, sondern ist ihrerseits ein erkenntnisleitendes, um nicht zu sagen: ein wahrnehmungssteuerndes Konstrukt.12 Die Vorstellung eines grundsätzlichen Antagonismus’ liegt noch dort zugrunde, wo lediglich ein „Spannungsverhältnis“13 zwischen Literatur und Kirche konstatiert wird: In seiner kurzen Skiz- ze zu diesem Problemkomplex schilderte beispielsweise der Theologe Erich Garhammer die be- kannte Szene, in der Bertolt Brecht von Alfred Döblins Konversion erfuhr. Dass das Konstrukt eines grundsätzlichen Antagonismus’ von Literatur und Glaube tatsächlich die Wahrnehmung steuert, zeigt sich daran, dass Garhammer diese Szene nicht etwa aus der Perspektive Döblins darstellte, sondern aus der von Brecht („ein fatales gefühl ergriff die rationaleren zuhörer“14 ). Zwar beschrieb Garhammer einige Zeit später diese Szene erneut und ging dabei ausführlich auch auf die Perspektive Döblins ein. Es blieb aber bei der erwähnten Verkürzung der Sichtweise, die nicht etwa - was ja denkbar gewesen wäre - den Schriftsteller Döblin, sondern den Schriftsteller Brecht als ‘pars pro toto’ betrachtete. Die Szene wird sodann als eine Allegorie gedeutet und be- kommt damit Allgemeingültigkeit zugeschrieben: „Die Reaktion Brechts ist äußerst bezeichnend für den Zustand der Entfremdung zwischen Literatur und Katholizismus [...].“15 8 Dazu ausführlicher Langen 1964/1978. 9 Zuletzt in pointierter Form noch Benno von Wiese: „Läßt sich überhaupt eine klare Grenze zwischen religiöser und poetischer Inspiration ziehen?“ (Wiese 1984, 9) 10 Dass es sich hier um historisch bedingte ‘Front’-stellungen handelt, haben bereits Max Wehrli (1964, 530) und Curt Hohoff (1966, 93) deutlich herausgestellt. Hohoffs diesbezügliche Auffassung („Die neue Formel, Literatur zu verstehen und zu deuten, kann nicht aus dem Gegeneinander der Positionen kommen, sondern aus dem Mit-, In- und Durcheinander der ursprünglichen Antithesen.“; ebd., 94) blieb im Kontext literaturtheologischen Diskutierens marginal. Die Problematik des ‘Gegenübers’ von Glaube und Literatur erörtert sehr reflektiert Allemann 1959, hier vor allem S. 38ff.; in neuerer Zeit dann Lesch 1994a. 11 Tschuggnall 1998a, 547. 12 Im literaturtheologischen Diskurs hat Hans-Herbert Wintgens als einer der wenigen auf das „bemerkenswert“ positive Bild hingewiesen, das Theodor Fontane - sicher kein Exponent einer wie auch immer zu verstehenden christlichen Literatur - von Theologie und Kirche zeichnete (vgl. Wintgens 1987, 123ff.; Zitat S. 123). Selbst die Vorstellung von einem Antagonismus von Literatur und Religion im 19. Jahrhundert wäre also zu problematisieren. 13 Garhammer 1995, 5. 14 Bertolt Brecht: ‘Arbeitsjournal’, zit. nach Garhammer 1995, 6. 15 Garhammer 1995a, 390. - A.1 - 15 2. Wird dieses Konstrukt umstandslos auf die heutige Situation übertragen, bleibt es flach und lädt zu Fehl- und Missdeutungen geradezu ein. Zunächst wären die beiden Bereiche, um die es geht, aufzuschlüsseln, grob annäherungsweise etwa folgendermaßen: Der ‘Glaube’, soweit er sich in (für literaturwissenschaftliche Fragestellungen relevanten) Handlungen manifestiert, wäre ver- tikal näher zu differenzieren in Religiosität, Theologie und Frömmigkeitspraxis, alles jeweils auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus und mit unterschiedlicher intentionaler Reichweite.16 ‘Literatur’ wiederum - wie immer man diesen Begriff versteht - kennzeichnet einen in sich viel- gestaltigen, in seiner Selbstreflexivität geradezu amorphen Bereich und diffundiert zur Essayi- stik oder zur Literaturkritik, gelegentlich sogar zur (poetisierenden) Literaturwissenschaft oder -theorie. Eindeutige Grenzen sind hier mitunter nur anhand des paratextuellen Apparats auszu- machen. Zu berücksichtigen wären fernerhin die jeweiligen Selbstpositionierungen in den ein- schlägigen Diskursen,17 nicht zuletzt natürlich auch die damit zusammenhängenden Fragen von Status und Definitionsmacht. Was ich hier (in Ansätzen) methodisch skizziere, scheint sich von selbst zu verstehen und kei- ner besonderen Erwähnung wert zu sein. Tatsächlich jedoch sieht der Diskurs um christliche bzw. christlich relevante Literatur - den ich im Folgenden unter dem Begriff ‘Literaturtheologie’ fasse18 - in überraschender Weise von seiner eigenen Historizität ab, zieht daraus jedenfalls keine methodischen Konsequenzen. Die in diachroner und synchroner Hin- sicht bedingten Wahrnehmungsmuster, die er perpetuiert, werden nicht (oder selten) als solche reflektiert. Allenfalls partiell wird im literaturtheologischen Diskurs die historische Wandelbarkeit des eige- nen Argumentierens ausdrücklich problematisiert. Wolfgang Fietkau beispielsweise machte die Abgrenzung gegenüber dem Deutungsanspruch kirchlicher Theologie deutlich: „Literatur und Religion voneinander getrennt betrachten zu wollen, scheint ziemlich aussichtslos zu sein, da es sich offenbar um zwei Seiten derselben Sache handelt: Herauszufinden und zu vermitteln, was das eigentlich soll, wenn menschliche Wesen auf diesem Globus jeweils für ein paar Jahrzehnte wachsen und verfallen. Mutmaßungen über Adam also und Bekenntnisse von ihm.“ Fietkau gab allerdings damit jedwede Trennung von weltlicher und religiöser Literatur auf, und darin mani- festiert sich wiederum ein spezifisch theologisches (Aneignungs-)Interesse: „Außerhalb des Schoßes von Mutter Kirche kommen an den verschiedensten Ecken die verschiedensten Schrei- ber auf ähnliche Frage und Gedanken. Da sind Spuren einer neuen Mystik zu erkennen, da ist Aufbruchsstimmung, da fragt man allen Ernstes so oder so nach Gott [...].“19 16 Paul Konrad Kurz (1986, 223) hat darauf hingewiesen, dass es nicht ‘die Theologie’ war, die ihre Vorbehalte der Literatur gegenüber pflegte, sondern die kirchlich kontrollierte Theologie. Das ist, wie ich in der vorliegenden Unter- suchung zeige, nur bedingt richtig. 17 Vgl. hierzu ausführlicher Siller 1994. 18 Dazu ausführlicher Kap. B.1.c. 19 Beide Zitate Fietkau 1973, 23. - A.1 - 16 3. So wird der Diskurs, in dem die Verständigung zwischen den beiden Polen Literatur etc. und Religion etc. verhandelt wird, allgemein durch die Metapher des ‘Gesprächs’ bzw. des ‘Dialogs’ strukturiert.20 Gemeint damit ist zunächst das Gespräch, in dem sich ‘Kirche und Kunst’ gegenüber stehen. Mitunter finden sich aber auch ‘der Glaube’ und ‘die Literatur’ als einander unversöhnliche Antagonisten gegenübergestellt oder gar ‘die Christen’ und ‘die Schriftsteller’.21 Noch stärker trennend wirkt der Begriff der ‘Wahrnehmung’, den Alois M. Haas (unter Bezug auf 1. Thess. 5, 21) verwendete: „Daß Literatur zu einem locus theologicus werden kann, ist christlich gesehen kein Phänomen der ‘Heimholung’ oder ‘Taufe’ im Sinne einer Vereinnah- mung, sondern ganz einfach ein (oft weithin vergessenes) Datum der christlichen Wahrneh- mungspflicht.“22 Hier scheint die bereits in der Bibel angelegte Trennung zwischen dem Christli- chen und dem Weltlichen zur kategorialen Trennung des Christen von der Welt ausgeweitet zu sein. Das Angebot zum Dialog ist in der Regel theologisch motiviert, und der Dialog als solcher ist in der Regel theologisch begründet.23 Als Dialogpartner fungieren Theologen auf der einen, Autoren und Literaturkritiker bzw. -wissenschaftler auf der anderen Seite - wenigstens idealiter, denn entsprechende Doppelqualifikationen oder Doppelfunktionen sind gerade in diesem Be- reich ausgesprochen häufig; realiter überschneiden sich die Rollen also. Trotzdem unterstellt die Metapher a priori eine Diastase zwischen den beiden hermeneutischen Disziplinen der Theologie und der Literaturwissenschaft.24 Ein wechselseitiges „Verhältnis konstanter, biswei- len feindseliger Spannung“25 konstatiert der Literaturtheologe Karl Josef Kuschel - auch dies eine zum Topos verfestigte ‘opinio communis’. Tatsächlich jedoch sind - ganz unabhängig von ihren methodischen Gemeinsamkeiten - die Unterschiede beim Umgang mit (christlicher) Lite- 20 Die Dialog-Metapher ist ausführlich entwickelt in Kurz 1967, wenngleich hier beschränkt auf den Gegensatz Literatur vs. Theologie. 21 Teilweise zum selbstreferientellen Klischee geronnen, wie etwa in dem Thesenpapier, das der Schriftsteller Wolf- gang Hegewald 1991 auf einer Tagung in Loccum der Arbeitsgruppe ‘Literatur’ vorlegte. Hegewald bescheinigte Literatur und Kirche zum einen, sie stünden „sich derzeit (in Gestalt ihrer jeweiligen Protagonisten) ziemlich fremd gegenüber, zwischen Hilflosigkeit, tastendem Interesse und aggressivem Ressentiment schwankend“, bescheinigt der Literatur zugleich aber als grundsätzliches Defizit: „Unter dem Regiment einer buchstäblichen Gleichgültigkeit wirkt der Rücktritt Gottes weder skandalös noch wird er frenetisch gefeiert; er stellt eine Unterhaltungstatsache neben vielen anderen dar. In der Literatur macht sich eine billige Freiheit breit.“ (Hegewald 1992, 149) Die Entgegenset- zung von christlicher - bzw. christlich relevanter - Literatur und postsäkularistischer Gleichgültigkeit ist ein Topos der Literaturtheologie seit den fünfziger Jahren (entwickelt vor allem von Curt Hohoff). 22 Haas, A. 1989, 66. 23 Dorothee Sölle hat dies bereits 1969 konstatiert (Sölle 1969, 303). Die bislang letzte Stufe eines genuin theologi- schen Anspruchs an einschlägige Dialoge markiert ein Satz wie der von Georg Langenhorst, es sei von den beiden Tübinger Theologen Karl-Josef Kuschel und Dietmar Mieth „eine grundsätzliche Methode für den Dialog von Lite- ratur und Theologie“ (Langenhorst 1994, 24) entwickelt worden. 24 Auch Schmidt (S. 1994, 12ff.) setzte eine gegenseitige methodische Unvereinbarkeit voraus, obwohl sich die Perspektive ihrer eigenen Untersuchung mit literaturtheologischen Perspektiven durchaus überschneidet (vgl. dazu Kap. B.1.d.ii). 25 Kuschel 1986, 201. - A.1 - 17 ratur nicht so groß, wie es aus der Perspektive eines unmittelbar Beteiligten scheint. Von kate- gorialer Art gar sind sie nur scheinbar.26 4. Der Begriff des ‘Dialogs’ - im literaturtheologischen Diskurs erst in allerjüngster Zeit proble- matisiert27 - schreibt fest, wie das Verhältnis von Theologie und Literaturwissenschaft zu den- ken sei: Er impliziert Rollenzuweisungen, er legt (gesellschaftlich distinkte) Standorte fest28 - den des Theologen und den des Literaten - und betont ihre unaufhebbare Unterschiedlichkeit, aber auch das Interesse aneinander. „Dialog < lat. dialogus (< griech. diálogos), mit lat. Flexion seit dem 14. Jh., unter Einfluß von frz. dialogue eingebürgert im 18. Jh., >Wechselrede< (auch als Gattungsbez., vgl. die Dialoge Platons, Ciceros, Huttens usw.), >Zwiegespräch< und allgemeiner >Gespräch< [...].“29 Als Konnotation schwingt mit, was auch der Begriff des ‘Symposiums’ nahelegt: eine philoso- phische Tradition, die nicht das Streitgespräch (‘disputatio’) sucht, sondern die wechselseitige Durchdringung eines Sachverhalts, dessen Verlauf - besser gesagt: dessen geschickte maieuti- sche Führung - zur Einsicht in die Erkenntnis führt, wenn auch nicht des Richtigen, so doch des Falschen.30 Tatsächlich betreffen die Dialoge zwischen Literaturwissenschaft und Theologie nicht zum wenigsten immer auch die Rangfolge beider Disziplinen. Die regelmäßig wiederkeh- renden Resümees, man habe sich im beiderseitigen Austausch gegenseitig ‘befruchtet’, wider- sprechen dem nicht, vielmehr betonen sie noch die Gegensätzlichkeit. Ich wähle als Beispiel das Tübinger Symposium vom Mai 1984 über die ‘Möglichkeiten und Grenzen eines Dialogs’ zwischen Theologie und Literatur. Die theologische Motivation des Dialogs wurde von Karl-Josef Kuschel folgendermaßen formuliert: Es sei darum gegangen, die „Bedeutung der Religion für die Literatur“31 zu diskutieren.32 „Dieses Symposium [...] behandelte die Frage, wie sich im Medium der Literatur für unsere Zeit signifikante und theologisch relevante Probleme spiegeln. Um die Erkenntnisfunktion der Litera- tur und Literaturwissenschaft für die Theologie ging es uns.“33 26 Zur Parallelen zwischen Literaturwissenschaft und Theologie vgl. in neuerer Zeit Lies 1998, 117. 27 Bei Sedmak/Tschuggnall 1998, 144ff. 28 Geht also über die Ich-Du-Relation (Buber) hinaus, auf die etwa Kurt Lüthi (1968, 8) hinwies. 29 Stichwort ‘Dialog’; in: Paul 1992, 172. 30 Zur Kritik an den Ausschließlichkeitsansprüchen in der deutschsprachigen Literaturtheologie vgl. Simon 1987. 31 Jens/Küng/Kuschel 1986, 7. 32 Die ausdrückliche Zielorientierung unterschied das Tübinger Symposium von anderen ähnlich gelagerten Veran- staltungen: Bei dem Kolloquium ‘Literatur und Religion’ etwa, veranstaltet im Juli 1981 von der Droste-Gesellschaft, Münster und der Eichendorff-Gesellschaft, Würzburg (dokumentiert in Koopmann/Woesler 1984) ging es um Aus- tausch von unterschiedlichen Fragestellungen, andere Symposien sind stärker auf spirituelle Erfahrung resp. Erbau- ung hin angelegt. 33 Jens/Küng/Kuschel 1986, 9. - A.1 - 18 Es ist also die Theologie, die die umgreifende Fragestellung vermittelt.34 Die Literaturwissen- schaft wurde in dem in Tübingen geführten Dialog allenfalls als Korrektiv aufgefasst, als Ga- rantin für eine dem Text adäquate Aneignung: „Sie [sc. die Literaturwissenschaft] schafft kritische Distanz zur Tagesaktualität, stellt erhellende Verweise und Sinnbezüge her, gibt, einerseits, dem aktuellen Unternehmen durch Verweis auf historische Modelle Profil und Tiefenschärfe und stellt, andererseits, kritische methodische In- strumentarien zur Verfügung, die verhindern, daß literarische Texte theologisch oder religiös falsch rezipiert, das heißt intentionswidrig vereinnahmt werden.“35 Hinter diesen Sätzen steht eine in mehrfacher Hinsicht traditionelle Vorstellung von Literatur- wissenschaft, die sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: • Die Literaturwissenschaft beschäftige sich mit der Auslegung literarischer Werke (implizit abgegrenzt zu nicht-literarischen Werken) • Sie ordne das einzelne Werk in den Kontext anderer Werke ein. • Sie könne eine falsche Interpretation von einer richtigen unterscheiden. • Sie sei kompetente Sachwalterin einer dem Text innewohnenden Intention.36 • Sie vermittele eine Perspektive auf das litarische Werk ‘sub specie aeternitatis’, sie erhöhe al- so - um es pointiert zu sagen - ein Werk aus den Bedingtheiten des (banal) Aktuellen. Dieser Auffassung hatten die bei dem Tübinger Symposium teilnehmenden Literaturwissen- schaftler wenig entgegenzusetzen, weil sie die eigentlich naheliegende Metaebene nicht ein- nahmen und sich in gleicher Weise wie die Theologen auf texthermeneutische Fragen be- schränkten; entweder deskriptiv wie Theodore Ziolkowski und Klaus Jeziorkowski oder nor- mativ wie Albrecht Schöne, der das Augenmerk des Literaturwissenschaftlers auch auf ‘religiös entleerte’ Sprache gerichtet wissen wollte. 5. Tatsächlich jedoch hat sich - wie im folgenden Kapitel umrissen - die Aufgabenstellung der Literaturwissenschaft in den letzten Jahrzehnten beträchtlich verschoben, weg von einer am Maßstab des sprachlichen Kunstwerks orientierten Werkzentriertheit hin zu einer Untersuchung von Rezeptionszusammenhängen, mehr noch: von Diskurszusammenhängen, also den Mecha- nismen sozial konnotierter Sinnzuschreibungssysteme. Damit ist der Werkbegriff, mit dem die Literaturtheologie bis heute arbeitet, als methodischer Kompass längst dispensiert, zuminde- 34 Bei dem Bonner Symposium von 1997 über ‘Theologie und Poesie in hermeneutischer Sicht’, das sich bewusst in die 1984 in Tübingen eröffnete Tradition des Dialogs stellte (vgl. Schröer/Fermor/Schroeter 1998, Vorwort und Einleitung, S. 10), war die literaturwissenschaftliche Sichtweise gar nur noch mit einem Referat vertreten; im Zeichen einer ‘ästhetischen Wende’ der Theologie dominierten nun theologische Fragestellungen. 35 Jens/Küng/Kuschel 1986, 7. Die Warnung davor, dass ein Text vereinnahmt, dass ihm also zu Unrecht eine theo- logische Deutung untergeschoben werde, richtet sich in diesem Fall offenbar gegen die traditionelle Literaturtheolo- gie, ist aber dort, wo das Verhältnis von Theologie und Literaturwissenschaft explizit problematisiert wird, längst zum Topos geronnen. Bereits im Vorwort des Tagungsbandes verwahrten sich die Initiatoren des Tübinger Symposi- ums vorsorglich gegen diesen Vorwurf. Vor theologischen Überinterpretationen, regelrechten Fehlinterpretationen, sind indes selbst Autoren nicht geschützt, die dem entschieden widersprechen. Vgl. etwa Knapp, G. 1976a zu theo- logisierenden Interpretationen der Werke von Friedrich Dürrenmatt. 36 Kuschel operiert mit einem unklaren Intentionsbegriff; gemeint sein kann sowohl eine Autor- als auch eine Textin- tention. - A.1 - 19 stens ausgiebig relativiert. Zugleich ist die Vorstellung eines dem einzelnen Text immanenten Sinnes, der jeweils nur annäherungsweise auszuschöpfen sei, überholt. Was vormals als Wer- tungskriterium diente, nämlich die Bedeutungsfülle des literarischen Werkes oder gar dessen ‘unendliche Reflektierbarkeit’ (Emrich), ist bereits bei Gadamer problematisiert und wird mitt- lerweile - im Gefolge von Rezeptionsästhetik und Semiotik - bestimmt als individuelle oder auch gruppenspezifische Aktualisierung, die der Text lediglich steuert bzw. begrenzt. Dass dagegen im literaturtheologischen Diskurs bis heute der Literaturwissenschaft ausdrück- lich die Rolle der flankierenden Begleitung zugewiesen wird,37 zeigt deutlich die umstandslos vorausgesetzte Gemeinsamkeit als gemeinsame Suche nach einem Sinn, der dem Text inne- wohnt. Diese Sichtweise bezeichne ich mit dem Begriff der ‘Teilnehmerperspektive’. Diese kommt auch darin zum Ausdruck, dass als Gegenpol zur Theologie nicht Literatur schlechthin, sondern ausschließlich „künstlerisch verantwortete“38 Literatur fungieren soll. Es handelt sich hier nicht um eine Marginalie, sondern um ein grundlegendes Problem des litera- turtheologischen Diskurses. Wie es die logische Stimmigkeit eines Argumentationsganges beein- trächtigen kann, zeigt sich sehr deutlich bei Friedrich Kieneckers 1991 veröffentlichtem Beitrag zum ‘Gespräch zwischen Religion und Literatur’ - so der Untertitel des Werkes. Welcher Art die- ses Gespräch sein sollte, ließ Kienecker offen. Tatsächlich nämlich belegte er in vielfältiger Wei- se seine Grundthese, die Literatur (als Kunst) sei ohne Religion nicht zu denken, sie sei nämlich nur die „sprachliche Verdichtung“ eines anthropologisch gegebenen religiösen Bedürfnisses „in ein je konkretes (humanes) Bezugssystem“.39 Für die Genese von Kunst berief sich Kienecker auf H.E.Nossacks Satz: „Ich wage sogar zu behaupten: die einzige Existenzberechtigung von Literatur in unserer pragmatischen Zeit beruht darin, daß ihre geheimsten und bewußt verheim- lichten Entstehungsmotive religiöser Natur sind ... Was wir in der heutigen Literatur sehen, kann als ein Versuch betrachtet werden, den ‘homo religiosus’ über ein Zeitalter abstrakter Rationa- lisierung hinüberzuretten.“40 Dagegen wäre nichts einzuwenden. Wo jedoch Literatur und Glau- be in einen gemeinsam umgreifenden Horizont eingestellt werden, wo Literatur überhaupt nur unter religiösen Gesichtspunkten als relevant erachtet wird, nimmt sich der Hinweis auf die „spannungsreichen Beziehungen von Christentum und Kultur, näherhin von Dichtung und Glaube“41 wie ein selbstreferentieller Allgemeinplatz aus. 6. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass die Kritik des Literaturwissenschaftlers Ri- chard Brinkmann an der „Harmonisierung zwischen Literatur und Theologie“42 im litera- turtheologischen Diskurs so wenig Widerhall gefunden hat. Brinkmann gehört zu den wenigen Literaturwissenschaftlern bzw. -kritikern, die die Probleme eines Dialogs zwischen Theologie 37 In der Sekundärliteratur findet sich nicht selten eine Gleichsetzung von Literatur, Literaturwissenschaft und Litera- turkritik, etwa bei Balz 1983, 263: „In dem dialogischen Prozeß nehmen beide, Theologie und Litera- tur(wissenschaft), je ihre Aufgabe auch mit den entsprechenden Methoden wahr.“ Zum Primat des Theologischen vgl. auch Kuschel 1982, 743. 38 Schröer, H. 1998, 132. 39 Kienecker 1991, 158. 40 Zit. nach ebd., 159. 41 Ebd., 157. 42 Brinkmann, R. 1981, 120. - A.1 - 20 und Literaturwissenschaft erörtert haben, ohne - wie etwa Klaus Jeziorkowski43 - in gängige Stereotypen gegenseitiger Wahrnehmung zu verfallen. In einem Aufsatz von 1981 bestritt er der Theologie das Recht, „ohne weiteres mit den gleichen Kriterien und Sprechgewohnheiten sprachliche und inhaltliche Phänomene in der Dichtung zum Objekt der Untersuchung [zu] machen wie religiöse Phänomene außerhalb der Dichtung [...].“44 Ein Dialog zwischen Theo- logie und Literatur könne nur dann sinnvoll sein, wenn literaturwissenschaftliche und theologi- sche Sphäre strikt getrennt blieben, sowohl was den Gegenstandsbereich als auch den Modus der Aneignung angehe: „Vermischung der Sprachsphären und ‘Sprachspiele’, der semantischen Bedingungen in Dich- tung, Literaturwissenschaft, Theologie, religiöser Praxis ist trotz der Gemeinsamkeiten [zwischen Theologie und Literatur(wissenschaft)] kein gangbarer Weg, die christliche Verkündi- gung für die Gegenwart zu aktualisieren. Nur klare Unterscheidung der Sach- und Sprachberei- che wird ihre Kommunikation produktiv machen.“45 Bereits 1960 - in seinem ‘Versuch über den christlichen Dichter’ - hatte Hans Egon Holthusen eine Abgrenzung zwischen Theologie und Literaturkritik vorgenommen,46 ohne damit einen Dialog zu bezwecken. Auch Holthusens Kritik an theologischen Grenzüberschreitungen ist theologischerseits so gut wie nicht rezipiert worden, was mir nicht zufällig zu sein scheint: Das theologische ‘Vereinnahmen’ von Literatur ist zwar im literaturtheologischen Argumentieren zur allgegenwärtigen Floskel geronnen, ist aber - das zeigt sich in verschiedenen fruchtlosen Auseinandersetzungen im literaturtheologischen Diskurs47 - nicht intersubjektiv bestimmbar. Am Schluss meiner Untersuchung schlage ich eine Methode vor, eine Vereinnahmung als sol- che theoretisch zu fassen.48 7. In der vorliegenden Untersuchung gehe ich von der Kritik Brinkmanns aus, stelle sie jedoch in einen größeren Zusammenhang. Um den systemischen Charakter des Verhältnisses von Theo- logie und Literaturwissenschaft in den Blick nehmen zu können, setze ich der gemeinhin gängi- gen Teilnehmerperspektive eine Beschreibung entgegen, die die - sit venia verbo - innerdiskur- sive Immanenz einer theologischen Betrachtungsweise transzendiert und somit in der Lage ist, argumentative Verstrickungen des bisherigen ‘Dialogs’ nachzuweisen, soweit sie sich aus un- terschiedlichen Interessen und Begrifflichkeiten sowie aus unterschiedlichen Ansprüchen an 43 Vgl. hier vor allem Jeziorkowski 1986 und 1987a. 44 Brinkmann, R. 1981, 121. 45 Ebd., 122. 46 Vgl. Holthusen 1960, 113f. 47 Aufschlussreich ist beispielsweise die Kontroverse zwischen Gisbert Kranz und Karl-Josef Kuschel in den ‘Stimmen der Zeit’ (zit. als Kranz 1982 und Kuschel 1982). 48 Vgl. Kap. F.2. - A.1 - 21 Deskriptivität und (theologisch bzw. literaturwissenschaftliche) Normativität ergeben. Das hebt die Dialog-Metapher nicht auf, sondern differenziert und erweitert sie. 8. Der konsequente Schritt von der Teilnehmer- hin zu einer Beobachterperspektive könnte heu- ristisch zu der Folgerung führen, die literaturwissenschaftliche und -geschichtliche Aufarbei- tung religiös gebundener Literatur aus der Obhut der Theologie herauszunehmen und einer religionswissenschaftlich orientierten Frömmigkeitsgeschichte zu überantworten.49 Damit grei- fe ich Vorschläge auf, die bereits früher schon erhoben, bisher aber nicht umgesetzt wurden.50 Tatsächlich nähere ich mich den berührten theologischen Fragestellungen mit dem Blick des Betrachtenden - mit einem kritischen Wohlwollen, aber von außen: eine ‘kulturchristliche’ Perspektive in dem Sinne, wie ihn Wilhelm Gössmann vorgeschlagen hat. „Mit Kulturchristen im weitesten Sinne sollte man [...] jene bezeichnen, die kirchlich mehr oder weniger gleichgültig sind und sich doch kulturell engagieren. Sie zehren einerseits von der christlichen Substanz unserer Kultur, andererseits tragen sie zur Ausbildung eines fortschrittli- chen Kulturbewußtseins bei. Im engeren Sinne sind diejenigen zu nennen, die mit einem kriti- schen Bewußtsein das Christentum kirchlich bejahen und aus dieser Einstellung heraus sich mit der Kulturwelt auseinandersetzen, zu eigenen Einsichten und Wegen gelangen.”51 Dabei setze ich Dissonanzen52 im Verhältnis von Kultur und christlichem Glauben voraus, halte Kultur und Glauben aber nicht für diametral entgegengesetzt. Dann nämlich läge es tat- sächlich nahe, entweder - wie oben beschrieben - die Dialog-Metapher überzustrapazieren oder aber sie als reinen Jargon zu perhorreszieren.53 Das Denken in Antinomien hat verschiedentlich dazu verleitet, die Restitution eines Zustands vorgeschichtlicher Sprachintegrität für möglich zu halten. Eine solche Auffassung jedoch ist für einen (sprachlichen) Austausch über Literatur insofern kontraproduktiv, als sie logischerweise ins (mystische) Schweigen einmünden müsste. An literarischen Beispielen jedenfalls, das zeigt die folgende Untersuchung des literaturtheologischen Diskurses, lässt sie sich nicht zweifelsfrei be- legen. Der Dispens einer theologischen Perspektive erklärt sich aus der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung; er ist mithin nur vorläufig. Am Ende der Untersuchung soll der Anteil der 49 Wenngleich nicht im Sinne Wolfgang Nehrings, der über das ‘Gespräch von Religion und Literatur’ zwar konsta- tierte: „Die Idee der Interdisziplinarität macht nicht länger halt vor der Religionswissenschaft. Eine wechselseitige Erhellung religiöser und literarischer Bewußtseinsinhalte wirkt befruchtend nach beiden Seiten.“ (Nehring 1995, 77), seinen Aufsatz über Hofmannsthals Religiosität dann aber mit folgenden Worten beschloss: „Ein trostloses Ende [im Schauspiel ‘Der Turm’], das im Gegensatz zum barocken Märtyrerdrama steht. Religion und Geist geben ihren Führungsanspruch nicht auf, aber sie können sich in der brutalen Wirklichkeit nicht mehr behaupten. - Der Dichter selbst [sc. Hofmannsthal] hält ihnen innerlich natürlich die Treue.“ (ebd., 97). 50 Vgl. die Beiträge von Barner, Kuschel, Schöne und Küng auf der abschließenden Diskussion des Tübinger Sym- posiums (Jens/Küng/Kuschel 1986, 243). Dass Mieth der Theologie einen weiteren Horizont zugesteht als der Re- ligionswissenschaft, bleibt als nicht näher begründete Behauptung stehen (vgl. Mieth 1986a, 173). 51 Gössmann 1990, 9. 52 Vgl. Bahr 1961, 40. 53 So etwa bei Baden 1975a, 101f. - A.1 - 22 Theologie am Umgang mit christlicher Literatur bzw. mit Literatur im Allgemeinen neu be- stimmt werden.54 9. Vor allem von katholischer Seite wird eine rein literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit (christlicher) Literatur schnell als „Neutralismus gegenüber Sinnfragen“55 oder gar - in psy- chologisierendem Jargon - als Ausdruck von seelischer Verkrampftheit oder von Ängsten ab- gewertet, die „auf einer falschen Unterstellung gegenüber dem Ethos der Offenbarung“56 be- ruhten. In solchen noch in jüngster Zeit erhobenen Zuschreibungen, deren diffamierende Beiklänge offenbar billigend in Kauf genommen werden, verbirgt sich eine modern gewandete Tradition theologischer Literaturkritik aus dem 19. Jahrhundert, jedes literarische Werk - oder jede Äußerung zu einem literarischen Werk - entweder als Bekenntnis zum christlichen Glau- ben oder als dessen Ablehnung zu lesen und diese Dichotomie in den Kategorien von Gesund- heit und Krankheit zu beschreiben. Auch offenbart sich hier die Vorstellung eines uneinholba- ren Primats der Theologie, die einen nicht theologisch motivierten literaturwissenschaftlichen Zugriff nur als defizitär zu begreifen vermag. Folgerichtig setzte Dietmar Mieth einer sich selbst als ‘ideologielos’ verstehenden Literaturwis- senschaft nicht etwa die Theologie entgegen, sondern deren ideologische Verhärtung: „Der ideologischen Gefahr der Theologie steht die Gefahr einer Ideologie der Ideologielosigkeit in der Literaturwissenschaft gegenüber.“57 Vielleicht missverstehe ich Mieth,58 und dieser Satz soll tatsächlich nicht den Primat eines theologischen Zugriffs andeuten. Im gleichen Atemzug al- lerdings äußerte Mieth explizit den Wunsch nach zuordnungsfähigen hermeneutischen Stand- punkten und machte dann deutlich, dass die Disparität solcher Standpunkte allein theologisch zu deuten wäre. Auf die Literatur bezogen heißt das bei ihm: „Methodische Relevanz der Theologie für Literatur scheint mir dort nur möglich zu sein, wo Theologie die Literatur wirklich autonom sein läßt; d.h., sie geht von der Pluralität regionaler Einsichten aus, ohne diese in einen meta- physischen Zusammenhang zu hierarchisieren.“59 Gewiss bedeutet der Verzicht auf eine quali- fizierende Deutung gerade jene Abkehr von der traditionellen katholischen Literaturkritik, die in Mieths Thomas-Mann-Interpretation bereits mehr als deutlich markiert ist.60 Worauf Mieth in den zitierten Abschnitten aber nicht verzichtete, war die integrierende Zusammenschau der ‘regionalen (!) Einsichten’ aus einem übergreifenden theologischen Verständnis heraus. Ähnlich sah Kuschel die Funktion von Theologie als „Korrektiv aller partikulären, selektiven Interpreta- tionen religiöser Gestalten und Texte, seien sie christlicher oder nichtchristlicher Provenienz.“61 Der angestrebte Primat der Theologie äußert sich gerade in diesem Anspruch, zwischen dem (defizitär) ‘Regionalen’ und dem (wahren) Ganzen unterscheiden zu können und die adäquate Erkenntnis von letzterem ausschließlich für sich zu reklamieren. 54 Vgl. Kap. F.4. 55 Mieth 1986a, 168. 56 Ebd., 176. 57 Ebd., 168. 58 Dietmar Mieth hier pars pro toto für das literaturtheologische Argumentieren. 59 Ebd., 170. 60 In seiner Habilitationsschrift (Mieth 1976a). 61 Kuschel/Meesmann 1985, 184. - A.1 - 23 So verwundert es nicht, dass in Symposien der jüngsten Zeit die Literaturwissenschaft gar nicht mehr als eigenständige Gesprächspartnerin vertreten ist,62 sondern bestenfalls, wenn überhaupt, als methodische Legitimation bemüht wird. Vollends schließt sich der Kreis, wenn - wie vor nicht langer Zeit auf einem Symposium in Frankfurt - ein Theologe (Thomas Schreijäck) ein Gedicht interpretiert, das ein anderer Theologe (Bernhard Welte) geschrieben hat: eine Form von rekursiver Selbstbestätigung, die den Titel des Symposiums - ‘Theologie und moderne Literatur im Gespräch’ - in besonders eklatanter Weise ad absurdum führt.63 Demgegenüber gehe ich in meiner Arbeit von der Prämisse aus, dass der Diskurs über christli- che Literatur nicht notwendigerweise einen gläubigen Partizipanten erfordert, sondern grund- sätzlich auch einem Atheisten argumentativ zugänglich sein müsste - und zwar über ‘regionale’ Einsichten hinaus. Noch einmal: Das bedeutet nicht „vollendete Diesseitigkeit“64 und auch nicht ein verkürztes Verständnis von Theologie als verlängertem Arm der Dogmatik. Gegen eine von ihm vermutete literaturwissenschaftliche Theologiefeindlichkeit wandte Mieth ein: „Haben die Literaturwissenschaftler ihre Dogmen so präsent wie die Theologen die ih- ren?“65 Diese auffällige ‘ignoratio elenchi’, nämlich die Verwechslung der Machtansprüche von kirchlichem Lehramt und Wissenschaftsdiskurs, dürfte Mieth nicht zufällig unterlaufen sein. Kurz darauf nämlich heißt es, die zeitgenössische Theologie reklamiere „letztlich das Gewissen als Instanz der Einsichten und Entscheidungen“.66 Es bleibt bei diesen Andeutungen. Die nahelie- gende Frage, ob auch die Literaturwissenschaft sich genuin mit „dem Anspruch des Ganzen“67 oder mit „dem Scheitern des Themas ‘Kunst und Leben’“68 auseinandersetzen dürfte, wenn sie denn nicht - wie Mieth zu beobachten glaubt - vor diesen Fragen ‘resignierte’, wird nicht gestellt. Ich meine vielmehr eine Forderung, die an das Sprechen über christliche Literatur legitimerwei- se heranzutragen sein müsste: die Möglichkeit nicht nur des fremden, sondern auch des eigenen Irrtums in Erwägung zu ziehen. Insofern verstehe ich meine Arbeit als konstruktiven Beitrag, die gängigen (gedanklichen) Stereotypen und (sprachlichen) Topoi eines ‘Gesprächs zwischen Literatur und Glauben’ aufzubrechen. Allenfalls die Frage, ob dieses Gespräch unverzichtbar ist,69 mag einer ausschließlich theologischen Beurteilung überantwortet bleiben. 62 Exemplarisch etwa bei Heil 2000. Heil sieht einen Dialog zwischen Literatur und Theologie bereits dadurch ver- wirklicht, dass dem professionellen Rezitieren eines Textes (bzw. Textabschnitts) dessen - ebenfalls vorgetragene - theologische Auslegung zur Seite gestellt wird: eine methodisch heikle Verdinglichung des literarischen Kommuni- kationspotentials, ja fast schon dessen Sakralisierung (und damit: Immunisierung). 63 Schreijäck wies sogar selbst darauf hin, bei seinem „Nachspüren“ handele es sich um „Gedanken zu schon Ge- dachtem“ (Schreijäck 2000b, 167). In dem Gedicht seines ehemaligen akademischen Lehrers Bernhard Welte seien „die zentralen Anliegen seines [sc. Weltes] Denkens und Wirkens“ poetisch „verdichtet“(Schreijäck 2000b, 178, Anm. 1). Die methodische Relevanz einer solchen theologischen Praxis vermag ich nicht zu beurteilen. Hier jedoch ein wie auch immer geartetes ‘Gespräch zwischen Theologie und moderner Literatur’ anzunehmen, halte ich für abwegig. 64 Gadamer 1981, 19. 65 Mieth 1986a, 173. 66 Ebd., 176. 67 Ebd. 68 Ebd. 69 So etwa Schreijäck 2000a. - A.2.a - 24 2. Literaturgeschichtliche Zugänge a) Teilnehmer- vs. Beobachterperspektive Die erkenntnisleitende Unterscheidung von Teilnehmer- und Beobachterperspektive verweist auf eine in den letzten Jahrzehnten immer trennschärfer ausgearbeitete Theoretisierung der Literaturwissenschaft.1 Diese wiederum lässt sich auf zwei verhältnismäßig parallel laufende Entwicklungen in der Theoriebildung anderer Fächer zurückführen, die historische und aktuelle Sinnzuschreibungszusammenhänge und die Art ihrer gesellschaftlichen Wirksamkeit zu rekon- struieren versuchen: zum einen die Ausarbeitung systemtheoretischer Modelle in der Soziologie zur Erfassung gesellschaftlicher Zusammenhänge, zum anderen die Aufkündigung eines grundlegenden hermeneutischen Einverständnisses im Rahmen der unterschiedlichen poststruk- turalistischen Theorien (Foucault, Derrida, Deleuze, Lyotard, de Man, Lacan, Althusser etc.). Auf literaturwissenschaftliche Fragestellungen bezogen, ist beiden Theoriesträngen gemeinsam der Blick auf diejenigen Diskurs- und Rezeptionszusammenhänge, in denen Literatur als gesell- schaftliches Faktum entstand (und bis heute immer neu reproduziert wird) und die als historisch kontingent und interessegeleitet begreifbar sind. Darüber hinaus wird sowohl im Poststruktura- lismus als auch in systemtheoretischen Annahmen das Subjekt als Instanz intentionalen Ent- scheidens und Handelns dispensiert,2 was überhaupt erst die kategoriale Trennung von Teil- nahme und Beobachtung legitimiert. Tatsächlich liegt die Versuchung nahe, religiös gebundene Literatur unterschiedlichen Niveaus bzw. unterschiedlicher Reichweite in ihren jeweils historischen Ausprägungen über eine Re- konstruktion der einschlägigen Diskurszusammenhänge zu erarbeiten, denn a priori steht zu vermuten, dass in diesen Teilgebieten des gesellschaftlichen Systems ‘Literatur’ die Diskursre- geln, und damit: die Ab- und Ausgrenzungen, stärkeren Nachdruck besitzen als in anderen, weltanschaulich weniger festgelegten Teilsystemen. Trotzdem wähle ich für die vorliegende Untersuchung keinen diskurstheoretischen Zugang: Mit dem Begriff der Macht nämlich, bei Foucault mit dem des Diskurses verknüpft, sind die Verhältnisse zwischen Individuen themati- 1 Anerkannt sei damit, dass Theologie für ihren Gegenstandsbereich allenfalls heuristisch von einer Teilnehmer- in eine Beobachterperspektive wechseln kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Literaturtheologie nicht aus der Teilnehmerperspektive heraus analysiert werden könnte. Insofern ist Clemens Sedmak und Peter Tschuggnall zu widersprechen, die in einer Arbeit jüngeren Datums nicht nur die literaturtheologische Teilnehmerperspektive ver- teidigen (vgl. Sedmak/Tschuggnall 1998, 103f.), sondern diese auch noch im römisch-katholischen Sinne dogma- tisch zu fixieren suchen (vgl. dazu ausführlicher Kap. C.4.a.iii). Allerdings sind Sedmak und Tschuggnall die ersten Literaturtheologen, die das Problem der Perspektive als solches wenigstens ansatzweise reflektieren. 2 Das betrifft auch Versuche, systemtheoretische und handlungstheoretische Annahmen zu integrieren, wenn es dabei lediglich um eine Analyse der „Interaktion zwischen den inhomogenen Subsystemen“ und um „Konventionen als Elemente des kollektiven Wissens von Akteuren in sozialen System“ (Schmidt, S.J. 1996, 117) geht. Dazu mehr in Kap. A.2.b. - A.2.a - 25 siert, zumindestens die Möglichkeit, Macht zu erleben. Die methodische Fruchtbarkeit dieser Prämisse haben Bourdieu und die in seinem Umkreis entstandenen Arbeiten umfänglich nach- gewiesen. Die Vorstellung von Individualität völlig aufzugeben, ist demnach nicht zwangsläu- fig.3 Manfred Frank weist in seiner Auseinandersetzung mit Schleiermacher auf den Zusam- menhang von regelhaften Strukturen (langue) und schöpferischem Sprachgebrauch des Einzel- nen im täglichen Leben (parole) hin, der bereits in der Frühromantik als ästhetisches Problem reflektiert wird.4 Schleiermacher hat dafür den Begriff des ‘In-der-Sprache-Mitarbeitens’ ge- prägt. Dem steht die grundlegende diskurstheoretische Setzung gegenüber, der Einzelne lebe innerhalb der Limitierungen seiner Diskurse. Diese Vorstellung verkennt in ihrem pessimisti- schen Determinismus die Vielfältigkeit der (nichtsprachlichen) Lebenswirklichkeit und ihre Unvorhersehbarkeit;5 sie verkennt auch, dass aus der Determiniertheit menschlichen Handelns eine Zwangsläufigkeit kausal nicht folgert. In der Debatte um die Legitimität von Hermeneutik werden zudem oft die Begriffe ‘intentionales (sc. sinnschaffendes) Handeln’ und ‘autonomes Handeln’ als Synonyma verwen- det. Letzteres würde tatsächlich auf den Autor als „‘Herr’ des Sinns seines Werkes“6 verwei- sen. Diese Vorstellung jedoch ist längst obsolet und bereits von Schleiermacher aufgegeben. Die Kategorie des intentionalen Handelns bleibt dagegen valide, insbesondere im Bereich der Literatur: Wenn die Vorstellung, die ein Autor von seinem intentionalen schöpferischen Han- deln hat,7 ein ‘Phantasma’ sein sollte - was nicht beweisbar ist -, so bleiben doch Bereiche die- ser Intentionalität einer Beobachtung von außen verschlossen, vor allem, wenn sie - wie etwa lebensgeschichtliche Erinnerungssedimente - nicht in Worte zu fassen sind. Für das Bewusst- sein, das der empirische Autor von seiner eigenen Subjektivität hat, sind sie gleichwohl hand- lungsleitend. Daraus ist methodisch zu folgern, dass es möglich ist, literarisches Handeln in seiner ‘vorausgesetzten Intentionalität’ zu untersuchen. In diesem Sinne gehe ich von der ‘Unhintergehbarkeit von Individualität’ (Frank) aus.8 Sie lässt sich im übrigen auch von der Leserseite her begründen. Braungart hat hierfür den Begriff der ‘primären Leseerfahrung’ eingeführt. Diese zielt darauf, sich zumindestens für die Zeit der 3 Die Auseinandersetzungen zwischen hermeneutischen und anti-hermeneutischen Positionen soll hier nicht im ein- zelnen nachgezeichnet werden. Vgl. dazu etwa Müller, Harro 1988 sowie die Beiträge in Bogdal 1997. 4 Indem das Kunstwerk im Prozess seiner Aneignung konkretisiert wird. Dass indes diese Aneignung systematisch erfolgt (vgl. Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Frankfurt/M. 1974, Bd. I,1. Abhandlungen, S. 69ff.), ist m.E. weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung. 5 Vgl. Frank 1984, 194. 6 Bogdal 1997a, 88. 7 Vgl. dazu Schmidt, Jochen 1988. 8 In den umrissenen Zusammenhang ist - über den linguistischen Rahmen hinaus - zugleich das ethische Problem der Verantwortlichkeit verwoben. Vgl. dazu die emphatische Warnung vor dem destruktiven Potential eines missverstan- denen orthodoxen Dekonstruktivismus bei Putnam (1997, 168ff.). - A.2.a - 26 Lektüre auf eine „symbolische Bedeutungsordnung“9 einzulassen. Der Grundimpetus von Lektüre richtet sich, so Braungart, stets darauf, „zu verstehen, was da geschrieben steht, und nicht darauf, mißzuverstehen, nicht, nichts zu verstehen oder das Verstehen in eine Aporie von Widersprüchen zu treiben.“10 Wohlgemerkt: Es soll hier nicht darum gehen, bestimmte Verste- hensprozesse zum autoritativen Maßstab zu machen. Lesen ist, wie Enzensberger polemisch, aber nicht ganz unrichtig bemerkt hat,11 ein grundsätzlich anarchischer, ein verfügender Akt. Trotzdem zielt jedes Lesen auf einen Sinn, wie vorläufig und teilweise reversibel sich dieser Sinn im Prozess der Lektüre dann auch immer erweisen mag.12 Empirische Versuche haben gezeigt, dass erst jenseits einer bestimmten Grenze von poetischer Mehrdeutigkeit eine Textkonkretisation nicht mehr stattfindet.13 Aus all dem folgert eine hermeneutische Herangehensweise, die - im Sinne Gadamers14 - die Notwendigkeit und Legitimität einer hermeneutischen Teilnahme des Einzelnen an seinen kon- kreten lebensweltlichen Bezügen grundsätzlich akzeptiert. Jedoch sollen die diskurstheoretisch erarbeiteten Einsichten in die Ausprägung von Verstehens- und Sinnschöpfungsprozessen in gesellschaftlichen Machtzusammenhängen - gewissermaßen ihre historische Tektonik15 - als notwendiges Korrektiv dienen. Das macht den Begriff ‘Diskurs’ erklärungsbedürftig: Ich be- zeichne mit ihm einen institutionell fundierten Zusammenhang von Rede-, Verstehens- und/oder Handlungsweisen, in dem sich bestimmte Regeln des Argumentierens und Sprechens herausgebildet haben, die ihrerseits die (formale) Gültigkeit des einzelnen Beitrages sowohl verbürgen als auch erzwingen. Methodische Kautelen scheinen mir insbesondere dort angebracht, wo ein religiös gebundener Mensch eo ipso als Träger einer „vollständigeren Seins- und Welterschließung“16 gesehen wird - was unzweifelhaft als exkludierende Setzung zu verstehen ist. Ich will ganz deutlich sagen, dass ich die Möglichkeit nicht grundsätzlich abstreite, religiöse Erfahrung könne zu einer quali- tativ anderen - möglicherweise auch höheren - ‘Erschließung’ von Sein und Welt führen. Für die Untersuchung des Diskurses über christliche Literatur ist es jedoch notwendig, darauf hin- zuweisen, dass die Zuschreibung eines solchen Status’ unumgänglich eine Machtfrage ist (und stets war), die man auf die einfache Formel bringen kann: Wer darf wie von (seinem) Gott 9 Braungart 1996, 6. 10 Ebd., 5. 11 Im Essay ’Bescheidener Vorschlag zum Schutze der Jugend vor den Erzeugnissen der Poesie’ (1976). 12 Vgl. dazu ausführlicher Gardner 1994, hier vor allem S. 111ff.. Braungart (1996) gibt eine Reihe von einleuch- tenden Begründungen dafür, dass das ‘naive’ Lesen gewissermaßen unabwendbar ist (vgl. seine Einleitung, hier vor allem die Seiten 6-9). 13 Hoffstaedter 1986. 14 Vgl. vor allem Gadamers Pariser Debatte mit Jacques Derrida; abgedruckt in Forget 1984. 15 Gemeint ist der geomorphologische Sinn des Begriffs, nicht der kunstgeschichtliche. 16 Biser 1993, 41. - A.2.a - 27 sprechen? Und: Wer sollte unter welchen Bedingungen befugt sein, eine solche Frage perfor- mativ gültig zu beantworten? Der, der dies von sich selbst sagt, oder der, von dem andere dies sagen?17 Es handelt sich hier um ein Problemfeld von erheblicher Brisanz, aber es ist - das zeigt der Blick in die christliche Kirchengeschichte mit ihrem reichhaltigen sprachlich fixierten Traditionsbestand - immer sprachlich hintergehbar und damit korrigierbar. Wie nun kann eine Perspektive, wie ich sie einnehme, die Trennung von Teilnehmer- und Be- obachterstatus begründen? Sie kann es - um ehrlich zu sein - nur zum Teil. Bisherige Defizite im theoriegeleiteten Umgang mit christlicher Literatur aufzudecken, um den einschlägigen Dis- kurs zu differenzieren und zu erweitern, bringt es unweigerlich mit sich, sich in ebendiesen Diskurs einzuschreiben, wenn auch auf der „Ebene einer radikalisierten Reflexionsanstren- gung“.18 . Meine Rolle wäre also zu beschreiben als die des Argumentationsanalytikers, dessen Urteil sich nicht durch den Überblick eines archimedischen Außenstandpunktes legitimiert oder gar durch einen überdiskursiven Wahrheitsanspruch, sondern - um mit Josef Kopperschmidt zu sprechen - durch die Aktivierung desjenigen reflexiven Potentials, das das Gelingen von Ver- ständigungsprozessen überhaupt erst ermöglicht; in meinem Fall sind es die Verständigungs- prozesse über christliche Literatur: „Es ist offensichtlich nicht die ‘Struktur’, sondern die ‘Funktion’ dieser Interpretationsleistung, die eine Unterscheidung zwischen Argumentationsanalytiker und Argumentationsteilnehmer er- möglicht [...]: während der Interpret allein an dem Verstehen bzw. an der ‘rationalen Deutung’ des Argumentationsprozesses interessiert ist, stehen für die unmittelbar an diesem Prozeß Betei- ligten die strukturell durchaus analogen Interpretations- und Verstehensleistungen im Funkti- onszusammenhang einer zielorientierten Verständigungsanstrengung zum Zweck kooperativer Handlungsermöglichung.“19 Kopperschmidts Kategorie der Zielorientierung ist es, was meine Arbeit von anderen Arbeiten über christliche Literatur unterscheidet: Weder setze ich den Wert von christlicher Literatur bzw. christlich relevanter Literatur eo ipso voraus noch versuche ich diesen zu begründen; ebensowenig negiere ich ihn. Mein Interesse richtet sich also nicht darauf, bisherige Aneig- nungsparadigmen und deren Intentionen in differenzierter Erweiterung neu zu formulieren, sondern darauf, wie das Sprechen über einen gesonderten Bereich der Literatur diesen über- haupt erst generiert und welche Konsequenzen das zeitigt. 17 Ich verweise hier nur auf die Möglichkeit, eine ins Grundsätzliche gehende Kritik an der Kirche ins Leere laufen zu lassen, indem man nicht ‘ad rem’, sondern ‘ad personam’ repliziert. 1931 etwa hatte Alfred Döblin die Kirche kriti- siert, die „das ungeheure fabelhafte Faktum des Jesus von Nazareth nicht genügend ausmünzt” (Braun, Harald 1931, 73), was folgende für den (vorkonziliaren) Katholizismus typische Reaktion evozierte: „Wir übersehen nicht, daß solche Aussprüche notwendigerweise durch Einseitigkeit fehlen, wenn sie von solchen kommen, die das unend- lich zarte und doch überzeitlich gewaltige Sakrament des in der Kirche fortlebenden Christus nicht von innen ken- nen.“ (Pfleger 1951, 31) 18 Kopperschmidt 1989, 81. 19 Ebd., 80. - A.2.a - 28 Unerheblich ist aus diesem Grunde auch die Frage, welches Vorverständnis ich persönlich dem Anliegen christlicher Theologien oder der Sache des Christlichen entgegenbringe, wie immer man das Christliche definieren mag.20 Damit ist nicht „die Indifferenz [...] zum Prinzip erho- ben“.21 Vielmehr soll ein Querschnitt angesetzt werden, der das theologische Interesse an Lite- ratur als solches gelten lässt, es aber dort untersucht, wo es als menschliche Praxis untersuchbar ist. Ich folge also der methodischen Forderung, die Northrop Frye bereits Ende der fünfziger Jahre erhoben hat: Der Literaturwissenschaftler müsse „jede Religion in der gleichen Weise [...] behandeln, wie die Religionen einander behandeln, nämlich als sei sie eine menschliche Hypothese, ganz gleich, wofür er sie in anderen Zusammenhängen hält.“22 Um es klar zu sagen: Das Sprechen über Literatur gleich welcher Provenienz ist ein genuin literaturwissenschaftlicher Gegenstandsbereich. Analog gilt dies: Die Beurteilung, ob bzw. wann dieses Sprechen heilsrelevant ist, obliegt einer theologischen Beurteilung. Beides ist sorg- fältig voneinander zu unterscheiden. Ich teile deshalb auch nicht das jüngst von Daniel Hoffmann geäußerte methodische Postulat, das Werk von Elisabeth Langgässer sei adäquat nur der ‘existentielle Vollzug’ dieser Literatur durch den Interpreten.23 J. Hillis Miller, der ähnlich argumentierte, verwies auf „jene religiösen Bedeu- tungen, die im Werk und nicht im Auge des Betrachters liegen“24 und die, um echt zu sein, aus der von Gott affizierten Lebensgeschichte des Autors stammen müssten. Das Problem allerdings, wie diese ‘religiösen Bedeutungen’ im „Dialog des [nicht-professionellen] Lesers mit dem Werk“25 wirksam werden könnten - oder vielmehr: wirksam werden sollten, um nicht das Lesen „in einen trivialen Zeitvertreib“26 zu verwandeln -, ließ Miller unerörtert. Es bleibt die Frage, welchen Sinn es haben sollte, das bisherige Argumentieren über christliche Literatur aus einer literaturwissenschaftlichen Perspektive zu analysieren. Die Beantwortung dieser Frage liegt - hoffentlich - in der Untersuchung selbst. Ich verbinde mit ihr ein emanzipa- tives Erkenntnisinteresse, das nicht bei weltanschaulichen Fragen ansetzt, sondern beim Sprachgebrauch. Vorausgesetzt ist dabei, dass - im Sinne von Habermas - nur die ständige ar- gumentative Klärung von Verständigungsprozessen deren Tendenz zur normativen und exklu- dierenden Verfestigung entgegenwirken kann. 20 Mit Küng unterscheide ich eine ‘Außen-’ und eine ‘Innenperspektive’, die sich nicht gegenseitig auszuschließen brauchen (vgl. Küng 1987, 298). Anders als Küng zielt meine Außenperspektive jedoch nicht auf die Wahrheit der christlichen Religion, sondern auf die Verschränkung von christlichem und literarischem Diskurs. 21 Küng 1974, 156. 22 Frye 1964, 130. Dieser Gedanke, so einleuchtend und praktikabel er ist, ist im deutschsprachigen Diskurs über christliche Literatur erst wieder von Karlheinz F. Auckenthaler (1995a, 13) aufgegriffen worden, der allerdings den angloamerikanischen Terminus ‘Literaturkritik’ in seiner deutschen Bedeutung auffasste und damit als literaturkriti- sches Postulat las, was bei Frye als literaturwissenschaftliches Postulat gemeint war. Insofern wären Auckenthalers diesbezügliche Ausführungen nicht unerheblich zu relativieren. 23 Vgl. insbesondere Hoffmann, D. 1998, 29. 24 Miller 1977, 147. 25 Ebd. 26 Ebd., 138. A.2.b 29 b) Religiöse Literatur als Gegenstand der Literaturgeschichte Dass der Bereich des religiösen Diskurses im Allgemeinen und der der religiös motivierten Litera- tur im Besonderen durch besondere Definitionsansprüche gekennzeichnet sind, führt auf die Frage, welches literaturhistorische Instrumentarium einschlägigen Untersuchungen angemessen wäre. In der vorliegenden Arbeit geht es - über den literaturtheologischen Diskurs hinaus und diesen um- greifend - um die Interdependenz von (religiöser) Literatur und Katholizismus in einem bestimmten historischen Zeitraum, der seinerseits bis heute einen prekären diskursiven Status hat. Sozialge- schichtliche Fragestellungen greifen hier nur zum Teil. Auch mit systemtheoretischen Modellen lässt sich das Problem des laienapostolisch motivierten katholischen Literatentums der Vorkonzils- zeit - wie ich es am Beispiel von Erwin Karl Münz behandle - nicht adäquat darstellen; vielmehr wäre der Einzelfall stets in der Gefahr, vom primären Interesse an Systemzusammenhängen erstickt zu werden, selbst wenn ein solches Interesse handlungstheoretische Aspekte mitumgreifen würde. Von Interesse wäre hier allenfalls die Frage, ob Münz, der mit seinen Konzepten und seinen litera- rischen Arbeiten ja gerade nicht durchdrang, als Modellfall für die Abgrenzbarkeit von unter- schiedlichen Subsystemen genommen werden könnte.1 Münz’ Wirken als katholischer Literat vollzog sich im Kontext unterschiedlicher Rollenmuster, Motivationen, Ansprüche und Erwartungen; das gilt sowohl für ihn als Autor als auch für die Re- zeptionszusammenhänge allgemeinliterarischer und konfessioneller Prägung, innerhalb derer sich sein Autorkonzept formte und für die er schrieb. Ergiebiger ist demzufolge die Annahme von Fel- dern (im Sinne Bourdieus), innerhalb derer sich Münz zu positionieren versuchte. Der Verzicht auf den Totalitätsanspruch einer systemorientierten Literaturgeschichtsschreibung - wie ihn Bourdieu und seine Schule begründen - entspricht zudem der im vorigen Kapitel vorausgesetzten methodi- schen Prämisse, dass es unergiebig ist, zwei Wahrheitsansprüche, den religiösen und den methodi- schen, kontrastiv gegeneinander zu setzen. Will sagen: Die Literaturgeschichte kann relevante Aus- sagen treffen über die historische Folgerichtigkeit einer christlich motivierten Literatur, mögli- cherweise auch über ihre historische Notwendigkeit, nicht aber über ihre Berechtigung. 1 Dazu ausführlicher Schmidt, S.J. 1996, 117ff. - A.2.c - 30 c) Zur Begrifflichkeit Der Begriff ‘Religion’, wie ich ihn in meiner Untersuchung über christliche Literatur voraus- setze, bezeichnet das ‘relevante Sprechen vom Transzendenten’,1 soweit es genuin auf Gemein- schaft angelegt ist. Es vermittelt nicht nur ein schlüssiges Welterklärungsmodell, sondern auch einen Sinnrahmen für das Verhalten des Einzelnen sich selbst und anderen gegenüber. Religiö- se Welterklärung und Sinnsetzung sind - das sei für die vorliegende Arbeit als Prämisse voraus- gesetzt - dem Außenstehenden zwar erklärungs-, aber nicht letztbegründungsfähig. Analog gilt dies für die Gottesbeweise der christlichen Tradition, die insofern rekursiv sind, als sie ledig- lich das beweisen, was als Präsupposition vorausgesetzt wird:2 diejenige nicht hintergehbare und nur bedingt mitteilbare Erfahrung, die als Offenbarung einer umfassenden Wahrheit ver- standen (und geglaubt) wird. Auch in der Spiritualität drückt sich eine Beschäftigung mit dem Transzendenten innerhalb des Bezugsrahmens einer Religion aus, wobei in der christlichen Tradition zwischen einer systema- tisch ausformulierten Klerikerspiritualität und einer weniger ausdifferenzierten Laienspiritualität zu unterscheiden ist. Letztere jedoch ist - hierin schließe ich mich dem weiten Spiritualitätsbe- griff Zinnhoblers an3 - nicht als Schwundstufe von Klerikerspiritualität zu sehen, sondern als ei- genständige spirituelle Aneignung des religiös Tradierten. Die methodische Forderung nach Erklärungsfähigkeit von Religion bricht sich nicht nur an der nicht hintergehbaren Grundsetzung des Offenbarungsglaubens, sondern auch an der daraus abgeleiteten Frömmigkeitspraxis. Unter Frömmigkeit verstehe ich alles Handeln, in dem sich religiös gebundene Gläubigkeit manifestiert, emotional oder gedanklich. Frömmigkeit ist der „gelebte Vollzug des Glaubens“.4 In diesem Sinne kann sowohl das Verfassen eines Buches fromm sein als auch das Lesen eines Buches, völlig unabhängig von seiner theologischen Rele- vanz. Frömmigkeit und Frömmigkeitspraxis stehen immer im Sinnzusammenhang einer indivi- duellen Lebensgestaltung, und auch hierin sind sie einer Beschreibung von außen nur bedingt zugänglich.5 Der Begriff ‘Theologie’ dient in meiner Untersuchung lediglich als heuristische Markierung: Ich verstehe darunter die selbstreflexive, institutionell abgesicherte und vom Anspruch her normsetzende Theorie der als wahr vorausgesetzten Heilsoffenbarung, wie sie in der Bibel ver- schriftlicht ist. Diese Bestimmung, so allgemein sie ist, reicht für die hier behandelte Fragestel- 1 Vgl. Dinzelbacher 1990, 17f. 2 Ohne mich hier näher auf eine Diskussion dieser alten, kontroverstheologisch umstrittenen Fragen einzulassen: Das für die katholische Tradition konstitutive Analogieprinzip verstehe ich nicht als ‘Erfindung des Antichrist’ (K. Barth), sondern als argumentative Setzung, über deren Evidenz sich reden ließe, deren Wahrheitsgehalt aber nicht zugänglich ist. 3 Vgl. Zinnhobler 1986, 522. 4 Dinzelbacher 1990, 17. 5 Vgl. dazu auch Wiesmüller 1998, 285. - A.2.c - 31 lung aus. Jedoch wäre die vorliegende Untersuchung sinnvollerweise durch eine Arbeit zu er- gänzen, die den Diskurs der Literaturtheologie unter theologiegeschichtlichen Aspekten erör- tert. Das Attribut ‘christlich’ verwende ich in meiner Untersuchung in seiner umgangssprachlichen Bedeutung. Worum es mir geht, ist nicht die Semantik des Begriffs, sondern die Art seines Ge- brauchs. Das Sprechen über christliche Literatur kann nämlich nicht über eine einstellige Rela- tion zwischen Bedeutetem und Bedeutendem erschlossen werden, sondern nur über seine prag- matischen Aspekte in derem jeweiligen historischen Kontext. Das zeigt sich auch an der Geschichte des Begriffs ‘christlich’: Nachdem die Reformation das Deutungsmonopol der römisch-katholischen Kirche aufgebrochen hatte, war das Christliche nicht mehr unanfechtbar zu definieren.6 Zu unterscheiden ist im religiösen Diskurs der nachreformato- rischen Jahrhunderte die jeweils konfessionsspezifische kirchliche Aneignung des Begriffs ‘christlich’ von dessen außerkirchlicher Aneignung. Letztere formte seit dem 17. Jahrhundert ei- ne überkonfessionelle christliche Öffentlichkeit, in der die Frage nach dem wesensmäßig Christ- lichen vor allem in ethischer und diskursiver Hinsicht (‘christliches Abendland’) diskutiert wur- de. Für die Bestimmung des Genuin-Christlichen blieb allerdings die jeweilige konfessionelle Ausrichtung leitend, die im Zug der Säkularisierung des 19. Jahrhunderts eine erneute Zuspitzung erfuhr, wenngleich in dialektischer Vermittlung: Die jeweils andere Konfession konnte sowohl Ärgernis als auch Korrektiv sein. Erst im Zuge der Gründung überkonfessioneller christlicher Parteien nach 1945 überlagerte das Christliche als ‘kleinster gemeinsamer Nenner’ die konfes- sionellen Grenzen, wenngleich diese bis in die sechziger Jahre hinein umkämpft blieben.7 Auf die theologischen Diskussionen um Sakralität und Profanität, wie sie seit den 1940er Jah- ren geführt werden, nehme ich nur dort ausdrücklich Bezug, wo sie den Gegenstand meiner Untersuchung berührt. Weitgehend unabhängig davon verwende ich die Attribute ‘säkular’ und ‘profan‘ als Synonyma und in ihrer gegenwärtigen umgangssprachlichen Bedeutung, also zur beschreibenden Kennzeichung der Gegenposition zu ‘christlich’, ‘konfessionell’ bzw. ‘religiös motiviert’. Der Begriff ‘apologetisch‘ schließlich fasst verschiedene Konnotationen in sich. Ich gebrauche ihn im Sinne von ‘Verteidigung, Rechtfertigung etc.’, und als Kennzeichen eines apologetischen Argumentierens betrachte ich die explizite oder implizite Selbstpositionie- rung gegenüber einer Auffassung, die als diskursiv dominierend eingeschätzt wird. Die Begriffe ‘Literatur’ und ‘Dichtung’ verwende ich in der vorliegenden Untersuchung als Synonyma.8 Ihr jeweiliger Gebrauch - das sei hier vorausgesetzt - verweist nicht auf einen be- stimmten ontologischen Status, sondern darauf, dass (1) einem Werk bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, beispielsweise ästhetische Regelhaftigkeit oder allgemeine Akzeptiert- heit als Literatur. Die Vorstellung davon, was Literatur ist und welche Wertigkeit einzelne lite- 6 Der folgende begriffsgeschichtliche Überblick basiert im wesentlichen auf Graf, F.W. 1988/1995, 204ff. 7 Das zeigte sich vor allem im Streit um die konfessionellen Grundschulen. Hierzu und zu anderen konfessionsspezi- fischen Streitpunkten in der frühen Bundesrepublik vgl. Ellwein 1955. 8 Ebenso wie die Begriffe Schriftsteller, Dichter und Autor. - A.2.c - 32 rarische Werke jeweils haben, ist kulturell vermittelt, wird jedoch vom einzelnen Leser - je nach Interessenhorizont und Leseerfahrung - unterschiedlich aktualisiert. Für Literatur ist ferner kennzeichnend, dass sie (2) als solche rezipiert wird.9 Der Literaturbegriff, wie ich ihn meiner Arbeit zugrundelege, umfasst damit sowohl den Roman als auch die kurze Schilderung einer fiktiven Situation im kirchlichen Jugendkalender, nicht aber die Predigt oder den literarturtheo- logischen oder theologischen Text, auch wenn diesem im Einzelfall literarische Qualitäten at- testiert werden mögen. Ein solch umfassender Begriff von Literatur ist nicht zu verwechseln mit einem weiten Textbe- griff, wie er gelegentlich in der avancierten Literaturtheologie beteuert wird, etwa bei Kuschel: „Jesus Christus kann in jedem Text bezeugt werden, unabhängig von seinem literarischen oder theologischen Niveau. Jeder Text, das einfache Gebet, das schlichte Lied, das kleine Gedicht, kann für einen Menschen eine entscheidende Bedeutung haben.“10 Kuschel spricht hier ausdrücklich von Texten, nicht von Literatur. Die Wortwahl (‘einfach’, ‘schlicht’, ‘klein’) verweist nicht nur auf den christlich hochkonnotierten Wert der Demut, son- dern impliziert auch das Kriterium ‘literarisch vs. nicht-literarisch’. Gerade um solche Wertungs- vorgänge und die sich daraus ergebenden Konsequenzen geht es in meiner Untersuchung. Anders als Kuschel ordne ich Texte nicht nach ihrem theologisch bestimmbaren spirituellen Gehalt, zu- gespitzt formuliert: ihrem theologischen Mehrwert; sondern danach, wie sie innerhalb von rezep- tionsgeschichtlich bestimmbaren Handlungszusammenhängen funktionieren, seien diese kirchlich (bzw. theologisch) kodifiziert oder nicht.11 Der Bereich der Literatur, den ich in der vorliegendenUntersuchung behandelte, ist der der erzählenden Literatur. Anders als das Schauspiel oder die Lyrik widerstrebt religiöse Prosa einer Einbindung in liturgisches oder privates Frömmigkeitshandeln;12 es stellen sich bei ihr also mehr Probleme systematischer Art.13 Hinzu kommt, dass sie - hinsichtlich ihres Status als ‘christliche Literatur’ - in der theologischen Literaturkritik nach 1945 umstrittener war als Ly- rik oder Drama.14 Jedoch lässt sich, was über christliche Prosa zu sagen ist, mutatis mutandis auch auf Lyrik und Dramatik übertragen, soweit jedenfalls diese nicht dargeboten, sondern still gelesen wird. 9 Dazu ausführlicher Landwehr 1981. 10 Kuschel 1978, 65. Vgl. auch Kurz 1986, 229. 11 Zwei dieser Handlungszusammenhänge - beide qua kirchlicher Tradition kodifiziert - führt auch Kuschel an: das Bekenntnis und die individuelle Glaubenserfahrung. 12 Entscheidend wäre immer der Aufführungsort Kirche (oder ein vergleichbarer sakraler Rahmen), in dem - gleich ob konzertant oder szenisch - die „Würde des Sakralraumes“ und der „Ernst des Spiels“ (Riemenschneider 1981, 18) eine Verbindung eingehen. So etwa bei den im November 1981 von Dozenten und Studenten der Universität Dortmund in mehreren Kirchen aufgeführten Totentanz-Vertonungen von Hugo Distler und Heinrich Ehmann, die durch Texte von Nelly Sachs, Paul Celan und Peter Weiß sowie durch die szenische Interpretation aktualisiert, also auf die Todes- und Leiderfahrungen dieses Jahrhunderts bezogen wurden. Näher dazu Riemenschneider 1981. 13 Vgl. hierzu Curtius 1948/1984, 250. 14 Vgl. für die Nachkriegszeit etwa Franz Schriewer: „Die Stellung unserer Zeit zu Gott wird stärker als durch die religiöse Lyrik oder Dramatik durch den breiter angelegten religiösen Roman der Gegenwart beispielhaft sichtbar gemacht.“ (Schriewer 1951, 201) Aus Einschätzungen wie diesen erklärt sich auch, dass die Diskussionen um die literarisch gestaltete Sünde fast ausschließlich Romane betrafen. - B.1.a - 33 B Zum Gegenstand der Untersuchung 1. Zur Unterscheidung von Literturtheologie und Literaturwissenschaft a) Literaturwissenschaft und christliche Tradition (i) Christlich fundierte Literaturwissenschaft Als Reaktion auf die Preisgabe der humanistischen Bildungstradition im ‘3. Reich’ lag für die Germanistik nach 1945 das literaturimmanent-zeitenthobene Interpretieren nahe. Weltanschau- lich unverfänglich war aber auch der Rückzug auf gesicherte konfessionelle Positionen.1 Hier waren es die explizit katholischen Zugänge, die in der zum großen Teil protestantisch geprägten Germanistik als konfessionell markiert hervortraten und als solche kritisiert wurden. Die Spannbreite dieses Diskussionszusammenhanges sei im Folgenden an zwei namhaften Vertre- tern der Nachkriegsgermanistik aufgezeigt, Paul Stöcklein und Werner Kohlschmidt. Paul Stöckleins geisteswissenschaftliche Interpretation der ‘Wahlverwandtschaften’2 - die ich hier stellvertretend für katholisch geprägtes Interpretieren behandle3 - ging von der Prämisse aus, Goethe sehe die „Dichtkunst als eine zu Gott führende Macht, als eine große Verbündete der Religion“.4 Die Interpretation setzt ein mit der Erörterung der Erzählfunktion. Die Einfüh- rung des Erzählers als einer quasi-authentischen Figur nämlich erlaubte Stöcklein, die bisherige katholische Kritik an der Unsittlichkeit des Romans zu transzendieren: Die vermittelnde In- stanz, die „das Erzählte entgiftet“5 und somit den Leser vor dem „Hauch der Schwüle“6 schützt, wird zugleich als beurteilende und belehrende Instanz gesehen, wobei Stöcklein eine entsprechende Rezeptionshaltung als gegeben voraussetzte. 1 Vgl. dazu auch Jens 1962. 2 Es handelte sich um die im Goethejahr 1949 veröffentlichte, teilweise erweiterte Fassung einer Habilitationsschrift von 1943 (vgl. Stöcklein 1949, 254); das Buch erschien 1960 in einer zweiten, bearbeiteten und erweiterten Auflage (die Veränderungen, die Stöcklein in der zweiten Auflage vornahm, berühren nicht den von mir skizzierten Gedan- kengang). In seiner Studie über die katholische Literaturkritik bewertete Barnes die Studie von Stöcklein als ein exemplarisches Beispiel dafür, wie nach den „Irrwegen der katholischen Kritik“ (Barnes 1960, 62) sowohl Goethe als auch der katholischen Weltauffassung gegenüber angemessen Rechnung zu tragen sei. 3 Einen Überblick über die katholische Literaturwissenschaft der dreißiger und vierziger Jahre gibt Suchy 1947. 4 So Stöcklein in einem Hochland-Aufsatz ein Jahr zuvor (Stöcklein 1948/49, 587). Eine solche Auffassung war in der katholischen Diskussion umstritten. Goethes Entwicklung, so hieß es zur gleichen Zeit bei Wilhelm Grenzmann, lasse erkennen, „daß er die Wirklichkeitslehre des Christentums in ihren zentralen Zügen kaum jemals adäquat aufgenommen“ habe (Grenzmann 1949/50, 13; zu Grenzmann vgl. ausführlicher Kap. C.1.c.iii). 5 Stöcklein 1949, 12. 6 Ebd. - B.1.a - 34 „Welch neuen Klang hat Frömmigkeit und Überwelt in diesem Mund [des Erzählers], den Falten der Enttäuschung umspielen, der am Ende der Geschichte sehr geheimnisvoll, fast ironisch ver- stummt und dadurch eindringlicher predigt, als es ein Frommer könnte.“7 Erzählerfigur und Autor gehen dann im weiteren Verlauf der Darstellung ineinander auf, und der Roman wird als Selbstbekundung Goethes gelesen: Eine brieflich bezeugte zeitgenössische Reaktion auf den Roman - in Erkenntnis der naturhaften Triebhaftigkeit Eduards kniete Johan- na Frommann nieder „vor dem Bild der Liebe, weil nur die wahre Liebe in allen Nöten hilft“8 - kommentierte Stöcklein mit den Worten: „Das heißt goethisch empfinden.“9 Von diesem An- satz her, den Roman nicht als autonome, sondern als didaktische Literatur zu apperzipieren, zielt die Interpretation auf die Erkenntnis, wie im Roman „die volle personale Verwirklichung des christlichen Daseins“10 gestaltet ist. Zudem liest Stöcklein das im Roman Dargestellte als Verweis auf den göttlichen Seins-Ordo und das geschöpfliche Dasein des Menschen.11 Als Ausgangs- und Angelpunkt seiner Interpretation dient die Figur der Ottilie, an der zugleich die im Schloss repräsentierte „unfromme Zeit“12 kontrastiert wird: „Wie die Berge den Glanz der schon untergegangenen Sonne noch zurückwerfen, so erscheint in Ottilien ein letztes Herüberglänzen der versunkenen Glaubenszeiten.“13 Ottilie ist typologisch gedeutet als „Heilige, die keine scheint“,14 als „Neuformulierung“15 des christlichen Geistes, „ohne daß die bisherigen christlichen Termini herangezogen sind.“16 Damit wird sie zur Versinnbildlichung des (jedenfalls potentiell) vollendet Menschhaften, der „Wahrheit des Ursprungs und der Ehrfurcht“,17 im Gegensatz zu Charlotte und Eduard, die das Menschliche gewissermaßen in - jeweils unterschiedlicher - Schwundform („so klug wie ah- nungslos“)18 repräsentieren. Bezogen sind diese Deutungen auf die Gegenwart von 1949 nur indirekt, nämlich dadurch, dass sie implizite Rezeptionsvorgaben an den Leser enthalten - wie beispielsweise die erwähnte Re- aktion Johanna Frommanns, von Stöcklein im Wortlaut wiedergegeben und ausdrücklich kom- 7 Ebd. 8 Ebd., 29. 9 Ebd.. Frommann reagierte auf den Naturtrieb, dem die Romanfigur Eduard nachgibt; sie schreibt: „indem immer gesagt wird von Eduard, er mußte, fühl ich meine Kraft sich stählen, nicht zu müssen“. Stöcklein setzt dagegen die Reaktion Bettina von Arnims, die „dieses Natur-Müssen verklärt“, als „romantisch“ und „antigoethisch“ (beide Zitate S. 29). 10 Ebd., 39. 11 Vgl. ebd., 21. Auf andere Spezifika einer katholischen Weltauffassung, etwa die Vorstellung des sittlich reinen Vernunftskerns im Menschen (vgl. ebd., 21), das Natur-Übernatur-Schema (vgl. ebd., 12), die Deutung des Ordo- Gedankens (vgl. ebd., 15) etc. gehe ich nicht gesondert ein. 12 Ebd., 15. 13 Ebd., 39. Verschiedentlich liest Stöcklein auch Äußerungen Ottiliens als Selbstbekundungen Gothes (vgl. ebd., 18, 21, 22 und passim). 14 Ebd., 46. 15 Ebd.. Mit dem Begriff der ‘Neuformulierung’ bezog sich Stöcklein auf Wilhelm Flitner. 16 Ebd. 17 Ebd., 13. 18 Ebd. - B.1.a - 35 mentiert, aber auch in den verschiedentlich eingeschobenen allgemein lehrhaft-räsonnierenden Abschnitten.19 Zwar machte Stöcklein deutlich, dass er das Kunsterlebnis nicht auf die erklä- rende Paraphrase beschränkt wissen wollte, wenn er dem „Verstandesmenschen“20 den „kunstoffenen Leser“ entgegenstellte, der alles vergesse, „was ich ihm in dieser Studie gesagt habe“: „Ihm ist das Werk tief wie die Welt. Er erlebt etwas anderes, als der Erklärer sagen kann.“21 Der Begriff des Erlebens aber ist christlich konnotiert. Stöckleins Interpretation erklärt also nicht eigentlich das Werk, sondern zeichnet den Vorgang des Aus-Legens nach, und dieser wiederum zielte - über das Moment des dogmatischen Qualifizieren hinaus22 - auf eine Frucht- barmachung Goethes im christlichen (sc. katholischen) Sinne.23 Damit stellte Stöcklein genau das Paradigma konfessionell-weltanschaulichen Argumentierens dar, wie es zur gleichen Zeit der Protestant Werner Kohlschmidt kritisierte.24 Kohlschmidt erörterte 1951 in einem Vortrag die Frage, ob und wie die literaturwissenschaftliche Praxis theologisch zu fundieren sei, um nicht nur dem religiösen Gehalt von Literatur, sondern auch der sittlichen Verpflichtung der Germanistik gerecht zu werden.25 Kohlschmidt sah in dem „Simultaneum z.T. ganz unverbunden und gegensätzlich nebeneinander stehender wissen- schaftlicher Schulen und Forschungsrichtungen“,26 das die gegenwärtige Germanistik wie kein zweites Fach kennzeichne, auch die „moderne Orientierungslosigkeit [...] in ihrer ganzen Zwiespältigkeit“27 widergespiegelt. Mit der sehr pointierten Feststellung jedoch, dass die Säku- larisierung irreversibel sei - und zwar „nicht allein für den bewußten Protestanten“ -28 , grenzte er sich ausdrücklich gegen eine „in der Zielsetzung kirchlich gebundene Wissenschaft im Sinne der mittelalterlichen Kulturidee“29 ab. 19 Beispielsweise hinsichtlich der Vereinigung der verschiedenen ontologischen Sphären, in die der Mensch einge- bunden sei und die er in sich in Einklang bringen müsse (ebd., 28) oder hinsichtlich der Gestaltung des Eros, damit sich darin nicht ”jene dämonische Gefährlichkeit” (ebd., 38) auftue, die einhergehe mit ”einer Absage an Gott, einem Sichentziehen, Ausweichen vor seinen Blicken [...], wie es Adam tat, der ‘sich versteckte’.” (ebd., 37) 20 Dieses und die folgenden Zitate ebd., 55. 21 Ebd. 22 Für den Katholiken Viktor Suchy (1947, 267) die zentrale Aufgabe einer katholischen Literaturwissenschaft 23 Darauf deutet auch die Anlage der Studie, in die Stöcklein vielfach Gedichtverse als bestätigende Paraphrase oder als Illustration seiner Erklärungen einfügt (vgl. etwa die Vorbemerkung zu dem Gedicht Achim von Arnims, S. 32). Zum Gegensatz von Künstlichkeit und sich im Rezipienten entfaltender ursprunghafter Lebendigkeit vgl. auch Stöcklein 1974, 32-46. 24 Werner Kohlschmidt, (1904-1983), 1928 Promotion zum Dr. phil., 1938 Privatdozent in Göttingen, 1941 beamte- ter Dozent in Freiburg/Br., 1944 Ordinarius in Kiel, 1953-1971 Ordinarius in Bern für Vergleichende Literaturwis- senschaft (Angaben nach Kürschners Gelehrtenkalender 1983 und dem Nekrolog in der Ausgabe von 1987) 25 Es handelte sich um einen Vortrag, den Werner Kohlschmidt 1951 in der Evangelischen Forschungsakademie Christophorusstift Hemer/Westfalen hielt; er erschien zuerst in ‘Die Sammlung’ (Göttingen 1951) und wurde erneut abgedruckt in Kohlschmidt 1953. Ich zitiere ihn nach dieser letzten Fassung (Kohlschmidt 1951/1953). 26 Kohlschmidt 1951/1953, 18. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Ebd. - B.1.a - 36 Diese sei im Dogmatischen wie auch im Methodischen obsolet und zudem der Sache des Christ- lichen nicht dienlich: Indem nämlich die katholische Germanistik „hohe dichterische Erschei- nungen wie Kleist oder Stifter, Hölderlin oder Rilke als Träger katholischer Tendenzen in An- spruch“30 genommen habe, sei sie „in eine gefährliche und [...] im Grunde ungemäße Nachbar- schaft“31 zur „gegenchristlichen Propaganda“32 geraten. Die Germanistik nun, jedenfalls soweit sie Literaturgeschichte sei - auf diesen Aspekt engte Kohlschmidt letztlich seine Erörterung ein -, beschäftige sich mit Werten und könne demzufol- ge nicht anders als von einem weltanschaulichen Standpunkt her betrieben werden: „Dieser Sachverhalt bedingt vor allem auch das Recht zu einer eigenen literarhistorischen An- thropologie, die der christlichen Sicht der menschlichen Realität angemessen ist und von der Wahrheit mindestens nicht weiter entfernt ist, als die optimistische Anthropologie des Idealismus oder die nihilistische des Materialismus es sind.“33 Die eigentliche Begründung dafür, eine theologische Orientierung der Literaturwissenschaft zu durchdenken, sah Kohlschmidt darin, dass deren Stoff ein „in besonderem Maße sittlich ver- antwortungsschwerer“34 sei, vor allem im Hinblick darauf, dass die meisten seiner Absolventen in den Lehrberuf gingen. Die Aufgabe der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Literatur liege in einer unvoreingenommenen „Selbstbesinnung“35 auf die menschliche Realität, die über ei- nen zweckfreien Ästhetizismus hinausreiche. Dass diese Sicht „vielleicht nur ein christlicher Literarhistoriker“ adäquat vornehmen könne, deutete Kohlschmidt an, betonte aber ausdrück- lich, zu einer „christlich realistischen Anthropologie“36 könne man nur gelangen, wenn die Weltanschauung des Forschers zwar „die Auswahl seiner Fragestellungen und die Schärfe seiner Unterscheidungen“37 diktiere, nicht aber deren Ergebnisse präjudiziere: „Denn es müßte ja erst einmal eine nicht humanistisch aufgewertete Erarbeitung der [historischen] Tatbestände selber vorliegen. Dann erst kann man sie mit idealistischen, materia- listischen und christlichen Anschauungen konfrontieren.“38 Ein konfessioneller Antagonismus, wie er sich in den Arbeiten Stöckleins und Kohlschmidts widerspiegelt, war bereits in den fünfziger Jahren nicht mehr anschlussfähig; sicher auch des- halb, weil in der damaligen literaturtheologischen Diskussion zunehmend das interkonfessionell Verbindende hervortrat.39 Viel zitiert wurde hingegen bis in die sechziger Jahre der Literatur- kritiker Johannes Pfeiffer, der das Interpretieren von Literatur als Akt ethisch-religiöser 30 Ebd., 18. 31 Ebd., 10. 32 Ebd., 18. 33 Ebd., 23. 34 Ebd., 12. 35 Ebd., 20. 36 Ebd., 21. 37 Ebd., 23. 38 Ebd., 21. 39 Vgl. Zwischenresümee 1. - B.1.a - 37 Seinserschließung unter existentialistischen Vorzeichen verstand:40 Das Wesen der Dichtung wurde hier zum einen formal bestimmt, als stimmiger Zusammenhang aller Elemente, die eine „seinserschließende Vision“41 entwerfen, zum anderen funktional als „getragen und durch- wirkt von der Auseinandersetzung des dichtenden Menschen mit dem dunklen Rätsel des Da- seins“.42 Beides ging für Pfeiffer auf im Begriff der Wahrheit: „Nur weil [...] das tragende und bestimmende Grunderlebnis über alle seelische Befindlichkeit hinaus im strengen Sinne seinsbezogen // ist - nur deshalb haben wir überhaupt ein Recht, von dichterischer Wahrheit zu reden; ohne diesen Seinsbezug bliebe lediglich die dem Ausdruck see- lischer Zustände eignende Wahrhaftigkeit.“43 Damit war auch die Beschäftigung mit Literatur aufgewertet: Dem dichterischen Werke eigne die „Macht eines erweckenden Anrufs“,44 und im sich hingebenden ‘Gebannt-Sein’ des Lesers ereigne sich dessen ethische Erhöhung: „Als zwingende Verwirklichung einer einstimmigen Grundsicht ruft Dichtung zurück aus der Zerstreutheit zur Sammlung, aus der Flauheit zur Ursprünglichkeit, aus der Richtungslosigkeit zur Entschiedenheit.“45 Diese ‘einstimmige Grundsicht’ verstand Pfeiffer als religiös relevant insofern, als „das Reli- giöse [...] der umfassende Grund ist, in dem alle Sphären und Werte wurzeln und von dem sie alle getragen und durchwirkt sind“.46 Die unterschiedlichen „Grade und Weisen“47 eines sol- chen Anrufs weisen in Richtung dessen, was im literaturtheologischen Diskurs jener Zeit als christliche Literatur bezeichnet wurde.48 Pfeiffer selbst allerdings, der diesen Ausdruck ver- mied, wies explizit auf die künstlerische Bedeutungslosigkeit von Literatur hin, die lediglich einen begrifflich wiederholbaren lehrhaften Inhalt habe. Zugleich zog er die kategoriale Grenze zur religiösen Praxis, die in der Dichtung allenfalls aufscheinen könne, nicht aber durch diese zu ersetzen sei: „Wie diesseits der Dichtung das dumpfe Schweigen des triebhaften Lebens steht, so jenseits der Dichtung das beseelte Schweigen des gläubigen, des von unverfügbarer Gnade getragenen und geleiteten Tuns. Die Quelle, aus der solches Tun sich immer wieder erneuert, ist das Gebet. 40 Der Essay ’Sinn und Grenze der Dichtung’ erschien 1948 und wurde für den Abdruck in Pfeiffer 1963 leicht verändert. Zumeist sind in der späteren Fassung einige Metaphern anders gefasst, was zwar die Konnotationen, nicht aber den Sinn der Sätze verändert (vgl. etwa Pfeiffer 1948, 10 mit Pfeiffer 1963, 23). Auffällig ist nur die Verände- rung des Schlusssatzes, in dem die optimistische Auffassung der unmittelbaren Nachkriegszeit gewendet ist in einen christlichen Existentialismus: Hieß es 1948: „Nur wo die Dichtung übergriffen bleibt von dem nüchternen, dem redlichen Wissen um ihre Grenze, nur da wird sie in Wahrheit das Zeugnis und Siegel unseres weltlich- überweltlichen Menschenlebens in seiner Ganzheit und Ursprünglichkeit.“ (Pfeiffer 1948, 23), so formulierte Pfeif- fer fünfzehn Jahre später: „Nur wo die Dichtung übergriffen bleibt von dem nüchternen, dem redlichen Wissen um ihre Grenze, nur da wird sie in Wahrheit das, was sie ihrer verborgenen Möglichkeit nach ist: Zeugnis und Siegel unseres ausgesetzten Menschenlebens in seiner Spannung zwischen Welt und Überwelt.“ (Pfeiffer 1963, 48) 41 Pfeiffer 1963, 35. 42 Ebd., 27. 43 Ebd., 24//25. 44 Ebd., 33. 45 Ebd., 32. 46 Ebd., 36. 47 Ebd., 33. 48 Pfeiffer nannte hier die ‘Göttliche Komödie’ als Beispiel für einen Anruf, der „so streng und so stark [sei], daß ihn keiner überhören kann“ (ebd.). - B.1.a - 38 Dich-// terische Entrückung und betende Versenkung trennt also eine Wesenskluft; es wäre Selbstbetrug, sie zu verdecken, es wäre Frevel, sie zu leugnen.“49 Ausgehend von dieser Bestimmung des Künstlerischen gelangte Pfeiffer zu einer ‘Stufenfolge des Lesens’, die in das „Lesen um der Heilsbekräftigung willen“50 endet. Gemeint war das Lesen der Bibel, für das das Lesen religiöser Literatur nur die „vorletzten und vorbereitenden Stufen“51 darstelle. Entscheidend für die adäquate Lektüre der Bibel sei, so Pfeiffer, das Maß „unserer gläubigen Betroffenheit“,52 an anderer Stelle sprach er von der „heilsbekümmerten Betroffenheit“.53 Im Vorgang des so gestimmten Lesens bilde dann „das ‘Objektive’, das von ‘außen’ her Begegnende, eine unauflöslische Wesenseinheit [...] mit dem ‘Subjektiven’, dem von ‘innen’ her Aufgehenden.“54 Damit waren dichterische und religiöse Sphäre kategorial voneinander unterschieden; das Lesen war reduziert auf eine Propädeutik des Christlichen.55 (ii) Ideengeschichtliche Rekonstruktion des Christlichen Von den christlich motivierten Interpretationen unterscheide ich die Beschäftigung mit dem Christlichen oder mit Traditionselementen des Christlichen unter literatur- bzw. ideenge- schichtlichen oder poetologischen Aspekten, ohne dass damit eine theologische Fragestellung verbunden wäre.56 Die folgenden Untersuchungen aus jüngerer Zeit, die ich hier beispielhaft behandele, deuten jedoch darauf hin, dass das Christliche als literaturwissenschaftlicher Ge- genstand um so schwerer zu fassen ist, je mehr das Interesse am Inhaltlichen das Interesse am Sprachlichen überlagert. 49 Ebd., 43//44. 50 Ebd., 49. 51 Ebd., 91. 52 Ebd., 53. 53 Ebd., 91. 54 Ebd., 90. 55 Ähnlich wie Pfeiffer argumentierte aus Sicht der protestantisch-theologischen Ethik Emanuel Hirsch, nur dass hier die Erschließung von Literatur nicht der Erschließung der Heilsbekräftigung diente, sondern dem ”Schauen, Verste- hen und Erleben des Daseinsgeheimnisses” (Hirsch 1966, 269), das als Voraussetzung für die ”bildende Macht der Evangelien über Seele und Geist” (ebd., 281) verstanden ist. 56 Was ich also nicht zu der im vorliegenden Kapitel behandelten ‘Rekonstruktion des Christlichen’ rechne, sind Untersuchungen zum Fortleben christlicher Traditionen in der Literatur des 20. Jahrhunderts, wie sie unter theologi- schen Auspizien in den letzten Jahren verstärkt erschienen sind. Bei Garhammer etwa wird Literatur als „Rezeptions//-form der Bibel“ (Garhammer 1996, 467//468) gedeutet, und daraus wird das theologische Interesse an Literatur abgeleitet: „Eine Exegese, die mit der Kategorie der Rezeption ernst macht, kann auf keinen Fall diese Form von Aneignung und Verfremdung außer acht lassen.“ (Garhammer 1996, 468). In der Tradition des ‘anonymen Christentums’ argumentierend, war Karl-Josef Kuschel sogar davon ausgegangen, dass auch nicht- christliche Autoren zur „Rezep-// tions- und Wirkungsgeschichte des Christlichen“ (Kuschel 1982, 749//750; im Original kursiv) gehören könnten und dass man ihnen in dieser Hinsicht ein „genuines Heimatrecht im Raum christ- licher Reflexion“ (Kuschel 1982, 750) zubilligen müsse. Vgl. zu diesem Programm insbesondere die durchweg theologisch motivierten Beiträge in Schmidinger et al. 1999. - B.1.a - 39 Rainer Zaiser versuchte literarisch gestaltete Epiphanie-Erlebnisse dadurch zu entmystifizie- ren, dass er sie auf ihre Rhetorik hin befragte. Seiner Studie liegt die Fragestellung zugrunde, „wie in literarischen Texten die sakrale Bedeutung der sprachlichen Zeichen einer Epiphanie als Möglichkeit genutzt wird, um auch außerhalb der religiösen Sphäre sinnstiftende Modelle zu vermitteln“.57 Das Phänomen der (literarischen) Epiphanie untersuchte Zaiser zunächst dar- in, wie es bei Pascal, Rousseau, Chateaubriand, Rimbaud, Proust und Ionesco ausgestaltet wird, also als textuelles Phänomen, das bestimmten rhetorischen und literarischen Bauprinzipien folgt und in unterschiedlicher Weise dazu dient, den jeweiligen Autor vor der literarischen Öf- fentlichkeit zu beglaubigen und zu legitimieren: „Die Absicht der vorliegenden Studie war, die Semiotik des religiösen Epiphaniemusters [...] zu ergründen. Die Auswahl aus verschiedenen Jahrhunderten dokumentiert, daß die sprachlichen Zeichen der Epiphanie zu einem rekurrierenden textproduktiven Verfahren gehören, das der Aussage eines Autors bzw. einer literarischen Person einen bestimmten mythischen Charakter verleihen will.”“58 Insbesondere bei Blaise Pascal, dem Vicomte de Chateaubriand und Eugène Ionesco zeigt Zai- ser auf, wie sich das religiöse-rhetorische Muster derart auf die Biographie des jeweiligen Au- tors beziehen lässt, dass dessen Funktion als religiöse Selbstlegitimierung oder als Ausdruck religiöser Sinnsuche transparent wird. In eine ähnliche Richtung zielte die Dissertation von Hanna Schnedl-Bubenicek, nur dass hier das Christliche als Stoff in den Vordergrund tritt, insoweit es von lebensgeschichtlicher Be- deutsamkeit ist: „Die Verfremdung christlicher und religiöser Elemente [bei Heinrich Böll, Barbara Frischmuth, Günter Herburger oder Jutta Schutting] wird betrieben als ironisierendes Spiel mit Vorgefunde- nem, das Literatur als Möglichkeit der Distanzierung von ritualisierten Zwängen begreift.”59 Zu ihrer Analyse bediente sich Schnedl-Bubenicek der Kategorie der Verfremdung, deren je- weilige Strukturen sie an verschiedenen Beispielen darstellt. Im Gegensatz zu Zaiser bleibt jedoch die Zielrichtung ihrer Arbeit unbestimmt. Zwar bezieht sich Schnedl-Bubenicek anfangs auf Bourdieus Begriff des ‘Habitus’; ihre strukturalistisch orientierten Analysen führen dann jedoch nicht auf diesen zurück. Was sie exemplifiziert, richtet sich perspektivisch zum einen auf den jeweiligen Autor, zum anderen auf den „Dominanzanspruch des Christentums“,60 den es literarischerseits aufzubrechen gelte - eine Verengung des Blickwinkels, die sowohl die Dis- kussion um christliche Literatur als auch die Diskussion um eine zeitgemäße kirchliche Ver- kündigungssprache weitgehend unberücksichtigt lässt. So zielt die Arbeit letztlich darauf, den 57 Zaiser 1995, 57. 58 Ebd., 372. 59 Schnedl-Bubenicek 1984, 14. 60 Ebd. - B.1.a - 40 „Skeptizismus der alexandrinischen Situation“61 als Signatur des gegenwärtigen Bewusst- seins62 strukturell-analytisch zu beschreiben und das Transzendenzverlangen innerhalb der Gegenwartsliteratur als Auseinandersetzung mit den Prägungen christlicher Tradition zu erfas- sen. An seine methodischen Grenzen stößt die Rekonstruktion des Christlichen, wo sie aus sich heraus der Begründung des Begriffs ‘christliche (bzw. religiöse) Literatur’ dienen soll. Das zeigt sich exemplarisch bei Joan Kristin Bleicher, die 1990 eine Untersuchung über Religiosi- tät in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vorlegte. Nach einem instruktiven Überblick über verschiedene Ausprägungen religiöser Thematik erörterte sie systematische Aspekte reli- giöser Literatur; als Prämissen fungieren dabei die „Wahrheit der Religion“ und die „Wahrheit der Literatur“.63 Zentrale Beschreibungskategorie ist die (sprachliche und inhaltliche) ‘Repräsentation des Christlichen’. Ergiebig ist diese Kategorie insoweit, als sie terminologisch zu beschreiben erlaubt, wie sich in literarischen Texten ein religiöser Gehalt manifestiert.64 Jedoch setzte Bleicher die Kategorie der ‘Repräsentation’ antinomisch gegen die Kategorie der ‘Instrumentalisierung von Literatur im Dienste religiöser Aussagen’. So präzise sie dann beide Kategorien auch zu bestimmen versuchte, so wenig vermochte sie sie morphologisch voneinan- der abzugrenzen. Es ist also nur folgerichtig, dass die ursprüngliche Entgegensetzung schließ- lich in das Eingeständnis mündet: „Die Repräsentation ermöglicht auch die Instrumentalisierung von Literatur, die im Bereich der christlichen Literatur eine lange Tradition hat.“65 Selbst die Autorintention, mit der Bleicher durchweg argumentierte, hilft hier nicht weiter. Das zeigt das Beispiel Rudolf Otto Wiemers, dessen Selbstverständnis als christlicher Autor Blei- cher als Exemplum diente:66 Christliche Literatur sei dann unglaubwürdig, wenn sie dem Leser vorschnell „sogenannte christliche Lösungen“67 anbiete. Wenn nun allerdings - um Wiemer und Bleicher beim Wort zu nehmen - ‘Repräsentation’ nur bedeutet, dass der christliche Autor sein christliches Weltverständnis, das er dem nicht-christlichen Leser voraus habe - „das Böse in der Welt nicht allein an der Welt des Nihil zu begreifen“68 - literarisch nicht mitteilen dürfe, um nicht in den Ruch des Christlich-Affirmativen zu kommen, dann wäre dies nichts anderes 61 Ebd., V. 62 Die Arbeit erschien 1984 im Druck. Als Dissertation war sie sieben Jahre zuvor eingereicht worden. 63 Bleicher 1993, 197. 64 Problematisch erscheint mir der von Bleicher verwendete Wahrheitsbegriff („die Wahrheit der Religion in der Wahrheit der Literatur“; ebd., 197), der auf einer allzu starren Entgegensetzung von autonomer und heteronomer Literatur beruht und Aspekte der Rezeption ausblendet, die für ihren Gegenstand - die Subjektivierung des Religiö- sen in der Gegenwartsliteratur - andererseits doch konstitutiv ist (ebd, 213). 65 Ebd., 208. 66 Wiemers Auffassungen sind dargelegt in Wiemer 1987. 67 Bleicher 1993, 196; zitiert ist wiederum Wiemer. 68 Ebd.; zitiert ist Rudolf Otto Wiemer. - B.1.a - 41 als eine taktische Unehrlichkeit. A la longue - das geht aus Bleichers Formulierungen hervor - zielt das Verfahren der Repräsentation dann doch wieder auf eine Lösung, nur dass diese der Leser selbst ziehen solle: „Wiemer fordert vom Verfasser christlicher Literatur, daß er Fragen aufzuwerfen habe, die der Leser nur mit einer klaren Entscheidung beantworten kann.“69 Das Problem liegt darin, dass Bleicher für ihren literaturwissenschaftlichen Ansatz auf Argu- mente und Wertungsmuster eines Diskurses zurückgreift, den sie in seiner Struktur unerörtert lässt, nämlich den Diskurs über christliche Literatur. Aus diesem Grunde fließt in das Beschrei- ben literarischer Phänomene unter der Hand ein Moment des Wertens ein, wie es im Diskurs über religiöse Literatur tatsächlich auf Schritt und Tritt begegnet: Es befragt Literatur auf ihre theologische Relevanz. Indem Bleicher den Begriff der ‘religiösen Literatur’ auf diese Weise lediglich unter theologischen Auspizien problematisierte, vermochte sie ihn als Gegenstand literaturwissenschaftlichen Beschreibens systematisch nicht zu fassen. 69 Ebd.. Dass hier nur eine Entscheidung für den Glauben gemeint ist, erhellt aus Wiemer 1987, 51. - B.1.b - 42 b) Zum Begriff der Literaturtheologie Innerhalb des breiten Spektrums theologischer Aneignung1 von Literatur lassen sich Diskussi- onstraditionen unterscheiden, die Literatur nicht nur theologisch interpretieren, sondern daraus poetologische Kriterien entwickeln, die sich auf den Begriff oder die Vorstellung einer (auch prospektiven) ‘christlichen Literatur’ beziehen lassen - sei es, dass sie eine solche ausdrücklich legitimieren, sei es, dass sie sich explizit oder implizit von ihr absetzen. Der Begriff der ‘christlichen Literatur’ bildet also den Nexus eines spezifischen Diskussionszusammenhanges, selbst dort, wo die historische christliche Literatur nur als Negativfolie vorausgesetzt ist, an- hand derer die Kriterien einer sog. ‘christlich relevanten’ Literatur erörtert werden. In der vorliegenden Untersuchung berücksichtige ich die Diskussionen um christliche Literatur, wie sie im angloamerikanischen resp. im französischen Sprachraum geführt wurden und werden, nur insoweit, als ein entsprechender Verweis notwendig ist. Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine Studie über einen Diskurs, der sich in einer bestimmten kulturellen Tradition etabliert hat. In diesem Zusammenhang mit angloamerikanischen, französischen, russischen, polnischen oder japanischen Studien etwa zum Verhältnis von Literatur und Glaube, zum Aufweis des christlichen Gehalts von Literatur etc. zu argumentieren, wie dies gelegentlich in literaturtheolo- gischen Sekundärwerken geschieht,2 hieße ahistorisch vorzugehen und die je kulturellen Be- dingtheiten des Argumentierens auszublenden. Die genannten Diskussionszusammenhänge zeichnet fernerhin aus, dass die Argumentation über christliche Literatur - oder eben: ‘christlich relevante Literatur’ - verknüpft wird mit deren Funktionalisierung: Literatur soll hier - je nach Erkenntnisinteresse - dienen als Trost, meta- physische Sinngebung oder auch als Belebung religiöser Praxis, Anregung für die Fachtheolo- gie etc..3 Für die Bezeichnung dieses Diskussionszusammenhanges, der sich selbst als Vermitt- lungsinstanz zwischen Literatur und Religion begreift, hat sich der Begriff Literaturtheologie weitgehend durchgesetzt.4 Ich übernehme diesen Begriff, wobei ich ihn als heuristische Be- schreibungskategorie verstehe, nicht als pejorative Kennzeichnung. Gelegentlich nämlich hat der Begriff zur Bezeichnung methodischer Auswüchse in der Geschich- te der Literaturwissenschaft gedient: Als ‘Literaturtheologie’ beschrieb Friedrich Sengle die Ten- 1 Es würde meine Fragestellung weit übersteigen, das ganze Spektrum theologischen Interpretierens von Literatur zu erörtern. Soweit ich jedoch sehen kann, gilt das, was ich in der vorliegenden Untersuchung als methodische Prinzipi- en (und Beschränkungen) des literaturtheologischen Diskurses herausarbeite, auch für andere Modi theologischer Literaturaneignung. 2 Vgl. etwa Kranz 1982, 274f., wo der Verweis auf die internationalen literaturtheologischen Bemühungen vor allem Kranz’ These vom ‘embarras de richesse’ christlicher Literatur stützen soll. 3 Aus den genannten Kriterien geht hervor, dass ich eine Arbeit wie die des Religionspädagogen Hans Mendl über religiöse Kinder- und Jugenderzählungen im Katholizismus des 18. und 19. Jahrhunderts, die der historischen Di- mensionierung gegenwärtiger Religionspädagogik dient (vgl. Mendl 1995, 17), nicht zur Literaturtheologie rechne, ebensowenig Arbeiten über Sprache in sakralen Funktionszusammenhängen (etwa Gössmann 1965, Picard, H. 1984) oder über die Theoriebildung der Theologie mit Hilfe literaturwissenschaftlicher Kategorien (Mautner 1994). Aus dem Fokus fallen ferner Autoren wie Friedrich Heer, Max Picard oder Erich Przywara, auf die sich zwar die katholische Literaturtheologie des öfteren bezieht, die aber - obgleich selbst z.T. auch belletristisch-literarisch tätig - das Verhältnis von Literatur und Religion nicht oder nur beiläufig behandelt haben. 4 Krzywon (1978, 644) nannte ihn noch ‘taufrisch’. Bereits auf dem Tübinger Symposion von 1984 war der Begriff als Wortprägung zwar umstritten, hinsichtlich des von ihm Bezeichneten aber weitgehend akzeptiert; das jedenfalls geht aus den in Jens/Küng/Kuschel 1986 dokumentierten Referaten und Diskussionsbeiträgen hervor. - B.1.b - 43 denz der von Nietzsche und George beeinflussten geisteswissenschaftlichen Literaturwissen- schaft, die Dichterpersönlichkeit entweder zu vergöttern oder zu vergötzen;5 Klaus Vondung verwendete den Begriff für die Germanistik im ‘3. Reich’, soweit sie ihren hegemonialen Gel- tungsanspruch mit religiösem Vokabular verbrämte.6 Ebensowenig gebrauche ich ihn mit einem theologisch systematisierenden Interesse, wie es Krzywon oder Crimmann verfolgten. Auf beide Ansätze gehe ich jedoch im Folgenden kurz ein, weil sie meine Fragestellung in Teilaspekten berühren. Ernst Josef Krzywon unternahm es, eine Literaturtheologie als Teildisziplin der Literaturwis- senschaft zu etablieren,7 indem er sie folgendermaßen definierte: „Literaturtheologie als Disziplin bzw. Teiltheorie der Literaturwissenschaft ist Wissenschaft bzw. Theorie von Literatur im Hinblick auf die sie bedingende und von ihr geprägte Theolo- gie.“8 Krzywon übertrug dazu Chomskys generative Transformationsgrammatik (GTG) in einer Eins- zu-eins-Relation auf das Reden über religiös bedeutsame Literatur. Den argumentativen Be- zugspunkt der GTG, den ‘native speaker’, ersetzte Krzywon durch das, was er spekulativ als sog. ‘literatur-theologische Kompetenz’ benannte. Dieser Kompetenz schrieb er - ganz im Sinne der transformativen Generationsgrammatik - die Eigenschaft zu, literaturtheologische Sätze zu bilden, zu erkennen und in ihrer Bedeutsamkeit abschätzen zu können. So interessant dieser Ansatz theoretischerseits unzweifelhaft war, so vermochte er es nicht, die vorgeschlagenen Kriterien methodisch handhabbar, geschweige denn intersubjektiv diskutierbar zu machen. Die „ideale Kompetenz“9 literaturtheologischen Sprechens ist nämlich empirisch nicht zweifelsfrei nachweisbar, sondern rekurriert auf ein stillschweigend konstituiertes Einverständnis der Ein- geweihten, deren gelingende Teilhabe am literaturtheologischen Diskurs durch - so Krzywon - sowohl ‘literarische’ als auch ‘theologische Erfahrung’ verbürgt ist. Diese wird entweder ratio- nal-akkumulativ erworben oder durch göttliche Eingebung bzw. literarische Genialität erlangt. Die Qualität einer solchen Erfahrung besteht nach Krzywon darin, christliche Literatur als „Wort Gottes in den Worten der Menschen“10 zu identifizieren und sich produktiv darüber auszutauschen. So elegant eine solche Bestimmung auf den ersten Blick anmutet, so wenig macht sie deutlich, welchen Stellenwert Krzywon dem intuitiven Erfassen des Christlichen einräumt - in einem Konzept, das doch auf der empirischen Beobachtbarkeit beruhen sollte. Schwerwiegender jedoch dies: Die Kategorie der ‘Kompetenz’ bezeichnet weniger eine Ver- ständigungspraxis als vielmehr die darin verhandelten Geltungsansprüche. Damit lässt sie sich 5 Vgl. Sengle 1960, 328. 6 Vgl. Vondung 1997. 7 Vgl. dazu insbesondere Krzywon 1974a, 111. 8 Ebd., 112. 9 Ebd., 114. 10 Krzywon 1975, 204. - B.1.b - 44 als eine Art von Anciennitätsprinzip beschreiben, das nicht nur selbstbestätigenden Tendenzen Vorschub leistet, sondern es auch erlaubt, die literaturtheologische Tradition gegen Einwände von außen zu immunisieren. Krzywons Modell von literaturtheologischer Theoriebildung ist damit nur kurz umrissen. Fest- zuhalten bleibt jedoch, dass sich die Parallelen zur GTG auf die äußerlich bleibende Übernah- me des einschlägigen Begriffsinstrumentariums beschränkten, dass also der Versuch, linguisti- sche Theoriestandards zu adaptieren, im Formalen steckenblieb. Die literaturtheologischen Diskussionen der folgenden Jahre wurden dadurch nicht nachhaltig geprägt.11 Mein Gebrauch des Begriffs unterscheidet sich auch von dem Ralph H. Crimmanns, der in der Literaturtheologie eine „Grenzwissenschaft“12 zu etablieren versuchte, die zum Ziel haben sollte, „theologische Wertkriterien [...] stärker in die [germanistische Fach-] Diskussion einzu- beziehen.“13 Hierbei berief sich Crimmann auf Hans Jürgen Baden, der die theologische Inter- pretation von existentiellen Grenzsituationen gefordert hatte, wie sie in Literatur gestaltet seien: „Nur auf diese Weise wird gewährleistet, daß ein literarischer Text nicht bei sich selbst bleibt, sondern alle in ihm verborgenen Probleme, Erfahrungen und Motive zur Sprache kommen.“14 Der Begriff der Literaturtheologie ist bei Crimmann allerdings nicht systematisch entfaltet: Zum einen fasste er darunter eine methodisch geleitete religiöse Interpretation im Rahmen von Unterricht, zum anderen historisch unterschiedliche Aspekte theologisch-literatur- wissenschaftler „Verflochtenheit“.15 Was Crimmann als ‘literaturtheologische Paradigmen’ verstanden wissen wollte, waren jedoch lediglich Beispiele für parallel verlaufende methodo- logische Entwicklungen in Theologie und Literaturwissenschaft (Historismus, Werkimmanenz, ‘sozialethische Interpretation’ etc.). Die Möglichkeiten einer Literaturtheologie waren damit allenfalls angedeutet, aber nicht in concreto belegt. 11 Bei Kuschel fand der Begriff nur transitorische Verwendung; er verwendete ihn in einem Referat auf der Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar (November 1987) in einer Weise, die zum Teil dem später von ihm ver- wendeten Begriff der ‘Theopoesie’ entsprach: „Literatur [...] gewinnt ihre Eigenfunktion gegenüber der Theologie gerade durch ihre situative und figurative Denkweise. [Es folgen literarische Beispiele] All dies sind Eckdaten einer genuinen Literatur-Theologie, d.h. einer literarischen Kriteriologie des glaubwürdigen Redens von Gott.“ (Kuschel 1989, 30//31) 12 Crimmann 1978, 11. 13 Ebd., 61. 14 Ebd., 57. 15 Ebd., 11. - B.1.c - 45 c) Literaturtheologie im diskursiven Kontext (i) Literaturtheologie und kirchlich-religiöser Diskurs Abzugrenzen ist der literaturtheologische Diskurs, wie ich ihn in Kap. C darstelle, von kirchlich organisierter Schrifttumsarbeit. In den Diskussionen um den Rang und die kulturelle Bedeutung christlicher Literatur sind nämlich Aspekte der kirchlich-institutionellen Vermittlung von Lite- ratur weitgehend ausgeblendet. Einschlägige Arbeiten sind selten erwähnt und selten zitiert, so dass es sich hier eher um einen Sekundärdiskurs handelt, von dem der literaturtheologische Diskurs abstrahierte: Was nämlich den Gegenstand betrifft, überlagern sich beide Diskurse, und nicht wenige der in der folgenden Untersuchung behandelten Literaturtheologen waren (und sind) mit Beiträgen auch in der kirchlichen Schrifttumsarbeit vertreten. Die kirchliche Literaturarbeit beider Konfessionen fügte bis in die sechziger Jahre hinein dem Diskurs über christliche Literatur keine wesentlichen Aspekte hinzu, sondern diskutierte im we- sentlichen Probleme der Funktion und Distribution von kirchlich relevanter, sog. schriftenmissio- narischer Literatur als Beitrag zum ‘ministerium verbi divini’.1 Dies schloss natürlich die christ- liche Kanonliteratur ein, die als „Wiederbegegnung von Dichtkunst und Gotteswort“2 verstanden werden konnte, die „zugleich ein Stück christliches Bekenntnis ist, das der Dichter an seiner Le- sergemeinde ausrichtet.“3 Die ästhetischen Dimensionen von Literatur waren hier deren Ver- kündigungsfunktion nachgeordnet4 - eine Auffassung, von der sich zumindestens die gegenwärti- ge protestantische Literaturarbeit ausdrücklich distanziert.5 Welchen theologie- bzw. kirchenge- schichtlichen Konstellationen sich das Auseinandertreten von literaturtheologischem und schrif- tenmissionarischem Diskurs verdankt, die im theologischen Literaturverständnis vom Anfang des 20. Jahrhunderts noch vereint waren6 und erst in den sechziger Jahren mit der Rezeption zeitge- nössischer säkularer Literatur allmählich wieder konvergierten,7 wäre eine gesonderte Untersu- chung wert. Jedoch integriert meine abschließende Reflexion über die Extension des Begriffs ‘christliche Literatur’8 sowohl dessen literaturtheologische als auch dessen schrifttumspflegeri- sche Dimensionen. Neben dem der kirchlichen Schrifttumsarbeit partizipiert der literaturtheologische Diskurs auch am Diskurs um eine zeitgemäße Sprache der Kirche9 und um die christliche Fundierung von 1 Vgl. Schnetter 1960, 7. 2 Brinkel o.J. [1956], 5. 3 Ebd., 6. 4 Vgl. etwa Bartsch 1961, 265ff. und das Vorwort zu Christliche Themen 1964 (zur Rezeption damaliger moderner christlicher Literatur in katholischen kirchlichen Kreisen auch Hoyer 1964, 3) 5 Vgl. dazu Ermert 1993 sowie Donner 1996, 210-258. 6 Vgl. hier insbesondere die Einleitung zu Braun, Harald 1931. 7 Vgl. etwa Ermert 1993, 43f. 8 Vgl. Kap. F. 9 In der Umbruchzeit zwischen traditioneller und avancierter Literaturtheologie wurde das Problem der religiös- literarischen Sprache zwischen den Polen von vorläufigem, nicht-verfügendem Sprechen (Schultz 1964a) und Be- wahrung eines kulturellen Erbes (Süskind 1964) diskutiert. Zum Problem religiöser Sprache aus religionsdidakti- scher Sicht vgl. etwa Möglichkeiten 1978, und allgemein zum Verhältnis von Kirche und Welt Grabner-Haider 1971. Wilhelm Gössmann argumentierte zwar nicht aus einer kirchlichen Perspektive, beschränkte seine Betrachtung aber auf Funktion und funktionalen Wert von sakraler Sprache, so dass er zwischen sakraler (religiös-funktioneller) und christlicher Literatur unterscheidet und letztere außer Betracht lässt (vgl. Gössmann 1965, 104ff.; auf Göss- manns spätere Publikation ‘Kulturchristentum’ gehe ich in Kap. C.4.b.iii ein). Auf die Gefahr einer Fetischisierung eines kirchlich-rituellen Sprachgebrauchs wird in der Theologie verschiedentlich hingewiesen (vgl. beispielsweise Traitler 1969). - B.1.c - 46 Sprache überhaupt. Darauf gehe ich nur dort ein, wo dies im Rahmen meiner Fragestellung von Bedeutung ist. Wollte man allerdings den literaturtheologischen Diskurs unter theologiege- schichtlichen Aspekten aufarbeiten - was eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der vorlie- genden Arbeit darstellte10 -, dann wäre die Verschränkung der vier genannten Diskurse detail- lierter in den Blick zu nehmen. Der Begriff der ‘Literaturtheologie’ legt noch in anderer Hinsicht eine Beschränkung nahe. Sicherlich gehört die Besinnung auf christliche bzw. christlich relevante Literatur in den Ge- samtzusammenhang einer theologischen Erörterung von ästhetischen Fragen allgemeiner Art. Im Zusammenhang von Religion im allgemeinen und christlicher Religion im besonderen kommt aber den einzelnen Künsten ihr spezifisches Proprium zu, inwieweit nämlich das jewei- lige Kunstwerk in eine - mehr oder weniger ritualisierte - Frömmigkeitspraxis zu integrieren ist. Worin nun liegt das religiöse - mithin: das ritualisierbare - Proprium von Literatur? Sie hat - anders als Musik, bildende Kunst oder Tanz11 - allein durch ihr Material, nämlich die Sprache, unmittelbar teil am Diskurs der christlichen Tradition: Diese ist seit jeher vom prädizierenden Wort dominiert, schon allein dadurch, dass sie sich beständig auf die Bibel, das ‘Buch der Bü- cher’ (!), rückbezieht. Die hieraus sich ergebenden ästhetischen Zusammenhänge sind so viel- gestaltig, dass sie die Fragestellung meiner Untersuchung bei weitem übersteigen. Nur verein- zelt also werde ich auf die theologische Erörterung von künstlerischen Fragen allgemeiner Na- tur zu sprechen kommen. Auch die in den letzten Jahrzehnten prominent gewordenen Programme von ästhetischer Theologie im Allgemeinen, ‘Theodramatik’ im Besonderen, die die angedeutete Wortdominanz aus einem theologischen, nicht einem literarischen Impetus heraus aufzubrechen trachtet, be- rührt den Gegenstand meiner Untersuchung nur am Rande.12 Eine wissenschaftstheoretische oder -geschichtliche Begründung dessen, was Günter Bader als ‘Theologia poetica’ zu begrün- den versucht hat,13 liegt außerhalb der - es sei erneut betont - literaturwissenschaftlich motivier- ten Fragestellung meiner Arbeit; aus dem gleichen Grunde schneide ich auch die Behandlung praktisch-theologischer Aspekte nur an. 10 Die theologische Zweckbindung von Literatur, die ich hier unter literaturwissenschaftlich-methodischen Aspekten kritisiere, wäre also dahingehend genauer zu untersuchen, in welchen theologischen Konstellationen welche Arten des ‘Redens von Gott’ für möglich und notwendig gehalten wurden (und werden). Das übersteigt begreiflicherweise die Fragestellung der vorliegenden Arbeit. 11 Vgl. etwa Zerinschek 1998; dort auch weiterführende Literaturangaben. 12 Die Problematik einer theologischen Ästhetik hat unlängst Albrecht Grözinger (1998a) eingehend erörtert. Einen guten Überblick über die theodramatischen Ansätze von Karl Barth, Gustav Aulén und Hans Urs von Balthasar bietet Sandler 1998, der zugleich die Berechtigung der Metapher kritisch reflektiert. 13 Vgl. Bader 1986. - B.1.c - 47 Außerhalb meines Interesses liegt ferner der Diskurs über (christliche) Literatur, wie er sich in geschlossenen weltanschaulichen Zusammenhängen ausprägt, beispielsweise in den verschie- denen christlichen Gruppen evangelikaler Prägung oder in der Anthroposophie. Diese Diskurse zu untersuchen, wäre vom literaturwissenschaftlichen Standpunkt her reizvoll; das allerdings wäre Thema einer anderen Arbeit. Unberücksichtigt bleiben ferner professionell heiltherapeuti- sche Verwendungsweisen religiöser Literatur.14 (ii) Zur Verschränkung von Literaturtheologie und Literaturwissenschaft Die Unterscheidung einer spezifisch literaturtheologischen Sicht ist sinnvoll, um eine bestimm- te Form des Umgangs mit christlicher Literatur genauer in den Blick zu nehmen. In praxi je- doch ist die Grenze zwischen Literaturtheologie und Literaturwissenschaft keineswegs immer so eindeutig auszumachen, wie es die modellhafte Reduktion vermuten lässt. Tatsächlich sind Interferenzen nicht selten.15 So beansprucht beispielsweise in jüngster Zeit das zweibändige Kompendium ‘Die Bibel in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts’16 sowohl eine literaturwissenschaftliche als auch eine theologische Relevanz und verknüpft damit rein ideengeschichtliche Rekonstruktio- nen mit dem Anspruch an Literatur, religiös relevant zu sein: „So kann die Literaturwissenschaft zu keinem adäquaten Verständnis zahlreicher Werke der modernen Literatur und Gegenwartsliteratur gelangen, wenn sie keine Kenntnisse der Bibel und ihrer Auslegungstraditionen besitzt. Umgekehrt verschließt die Theologie ihre Augen vor Inter- pretationsmöglichkeiten der biblischen Texte, die wohl häufig nicht in ihren eigenen Traditions- kanon passen, die aber deshalb dennoch berechtigt sind, und die sie darüber hinaus mit der fak- tischen Rezeption der biblischen Botschaften sowie ihres Fortwirkens in Tradition und Kirche seitens der Literatur als eines Ausdrucks der jeweiligen menschlichen Wirklichkeitsdeutung konfrontieren.“17 Ein solches wissenschaftliches Selbstverständnis geht über das hinaus, was man apologetisch nennen könnte, geht es hier doch vielmehr darum, auf dem Wege literaturwissenschaftlicher Praxis die Bedeutung des Christlichen aufzuzeigen, was im wissenschaftlichen Diskurs der letzten Jahre zunehmend zu extremen Auffassungen führte, bis hin zu Lother Bossle, seinerzeit Würzburger Ordinarius für Soziologie, der die an Universitäten betriebene Forschung und Leh- 14 Vgl. etwa Lesen 1977, Böhm/Krenzer 1985, Wachinger 1988 oder Thamm 1990, aber auch - in einem weniger speziellen Sinne - Köberle 1958, 32ff. oder Mieth 1998, 169-184. 15 Wenn in der katholischen ‘Herder-Korrespondenz’ eine Tagung zum Verhältnis von ästhetischer und religiöser Erfahrung in der Gegenwartsliteratur unter dem Titel ‘Poetik des Mangels’ besprochen wird (Orth 1998), gehört das bereits zur spezifisch eingefärbten (Selbst-)Interpretation eines Diskurses. Worum es mir in dem folgenden Kapitel geht, sind Interferenzen zwischen zwei unterschiedlichen Diskursen. 16 Zit. als Schmidinger et al. 1999/1 und 1999/2. 17 Heinrich Schmidinger: „Vorwort“. In: Schmidinger et al. 1991/1, 7-13, hier S. 8. - B.1.c - 48 re als eine Art von Gottesdienst im Rahmen einer Erwachsenenpastoral angesiedelt wissen wollte.18 Aber auch im Rahmen von allgemeiner gefassten germanistischen Fragestellungen schlagen sich Interferenzen zwischen literaturtheologischem und literaturwissenschaftlichem Interpretie- ren bzw. Argumentieren perspektivisch und sprachlich nieder. Das sei im Folgenden an vier Beispielen aufgezeigt. 1. Rudolf Eppelsheimers Arbeit über den ‘Mimesis’-Begriff (1968) stellte eine explizite Abgren- zung gegenüber Bultmanns Entmythologisierungstheologie dar. Die Erfahrungen der Moderne als einer Wirklichkeit, in die der Mensch in seinen metaphysischen Bezügen eingebunden sei, beschrieb Eppelsheimer als geistesgeschichtlich notwendig: Ausgehend von Haeckers These, die „besondere Geworfenheit dichterischer Existenz [berge] bereits eine allgemeine Hinord- nung auf das Christliche in sich“,19 formulierte er als Gegenstand literaturwissenschaftlichen Arbeitens: „Ist es nicht, als wolle unser Jahrhundert dem alten Gespräch zwischen christlicher Theologie und kosmischen Erfahrungen eine neue Basis geben?”20 Die These von christologischer Remythisierung in der modernen Dichtung exemplifizierte Ep- pelsheimer an Loerke, Däubler, Morgenstern und Hölderlin. Sein interpretatorisches Interesse galt jedoch weniger der Art der dichterischen Umsetzung als vielmehr dem Gegenstand, näm- lich der „tieferen Einheit von Lyrik, Mythos und Christologie“:21 Damit mündete sein litera- turwissenschaftlich-theologischer Ansatz in das Postulat ein, die zeitgenössische Welt zu resa- kralisieren, und dieses Postulat war - wenn auch durchaus unter irenischen Vorzeichen22 - rö- misch-katholisch konnotiert: „Die theologische Herrlichkeit einer kosmischen Christologie [...] schlummert zumeist noch fest- verschlossen, tief im Herzen, tief im Erinnern der Kirche. Ihre Mächtigkeit ist anlagemäßig unter uns allen [...] vorhanden; ihre sprungbereite Wirkungskraft wartet darauf, in der kerygmati- schen, in der ethischen, in der liturgischen, in der sakramentalen Theologie frei zu werden.”23 Explizit berief sich Eppelsheimer hier auf das Programm der romantischen christlichen Literatur (Novalis) und erklärt zugleich die protestantische Kunstfeindlichkeit (Barth) für historisch erle- 18 Vgl. Bossle 1988. Die Konzeption von ‘Wissenschaft als Gottesdienst’ blieb in diesem Aufsatz allerdings recht vage. 19 Eppelsheimer 1968, 77. Eppelsheimer bezieht sich auf die Kategorie des Adventistischen, die Haecker am Bei- spiel Vergils erörtert hatte. 20 Ebd., 246. 21 Ebd., 238. Genauer: „[...] der christliche Glaube überhaupt tritt für sie [sc. Loerke, Däubler, Morgenstern, Höl- derlin] zurück, bis sich ihre Lyrik in Natur und Geschichte zum Mythischen durcharbeitet und darin zur Christus- Erkenntnis.“ (ebd., 168) 22 Vgl. ebd., 244. 23 Ebd., 245; zitiert ist hier aus dem Grundsatzreferat auf der Weltkirchenkonferenz in Neu-Delhi 1961. - B.1.c - 49 digt:24 „Erstarrte theologische Haltungen weichen allenthalben vor der Sehnsucht, sei es mit dem Nächsten, sei es über Kontinente hinweg, ins Gespräch zu kommen und man erkennt, daß die noch romantische Forderung Christenheit oder Europa heute von der umfassenderen und drängenderen Perspektive: Christentum oder die Menschheit abgelöst wird..”25 Zentrale Kategorie von Eppelsheimers Interpretationsverfahren ist die Erfahrung, die über ein begrifflich-reflexives Erkennen hinausgehe. Das dichterische Erschließen von transzendentaler Wirklichkeit wurde gar gedeutet als ‘imitatio Christi’, und damit war seine existentielle Gültig- keit auch für den Leser begründet: „Geht es doch hier nicht nur um ein ästhetisches Pro- blem.“26 Demzufolge waren andere interpretatorische Zugänge verworfen, soweit es ihnen am christlichen Weltverständnis ermangele oder soweit sie auf subjektivistisch-deduzierenden Vorannahmen beruhten.27 Die Kritik allerdings an deduktiven Interpretationsverfahren, die an den literarischen Gegenstand von vornherein erkenntnisleitende Maßstäbe ansetzten, fällt auf Eppelsheimer selbst zurück. Indem er sein Weltbild als objektiv und nicht hintergehbar ver- stand, ließ er die Frage ausgeblendet, ob es sich bei den von ihm aufgezeigten Phänomenen nicht auch um eine Re-Sakralisierung von Weltdeutung handeln könnte, die als Reaktion auf den Fortschrittsrationalismus des 18. und 19. Jahrhunderts ebenso historisch bedingt war wie dieser. 2. In neuerer Zeit unternahm Daniel Hoffmann eine Revaluierung eines ‘theophanen Realismus’, sc. einer ‘gegen-modernen’ Daseinserschließung, wie sie sich im Werk von Ricarda Huch, Al- fred Mombert, Ina Seidel, Josef Wittig, Alfred Delp, Gertrud von le Fort und Reinhold Schnei- der zeige: „Wo kann der Mensch einen Anhalt finden, wo erblickt er einen Sinn, der nicht Spie- geltäuschung ist, sondern der eine unumstößliche Seinsordnung repräsentiert?”28 Zwar beruht Hoffmanns Ansatz auf der (Teil-)Identifikation zwischen Interpreten und Interpretiertem, einem „Lesejubel“,29 genauer: einer „Gleichgestimmtheit zwischen einem vergessenen Autor und seinem späten Leser”,30 folgert aber - anders als Eppelsheimer - daraus keine Allgemeingültig- keit, die über den Akt der jeweils individuellen Aneignung hinausgehe: „Denn jenes, unser Jahrhundert prägende, rezeptionsästhetische Verhältnis zwischen einem Autor und seinem zeitgenössischen Leser, daß sie nämlich keine ‘gemeinverbindliche Ordnung’ 24 Unter Berufung auf die östliche Tradition (Irenäus) hält Eppelsheimer auch die Natur-Gnade-Problematik und damit die konfessionelle Trennung der Christenheit für historisch überholt. Vgl. ebd., 244. 25 Ebd., 243 26 Ebd., 10. 27 Vgl. ebd., 121, 166 (zu Beißner), 234ff. (zu Heidegger) und passim. Dazu passt, dass er den Satz ‘Gott ist tot. Gott bleibt tot.’ nicht in seiner Fiktionalität erkennt, sondern als ressentimentbehaftete Bekundung des empirischen Autors Nietzsche abtut. 28 Hoffmann, D. 1998, 66. 29 Ebd., 18. Hoffmann verwendet hier einen von Wilhelm Lehmann geprägten Begriff (vgl. dazu auch Kap. C.1.b.ii). 30 Ebd., 19. - B.1.c - 50 mehr zusammenbringt, weder in der Gesellschaft selbst, noch in ihren konstitutiven Weltan- schauungen, über die sie sich vorweg schon verständigt wüßten, bleibt uneingeschränkt auch für das Verhältnis zwischen dem Autor und seinem späten Leser gültig.”31 Gleichwohl bezog Hoffmann selbst ausdrücklich einen grundsätzlich heteronomen Standpunkt, versuchte also über eine ‘nur’ literaturhistorische’ Dimensionierung hinauszugehen:32 „Im Unterschied zum Autonomiegedanken, der die anthropologische Position gegen alles Nicht- Humane verteidigt, bereicht die absolute Heteronomie das Anthropologische, indem sie es in ei- nen // Bezug zu einem Nicht-Humanen, nämlich zu Gott, stellt, ihm also zu einer höheren Stufe in der Realisierung seiner Existenz verhilft.“33 Durchweg auch sind die Auffassungen von Haecker, Rosenzweig, Delp, Langgässer etc. im konstatierenden Indikativ wiedergegeben. Zitieren, Referieren und prädizierendes Sprechen gehen ineins über - wodurch der oben zitierte Satz von der Lektüre des Einzelnen, die keine Allgemeingültigkeit beanspruchen dürfe, zumindestens implizit relativiert wird. Auch dass das Anliegen der Arbeit mit folgenden Worten umrissen ist, „Daß symbolische Literatur im 20. Jahrhundert möglich ist, daß sie an der vom modernen Men- schen erlebten Realität anzuschließen vermag und sich nicht eine fiktive Weltgestalt zurechtge- legt hat, dies zu zeigen ist die beständige Aufgabe dieser Arbeit.“ 34 lässt darauf schließen, dass es sich hier dann doch um eine iterative Fortschreibung der Auffas- sungen handelt, die Hoffmann lediglich darzustellen beanspruchte.35 3. Susanna Schmidt entwickelte in ihrer Studie über katholische Milieuliteratur das Konzept eines spezifisch katholischen ‘spiritualistischen Realismus’, wie es in der romantischen Poetik, insbesondere bei Friedrich Schlegel, ausgearbeitet ist. Im Zusammenhang ihrer Untersuchung ist die spirituelle Komponente einer katholischen Poetik apologetisch gegenüber deren Margi- nalisierung im öffentlichen Diskurs verteidigt. Im Schlusskapitel ihrer Arbeit drückt Schmidt die Hoffnung aus, dass das Potential katholischer Literatur (Reinhold Schneider, Alfred Döblin) auch noch für die moderne Literatur von Bedeutung sein könne: „Das Durchkreuzen des Realismus im Stil, der vision de monde, hin auf eine - gedachte, erfah- rene, bezweifelte oder ernsthaft-ironische - ‘Überrealität’, wie es Döblin nannte, könnte somit etwa Spuren eines Dialoges zwischen Katholizismus und zeitgenössischer Literatur weisen, und dies umso mehr, als - mit den Worten Tankred Dorsts - ‘die überwältigende Kraft der Vorstel- lung, der Schrecken und auch der utopischen Träume, und ihr Sieg über die Realität’ in der zeit- genössischen Literatur ein Thema ist.“36 31 Ebd., 18. 32 Vgl. ebd., 90. 33 Ebd., 49//50. 34 Ebd., 30. 35 Vgl. dazu auch sein methodisches Resümee (ebd., 30). 36 Schmidt, S. 1994, 210. - B.1.c - 51 Da Schmidt allerdings den dogmatischen Rahmen der römisch-katholischen Tradition unbe- rücksichtigt lässt und sich allein auf deren spirituelle Tradition beruft, da sie weiterhin offen- lässt, in welches Lebensumfeld sich heutzutage eine christliche Literatur einschreiben könnte,37 füllen sich ihre (oben zitierten) Formulierungen über das spirituell-utopische Potential katholi- scher Literatur nicht mit Leben und bleiben - als Begriffe ohne Anschauung - leer. Schmidt ließe sich entgegenhalten, was sie gerade kritisiert, nämlich den modischen Gebrauch einer katholischen Attitüde: Auch sie bleibt den Nachweis schuldig, dass ein sog. ‘katholisches Ele- ment’ in zeitgenössischer Literatur mehr sein könnte als eine weitere Facette postmoderner Bewusstseins-Bricolage. Nicht zuletzt deshalb ist ihre Studie - trotz der aufgezeigten apologeti- schen Tendenzen - kein Beitrag zu einer literaturtheologischen Fragestellung, wie ich sie im vorangegangenen Abschnitt expliziert habe.38 4. In einem Beitrag über Gertrud von le Fort unternahm es Wolfgang Frühwald, die ideenge- schichtliche Bedeutung des Spätwerks der Autorin hervorzuheben und damit einen Kanonisie- rungsprozess, der die Autorin marginalisiert habe, zu korrigieren bzw. umzuschreiben. Dass im damals zeitgenössischen Katholizismus vorwiegend die religiöse Problematik des Romans ver- handelt worden sei, habe nicht nur dessen „wahre Thematik“39 verkannt, sondern habe bis heute eine der Autorin angemessene Rezeption bei Nicht-Katholiken geradezu verhindert.40 Frühwald nämlich interpretierte den Roman ‘Kranz der Engel’ - über dessen im engeren Sinne katholischen Inhalt hinaus - als „Teil einer christlich-bürgerlichen Dekadenzthematik“.41 Hin- sichtlich der Frage nun, welchen Rang der Roman beanspruchen könne, changiert Frühwalds Bewertung: Zunächst ordnet er den Roman in eine ideengeschichtliche Problemstellung ein, als eine Ausprägung der damaligen Kulturkritik unter anderen: 37 Als Maßstab lege ich damit eine der Kategorien an, die Schmidt selbst in ihrer Arbeit entwickelt: Sehr einleuchtend nämlich stellt sie dar, dass der „gemeinsame Bedeutungshorizont“ (ebd., 194) der späten Kriegsjahre, der Reinhold Schneiders Werk für viele Leser so bedeutsam gemacht hatte, im Verlauf des bundesrepublikanischen Pluralismus schwand, so dass der Autor auch im innerkatholischen Diskurs der fünfziger Jahre mehr und mehr an Bedeutung verlor. 38 Diese methodische Abgrenzung zur Literaturtheologie vollzieht Schmidt auch selbst; vgl. ebd. 12ff. 39 Die „innerkatholische Interpretation des Werkes der Gertrud von le Fort“ habe „die wahre Thematik des Spätro- mans“ nicht erkannt (vgl. Frühwald 1976, 62) 40 Dass Frühwald hier eine Art Automatismus annimmt, verleiht der Apologetik seiner Ausführungen eine zusätzliche Schärfe. Er begreift nämlich das Christliche als modernes Tabu, und belebt damit einen alten literaturtheologischen Topos, den von Bedrängnis und Kampf (vgl. Zwischenresümee 1): Es habe den Anschein, schreibt Frühwald, als sei „eine aus dem 19. Jahrhundert wohlbekannte, literarische Situation grotesk wiedergekehrt [...]: hier die Diskussion des gebildeten Publikums über die die Zeit bewegenden Fragen des Kulturverfalls - also die Diskussion um die The- matik Thomas Manns [im ‘Doktor Faustus’] -, dort das innerkatholische Gespräch um eine scheinbar abseits vom Strom der kulturellen Entwicklung liegende religiöse Problematik, die so abwegig schien, daß allen ‘Gebildeten’ die Beschäftigung damit gleichsam verboten war.“ (Frühwald 1976, 62). 41 Ebd. - B.1.c - 52 „Der Roman ist ein christ-// licher Beitrag zu jener die deutsche Literatur seit der Jahrhundert- wende prägenden Frage bürgerlichen Kulturverfalls. Er gibt eine christliche - sicher nicht in der ästhetischen Qualität, aber doch im Problemansatz Thomas Mann vergleichbare - Antwort auf die Frage nach dem Überleben einer abendländisch-deutschen Kultur.““42 Später jedoch liest Frühwald einen Satz aus dem ‘Schweißtuch der Veronika’ als Aussage der Autorin und erklärt diese Aussage - in einer Reihe von Generalisierungen - zu einer gemeinsa- men Erkenntnis von Christentum und Existentialismus der fünfziger Jahre: „Die gleiche Grunderfahrung menschlicher Existenz verbindet in den fünfziger Jahren die Lite- ratur der Christen und der Existentialisten:[43 ] die Erfahrung einer kosmischen Angst, erwach- sen aus der Erkenntnis völliger Einsamkeit. So hat im Grunde Gertrud von le Fort die gemein- same Erkenntnis dieser Literatur der fünfziger Jahre schon 1928 vorformuliert: ‘Denn die Seele des Menschen ist im All befestigt einzig durch die Erbarmung Gottes, und sobald sie sich von dieser löst, kann man sie nicht mehr erkennen.’“44 Damit ist beiläufig der Existentialismus der fünfziger Jahre als irrelevant erklärt, weil seine Erkenntnisse in der christlichen Auffassung einer Gertrud von le Fort schon enthalten seien, nur eben ohne deren Glaubens- und Heilsgewissheit. Zugleich lassen sich die Sätze nicht nur als Beurteilung einer historischen ideengeschichtlichen Konstellation lesen, sondern zugleich auch als Hinweis auf die heutige Bedeutung Gertrud von le Forts, wenn nicht sogar als Kommentie- rung der Gegenwart überhaupt.45 Worin nun - um die Darstellung zusammenzufassen - besteht der Unterschied zwischen einer literaturwissenschaftlichen und einer literaturtheologischen Betrachtungsweise? Bei Eppels- heimer und Hoffmann ging es um die Neubewertung einer christlich-literarischen Tradition, bei Frühwald und Schmidt um die Revision des Kanons christlicher, im engeren Sinne katholischer Literatur. Bei allen vier Autoren wird christliche bzw. christlich gedeutete Literatur zur Instanz eines wiederzubelebenden christlichen Weltverständnisses. Solche normsetzenden Ansprüche gehen über ein hermeneutisches Interesse am Klären und Erklären weit hinaus. Dass die Grenzen zwischen Literaturtheologie und Literaturwissenschaft fließend sind und sich mitunter nur in Nuancen äußern, sollte nicht über den heuristischen Wert einer modellhaften Reduktion hinwegtäuschen, wie ich sie meiner Arbeit zugrundegelegt habe. Mit dem Vorwurf der Begriffsklauberei mag operieren, wer das Feld literaturwissenschaftlicher Betätigung an sich schon für interessefrei und wertneutral hält. Ich setze dagegen eine Beobachtung, die mir 42 Frühwald 1976, 62//63. In dem Aufsatz vergleicht Frühwald den ‘Kranz der Engel’ mit Thomas Manns ‘Doktor Faustus’. 43 Gerade in dieser Formulierung steckt eine dreifache Generalisierung; zudem erinnert die Rede von ‘den Christen’ ebenfalls an einschlägige Formulierungen aus literaturtheologischen Kontexten. Vgl. Kap. A.1. 44 Ebd., 72 (Klammern von mir. Das Binnenzitat weist Frühwald nach bei Gertrud von le Fort: Das Schweißtuch der Veronika. Teil I: Der römische Brunnen, 11. Auflage, München 1954, S. 330). 45 Vgl. ebd., 62f. - B.1.c - 53 für die Beschäftigung mit christlicher Literatur nicht unwesentlich erscheint: Die Arbeiten von Frühwald und Schmidt legen die Annahme nahe, dass es theologische Kategorien sind, die die Beschäftigung mit christlicher Literatur über den Bereich der Literaturtheologie hinaus struk- turieren. Mehr noch: Es hat fast den Anschein, als ob sie überhaupt erst ihre Wahrnehmung ermöglichten. - B.2.a - 54 2. Christliche Literatur - Zur Konstitution eines Gegenstandes a) Warum ‘christliche’ Literatur? - Eine Problemskizze In seiner Studie über die Frage, was Wesen und Prägung des Judentums ausmache, formuliert Arthur Hertzberg als These, eine der gemeinsamen Erfahrungen des jüdischen Volkes bestehe darin, sich beständig gegenüber der jeweiligen Umgebungskultur als jüdisch definieren zu müs- sen.1 In der Kategorie des ‘Sich-durch-Abgrenzung-Definierens’ sehe ich einen brauchbaren Ansatzpunkt dafür, das Phänomen einer christlichen Literatur unter problemgeschichtlichen Aspekten zu erfassen: Dem Sprechen über christliche Literatur ist naturgemäß die Negativfolie einer nicht-christlichen Literatur gegenwärtig.2 Explizit deutlich gemacht werden Abgrenzun- gen, wo eine christliche Literatur als Desiderat projektiert wird, wie etwa in der katholischen Romantik, im katholischen Literaturstreit der letzten Jahrhundertwende3 oder eben - dies der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung - im literaturtheologischen Diskurs nach 1945. Wie im Verlauf der europäischen Literaturgeschichte eine als solche apostrophierte ‘christliche Li- teratur’ zum Problem wurde, wäre eine eigene Untersuchung wert. In der vorliegenden Arbeit sollen nur die Rahmenbedingungen skizziert werden, innerhalb derer das Sprechen über christ- liche Literatur historisch zu entwickeln ist. 1. Bereits die Spätantike setzte sich mit dem Problem einer christlichen Literatur auseinander, insoweit sie als Ergänzung der Bibel und der auslegenden Schriften verstanden wurde. Curtius verwies darauf, dass die frühe christliche Literatur antike Dichtungsmuster aufgriff - bedeutsa- mer Bezugspunkt ist Vergil - und sie mit geistlicher Thematik füllt. Der Begriff einer christli- chen Literatur bezeichnet somit die Thematik als unterscheidendes Merkmal. In dem Maße, in dem sich das Christentum als kulturtragende Institution politisch durchzusetzen begann, wurde die Vorstellung von christlicher Literatur mehr und mehr zur Tautologie.4 Trotzdem blieb der Aspekt der Abgrenzung immer erhalten: Noch in dem von christlichen Ordo-Vorstellungen geprägten Mittelalter stand das Christentum in Konkurrenz zu dem durch den arabischen Kul- 1 Hertzberg 2000. 2 Darauf, dass der Begriff christliche Literatur stets eine Abgrenzung vollzog und dass eine solche Abgrenzung erst im 19. Jahrhundert zum Problem wurde, hat bereits Curt Hohoff hingewiesen. Allerdings sah er den Prozess der Ausdifferenzierung passivisch: „ob im strengen Sinn überhaupt ein Unterschied zwischen geistlicher und weltlicher Dichtung bestehe und wenn ja, warum er immer deutlicher wird, je mehr wir uns der Gegenwart nähern, so daß es am Ende kaum noch Dichter gibt, die weltlich und geistlich sind; daß also jene große, in Dante und Wolfram reprä- sentierte Einheit verloren // ist [...].“ (Hohoff 1958/59a, 171//172) 3 Die bis heute gründlichste Darstellung über Struktur und Ablauf des Streits gibt Hanisch 1974. 4 Vgl. Hohoff 1959, 16, Sp. 1f. sowie Hohoff 1966, 11. - B.2.a - 55 turraum überlieferten Ideenhorizont der Antike, die die Scholastik sich in buchstäblich schul- mäßiger Weise aneignet, um sie dem eigenen (christlichen) Horizont zu integrieren. 2. Lässt sich die Literatur des frühen Christentums noch allein vom Stoff her definieren, geht das Bestimmungsmerkmal im Mittelalter auf den Autor über.5 Grundsätzlich aber gilt, dass im mittelalterlichen Europa jedwede Literatur aus einem umfassend und selbstverständlich über- greifenden religiösen Traditions- und Lebenszusammenhang schöpfte, auch dort, wo sie säkula- re Funktionen übernahm.6 Für das Mittelalter also drückt die Unterscheidung von christlicher vs. nicht-christlicher Literatur nicht das Nebeneinander zweier Teildiskurse innerhalb eines umgreifenden gesellschaftlichen Orientierungshorizonts aus, sondern - wie bereits in der Spätantike - die Abgrenzung dieses Horizonts nach außen, gegenüber den anderen Religionen oder insgesamt: ‘contra gentiles - gegen die Heiden’, wie Thomas von Aquin eines seiner Lehr- bücher überschrieb.7 Von größerer Bedeutung für die funktionale Bezeichnung von Literatur in Spätantike und Mittelalter war vielmehr das Begriffspaar ‘weltliche’ vs. ‘geistliche’ Literatur; letztere schloss auch die Erbauungsliteratur ein, wo der Begriff der „christlichen Dichtkunst“8 aufgehoben blieb. Weltliche Literatur dagegen vertrat den Anspruch, die Welt zu erzählen, zu erschließen und zu deuten. Die Weltlichkeit von Literatur - dies nur nebenbei bemerkt - bildet den eigentlichen Bezugspunkt, der den Diskurs über christliche Literatur bis auf den heutigen Tag zusammenhält und strukturiert. 3. Um den Aspekt der Weltdeutung zu verdeutlichen, erscheint ein kurzer Rückblick auf die Ge- schichte der europäischen Mythosrezeption hilfreich: Sir Edward Grey, Mitte des 19. Jahrhun- derts britischer Generalgouverneur von Neuseeland, stellte fest, dass seine Dolmetscher die Redeweise der älteren polynesischen Häuptlinge, mit denen er verhandeln musste, nicht über- setzen konnten.9 Auch nachdem er selbst sich Grundbegriffe ihrer Sprache angeeignet hatte, war er nicht in der Lage, seine Gesprächspartner zu verstehen. Das änderte sich erst, als er de- 5 Vgl. Kranz 1987, 72. 6 Vgl. etwa Elias 1936/1976, 101, der die literarische Patronage an den großen Ritterhöfen des 12. Jahrhunderts beschreibt, in gleicher Weise notwendig für Kleriker wie für Nicht-Kleriker. Bis ins 17. Jahrhundert hinein war das Aufeinander-bezogen-Sein von religiösen und nicht-religiösen Aspekten analytisch nicht hintergehbar: „Im Umkreis von Kirche, Gesellschaft und Staat hatte sie [sc. die Dichtung des 17. Jahrhunderts] ihren Platz. In allen Aspekten war sie hineingenommen in einen Funktionszusammenhang, der zwischen diesen Bereichen bestand. Als Trägerin, Ausdruck und Ferment dieser Ordnung fand die // Poesie der Zeit ihre Rechtfertigung auch dann, wenn sie ihre Tendenz im einzelnen nicht formulierte oder thematisierte.“ (Mauser 1976, 20//21) 7 So verwendet die Mediävistik zwar den Terminus ‘christliche Literatur’, aber nur in Abgrenzung zu beispielsweise jüdischer oder islamischer Literatur, etwa im spanischen Kulturraum. Parallelbegriffe wären also ‘maurische Litera- tur’, ‘jüdische Literatur’ etc.. 8 Lavater 1782, 3. 9 Ich folge hier Grey 1967. - B.2.a - 56 ren Geschichten, Lieder, Sprichwörter, Gebete, Segenssprüche etc. zusammentrug und sich damit aneignete, was er als ‘mythologisches System’ bezeichnete. So verständnislos er dieser Art von Weltauffassung gegenüberstand, so zutreffend erfasste er dessen Funktion für die kul- turelle Überlieferung der Polynesier. Das eigentlich Interessante ist jedoch, dass der - keinesweges bornierte - Generalgouverneur über das von ihm beobachtete sprachliche Verhalten erstaunt war. Grey ging offenkundig von der Vorstellung aus, das irrationale, mythische Sprechen der (älteren) Eingeborenen unter- scheide sich kategorial von dem rationalen Sprechen des europäischen Kulturkreises, das ihn geprägt hatte. Wir heute halten diese Selbstwahrnehmung für irrig: Die logos-zentrierte me- chanistische Auffassung vom Menschen als einem seiner selbst vollständig mächtigen Subjekt, dessen Handlungsmotivationen sich rationalem Kalkül verdanken - bereits im 18. Jahrhundert problematisiert -, hat sich spätestens im 20. Jahrhundert vollständig erledigt. Vermutlich aber hätte sie - ein kurzes Gedankenspiel - bereits ein polynesischer Reisender, der zu der Zeit von Greys Gouverneurschaft dessen Heimatland besucht hätte, auch gar nicht verstanden. Im euro- päischen Kulturkreis waren zwar die sprachlichen Repertoires ausdifferenzierter, so dass staatspolitische oder ökonomische Beratungen nicht mehr in Form von Gedichten, Geschichten oder Gesängen abgehalten wurden. Sprache und Handeln jedoch waren (und sind) hier in prin- zipiell ähnlicher Weise, wie es Grey in Polynesien erfuhr, von Archetypen, Bildern, abgesun- kenen Metaphern etc. bestimmt, wenn auch vielleicht nicht so offensichtlich.10 Der erwähnte Polynesier jedenfalls hätte sich die Mentalität und die handlungsleitenden Motivationen eines europäischen Gegenübers nicht allein über den Lexembestand der jeweiligen Sprache erschlie- ßen können. 4. Die sich in Sprache und Handeln manifestierenden Vorstellungswelten - man könnte auch von Orientierungsräumen sprechen - wurden (und werden) auf unterschiedliche Weisen tradiert. Eine davon ist der literarische, eine andere der religiöse Diskurs, deren allmählicher Ausdiffe- renzierungsprozess im Grunde mit den Predigtexempeln des Mittelalters einsetzte, die ihrerseits der mündlichen Volksüberlieferung entstammten und auf diese zurückwirkten.11 Ebendieser wechselseitige Prozess von Säkularisierung und Sakralisierung vollzieht sich bis in die heutige Zeit hinein, und er vollzieht sich in jeder individuellen Lebensgeschichte und derem Kontext 10 Grey wies ausdrücklich daraufhin, dass die jüngeren Polynesier die mythische Welt ihrer Vorfahren auch nur noch bruchstückhaft kannten. 11 Vgl. dazu Moser-Rath 1957/1994, 29ff.. Selbst der ‘Simplicissimus’ von Grimmelshausen lässt sich noch auf seine katechetischen Bezüge hin dechiffrieren (vgl. Becker, R. 1996). - B.2.a - 57 neu; das betrifft - anders als dies bisher gesehen wurde12 - sowohl die Produzenten als auch die Rezipienten von Literatur. Natürlich ist nicht der Traditionsbruch zu übersehen, den der Schwund kirchlich gebundenen Gemeindelebens in den letzten Jahrzehnten mit sich gebracht hat. Am Ende der Untersuchung komme ich darauf zurück. Der Einfluss der großen Wende aber, die das bürgerliche Literaturparadigma im 18. Jahrhundert vollzog, nämlich der Übergang von der didaktischen zur autonomen Literatur, wird für das Verständnis des Phänomens ‘christliche Literatur’ weit überschätzt.13 Nur angemerkt sei, dass es sich nicht wirklich um einen Paradigmenwechsel, sondern vielmehr um zwei Paradigmen handelt, die seit dem 18. Jahrhundert nebeneinander herbestehen. Das zeigt sich an der Rezeptionsgeschichte eines Werks wie der ‘Glocke’, aber auch am bis heute fortdau- ernden Erfolg der bürgerlich-didaktischen Literatur, sei diese aufklärerischer oder pietistischer Provenienz (J.P.Hebel, M. Claudius). Dass also - um ein Beispiel aus dem Kontext der kirchlich überformten christlichen Literatur zu nennen - die Erzählprosa des katholischen Erfolgsautors Christoph von Schmid nicht in den Kanon bürgerlicher Hochliteratur aufgenommen wurde, liegt also möglicherweise an ihrer literarischen Qualität, sehr wahrscheinlich an ihrer ultramontanen Eindeutigkeit, ganz sicher aber nicht daran, dass sie - wie im katholischen Literaturdiskurs bis heute gelegentlich gemutmaßt14 - in ihrer poetologischen Struktur als anachronistisch empfunden worden wäre. Was die ‘autonome’ Literatur für den christlichen Diskurs stets zum Problem gemacht hat, ist deren Anspruch, alternative, d.h. nicht kirchlich kodifizierte Deutungen von Welt anzubieten, sich mitunter sogar als „Anwalt der Religion im Zeitalter der Entmythisierung“15 zu verstehen. In der Frontstellung von christlich gebundener und autonomer Literatur, die sich im Atheis- musdiskurs seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelt hat und deren Auswirkungen bis heute zu spüren sind, drückt sich also eine Auseinandersetzung um Deutungshoheit aus. Das um- schließt jedoch keineswegs die Motivationen und die Ansprüche, mit denen diese Literatur jeweils rezipiert wurde - ein ‘weites Feld’, auf dem sich noch einiges zu Tage fördern ließe. Wie zu zeigen sein wird, vollzieht der literaturtheologische Diskurs erst in den letzten Jahrzehn- ten eben diesen Gang vom Programmatisch-Allgemeingültigen zum Individuellen nach, wenn auch nicht ohne gelegentliche Rückschläge. Mit dem Vorstehenden ist der Rahmen umrissen, innerhalb dessen ich das Sprechen über christliche Literatur ansiedele. Was folgert daraus für den Begriff ‘christliche Literatur’? Zu- nächst dies: Es handelt sich nicht um einen prädizierenden, sondern um einen zuschreibenden Begriff. Der Satz, bei diesem oder jenem Werk handele es sich um christliche Literatur, ist nicht nach Wahr-Falsch-Kriterien entscheidbar, sondern gewinnt seine Bedeutung erst im Rah- 12 Das von Albert Langen bereits 1964 erhobene methodische Postulat, dass sich das Widerspiel von Säkularisation und Sakralisierung nur im konkreten Einzelfall bestimmen lasse (vgl. Langen 1964/1978), ist im literaturtheologi- schen Diskurs weitgehend unbeachtet geblieben. 13 Vgl. etwa Schmidt, S. 1994. 14 Vgl. Breuer 1991 oder Maier 1996a. 15 Vietta 1992, 113. - B.2.a - 58 men eines jeweiligen Zuordnungs- und Kanonisierungsinteresses. Das könnte im Übrigen auch erklären, warum das Thema ‘christliche (resp. christlich relevante) Literatur’ bis heute nicht abgegolten ist. - B.2.b - 59 b) Christliche Literatur nach 1945 (i) Traditionen und Phasen In der Geschichte christlicher Literatur nach 1945 bilden die sechziger Jahre einen vielfach aufgearbeiteten Einschnitt, gemeinhin konnotiert mit dem vielbeschworenen ‘Ende der christli- chen Literatur’.1 Was jedoch in den sechziger Jahren tatsächlich endete, war nicht ‘die christli- che Literatur’, sondern es endeten - sowohl institutionell als auch biographisch - die Traditio- nen christlicher Literatur und christlicher Literaturvermittlung aus den zwanziger und dreißiger Jahren, und diese wiederum waren regelmäßig verkürzt auf einen Kanon. Die vielzitierten Sätze von Werner Ross aus dem Jahre 1968 „[...] tot sind Claudel und Bernanos, tot Elisabeth Langgässer und Reinhold Schneider, Werner Bergengruen und Rudolf Alexander Schröder, tot T. S. Eliot und Evelyn Waugh. Alt und schweigsam geworden sind Gertrud von le Fort, Edzard Schaper, Julien Green; alt und ge- schwätzig geworden ist Mauriac. Stefan Andres’ ‘Wir sind Utopia’ und Luise Rinsers ‘Jan Lobel aus Warschau’ liegen weit zurück. [...]“2 belegen die von der Literaturtheologie nach 1945 herkömmlicherweise berücksichtigten Na- men, die ich hier unter dem Begriff ‘christlicher Literaturkanon’ - oder analog: ‘christliche Kanonliteratur’ - zusammenfasse. Nimmt man als Kriterium die Regelmäßigkeit der Nennung, lässt sich der Kanon der (deutschsprachigen) christlichen Literatur nach 1945 untergliedern in einen ‘Kernbereich’ (Stefan Andres, Werner Bergengruen, Gertrud von le Fort, Edzard Scha- per, Reinhold Schneider sowie - wenn auch umstritten, aus jeweils unterschiedlichen Gründen - Elisabeth Langgässer, Rudolf Alexander Schröder, Franz Werfel und Ernst Wiechert3 ) und einen ‘Randbereich’ von Autoren, deren Nennung ein jeweiliges pragmatisches Interesse aus- drückt (Heinrich Böll, Christine Busta, Albrecht Goes, Manfred Hausmann, Bernt von Heiseler, Kurt Ihlenfeld, Christine Lavant, Karl Benno von Mechow, Luise Rinser, Friedrich Schnack, Ina Seidel, Rüdiger Syberberg, Otto von Taube, Regina Ullmann sowie unter literaturhistori- schen Aspekten Ernst Barlach, Ludwig Derleth, Jochen Klepper, Siegbert Stehmann4 und Kon- rad Weiß). Der traditionelle Kanon katholischen Volksschrifttums (Peter Dörfler, Max Mell, Josef Mühlberger, Franz Johannes Weinrich etc.) wurde vor allem in katholischen Kontexten 1 Der Einschnitt in den 60er Jahren, der einhergeht mit dem Paradigmenwandel von der traditionellen zur avancierten Literaturtheologie (s.u.), ist vielfältig aufgearbeitet worden, sowohl in seinen institutionellen und literaturkritischen Bezügen (Ross 1968, Kurz 1971) als auch theologiegeschichtlich (Mieth 1976 und 1976a). Den ersten Schritt zu einer mentalitätsgeschichtlichen Aufarbeitung machte Kuschel (1978), der die befreiende Botschaft Jesu Christi in den Mittelpunkt seines Ansatzes stellte und in der Gegenüberstellung von ‘Drohbotschaft’ vs. ‘Frohbotschaft’ die lebenspraktischen Implikationen traditioneller christlicher Literatur als erster zumindestens andeutete. 2 Ross 1968, 129 (Autorennamen in Versalien). 3 Der in der Nachkriegszeit viel behandelte Wiechert - Hauptgegenstand der Erörterungen war seine biblisierende Sprache - verschwand bereits im Verlauf der fünfziger Jahre aus dem Kanon; Heinrich Böll war seit den ‘Ansichten eines Clowns’ als christlicher Autor umstritten. 4 Vgl. Felden 1987, 60ff. - B.2.b - 60 immer wieder genannt,5 gewann im literaturtheologischen Diskurs nach 1945 aber keine Be- deutung.6 Einen Sonderfall bildet Günter Rutenborn, dessen Stück ‘Jonas und der Walfisch’ in der Nachkriegszeit außerordentlich erfolgreich war, der aber im Verlauf der fünfziger Jahre in Vergessenheit geriet, ebenso Josef Martin Bauer, der zwar als christlicher Autor beschrieben wurde, im Gesamtdiskurs Literatur aber vor allem durch seinen Bestseller ‘So weit die Füße tragen’ hervortrat, und schließlich Alfred Döblin, dessen differenzierte Aneignung des christli- chen Traditionsbestandes7 im literaturtheologischen Beschreibungsraster nur selten unterzu- bringen war.8 Wie kam es zu den erwähnten kanonischen Festschreibungen, denen ein quantitativ breiter Be- reich von christlicher Literatur gegenüberstand, deren Nicht-Kanonisierung ihnen den Status des Apokryphen zuwies?9 In den Rezensionen einschlägiger Zeitschriften ist durchweg die Bandbreite christlicher Literatur vertreten. Dort jedoch, wo in Einzelveröffentlichungen das Wesen christlicher Literatur erörtert oder wo sie anthologisch zusammengefasst wurde, waren - von den ersten Nachkriegsjahren abgesehen10 - fast ausschließlich die Autoren des Kernkanons genannt, also diejenigen Autoren, die im Umfeld der Zeitschriften ‘Eckart’ und ‘Hochland’ die christliche Literatur im ‘3. Reich’ repräsentiert hatten und - was entscheidender sein dürfte - über ein christliches Lesepublikum hinaus rezipiert worden waren. Dass sich die Herausbildung des Kanons wesentlich auf die Rezeption außerhalb des christlichen Lesepublikums zurückführen lässt, zeigt sich deutlich an einem Autor wie Willy Kramp, der zwar bereits vor dem Krieg publizierte und in kirchlichen Kreisen viel gelesen wurde,11 aber im literaturtheologischen Diskurs nach 1945 als Exponent einer christlichen Literatur eher selten ge- nannt ist, anders als die in der literarischen Öffentlichkeit ungleich bekannteren Autoren Franz Werfel (der gemeinhin zur christlichen Literatur gerechnet wurde, „obschon er nicht konvertiert ist“12 ) und Ina Seidel („eher als religiös denn als ‘christlich-gläubig (oder gar christusgläubig) anzusprechen“13 ). Von den auch im allgemeinen Literaturdiskurs präsenten Autoren sind es vor allem Heinrich Böll, Luise Rinser sowie die frühe Ingeborg Bachmann, die in der Litera- turtheologie nach 1945 als Beleg für die Relevanz christlicher (bzw. religiöser) Literatur auch in 5 Bei Schomerus-Wagner, Grenzmann und Meidinger-Geise. 6 Die Vertreter einer von christlichen Vorstellungen geprägten, aber nicht explizit christlichen Literatur (beispielsweise Peter Bamm) bleiben im literaturtheologischen Diskurs gemeinhin außer Betracht. Dort wo sie ge- nannt werden, etwa bei Kranz, dienen sie dazu, die Breite literarisch-christlicher Überlieferung zu beglaubigen. 7 Vgl. hierzu sehr ausführlich Schmidt, S. 1994, 194. 8 Beispielsweise bei Meidinger-Geise o.J., 57ff. 9 Bei Grenzmann (1952, 24) war die katholische Milieuliteratur zwar durchweg freundlich genannt, ihr wurde aber bereits eine Nische zugewiesen. Bei Schomerus-Wagner 1950 und Meidinger-Geise o.J. dagegen zeigt sich die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition prononciert katholischer Literaturgeschichten, nämlich die Autoren des katholischen Hochkanons in eine Reihe zu stellen mit den katholischen Volksschriftstellern, das Inhaltliche also dem Ästhetischen überzuordnen. 10 Etwa bei Bourbeck 1947. 11 Vor allem auch im Hinblick auf seine schriftenmissionarische Bedeutung, etwa bei Bartsch o.J., 199ff. 12 Mann 1968, 44. Vgl. auch folgende Einschätzung: „Doch wie der frei gewordene Protestant vor der suggestiveren Macht der katholischen Kirche // steht, so der frei gewordene Jude vor dem Suggestiven des Christentums.“ (Mann 1968, 43//44) 13 Friedmann 1968, 341. - B.2.b - 61 der jüngeren Autorengeneration dienten; seit den achtziger Jahren übernimmt diese diskursive Funktion Peter Handke,14 in neuerer Zeit auch Arnold Stadler. Gleichwohl blieben bis in die sechziger Jahre hinein die Klagen lebendig, es fehle an neuer deutschsprachiger christlicher Literatur von Rang. Die Schwierigkeiten für neue Autoren, sich nach 1945 auf dem Markt christlicher Literatur durchzusetzen,15 dürfte verschiedene Gründe gehabt haben, die ich hier thesenartig resümiere: 1. Die christlichen Autoren, die den literaturtheologischen Diskurs dominierten - vor allem Werner Bergengruen, Reinhold Schneider, Gertrud von le Fort etc. -, hatten während des na- tionalsozialistischen Regimes eine sozialpsychologische Bedeutung auch für bürgerliche Le- ser gehabt, die für die Selbstdefinition des christlichen Literaturdiskurses nach 1945 wichtig blieb. Das schloss zwar in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch noch eine Reihe von ‘kleineren Autoren’ ein.16 Für den literaturtheologischen Diskurs wurden jedoch die bekann- ten Autoren von besonderer Bedeutung, weil sie für die Ent-Ghettoisierung der christlichen Literatur in den 1920er Jahren standen. Damit verbürgten sie zugleich - nach 1945 - die kultu- relle Ebenbürtigkeit einer christlichen Literatur, die als zeitaktuell und wegleitend verstanden werden konnte (und wurde).17 2. Neben den prominenten christlichen Autoren war der Markt für christliche Literatur jenseits der christlichen Zeitschriften weitgehend gesättigt, weil in ihm noch die alten Traditionen der konfessionell gebundenen ‘litterae minores’ vorherrschten. Hannes Schwenger hat darauf hin- gewiesen, dass die Buchverlage bis zur Mitte der fünfziger Jahre ökonomisch von den Veröf- fentlichungen lebten, die bereits vor dem Krieg aufgelegt worden waren, und dass „der Marktvorsprung der [nach dem Krieg] neugegründeten Lizenzunternehmen dem freien Wett- bewerb nicht lange standhielt.“18 Für die religiöse Publikationspraxis nach 1945, deren Marktsegment - je nach dem Grad konfessioneller Ausrichtung - erheblich eingeschränkter war als die ‘säkularen’ Verlage, galt das in besonderem Maße. Vor allem im katholischen Be- reich re-etablierten sich zunächst die alten Strukturen des konfessionell orientierten literari- schen Lebens,19 um dann allerdings nach und nach zu erodieren.20 In diesen Rezeptionszu- sammenhängen konnten sich auf Dauer nur wenige neue Autoren behaupten. 3. Der konfessionell gebundene literarische Diskurs integrierte in zunehmendem Maße fremd- sprachliche Literatur,21 was die Marktchancen neuer Autoren zusätzlich schmälerte. Eine Hinwendung zu fremdsprachlicher Literatur hatte es schon im literarischen Katholizismus des 19. Jahrhunderts gegeben, nur diente dieser Rückgriff vor allem auf das Lateinische und das Spanische eher dem Aufweis und der Beglaubigung ‘eigener’ literarischer Traditionen. Die internationale Ausrichtung nach 1945 dürfte dagegen auf die publizistische Arbeit des ‘Hochland’ zurückzuführen sein, das seit seiner Gründung fremdsprachliche Autoren von Rang besprochen hatte, zumeist Autoren des französischen ‘renouveau catholique’, seit den dreißiger Jahren auch verstärkt angloamerikanische Autoren. Hinzu kam ein kulturelles Nachholbedürfnis des christlich orientierten Bildungsbürgertums nach dem Krieg. 4. Das Interesse an neuen christlichen Autoren blieb gering, weil sich der literaturtheologische Diskurs zunehmend am allgemeinen literarischen Diskurs orientierte. Prominentes Beispiel dafür - neben Willy Kramp - ist seit den späten 1950er Jahren Kurtmartin Magiera, der bis 14 Anknüpfungspunkt bei Guth ist die wirklichkeitstranszendierende Funktion der Phantasie, die den Weg „zu allge- meingültiger Erfahrung“ (Guth 1987, 294) eröffne. Handkes Werk dient hier als Nexus zwischen theologischer Ethik und Autonomieanspruch der zeitgenössischen Lebens- und Welterfahrung. Zur Religiosität in Handkes Werk, nicht-christlich gedeutet, vgl. Bleicher 1996, 126ff. 15 Darauf wies auch Berning (1964, 148) hin. 16 Prototypisch etwa die Lyrikanthologie Küppers 1948. 17 Dazu insbesondere Kramp 1952, 677f. 18 Schwenger 1986, 105. 19 Einen Hinweis auf entsprechende mentalitätsgeschichtliche Kontinuitäten gibt die Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Herder-Verlages, in der als gravierender Einschnitt in die Verlagsgeschichte nicht etwa Anfang oder Ende des nationalsozialistischen Regimes, sondern der Brand des Verlagshauses im Jahre 1944 genannt ist. Zum katholischen Literaturdiskurs vgl. ausführlicher Kap.D. 20 Dazu näher Kap. D. 21 Vgl. hierzu auch Ross 1962. - B.2.b - 62 heute über eine nicht unerhebliche Leserschaft verfügt, aber in nur wenigen Büchern über christliche Literatur genannt ist und im allgemeinen literarischen Diskurs praktisch keine Rolle spielt. Auch eine Autorin wie Gertrud Fussenegger, die bereits vor dem Krieg publiziert hatte, trat erst in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit, als sie in den achtziger und neunziger Jahren - von verschiedenen Seiten - für kulturpolitische Auseinandersetzungen funktionalisiert werden konnte.22 5. Zwei zentrale Modi der jüngeren Schriftstellergeneration - der moralische Rigorismus eines Wolfgang Borchert und die Sprachnüchternheit eines Günter Eich - waren im Bereich der christlichen Literatur der späten vierziger, frühen fünfziger Jahre praktisch nicht möglich. Die ‘Kahlschlagliteratur’ war nicht ins Christliche zu transponieren, ohne die tradierte religiöse Sprache völlig aufzugeben,23 und das „Pathos einer leidenschaftlichen Gottesliebe“,24 wie es der junge Hans Egon Holthusen 1949 in seinem Verriss des ‘Doktor Faustus’ einforderte, blieb - anders als nach dem Ersten Weltkrieg - in seiner Wirksamkeit beschränkt: Das zeigt sich beispielsweise bei Hans Harder Biermann-Ratjen, dem seinerzeitigen Hamburger Kultur- senator, der in einem Brief an Holthusen dessen Kritik an Thomas Mann folgendermaßen kommentierte: „So empfindlich Ihr Jüngeren gegen das Fehlen einer ‘Pathos-Formel’ seid, so empfindlich sind wir Älteren gegen jede Überhöhung des Tons. Wir lieben es - es erschüt- tert uns mehr als ein gläubiger // Anruf -, wenn ein Letztes verschwiegen oder im verhüllten Gewande der Ironie sichtbar gemacht wird.“25 Ähnlich äußerte sich auch der Bonner Philo- sophieprofessor Siegfried Behn auf der Zentenarfeier des Borromäusvereins: „Ach, wie satt sind wir doch heute all der großen Worte. [...] Nein, - wir können nur noch die langen ver- schwiegenen mittleren Lautstärken vertragen, und lieber suchen wir die leisen Worte mit dem großen stillen Leuchten, lange nicht gehörte Worte voller Sphärenmusik, getragen von Bach- schen Harmonien, Worte wie Reue, Demut, Barmherzigkeit und Seligpreisung.“26 Sowohl al- so im Milieu eines Bildungsbürgertums, das sich selbst durchaus als christlich orientiert sah (Biermann-Ratjen),27 als auch im katholischen Literaturdiskurs (Behn) hatte religiöses Pathos einen geringen - oder wenigstens: einen nicht hohen - ‘Marktwert’. Das zeigt sich auch daran, dass neue christliche Autoren nach 1945 vorwiegend im Bereich der Kleinlyrik (Busta, La- vant) oder im Feuilleton bzw. der Essayistik (Bamm) reüssierten, allenfalls in der ironisch ge- brochenen Erzählprosa (Böll), nur vereinzelt aber im Drama (Rutenborn). Eine neue Szene christlicher Literatur trat im literaturtheologischen Diskurs erst wieder in den siebziger Jahren in Erscheinung, zunächst maßgeblich beeinflusst vom Subjektivitätsdiskurs der siebziger Jahre sowie von der praxeologischen Ausrichtung avancierter Literaturtheologie, in den achtziger Jahren dann partizipierend an der „Renaissance religiöser Themen und Motive“28 im gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Die Perspektivierung auf ‘religiöse Erfahrung’ und ‘individuelle Lebenspraxis’29 spiegelt sich in der Ausschreibung eines Wettbewerbs für christ- 22 Sowohl von konservativer als auch von ‘linker’ Seite. Aufschlussreiches Material dazu bei Denk 1995 (vgl. Kap. C.4.d). 23 Ob der Liturgie und der aus ihr hervorgehenden Dichtung eine ähnliche Objektivität eignet wie der „Symbol- und Zeichensprache, wie sie uns aus der technisch-physikalischen Weltbewältigung [...] vertraut ist“ (Langgässer 1958, 131), sei dahingestellt. Die Kategorien jedoch, mit denen Elisabeth Langgässer die christliche Literatur der ersten Nachkriegszeit beschrieb -“[...] aus Schutt und Wust einer gleichen Weise [sic] bürgerlich-romantisierenden, wie kritisch-analysierenden Schicht steigt mit den unverkennbaren Zügen der Urkirche und mit erschütternder Klarheit das gelebte Dogma hervor“ (ebd., 130) - erwiesen sich nach 1945 als nicht revaluierbar: „Anders als nach dem Ersten Weltkrieg haben die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg im Religiösen nicht mehr die angemessene Ant- wort auf die historische Stunde ihrer Not gefunden.“ (Hoffmann, D. 1998, 346) 24 Holthusen 1949, 27. 25 Holthusen/Biermann-Ratjen 1949, 16//17. Über das Wirken Biermann-Ratjens in der Nachkriegszeit gibt Weg- ner 1999 Auskunft. 26 Behn 1945, 21. 27 Darauf wies Biermann-Ratjen ausdrücklich hin. 28 Bleicher 1996, 141. Die Thematik ist in Bleicher 1993 umfassender ausgeführt. 29 Zur Individualisierung der religiösen Thematik seit den siebziger Jahren vgl. Bleicher 1996. - B.2.b - 63 liche Literatur wider, der 1982 vom Styria-Verlag und der Zeitschrift ‘Die Furche’ ausgeschrie- ben wurde: „Christliche Literatur [...] schildert den Menschen, der den Sinn des Lebens in Gewißheit oder Ungewißheit voll Vertrauen und voll Zweifel und immer als Wagnis zu verwirklichen sucht.“30 In dieser zweiten Phase christlicher Literatur nach 1945 ging die Bedeutung von Literatur als Raum religiöser Reflexion zurück. Stattdessen gewann - im Zuge der erwähnten Praxeologisie- rung der Literaturtheologie31 - die Lyrik an Bedeutung,32 also eine Gattung, die konnotative Offenheit mit Ritualisierbarkeit33 verbindet und darüber hinaus auch dem konfessorischen34 Charakter der neueren christlichen Literatur entgegenkommt. Als diskursiv ‘stabil’ hat sich insbesondere Eva Zeller erwiesen, die den Subjektivitätsdiskurs der siebziger Jahre mit pro- nonciert christlicher Intention deutete, ebenso Ernst Eggimann, Silja Walter, Detlev Block und in neuerer Zeit Oliver Kohler; einen Sonderfall bilden Gertrud Fussenegger und Rudolf Otto Wiemer, die im literaturtheologischen Diskurs als christliche Autoren erst wieder seit den sechziger (Wiemer) bzw. den siebziger Jahren (Fussenegger) reüssierten.35 Demgegenüber ist Kurt Marti, unter den neueren Autoren christlicher Prägung der erfolgreichste, von offenkundig ambivalenter Kanonrelevanz: In einer neueren Anthologie prononciert christlicher Literatur wird er zwar programmatisch zitiert, ist mit literarischen Beiträgen aber nicht vertreten.36 Hier zeigt sich besonders deutlich das Spannungsverhältnis, das dem Diskurs über christliche Litera- tur bis heute immanent ist: Das, was als zeitgenössisch wahrhaftiges ‘Reden von Gott’ akzep- tiert wird, erweist sich als ständiger Balanceakt zwischen dem Wunsch nach Provokation und dem Bedürfnis nach Selbstbestätigung.37 30 Alfred Focke, zit. nach Sebestyén 1982, 14. 31 Vgl. Kap. C.4. 32 Vgl. etwa Fietkau 1973, Kurz 1973a, Kurz 1973b, Kurz 1976 und 1976a. 33 Ich lege hier den Ritualbegriff von Braungart 1996 und 1997 zugrunde (s. auch Kap. D.3.b in dieser Arbeit). 34 Vgl. Kranz 1975a, 13. 35 Zu Wiemer vgl. etwa Klee 1969, 173-182. 36 Thiede 1985 und 1985a. Vgl. dazu auch Kap. C.4.d.ii sowie das Zwischenresümee 2. 37 Vgl. dazu auch das Zwischenresümee 2. - B.2.b - 64 (ii) Selbstverständnis christlicher Autoren38 „DIE LÜGE Wo ist das Volk, das dies schadlos an seiner Seele ertrüge? Jahre und Jahre war unsre tägliche Nahrung die Lüge. Festlich hoben sie an, bekränzten Maschinen und Pflüge, sprachen von Freiheit und Brot, und alles, alles war Lüge. [...] Lüge atmeten wir. Bis ins innerste Herzgefüge sickerte, Tropfen für Tropfen, der giftige Nebel der Lüge. Und wir schrieen zur Hölle, gewürgt, erstickt von der Lüge, daß im Strahl der Vernichtung die Wahrheit herniederschlüge.“39 Dieses Gedicht von Werner Bergengruen aus dem Jahre 1945 enthält eine Reihe von Deu- tungsmustern, die für die christliche Literatur nach 1945 als paradigmatisch gelten können: das Verführt-Werden, die sprachliche Aussparung der nationalsozialistischen Akteure, die als Ge- genüber bestimmt werden, das Vertrauen in die Heilkraft des Glaubens. Trotzdem wäre es falsch, hier lediglich von einem „Bereich der Innerlichkeit, der sicher scheinenden Gläubig- keit“40 zu sprechen, in dem sich die christlichen Autoren einer Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen entzogen hätten.41 In der Wendung ‘bis ins innerste Herzgefüge’ wird nämlich deutlich, dass - zumindestens aus katholischer Perspektive - der Nationalsozialismus auch als existentielle Bedrohung eines Menschenbildes gesehen wurde, wie es in der christlichen, insbe- sondere in der katholischen Tradition verbürgt schien. Als literaturgeschichtliche Kategorie also ist die Einschätzung von der ‘sicher scheinenden Gläubigkeit’ nicht tauglich: In ihr wird lediglich eine weltanschauliche Auseinandersetzung aus einer der damals beteiligten Perspekti- ven heraus fortgeschrieben, wie sie etwa 1946 Hans-Werner Richter in seinem berühmt gewor- denen Wort von der ‘Wolke von bußfertigem Weihrauch’ formuliert hatte.42 Tatsächlich war das Gefühl eines zeitgenössischen Verpflichtet-Seins - explizit in Konkurrenz zu anderen Welt- anschauungen - der Tenor und die ‘raison d’être’ christlicher Nachkriegsliteratur.43 Dabei wur- 38 In diesem Kapitel, das auf die Darstellung des literaturtheologischen Diskurses hinführt, verwende ich die Begriffe ‘christlicher Autor’/’christlicher Schriftsteller’ noch als Ad-hoc-Markierung im bisher eingeführten literaturtheologi- schen Sinne. Die Problematik der Begriffszuschreibung kann zunächst noch unberücksichtigt bleiben, weil es hier um Grundlinien geht, die zum Verständnis des Folgenden dienen. Eine umfassende Darstellung christlicher Literatur nach 1945 muss den Umweg über die Rekonstruktion des Begriffsgebrauchs nehmen; sie wäre also sinnvollerweise als Fortsetzung der vorliegenden Arbeit zu schreiben. 39 Zit. nach Brode 1990, 314. 40 Kuschel 1978, 27. Der Vorwurf der ‘sicher scheinenden Gläubigkeit’ wurde schon in der Nachkriegszeit erhoben (vgl. Heiseler 1949, 31). Zur Kritik dieser Auffassung vgl. etwa Kurz 1986, 225. 41 Diesem Vorwurf stellt sich die theologische Literaturkritik schon seit der Nachkriegszeit (vgl. etwa Pfeiffer 1948 oder Bartsch 1953). 42 Aufschlussreich zum Verständnis der damaligen Auseinandersetzungen sind beispielsweise der Briefwechsel zwi- schen Hans Egon Holthusen und Hans Harder Biermann-Ratjen (Holthusen/Biermann-Ratjen 1949) über die Be- rechtigung einer theologisch-normativen Literaturkritik oder die Auseinandersetzung zwischen christlichem und existentialistischem Literaturverständnis (Bernt von Heiseler - Herbert Schmidt-Kaspar; abgedruckt in Heiseler 1949). 43 So etwa bei Bernt von Heiseler 1949 in der Metapher des Gauklertums gefasst: „Das Bild zeigt, wie mir scheint, recht genau den Zustand, in dem wir uns finden. Eine Herde ohne Hirten, hintreibend auf einer nächtlichen Straße ohne Ziel. Und Gaukler genug dabei, auch solche, die es in ehrlicher und tragischer Weise sind und die, wenn sie sich so nennen hören, entgegnen würden: ‘Ja, das ist auch die einzige Möglichkeit. Wahrheit - das gibt es nicht; der - B.2.b - 65 den vor allem zwei Fragen diskutiert: der Gegensatz von Verkündigung und Kunst sowie die zeitgenössische Angemessenheit des künstlerischen Materials. (1) ‘Verkündigung vs. Kunst’ Es hat sich eingebürgert, in Reinhold Schneiders letztem Werk, dem ‘Winter in Wien’ von 1958/59, eine „Absage“44 an die christliche Literatur zu erblicken, und zitiert werden in der Regel folgende Sätze über Claudels ‘Buch von Christoph Columbus’: „Aber werden denn die Gläubigen bewegt, wenn ihnen demonstriert wird, wie geschickt Gott ge- rade auf krummen Linien schreibt? Und von der noch größeren Geschicklichkeit des Autors, der diese Schrift entziffert?“45 Im Anschluss an den zitierten Abschnitt fährt Schneider allerdings fort: „Das ist nicht zu ertragen, daß die blutgierigen Götter unverständlicher Völker als klappernde Gespenster agieren: sie waren mehr. Und wenn sie nur Phantasmen der Sehnsucht gewesen wä- ren, so sollten sie uns ehrwürdig sein, Zeichen der Sehnsucht des Menschen über den Menschen hinaus.“46 Formuliert war hier also nicht eine Absage an christliche Literatur, sondern an ein „religiöses Lehrstück“47 konfessionalistischer Prägung. Reinhold Schneiders Tagebuch von seinem ‘Winter in Wien’ war nicht mehr - und daraus rührt wohl die große Verwirrung, die diese Noti- zen bei ihrer Veröffentlichung hervorriefen - ein Medium, das zur Reflexion über religiöse oder theologische Themen an- oder hinleitete, in denen sich also ein gebildeter christlicher Leser „zu Hause fühlen“48 konnte, wie etwa noch die früheren Reiseskizzen Schneiders. In ‘Winter in Wien’ war vielmehr Schneiders Satz, den er 1956 gegenüber Gottfried Benn geäußert hatte („Wir wollen uns doch nicht verbergen, daß eben das Christentum, die christliche Kunst und das christliche Leben ein Bezirk des Scheiterns ist.“), zu seiner ästhetischen Konsequenz ge- bracht. Es war gerade die in extremis durchgehaltene Individualisierung der gläubigen Erfah- rung, die in der katholischen Literaturkritik mit äußerstem Argwohn kritisiert wurde: Die Vor- stellung, die Gesellschaft im christlichen Sinne überformen zu können, wie dies unter christli- aus einem Schöpfer-Sinn entsprungene Anfang, der auf ein Ziel zugeht - das ist Illusion. [...//...] Solche Klaggesänge haben das Ohr der Zeit. Und das ist gewiß richtig und gut so, weil sich die Zeit in ihnen immerhin noch darstellen und daran ein Gefühl von sich selbst gewinnen kann.“ (Heiseler 1949, 7//8) 44 Kurz 1971, 132. 45 Schneider, R. 1958/1978a, 182. Diese Worte geben wieder, was unter christlichen Autoren bereits seit der Nach- kriegszeit weitgehend unbestritten war; Claudels Rezeption in der Nachkriegszeit bildete da eine Ausnahme. Auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum im November 1949 etwa hatte Manfred Hausmann (1898-1986) zum Problem von Kunst vs. Verkündigung formuliert: „Kunst ist Darstellung mit den Mitteln der Wirklichkeit, mit den armen Formen dieser Welt, in der der Teufel sein Wesen treibt. Solche Formen sind für die Verkündigung der Wahrheit untauglich. Kunst kann die Rätselhaftigkeit, die Verlorenheit des Menschen dartun, darf aber nicht das verkündigende Wort ergreifen. Der Katholik ist hier besser dran, weil er in den Ordnungen dieser Welt Ordnungen Gottes sieht. Er kann also auch mit den Mitteln dieser Welt Verkündigung treiben. Wie aber sollen wir Protestanten dies tun?“ (Eliot et al. 1949/1996, 19) 46 Schneider, R. 1958/1978a, 182. 47 Ebd., 181. 48 Ross 1962, 7. - B.2.b - 66 chen Autoren der Nachkriegszeit gängige Vorstellung gewesen war,49 war hier längst aufgege- ben. Trotzdem war das Individuelle, das die literaturtheologische Rezeption mitunter sogar in pathographischen Kategorien beschrieb,50 immer über sich hinaus gedacht: „Vielleicht besteht ein christlicher Dichter diese [geschichtliche] Stunde, wenn er einigen weni- gen ans Herz rührt mit einer Frage, auf die niemand antworten kann als Gott. Das gilt auch dann, wenn der Dichter keine Hoffnung auf Antwort hat.“51 Die Auffassung hingegen, die Kunst ausdrücklich in den Dienst kirchlicher Verkündigung zu stellen, wie sie unter den damals bekannteren Autoren etwa Günter Rutenborn vertrat, war be- reits im Diskurs der Nachkriegszeit marginal. So waren denn auch vereinzelten Versuchen, die Arbeit christlicher Autoren zu organisieren, kein nennenswerter Erfolg beschieden. Die Bin- dung der Kunst an die Verkündigung erhielt demgegenüber eine ‘diskursive Heimat’ bis in die siebziger Jahre hinein im Bereich kirchlicher Schrifttumsarbeit. In einem einschlägigen Hand- buch52 sah beispielsweise Willy Kramp die Möglichkeiten christlicher Literatur in deren welt- anschaulicher Konturiertheit. Die christliche Literatur im ‘3. Reich’, die auch den Nichtchristen ein Humanum vermittelt hätte, sei Maßstab für die Möglichkeiten einer Literatur, die über kirchliche Kreise hinaus rezipiert wird: „Das Menschliche erschien fast nur noch in der Gestalt des Christlichen; und das Christliche wies sich aus als das Humane.“53 Kennzeichnend für diese Literatur sei aber ihre klare Unterscheidbarkeit gewesen: „Vielleicht gab es zur Zeit der Bekennenden Kirche wirklich eine Sternstunde christlicher Dich- tung - insofern nämlich, als das aus der Tiefe existentieller Not aufsteigende Bekenntnis zu dem Dreieinigen Gott ein Licht unerbittlicher Wahrheit über die Welt warf; ein Licht, in dem die Konturen des Bösen, aber auch die Konturen des wahrhaft Menschlichen ausnehmend klar er- schienen.“54 Die Definition von christlicher Literatur band Kramp „als Ausdruck des trinitarischen Be- kenntnisses, als von diesem Bekenntnis geprägte Weltdarstellung, als aus diesem Bekenntnis gezeugte und geborene Sprachgestalt“55 ausschließlich an die Person des Autors. Zwar sei 49 Vgl. etwa den Beitrag des im deutschsprachigen literaturtheologischen Diskurs oft rezipierten T. S. Eliot auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum im November 1949: “Wir brauchen eine Durchdringung des öffentli- chen Lebens vom Individuum her, eine unbewußte Durchdringung mit christlichem Geiste. Gerade Sartre kann uns in dieser Richtung ein Wegweiser sein. Wäre es nicht die Funktion eines christlichen Schriftstellers, in ähnlicher Weise wie er, nur von ganz anderen Ideen ausgehend, zu arbeiten: nicht durch Propaganda, sondern einfach durch alles, was man tut, schreibt und spricht, d.h. durch eine christliche Grundeinstellung.” (Eliot et al. 1949/1996, 18). 50 Etwa bei Balthasar 1991, 11 sowie 19f. 51 Benn/Schneider 1956, 289. Gerade in dem ‘keine Hoffnung auf Antwort’ liegt die Anschlussmöglichkeit für eine avancierte literaturtheologische Betrachtungsweise. So sieht 1964 Hans Jürgen Schultz gerade im Duktus des Vor- läufigen die Möglichkeit, als Christ von der modernen Welt zu reden: “Wem die Welt keine runde Sache mehr ist, der äußert sich, wenn überhaupt, in der Skizze, im Essay, im Aphorismus. [...] Das ist nicht Unfähigkeit, sondern Be- scheidenheit, Verzicht aus Einsicht in die Begrenztheit unserer Möglichkeiten.” (Schultz 1964a, 195) 52 ’Der Christ und das Buch’, im Literaturverzeichnis unter Schnetter 1972. 53 Kramp 1972, 303. 54 Ebd., 304. 55 Ebd., 308. - B.2.b - 67 dieser, wie jeder Künstler, rein stofflich an der Welt interessiert, als gläubiger Christ jedoch erhalte er seinen Auftrag von der biblisch geoffenbarten Wahrheit.56 (2) Kunst und Welt Die Position des christlichen Autors als eines Deuters und Trösters im Angesicht der Moderne wurde ausführlich beschrieben von Bernt von Heiseler, der in einem Vortrag von 1949 die zeitgenössische Literatur als das bestimmte, was über das Gegegenwärtige hinaus keine Bedeu- tung habe: „[...] der Dichter solle ein Recht haben, uns den Himmel nur tiefer zu verhängen? und noch Beifall verdienen, weil er so ‘zeitgemäß’ ist? [...] Denn die Zeit ist Schickung, Botschaft von Gottes Willen an unsere Seele. Sie ist gekommen, daß wir sie bestehn. Aber ob es ein Lob ist, dieser Zeit gemäß zu sein, ist eine andere Frage. Vielleicht käme es für den Dichter gerade dar- auf an, in sich selbst und in denen, die ihn hören, das zu besiegen, was der Zeit nachgibt.“57 Was hier als Potentialis formuliert war, war de facto ein Postulat:58 Trösten könne der christli- che Autor gerade deshalb, weil er unzeitgemäß sei. Das Unzeitgemäße allerdings war rück- wärtsgewandt, und Heiseler suchte es in den künstlerischen „Formen einer großen Überliefe- rung“.59 Die reich orchestrierte Vielfältigkeit von Sprache und literarischen Formen müsse der christliche Dichter versuchen „mit einem neuen, dem eigenen Lebenshauch zu erfüllen“.60 So fasste Heiseler die Aufgabe des Dichters folgendermaßen zusammen: „den Menschen und die Welt als Schöpfung aus Gottes Hand zu // rühmen. Wahrlich, etwas Un- endliches ist uns da zugetraut. Denn es verbirgt sich ja wirklich ‘ein Lied in allen Dingen’. Ein ganz versunkenes Lied, aber es ist doch da. In diesen Ruinen der Städte, in diesen Ruinen der Völker. [...] Diese ganze verarmte, getrübte, sich selbst so entfremdete Welt wartet mit unbewuß- ter Sehnsucht darauf, sich erinnern zu lassen an die Gnadenfülle, aus der sie stammt. Freilich, ein Vergessen liegt über ihr, lastender als ein Schlaf. Ein lautes, grelles, ungutes Vergessen. Aber wenn die Aufgabe schwer ist, sollten wir darum nicht nur freudiger zu ihr entschlossen sein.“61 Gemeint war damit nicht allein der christliche Dichter. Die Aufgabe jeglicher Kunst sah Heise- ler darin, „den Menschen und die Welt als Schöpfung aus Gottes Hand zu rühmen“;62 den wah- ren Künstler zeichne deshalb „die Ehrfurcht vor allem Sein, vor aller Weltgestalt“63 aus, zu- dem auch Liebe und Demut,64 aus denen - so Heiseler - die intuitive „Sicherheit“65 des künstle- risch Schöpferischen folgere. 56 Kramp schloss explizit aus, dass ein Nicht-Christ christliche Literatur schreiben könne (ebd., 309) 57 Heiseler 1949, 14. 58 Vgl. auch die literaturtheoretischen Essays in Heiseler 1967. 59 Heiseler 1949, 16. 60 Ebd., 16. 61 Ebd., 19//20. 62 Ebd., 5. 63 Ebd., 6. 64 Ebd., 13. 65 Ebd. - B.2.b - 68 Die Kategorie der ineinsgefassten ‘Liebe und Demut’ allerdings erscheint im weiteren Fortgang der Argumentation dann zwar als Maßstab, aber weder als notwendige noch als hinreichende Bedingung von Kunst. • In Rilkes ‘Duineser Elegien’ beispielsweise fand Heiseler sie nicht, obwohl er das Werk „eine der entscheidend wichtigen [Dichtungen] unsrer ganzen Epoche“66 nennt: „alles aus der Haltung ‘von einem, welcher fortgeht’“.67 In den “atembeengten”68 literarischen Wer- ken des französischen Existentialismus dagegen sei, soweit sie jedenfalls „dichterische Kraft“69 hätten, das dem Autor selbst unbewusste Wissen zu spüren „von etwas Schönem [...], das verloren ging.“70 Damit allerdings wird der Aufweis von ‘Liebe und Demut’ zu ei- ner letztlich beliebigen interpretatorischen Zuschreibung.71 • Zum anderen betonte Heiseler die Bedeutung der literarischen Überlieferung; am Beispiel des Versdramas beispielsweise: „Es gibt für einen Dichter Gründe, ein dramatisches Werk in Versen zu schrieben ... es sind ungefähr die Gründe, die einen Musiker veranlassen, lieber auf dem Flügel als auf der Ziehharmonika zu spielen. Weniger, weil es vornehmer, als weil der Flügel das reichere Instrument ist.“72 Sicherlich ist hier der Lobpreis der Schöpfung ge- meint, dem ein Flügel angemessener sei als eine Ziehharmonika. Wie dann aber die Verbin- dung zu ‘Liebe und Demut’ zu ziehen sei, ließ Heiseler unerörtert, zumal er selbst betonte, die adäquate Rezeption setze eine bestimmte Stufe literarischer Kennerschaft voraus. Auch Elisabeth Langgässer verstand den christlicher Autor als Deuter, legte den Akzent je- doch auf das Mitleiden - ein Gedanke, der auf die avancierte Literaturtheologie der sechziger Jahre vorauswies. Bei Langgässer artikulierte sich also eine Position, die der von Heiseler dia- metral entgegenstand, auch was die Aneignung des künstlerischen Traditionsbestandes betraf: Die Zukunft des christlichen Romans sah Langgässer 1949 im Gleichklang von zeitgenössi- scher Weltauffassung und christlichem Glauben: Das kausal mechanistische Weltbild sei von Grund auf umgestürzt worden (Husserl, Dilthey, Bergson, Uexküll, Scheler), und auch die christliche Literatur habe sich „auf ihre, um es theologisch auszudrücken: Arkandisziplin be- sonnen“,73 sei existentiell geworden. In formaler Hinsicht bedeutet das: Im Gegensatz zur christlichen Literatur des 19. Jahrhunderts stelle die moderne christliche Literatur den „in nichts begründeten Eingriff und freien Liebesakt Gottes gegenüber der Kreatur“74 dar. Ausge- hend von dieser Prämisse verteidigte Langgässer die typologische Gestaltung von Romanfigu- ren vor einer psychologisch-individualisierender Darstellungsweise. Gerade die typologische Darstellung erlaube 66 Ebd., 13. 67 Ebd. 68 Ebd., 8. 69 Ebd., 7. 70 Ebd. 71 Der unklare theoretische Status seiner Kategorien im Hinblick auf Literatur führte dazu, dass Heiseler den kriti- schen Einwänden des Autors Herbert Schmidt-Kaspar (abgedruckt in Heiseler 1949, 21-27) nur dadurch zu begeg- nen vermochte, dass er auf seinen Prämissen beharrte, was dann auf eine ‘argumentatio ad personam’ hinauslief: „Und doch spür ich bei allem, was ich hier sage, immer, daß ich einen ungebührlichen und unverdienten Vorteil vor Ihnen voraushabe [...]. Dieser Vorteil ist: Sie haben keine Ahnung, was Glaube ist [...], ich aber weiß sehr genau, was Unglaube ist. Wie sollt ich nicht? Aus dem Glauben täglich und stündlich in den Unglauben zurückzufallen, ist menschliches Los [...].“ (ebd., 28-33, hier S. 31). 72 Ebd., 15. 73 Langgässer 1949a, 511. 74 Ebd., 514. - B.2.b - 69 „die Auslöschung aller Züge, die ohne Bedeutung für diesen Vorgang der mystischen Einswer- dung sind. [...] Das Weltgefühl des modernen christlichen Romans ist ein unaufhörlich trans- zendierendes; nun aber nach der Art der Schriftstelle [sic]: ‘Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir.’“75 Mit der solcherart demonstrierten Überzeitlichkeit, nicht an Raum und Zeit gebundenen Wahr- haftigkeit christlichen Welterlebens begründete Langgässer die Möglichkeit einer diskontinu- ierlichen formalen Struktur, wie sie auch dem Aufbrechen des kausalen, in sich geschlossenen Weltverständnisses entspreche.76 Carl Muth hatte die literarische Moderne noch lediglich anhand ihrer Stilmittel zu erfassen ge- sucht, und auf diesem Weg war ihm die katholische Literaturkritik gefolgt. In ihrem Aufsatz von 1949 über die ‘Zukunft des christlichen Romans’ unternahm Langgässer dagegen nichts weniger als eine theologische Begründung der modernen Literatur.77 So nimmt es nicht wunder, dass in der katholischen Literaturtheologie nach 1945 gerade das Werk Langgässers als künstlerisch nicht geglückt, inhaltlich und formal nicht einheitlich etc. eingeschätzt wurde. Gerade diese Auf- fassung der ‘freien Gnadenwahl’ wurde, literarästhetisch gewendet, in der damaligen Litera- turtheologie gegen das Werk Langgässers gewendet, etwa bei Bernt von Heiseler: „Tatsächlich verhält es sich [...] so, daß das Werk von Elisabeth Langgässer ein Tiegel ist, worin Dichtung und Schund, Vision und Klischee, Gold und Schmutz miteinander kochen. Insofern freilich kann man sagen, daß es das getreue Abbild der Zeit ist.“78 Oder anders, bei Werner Ross: „Elisabeth Langgässer hatte [indem sie die typologische Darstellung und die Abkehr von der psychologi- schen Darstellung propagierte] aus dem Mangel an Individualität bei ihren Figuren eine Tugend gemacht.“79 Später dann, im avancierten literaturtheologischen Diskurs, verfiel Langgässer erneut der Wer- tung. Beispielsweise schrieb Dietmar Mieth, sich explizit auf Langgässer beziehend:80 „Als Steg zwischen weltlicher Dichtung und Glaubensinterpretation verstellte die christliche Dichtung gleichsam unabsichtlich lange Zeit die Radikalität der Divergenz [von Literatur und Theologie] und die neuen Wege, sie zu beheben. Das Paradox der christlichen Dichtung besteht darin, daß sie einerseits die letzte Brücke zwischen Theologie und Sprachkunst war und daß sie anderer- seits einem Brückenschlag zwischen Weltlichkeit und Gläubigkeit im Wege stand. Die theologi- sche Entwicklung zur Annahme der Weltlichkeit unterlief sie daher; wer von den lebenden Dichtern noch der Umstellung fähig war, suchte spätestens seit den fünfziger Jahren neue Wege [...].“81 In einem Aufsatz von 1953 führte Kurt Marti die von Langgässer geäußerte Forderung von der Welthaltigkeit von christlicher Literatur fort. Der Aufsatz scheint - soweit ich sehen konnte - im 75 Ebd., 515. 76 Vgl. auch Langgässer 1958. 77 Vgl. dazu auch Sölle 1969, 317: „Diese [von Langgässer beschriebenen] spezifisch modernen Züge begünstigen die Möglichkeit einer Dichtung, die eine nicht-religiöse Interpretation theologischer Zusammenhänge wie Sünde, Gnade und Erlösung darstellt, weil auch der christliche Glaube den Menschen nicht von der Fabel seines Lebenslau- fes her begreift, nicht die Kontinuität seiner bürgerlichen Entwicklung für wichtig hält und nicht eindimensional- chronologisch denkt.“ 78 Heiseler 1951, 70. 79 Ross 1968, 134. Es war allerdings auch Ross, der darauf hinwies, dass die damaligen Rezeptionsbedingungen der langgässerschen Konzeption entgegenstanden: Langgässer habe keinen Zweifel daran gelassen, „daß dieser neue Typus [christlicher Literatur] auch ein gewandeltes Publikum voraussetze, daß der christliche Dichter auf den le- bendigen Nachvollzug seiner Sprache durch den Mitmysten angewiesen sei. Die Wirklichkeit aber lief dieser ihrer Hoffnung entgegen; die Mitmysten hamsterten Kartoffeln, vertrauten auf Adenauer, gingen sonntags wieder in die Kirche und sahen im Theaterabonnement an einem Abend Claudel, am anderen Zuckmayer.“(Ross 1968, 134; Ross spielt hier ironisch auf die Widmung an, mit der Langgässer den Roman den Leser/-innen zugeeignet hatte: ‘Committo Commystis’) 80 Vgl. Mieth 1976, 17, Anm. 7. 81 Mieth 1976, 17. - B.2.b - 70 seinerzeitigen literaturtheologischen Diskurs weitgehend unbeachtet geblieben zu sein. Marti, der erst später mit eigenen Gedichten hervortrat, warf darin der theologischen Literaturkritik vor, es hafte ihr „weithin der Charakter des Zufälligen und Dilettantischen an“,82 es fehlten ihr „meist die soliden Voraussetzungen zum literarischen Wächteramt und zum literarischen Heb- ammendienst“.83 Die Forderungen nach einer zeitgemäßen christlichen Literatur jedoch, die Marti formulierte und in seinen eigenen Gedichten praktisch demonstrierte, markieren den Be- ginn der zweiten Phase christlicher Literatur nach 1945:84 „Wir brauchen heute neben einer Dichtung, die von der Welt hineinkommt in die Kirche (R. A. Schroeder), ebensosehr eine Dichtung, die aus der Kirche hinausgeht in die Welt.“85 Christliche Literatur, so Marti bereits im Jahre 1953, müsse den Erfahrungen des zeitgenössi- schen Menschen Raum geben; erst dadurch gewinne sie eschatologische Bedeutung. Martis zentrale Sätze für die theologische Herleitung moderner Kunst lauten: „Zum Hinweis auf den Schalom, auf die eschatologische Unversehrtheit, kann Kunst nur wer- den, wenn sie sich selber ihrer Versehrtheit und ihrer Teilnahme an der Versehrtheit der Welt bewußt wird. [...] Will jedoch christliche Kunst und Dichtung mehr sein als Zeugnis und Hin- weis, will sie selber ‘Unversehrtheit’ geben, so ist sie nicht mehr Zeugnis, sondern - Surro- gat.“86 Damit war fortgeführt, was Alfred Döblin bereits kurz nach dem Krieg gefordert hatte, nämlich die existentiell wahrhaftige Verbindung von Weltbindung und Transzendenz, in der die Litera- tur die Problematik des zeitgenössischen Menschen behandele. In der Formulierung Döblins: „Wo das Göttliche sich nähert, mit seinem Ernst, seinen Schauern, seiner Wahrheit und Herr- lichkeit, klingen die Lieder der Kunst anders.“87 Im gleichen Jahr wie Martis Aufsatz veröffentlichte die Evangelische Akademie Hamburg ein Bändchen mit Essays des schwedischen Pfarrers und Schriftstellers Olov Hartman. Dieser ar- gumentierte ähnlich wie Marti: Die Diskussion über eine christliche Literatur sei irrelevant, weil die christliche Bedeutsamkeit von Literatur eben in ihrer Welthaltigkeit liege: „Wenn sich ein Schriftsteller in die Bedingungen des Menschen versenkt, so folgt er bewußt oder unbewußt ei- nem Weg, den nur einer zu Ende gegangen ist.“88 Anders als Marti prononcierte Hartman jedoch das Integrativ-Heilende von Kultur und folgerte hieraus die kirchliche Aufgabe einer ‘Diakonie der Kultur’. Aus ihrer Verantwortung für den Menschen heraus müsse die Kirche die Mannigfal- tigkeit und qualitative Dignität von Kultur unterstützen, stets eingedenk des eschatologischen Horizonts alles menschlichen Tuns „Sie [sc. die Kirche] soll wissen und sagen, daß ihr Segen über das Ganze des menschlichen Lebens gesprochen wird und alles mit einschließt, die Bauten und die Trümmer, das Vollendete und das Bruchstück, den Sieg und die Niederlage. Nach die- sem Segen ruft auch die Sehnsucht einer verwirrten Zeit.“89 Anders als bei Marti äußerte sich hier eine theologisch begründete Kulturanthropologie, die sich ihres grundsätzlich präskriptiven 82 Marti 1953/1976, 138. 83 Ebd. 84 Vgl. Mauch 1992, 73. 85 Marti 1953/1976, 140. 86 Ebd., 133. 87 Döblin 1947, 62. 88 Hartman, O. 1953, 32. 89 Ebd., 44. - B.2.b - 71 Anspruchs nicht begab und demzufolge die Frage von Zeitgemäßheit und Avantgarde nur an- schnitt, ohne sie näher zu erörtern.90 Wenige Jahre später erweiterte Marti die theologische Legitimation moderner Literatur, indem er auf die jeweils „personale Residenzweise Gottes auf Erden“91 hinwies. Die Unterscheidung von Sakral- und Profanbereich lasse sich deshalb aus der christlichen Tradition nicht herleiten, sondern werde durch diese gerade überwunden.92 Demzufolge sei die „Kunstindifferenz des Neuen Testaments“93 auch nicht Mangel, sondern Gewinn. In diesem Zusammenhang ge- brauchte Marti das in der avancierten Literaturtheologie vielfach aufgegriffene Wort von der ‘Befreiung der Künste zur Profanität’. Eine solche Befreiung schließe die Darstellung des Hässlichen ein, in dem die „Solidarität Gottes mit denen, die verstoßen, verfolgt, gequält, ver- häßlicht werden“, gleichnishaft aufscheine. Gegen den Einwand vom ‘Verlust der Mitte’ setzte Marti in seinem Aufsatz von 1953 die Relativität des je zeitlich Bedingten und folgerte daraus für die Literatur: „Will christliche Dichtung unter Berufung auf irgendein ‘Ewiges’ sich selber von diesem Ster- ben der Literatur in Permanenz ausklammern, möchte sie zeitlos statt zeitgemäß (und darum morgen vielleicht schon wieder unzeitgemäß) sein, schätzt sie die Sicherheit der Tradition höher als das Risiko des Experiments, so verliert ihr Christuszeugnis die eschatologische Ausrichtung und damit ihre Substanz.“94 Als Maßstab für die Gültigkeit von christlicher Literatur diente also der Zeugnisbegriff, den auch schon Langgässer formuliert hatte. Hier war der Ansatzpunkt für Martis Kritik an der traditionellen christlichen Literatur. Als einzelner sei der christliche Dichter vor allem dem Evangelium verpflichtet, den Mitchristen aber nur bedingt: Marti unterschied zwischen dem Dienst an der Gemeinde95 und dem Nachgeben vor den Erwartungen des christlichen Publi- kums, dessen „Geschmacksdiktatur“96 im christlichen Bereich von der theologischen Litera- turkritik weder theologisch noch ästhetisch problematisiert oder korrigiert werde. Gerade in den Rezeptionsbedingungen innerhalb der Kirche sah Marti das stärkste Hindernis für die Produkti- on neuer, ‘wahrer’, d.h. nicht-erbaulicher christlicher Literatur.97 Zur Emanzipation einer christlichen Lyrik gehöre schließlich, wenigstens im protestantischen Bereich, auch die Loslö- 90 Ebd., 32. Seinen Erörterungen des Zusammenhangs von Kunst und Christentum lag ein letztlich traditionelles Verständnis von Kunst zugrunde, was sich etwa in den Erläuterungen des Begriffs ‘Kulturdiakonie’ zeigt (vgl. Hartmann, O. 1953, 41; dazu auch Bahr 1961, 33, Anm. 1). 91 Marti 1958/1976, 180. 92 Vgl. dazu auch Marti 1970/1976. 93 Marti 1958/1976, 182. 94 Marti 1953/1976, 136.. 95 Im Zusammenhang mit der ‘Entsakralisierung’ kirchlicher Kunst sprach Marti von der „Kreativität der gottes- dienstlichen Gemeinde“ (Marti 1970/1976, 189). 96 Vgl. Marti 1953/1976, 137. 97 Christof Mauch bezeichnet Martis Gedichte als „Subversive Predigt in Versen“ (Mauch 1992, 174). Zu den Be- dingungen der Rezeption zeitgenössischer Literatur im Rahmen der Kirche vgl. auch Marti 1991a. - B.2.b - 72 sung von der Bindung an das Kirchenlied;98 eine christliche Literatur müsse also die Trennung von ‘geistlich’ und ‘weltlich’ überwinden.99 Damit wäre das Spannungsfeld umrissen, in dem sich die christliche Literatur der zweiten Pha- se bewegte - und zwar bis heute. Im Verlauf der letzten zwanzig, dreißig Jahre scheint sich die Traditionslinie der ‘profanen christlichen Literatur’ (Langgässer, Marti) und ihrer offenen Äs- thetik, die der Erfahrung des Einzelnen breiten Raum einräumt, durchgesetzt zu haben gegen- über den ‘Formen einer großen Überlieferung’ (Heiseler) oder dem ‘Licht unerbittlicher Wahr- heit’ (Kramp). Die nähere Untersuchung des gegenwärtigen literaturtheologischen Diskurses zeigt jedoch, dass bis heute die Aneignung von christlicher Literatur immer auch zur Bestäti- gung dessen tendiert, was als erkenntnisleitendes Interesse vorausgesetzt wird. Ich sage das ganz wertfrei. Für eine literaturwissenschaftliche Betrachtungsweise jedenfalls verbietet es sich, den Bereich einer christlichen Literatur allzu apodiktisch in (irrelevant) traditionell und (relevant) avanciert aufzuteilen.100 98 Das Kirchenlied als literarische Gebrauchsform wurde in den fünfziger Jahren im innerkichlichen Bereich praktisch ausschließlich unter theologischen Gesichtspunkten gesehen. Den untergeordneten Rang sprachlicher Ästhetik erhellt beispielsweise auch folgende Formulierung aus dem ‘Biblischen Schlüssel zum Evangelischen Kirchengesangbuch’ von 1955: „Das Lied der christlichen Gemeinde entstammt nicht einer religiös-lyrischen Gedankenwelt, sondern ist Widerhall des Wortes, das Gott an seine Gemeinde richtet; dieses Wort gibt ihm seine Substanz und nicht selten auch den sprachlichen Ausdruck“ (Gottes Wort 1955, 3). 99 Dazu ausführlicher Mauch 1992, 72ff. 100 Karl-Josef Kuschel (1978) ging davon aus, dass die Relevanz auch älterer christlicher Literatur außer Frage stün- de - wenn auch nur jeweils im Hinblick auf ihre jeweilige Geschichtlichkeit. Eine solche Auffassung kann in praxi allerdings außerordentlich ambivalente Ergebnisse zeitigen, wie Gisbert Kranz (1982) gerade am Beispiel Kuschels nachgewiesen hat. - C.1.a - 73 C Traditionelle und avancierte Konzepte christlicher Literatur nach 1945 1. Traditionelle Literaturtheologie (I): Christliche Literatur und Gegenwart a) Christliche Literatur begründen (i) katholisch In der katholischen Diskussion nach 1945 hatte die theologische Begründung von Literatur eine längere Tradition als im Protestantismus; sie reichte von Theodor Haecker über den reformka- tholischen ‘renouveau catholique’, Carl Muth, Martin Deutinger und Friedrich Schlegel bis hin zu den mittelalterlichen Theoretikern (Cassiodorus, Augustinus, Thomas von Aquin).1 Die geläufige Annahme jedoch, die im 19. Jahrhundert neues Gewicht bekommende thomistische Begründung von Literatur sei „mit bemerkenswert weitgehendem Zutrauen [...] allem künstleri- schen Tun gegenüber erfüllt“,2 ist nur bedingt richtig. Verknüpft war das theologische Begrün- den von Literatur im katholischen Bereich stets mit qualifizierenden Zuschreibungen, nach 1945 nicht geringer als in den Zeiten davor. Diese Qualifizierungen betrafen zunächst die nicht-christliche oder als nicht-christlich einge- schätzte Literatur, und zwar unter heilsgeschichtlichen Aspekten: Wilhelm Grenzmann sprach von dem „Mysterium, womit die nichtchristliche Welt nicht fertig wird“;3 und damit war all jene Literatur, die nicht über das (für die katholische Lehre zentrale) Natur-Übernatur-Prinzip erschließbar war, als grundsätzlich defizitär beschrieben. Aber auch Autor und Leser von christlich deutbarer Literatur wurden in den übergreifenden Horizont eines konfessionell gedeu- teten Lebenszusammenhanges eingestellt: Eine zentrale Rolle kam hier dem Autor zu, der als ‘alter creator’ gebunden blieb an die Sachwalterschaft des göttlichen Wortes; in den Worten Paul Claudels: „... qui retire le Verbe détruit la Parole.“4 Zugleich war ihm mit der Vorstel- 1 Eine sehr klar gegliederte Darstellung aus protestantischer Sicht liegt vor in Bahr 1961, der allerdings rezeptions- ästhetische Aspekte außer Acht lässt. Auf die neuthomistischen Literaturkonzepte von Charles du Bos und Jacques Maritain, deren deutsche Übersetzungen jeweils auch als Beiträge zum Literaturdiskurs des deutschsprachigen Nach- kriegskatholizismus zu lesen sind, weise ich im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung nur hin. Beide ent- stammen anderen literaturtheologischen Traditionen und wären adäquat nur dort einzuordnen. Maritain betont den Erkenntnischarakter von Literatur, du Bos dagegen räumt dem schöpferischen Individuum einen zentralen Rang ein (Nachklänge von letzterem finden sich, bis in das Pathos der Diktion hinein, bei Harold Bloom). 2 Bahr 1961, 75. 3 Grenzmann 1952/53, 350. 4 Zit. nach du Bos 1949, 95 (Ich übersetze: ‘Wer der menschlichen Sprache das Wort Gottes entzieht, zerstört sie.’). Noch 1979 fasste der katholische Religionsphilosoph Josef Pieper diese Auffassung in eine exemplarische Form: „Ich bin [...] der Meinung, daß es von Natur eine dichterische Begabung geben kann, bei der dann aber eines Au- genblicks für den so Begabten die Frage entsteht: Was mache ich als Person mit dem, was ich von Natur kann? Das - C.1.a - 74 lung, dass das literarische Werk der „Treffpunkt zweier Seelen“5 sei, die Verantwortung für den Leser übertragen. Literatur wurde nämlich stets in ihrer Wirkungsfunktion begriffen: „Die Worte sind nicht nur die Mittler der Fleischwerdung, die sich in der Dichtung vollzieht; wenn der Vorgang erst einmal seinen Abschluß fand, so ist das, was am Ende der Entwicklung zurückbleibt, der Ausdruck, - der Ausdruck, durch den jedes Wort eine Handlung ist; und es ist diese Identität von Wort und Handlung, die den Zugang ins Zeitlose eröffnet.“6 In der streng hierarchischen Ordnung des vorkonziliaren Katholizismus blieben jedoch die qua- lifizierenden Zuschreibungen eingebunden in das römisch-katholische Dogmengebäude.7 1955 hatten die deutschen katholischen Bischöfe in einem Hirtenwort an die katholischen Schriftsteller gemahnt, dass selbst eine „erschütternde Darstellung des Menschen im Kampf mit dem Bösen“8 der (lehramtlich fixierten) Wahrheit untergeordnet bleiben müsse: Es dürfe für den Leser keinesfalls der „falsche, verhängnisvolle Eindruck“9 entstehen, „zwischen der nüchternen Wirklichkeit des Lebens und dem Sittengesetz, wie es in der Natur grundgelegt ist und in Gottes Auftrag von der [römisch-katholischen] Kirche verkündet wird, klaffe ein unüberbrückbarer Ge- gensatz.“ Zur autoritativen Gültigkeit dieser Sätze mussten sich alle katholischen Literaturtheo- logen in Beziehung setzen, auch wenn sie sie in ihrer Ausschließlichkeit selbst nicht übernahmen. Noch die 1993 erschienene Studie, in der Willibald Kammermeier10 die christliche Literatur aus- führlich mit dem Strukturprinzip von ‘Kenosis’ (Entäußerung) und ‘Doxa’ (Herrlichkeit) begrün- dete, war ein später Nachklang auf jenes Hirtenwort. Im Folgenden wird zu zeigen sein, wie der qualifizierende Zugriff die theologische Begründung von Literatur strukturierte. Ignaz Zangerles Essay über die ‘Bestimmung des Dichters’ - eine Frucht der in der österreichi- schen Zeitschrift ‘Der Brenner’ geführten Literaturdiskussion11 - setzte an mit einer Erörterung der Sprache, die er als die Verbindung des Menschen zum biblischen Heilsplan sieht:12 „Die scheint mir zum Beispiel für einige Moderne - Sie haben Böll und Grass genannt - eine ganz akute Frage zu sein.” (Pieper 1979, 35; mit dem Satz in Parenthese wandte sich Pieper an Benno von Wiese) 5 du Bos 1949, 83. Der rezeptionsästhetische Ansatz lässt sich zurückführen auf den Stellenwert, den Augustinus dem Lesen einräumt. Vgl. dazu ausführlicher Stock, B. 1996. 6 du Bos 1949, 94. Mit seiner Rede von der ‘Inkarnation des profanen Mysteriums’ griff du Bos auf die Transsub- stantionspoetik Clemens von Brentanos zurück (zu Brentano vgl. ausführlicher Brandstetter 1986, 236ff.) 7 Einen guten Überblick über die verschiedenen Ausprägungen der vorkonziliaren katholischen Theologie gibt Wolf, H. 1999. 8 Hirtenwort 1955, 260. 9 Dieses und das folgende Zitat ebd., 262. 10 Die Arbeit erschien 1993, wurde jedoch Kammermeiers Vorwort zufolge weit früher konzipiert. Kammermeier (geboren 1924, Priesterweihe 1952) war von 1956 bis 1962 Schriftleiter der Zeitschrift ‘Seele’; Spiritual im Priester- seminar Regensburg; zur Zeit der Drucklegung des Buches Geistlicher Begleiter der Mallersdorfer Schwestern (Angaben nach Kammermeier 1993, 126). 11 Vgl. dazu ausführlicher Doppler, A. 1981. Eine Bibliographie zu Zangerles Mitarbeit beim ‘Brenner’ enthält Ritzer 1981. Auf die neuere katholische Zangerle-Rezeption, die der binnenkatholischen Perspektive Zangerles weitgehend unkritisch gegenübersteht, kann ich an dieser Stelle nicht eingehen. 12 In Zangerles großem Essay, den der ‘Brenner’ 1946 in seiner ersten Nachkriegsausgabe brachte, ist die Essenz des katholischen Literaturdiskurses der Vorkriegszeit in exemplarischer Weise resümiert. Eine gesonderte Darstellung der Thesen des 1944 gestorbenen Theodor Haeckers, nur graduell von denen Zangerles unterschieden, erübrigt sich also an dieser Stelle. Eine umfassende Studie über Haeckers literarästhetische Auffassungen sowie über die Haecker- Rezeption nach 1945, die für das Selbstverständnis des deutschen Nachkriegskatholizismus aufschlussreich sein dürfte, steht noch aus. - C.1.a - 75 Sprache ist das Gedächtnis und das Gewissen der in Adam verkörperten Menschheit.“13 Insbe- sondere die dichterische Sprache bewahre „im Aspekt der Schöpfung eine unabweisbare Erin- nerung an das Paradies“,14 in ihr drücke sich der „Glanz des Wahren“15 aus. Deshalb sei auch „alle echte, alle große, tiefe Dichtung, sofern sie sich nur selbst recht versteht, christlich, ka- tholisch.“16 Gleichwohl wird nach dem Grad des Christlichen qualifiziert. Zangerle unterschied den „Dichter der Erlösung“17 (Rimbaud, Bloy, Péguy, Trakl) von dem, der sich „im Vorhof der Erlösung“18 befinde (Rilke, Kafka), und von beiden wiederum den Dichter, der sich den metaphysischen Be- dürfnissen der Zeit versage (Th. Mann, E. Jünger). Zugrunde liegt hier also die Vorstellung von einem ‘Amt’, dessen sich der Dichter nicht entledigen könne: „Es macht die natürliche Bestim- mung des Dichters aus, die Welt des ins menschliche Herz versunkenen Paradieses aus dem Un- bewußten einer menschheitlichen Urerinnerung, durch die jeder Mensch auf seine Weise an der Uroffenbarung teilhat, ins Licht der Sprache zu heben, den Menschen ins Gedächtnis zurückzu- rufen.“19 Dichten wurde damit als „supplementäre Mission“20 in den Dienst katholischer Weltanschau- ung gestellt. Folgerichtig war es der Dichter katholischer Konfession, der in Zangerles Kon- zeption als „der christliche Dichter katexochen“21 erscheint. Zwanzig Jahre später bescheinigte Zangerle der deutschsprachigen katholischen Dichtung sogar, sie habe es schwerer gehabt als die französische, weil sie „als Folge der Glaubensspaltung nur mit einer halben Lunge [geatmet habe]. Sie war auf Konvertiten-Dichtung angewiesen.“22 Die Integrität der Welterfah- rung - „Ein Dichter, der nicht im Innersten seines Herzens an Gott glaubt, stirbt an geistiger Atemnot.“23 - setzte Zangerle ineins mit der Integrität der jeweiligen dichterischen Sprache: Georg Trakl, den er als exemplarischen christlichen Dichter sah, gestalte zwar „die Verweslich- 13 Zangerle 1946, 116. In den Kategorien von ‘Gedächtnis’ und ‘Gewissen’ verbindet sich die Poetologie Hamanns mit dem Sprachethos von Karl Kraus. Diese Zusammenhänge entwickelt ausführlicher Doppler, A. 1981, 122f.. 14 Zangerle 1946, 122. 15 Ebd., 118. 16 Ebd., 180. An solche Auffassungen konnte dann Hohoff anknüpfen, als er über „den lutherischen Übersetzungstri- umph“ schrieb, an dem die katholischen Bibelübersetzungen unabweislich hätten partizipieren müssen: „Eben die innere Einheit macht Luthers Bibel sakral.“(Hohoff 1957, 131) 17 Zangerle 1946, 146. Gegen vor allem im katholischen Bereich erhobene Versuche, Zangerle als Vorläufer einer interkonfessionellen Annäherung zu beanspruchen (etwa Methlagl 1981, 527), ist festzuhalten, dass dessen Katego- rie der ‘Erlösung’ eindeutig konfessionell markiert war: „Weil [...] die Kirche bereits existiert und als die ewige Liebesgemeinschaft auf Erden vielen wieder einzuleuchten beginnt, wird der katholische Dichter als der christliche Dichter katexochen mit seinem Werk am stärksten Gemeinschaft zwischen den einander entfremdeten, miteinander verfeindeten Völkern stiften können.“ (ebd., 192) An anderer Stelle erörtert Zangerle ausdrücklich die Kunstfeind- lichkeit des Protestantismus. 18 Zangerle 1946, 146. 19 Ebd., 139. 20 Ebd., 154. Vgl. auch S. 167. 21 Ebd., 192. Vgl. auch ebd., 167f.. Ausdrücklich noch einmal bekräftigt: „Darum empfinden wir heute nur mehr jene Dichter als christlich, deren Wirken durch eine unzweifelhafte Bekehrung legitimiert ist.“ (ebd., 169) 22 Zangerle 1965, 10. 23 Zangerle 1946, 120. - C.1.a - 76 keit des Irdischen“,24 diese sei aber, weil Trakl selbst nicht den Glauben an Erlösung verloren habe,25 adäquat nur in ihrem christlichen Gehalt zu verstehen: „Trakl, der nicht anders als der strengste Karthäuser das Leben nur als eine Einübung im Ster- ben betrachtete, nimmt dem Tod nichts von seinem namenlosen Grauen.”26 Der ‘Ulysses’ dagegen sei Abbild einer rationalistischen Verstiegenheit. In dem Versuch, „die Wirklichkeit adäquat nachzubilden“,27 habe Joyce „die Herrschaft über die Sprache“28 verlo- ren. Zangerles Erörterungen waren nur vordergründig eine Reflexion über den christlichen Autor, tatsächlich jedoch eine Legitimation christlichen Interpretierens: Was dem Werk interpretativ zugeschrieben war, wurde als dessen ontologische Qualität gedeutet - und dogmatisch qualifi- ziert. Der Akt des Aneignens wird deutlich in folgendem Abschnitt über Trakls Lyrik: „Sie wäre [...] keine christliche Dichtung, wenn in ihr nicht unzerstörbar die Hoffnung auf die Auferstehung lebte. Gerade der aus allem Sein dunkel hervorbrechende Tod läßt uns erst die Auferstehung als Wunder begreifen. Mit dem unverwandelten Kreuz - es ist ihre innere, in jedem Vers spürbare Richtgestalt - ist in dieser Dichtung die Zeitlichkeit mitgesetzt, die Zeitlichkeit als Maß des Vergänglichen, als Raum des Auf-das-Gericht-Wartens.“29 Der ‘dogmatische Überschuss’ solch christlichen Interpretierens führte dann unweigerlich zu der Einschätzung, es sei Trakls „persönliche Schuld [...], // daß er unter dem Zwange seiner dichterischen Berufung die Schrecken des Todes in der schwermütigen Schönheit seiner Verse fast aufhebt.“30 Die ‘schwermütige Schönheit’ als solche war hingegen kein Gegenstand des Interpretierens, vielmehr dienten - wie schon das Beispiel ‘Ulysses’ gezeigt hat - Phänomene des Literarischen lediglich als Beleg für die sich darin manifestierende Weltanschauung. Selbst die literarischen Zitate, die Zangerle anführte, wurden nicht als literarästhetische Interpretanda, sondern als expositorische Selbstkundgaben des Autors gelesen.31 24 Ebd., 150. 25 Zangerle griff hier auf eine entsprechende Trakl-Auslegung Ludwig von Fickers zurück (vgl. hierzu ausführlicher Doppler, A. 1981, 125). 26 Zangerle 1946, 150. Dass für eine solche Interpretation allerdings eine entsprechende Gestimmtheit notwendig ist, wird aus Zangerles Formulierungen deutlich: „Gerade der als allem Sein dunkel hervorbrechende Tod läßt uns erst die Auferstehung als Wunder begreifen.“ (ebd., 152; Hervorhebung von mir) 27 Ebd., 126. 28 Ebd., 126. Zangerle setzte hinzu, Joyce’ Roman sei von einer „Gewaltsamkeit, die sich gegen das Dichterische selbst richtet [...]. Dabei erleidet die Sprache eine Erweichung ihres Rückgrats, der Grammatik. Die Syntax löst sich auf.“ (ebd., Anm. 1) 29 Ebd., 152 (Hervorhebungen von mir). 30 Ebd., 150//151. Zangerle setzte dann allerdings hinzu: „Erst dem Blick, der tief genug sich dem Todesdunkel aus- liefert, schenkt als Licht sich das Kreuz.“ (ebd., 151) 31 Vgl. das Zitat der ‘Orient-Ode’ von Francis Thompson (ebd. 170f.) oder die Verse aus Rilkes Duineser Elegie IX (ebd., 147). Damit erklärt sich auch das Unverständnis moderner Darstellungsformen. Über die ‘Josephs’-Romane schrieb Zangerle: „[...] was hat der praeceptor Germaniae von einst [...] als Dichter seinem Volke heute noch zu geben? [...] Wird es sich aufrichten können an einer Psychoanalyse des Lebens der Erzväter?“ (Ebd., 145) - C.1.a - 77 Umgreifender und zugleich spekulativer als Zangerles Essay war die Schrift, mit der Edgar Hederer 1956 die Möglichkeiten und Aufgaben einer christlichen Literatur begründete: „Nicht die christliche Möglichkeit entscheidet, nicht die große Ordnung, sondern die Tat in ihr. [...] Es gibt große und kleine und kleinliche Taten in der christlichen Ordnung und es gibt große Taten in der vorchristlichen Ordnung. [...] Es kann gar nichts Falsches geschehen, bleibt Dich- tung demütig auf dem Wege und offen. Der Herr selbst eilt ihr entgegen.“32 Bei Hederer erhielt Literatur ihren Wert also nur im Hinblick auf die Heilsordnung. „In einem seltsamen Umschlag - nur Kunst bewirkt ihn - geschieht es, daß das Heilende von selbst auf- steht, daß die Welt [...] sich ergänzt in den einen Sinn.“33 Damit allerdings war das Literarische aufgehoben, was Hederer sogar expressis verbis bestätigte; hier zeigten sich Einflüsse des durch Haecker in die katholische Diskussion eingebrachten Kierkegaard: „Dichten kann der ganze gottgewollte Einsatz einer Existenz sein, höchste Existenz, Leben im Geist. [...] Das Leben des heiligen Franziskus war wie ein gelebtes christliches Lied, und sein Sonnengesang war allerhöchstes Leben, das segnet und heiligt. [...//...] Es gibt eine Unmittelbar- keit des Umgangs mit Gott und christlichen Taten, die alle Dichtung zurücklassen [sic]; [...]“34 Der Literatur als Medium des Verhältnisses zu Gott war ein bedeutsamer Wert zugeschrieben, aber nur, wenn sie dem Leser das bereits Gewusste bestätigt. Deshalb sei das „wahre Kunst- werk [...] Gottesbeweis, je größer es ist, desto deutlicher und freier spricht es ihn aus.“35 und: „Dichtung hat Grade nach dem Grad des Wertes, der [in ihr] erscheint.“36 In einer solch um- greifenden theologischen Deutung wäre Literatur als Literatur schlicht überflüssig,37 wenn Hederer sie nicht ausdrücklich eingebunden hätte in eine Art von laienapostolischem Auftrag: „Der christ-//liche Dichter weiß den rettenden Sinn; aber er muß ihn so sagen, daß er die Christen auch heimbringt.“38 Die Begründung von Literatur blieb damit im Weltanschaulichen befangen: Die Inkohärenz von Hederers Auffassung des Literarisch-Schöpferischen zeigt sich unfreiwillig an der Formulie- rung, nicht religiös gebundene Kunst werde „hemmungslos subjektiv“:39 ‘Der Ermahnung an den Dichter, dem eigenen Ego eine ‘Hemmung’ aufzuerlegen, liegt die aus der biblischen Schöpfungsgeschichte stammende Annahme zugrunde, der Erkenntnisprozess sei so lustvoll wie gefährlich.40 Im gleichen Atemzug betonte Hederer, eine formal gestaltete Dichtung - nur diese ließ er gelten - erwachse von selbst aus der christlich-kontemplativen Schau der Heilsord- nung: 32 Hederer 1956, 46. 33 Ebd., 37//38. 34 Ebd., 65. 35 Ebd., 37. 36 Ebd., 39. 37 Vgl. dazu insbesondere Hederer 1956, 87f. 38 Ebd., 8//9. 39 Ebd., 37. 40 Oder, wie Pius XII. 1940 in einer Ansprache vor jungen Ehepaaren formulierte : Es sei „in jedem Menschen das Fleisch schwach und der Geist zu Aufruhr geneigt“ (zit. nach Utz/Groner 1954/1962, S. 968). - C.1.a - 78 „Nur ein nach Sinn verlangender Dichter wird mit Formen begabt und ein ursprünglich form- volles Erleben hat immer auch den Sinn. Nur Unschuld findet ein Neues und bringt die Dinge // ins Reine.”41 Denkbar war hier das Schöpferische also nurmehr als gläubiges Empfangen. Demgegenüber verfiel praktisch die gesamte Literatur der Moderne der Wertung: „Indifferenz und Nihilismus widersprechen dem Sinn der Kunst.“42 Die Literatur habe ausschließlich „in Christus [...] die Möglichkeit [...], dem Sinn wieder Einlaß zu geben.“43 Um die bisherige Darstellung zusammenzufassen: Bei Zangerle und Hederer zeigte sich, dass die Konzentration auf den Autor und die im Werk sich manifestierende Rechtgläubigkeit dazu verführen, entweder auf die Konfession des Autors zu rekurrieren oder aber ihm die Eigen- schaft des ‘Adventistischen’44 zu bescheinigen. Beides beruht auf einer nicht mitteilbaren In- tuition und bleibt damit eine individuelle interpretatorische Entscheidung,45 die sich - dies wäre ein Einwand aus heutiger Sicht- bereits dadurch falsifizieren ließe, dass das einzelne literari- sche Werk und die Dogmen in eine andere Beziehung zueinander gesetzt werden. Anders ist auch nicht erklärbar, warum die literarischen Diskussionen im katholischen Bereich bis zum Zweiten Vatikanum fast ausschließlich um die Legitimation des Sündenromans kreisten, sowohl hinsichtlich der Darstellung der Sünde als auch hinsichtlich des Lesens solcher Litera- tur.46 Eindeutigkeit herrschte hier keineswegs.47 Diese Probleme des Zuschreibens vermochte Karl Rahner dadurch zu umgehen, dass er Litera- tur unter Rekurs auf das ‘dichterische Urwort’ begründete,48 eine Kategorie, die nach dem Reichtum der jeweiligen konnotativen Bezüge bemessen war: „Blüte, Nacht, Stern und Tag, Wurzel und Quelle, Wind und Lachen, Rose, Blut und Erde, Kna- be, Rauch, Wort, Kuß, Blitz, Atem, Stille: Solche und tausend andere Worte der ursprünglichen Denker und Dichter sind Urworte.“49 41 Hederer 1956, 37//38. 42 Ebd., 37. 43 Ebd., 33. 44 Haecker hatte diese Kategorie in seiner Vergil-Studie eingeführt (vgl. Haecker 1931/1947). 45 Bei Goethe hatte Paul Stöcklein eine entsprechende Autorintention schlicht vorausgesetzt (vgl. Kap. B.1.a.i). H. Mutschmann und K. Wentersdorf dagegen verfingen sich bei dem Versuch, Shakespeare als Katholiken zu beanspru- chen (Mutschmann/Wentersdorf 1948), in rekursiven Spitzfindigkeiten. 46 Das Problem der Darstellung von Priesterfiguren, das noch Anfang der fünfziger Jahre diskutiert wurde (vgl. etwa Becher 1953/54), wurde in dem Maße obsolet, in dem die Bindekräfte katholischen Gemeindelebens nachließen. Aber noch 1960 erachtete es Karl Rahner für notwendig, ausführlich zu begründen, warum der katholische Christ sich auch mit der literarisch gestalteten Sünde beschäftigen dürfe, soweit sie „nicht nur unter dem Vorwand, Dich- tung zu treiben, leeren Unglauben und Sittenlosigkeit vorführt“ (Rahner 1960/1967a, 452). 47 Vgl. etwa die krassen Unterschiede zwischen dem dogmatisch argumentierenden Bert Herzog (1950/51) und dem pastoral argumentierenden Theoderich Kampmann (1949/50). 48 Im Grunde legte Rahner genau das vor, was Zangerle explizit abgelehnt hatte, nämlich eine ‘Theologie der Dich- tung’. Legitimiert sah Rahner seine literaturtheoretischen Reflexionen dadurch, dass er die Literatur in den übergrei- fenden Reflexionsrahmen der Theologie einstellte: „trösten und ermuntern kann die Wahrheit, daß der glaubende Mensch, der vom Geiste Gottes getrieben wird, alles beurteilen darf, wie der Apostel sagt, und darum auch der Theologie als der Reflexion der Glaubenden nichts von vornherein fremd sein kann, was die hohen Stunden des Menschen erfüllt und doch gerade so als Ganzes zu Gott heimgebracht werden soll [...].“ (Rahner 1960/1967a, 44) - C.1.a - 79 Fragen von Poetizität oder dichterischer Produktivität waren damit reduziert auf die Ebene der Wortwahl, die für sich allein schon auf die Wirklichkeit des Übernatürlichen verweisen sollte: „In jedem Urwort ist ein Stück Wirklichkeit gemeint, in dem uns geheimnisvoll ein Tor aufgetan wird in die unergründliche Tiefe der wahren Wirklichkeit überhaupt.“50 Die Kategorie des ‘Urwortes’ allerdings ist in sich keineswegs valide: Es hänge - so Rahner - vom Gebrauch eines Wortes ab, ob es zum Urwort ‘aufsteige’ oder zum Nutzwort ‘abgleite’;51 andererseits unterscheidet er die Urworte, „die dem Herzen entspringen“,52 von den „verfertigten, technischen“53 Nutzworten. Entscheidend dürfte letztlich das sein, was Rahner an anderer Stelle den ‘geistig-geistlichen Sinn’der Urworte nennt;54 gemeint ist vermutlich über den Literalsinn hinaus eine anagogische und tropologische Ausdeutung des jeweiligen Wortes. Bei Rahner bekundete sich also zwar eine Aufgeschlossenheit gegenüber Literatur, aber ein weitgehendes Unverständnis dessen, was Literatur ausmacht; über einen durchschnittlichen Lesehorizont reichte es nicht hinaus.55 Was er erörterte, war das sittliche Unterscheidungsver- mögen des katechismusfesten Katholiken, nicht aber seine Fähigkeiten zur ästhetischen Lektü- re. Einige Jahre später schrieb Rahner über das Lesen des Christen: „[...] wenn das dichterische Wort das ewige Geheimnis hinter den sagbaren Wirklichkeiten und in ihren tiefsten Abgründen aufruft und anwesend sein läßt, [...] kann dann ein Mensch grund- sätzlich für dieses Wort unempfänglich sein und tot und doch ein Christ?“56 Tatsächlich war der Essay von 1956 eher ein Beitrag gegen den „bloß technischen“57 Sprach- gebrauch der utilitaristischen Gesellschaft als eine Erörterung des Literarischen.58 Ohnehin sah Rahner letzteres zur Gänze an die Kirche verwiesen, in einer reziproken Beziehung, die dann auch „die nachchristlichen Ungläubigen“59 einschließe: „Der Dichter ruft den Priester. Die Urworte, die der Dichter spricht, sind Worte der Sehn- sucht.“60 und: 49 Rahner 1956/1967a, 353. 50 Ebd., 353. Aus dem Zusammenhang der Ausführungen wird deutlich, dass Rahner die Begriffe ‘Worte’ und ‘Wörter’ weitgehend synonymisch verwendete. 51 Vgl. ebd., 351. 52 Ebd. 53 Ebd. 54 Vgl. dazu ebd., 354. 55 Rahner selbst räumte mehrfach ein, dass er nicht unter literarisch-fachlichen, sondern unter theologischen Auspizi- en geurteilt habe. Man könnte dem entgegenhalten, dass ihm der romantische Überbietungstopos sehr wohl bekannt war: „Wo [...] wirklich das Urwort gesagt wird, wo die Sache wie am ersten Tag im Wort erscheint: Da ist ein Dichter am Werk.“ (ebd., 357) Allerdings war damit eine entsprechende Rezeption gemeint (‘wo ... erscheint’), die letztlich im Raum des Spekulativen verbleibt. Auf eine Erörterung literarischer Phänomene ließ Rahner sich nicht ein. 56 Rahner 1960/1967a, 449. 57 Rahner 1956/1967a, 365. 58 Auch in späteren Aufsätzen blieb der zugrundegelegte Literaturbegriff ungeklärt. Zwar sprach Rahner von ‘großer Literatur’, explizierte den Begriff aber lediglich theologisch: „Große Dichtung ist doch nur dort, wo der Mensch sich radikal dem stellt, was er selbst ist.“ (Rahner 1962/1971, 392) 59 Rahner 1956/1967a, 375. Rahners Wortwahl an dieser Stelle - ich zitiere den vollständigen Satz - evoziert die Situation des Gerichts, eine für die katholische Literaturtheologie kennzeichnende Metapher: „Selbst die nachchrist- lichen Ungläubigen dichten noch so, daß man sie überführen kann, die [göttliche] Antwort [auf den Anruf des Men- schen] vernommen zu haben.“ (Hervorhebung von mir) 60 Rahner 1956/1967a, 374. - C.1.a - 80 „[...] der Priester ruft den Dichter, damit seine Urworte die konsekrierten Gefäße des göttlichen Wortes werden, in denen der Priester das Wort Gottes wirksam verkündet.“61 Die zeitgenössische Literatur war also lediglich darin bestimmt, inwieweit sie auf „die Zukunft Gottes“62 verweise. Eine genauere Auseinandersetzung mit der künstlerischen Moderne blieb ausgespart und an den verantwortungsvollen Umgang des einzelnen Katholiken mit seiner Lektüre verwiesen.63 Exkurs: Rahners Kategorie des ‚Urworts‘ berührt ein zentrales Problem der katholischen Literaturtheo- logie. 1950 hatte Johanna Schomerus-Wagner die Vorstellung vom Wort und Gedanken als Ein- heit so formuliert: „Das dichterische Wort muß durchsichtig werden, daß Idee und Schönheit aneinander aufleuchten, analog zum ewigen Logos, in dem Geist und Leben, das Pneuma und der Vater, sich in Liebe aussprechen.“64 Das hier in der neuthomistischen Traditionslinie von Deutinger und Haecker formulierte Postulat der Koinzidenz von Sprache und Heilswahrheit ließ sich in den Niederungen der poetischen Wirklichkeit nicht konkret einlösen, sondern blieb letzt- lich an inhaltlichen Kriterien hängen, was sich beispielsweise an der Einschätzung Josef Martin Bauers zeigt: „Bauer hat - trotz mancher Mängel in der Gestaltung - eine ursprüngliche Art des Erzählens, die vor allem bestimmt wird durch eine schonungslose Liebe zu den Menschen und den Ordnungen des Seins.“65 Die Untersuchung der behandelten Autoren auf ihre Katholizität hin wurde also überlagert durch den Wunsch, kanonbildend zu wirken. Das wiederum heißt: Die Begründung thomistischer Postulate am konkreten poetischen Beispiel tendiert ins Beliebige. Hierin liegt wohl der tiefere Grund dafür, dass die thomistische Ästhetik im katholischen Diskurs vornehmlich mit der Lyrik begründet wurde; dafür bot sich sowohl die klassizistische als auch die romantische Lyrik an.66 Auch Karl Rahner berief sich für seine Kate- gorie des ‚Urwortes‘ im wesentlichen auf Brentanos Liedzeile ‘O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb’, Leid und Zeit und Ewigkeit’. Das Problem hingegen, die Koinzidenz von Wort und Wahrheit über die Ebene der Wortwahl - im Falle Brentanos: der schlichten Juxtaposition - hin- aus in strukturell-formaler Hinsicht zu belegen, ließ Rahner unerörtert. Im Horizont heutiger künstlerischer Erfahrung stellt sich die erwähnte Problematik neuthomisti- scher Kategorien überhaupt nur im Rahmen des Ordo-Denkens traditioneller Literaturtheologie. Überwunden wurde sie im Rahmen avancierter Literaturtheologie: Der (Protestant) Walter Jens griff am Beispiel von Celans ‚Tenebrae‘ Brentanos Formel von der dichterischen Transsubstan- tiation auf und wendete sie ins Profane: Christliche Chiffren, qua Literatur „in realitätserhellen- de Zeichen“67 verfremdet, erhielten „neue Plastizität“.68 Gemeint ist hier offensichtlich nicht Widerspiegelung einer eo ipso als wahr vorausgesetzten Wirklichkeit, sondern das wirklich- keitstranszendierende - und damit zugleich: gesellschaftsverändernde - Potential künstlerischer Sprache. Unklar bleibt allenfalls, warum es dazu einer künstlerischen ‘Transsubstantiation’ be- darf, wie immer man sich diese vorstellen mag. 61 Ebd., 374. 62 Rahner 1960/1967a, 451. 63 Kriterien für die Erkennbarkeit des Christlichen sind in Rahner 1962/1971 entwickelt (dazu ausführlicher Kap. C.1.b.i). 64 Schomerus-Wagner 1950, 27. 65 Schomerus-Wagner 1950, 35. 66 Vgl. hier insbesondere Theodor Haecker, der als das Wesen der Lyrik bestimmte, „daß die sehnenden Wasser der Sprache gerührt werden von einem starken Geiste.” (Haecker 1958a, 351). Seine Auffassung exemplifizierte Haek- ker, ähnlich wie Zangerle, vornehmlich an Karl Kraus. 67 Jens 1984a, 127. 68 Ebd., 122. - C.1.a - 81 Eine Sonderstellung im katholischen Literaturdiskurs nahm Hans Urs von Balthasar ein.69 Dessen literaturtheologische Gedanken und Entwürfe gruppieren sich - von einzelnen Abschnit- ten in den mehrbändigen ‘Skizzen zur Theologie’ abgesehen- um die beiden großen Monogra- phien über George Bernanos und Reinhold Schneider. Der ästhetische Entwurf ‘Herrlichkeit’ dagegen, dessen drei Bände Teil einer noch umfassende- ren Trilogie darstellen, ist für den literaturtheologischen Diskurs nur mittelbar von Bedeutung, weil er vornehmlich der theologischen Theoriebildung dient. Er lässt sich schon deswegen nicht ohne weiteres in einen ‘theo-poetologischen Diskurs’ integrieren,70 weil er kaum poetologische Kriterien entwickelt, die über die jeweils behandelten historischen Beispiele (s.u.) hinausgehen. Die Aussage gar, hier liege „eine vollumfängliche Literaturtheologie mit allem methodologi- schen Zubehör und entsprechenden Fallstudien“ vor,71 ist weit übertrieben. Ausdrücklich schloss Balthasar die historischen Manifestationen von christlicher Kunst (Bildende Kunst, Ar- chitektur, Musik, Literatur) aus, „wie lockend und lohnend ihre theologische Erforschung auch gewesen wäre“.72 Christliche Literatur war nur soweit einbezogen, als sie „in einem unmittelba- ren Zusammenhang mit Sicht und Auslegung der biblischen Offenbarung steht und der Über- gang von Theologie und zu ihr fließend ist“;73 demzufolge behandelte Balthasar nur vier Dich- ter, nämlich Dante, Hamann, Hopkins und Péguy. Man wird die Enthusiasmen der neueren ka- tholischen Balthasar-Rezeption also nicht überbewerten dürfen. Nüchterner - und richtiger - ist die Einschätzung des Katholiken Karl Ledergerber aus den sechziger Jahren, Balthasars Ästhetik bleibe „vorwiegend im Innenraum des Glaubens.“74 Am Beispiel des 1948 verstorbenen George Bernanos entwickelte Balthasar idealtypisch seine Vorstellungen vom christlichen Schriftsteller, die er in einer umfangreichen Monographie über den Autor ausbreitete.75 Im Werk von Bernanos stehe nicht die „Intuition Gottes“ im Mittel- punkt, sondern „‘[...] die Kardiognosie: der Blick Gottes auf den sündigen Menschen, der vom Amtlich-Mystischen (Beicht-Urteil) mitvollzogen werden kann und soll. Bernanos macht hier Ernst mit dem descensus als Weg zu Gott // als Nachfolge des absteigenden Gottes.’“76 Das Bild des ‘descensus’ ist integraler Bestandteil der mystischen Theologie von Adrienne von 69 Hans Urs von Balthasar, 1905-1988, Studium der Germanistik in Wien und Berlin, Dr. phil. mit einer ‘Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur’ (1930), danach Eintritt in den Jesuitenorden und Studium der Philosophie und Theologie; reichhaltige publizistische Tätigkeit; nach der Gründung der ‘Johannesgemeinschaft’ (1945; zusammen mit Adrienne von Speyr) Austritt aus dem Orden (1950) und freie Tätig- keit als theologischer Publizist und Verleger (Johannes-Verlag, Einsiedeln). Balthasars umfangreiches Wirken kann ich im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur andeuten. Einen guten Zugang - wenn auch aus der Perspektive des Balthasar-Umkreises - vermitteln Henrici 1989, Krenski 1995 sowie - monographisch - Guerriero 1993. Letzterer legt den Schwerpunkt auf die Theologie Balthasars und vernachlässigt deren literaturwissenschaftliche Aspekte, informiert aber genauer über die Johannes-Gemeinschaft und den Johannes-Verlag. Allen genannten Publikationen ist zu eigen, dass sie sich eng, z.T. wörtlich paraphrasierend, an Balthasars autobiographische Äußerungen anlehnen. Das Manko einer daraus resultierenden Unreflektiertheit macht sich vor allem bei Guerriero 1993 bemerkbar. Den Rahmen von Balthasars Literaturtheologie umreißt in gebotener Differenzierung, wenngleich auch aus der Perspekti- ve unkritischer Verehrung, Haas, A. 1989. Eine Bibliographie der Schriften Balthasars (1925-1990; neu bearbeitet und ergänzt von Cornelia Capol) erschien 1990 im Johannes-Verlag, Einsiedeln. 70 Wie dies beispielsweise Henning Schröer (1998, 134f.) annimmt. 71 Haas, A. 1989, 67. 72 Balthasar o.J. [1962], 14. 73 Ebd. 74 Ledergerber 1966, 461. 75 Nach Bernanos’ Tod 1948 hatte Balthasar Werke von ihm übersetzt, die teilweise im Hegner-Verlag, teilweise in Balthasars eigenem Verlag, dem Johannes-Verlag, erschienen. Im Zuge dieser Arbeiten entstand die Monographie über Bernanos, die 1954 im Hegner-Verlag erschien (2. Auflage 1971 im Johannes-Verlag, 3. Auflage 1988 ebd.) 76 Offenbar ein Balthasar-Zitat, aber nicht als solches nachgewiesen; zit. nach Henrici 1989, 48//49. - C.1.a - 82 Speyrs, mit der Balthasar eng zusammenarbeitete und der er vielfältige Anregungen verdank- te.77 Zentral in Balthasars Konzeption von christlicher Kunst ist der Aspekt der Freiheit: Schönheit sei nicht quantitativ zu bemessen. Genossen werde am Kunstwerk vielmehr „die überlegene Geistfreiheit, die sich darin versichtbart und ‘vernotwendigt’“;78 die Freiheit des Geistes wird näher bestimmt als die Freiheit seines Ausdruckswillens. Das künstlerische Material habe also keine Eigengesetzlichkeit oder eine ihm innewohnende Notwendigkeit, sondern diene dem schöpferischen Menschen gewissermaßen als reiner Werkstoff, was Balthasar sowohl an der Musik als auch an der Literatur exemplifizierte, ohne allerdings auf die kategorialen Unter- schiede der von ihm angeführten Beispiele einzugehen: Goethe beispielsweise habe die Iphi- genie in Prosa schreiben können und den Werther als Drama, Wagners Leitmotive seien „ausdrucksvoll und angemessen“,79 doch könne niemand nachweisen, „daß sie nicht anders lauten könnten”,80 und bei Bach und Mozart konstatierte Balthasar: „Welch überlegenes Ver- fügen über die eigenen Motive, Einfälle, sogar fertigen Stücke“.81 Damit argumentierte Baltha- sar gegen die historische Einzigartigkeit eines Kunstwerks und gegen den Werkbegriff der idealistischen Autonomieästhetik: Wahrheit erscheint nicht im Kunstwerk, sondern durch das Kunstwerk hindurch. Kunst wird so, auf ihre Mitteilungsfunktion reduziert, zum Medium der theologischen Weltdeutung und damit, über ihre Mitteilungsfunktion hinaus, letztlich überflüs- sig - eine logische Konsequenz aus Balthasars Konzeption, die in dessen gegenwärtiger Rezep- tion gemeinhin übergangen wird. (ii) protestantisch Im protestantischen Bereich waren die theologischen Begründungen von Literatur, die sich sowohl an Fachtheologen (Dachsel, Schriewer) als auch - darüber hinaus - an ein kirchliches Lesepublikum (Spoerri, Hartman) richten, nicht weniger vielgestaltig ausgeprägt als im Katho- lizismus. Gemeinsam war ihnen, dass die Begründung von Literatur auf der Vorstellung einer grundsätzlichen Diastase beruhte, die die christliche Heilsbotschaft strikt von der Literatur als bloßer Vermittlungsinstanz trennte: „Nur in der neuen Schöpfung ist der Ursprung wiederher- 77 Speyr hatte nach ihrer Konversion mystische Glaubenserfahrungen, als deren theologischer Mentor Balthasar fungierte: „Während sie das Charisma mystischer Erfahrungen einbringt, bringt er das Charisma des Amtes mit, das ebendiese Erfahrungen prüft, einordnet und deutet.“ (Krenski 1995, 143). 78 Balthasar o.J. [1962], 24. 79 Ebd. 80 Ebd., 25. 81 Ebd., 24. - C.1.a - 83 gestellt. Und es gibt keinen Weg aus der alten in die neue Schöpfung, es sei denn über das Kreuz.“82 Die grundsätzliche Möglichkeit einer ‘Diakonie der Künste’ (Hartman83 ) aber wurde stets mitgedacht,84 also der Wirkungsaspekt von Kunst in einer Gegenwart, die zum einen als ‘diskontinuierlich’, ‘ungebunden’ bzw. ‘chaotisch’ (Dachsel), zum anderen als ‘vordergründig’ (Schriewer) oder ‘materialistisch’ gedeutet war: der christliche Autor also als „Menschenfischer [...] in Gottes Auftrag“.85 Verhältnismäßig optimistisch wurde dieser Anspruch noch in der Nachkriegszeit vertreten, vor allem im Hinblick auf die Gattung des (christlichen) Dramas. Günter Rutenborn etwa, Pfarrer und Autor des erfolgreichen Schauspiels ‘Jonas und der Walfisch’, schrieb Literatur die Funktion zu, Zeugnis abzulegen „vor der einen allgemeinen christlichen Kirche und dem christlich zu be- ratenden Abendland“,86 und Joachim Dachsel sah im christlichen Drama generell die Möglich- keit, den zeitgenössischen Menschen, dem seine „Zerfahrenheit, die ihn nicht ‘zu sich’ kommen läßt“,87 zu erreichen und zur Umkehr zu bringen: „Der Gestellte, der durch Leugnen und An- schuldigungen freikommen wollte [sc. der Zuschauer], muß ins Gericht. [...] Gelingt es, ihn zum Ja zu bringen zu diesem Gericht, das hier über ihn ergeht, so hebt damit seine Aufrichtung an, so kann ihm die Frohe Botschaft ver-// kündet werden.“88 Im Verlauf der fünfziger Jahre dann nahm die Bedeutung des christlichen Dramas ab, und der li- teraturtheologische Fokus verschob sich - das zeigen auch die hier dargestellten Ansätze - auf den Rezeptionsmodus des privaten Lesens. Parallel zu der materiellen und ideellen Konsolidierung des bundesrepublikanischen Gesellschaftsmodells schwand auch der literaturtheologische An- spruch, christliche Literatur solle ihren Rezipienten überwältigen. Hatte Kurt Ihlenfeld noch 1949 gehofft, christliche Literatur könne die Distanz zwischen der traditionellen Kirchensprache und der ursprünglichen (potentiell ‚pfingstlichen‘) Wirksamkeit der Bibelsprache überwinden helfen, betonte er 1961 die Unabhängigkeit des christlichen Autors vor irgendwelchen theologi- schen oder kirchlichen Ansprüchen.89 Auch in der protestantischen Literaturtheologie wurde die literarische Darstellung der Sünde diskutiert. Während Dachsel von der christlichen Literatur forderte, „für die Weltweite christli- cher Existenz“90 Zeugnis abzulegen und solidarisch mit dem zeitgenössischen Menschen zu sein, 82 Spoerri 1957, 35. Ähnlich noch Rudolf Bohren über die Gerichtsthematik bei Frisch („unfreiwilliger Pietist“) und Dürrenmatt („apokalyptischer Bußprediger“), die er allenfalls als Vermittlungsschritt gelten lässt: „Kann die Kunst zum Sakrament werden? Indem sie Gericht darstellt, bricht sie das Schweigen wie das Brot. Die Heiterkeit der Kunst tritt an die Stelle der Eucharistie, und die Lust am Text läßt die Herzen sich erheben. [...] Die Heiterkeit der Kunst vermag aber die Freude der Umkehr nicht zu ersetzen. Als Glaube mißlingt, was als Kunst gelingt.“ (Bohren 1979, 186; die Zitate über Frisch und Dürrenmatt S. 184) 83 Vgl. Kap. B.2.b. 84 Deshalb sind die hier behandelten Ansätze mit dem Begriff des ‘theologischen Wächteramts’ (vgl. dazu ausführli- cher Bahr 1961, 33) nicht hinlänglich beschrieben, schon wegen der unterschiedlichen Ausdeutbarkeit dieser Meta- pher. 85 Dachsel 1950, 201. Das prononciert Nicht-Analogische einer solchen Deutung machte Gerhard Nebel deutlich: „Enthüllung des Paradieses und Offenbarung Gottes sind grundverschieden und durch kein Drittes zu vermitteln, und ganz und gar unchristlich wäre es, im zweiten nur die Steigerung des ersten zu sehen. Christliche Kunst, falls es sie überhaupt geben sollte, ist nichts anderes als Verkündigung, niemals aber Offenbarung, die nur in Glauben und Wandel geschieht.“ (Nebel 1953, 172) 86 Rutenborn 1948, 140. 87 Dachsel 1950, 196. 88 Ebd., 200//201. 89 Vgl. Ihlenfeld 1949a und Ihlenfeld 1961a. 90 Dachsel 1950, 203. - C.1.a - 84 „Der verstehende Mensch aber, der brüderliche Mensch, der sich nicht scheut, mit ins ‘Nachtasyl’, in die Leidenskammern, vor allem aber mit in die innere Krankheit des Menschen zu gehen, der findet am ehesten den Zugang zum Herzen [des Nicht-Gläubigen].“91 wandte sich Franz Schriewer gegen eine „Literarisierung des Religiösen“,92 wie sie in der Gattung des zeitgenössischen Sündenromans erscheine (Greene, Langgässer, Ouwendijk, Bernanos; ausdrücklich ausgenommen ist Gertrud von le Fort). Der (theologische) Begrün- dungszusammenhang von Sünde, Reue und Gnade sei dort zugunsten des literarisch Interessan- ten entäußert.93 Hinter dem Affekt gegen eine artifizielle, subjektivistische, ‘hochgezüchtete’ „Literatursprache“94 stand offenkundig die Sorge, religiöse Literatur könne der Kanzelver- kündigung gefährlich werden. Schriewer argumentierte hier mit dem einfachen, sprich: illitera- ten Lesepublikum. Der christliche Autor müsse „in voller Freiheit als ein Kind Gottes vor allen Formen des Men- schentums [...] stehen.“95 , dürfe also nicht nur um die Probleme und Projektionen des Bürger- tums kreisen. In der zeitgenössischen christlichen Literatur (genannt sind ausdrücklich Lang- gässer, Ouwendijk und Greene) komme „das Volk // als gesellschaftliche Ganzheit oder jener geduldige, arbeitende, hoffende Teil des Volkes, zu dem auch Jesus sich immer bekannt und ge- halten hat“96 oft nicht vor, wohl aber das Ungewöhnliche, Outrierte, Blutleere, literarisch Kon- struierte. Als Beispiel für die Neigung der modernen Schriftsteller, sich in „literarischen Sche- men“ 97 zu ergehen, nannte Schriewer die „Satanologie“,98 den „Eros“ und den „Sexus“.99 Schriewer wies also der christlichen Literatur die Vermittlung von theologisch relevanten Glaubensinhalten zu,100 und zwar in einer Form, die die richtige Interpretation bereits ein- schloss, die also nicht auf eine ‘unio mystica’ im Akt des Lesens setzte, sondern auf diskursiv nachvollziehbares Verständnis. Jedoch handelte es sich um den Nachvollzug von bereits Vor- gedachtem, zu der religiöse Literatur hinleiten solle,101 nicht aber um eigenständige theologi- sche Reflexion, denn: „Wo käme der christliche Glaube hin, wenn jeder Gläubige ein Problematiker wäre? Die schlichte unreflektierte Glaubenshaltung hat ihren Grund doch nicht nur im Trägheitsgesetz und 91 Ebd., 201. 92 Schriewer 1951, 213. 93 In diesem Zusammenhang wurde das pathographische Zuschreibungsmuster auch gegen den religiösen Schriftstel- ler selbst in Anschlag gebracht: „Unsere religiösen Schriftsteller von heute [...] bescheren uns dieses Mysterium [der letzten Geheimnisse Gottes] am liebsten in einer psychopathischen Form, so daß man den Unterschied zwischen Halluzination und Vision nicht mehr erkennen kann.“ (Ebd., 208) 94 Ebd., 207. 95 Ebd., 212. 96 Ebd., 212//213. 97 Ebd., 213. 98 Hier auch der einzige versteckte Hinweis auf die Jahre des Nationalsozialismus: „Überreizt scheint die Anfälligkeit unserer Zeit für das ‘mysterium iniquitatis’, für die Welt des Satans, auch dann noch, wenn man berücksichtigt, daß dem heutigen Geschlecht die Herrschaft Satans in der Welt nur allzu grell ad oculos demonstriert wurde.“ (Ebd., 210) 99 Ebd. 100 Als Gegensatz zum ‘formal-transzendenten’ Sündenroman greenescher Prägung wies Schriewer auf den Roman ‘Gehenna’ des protestantischen Autors Jarl Hemmers hin: Bei der Gegenüberstellung beider Romane zeige sich, dass Greenes Roman politisch (‘Kirche und Staat’), Hemmers Roman theologisch motiviert sei (‘Geschichte einer Seele mit Gott’). 101 Wie dieses Postulat literarisch einzulösen wäre, demonstrierte Schriewer an einem Textbeispiel, einem inneren Monolog des Priesters aus Jarl Hemmers Roman ‘Gehenna’ (ebd., 208). - C.1.a - 85 im Spießertum, sondern gehört zur theologischen Gesundheit des einzelnen und zur Gesundheit der Theologie.“102 Mit den Kategorien Verführung, Verführbarkeit und Gesundheit argumentierte auch Hans As- mussen,103 der 1952 in der ‘Neuen Furche’ eine ‘Theologie der Dichtung’ vorlegte. Asmussen entwickelte sein Thema allerdings nicht literaturästhetisch, sondern in seinen personalen Di- mensionen: Ein Dichter, durch den „priesterliche[n] Akt stellvertretenden Leidens“104 als sol- cher legitimiert, schare eine Gemeinde105 von Lesern um sich und trage deshalb eine besondere Verantwortung.106 „Wehe darum dem Dichter, der wohl die Gabe hat, zur Hingabe zu reizen, aber nicht die Kraft, Hingabe nur dort zu fordern, wo er sie fordern darf. Hierin ist die Dichtkunst ganz nahe bei der Unreinheit, bei einem dionysischen Kult, bei dem das Ich weggeschenkt wird um der Wollust willen, die es bereitet, die Schranke des Ich zu durchbrechen und im Anderen aufzugehen. Kunst kann nicht nur adeln, sondern auch prostituieren.“107 Der Literatur schrieb Asmussen eine gemeinschaftsbildende Funktion zu, „gesunde Brücken zwischen Mensch und Mensch“108 zu bilden, wenngleich zurückgebunden auf die christliche Gemeinschaft und deren Kultformen: In den Sakramenten fand Asmussen die „Symbolsprache und Zeichenkraft in der Vollendung“109 verwirklicht und im Psalter, als der vollendeten christ- lichen Literatur, das „Echo, das meine eigene, bisher noch unausgesprochene Stimme wieder- gibt“.110 Am Maßstab dieser normativen Vorgabe schrumpfte Literatur dann zum Derivat der christlichen Heilsoffenbarung, auf die sie lediglich verweisen sollte.111 1957 siedelte Theophil Spoerri mit seinem ‘Kleinen Präludium zur Poesie’ die theologische Begründung von Literatur vollends im Horizont einer privaten bildungsbürgerlichen Lektüre an. Zeitgenössische christliche Literatur war hier nur beiläufig erwähnt. Stattdessen argumen- tierte Spoerri mit klassizistisch-idealistischen Literaturmustern, die er als Verweise auf den Schöpfungsursprung las: „Wo Leben ungehemmt strömt, klingt etwas nach von paradiesischer Freude, da wacht die Sehnsucht auf nach dem ewigen Ursprung. Der eigentliche Ort dieses geretteten Funkens ist die Seele. Im inneren Heiligtum des Gefühls glüht noch das schöpferische Feuer. Da lebt noch die Erinnerung an den Einklang aller Dinge, an die Harmonie mit dem Unendlichen, an die ewige Bestimmung des Menschen, an seine göttliche Berufung.“112 102 Schriewer 1951, 209. 103 Geb. 1898, gest. 1968. 104 Asmussen 1952a, 182. 105 Asmussen gebrauchte diesen Ausdruck, relativierte ihn aber zugleich (vgl. Asmussen 1952, 91). 106 Der Aufsatz richtete sich explizit sowohl an Pastoraltheologen als auch an Schriftsteller. 107 Asmussen 1952, 92. 108 Asmussen 1952a, 180. 109 Ebd., 184. 110 Asmussen 1952, 92. 111 Vgl. ebd., 91f. 112 Spoerri 1957, 25. - C.1.a - 86 Zeitgenösische nicht-christliche Literatur erwähnte Spoerri nur indirekt, als ‘Abstraktion’, ‘Kraftlosigkeit’, ‘mystisch aufgewärmte oder dämonisch zerwühlte Geistigkeit’, ‘gläserne Härte des maschinellen Verstandes’ etc.,113 und begründete deren künstlerisch-defizitären Status mit dem ‘Fall aus der Ebenbildlichkeit’. Urstandstheologisch erklärte er jedoch auch die von ihm behandelten Textbeispiele idealistisch-klassizistischer Provenienz. Diese Antinomie führte dazu, dass er die theologische Relevanz von Literatur letztlich nicht anders als aus der - modern gesprochen - Illokution literarischer Sätze zu begründen vermochte: Der Schlussvers von Ei- chendorffs ‘Zwei Gesellen’ beispielsweise (‘Ach Gott, führ uns liebreich zu dir!’) zerreiße „mit einem Ruck die bunte Traumdecke der Poesie. Wenn er [sc. dieser Ausruf] wirklich ein Gebet und nicht bloß ein ästhetischer Seufzer ist, dann führt er uns auf einen neuen Plan“114 - für den dann allerdings, das setzte Spoerri ausdrücklich hinzu, nicht mehr die Literatur zuständig sei.115 113 Vgl. ebd., 24f. 114 Ebd., 15. 115 Zur Kategorie der Umpragmatisierung von religiöser Literatur vgl. ausführlicher Kap. D.3.b. - C.1.b - 87 b) Christliche Literatur qualifizieren (i) theologisch Im protestantischen Bereich begegnen konkret qualifizierende Zuschreibungen vor allem dort, wo das Lesen im Kontext religiös gebundener Lebenspraxis verortet wurde. So entwickelte Martha Glaser 1949 einen lesemethodischen Lehrgang, der in eine Typologie christlicher Literatur mündete. Diese Unterscheidung war einerseits inhaltlich bestimmt - hinsichtlich ihrer Nähe zur geoffenbarten Glaubenswahrheit -, andererseits auf die Rezeption bezogen, auf das nämlich, was dem Leser in bestimmten Phasen seines Lebens gut tue: • sog. ‘dogmatische Bücher’, in denen sich „in großer Strenge und Klarheit“1 die „Glaubenserkenntnisse des Christentums“ manifestierten; diese Bücher könnten „unseren Blick auf das Ziel richten und unsern Schritt festigen“2 (Bergengruen, le Fort, Schaumann, Anna Schieber) • sog. ‘Trostbücher’ für „Zeiten der Not, der Verzagtheit, der Hoffnungslosigkeit und Verzweif- lung“3 (August Winnig, Gabriel Scott, Harald Kidde, Karl Benno von Mechow) • Bücher, die ein für den Leser vorbildliches „Leben aus dem Glauben schildern“4 (Hildur Di- xelius, Heinrich Sohnrey, Paula Grogger, Bernt von Heiseler, K.H.Waggerl, Joseph Wittig, Felix Timmermanns, Leo Weismantel) Von dieser „ausgesprochen christlichen Dichtung“5 grenzte Glaser Literatur ab, in der sich „Christentum und Welt“6 begegne, und Literatur, die nur die „Problematik“7 der Welt behan- dele. Auch diese fanden in ihrem literaturpädagogischen Konzept Platz, denn der Christ dürfe sich nicht abschließen, müsse vielmehr der Welt entgegentreten, allerdings nur dann, wenn seine Seele „gefestigt ist in den Erkenntnissen der Heiligen Schrift und also ‘Früchte der Lie- be’ bringen soll.“8 Im Blick blieb also immer der Einzelne und seine sittlich-ethische Verant- wortung. Ihre Kategorien erläuterte Glaser anhand einiger Romane,9 in denen „das christliche Element gewissermaßen nur latent vorhanden“,10 gewissermaßen von weltlicher Problematik überlagert sei und demzufolge in seinen Heilsdimensionen entschlüsselt werden müsse; eine 1 Dieses und das folgende Zitat bei Glaser 1949, 172. Martha Glasers Leselehrgang stelle ich ausführlicher dar in Kap. C.1.d. 2 Ebd., 174. 3 Glaser 1949, 174. 4 Ebd., 176. 5 Ebd., 179. 6 Ebd., 178. 7 Ebd., 182. 8 Ebd., 179. 9 Unter anderem: ‘Und ewig singen die Wälder’ und ‘Das Erbe von Björndal’ (Trygve Gulbranssen), ‘Kristin La- vranstochter’ (Sigrid Undset), ‘Lennacker’ (Ina Seidel), ‘Jüngster Tag’ (Lulu von Strauß und Torney), ‘Michael Unger’ (Ricarda Huch). 10 Ebd., 180. - C.1.b - 88 solch wissende Lektüre erfülle „dann freilich mit dankbarer Freude“.11 Dagegen seien Bücher, in denen es nur um die Problematik der Welt gehe, „oft von einer qualvollen und ausweglosen Problematik - auch da, wo der Dichter den Versuch einer Lösung unternommen hat. - Wir sollten sie deshalb nicht in Zeiten eigener Verquältheit le- sen.“12 Allerdings könnten auch solche Werke Gutes bewirken; über Emil Strauß etwa schrieb Glaser: „Zwar geht er weder vom Christentum aus, noch führt er zu ihm hin, doch geschieht es durch die demütige Voraussetzungslosigkeit, mit der er den Fragen des Lebens gegenübertritt, daß sich der verhärtete Boden wieder zu lockern beginnt.“13 Gegenstand des Qualifizierens war bei Glaser also das Lehrhaft-Exemplarische, dem die Fragen des jeweils Konfessionell-Dogmatischen untergeordnet blieben - eine Fortführung der ökume- nischen Tendenzen der Kriegsjahre. Eine gerade entgegengesetzte Gewichtung nahm Herbert Werner in einem Aufsatz über die zeitgenössische katholische Literatur vor. Diese sei zwar von künstlerischem und religiösem Rang, denn sie zeige auf, wie in den „Armgemachten [...] Gottes Gnade herein in die dahingegebene Welt“14 rage. Seinen Aufsatz aber beschloss Werner mit der Mahnung: „Die katholische Dichtung der Gegenwart, der wir [Protestanten] so wenig zur Seite zu stellen haben, ist große Dichtung. Ist sie am Ende trotz, ja gerade wegen ihrer großartigen Aussagen nicht eine über alle Maßen versuchliche Dichtung?“15 Auch hier also war die Qualifizierung appellativ zurückgebunden an die religiöse Lebenspraxis des Einzelnen (sc. Autors oder Lesers). Von umfassenderem Anspruch, sowohl poetologisch als auch rezeptionsästhetisch, waren die Diskussionen um die Sündenthematik im katholischen Bereich. Neue Maßstäbe setzte hier der Aufsatz, in dem Willy Schreckenberg die theologische Berechtigung des katholischen Sünden- romans nachzuweisen versuchte. Schreckenberg argumentierte in zwei Richtungen. Zum einen forderte er eine Beurteilung, die dem ästhetischen Eigenwert von Literatur gerecht werde, denn christliche Literatur sei „nicht ein Produkt kirchlicher Kulturkraft und damit der Tradition oder der dogmatischen Ein- heit, soweit diese kirchliche Form ist, sondern eine Leistung, die aus dem im Menschlichen und Zeitlichen verhafteten, ihnen zugeordneten und sie durchdringenden Christentum kommt“.16 Wenn aber christliche Literatur nicht lediglich die Affirmationsbedürfnisse eines christlichen Publikums bestätigen dürfe - Schreckenberg nannte hier insbesondere den katholischen Klerus, 11 Ebd.. In Sigrid Undsets Roman ‘Kristin Lavranstochter’ dagegen liege das Verhältnis von Christlichkeit und Welt anders: „Die Not ihrer Helden ist eine irdische Not und greift uns als solche ans Herz, und die ‘geistliche’ Lösung, etwa in Kristins Eintritt ins Kloster, vermag den Eindruck ihrer Unlösbarkeit nicht zu besiegen.“ (Glaser 1949, 180) 12 Ebd., 183. 13 Ebd. 14 Werner, H. 1950/1951, 381. 15 Ebd., 383. 16 Schreckenberg 1952, 106. - C.1.b - 89 der die moderne christliche Literatur (Langgässer etc.) weithin ablehne und durch eine ver- ständnislose Kritik sogar ‘desavouiere’ -, dann folgert daraus zugleich auch eine Forderung an den christlichen Autor, die „Mauer der schützenden Norm“17 zu verlassen und in den Dialog mit der Welt zu treten - ein Dialog allerdings, den Schreckenberg in einem vertieften, eben ‘kat- holischen’ und damit wahren Weltverständnis gegründet sah:18 „Denn eine Literatur, die die Wirklichkeit leugnet, verengt oder zurechtstutzt, bringt nicht die Voraussetzung mit, ernst genommen zu werden, weil sie ja von den falschen und konstruierten Gegebenheiten aus weder zu einem wahren Dialog noch zu der echten Gestaltung und Erhellung vorstoßen kann, die als Weltdeutung und Sinnfindung ihre Aufgabe ist.“19 Den Impetus christlicher Literatur bekräftigte Schreckenberg an anderer Stelle dann noch ein- mal explizit: „Es geht in der Literatur nicht um Theologie und theoretische Konstruktion, nicht um die Rechte von Personen und Einrichtungen, sondern um die Situation einer vielfältigen Gefährdung im Menschlichen und Göttlichen, in denen jene Theologie, wenn auch nicht ihre objektive Geltung und Wahrheit, so doch ihre subjektive Wirkkraft verliert, um durch die Bewegung und Begeg- nung der menschlichen und göttlichen Liebe abgelöst zu werden.“20 Mit anderen Worten: Christliche Literatur stehe quer gegen eine traditionelle, auf die Bindekräfte des Milieus rechnende Seelsorgepraxis.21 Das wiederum bedeutet, dass Schreckenberg bereits 1952 eine Position markierte, hinter die das Moderne-Verständnis katholischer Literaturtheologie fortan nicht mehr zurückfallen konnte, ohne anachronistisch zu sein. Bei der Beurteilung des ‘Falles Münz’ komme ich darauf zurück.22 Theologische Literaturkritik müsse immer versuchen, „die existentielle Echtheit, die innere ‘Wahrhaftigkeit’ und das echte menschliche Pathos im Zeugnis der dichterischen Aussage“23 zu erkennen und „herauszuheben“.24 Dieses Postulat, das später von der avancierten Litera- turtheologie aufgegriffen wurde, verknüpfte Schreckenberg allerdings noch mit ästhetischen Kriterien. So verfiel seiner Kritik beispielsweise Thomas Mann, der „die Säkularisierung bis in die Endaussage eines Nihilismus treibt, die nicht einmal mehr als negative Religion anzuspre- chen ist.“25 Gegenüber Mann, aber auch gegenüber Sartre, Hemingway und Faulkner, bei de- 17 Ebd. 18 Bereits hier also begegnet die Formel vom ‘Dialog’ mit der nicht-christlichen Welt (vgl. Kap. C.3.a.i), der aber nicht verstanden wurde als gegenseitiger Austausch, sondern als ‘echte Gestaltung und Erhellung’ der Gegenwart. 19 Ebd.. Interessanterweise enthält die Zeitschrift, in der Schreckenbergs Aufsatz abgedruckt war, im gleichen Heft eine literaturkritische Umschau, in der Karl-August Götz der theologischen Literaturkritik und implizit auch dem christlichen Lesepublikum vorwarf, der „Einsicht, daß unsere Aufgabe in der sinnvollen Bemächtigung einer neuen Wirklichkeit liege“ (Götz, K. 1952, 153), nicht oder nur oberflächlich gerecht zu werden. Im Grunde entsprach dies der Auffassung Schreckenbergs. In einem vorangestellten erklärenden Abschnitt jedoch erklärte die Schriftleitung, diesen Beitrag zur Diskussion zu stellen, „ohne sich mit der Bewertung des Kritikers in allen Einzelheiten zu identi- fizieren.“ (Götz, K. 1952, 147), und sie bat die Leser, die „fortlaufende Methode der Problemerörterung [...] gerade dort zu beachten, wo die Bewertung zunächst zu negativ oder zu positiv zu sein scheint.“ (ebd.). 20 Schreckenberg 1952, 114. 21 Vgl. auch ebd., 111. 22 Vgl. Kap. E.6. 23 Schreckenberg 1952, 108. 24 Ebd., 108. 25 Ebd., 109. - C.1.b - 90 nen sich „die außer- oder vorchristliche Wirklichkeitsebene“26 in verschiedenen Facetten zei- ge, stehe christliche Literatur in einer „ehrlichen Frontstellung“.27 Die bei Schreckenberg noch klar benannte Frontstellung gegen zeitgenössische nicht-christliche Literatur änderte sich bereits im Verlauf der fünfziger Jahre. Alois Winklhofer umriss 1960 eine „Theologie der Dichtung“28 aus theologisch-dogmatischer Perspektive. Literatur war hier als Weise verstanden, die Ordnung der Welt „in den der Zeit und ihrem spezifischen Existenz- bewußtsein entsprechenden Formen auf eine individuell erstmalige Weise [zu] vergegenwärti- gen und [zu] ‘beschwören’“;29 Winklhofer amalgamierte also das Analogieprinzip mit dem ästhetischen Überbietungsparadigma des 19. Jahrhunderts: „Das Christliche ist die mit Christus in die Welt und über die ganze Schöpfung gekommene Heilswirklichkeit, eine wirksame Kraft personaler Art, die sich der Welt bemächtigt, sie verän- dert, um sie zu erlösen und auf eine kommende Herrlichkeit vor-// zubereiten, und zwar sie ver- ändert gegen den Widerstand Satans und in der Auseinandersetzung mit ihm.“30 In Dichtung spiegele sich die Welt, „der das Interesse Gottes, insbesondere das Interesse des menschgewordenen Erlösers galt und gilt.“31 Diese transzendental-ontologische Sicht vermöge die Literatur auf besondere Weise zu integrieren: „Er [sc. Jesus Christus] stellt diese Welt immer durch den Dichter dem Vater vor Augen, als je- ne, die der Erlösung bedürftig, von ihm am Kreuz erlöst worden ist; im Wort der Dichter ist sie ja präsent, darin lebt sie auf die Weise, wie ein Wort lebt; durch den Dichter sagt Christus die Welt dem, dessen Ewiges Wort er selber ist, ganz gleich ob der Dichter Paul Claudel, Gertrud von le Fort oder Faulkner, Hemingway, Sartre und Camus heißt.“32 Damit war - gegen Ende der fünfziger Jahre - die katholische Debatte um die literarische Dar- stellung der Sünde zu einem Endpunkt gekommen:33 Winklhofer unterschied zwei Grundtypen christlicher Dichtung,34 eine Auffassung, die noch in neueren katholischen Positionen begeg- net, entweder als ‘De-profundis-’ und ‘Te-deum-Literatur’ (Kienecker) oder als ‘Kenosis und Doxa’ (Kammermeier): „Theologisch gesehen übt [...] jede Kunst und auch die Dichtung ein Priesteramt aus, das stän- dig diese Welt nicht bloß in ihrer Christusverbundenheit zeigt, sondern sie in Christus dem Vater darstellt und zur Begnadung darbietet.“35 Deutlich stand in dieser Konzeption von christlicher Literatur der Autor im Mittelpunkt. So begründete Winklhofer die Christlichkeit christlicher Literatur denn auch vom Sakrament der 26 Ebd. 27 Ebd. 28 Winklhofer 1960, 142. 29 Ebd., 146. 30 Ebd., 147//148. 31 Ebd., 142. 32 Ebd. 33 Zur Sündenthematik vgl. ausführlicher ebd., 148f. 34 Vgl. ebd. 35 Ebd., 143. - C.1.b - 91 Taufe her, das den christlichen Autor unwiderruflich präge. Vielzitiert ist vor allem folgende Formulierung: „Auch wenn einer abgefallen und sein Glaube scheinbar ganz erstorben ist, bleibt er unter dem Gesetz, das ihn einmal durchdrungen hat.“36 Diese Sichtweise erlaubte es, die in Literatur jeweils gestaltete Christlichkeit nach den Kriteri- en von Häresie und Rechtgläubigkeit zu beurteilen. Diesem Beurteilungsmaßstab war denn auch nicht nur das Werk, sondern der jeweilige Autor in seiner künstlerischen Freiheit unter- worfen: Konsequenterweise räumte Winklhofer der Verfälschung der „Integrität der christli- chen Wirklichkeit“37 breiten Raum ein. Eine neue Stufe in der Aneignung zeitgenössischer Literatur erreichte der katholische Diskurs 1962 in einem Vortrag Karl Rahners. Zwar beschäftigte sich Rahner mit der Frage, wie die Christlichkeit eines Schriftstellers zu bemessen sei und wie sich der (katholische) Christ gegen- über Literatur zu verhalten habe - eine reich entfaltete Kasuistik lehramtlicher Distinktionen, die hier nicht weiter erörtert werden soll. Ergiebig jedoch zeigte sich sein Ansatz hinsichtlich einer grundsätzlichen Bestimmung von zeitgenössischer Literatur aus katholisch-theologischer Sicht: „Die wirklich gefährliche theoretische Bestreitung des Christentums kann von gar nichts ande- rem leben als von den noch nicht genügend von den Christen bewältigten echten Fragen.“38 Konkrete Beispiele für diese These blieb Rahner, der Anfang der sechziger Jahre von einer römischen Vorzensur bedroht war, allerdings schuldig. Gemeint sein konnte hier also sowohl eine Legitimation zeitgenössisch-säkularer Literatur als auch eine Legitimation des christlichen Sündenromans. Begründen lässt sich beides. Rahner jedenfalls setzte voraus, dass Literatur eine Auseinandersetzung mit zentralen Fragen nur dann leisten könne, wenn sie „den Menschen in die gründenden Abgründe seines Daseins“39 hinein führe. In solcher Literatur sei nicht nur ‘der erlöste und erlösungsbedürftige Mensch’ zu finden, sondern der Christ sei „in der seligen Ge- fahr, Gott zu begegnen“.40 Genau hier lag der zentrale Aspekt von Rahners Erörterungen über Literatur: die Rezeption aus christlicher Sicht, gefasst in der Kategorie des ‘anonymen Chris- ten’ - oder anders formuliert: der Schriftsteller als Interpretandum: 36 Ebd., 144. 37 Ebd., 156. 38 Rahner 1962/1971, 392. 39 Ebd., 393. 40 Ebd., 392. - C.1.b - 92 „Es gibt ein anonymes Christentum, es gibt Menschen, die bloß meinen, keine Christen zu sein, aber es in der Gnade Gottes sind. Und so gibt es ein anonym begnadetes Humanes, das meint, reine Menschlichkeit zu sein. Wir Christen können es besser verstehen als es sich selbst.”41 Für den katholischen Literaturdiskurs jedoch waren Rahners Thesen, die er 1962 auch auf der Arbeitstagung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken hielt, insofern bedeutsam, als hier von Seiten eines namhaften Theologen die Auseinandersetzungen um den Sündenroman für obsolet erklärt wurden: „[...] wirklich großes Christentum und wirklich große Dichtung haben eine innere Verwandt- schaft. Sie sind gewiß nicht dasselbe. Aber große Dichtung ist doch nur dort, wo der Mensch sich radikal dem stellt, was er selber ist.”42 (ii) literaturkritisch Zu den methodisch differenziertesten Vertretern des literaturtheologischen Diskurses nach 1945 gehörte Curt Hohoff, an dem alleine sich bereits der Übergang der Literaturtheologie von ihren traditionellen zu ihren avancierten Theoremen nachzeichnen lässt. Bis Mitte der fünfziger Jahre noch zielten seine literaturtheologischen Beiträge auf die Bedeutung derjenigen christlichen Literatur, die Hohoff - in den dreißiger Jahren Redakteur beim ‘Hochland’ - auf das Wirken Carl Muths zurückführte: „Der christliche, speziell der katholische Roman in den Jahren vor und nach dem Zweiten Welt- krieg ist erstaunlich literaturfähig geworden.“ und: „Der literarische Rang entspricht dem all- gemeinen Niveau.“43 Diesen literarästhetischen Standard, den Hohoff an christlicher Literatur gewahrt wissen woll- te,44 verteidigte er in einem Aufsatz von 1953 über den zeitgenössischen katholischen Sünden- roman vor allem am Beispiel Graham Greenes. Die um sich greifende literarisch verarbeitete „Sündenromantik“45 werde hier nicht theologisch, sondern literarisch behandelt, und Hohoff warnte vor der Entäußerung des katholischen Romans an den breiten Publikumsgeschmack: 41 Ebd., 394 (Hervorhebung von mir). Guardini entwickelte einen ähnlichen Gedanken, begründet ihn aber litera- risch-phänomenologisch: Der Interpret habe „Fug und Aufgabe, für den Dichter in seiner Eigentlichkeit gegen den einzutreten, der er zufällig ist.“ (Guardini 1962, 174) 42 Rahner 1960, 231. 43 Beide Zitate Hohoff 1953, 266. Christliche Literatur, die diesen Standard verfehlt, wurde als „Kitsch“ abgelehnt. Ähnlich scharf grenzte Hohoff das Gebiet der christlichen Literatur von der Mediensprache ab, so in seiner Rezensi- on von Jim Bishops Jesus-Roman ‘Der Tag, da Christus starb’: „Wenn man das religiöse und geschichtliche Faktum des Todes Christi in den Stil der Massenreportage preßt, wird der Text um so unkenntlicher, je genauer zu sein er vorgibt, und das ist eine sehr moderne Form der Lüge.“ (Hohoff 1958/59, 87. Somit wäre auch die in der avancier- ten Literaturtheologie geläufige Einschätzung zu relativieren, die der traditionellen theologischen Literaturkritik nur ein Selbstbestätigungsinteresse bescheinigt, das von ästhetischen Fragen absehe. 44 Vgl. auch Hohoff 1949/1950, 187. 45 Hohoff 1953, 266. - C.1.b - 93 „Es besteht die Gefahr, daß der katholische Roman seine mühsam in vierzig Jahren errungene Geltung an eine Zeitströmung verliert.“46 Dort, wo die Balance zwischen Gnade und Sünde aufgegeben sei, drohe die einstmals theolo- gisch fruchtbare Gattung des Sündenromans zum bloßen „Klischee“,47 zur „Kolportage“48 abzusinken. Stattdessen sei die Aufgabe des christlichen Autors, die paradoxe Situation des Christen von heute zu durchdringen. Damit war nicht eine Paradoxie im Sinne Kierkegaards gemeint, vielmehr das katholische „Vertrauen in die Leuchtkraft der Vernunft“,49 das einen unverfügbaren Wesenskern im Menschen annimmt: „Die programmatischen Gottesleugner sind schon aus Gründen der allgemeinen Skepsis wenige geworden. In den Individuen der sogenannten Massen lebt immer ein besseres Ich, ein Wün- schen, wenn nicht Wissen höherer Wirklichkeit. Diese merkwürdige Korrespondenz ist das Privi- leg des christlichen Schriftstellers, er allein weiß die vielen Fäden zwischen Natur und Überna- tur zu deuten. Andererseits weiß er, daß es heute weniger als je gelingen wird, die beiden Brennpunkte im Innern des Menschen übereinanderzuschieben: auch das ist ein Zeichen; wenn man es symbolisch zu deuten weiß, zeigt sich das besondere ‘Kreuz’ unserer Zeit.“50 Daraus folgerte Hohoff die Aufgabe einer christlichen Literatur, die über sich selbst hinauswei- se: „Das Geheimnis der künstlerischen Gestalt ist die Verwandlung, eine Art Erhebung bis zu jenem Punkt, wo das Einzelne zum Gleichnis wird. Das unterscheidet sie vom Reißer und Report und gibt ihr die Qualität, welche als Dichtung die Zeiten überdauert.“51 Zwei Jahre später war diese Sicht bereits relativiert. Zwar fußte Hohoff noch immer auf tradi- tionellen katholischen Vorstellungen,52 räumte jedoch ein, dass in dem, was er ‘christliche Problemdichtung’ nannte, ein Widerspruch zwischen dichterischer und christlicher Wahrheit manifest werde, dass also hier „das Christliche [...] dichterisch am wenigsten bewältigt“ sei.53 Den Grund sah er in der pluralen Gegenwart, zu der auch der Autor gehöre: „Bei den Problemdichtern tritt das Christliche in ein gespanntes Verhältnis zur Welt, als sei die Welt Sünde, und nimmt vielfach einen moralischen Eifer an.”54 Damit war nicht die christliche Literatur in Frage gestellt, denn deren Notwendigkeit betonte Hohoff ausdrücklich. Jedoch deutete sich bei ihm bereits an, was dann Ende der fünfziger Jahre in der Diskussion um das Problem einer christlichen Literatur aufbrach.55 46 Ebd., 267. Den Begriff des ‘christlichen Beststellers’ besetzte Hohoff erst gegen Ende der fünfziger Jahre eindeutig pejorativ. 47 Ebd., 267. 48 Ebd. 49 Adam 1949, 185. 50 Hohoff 1953, 270. 51 Ebd. 52 So finden sich beispielsweise Thesen Zangerles wieder, beispielsweise die Fundierung des dichterischen im göttli- chen Wort. Auch nahm Hohoff eine Resakralisierung der Gesellschaft in Aussicht. Anders als bei Zangerle war dieser Gedanke jedoch nur noch angedeutet. 53 Genannt waren Mauriac, Langgässer, Waugh, Goes, Schaper und Holthusen; ausgenommen war Claudel. 54 Hohoff 1955, 7. - C.1.b - 94 Auch Hans Egon Holthusen56 gehörte seit den dreißiger Jahren zum Kreis der Hochland- Autoren. Anders als Hohoff jedoch nahm der Protestant Holthusen gegenüber der christlichen Literatur eher eine Außenperspektive ein. In der Nachkriegszeit ging Holthusens Literaturkritik von der Annahme aus, das Wahre - und im Wahren eine Versöhnung mit sich selbst - sei dem Menschen wenigstens bruchstückhaft zugänglich: „Auch das Dämonische, das, wie Kierkegaard sagt, ‘Verschlossene’, das Verzweifelte, das ver- zweifelnd nur es selbst sein will, hat eine Art Apostolat. Es kommt ohne ein Körnchen Wahrheit nicht aus. Das Dämonische ist gewissermaßen die irreführende Spiegelschrift des Wahren oder die Parodie auf das Wahre.“57 Eine zentrale Bedeutung für die Aufgabe der Versöhnung wies Holthusen der Literatur zu. Zwar beurteilt er deren Möglichkeiten - wie überhaupt die kulturellen Möglichkeiten der Ge- genwart - grundsätzlich pessimistisch, gemessen an der goetheschen Kategorie der ‘Fruchtbarkeit’.58 An Thornton Wilders Schauspiel ‘Wir sind noch einmal davongekommen’ manifestiere sich sowohl die „Wahrheit des Zeitgeistes“59 als auch „die zeitlos gültige Ord- nung der menschlichen Welt“,60 und Holthusen resümierte in seinem Essay ‘Ein Gang durchs Labyrinth’ von 1948: „Es ist nun die Frage, ob es im geistigen Spannungsfeld unserer Zeit eine Position gibt, wo diese Gegenideen gegen das Christliche, diese ‘Parodien’ auf das alte Wahre wieder aufgehoben wer- den können, und das geistige Muster, mit dem das Abendland beinah zwei Jahrtausende gelebt hat, wieder in Ordnung gedacht werden kann. Es ist also die Frage, ob es einen Dichter gibt, der für uns heute dasselbe tut, was Aljoscha Karamasow tat, als er gegen die Antilegende seines Bruders protestierte, um die Legende wiederherzustellen.“61 Bis heute ist Holthusens Name verknüpft mit der Gedichtanthologie ‘Ergriffenes Dasein’,62 deren Erfolg im damaligen Buchmarkt man als Signatur eines weit verbreiteten Trostbedürfnis- 55 Vgl. dazu Kap. C.2.a. 56 1913-1997, Studium in Berlin, Tübingen und München; 1937 Dr.phil. und Lektor für ausländische Studenten an der Universität München, später am damaligen Goethe-Institut; 1939-1945 Wehrdienst; 1961-1964 Leiter des kultu- rellen Programms im Goethe-Haus New York; 1968-1981 Professor an der Northwestern University, Evan- stown/USA, 1968-1974 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (Angaben nach Who is who, Aus- gabe 1990/1991 und Holthusen 1983). Gedichtbände: ‘Hier in der Zeit. Gedichte’ (1949) und ‘Labyrinthische Jahre. Neue Gedichte’ (1952). Der heutige Zustand der Reichsschrifttumskammer-Akte (Bundesarchiv: RKK, 2101/0533/15; Einsichtnahme im Januar 2001) erlaubt keine näheren Aufschlüsse mehr über Holthusens Mitglied- schaft in der ‘SS’ seit November 1933; immerhin fällt der im Vergleich zu den in anderen Akten dokumentierten Briefwechseln der fast herrische Tonfall gegenüber der Reichsschrifttumskammer auf. Genaueres dürfte die archivali- sche Erschließung des Holthusen-Nachlasses ergeben, die seit kurzem als DFG-Projekt an der Universität Hildesheim installiert ist. 57 Holthusen 1955, 20 (aus dem Essay ‘Ein Gang durchs Labyrinth’, geschrieben 1948). 58 In den ‘Noten und Abhandlungen zum Divan’, die Holthusen in einer Ansprache zum Goethejahr 1949 folgender- maßen zitierte: „Alle Epochen, in welchen der Glaube herrscht, unter welcher Gestalt er auch wolle, sind glänzend, herzerhebend und fruchtbar für Mitwelt und Nachwelt. Alle Epochen dagegen, in welchen der Unglaube, in welcher Form es sei, einen kümmerlichen Sieg behauptet, und wenn sie auch einen Augenblick mit einem Scheinglanze prahlen sollten, verschwinden vor der Nachwelt, weil sich niemand gern mit der Erkenntnis des Unfruchtbaren abquälen mag.“ (Holthusen 1955, 218) 59 Ebd., 143 (Aus dem Essay ‘Der Mensch und die Katastrophe’, geschrieben 1947). 60 Ebd., 140 (Aus ‘Der Mensch und die Katastrophe’) 61 Ebd., 21 (Hervorhebung im Original). 62 1. Auflage 1953. - C.1.b - 95 ses lesen kann.63 Das Verb des Titels lässt sich als Zustands- und als Vorgangs-passiv verste- hen. Es deutet an, was Holthusens literaturkritischem Wirken vor allem in der Nachkriegszeit und in den fünfziger Jahren als Subtext zugrunde lag, nämlich das Postulat der Zeitgenossen- schaft. • Das betrifft zunächst den Gegenstandsbereich: Holthusen überschritt den Bereich einer im engeren Sinne als ‘poetisch’ verstandenen Literatur, „jene ideale Zone einer sprachlichen Hochfrequenz“,64 und nimmt auch „das kaum überblickbare Ganze des literarischen Lebens als ein Organ des gesellschaftlichen Daseins, als eine Ausdrucksform höherer Gesittung“ in den Blick. Gerade die Autoren, die sich auf der Grenze zwischen Literatur, Wissenschaft, politischer Publizistik sowie „Literatur- und Kulturkritik“65 bewegten, würden oft als „besonders zeitgerecht empfunden“66 - als Beispiele waren Friedrich Sieburg, Theodor W. Adorno und Reinhold Schneider genannt. Wenn Holthusen dann an Friedrich Sieburg hervor- hob, dieser lasse „ es sich angelegen sein [...], in dem literarischen Stimmengewirr unserer Tage kritische Ordnungsprinzipien durchzusetzen“,67 so dürfte sich eine solche Kennzeich- nung auch auf sein eigenes Wirken bezogen haben.68 • Darüber hinaus zählte Holthusen zu den wenigen theologisch ambitionierten Literaturkritikern der fünfziger Jahre, die die Entwicklung der Naturwissenschaften nicht lediglich kursorisch unter dem Aspekt von „Kernspaltung und Atomphysik mitsamt ihren technokratischen Kon- sequenzen und seelischen Reflexen“69 in den Blick nahmen, sondern eine Parallele zogen zwischen der „Emanzipation und Entwurzelung“70 des zeitgenössischen Menschen und dem Wandel des naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriffs, nämlich der „Grundlagenkrisis des naturwissenschaftlichen Be-//wußtseins“.71 In dem erwähnten Essay ‘Ein Gang durchs Laby- rinth’ ist die Rede von einem „neuen Denkstil“, der „auch die Geisteswissenschaften nicht unberührt“ lassen könne.72 Allerdings war dieser Hinweis nicht näher ausgeführt, und im ganzen verblieb Holthusen in einem geisteswissenschaftlichen Erklärungsmuster: „Liegt nicht der großartig groteske Schatten Friedrich Nietzsches immer noch auf dem, was in unserer Zeit gedacht, getan und gelitten wird?“73 • Der dritte Aspekt von Zeitgenossenschaft betraf den Ansatzpunkt der Literatur- bzw. Kultur- kritik. Die Gegenwart nämlich deutete Holthusen als Labyrinth, durch das er seine Leser ge- leite.74 Der zeitgenössische Mensch - so Holthusen - sei illusionslos, was er sowohl am Bei- spiel der christlichen Ethik als auch am Beispiel des ‘Nihilismus’ belegt, jedenfalls am Bei- 63 Vgl. Endres 1983, 125. 64 Holthusen 1955, 304. (Dieses und die folgenden Zitate sind dem Essay ’Deutsche Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg’ (geschrieben 1955) entnommen.) 65 Ebd. 66 Ebd. 67 Ebd. 68 Vgl. dazu auch Holthusens Brief an Hans Harder Biermann-Ratjen von 1949, abgedruckt in: Hol- thusen/Biermann-Ratjen 1949, 21-31, sowie den Essay ‘Konversion und Freiheit’, geschrieben 1951 und abge- druckt in Holthusen 1955, S. 186-215. 69 Kampmann 1973, 29. 70 Holthusen 1955, 10 (‘Ein Gang ...’). 71 Ebd., 10//11 (‘Ein Gang ...’). 72 Ebd., 11 (‘Ein Gang ...’). 73 Ebd., 16. 74 Den einleitenden Essay des Bandes ‘Der unbehauste Mensch’ überschrieb Holthusen mit ‘Ein Gang durchs Laby- rinth’ (geschrieben 1948); auch einer seiner Gedichtbände führt die Metapher im Titel (‘Labyrinthische Jahre’, veröf- fentlicht 1952); in seiner Kritik zum ‘Doktor Faustus’ (Holthusen 1949, 9) sprach er von der „labyrinthisch ver- schlungenen und endlos zu verlängernden Motivkette“, die die Musik im Werk Thomas Manns bilde. Die Ontologie, die seinen Ausführungen zugrunde liegt, ähnelt der des Katholiken Wilhelm Grenzmann (vgl. Kap. C.3.a.v), den Holthusen allerdings nicht nannte. Die Bewertungsmaßstäbe aber waren die gleichen, etwa wenn Holthusen über Thomas Mann urteilte: „Was die Begriffe Thomas Manns angeht, so versinkt man leicht ins Bodenlose, wenn man einen von ihnen fixieren, umreißen, lokalisieren will. Seine Begriffe haben keine festen Grenzen, keinen Ort, keinen eindeutigen Geltungsbereich. Sie sind als Begriffe gar nicht ernst zu nehmen, sind nur als schwebende Stimmungs- werte und psychologische Reizstoffe zu verstehen, deren Vermischung, Verarbeitung und effektvolle Anwendung eine enorme stilistische Energie sich angelegen sein läßt.“ (Holthusen 1949, 13) - C.1.b - 96 spiel des existentialistischen Nihilismus. Der Existentialismus nämlich habe „vor der Psy- choanalyse und dem Marxismus das Eine voraus, daß seine Fragestellung eine metaphysi- sche ist, und daß er uns unmittelbar an die Alternative heranführt, die mir ein Kernproblem der Epoche zu enthalten scheint: Gott oder das Nichts, Christentum oder Nihilismus.“75 Das Postulat der Zeitgenossenschaft war allerdings geknüpft an das „Pathos einer leiden- schaftlichen Gottesliebe“,76 das Holthusen einer rationalen Analyse überlegen wähnte. Der ‘Gang durchs Labyrinth’, im dritten Jahr nach Ende des Krieges verfasst, schloss mit einem prophetischen Satz von Novalis, der sich allerdings - genau betrachtet - nicht in die Logik der Gedankenführung einfügte77 und von Holthusen auch nicht kommentiert oder erklärt, sondern schlicht proklamiert war: „In dieser für Gläubige wie für Ungläubige gleichermaßen verbindlichen Chiffre [des illusions- losen Versuchens] haben wir eine der wesentlichsten [sic] Sinnfiguren des Zeitalters. Unter ih- rem Zeichen freilich scheiden sich die Geister in solche, die nein sagen, und solche, die ja sagen. Es ist letzten Endes die Entscheidung für oder gegen das Kreuz: ‘Wahrhafte Anarchie’, sagt No- valis, ‘ist das Zeugungselement der Religion. Aus der Vernichtung alles Positiven hebt sie ihr glorreiches Haupt als neue Weltstifterin empor.’“78 Dass der Protestant Holthusen - wenigstens in den ersten Nachkriegsjahren - den spirituell- utopischen Optimismus der katholischen Romantik als unmittelbar praktikablen Ausweg aus dem zeitgenössischen Labyrinth darstellte, kann als typisch für die Bewusstseinslage christli- cher Literatur seit der Nachkriegszeit gelten.79 Bei Holthusen allerdings, der sich selbst zur „Rasse der Transzendentalisten“80 rechnete, war dieser Ausweg nicht etwa kirchlich festge- legt.81 Vielmehr nannte er als Kriterium für die ‘zeitgenössische Relevanz’ von Literatur, in- wieweit sie sich schöpferisch an den Auseinandersetzungen um eine zeitgenössische Kulturauf- fassung beteilige, welche Art der Beteiligung dies auch sei - wobei schöpferisch im Sinne von konstruktiv zu verstehen ist. Beispielsweise schrieb Holthusen noch 1977 über die Lyrik Wil- helm Lehmanns: „Schon das richtig gesteuerte Fragen kann ja stinnstiftend sein: Das Fragen, hat Heidegger ge- sagt, ist die Frömmigkeit des Denkens. Dem Fragen des Denkers entspricht auf der Seite des Dichters die Antwort durch das Gedicht, das Gedicht als Antwort, nicht weniger ‘fromm’, nicht weniger erbaulich.“82 Aus dem Zusammenhang geht hervor, dass hier nicht nur Lehmann gemeint ist, sondern alle Dichter. An anderer Stelle berief sich Holthusen explizit auf einen Satz Lehmanns: „Dichtung läßt sich nicht zu Gewinn oder Ungewinn einer ‘Weltanschauung’ verschrotten, da sie eben 75 Holthusen 1955, 33 (aus: Ein Gang ...’). 76 Holthusen 1949, 27. Vgl. dazu auch die in Kap. B.2.b.i angesprochene Replik von Seiten Hans Harder Biermann- Ratjens. 77 Holthusen sprach zwar vom ‘Labyrinth’, vom Nihilismus und vom Verlust der metaphysischen Dimension, über- nahm aber nicht Novalis’ Diagnose, dass die Gegenwartsgesellschaft ‘wahrhaft anarchisch’ sei. 78 Holthusen 1955, 39 (aus: ‘Ein Gang ...’). 79 Ähnlich noch Hajek 1958, 24 (ebenfalls aus protestantischer Sicht). 80 Holthusen 1955a, 346. 81 Vgl. hierzu vor allem seinen Essay über Bernanos (Holthusen 1958a), in dem er sich gegen die ekklesiologische Interpretationsweise Balthasars wandte 82 Holthusen 1983, 110. - C.1.b - 97 ‘nur’ Anschauung der Welt ist.“.83 Demgegenüber verfiel Thomas Mann der Wertung: In einem ausführlichen, 84-seitigen Essay über den ‘Doktor Faustus’ attestierte Holthusen dem Autor eine gefällige, im Artistischen ver- bleibende feuilletonistische Kulturkritik, die die Wahrheit von Jahrtausenden „relativistisch- modernistisch“84 parodiere und persifliere: „Thomas Manns ‘Kulturkritik’ ist nicht zu verstehen als der schöpferische Durchbruch eines neuen epochemachenden Kulturbegriffs, wie Herder oder Nietzsche ihn formuliert haben, nicht als ‘kulturpolitische’ Kampfangsage an den Geist der Zeit im Namen eines neuen Lebensideals wie etwa im Falle Stefan Georges und seines geistigen Ordens.“85 Das Zitat enthält nicht nur eine Feststellung, sondern auch eine Forderung, die Holthusen an anderer Stelle so ausdrückte: Es gelte, „im circulus vitiosus der kulturkritischen und politischen Alternativen der zeitgenössischen Welt Stellung zu nehmen“,86 um der „totale[n] Säkularisie- rung und Selbstauflösung unserer Kultur“ Einhalt zu gebieten,87 wie sie sich etwa in „Psychoanalyse und Politizismus“88 manifestiere. Das Wort von der ‘Selbstauflösung’ im ‘Politizismus’ gewann verständlicherweise größere Schärfe im Zuge der Studentenrevolte und ihrer Auswirkungen, und Holthusens Kommentar dazu - in einem Essay über Wilhelm Lehmann, den die Bayerische Staatskanzlei 1977 in einem Privatdruck herausgab - zeigt, dass er sich in den siebziger Jahren von der theologischen Stren- ge seiner Anfangsjahre entfernt hatte und dass das Religiöse allenfalls noch als Konnotation mitschwang bzw. als Chiffre für ‘Wertebewusstsein’ fungierte: „Wie soll man bloß durchdringen, wie soll man sich auch nur bemerkbar machen mit seiner Überzeugung, daß Dichtung Sinngebung ist, blühende Wahrheit, daß die poetischen Überliefe- rungen unseres Volkes, des Kulturkreises, der Weltliteratur voll und übervoll sind von Antwor- ten, voll von sinnstiftenden Glanzleistungen der menschlichen Einbildungskraft - oder, um eine schöne Prägung von Wilhelm Lehmann zu übernehmen: voll von (latentem) ‘Lesejubel’?“89 Bereits in seinem Essay über ‘Existentialismus und Aufklärung als Formen des Unglaubens in der modernen Literatur’ (1968) hatte Holthusen in scharfer Form gegen die zeitgenössische Literatur polemisiert, die, „wenn man von einer Ausnahme wie Heinrich Böll absieht“, für „theologische Fragestellungen [...] taub“90 sei. 83 Zit. nach ebd., 106. 84 Holthusen 1949, 36. 85 Ebd.. Der Gedanke war erneut aufgegriffen im Essay ‘Konversion und Freiheit’ (1951), abgedruckt in Holthusen 1955, S. 186-215. Auf Thomas Mann beziehen sich insbesondere die Ausführungen auf S. 205-208, ohne dass aller- dings der Name Manns fällt. Auch spätere Bekundungen Holthusens machen deutlich, dass er die Thesen seines umstrittenen Nachkriegsaufsatzes über den ‘Doktor Faustus’ im Kern aufrechterhielt. 86 Holthusen 1949b, 58. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 Holthusen 1983, 109. 90 Holthusen 1968, 88. - C.1.c - 98 c) Christliche Literatur deuten (i) pastoral (I):1 ‘unser Dienst am heutigen Menschen’ Die 1947 veröffentlichte Dissertation von Christine Bourbeck über ‘Schöpfung und Men- schenbild in deutscher Dichtung um 1940’ setzte an bei dem Diskussionszusammenhang des Eckart-Kreises vom Ende der dreißiger Jahre.2 Rein formal bestimmte Bourbeck zeitgenössi- sche Literatur in einer zweifachen Funktion. Zum einen könne Literatur, auch solche, in der „nicht zunächst der christlich erleuchtete, sondern der suchende Mensch unserer Zeit“3 be- gegne, der theologischen Praxis die geistige Situation des zeitgenössischen Menschen erschlie- ßen; solche Literatur also könne „uns für unseren Dienst am heutigen Menschen Helfer sein“.4 Insbesondere nannte Bourbeck hier - ein Wort Kurt Ihlenfelds aufgreifend - „das Heimverlan- gen in die Fülle der Schöpfung“5 Zum anderen könne Literatur christliche Erfahrungen vermit- teln, die mitunter weiter reichten „als die des heutigen kirchlichen Durchschnitts“6 - ein Ge- danke, der den reformkatholischen Ansatz des ‘renouveau catholique’ aufgriff und von Bour- beck auf die Kriegs- bzw. Nachkriegszeit gewendet wurde. Die Aufgabe einer christlichen Lite- ratur und Literaturdeutung nämlich sah sie darin, „zu einer gültigen Antwort auf die Fragen der Zeit“7 beizutragen, womit indirekt auch die Nachkriegssituation gemeint gewesen sein dürfte. Bourbecks Arbeit allerdings - im März 1945 abgeschlossen,8 also in der aufgeheizten Phase des sog. ‘Endkampfes’ - deutete die Kriegszeit und „die selbstsicheren Ansprüche der heute herr- schenden Mächte des Bios und des Schicksals“9 verständlicherweise allein unter eschatologi- schen Aspekten. Das bei Bourbec umfassend entwickelte theologisch praktische Interesse an Literatur war in den Arbeiten des protestantischen Theologen Hans Urner10 zurückgenommen auf den Akt des 1 Dorothee Sölle (1969, 304) und Anton Grabner-Haider (1971, 125) verwenden diesen Begriff, um die theologi- sche ‘Heimholung’ moderner Literatur zu kennzeichnen; ich verstehe ihn hier in seinem umgangssprachlichen Sinne. 2 Sie bezieht sich u.a. auf Kurt Ihlenfeld (Erdensohn und Gotteskind, Berlin 1940), Siegbert Stehmann (Erzählung als Verkündigung, Berlin o.J.) und Jochen Klepper (Der christliche Roman, Berlin 1940). 3 Bourbeck 1947, 7. 4 Ebd. 5 Ebd., 14. 6 Ebd., 7. 7 Ebd., 148. 8 Dem Klappentext zufolge. 9 Ebd. 10 Geb. 1901, Theologiestudium, 1928 evangelischer Pfarrer in Panthenau b. Haynau (Schlesien), später in Berlin; Mitglied der Bekenntnissynode Berlin und Beauftragter der Kirchenleitung für die Mitarbeit in den Volkshochschu- len Berlins, auch Mitarbeiter in der Evangelischen Verlagsanstalt und in der Redaktion der Zeitschrift ‘Die Zeichen der Zeit’; seit 1952 Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; 1954-1957 Mitglied der Kirchen- leitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Magdeburg; 1957-1961 Konsistorialrat (Die Angaben sind der Festschrift anlässlich von Urners Emeritierung (vgl. Fußnote 12 in diesem Kapitel) und dem Deutschen Biographischen Archiv II, 1331, Fiches 329-330, entnommen. Wo sich die Jahreszahlen widersprechen, folge ich den Angaben des DBA.) - C.1.c - 99 individuellen, wenn auch pastoral intendierten Lesens. Urners Aufsätze, in denen er sich aus- führlicher mit literarischen Fragen beschäftigte, waren entweder Gelegenheitsarbeiten oder Rezensionen.11 Ihr theologisches Anliegen erhellt aus der Überschrift, unter der sie in der Fest- schrift zu Urners 65. Geburtstag zusammengefasst wurden („Dichtung als Ruf und Herausfor- derung“), womit weniger die Theologie als Fachwissenschaft angesprochen war als vielmehr der einzelne Leser, eben der Adressat der Rezensionen.12 Charakteristisch für die Aufsätze, die sich nicht auf christliche Literatur im engeren Sinn beschränkten, ist der ihnen eigene Habitus des Meditativen: Die in ihnen entfalteten Assoziationen zeichnen den Leseprozess des theolo- gisch sachverständigen Lesers nach.13 Den Roman ‘Das unauslöschliche Siegel’ beispielsweise nahm Urner als Anlass zu einer (irenischen) „Begegnung mit den römischen Christen“,14 und Elisabeth Langgässers Roman wurde zum Anknüpfungspunkt eines interkonfessionellen Ge- sprächs.15 Überhaupt sind seine literarischen Aufsätze als Kommentar zur zeitgenössischen Situation des Menschen zu verstehen: So fand Urner in Elisabeth Langgässers ‘Unauslöschlichem Siegel’ ein Wiederaufleben barocker Weltvorstellungen, nämlich den „leidenschaftliche[n] Blick in den Ab- grund der Welt und das flammende Aufheben der Hände zu Gott, ja, das Brennen des Fleisches und des Geistes zumal“,16 und in den Aufsätzen zu Georg Heym oder Peter Weiss wies Urner auf den deus absconditus, den abwesenden Gott hin. Darin, dass er in solchen Zusammenhängen den Leser ansprach, wenn auch indirekt, zeigt sich die seelsorgerliche Ausrichtung seiner Litera- turkritik, der allerdings ein pastorales Pathos wie das von Kampmann fremd war. Starke Impulse für eine literaturtheologische Auseinandersetzung mit Literatur brachte das publizistische Werk des evangelisch-lutherischen Pfarrers Hans Jürgen Baden.17 Auch er re- flektierte die Situation des Menschen in der Gegenwart und richtete sich an den Einzelnen; stärker als Urner (s.o.) betonte er jedoch die Verpflichtung einer ethisch-sittlichen Lebensfüh- rung. In unterschiedlicher Perspektivik entwickelte Baden sein Grundthema, wie sich der Ein- zelne angesichts seiner unausweichlichen schuldhaften Verstrickung in die Bedingtheiten alles 11 Vollständige Bibliographie von Urners Veröffentlichungen aus den Jahren 1926-1971 in: Theologische Literatur- zeitung 86 (1961) Sp. 872 - 874; 87 (1962) Sp. 156; 91 (1966) Sp. 389; 97 (1972) Sp. 397. 12 Vgl. etwa die Würdigung von Urners theologischem Wirken durch den Rat der Theologischen Fakultät der Martin- Luther-Universität (Halle-Wittenberg) anlässlich seiner Emeritierung; abgedruckt in Weg und Gemeinschaft 1976, 194 - 195, 195. Sicherlich waren Urners literarische Aufsätze auch theologisch motiviert. So untersucht er etwa das Werk Gerhart Hauptmanns ausdrücklich in seiner Bedeutung für die evangelische Theologie (vgl. Urner 1963/1976, 161). 13 Aufschlussreich für das interpretatorische Verfahren des literarisch interessierten Theologen sind folgende Sätze, mit denen der Heym-Aufsatz beginnt: „Weit aufgefaltet liegt vor mir die Stammtafel eines alten schlesischen Ge- schlechts. [...] In Namen und Zahlen sind Wanderungen und Schicksale gepreßt, und nur einem teilnehmenden Her- zen befreien sie sich aus dieser engen Haft.“ (Urner 1947/1976, 141) 14 „Dabei werden wir vieles entdecken, was uns überraschend verwandt erscheint. Die Freude an solchen Entdek- kungen will ich niemandem nehmen, ich teile sie vielmehr von Herzen.“ - Alle Zitate bei Urner 1947/1976a, 172. 15 Vgl. Urner 1947/1976a, 172. 16 Ebd., 171. 17 Geb. 1911, Studium der evangelischen Theologie und Philosophie in Greifswald, Tübingen und Göttingen, 1937- 1951 („mit vierjähriger Kriegsunterbrechung“) evangelischer Pfarrer in der Lüneburger Heide, danach in Hannover, 1960 Dr. h.c. der Wilhelms-Universität Münster, seit 1963 dort Lehrbeauftragter für „Grenzgebiete zwischen Theo- logie und Literatur“ , später Honorarprofessor (Angaben und Zitate sind dem Klappentext von Baden 1971 ent- nommen) - C.1.c - 100 Irdischen vor Gott bewähren könne: dadurch nämlich, dass er die Bürde verantwortlichen Han- delns auf sich nimmt. Individuelles Handeln als kulturelles, im engeren Sinne literarisches Handeln kam in den Frühschriften nur beiläufig zur Sprache, und in der Essaysammlung ‘Das Abenteuer der Wahrheit’18 war es ansatzweise entwickelt. Erst in Badens späteren Veröffentli- chungen zu Anfang der sechziger Jahre19 rückte das Problem einer theologischen Deutung von Literatur in den engeren Fokus einer systematisierenden Betrachtungsweise. Vereinzelte Äußerungen zur Literatur, verstreut in verschiedenen Publikationen, gewinnen erst dadurch Kontur, dass sie sich gegenseitig bedingen. Ein Beispiel dafür: In einer Meditation von 1953 über die Müdigkeit des Menschen etwa bestritt Baden, dass Literatur - ganz gleich welcher Provenienz - den Menschen über die Beschränkungen seines irdischen Lebens erheben könne, wenn sie solches versuche, diene sie der allenfalls Selbstvergötzung des Menschen: „So kann, aufs Ganze gesehen, die Literatur niemals leisten, was André Gide von ihr fordert: ‘Den Men- schen über sich erheben, ihn von seiner Schwere befreien, ihm helfen, daß er über sich selbst hinauswachse [...]“.20 In seinem fiktiven Brief an einen jungen Schriftsteller von 1949 hieß es dagegen: „ Wenn Sie sich niedersetzen, um zu schreiben, dann sagen Sie sich, [...] daß jemand da ist mit einer großen unerlösten Sehnsucht, die ihren Gegenstand noch nicht gefunden hat, und Ihre Aufgabe wird es sein, dieser Sehnsucht zum Ziel und damit zur Erfüllung zu verhel- fen.“21 Erst vor dem Hintergrund des Satzes von 1953 wird deutlich, dass Badens Ratschlag im zweiten Zitat nicht auf eine allgemeine Sehnsucht oder gar auf eine ‘Wahlverwandtschaft’ zwi- schen Autor und Leser zielte, sondern auf die metaphysische Sehnsucht, die ihren Gegenstand, nämlich die heilsgeschichtliche Wahrheit, nur noch nicht kennt. Als Ausgangspunkt für die theologische Beschäftigung mit Literatur nahm Baden die künstle- risch gestaltete Frage nach dem Menschen: „‘Was ist der Mensch?’ Wo diese Frage nicht nur radikal gestellt, sondern auch die eigene Exi- stenz in sie hineingenommen ist, werden in der Antwort religiöse Leidenschaft und Sehnsucht transparent. Das gilt auch von jenen Antworten, die sich irreligiös gebärden; die Verzweiflung liebt oft das helle, provokante Kostüm eines sogenannten Atheismus (den es in Wahrheit nicht gibt), um sich die eigene Ausweglosigkeit nicht eingestehen zu müssen. Aber auch dort, wo diese Ausweglosigkeit mit allen Konsequenzen zu Ende gedacht und gelebt wird, berührt man bereits den Saum des verborgenen Gottes.“22 Badens literaturtheologische Konzeption beruhte also auf der Setzung, alle (Kunst-)Literatur sei implizit religiös.23 Zugleich war sie auf das Leben des Schriftstellers bezogen, den Baden als schöpferischen Menschen,24 als Prototyp des Menschen schlechthin, ins Auge fasste. Bewusst setzte sich Baden gegen das Autonomiekonzept der zeitgenössischen Literaturwissen- schaft ab; er wolle „Bezüge zwischen dem Werk und dem Autor entdecken, die man, falls man sie überhaupt wahrnimmt, geflissentlich zu unterschlagen pflegt.“25 1968 entwarf er eine Typologie von Bekehrungserlebnissen. Die religiösen Bekehrungen sind eingehend dargestellt anhand von Einzelpersonen (Claudel, Eliot, R.A.Schröder etc.): die „ideologische Bekehrung“26 dagegen 18 1. Auflage 1948; 2., erheblich erweiterte Auflage 1949. 19 Zuerst in den Essays „Der verschwiegene Gott“, „Experiment und Wahrheit“ sowie „Das dichterische und das theologische Wort“. Bei diesen Arbeiten handelte es sich ursprünglich um Rundfunktvorträge, die für den Abdruck in Baden 1963 mit Anmerkungen und Zitatnachweisen versehen wurden (vgl. ebd., 9). 20 Baden 1953, 172. 21 Baden 1949, 151. 22 Baden 1963, 9. 23 Den Begriff des implizit Religiösen verwendete Baden selbst nicht. 24 Für die Bestimmung des Schöpferischen bezieht sich Baden auf Sätze aus Rilkes Requiem (Leipzig o.J., S. 31f.). 25 Baden 1971, 45. 26 Baden 1968, 240. - C.1.c - 101 erklärte Baden phänomenologisch anhand von Phasen, für die einzelne Personen (Koestler, Gide, Silone etc.) lediglich als Exempel und als Beglaubigung dienen. Das Schöpferische bestimmte Baden als einen möglichen Weg der menschlichen Rechtferti- gung vor Gott, und das mache die Verbindlichkeit des Künstlerischen aus. Zwar könne ein Schriftsteller die Verpflichtungen des Transzendentalen bagatellisieren, sich ihrer „in die Be- triebsamkeit, ins Amüsement“27 entziehen, in seiner letzten Konsequenz aber münde das Schöpferische entweder in Gott oder im Selbstmord. Das Beharren auf der impliziten Religiosität aller Literatur erklärt den geringen Stellenwert, den Baden der Erörterung von christlicher Literatur im engeren Sinne einräumte. Zwar relati- vierte er nicht grundsätzlich deren Bedeutung, setzte aber voraus, dass die vollkommene Koin- zidenz von Wahrheit und Stil, wie sie sich etwa bei Pascals ‘Pensées’ zeige, historisch und nicht wieder einholbar sei.28 Die zeitgenössische christliche Literatur beschränkte Baden des- halb auf eine Art Verweisfunktion; der christliche Autor schreibe „vor dem Horizont der Transzendenz, ohne daß dies ausdrücklich erwähnt werden müßte. Was immer er schreibt, ist vom Geschmack der Wahrheit wie von einem Gewürz durchdrungen. Die Probleme, die er schildert, sowie der Entwurf und die Führung seiner Figuren: dies alles ist ge- kennzeichnet durch eine Weiträumigkeit, welche der Wahrheit eignet. Man begegnet auf Schritt und Tritt der Gegenwart und Transparenz jener Dimension, welche wir die ewige nennen. Hier erfolgt nicht, wie immer wieder fälschlich behauptet wird, die Flucht aus der Geschichte, der Verrat des Hiesigen; im Gegenteil: man dringt durch auf den Grund der Geschichte, man ent- deckt im Einzelnen das Universale, im Detail das Ganze.“29 Leicht ersichtlich ist, dass hier Rezeptionskategorien dem Werk als spezifische Qualität unter- stellt werden. Möglicherweise ist das der Grund, warum Baden seine literarische Programmatik - mit Ausnahme eben der ‘Pensées’- allenfalls ex negatione exemplifizierte.30 Und die Frage, ob und wann ein Autor zur christlichen Literatur zu rechnen sei, stellte Baden ebenso wenig wie er sie erörterte. Aus diesem Grunde blieb seine Kategorie der christlichen Literatur im Grunde leer - was im Gesamtzusammenhang von Badens Œuvre sicher aber auch von unterge- ordneter Bedeutung war: Zu Recht hat Schröer darauf hingewiesen, dass Badens Interesse nicht dem systematischen Zugriff auf christliche Literatur, sondern der theologischen Deutung des jeweils einzelnen Autors galt.31 Dass die ‘Pensées’ auf eine transzendentale Wahrheit verweisen, begründet Baden mit ihrer sti- listischen Vollkommenheit: „Sein [sc. Pascals] Stil ist Artikulation der Wahrheit - Stil der Wahr- 27 Baden 1971, 47. 28 Vgl. Baden 1949, 153. 29 Baden 1971, 187. 30 Am Beispiel der ‘Geistlichen Gedichte’ Rudolf Alexander Schröders. Vgl. dazu weiter unten in diesem Kapitel. 31 Vgl. Schröer, H. 1991, 298. Ich halte es jedoch für missverständlich, Baden in den Umkreis einer neueren Litera- turtheologie zu rechnen (vgl. etwa Schröer, H. 1991, 298; Krzywon 1973, 563, Anm. 2; Crimmann 1978, 71, Anm. 1). Richtig ist, dass Baden - ausgehend von der Prämisse impliziter Religiosität - die bisherigen Ansätze traditioneller Literaturkritik zu ihrer logischen Konsequenz führte und damit einen Teil moderner Literatur in seiner theologischen Relevanz konstruktiv zu erschließen vermochte. Den Primat eines theologischen Maßstabs aber, der sich die Beurtei- lung darüber vorbehält, ob eine schriftstellerische Existenz gelungen oder gescheitert sei, gab Baden nicht auf - bei aller Diskretion dem einzelnen Autor gegenüber, die ausdrücklich betont war (vgl. etwa Baden 1963, 131). - C.1.c - 102 heit. Im Spektrum dieses Stiles entfaltet sich die Wahrheit, und die Wirkung, die von diesem Stil ausgeht, weist über ihn hinaus auf den Gegenstand. Nicht der Stil fasziniert, sondern die Wahr- heit, welche sich hinter ihm verbirgt, in kühlen, gültigen Sentenzen plötzlich aufleuchtet. Die Pensées haben etwas an sich, das jeden Widerspruch, jede Möglichkeit entgegengesetzter For- mulierung ausschließt.“32 Baden wäre entgegenzuhalten, dass eine solche Bestimmung des äs- thetischen Werts rekursiv und damit tautologisch ist. Zudem handelt es sich bei den ‘Pensées’ - textmorphologisch gesehen - nicht um ein zusammenhängendes Werk, sondern um eine Zusam- menfügung von Gedanken und Aphorismen, die zwar eine Einheit bilden, aber einzeln aufge- schlüsselt und interpretiert werden müssen. Insofern bezieht sich Badens Feststellung, den ‘Pensées’ könne nicht widersprochen werden, offensichtlich auf das Werkganze, nicht auf einzel- ne Aphorismen - was das Kriterium zumindestens fragwürdig erscheinen lässt. Zudem über- springt Baden den Prozess der Aneignung, den die schwierigen, teilweise dunklen Formulierun- gen der ‘Pensées’ erfordern, und setzt seine Interpretation - ohne sich mit anderen Pascal- Exegeten auseinanderzusetzen - absolut: „Er [sc. Pascal] gehört zu den wenigen, welche die Il- lusion des Menschen bis zum Grunde durchschauen.“33 Wenn es - was Baden unterstellt - grundsätzlich möglich ist, Pascal zu verstehen, ergibt sich daraus, dass die Einsicht in ‘die Illusi- on des Menschen’ nicht nur dem Pascal-Interpreten Baden, sondern auch dessen Lesern zugäng- lich ist. Die logisch also nicht stichhaltige Übertreibung des zitierten Satzes hat vor allem rhetori- sche Funktion: mit ihr unterstreicht Baden die Wichtigkeit der ‘Pensées’, aber auch die seines Es- says. Der Primat, den Baden der Ästhetik des Sprachkunstwerks einräumte, führte dazu, dass er ge- nuin geistliche, d.h. also funktional bestimmte Literatur in seine Konzeption von christlicher Literatur nicht zu integrieren vermochte. Das wird am Beispiel von Rudolf Alexander Schröder deutlich, dessen geistliche Lyrik Baden ausnahmslos als ästhetisch minderwertig, floskelhaft, die Wirklichkeit verfehlend verurteilte: „Die Worte und Begriffe, deren er sich bedient, sind in einer beunruhigenden Weise entmateria- lisiert, die Sprache verliert ihre Genauigkeit, ihr Arom, sie verwischt die Details und begnügt sich mit Formeln, welche die Überlieferung geprägt hat. [...] Der Verlust der Wirklichkeit nivel- liert die Sprache und verwehrt ihr die präzise Artikulation des Hiesigen.“34 Der ästhetische Befund allerdings war kein Selbstzweck, denn Baden setzte voraus, dass erst in der vollkommenen ästhetischen Formung das Göttliche aufscheine; ein Gedanke aus der tho- mistischen Tradition. Da nun Schröders geistliche Lyrik lediglich epigonal, im Grunde ästhe- tisch minderwertig sei, verfehle sie das, was christliche Literatur leisten müsse: „sie zeigt sich außerstande, auch nur die Verzweiflung eines einzigen Menschenherzens zu artikulieren - und zu wenden.“35 Dagegen fand Baden gerade diese Fähigkeit in Schröders weltlichen Gedichten, bei denen „Echtheit und Ursprünglichkeit der Erfahrung [...] außer Zweifel“36 stünden. Mithin 32 Baden 1949, 27. 33 Baden 1948, 28. 34 Baden 1968, 145. 35 Ebd., 148. Und auch auf den Autor selbst bezog Baden seine Kritik: „So wird der Glauben erkauft durch den Verrat am Sinnlichen und Einzelnen, die Bekehrung hat die Abkehr von der Welt zur Folge, der Bekehrte fühlt sich als Fremdling, als Heimatloser in seiner Umgebung.“ (ebd., 145). Dagegen hatte Christine Bourbeck noch in den vierziger Jahren gerade Verse in tradierter christlicher Sprachlichkeit (beispielsweise von Max Rößler: ‘Wird dir auch in diesen Tagen / manches aus der Hand geschlagen, / laß den Herrn nur walten. / Wer sein letztes Gut entlassen, / kann mit leeren Händen fassen / Gottes Hand und - halten’, veröffentlicht als Soldatengabe für 1944), als zeitlos bestimmt: „Es ist schön, daß solche Verse heute [sc. in der Kriegszeit] in Briefen und auf Zetteln weitergegeben werden als ein helfendes Wort in der Notzeit. Sie werden eine ähnliche tröstende und aufrichtende Wirkung haben wie die Lieder Paul Gerhardts, die ansprechen können, wann und wo immer Menschen in Not sich nach innerer Hilfe sehnen.“ (Bourbeck 1947, 6) 36 Baden 1968, 159. - C.1.c - 103 seien Schröders sog. ‘weltliche’ Gedichte gar nicht weltlich, vielmehr äußere sich in ihnen die Christlichkeit ihres Autors: „Der Autor lebt jetzt [sc. nach seiner Konversion37 ] im Glauben als in einer anderen Dimension; jeder Gedanke, jedes Bild, jede Einsicht und Perspektive sind durch das Medium des Glaubens verändert.“38 Gegen Baden wäre einzuwenden,39 dass er die Gegensatzpaare ‘geistlich/weltlich’ und ‘christlich/nicht-christlich’ konfundierte und demzufolge Schröders als heteronom intendierte Lyrik mit den Maßstäben der Autonomieästhetik bemaß; es war also die Analyse dem Gegen- stand inadäquat. Ob Schröder die von ihm beabsichtigte Weiterführung der Tradition des Ge- meindegesangs gelungen ist, wäre zunächst eine rezeptionsästhetische bzw. -geschichtliche und erst dann eine theologische Fragestellung. Das braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Dass aber Schröder von Hans Jürgen Baden im Namen der Autonomie- und Originalitätsästhetik ver- nichtend kritisiert wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Auch Baden erlegte der Literatur eine Funktion auf, nur band er diese allein an ihre Ästhetik und nicht - im produktiven Sinne wie Schröder - auch an das Umfeld ihrer Rezeption. Da einige der geistlichen Gedichte Schröders in das Evangelische Kirchengesangbuch aufge- nommen wurden, artikulierte sich in der Einschätzung Badens weniger ein literaturkritischer Einwand als vielmehr eine Kritik an der tradierten Kirchensprache.40 Jedoch zog Baden selbst keine direkte Verbindung vom dichterischen zum theologischen Wort, etwa in dem Sinne, dass das eine das andere anregen könne. Bisher unbeachtet ist allerdings geblieben, dass in seinem 1963 veröffentlichten Essay über ‘das dichterische und das theologische Wort’ das Programm einer ‘Theopoesie’, das später im Gefolge der avancierten Literaturtheologie entfaltet wurde,41 zumindestens angelegt, wenn nicht gar schon in Ansätzen umrissen war. (ii) pastoral (II): ‘alle Unerlöstheit dieser Welt’ In der vorkonziliaren katholischen Literaturtheologie, die sich nicht auf den Einzelnen, sondern auf die Situation der Welt richtet, begegnen unterschiedliche pastorale Tonlagen. Noch 1962 bediente sich der Religionspädagoge Alfons Thome des Pathos der Nachkriegszeit, wenn er in der zeitgenössischen katholischen Literatur (Bernanos, Schaper, le Fort) die Aufforderung zu einer „christlichen priesterlichen Verantwortung angesichts der Menschen unserer Zeit“42 sah: 37 Baden meinte hier nicht nur Schröder, sondern jeden konvertierten oder zur Kirche zurückfindenden Autor. 38 Baden 1968, 154. 39 Baden berief sich in seinen Wertungen auf Holthusen, wenn auch zu Unrecht. Dieser nämlich hatte das dichteri- sche Werk Schröders, auch die Geistlichen Gedichte, als „ein außerordentlich umfangreiches und vieltöniges Oeu- vre, ein wahres Kompendium lyrischer Kunstformen und Variationen auf alle poetischen Muster antiker und nach- antiker Überlieferung, eine Art Testament // des alteuropäischen Formbewußtseins“ bezeichnet (‘Deutsche Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg’ (geschrieben 1955). In: Holthusen 1955, 247-316, hier S. 251//252) und die formale Meisterschaft der Gedichte im Hinblick auf ihre sozialpsychologische Funktion gedeutet: „In der Katastrophenland- schaft der Kriegs- und Nachkriegsjahre war ja für viele Menschen die fortdauernde Kraft der poetischen Form nicht nur ein Trost, sondern eine Wahrheit; die unvergänglichen Mächte des Seins: Gott, Natur und Kunst waren ein Bollwerk gegen die Raserei der geschichtlichen Gewalten.“ (‘Deutsche Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg’ (geschrieben 1955). In: Holthusen 1955, 247-316, hier S. 252) 40 Abgedruckt in Baden 1963, 111-141. 41 Vgl. Kap. C.4.a. 42 Thome 1962, 810 [gemeint ist: Verantwortung für die Menschen unserer Zeit]. - C.1.c - 104 „[...] dieser Schrei des aufgeschreckten Gewissens [in den Werken der genannten Autoren] darf in unserem christlichen Raume nicht mehr verhallen. Wir wollen in ihm begreifen, daß ein Ge- schlecht, das zum königlichen Priestertum Jesu Christi gehört, keine Ruhe mehr finden darf, wenn es sieht, in welcher Entscheidungs- und Verantwortungsmächtigkeit es mitgesetzt ist zum Fall und zur Auferstehung der Menschen seiner Zeit [...].“43 Was Thome also betonte, war der reformkatholische Impuls des ‘renouveau catholique’, der sich an „uns kirchentreue Christen“44 richte. Hier liegt auch der Grund, warum er nicht von christlichen, sondern von katholischen Schriftstellern sprach. In ihren Werken würden Glau- benshaltungen exemplarisch dargestellt, die von den Lesern zu übernehmen seien: Es sei „die priesterliche Aufgabe der gläubigen Menschen, wodurch sie ihren Glauben bezeugen und ihre eigene Heiligung mitbewirken, daß sie alle Unerlöstheit dieser Welt in der Kraft der Christusliebe auf sich nehmen und dadurch die Welt zur österlichen Erlöstheit mitverklären hel- fen.“45 Anachronistisch war Thomes Aufsatz insofern, als er die zeitgenössische Diskussion um Legi- timität und Gültigkeit von christlicher Literatur außer Betracht ließ und einen Triumphalismus vertrat, dessen Unangefochtenheit in die Nachkriegszeit zurückweist. An seinem Aufsatz zeigt sich indes, vor welchem Horizont praktischen Umgangs46 mit christlicher Literatur deren Pro- blematisierung zum Ende der fünfziger Jahre47 stattfand. 1958 sah Eugen Biser die Bedeutung der christlichen Literatur darin, dass sie die Signatur der Gegenwart, die „via purgativa der Christenheit“,48 exemplarisch verwirkliche; deshalb sei sie weit über ihre Kreise hinaus notwendig: „Die aus ihrem Gleichgewicht geworfene, in Grenzsituationen abgedrängte Welt verlangt - auch von der dichterischen Daseinsdeutung - die volle christliche Antwort auf die Frage nach ihrem Sinn, ihrem Woher und Wohin.“49 Die christliche Literatur erlaube die Erfahrungen, die in den „Trümmern gedanklicher und realer Überbauten“50 nunmehr zugänglich seien: „Es ist die Geschichte der göttlichen Liebe, die in der Grenzerfahrung dem Menschen zunächst aufgeht. Dann aber wendet sich eben diese Erfahrung, zur Selbsterfahrung verinnerlicht, auf ihn selbst zurück. Doch bietet sie ihm kein klassisch geschlossenes Bild von ihm selbst, sondern nur paradoxe Chiffren eines Selbstverständnisses, wie es der Struktur der Grenzsituation ent- spricht.“51 Die Werke der christlichen Literatur dienten so als Indikatoren der „religiösen Grundstimmung des gegenwärtigen Bewußtseins“,52 deren Diagnose - vom Dogmatischen her gesehen - einen breiten Raum für die Interpretation auch von christlicher und nicht-christlicher Literatur eröff- 43 Ebd., 806. 44 Ebd. 45 Ebd. 46 Thomes Aufsatz erschien in der Zeitschrift des ‘Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen’, die sich als Handrei- chung für die Berufspraxis verstand. 47 Dazu ausführlicher Kap. C.2. 48 Biser 1959, 32. Es handelt sich um einen Vortrag auf dem 40. Bibliothekarskursus des Borromäusvereins im Sep- tember/Oktober 1958; ich zitiere aus der gedruckten Version von 1959. 49 Ebd., 26. 50 Ebd., 32. 51 Ebd., 34. 52 Ebd., 28. - C.1.c - 105 nete. Dieses Programm führte Biser in den folgenden Jahrzehnten auch aus.53 Problematisch erscheint allenfalls ein methodischer Zirkelschluss: Die religiöse Grundstimmung abstrahierte Biser nicht aus der von ihm beschriebenen Literatur, sondern setzte sie als solche voraus, und das in einer Zeit, in der das Einverständnis über christliche Literatur bereits brüchig geworden war. Der Satz, die Gegenwart sei „die Stunde der christlichen Dichtung“,54 war 1958 bereits historisch; seine Rhetorik erinnert an die unmittelbare Nachkriegszeit. Wenige Jahre später bereits sprach Biser nicht mehr von der religiösen Grundstimmung der Gegenwart, sondern - ähnlich umfassend - von einer gemeinsamen Gerichtetheit der Gegenwartsliteratur. In einem Vortrag von 1962 entwickelte er ein Konzept theologischen Interpretierens, das bis heute in der Literaturtheologie lebendig ist: die „Suche nach Spuren des Religiösen“:55 „Wenn [...] das Bild von den ‘Spuren’ zutrifft, dann gibt es in der vermeintlich von jeder religiö- sen Verankerung losgerissenen Literatur dieser Zeit nicht nur das Element des Religiösen; es gibt dieses dann zudem in Form einer alle Divergenzen durchgreifenden Übereinstimmung [...]. Denn Spuren, die von einer, wenn auch noch so gewagten ‘Wanderung’ zurückbleiben, führen aller Voraussicht nach zu einem Ziel.“56 Die ‘Spuren des Religiösen’ sah Biser als genuines Merkmal von Literatur schlechthin, gebro- chen in der Moderne jedoch durch ein reflexives Bewusstsein.57 In der zeitgenössischen Litera- tur manifestiere sich „die mit dem leidvoll erfahrenen Weltverlust erlittene Selbstentfrem- dung“58 des Menschen, gegen die Biser „die einzig gültige Antwort“59 setzt: „[...] dieses Wort, das bereits in den an Kleist und Dostojewski abgelesenen Begriffen ‘Naivität’ und ‘Wiedergeburt’ anklang, heißt: Gotteskindschaft.“60 - ein Begriff, dessen Gültigkeit sich - so Biser - aus den Leiderfahrungen der Gegenwart legitimiere. Nicht zuletzt aber unternahm es Biser, den christlichen Leser mit der zeitgenössischen Literatur auszusöhnen: 53 Darauf gehe ich ansatzweise in Kap. C.5.b.iv ein. Wünschenswert wäre eine ausführliche theologiegeschichtliche Studie zur Unterscheidung statischer und dynamischer Konzepte in der katholischen Literaturtheologie. Ersteren wäre - für den Bereich des traditionellen Diskurses und ganz ohne Wertung - Grenzmann, Winklhofer, Kampmann etc. zuzurechnen, letzteren Guardini, Biser, Balthasar etc. 54 Biser 1959, 25. 55 Biser 1962, 34. 56 Ebd. 57 Schillers Unterscheidung von ‘naiv’ und ‘sentimentalisch’ klingt hier nach. Mit einer ähnlichen Dichotomie hatte Biser bereits in seinem Vortrag von 1958 argumentiert, als er über die Hypothek des christlichen Dichters schrieb: „Als Dichter ist er zur vorbehaltlosen Kommunikation mit seinem Motiv eingefordert. [...] Sein christliches Gewis- sen nötigt ihn [aber], das Universalerlebnis, das ihn aufnimmt, noch vor seiner totalen Integration der Transzendenz des lebendigen Gottes aufzuopfern. Das läßt ihn - bei ebenbürtiger Begabung - im Vergleich zum profanen Dichter weniger ursprünglich und unmittelbar erscheinen. Tatsächlich wirkt Eichendorff neben Novalis weniger elementar, Bernanos neben Gide, Bergengruen neben Hesse weniger dichterisch.“ (Biser 1959, 25) Diese Unterscheidung erklärte Biser dann jedoch zum Phänomen des ästhetischen Scheins: Die eigentliche Bedeutung christlicher Literatur liege „in der bildhaften Ausdeutung der Opferhingabe, der ihren [für die Gegenwart] christlichen Charakter besie- gelt.“ (ebd.) 58 Biser 1962, 45. 59 Ebd., 48. 60 Ebd. - C.1.c - 106 „Sind [...] auf der Suche nach Rettung und Heil nicht schon die geringsten Spuren ein kostbarer, tröstender und ermutigender Fund?“61 Der universalistische Anspruch Thomes und Bisers war bei Theoderich Kampmann62 zurück- genommen auf das Lesen des Einzelnen. Kampmann beschäftigte sich nicht systematisch mit der Erörterung des Verhältnisses von Literatur und Religion, trotzdem ist dieser Zusammen- hang - unter kerygmatischen Aspekten - bei ihm präsent. Christlicher Literatur wies er die Auf- gabe zu, „christliche Existenzkategorien“63 zu umschreiben, und in einer späteren Veröffentli- chung war das Motiv seiner literaturtheologischen Arbeiten folgendermaßen ausformuliert: „Lange Zeit hat mich die Frage beschäftigt, woher es komme, daß in Zeiten außerordentlicher Not um vieles mehr Menschen durch Dichter und Essayisten, durch Maler und Bildhauer, durch Philosophen und Schriftsteller angesprochen werden als durch Theologen und Prediger, durch Seelsorger und Missionare. Am guten Willen der Letztgenannten fehlt es gewiß nicht.“64 Seine Arbeiten im Bereich der Literaturtheologie sah Kampmann also unter dem Aspekt der Vermittlung: Mittels christlicher Literatur sollte die katholische Frömmigkeitslehre erklärt wer- den und vice versa. Solche Bezüge stellte Kampmann in seinen Interpretationen immer wieder auch her.65 Im Vorwort seines Bändchens von 1973, das Essays über Werner Bergengruen, Gertrud von le Fort und Reinhold Schneider vereinte, „die bis an die Schwelle der Gegenwart von Millionen gelesen wurden“, präzisierte er seine Intention: „Die nachfolgende Publikation empfand ich als um so dringlicher, weil eine vom christlichen Glauben inspirierte Dichtung zur Stunde wenig gefragt ist. Desungeachtet erhoffe ich eine er- schlossene Leserschaft.“66 Bei Kampmann zeigt sich ein der Literaturtheologie insgesamt immanenter Widerspruch, dass nämlich christliche Literatur zwar als unmittelbar heilend angesehen wird, trotzdem aber der vermittelnden Hand bedürfe. Einen möglichen Hinweis auf diesen Zusammenhang gibt der - von Kampmann selbst nicht erklärte - Titel, unter dem in der Publikation von 1973 seine Essays über Bergengruen, le Fort und Schneider zusammengefasst sind: ‘Verhülltes Dreigestirn’.67 Die Essays in einer Sammlung neu herauszugeben, begründete Kampmann damit, die genannten Autoren auf diese Weise vor dem Vergessen zu bewahren.68 Ihre Bedeutung für die Gegenwart 61 Ebd. 62 Geb. 1899, Teilnehmer des Ersten Weltkrieges, Absolvent der Philosophisch-Theologischen Akademie (Collegium Leoninum) in Paderborn, Studium (Theologie, Philosophie, Pädagogik, Germanistik) in Freiburg/Br., Bonn, Mün- ster; Promotion 1931; Priesterordination 1924, danach tätig als Vikar, 1925 Religionslehrer in Bochum, 1933 Studi- enrat in Hagen, 1935 Dozent für Religionspädagogik an der Philosophisch-Theologischen Akademie in Paderborn, 1945 ebd. Professor, Leiter des Officium catechisticum des Erzbistums Paderborn, später ordentlicher Professor für Religionspädagogik und Kerygmatik an der Universität München (Angaben nach dem Deutschen Biographischen Archiv II 678, Fiche 126; ausführlichere Angaben im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon, Bd. III (1992), Sp. 1007-1009). 63 Kampmann 1949/50, 393. 64 Kampmann 1973, 99. 65 Vgl. beispielsweise Kampmann 1958, 248 oder 255. 66 Kampmann 1973, Vorwort. 67 Das Epitheton kann als Anspielung auf Jesaja 29 verstanden werden. 68 Vgl. Kampmann 1973, 99. - C.1.c - 107 sah er eben darin, dass sie der Seelsorge, ja der Theologie überhaupt, neue Dimensionen er- schließe; darin unterscheidet sich sein Verfahren von dem Hans Urners: „Schneiders letzte Werke rufen vor allem Seelsorger und Theologen zur Besinnung. Darf Seel- sorge sich konventikelmäßig abgrenzen gegen Unglauben und Nihilismus, ohne deren Daseins- und Fragenot am eigenen Leibe erfahren zu haben? Darf sich der Seelsorger als beatus possi- dens geben, ohne die Passion (um nicht heiligere Namen zu gebrauchen) der Hiob und Jeremia mindestens zu ahnen? [...] Ahnen wir Seelsorger und Theologen, was uns fehlt? Und sind wir be- reit, jene zeitnotwendenden Daseinserfahrungen wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, die uns Bergengruen und Schaper zutrugen, Gertrud von Le Fort und eben Reinhold Schneider?“69 Aus dem Zitat erhellt auch, dass sich Kampmann die Frage, ob christliche Literatur möglich sei, nicht stellte, diese vielmehr als selbstverständliche Gegebenheit voraussetzte, deren Problema- tik im christlichen Mysterium aufgehoben und damit also nicht näher zu begründen sei. Das jedenfalls legen die Sätze von Gertrud von le Fort nahe, die Kampmann lediglich zitierte: „‘Dichtung hat die unwiderstehliche Neigung, sich der Fragwürdigen, der Angefochtenen, ja der tragisch Gescheiterten anzunehmen - unangefochtene, geglückte Existenzen haben für sie nur geringe Anziehungskraft. An diesem Punkt wird das eigentümliche Paradox des Dichteri- schen klar, aber ist es nicht zugleich das Paradox des Christlichen?’“70 Der Rang der von ihm behandelten Autoren sah Kampmann im wesentlichen durch deren Be- ziehung zu ihrem Volk gekennzeichnet. Das betraf zum einen Reinhold Schneider, den er als exemplarisch ‘österlichen Menschen’ charakterisierte; ein österlicher Mensch - so Kampmann unter Berufung auf Joseph Wittig - sei „für viele Zeitgenossen die einzige Kontaktstelle [...], die sie mit dem österlichen Geheimnis verbindet.“71 In dieser Zuschreibung findet sich zugleich die Definition von christlicher Literatur, die Kampmanns literaturtheologischen Arbeiten zugrunde- lag, dass nämlich christliche Literatur die christliche Botschaft zu verkünden habe, aber nicht deren theologisch-dogmatische Ausformulierung: „Das Dogma der christlichen Kirche in Ehren! Es hat immerhin den Vorzug, vergleicht man es dem materialistischen oder idealistischen Dogma oder welchem auch immer, wahr zu sein. Und der Wahr-// heit gebührt jegliche Ehre. Nichtsdestoweniger kann der österliche Mensch nicht jemand sein, der Definitionen vorträgt, der Thesen begründet, entwickelt und verteidigt.“72 Es ist also die Leitbildhaftigkeit des christlichen Autors, der Kampmann eine besondere Bedeu- tung einräumte, und daraus erklärt sich der hagiographische Charakter seiner Beiträge zur Lite- raturtheologie: „Denn die christliche Botschaft, ausgerichtet durch die Beauftragten und darum in direkter Re- de gesprochen, erreicht nur einen kleinen Kreis. Und der Kreis derer, die das christliche Fest im Raum der Kirche feiern, ist nicht viel größer. Österliche Menschen aber mögen auch diejenigen 69 Ebd., 98 (vgl. auch Kampmann 1958/59, 586). Die Essays Kampmanns setzen den fachkundigen Leser voraus; das zeigt sich in vielen Abschnitten, unter anderem dem folgenden: „Daß Gottes Gnade souverän über Einzelne ebenso verfügt wie über Sozietäten und Denominationen, expliziert Gertrud von le Forts gesamtes Werk. [...] ‘Denn es steht ja eben nicht so, daß wir uns zu Gott durchkämpfen’, schreibt die Baronin an zentraler Stelle, ‘sondern Gott kämpft sich zu uns durch, und zuletzt geschieht alles fast über uns selbst hinweg.’ Ich sehe darum in unserer Dichte- rin die ausgezeichnetste Ökumenikerin im Sinne Johannes XXIII. Und sehe in ihr zugleich eine bedeutende Exi- stenzdialektikerin in Kierkegaards Gefolgschaft.“ (Kampmann 1973, 78) 70 Zit. nach Kampmann 1973, 81; vgl. dazu auch le Fort 1960. 71 Kampmann 1973, 85. 72 Ebd., 85//86. - C.1.c - 108 erreichen, die weder die Botschaft hören noch die Feier mitvollziehen, sondern beiseite stehen, geärgert oder verdrossen, in Dumpfheit, Resignation oder Verzweiflung.“73 Zum anderen sah Kampmann den Dichter auch als exemplarischen Vertreter seines Volkes und erkannte in dieser Hinsicht der Literatur im allgemeinen und der christlichen Literatur im be- sonderen eine besondere gesellschaftliche Wirkungskraft zu: „Zum Beschluß stellt sich die Frage - und sie gilt nicht nur für Gertrud von le Fort - ob unser Volk das Werk seiner Dichterin wenigstens teilweise assimilierte und also imstande sei, sein We- sentliches fortzuerben? Wird es zumal die Kraft aufbringen, eine Dichterin solchen Formates in Zukunft zu ermöglichen?”74 Die Autorin Gertrud von le Fort - zur Zeit des Vortrags, aus dem ich hier zitiere, bereits zwei Jahre tot - wurde also als paradigmatisch für das Verhältnis von Dichtung und Volk gesehen, wobei Kampmann unüberhörbar zugleich die gesellschaftliche Gegenwart der frühen siebziger Jahre kritisierte, in der die beiden Geschlechter ihre gottgewollten Bereiche aufgäben, die „Sachgüterwelt“,75 die den Männern, und die „Welt der Personen“,76 die den Frauen zugeord- net sei: „Die Fragen sind an Männer und Frauen gerichtet, an Frauen vor allem. Wenn nämlich Män- ner versagen, gehen Staaten zugrunde; wenn Frauen sich preisgeben, sterben Völker.“77 Und seinen Vortrag beschloss Kampmann mit dem alten Paradoxon der ‘spes contra spem’, das im aufgezeigten Kontext den Tonfall resignativer Gegenwartskritik noch betont und das später Friedrich Kienecker aufgriff:78 „Was unsere Zukunft betrifft, müssen wir uns bescheiden mit einer spes, wenn Sie wollen: contra spem.“79 An anderer Stelle machte Kampmann als ein wichtiges Manko zeitgenössischer Literatur deren Mangel an Humor aus80 und setzte damit die versöhnliche ‘Kat-holizität’ der katholischen Überlieferung gegen die Segmentierung neuzeitlicher Welterfahrung - ein Argumentationsmu- ster, das sich auch bei Werner Ross findet, der Manzonis ‚I promessi sposi‘ als Idealform von 73 Ebd., 85. Den Gründen und den Ausprägungen des von ihm erwähnten ‘Beiseite-Stehens’ ging Kampmann in seinem Essay über den österlichen Menschen nicht näher nach. 74 Ebd., 80 (Zeichensetzung im Original). 75 Ebd., 79. 76 Ebd., 79. 77 Ebd., 80. 78 Seinem Essay fügte Kampmann noch einen Aphorismus von Gertrud von le Fort an (ebd., 81). 79 Kampmann 1973, 80. Diesen Gedanken wiederholte und bekräftigte Kampmann dann noch einmal in seinem ‘Exemplarischen Geständnis’, mit dem der Band von 1973 schließt. Das Zitat ist wiedergegeben in Kap. C.4.b.iii. Vgl. dazu auch den Titel des 1996 von Carsten Peter Thiede herausgegebenen Symposiumsbandes ‘Zu hoffen wider die Hoffnung’. 80 Vgl. Kampmann 1958, 252f. - C.1.c - 109 künstlerisch anspruchsvollem und katholisch versöhnlichem Volksschrifttum beschrieb, exem- plarisch gefasst in der Figur des Don Abbondio.81 (iii) literaturhistorisch Dort, wo im protestantischen Bereich die Gegenwartsliteratur literaturhistorisch begründet wurde, stand die Verführbarkeit des Individuums im Vordergrund, sowohl im Akt künstleri- schen Schaffens als auch im Prozess des lesenden Aneignens. Wie der ‘Mittelpunkt Gott’ litera- turhistorisch und -ästhetisch zu fixieren sei, zeigte Martha Glaser in ihrem Buch ‘Dichtung vor Gott’, das ein Jahr nach ihrem Leselehrgang erschien.82 Hier behandelte sie den Gang der literaturgeschichtlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert, wobei Kunst - und im engeren Sinne Literatur - zunächst gedeutet war als Preisgabe der christlichen Heilsgeschichte, nämlich des- sen, „was wir das Welt- und Lebensspiel nennen möchten, in dem sich Gott, Schöpfer Himmels und der Erde, als die absolute Wirklichkeit, und der Teufel, Zerstörer und Vernichter alles Lebens, als die absolute Unwirklichkeit, vorläufig aber als bedingte Wirklichkeit von Gott gesetzt, ge- genüberstehen, bis es zur Ehre Gottes im Sieg des Lebens endet. [...] Diese Wirkung des gewalti- gen Welt- und Lebensspieles Gottes auf den Menschen darzustellen, ist Aufgabe und Thema der Kunst, also auch der Dichtkunst, und sie wird diese Aufgabe nach dem Maße ihres Gehorsams gegen Gott, der sie an der Wirklichkeit teilnehmen läßt, zu lösen vermögen, oder aber in der Empörung gegen Gott mehr und mehr der Unwirklichkeit verfallen.“83 Kunst bestimmte Glaser also zugleich auch als Selbstpreisgabe des Menschen und seines Ver- hältnisses zu Gott. Demzufolge vermochte sie in der Literatur des 19. Jahrhunderts den Weg von der „Gebundenheit des Geschöpfseins vor Gott zu selbständigem Meister- tum“84 aufzuzeigen, auf dem der Mensch die „frühere Schöpferkraft einer mit dem Schöpfergott verbundenen Menschheit [...] verwirkt“85 habe: „[...] die Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts stellt den Weg dar, den er [sc. der Mensch] dabei zurücklegt: von seinen himmelstürmenden und siegestrunkenen Anfängen86 bis zu seinem Ende, oder dem Anfang vom Ende, das ihm, der seine Blicke in gigantischer Zielgebung immer nur in die Höhe gerichtet, von wo ihm verlockend und verheißungsvoll die Krone seiner Selbst- herrlichkeit winkte, zu jähem Entsetzen und nicht mehr zu bannender Beunruhigung enthüllt, daß er den Boden unter den Füßen verloren hat und ihm der gültige Sinn des Lebens abhanden gekommen ist.“87 Nur in Jeremias Gotthelf, den sie ungleich ausführlicher darstellt als die anderen Autoren, fand Glaser den ‘von Gott berufenen’, ‘von Gott erleuchteten’ Dichter, der „das Licht, das einer 81 Vgl. Ross 1973/1987, 114. Eine ähnliche Bedeutung räumte Kranz (1978, 13) dem Humor als einem konstitutiven Faktor von christlicher Literatur ein. 82 Geschrieben 1945/46, veröffentlicht 1950. Zu Glasers Leselehrgang vgl. ausführlicher Kap. C.1.d. 83 Einleitung zu Glaser 1950 (Hervorhebungen im Original). 84 Ebd. 85 Glaser 1950, 454 (im Original hervorgehoben). 86 Zur Erklärung dieser Anfänge zitiert Glaser später die Schlussverse von Goethes ‘Prometheus’ (Glaser 1950, 452) 87 Einleitung zu Glaser 1950. - C.1.c - 110 vergangenen gottgebundenen Zeit geleuchtet, durch die Zeiten der Gottentfremdung gerettet“88 habe. Die Metapher drückt den latenten Optimismus aus, der Glasers theologischen Interpreta- tionen der Literaturgeschichte eignet. Im bürgerlichen Realismus nämlich sei sich die Literatur ihrer Lage selbst bewusst geworden, und hier liege die Möglichkeit einer Umkehr.89 Damit weise die literarische Entwicklung - die Glaser als Allegorie stellvertretend für die Entwicklung der Menschheit nahm - wieder zurück auf Gott: „[...] während sie [sc. die Dichtung] selbst gedemütigten Herzens traurig und schier hoffnungs- los diese unschöpferische Arbeit auf sich nahm und die lauten und grellen Farben menschlicher Selbstherrlichkeit aus dem angemaßten Welt- und Lebensbilde entfernte, wurden - darin das ge- heime und geheimnisvolle Wirken göttlicher Schöpferkräfte - die Linien und Farben des Welt- und Lebensspieles Gottes wieder sichtbar.“90 Besonders in der Mitte des 20. Jahrhunderts - Glaser nannte als Beispiele Thomas Manns ‘Doktor Faustus’, Hesses ‘Glasperlenspiel’ und Ernst Jüngers ‘Heliopolis’ - sei sich die Litera- tur ihres Weges erneut bewusst geworden, wenngleich dieser stets gefährdet bleibe: „[...] der Weg der Buße darf nicht voreilig verlassen werden.“91 Glasers Darstellung korrespondierte auf katholischer Seite Inge Meidinger-Geises literaturkri- tische Studie über das ‘Welterlebnis in deutscher Gegenwartsdichtung’ (1956). Die „Not der Sprache“, so ihre Grundthese, falle zusammen „mit der Not des Denkens, des Glaubens, mit der Not um das Durch-Schauen unseres Menschentums“,92 und die Aufgabe der Literatur93 bestimmte Meidinger-Geise darin, „um eine neue, geheime Ordnung im Chaos der Eindrücke und Ausdrucksstufen, um eine ‘Verwandlung der Welt’ durch eine erkämpfte, dem ‘Schweigen abgerungene’ Sprache“94 zu ringen, was letztlich nichts anderes ist als das Ringen „um ein Weltbild“:95 88 Glaser 1950, 117. 89 Vgl. ebd., 455. 90 Ebd., 456. 91 Ebd., 457. Der Gedanke des ‘Wegs der Buße’, den die Literatur zurücklegen müsse, lag auch Glasers Aufsatz ‘Dichtung am Rande des Christentums’ zugrunde, der 1952 in der protestantischen Zeitschrift ‘Zeitwende’ erschien. Darin bemaß Glaser eine Reihe zeitgenössischer Romane daran, ob und wie sie dazu beitragen, „das richtige Ver- hältnis des Menschen zu Gott wiederzugewinnen“ (Glaser 1952, 532). Die Kategorie des ‘Am-Rand-Stehens’ erhellt aus folgender Bemerkung über Kafkas ‘Prozess’: „Auch das Wissen in dem Roman-Fragment ‘Der Prozeß’ von Franz Kafka [...] ist zentral-christlich. Am Rande steht es nur insofern, als der Autor hier nicht bekennt und verkün- digt, sondern nur eine Erkenntnis ausspricht, die ihm geworden ist, ohne daß er selbst schon Stellung zu ihr nehmen könnte, ja, ohne daß sie ihm Hilfe wäre. Sie reißt im Gegenteil die Fragen und Zweifel erst auf. Kafka stellt aus sich heraus, was ihn im Innern bedrängt.“ (Glaser 1952, 532) 92 Meidinger-Geise [1956], 10. 93 Ich beschränke mich hier auf ihre Ausführungen zur Prosa. 94 Ebd., 11. Das Binnenzitat ist einem ‘Akzente’-Aufsatz von Helmut Krapp und Karl Markus Michel entnommen, wenn auch verkürzt und in christlichem Sinne interpretiert. Im Original hatte es geheißen: „die Grammatik des Sub- jekts verwandelt sich in eine Grammatik des Objekts; der Satz ist etwas, das dem Menschen widerfährt. [...] Sprach- licher Ausdruck [...] bedeutet die dem Schweigen abgerungene[n] Verwandlung der Welt“ (Krapp/Michel 1955, 406). 95 Meidinger-Geise [1956], 46. - C.1.c - 111 „[...] auf daß sich vielleicht aus allen als Versuch geltenden Teilen das Mögliche eines Gesamt- Bildes, einer Welt-Vorstellung ohne Illusionen, aber auch ohne künstliche Armut füge.”96 In dieser Hinsicht bescheinigte Meidinger-Geise den Werken von Kafka, Musil oder Benn, sie hätten in eine unfruchtbare „Bängnis und Starre“97 geführt, aus deren Schatten sich die Ge- genwartsprosa erst im Laufe des ersten Nachkriegsjahrzehnts allmählich befreit habe: „Besinnung auf Wege und Ziele, Kräfte und Richtlinien unseres Daseins heißt als [...] nicht Ret- tung eines abgelebten Weltbildes, sondern Prüfung und Bewahrung jener irdischen und himmli- schen Züge, die keine Vernunft, kein Fortschritt und kein Endschritt aus ihrer Tat-// sächlichkeit und ihrer ordnenden Gewalt reißen können.”98 Indem Meidinger-Geise auf diese Weise die gesamte Gegenwartsliteratur unter die Vorstellung der ‘anima naturaliter christiana’ subsumierte, erkannte sie doch, wenn auch eher beiläufig, der christlichen Literatur eine besondere Stellung zu: Als Leitlinien der gegenwärtigen und zu- künftigen Prosa nämlich bestimmte sie die Wiederentdeckung der Heimat („unbegrenzter Spie- gel der Welt“99 ), des Humors („Höhenschauauf das Dasein“100 ) und eines utopischen Be- wusstseins, das über schlichten Fortschrittsglauben materialistischer Prägung hinausreiche („Die Überwirklichkeit feiert als sichere Wirklichkeit Triumphe“101 ). Begründete Inge Meidinger-Geise aus literaturkritischer Perspektive die christliche Literatur noch aus der umfassend gedeuteten Intentionalität der zeitgenössischen Literatur heraus, ver- folgte Wilhelm Grenzmann,102 bis in die sechziger Jahre einer der wichtigsten universitären Vertreter der katholischen Literaturtheologie, ein stärker kanonisierendes Interesse. In der Lite- ratur der Gegenwart, so Grenzmann, drücke sich der Antagonismus von „Sein oder Nichtsein des Daseins“103 aus, aus dem sich die Verpflichtung des Einzelnen in der „Gerichtsstunde der Geschichte“104 ableite: „Wir leben im Zustande der Entscheidungen. Der Sache nach verdeutlicht auch das Wort ‘Grenzsituation’ den Zusammenhang, in dem wir leben. Daß wir politisch und wirtschaftlich auf 96 Ebd., 47. 97 Ebd., 45. 98 Ebd., 55//56. 99 Ebd., 54. 100 Ebd., 45. 101 Ebd., 51. 102 1902-1967, Promotion 1928 (zit. als Grenzmann 1929), nach 1945 zunächst Gymnasiallehrer, zuletzt Oberstudi- endirektor und von 1952-1962 Leiter des Beethoven-Gymnasiums in Bonn, 1948 Privatdozent Universität Bonn, ab 1954 dort außerplanmäßiger Professor für Neuere Deutsche Literatur und Sprache sowie zugleich Professor an der Pädagogischen Hochschule Neuß. Zeitschriftenaufsätze in ‘Orientierung’ seit 1947, in ‘Wirkendes Wort’ seit 1950 und in ‘Criterio’ seit 1954 (Angaben nach: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. Berlin: de Gruyter, 1966, Bd. 1, S. 721, nach dem ‘Nekrolog’ der Ausgabe von 1970 und nach dem Klappentext von Grenzmann 1967). 103 Grenzmann 1950, 12. 104 Grenzmann 1952, 10. Zur gleichen Zeit schrieb Alois Dempf, „daß sich die Romanciers unter die Philosophen der zweiten Nachkriegszeit einreihen. Nach der zweiten Katastrophe ist uns die Not so nahe auf den Leib gerückt, daß alle Geistigen bekennen müssen.“ (Dempf 1950, 1040). Auch Dempf, dessen Auffassungen denen von Grenz- mann ähneln, bezog seine Beurteilung der Nachkriegsliteratur zwar auf die „Gestaltung der kommenden [christlichen] Gesamtkultur“ (Dempf 1950, 1043), vor allem aber auf „das Heidentum in uns“ (ebd., 1041) und folgerte daraus: „So ist die sittliche Entscheidung jedes Einzelnen die Zukunftsfrage, die Unausweichlichkeit der richtigen Entscheidung das Thema des Bildungsromans.“ (ebd., 1043). - C.1.c - 112 schmalem Grat wandern, von dem wir abstürzen können, bezweifelt niemand.105 Aber nicht dies geht uns hier an, sondern das Offenbarwerden einer allgemeinen Grundlagenkrisis. ‘Grenzsituation’ bedeutet, daß das Ende einer Entwicklung erreicht ist, über das hinaus weder gedacht noch gelebt werden kann. Wir werden uns dabei nicht wundern, daß Gedanken, die sich in ruhigen Zeiten ein harmloses Aussehen gaben, heute ihre Gefährlichkeit und Abgründigkeit für jedermann dartun. An die Stelle des latenten Zustandes einer schleichenden Krankheit sind heftige Stöße getreten, eine Zunahme des Fiebers, das auf ein Ende hinweist, Leben oder Tod.“106 In der Situation des zeitgenössischen Menschen sah Grenzmann allerdings auch eine Chance für das Christentum und dessen „Sendung in der Welt“.107 Ausdrücklich hob er deshalb den Rang von christlicher Literatur hervor, der innerhalb der kulturellen Krise der Gegenwart eine besondere Bedeutung zukomme, weil sich seit den zwanziger Jahren „die Stimmen [mehrten], die nach dem Ausweg aus dem Nihilismus fragen“.108 An diese, nämlich die religiös Suchen- den, richte sich die christliche Literatur,109 und sie vermittele ihnen „in Wort und Gestalt die christliche Deutung von Welt und Zeit“;110 der Leser werde nach der Lektüre „nicht ungetröstet entlassen“:111 „Daß es in unserem Zeitraum christliche Dichtung gibt, wäre geistesgeschichtlich weniger inter- essant, wenn sich damit nicht anzeigte, daß die vom 19. Jahrhundert preisgegebene Möglichkeit der Verbindung von Ich und Weltgrund, von Mensch und Gott sich nicht aufs neue einstellte. Es wird zur Sendung der Dichtung, die vom Zeitbewußtsein geschlagenen Wunden zu heilen und ei- nen neuen Ausblick auf die ‘ganze’ Welt zu gewähren.“112 Im Begriff der ‘Sendung’ liegt also der Übergang vom Akt des Lesens, also vom individuellen Trost, zur Gesundung der Gegenwart schlechthin. Die Universalität, die Grenzmann der christli- chen Literatur zuschrieb, belegen die Untertitel, die den Essays über die einzelnen Autoren zuge- ordnet waren - bei den katholischen Autoren: ‘Offenbarmacher ewiger Ordnungen’ (Bergengruen), ‘Die Elemente und der Logos’ (Langgässer), ‘Gesetz und Freiheit’ (Andres), ‘Der christliche Kosmos’ (le Fort), ‘Untergang und Verwandlung’ (Schaper) und ‘Der Abgrund und das Kreuz’ (R.Schneider), dazu kommen noch Franz Werfel (‘Im Vorraum der christlichen Welt’) und R.A.Schröder (‘Christlicher Humanismus’). Daneben betrachtete Grenzmann Literatur als Teil des geistesgeschichtlichen Prozesses und - auf den individuellen Autor bezogen - als „Aussage einer Seinserfahrung, als Weltbekenntnis, als Bezeugung einer Wahrheit“.113 Dabei müsse aber der „Rang“114 des literarischen Werkes 105 Dieser Satz entfiel ab der 4. Auflage 1960, als sich also das politische und gesellschaftliche System der Bundesre- publik gefestigt hatte. 106 Grenzmann 1952, 11. 107 Grenzmann 1950, 21. 108 Grenzmann 1953, 23. 109 Nur beiläufig wies Grenzmann in diesem Zusammenhang auf die älteren Traditionen christlicher Literatur hin, die „die eigentlichen Wahrer der Überlieferung“, nämlich die Autoren, „die in einer ungebrochenen Heiterkeit des christlichen Glaubens leben und schaffen, von der dunklen Problematik unserer Zeit weniger berührt sind, das ewige Christentum kennen und die Begegnung zwischen Zeit und Ewigkeit nicht mit den schwersten Gewichten belasten.“ (Grenzmann 1952, 24). Dieser Hinweis auf die traditionelle katholische Literatur - als Beispiel ist Peter Dörfler genannt - entfiel ab der 5. Auflage 1964 (vgl. dazu auch Kap. E.6.c). 110 Grenzmann 1952, 23. 111 Ebd., 22. 112 Grenzmann 1953, 24. 113 Grenzmann 1952, 390. 114 Ebd., 390. - C.1.c - 113 berücksichtigt werden, „so unter-//schiedlich dieser auch sein mag“:115 Zwar sprach Grenz- mann vom „Rang der Stellvertretung“,116 den er allerdings nicht gegen literarische Qualität abwog: Wer Dichtung „nur auf die Wahrheit ihres Bekenntnisses hin“ prüfe, „sieht sich oft genug in die üble Lage versetzt, das Große dem Kleinen entgegenzustellen und diesem am Ende sogar den Vorzug zu geben.“117 Solche Sätze scheinen eine Anspielung auf Erbauungsliteratur zu beinhalten, aber weitere Ausführungen zu einer christlichen Literatur, die als inferior zu betrachten sei, machte Grenzmann nicht. Mit den zitierten Sätzen war jedenfalls nicht die ältere christliche Literatur des katholischen Mi- lieus gemeint, denn auf diese wies Grenzmann besonders hin. In ihr gebe es „einen klareren Himmel [...], dessen versichern uns andere Dichter, meist ältere, die in einer ungebrochenen Heiterkeit des christlichen Glaubens leben und schaffen, von der dunklen Problematik unserer Zeit weniger berührt sind, das ewige Christentum kennen und die Begegnung zwischen Zeit und Ewigkeit nicht mit den schwersten Gewichten belasten. Sie schauen auf die Welt weniger mit den Augen der Zeit als mit denen der Ewigkeit, haben weniger den furchtbaren Gott als den lieben- den Vater im Sinn. Sie sind die eigentlichen Wahrer der Überlieferung. Peter Dörfler gehört zu ihnen [...].“118 Eine Verfestigung des bei Grenzmann gezeichneten literarischen Panoramas findet sich in der 1955 von Otto Mann119 herausgegebenen Sammlung ‘Christliche Dichter der Gegenwart’, die 1968 in einer erweiterten Auflage neu erschien. Behandelt waren unter den deutschsprachigen Autoren: Barlach, Derleth, le Fort, R.A.Schröder, Weiß, Seidel, Wiechert, Werfel, Bergengruen, R.Schneider, Klepper, Andres, Schaper und Böll.120 Als Kriterium für die Aufnahme nannte Mann „Umfang, Niveau, Gewicht“121 des je- weiligen literarischen Werks sowie dessen theologische Bedeutsamkeit. Als Katholik strebte Otto Mann mit seiner Sammlung an, den Stellenwert christlicher Literatur im zeitgenössischen literarischen - oder allgemein: kulturellen - Diskurs zu heben, und dieses Programm bekundete er Mitte der fünfziger Jahre prononcierter, fast energischer, auf jeden Fall deutlicher als Grenzmann, bei dem sich die Perspektive der unmittelbaren Nachkriegszeit aus- drückte, in den sechziger Jahren zwar zugespitzt (s.o.), aber nicht grundsätzlich verändert: „Auch der Christ befindet sich unter den Suchenden [der Gegenwart] und verspürt seine Hilfs- bedürftigkeit.“122 In diesem Unterschied zwischen Grenzmann und Mann sehe ich ein Indiz 115 Ebd., 390//391. 116 Grenzmann 1955, 11. Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre stand Erwin K. Münz mit Grenzmann in brieflichem Kontakt (dazu ausführlicher Kap. E.6.c). 117 Grenzmann 1952, 390. 118 Ebd., 24. 119 1898-1985, Ordinarius für deutsche Literatur an der Universität Mannheim. Zur Kritik am kulturprotestantischen Ansatz Manns vgl. Bahr 1961, 39. 120 In die zweite Auflage waren neu aufgenommen: Barlach, Derleth, Klepper und Lewis; gestrichen waren die Bei- träge über Marshall, Thomas und Goes; umgeschrieben waren die Beiträge über Böll und Greene. Gründe dafür nannte der Herausgeber in seiner ‘Vorbemerkung zur zweiten Auflage’ nicht. Den Artikel über Albrecht Goes, der in der zweiten Auflage ausgeschieden wurde, hatte Erwin Karl Münz geschrieben. 121 Mann 1968, 7. Das ‘Gewicht’ des Werkes sah Mann in dessen aktueller Wirksamkeit (vgl. ebd.). 122 Grenzmann 1963, 32. - C.1.c - 114 dafür, dass die Literaturtheologie auf ihre allmähliche Marginalisierung im kulturellen Kontext mit einem schärferen Tonfall und mit deutlicheren Abgrenzungen reagiert.123 Zur Zielsetzung des Bandes schrieb Otto Mann: „In diesem Buch wird ein Einsatz für die Religi- on versucht durch Klärung. In diesem Sinne sind die Mitarbeiter geworben worden und tätig gewesen; sie haben versucht, als Forscher, Kritiker, Essayisten nicht durch erbauliches Be- kenntnis, sondern durch unbestochene Erkenntnis einer Sache zu dienen, die am meisten unter den Mängeln in unserem intellektuellen Leben leidet; indem es hier teils an Unterrichtung fehlt, teils solche Unterrichtung tendenziös wird, Werkzeug eines Bekenntnisses für oder gegen die ge- schichtliche Religion.“124 Das Zitat zeigt, dass Mann mit einer ‘unbestochenen Erkenntnis’ nicht ein eigenständiges Durch- denken, sondern eine ‘Unterrichtung’, also eine Erkenntnisweitergabe von oben nach unten, ver- bunden wissen wollte. Der sich so manifestierende antiintellektuelle Impetus geht zurück auf ein- schlägige Äußerungen Manns als junger Heidelberger Privatdozent während des ‘3. Reiches’ und schreibt ein gängiges Muster damaliger Germanistik fort, ins Religiöse gewendet: „Einige meist jüngere, besonders fanatische oder opportunistische Hochschullehrer steigerten den völkisch- irrationalistischen Tatkult konservativer Ordinarien wie Andreas und attackierten sogar Ideolo- geme, auf denen bis dahin das Selbstverständnis ihrer Schicht geruht hatte. So bezeichnete der Germanist [Otto] Mann in einem Aufsatz für die Nationalsozialistischen Monatshefte ‘Vergeistigung’ generell als Übel. ‘Da dem Geist alles denkbar, alles wünschbar ist, scheint dem Menschen alles machbar zu sein; der Mensch verfliegt im geistigen Rausch ... Träume erfüllen die Welt, statt schlichter, kräftiger, treuer, tapferer, frommer Menschlichkeit.“125 Den Einzelbeiträgen, von unterschiedlichen Autoren verfasst, stellte Mann eine umfassende Einleitung zum Verhältnis von Dichtung und Religion voran. Sie diente als Klammer der nach- folgenden Beiträge, und diese variierten das von Otto Mann vorangestellte Programm nur gra- duell, nicht inhaltlich. Als Pole seien hier die Beiträge von Fricker (über Graham Greene) und Jost (über Ludwig Der- leth) genannt. Der Beitrag des Berner Anglisten Robert Fricker kommt dem Programm der ‘unbestochenen Erkenntnis’ am nächsten und gibt in sachlichem Ton einen Überblick über das damals verfügbare Werk Graham Greenes; Dominik Jost dagegen, Privatdozent an der St. Galle- ner Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und Betreuer des Ludwig-Derleth- Archivs in St. Gallen, übernahm in seinem Beitrag über Ludwig Derleth die Perspektive und das Pathos des Kämpferischen, das für diesen Autor kennzeichnend ist.126 Grundlegend für Manns Ausführungen über die Notwendigkeit christlicher Literatur war seine Auffassung, die Säkularisierung sei Anmaßung des menschlichen Geistes. Die methodisch re- 123 Hinweise darauf gibt auch Schonauer 1956, der allerdings seinerseits die mangelnde zeitgenössische und christli- che Relevanz der Anthologie moniert (vgl. auch Schonauer 1957). 124 Mann 1968, 8. 125 Mann, Staat und Bauerntum..., S. 1015; zit. nach Jansen 1992, 74. In ähnlicher Nuancierung schrieb Mann noch Anfang der sechziger Jahre in einer volkstümlichen Literaturgeschichte: „Die moderne pessimistische und nihilisti- sche Literatur kann den Eindruck erwecken, der moderne europäische Mensch lebe im Gefühl eines schrecklichen Schicksals und gleite in das Nichts ab. Diese Vermutung wäre völlig irrig. Die Philosophie freilich hat einen Weg eingeschlagen, den ihr gerade der redlichste Denker als Bankrotterklärung auslegen muß. In der Dichtung muß auch dieses Bedenkliche erscheinen. Doch besteht in der Breite auch das nicht den Zeitströmungen unterworfene Leben und Denken fort, wie ganz selbstverständlich in den Kirchen.“ (Mann 1964, 572) Der Darstellung der NS-Literatur in ebendieser Literaturgeschichte wich Mann dadurch aus, dass er für deren ideengeschichtliche Begründung auf eine unverfängliche Schrift Döblins zurückgriff. Insgesamt bleibt seine Darstellung vage, und der uneinheitliche Tempus- gebrauch deutet an, einzelne Autoren - beispielsweise „Hans Grimm (1875-1959), der tüchtige, lebensnahe Erzäh- ler“ (ebd., 574) - könnten auch für die Gegenwart noch von Bedeutung sein. Antisemitismus, Bücherverbrennungen, KZ-Haft für Autoren, Emigration etc. blieben völlig unerwähnt. So resümierte Otto Mann abschließend: „Die natio- nalsozialistische Ideologie ist im geistigen und künstlerischen Leben Deutschlands Episode geblieben. Ganz anders steht es mit der marxistischen Ideologie. Sie hat sich die Ergebnisse der bürgerlichen säkularisierten Philosophie am entschiedensten zugeeignet.“ (ebd., 578) 126 Biographische Angaben nach Mann 1968, 498f. - C.1.c - 115 flektierten und umfassenden Ausführungen Grenzmanns waren bei Otto Mann autoritativ zuge- spitzt. Ging jener in den fünfziger Jahren noch von drei Ausprägungen zeitgenössischer Litera- tur aus (s.o.), war bei diesem der Gang der literarischen Entwicklung dichotomisch zugespitzt: „Gewinne und Verluste der schönen Literatur durch die Säkularisation sollen sichtbarer ge- macht werden, und die Verluste und Gewinne durch die Bindung des Dichters an eine positive Religion und durch sein Wirken in einer durch das Christentum begründeten Welt.“127 Der suggestive Gestus von Manns Ausführungen erklärt sich aus seinem Wunsch, die Vorstel- lung vom Dichter als einem Vermittler des Göttlichen wieder in ihr altangestammtes Recht einzusetzen.128 Souverän sei das Denken, das sich noch dem Göttlichen verpflichtet gewusst habe (Kant, Lessing, Herder, Hamann, Goethe etc.), dem säkularisierten Durchschnittsmen- schen dagegen sei nicht nur „Mangel an Entschiedenheit, an Entscheidung“129 zu eigen, er sitze auch leichtfertig philosophischen Moden auf, deren Optimismus naiv sei (Materialismus) oder die zwangsläufig zur Desillusionierung des Menschen führten (Positivismus, Existentia- lismus etc.). Auch habe die Säkularisation die Maßstäbe verrückt, nach denen zu urteilen sei: Die eigentliche Aufgabe des Dichters sei das Dichten; hierin könne er sich „bis um 1800 auf die schon vollendete Dichtung der Antike stützen. [...] Ja, je mehr der Dichter Dichter ist, desto mehr wird er sich in seiner dichterischen Aufgabe begründen und nicht in mo- derner Philosophie. Doch ist der Dichter seit 1800 in dieser seiner Aufgabe irritiert. Und tiefer als die Irritierung durch die Thesen des positiven Fortschritts selber ist die Irritierung durch die Problematik, die durch diese Fortschrittsthesen geschaffen wird.“130 Diese Problematik verwirkliche sich in der Romantik mit der Subjektivierung des Dichtens: „Der alte Goethe sah diese Gefahr und warnte.“131 Folgerichtig seien die Romantiker, die den regressiven Charakter des Subjektivismus erkannt hätten, wieder religiös geworden, d.h. - in Manns Worten - „religiös-sittlich begründet.“132 Aus den so hergeleiteten zwei Polen literari- scher Entwicklung, die Mann aufzeigt, die von weltanschaulichen Moden - die im „Nicht-Sein“ mündeten - und metaphysischer Verbindlichkeit - dem „Sein“ -, entwarf er einen Widerstreit, dessen Gipfelpunkt er im Naturalismus sieht: „Er wurde zu einem Ort der Entscheidung, zu einem Wendepunkt. Die Moderne war im Bereich der Dichtung ad absurdum geführt worden. [...] Die Dichtung ab 1900 steht im Zeichen des Kampfes gegen den Naturalismus.“133 In den kommunistischen Staaten sei die Säkularisation mittlerweile „erfüllt“134 und von der Geschichtsphilosophie als „ein den Menschen treffendes Schicksal“135 verklärt. In den 127 Mann 1968, 7. Dagegen räumte Grenzmann ein: „Auch der Christ befindet sich unter den Suchenden [der Ge- genwart] und verspürt seine Hilfslosigkeit.“ (Grenzmann 1963, 32) 128 In seiner Literaturgeschichte von 1964 stellte Mann der ‘negativ kritischen Literatur’ die „Erneuerung der christ- lich-humanen Literatur“ (Mann 1964, 589ff.) gegenüber. 129 Mann 1968, 35. 130 Ebd., 28. 131 Ebd. 132 Ebd., 29. 133 Ebd. 134 Ebd., 34. - C.1.c - 116 „nichtkommunistischen Staaten“ hingegen schwimme „die breite Schicht der Menschen [...] im Daseinsstrom“:136 „Eine kleine, oft nur laute Gruppe protestiert hiergegen zugunsten des modernen Nichtseins. Ei- ne andere Gruppe sieht sich wieder vor die letzte Seinsfrage gestellt. Der moderne Pessimismus scheidet, als eine Modeströmung, aus. Faktisch steht in Frage die Entscheidung zwischen Sein und Dasein. Es wird hier dann die Gegenentscheidung gegen den Marxismus getroffen - die Ent- scheidung für das Sein. Die Entscheidung für das Sein aber ist, wenn ihr volles Gewicht erfahren wird, die Entscheidung für die Religion. Es muß das Sein Gottes wieder ergriffen und Gott und seine Ordnung wieder zur Dominante des menschlichen Lebens gemacht werden.“137 Den Rang christlicher Schriftsteller sah Mann gerade darin, diese Entscheidung bewußt zu su- chen. Christliche Literatur könne demzufolge nicht nur die Desillusionierung des Menschen überwinden, sondern dessen ‘integritas’ wiederherstellen. Wie allerdings der Schritt von der persönlichen, in Gott gegründeten Integrität zur gesellschaftlichen Integrität vollzogen werden könnte, ließ Mann offen, da er zwar einen verlorengegangenen Sinnhorizont beschwor, aber dessen politisch-gesellschaftliche Ausprägungen aussparte. Seine Forderung nach einem grundlegenden Wandel der Weltauffassung blieb damit abstraktes Bekenntnis: „Es muß das Sein Gottes wieder ergriffen und Gott und seine Ordnung wieder zur Dominante des menschlichen Lebens gemacht werden. Für den Dichter und Schriftsteller bis um 1800 war dies eine Selbstverständlichkeit. Im 19. und 20. Jahrhundert gewinnt dies den Charakter einer betonteren Haltung, da der Geist der Zeit von dem Gebildeten fordert, daß er eine // philosophi- sche Weltanschauung hat und nicht eine Religion, in der er sich nach Gott ausrichtet. Dies trifft besonders für den religiösen Dichter der Gegenwart zu. Der Ernst seiner Religion bewährt sich darin, daß er nicht nur religiös ist, sondern daß er sich im christlichen Glauben begründet. Er kehrt damit zu den Seinsgrundlagen zurück, die seit dem 18. Jahrhundert mehr und mehr preis- gegeben worden sind. Er stellt sich hierdurch zunächst als Mensch wieder her. Sodann stellt er die Dichtung wieder her - im Sinne der Überlieferung und nicht der Moderne.“138 Diesem strikten Antimodernismus stand allerdings antinomisch zu dem romantischen Überbie- tungstopos, den Mann - allem Beschwören der Tradition zum Trotz - auf die religiöse Literatur übertrug. Ausdrücklich nämlich ließ er Literatur außer Acht, soweit sie „nur die religiöse Tradition fortsetzt. Vielmehr kam es auf die bewußte religiöse Stellung an, auf das Eintreten für die christliche Religion in einer Zeit mit starker Tendenz gerade im höheren Bildungsleben zum Freireligiösen und Irreligiösen.“139 135 Ebd. 136 Ebd., 35. 137 Ebd. 138 Ebd., 35//36. 139 Ebd., 7. - C.1.d - 117 d) (Christliche) Literatur lesen1 Die unmittelbare Hinwendung des Autors zum lesenden Gegenüber - gewissermaßen die ‘Begegnung zweier Seelen’2 im Austausch über Literatur, wenn auch durchaus katechetisch intendiert und appellativ gestaltet - war vorherrschendes Muster in der katholischen Litera- turtheologie. In exemplarischer Ausprägung findet es sich in Karl Pflegers3 Studie ‘Geister, die um Christus ringen’, die von 1931 bis 1959 in insgesamt sieben Auflagen erschien.4 Dar- gestellt sind Péguy, Bloy, Gide, Chesterton, Dostojewski, und mit Solovjew und Berdjajew zwei Philosophen. Eine Begründung für diese Auswahl lieferte Pfleger zunächst indirekt, indem er zum einen seine eigene persönliche Bindung an die behandelten Autoren beteuerte, dann aber sein Buch als „eine kleine Mustersammlung charakteristischer Typen aus der großen Geisterfamilie Christi“5 bezeichnete. Seine Ausführungen waren also weniger auf die literari- sche Ausgestaltung des Christlichen gerichtet als vielmehr auf den Glaubensweg der behandel- ten Autoren, ihr geistiges Ringen um Christus, wobei die jeweiligen mystischen Erlebnissse eine besondere Aufmerksamkeit erfuhren.6 In der Verbindung von westlicher und östlicher Spiritualität sah Pfleger einen Weg der Erneuerung aus der Geist- und Seelenlosigkeit zeitge- nössischer Kultur, ausgespart blieb dabei allerdings die soziale und politische Realität der Nachkriegszeit.7 In ähnlicher Weise diente das Buch ‘Kundschafter der Existenztiefe’ der Schilderung exemplarischer Denker, an denen Pfleger die „Tiefe der christlichen Existenz“8 aufzeigte, was damaligem katholischen Verständnis gleichbedeutend war mit der „Tiefe der menschlichen Existenz“.9 Anhand ausführlicher Essays über Simone Weil, Max Picard, Peter Wust, Paul Claudel, Georges Bernanos und Reinhold Schneider führte Pfleger das, was er eine „Diskussion um das Rätsel der Existenz“10 nannte: 1 Auch die im Folgenden dargestellten Ansätze wären unter dem Oberbegriff ‘pastorales Deuten von Literatur’ zu fassen. In ihnen kommt jedoch stärker ein individuell-praxeologisches Moment zur Geltung, das sich unmittelbar an den einzelnen Leser und seine Lektürepraxis richtet; deshalb die Darstellung in einem gesonderten Kapitel. 2 Zur katholischen Vorstellung vom literarischen Werk als dem ‘Treffpunkt zweier Seelen’ (Charles du Bos) vgl. Fußnote 57 in diesem Kapitel. 3 Geb. 1883 in Dachstein (Elsaß), Pfarrer in Bilwisheim, „Aszetiker, Philosoph und Kulturkritiker“ (Kosch: Das katholische Deutschland. Bd. II, 1935, Sp. 3542). 4 Ich zitiere aus der dritten Nachkriegsauflage, der 6., verbesserten Auflage, Heidelberg: F.-H. Kerle-Verlag. Die Verbesserungen beziehen sich auf inhaltliche Details im Péguy-Aufsatz und auf die Adaption der Gedankenführung auf die Situation der deutschen Nachkriegsjahre. 5 Pfleger 1931/1951, 196. 6 Mit besonderem Nachdruck erörterte (und bejahte!) Pfleger die Frage, ob Chesterton als Mystiker zu bezeichnen sei (ebd., 202ff.). 7 Ebenso wie der Nationalsozialismus, von dem Pfleger als im Elsass lebender katholischer Autor in den dreißiger Jahren immerhin mittelbar betroffen gewesen war: Die 3. Auflage von Pflegers Buch ‘Im Schatten des Kirchturms. Die stillen Erlebnisse eines Dorfpfarrers’ wurde nach einem längeren Briefwechsel zwischen Gestapo, Reichsschrift- tumskammer und der Verlagsbuchhandlung Ferdinand Schöningh 1938 verboten (Vgl. Bundesarchiv Berlin- Lichterfelde, RKK: 2110/0004/09). 8 Pfleger 1959, 90, Anm. 1. 9 Ebd., 49. 10 Ebd., 121. - C.1.d - 118 „Denn um über sie etwas Gültiges oder wenigstens Wertvolles aussagen zu können, muß man das Wunder der Existenz spüren wie den süßen oder den bittern Trank, der die Kehle hinunter- rieselt, muß sich mit ihr vollsaugen wie der Schwamm mit Wasser, muß sie in sich aufnehmen mit allen Kräften von Leib und Seele.“11 Was Pfleger als exemplarische Kämpfe des Einzelnen darstellte, war bei Pierre Blanchard stärker auf die zeitgenössische Gegenwart bezogen, der allgemein das „Heimweh nach Heilig- keit in der heutigen Welt“12 attestiert wurde. Blanchard suchte in der Gegenwart nach Grundty- pen „religiöser Psychologie“13 und erklärte sie exemplarisch an André Gide („die Haltung des Sichverschließens“), Georges Bataille (das „verzweifelte Ringen“,14 das im Scheitern ende), Antoine de Saint-Exupéry („die Haltung der Sehnsucht, über sich hinauszugehen“), Simone Weil („die Haltung der Verbundenheit mit Christus ohne Vermittlung der Kirche“) und Char- les du Bos („die Haltung der Einwilligung in die werbende und beunruhigende Gnade“).15 Das, was Blanchard „Analysen“16 der genannten Glaubenshaltungen nannte, diente tatsächlich der Demonstration einer Stufenfolge, die sich - das wenigstens ist angedeutet - auch im Leser verwirklichen könne:17 „Wir wollen den // Menschen auf seinem schmerzlichen Weg zur Heiligkeit untersuchen - den werdenden Heiligen, den Menschen, der kein Heiliger ist, der aber einer werden soll und einer werden könnte.“18 Obwohl Blanchard den „Gang der Menschheit zu Gott“19 nachzuzeichnen beanspruchte, ist nur der Leser angesprochen, der sowohl die weltanschaulichen Grundlagen des Autors teilt als auch dessen spirituelles Interesse.20 Was Blanchard vorführte, war vor allem das ‘richtige’ Lesen und Deuten der zeitgenössischen Literatur aus katholischer Perspektive.21 Und diese Perspekti- 11 Ebd., 121. 12 Blanchard 1956, 11. 13 Ebd., 256. 14 Ebd., 131/7132. 15 Alle Zitate ebd., 256. 16 Ebd., 256. 17 Der appellative Charakter des Buches zeigt sich auch daran, dass der Anhang nicht sämtliche Literatur aufführte, auf die sich Blanchard bezieht, sondern nur, soweit sie in deutschsprachigen Ausgaben verfügbar war. 18 Blanchard 1956, 130//131. 19 Ebd., 269. 20 Blanchard bestimmte ihn folgendermaßen: „Weil einen alle Fragen interessieren, ist man mit Recht der Mei-// nung, die Heiligkeit sei das packendste aller Probleme. Man ist abonniert auf die Zeitschriften für Aszese und My- stik, man verschlingt die Bücher und Traktate über Mystik. Johannes vom Kreuz und Theresia von Ávila werden die Lieblingsautoren. Man lebt unter dem Zauber der Heiligkeit, in der blendenden Vision, die ihr Leben bietet. Folgt aber darauf ein wirkliches Sicheinsetzen?“( ebd., 54//55) Gewiss ließ Blanchard mit den unbestimmten Pronomina offen, wen er meinte. Ich lese seine Sätze so, dass darin ein Einverständnis zwischen Autor und Leser unterstellt wurde, dass es also nicht Blanchards Leser war, der sich mit dem ‘man’ angesprochen fühlen sollte. Zugleich betonte Blanchard - hierin Kierkegaard folgend - den Gegensatz zwischen existentiellem (dem wahren) und ästhetischem (dem surrogathaften) Christentum. 21 Eine dem Lebenswerk André Gides gegenüber adäquate Rezeptionshaltung gab Blanchard folgendermaßen vor: „Angesichts dieser geistlichen Niederlage [des alten Gide] , die ein persönliches Geheimnis hätte bleiben können, die indes in einem abgeschlossenen literarischen Werke von klassischer Vollkommenheit ihren Ausdruck gefunden hat, kann der Christ nicht gleichgültig bleiben, muß er doch Freude und Trauer empfinden über die Siege und Nie- derlagen Gottes in den Herzen.“ (ebd., 180) - C.1.d - 119 ve verließ Blanchard auch dort nicht, wo er über das einzelne literarische Werk hinaus ‘den Menschen des 20. Jahrhunderts’ in den Blick nahm: „Wir haben gesehen, wie das Thema der Heiligkeit in der Literatur und im Leben unserer Zeit vorherrscht, im Theater, im Film, im Roman, in der Geschichte, in der Philosophie. Wenn der Heilige den Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts mehr anzieht und fasziniert als der Weise, der zu aristokratisch ist, und mehr als der Held, der sich zu sehr zur Schau stellt, so wohl des- halb, weil er ihm, trotz Schwächen und Versagens, als seine gewisseste, lichtvollste und am mei- sten zur Einheit führende Wesenswahrheit erscheint. Wir wohnen [in der heutigen Zeit1] einem ergreifenden Augenblick im Gespräch zwischen dem Menschen und Gott bei.“22 Dem Leser überantwortete Blanchard damit die Aufgabe, analog zu den von ihm exemplarisch behandelten Autoren seinen Weg zur Heiligkeit nicht zu suchen - denn dass er vorgezeichnet ist, setzte Blanchard voraus -, sondern zu gehen: „Die Heiligkeit ist die einzige Möglichkeit des Menschen, die einzige Chance der Menschheit; die Heiligkeit nämlich, die aus jener echten Liebe stammt, die nach [dem Philosophen Nicole] Malebranche des Menschen und Gottes würdig ist. Jede andere Liebe ist eine // Beleidigung Gottes, dessen unendliche Liebe das Recht hat, eine inbrünstige Antwort zu erhalten.“23 Damit ging Blanchard über Johannes Cramer hinaus, der in seinem Büchlein über Rilke, Ca- rossa und le Fort („Aus der Vergottung des Alls oder eigenen Ichs fanden da auch die Dichter den Weg zu Gott und zur Glaubensgemeinschaft in Christus, seinem Sohn.“24 ) noch - am Bei- spiel der Hymnen le Forts - die Kirche als Zielpunkt des christlichen Umgangs mit Literatur bestimmt hatte: „Begehrst du [angesprochen ist der Leser] wirklich und ernstlich Hilfe für deinen Alltag, Hilfe gegen die Hetze deiner rastlosen Tätigkeit, Hilfe gegen die Öde, in der die Seele verschmachtet, dann halte dich an das, was die Dichter stiften. Wenn schon die bösen Gewalten unbesiegbar sind, wenn keiner sie beim Namen nennen kann, wieviel mehr müssen wir uns der guten Gewal- ten versichern, indem wir sie erkennen und benennen.“25 Wurde im katholischen Bereich die Beispielhaftigkeit christlichen Lebens demonstriert, rückte in der protestantischen Literaturtheologie der Akt des individuellen Lesens in den Vorder- grund.26 Kurt Ihlenfeld27 fasste seine literaturkritischen Arbeiten der Nachkriegszeit unter dem Titel ‘Erlebnisse eines Lesers’ zusammen. Damit war zum einen Ihlenfeld selbst gemeint, Pfarrer und Schriftsteller, der diejenigen Dimensionen des Literarischen zu eröffnen suchte, die in der säkularen, in religiöser Hinsicht „sachblinden“28 Literaturkritik unbeachtet geblieben seien. Zugleich wies der Begriff auf den Leser des Buches, dem die Beiträge implizit Anleitung 22 Ebd., 253. An anderer Stelle nochmals bekräftigt: „Die christliche und geistliche Philosophie der Geschichte - die wahre Geschichtsphilosophie also - ist die reale Bewegung der Heiligkeit in der Welt.“ (ebd., 268) 23 Ebd., 272.//273. 24 Cramer 1948, 8. 25 Ebd., 187. 26 Dieser Unterschied lässt sich auch in der konfessionellen Büchereiarbeit jener Zeit feststellen. Dazu ausführlicher Reich o.J., 37f. 27 1901-1972, Dr. theol., 1933 Herausgeber des ‘Eckart’ und Schriftsteller. 28 Ihlenfeld 1951, 14. - C.1.d - 120 geben bei dem Versuch, „sich über die inneren Erlebnisse Rechenschaft zu geben, die wir statt im Umgang mit dem Schicksal im Umgang mit Büchern gehabt haben, in denen sich unser Schicksal wie in einem vielkantigen Prisma spiegelt.“29 Angesprochen war hier ein theologi- sches Fachpublikum.30 Als gemeinsame Erfahrung der Nachkriegszeit konstatierte Ihlenfeld eine Hinwendung zum Religiösen, worunter er eine „bestimmte Beziehung auf die Offenba- rung“31 verstand, entweder von ihr weg oder auf sie hin. In seiner 1951 hinzugefügten Vorrede zu den einzelnen Beiträgen klingt jedoch bereits eine gewisse Resignation durch: Grundsätzlich nämlich bezweifelte Ihlenfeld, ob die Kirche - deren Sprache er eine Reihe von Aufsätzen widmet - der „Wirklichkeit dieses unsers [sic] Jahrhunderts“32 gerecht werde. Zwar schicke sich das Christentum an, „die verlorenen Positionen im Raume der Kultur wiederzugewin- nen“,33 dies sei aber ein „Unternehmen, von dem man nicht einmal weiß, ob man ihm Gelingen wünschen soll.“34 Eine prononciert christliche Literatur also beurteilte Ihlenfeld grundsätzlich skeptisch, nicht jedoch die Möglichkeiten, die sie für die Überwindung einer im Traditionellen erstarrten kirchlichen Sprache biete.35 In dieser Hinsicht lesen sich seine Aufsätze als impliziter Appell an den (theologischen) Leser. Beispielsweise schrieb Ihlenfeld über die Quedlinburger Klopstock-Tage 1948, hier komme es zur „Heimholung eines großen christlichen Dichters in den unruhigen Kreis unserer gegenwär- tigen Geistes- und Gewissensnöte“.36 In Poesie - gemeint war Literatur schlechthin - finde „Verwandlung“37 und „Heilung“38 statt. Von jüngeren Autoren wie Rutenborn oder Schnurre erwartete Ihlenfeld deshalb, „daß sie nicht schwankend werden möchten in der Verteidigung der letzten Festung, die dem mißbrauchten und geschändeten Wort heute noch geblieben ist.“39 Was Ihlenfeld nur andeutete und exemplarisch vorführte, nämlich die Praxis des richtigen Le- sens, war bei Martha Glaser40 in pietistischer Manier zu einem regelrechten Lehrgang ausge- weitet, der direkt auf den einzelnen Leser und seine Lebenspraxis zurückzielte: ‘Vom rechten Lesen’ (1949). Zentrale Kategorie bei Glaser ist die christliche Demut, zu der auch Liebe und Dankbarkeit gegenüber Gott gehörten. Diese drei Eigenschaften seien unabdingbar dafür, in 29 Ebd., 17. 30 In der ‚Evangelischen Welt‘ hatte Ihlenfeld von der Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre eine regelmäßige Kolumne. 31 Ihlenfeld 1951, 11. 32 Ebd., 16. 33 Ebd., 16. 34 Ebd. 35 Vgl. dazu Kap. C.1.a.ii. 36 Ihlenfeld 1948, 287. 37 Ihlenfeld 1949, 31. 38 Ebd., 31. 39 Ebd., 31. 40 Pseudonym Ruth Will; geb. 1898 in Karlsruhe, Erzieherinnenexamen, 1919 Reifeprüfung, danach Studium der Germanistik (Würzburg) und Theologie (Jena). 1. Veröffentlichung 1930 (‘Die Kleingläubigen’, Verlag Wallmann, Leipzig), dann ‘Menschen auf dem Wege’ (Berlin: Furche-Verlag, 1932); Einzelkapitel aus einer Arbeit über Knut Hamsun veröffentlicht 1936 im ‘Eckart’, 1937 in der ‘Zeitwende’ (Angaben aus dem der RSK vorgelegten Lebens- lauf (Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (ehem. BDC), RKK 2101/0377/16) Weitere Informationen: Deutsches Bio- graphisches Archiv, Fiche II 452, 317. - C.1.d - 121 einem Buch nicht nur „die guten und hilfreichen Gedanken“41 zu verstehen, sondern „das Ganze und Eigentliche des Buches“,42 inwieweit es nämlich die Wirklichkeit erfasse. Wirk- lichkeit bestimmte Glaser - im Hinblick auf die Darstellung von literarischen Personen - als Glaubwürdigkeit und innere Wahrhaftigkeit, und diese wiederum sei gegründet einzig in Gott. Ausgehend von einer allgemeinen Erörterung, wie man an Literatur herangehen solle, exemplifi- zierte sie das Lesen an einer Reihe von (zumeist auszugsweise zitierten) Beispieltexten: Ein Text dürfe nicht oberflächlich gelesen werden, nicht zur Entspannung oder zur Zerstreuung, nicht „mit gierigen Gedanken, die über den anderen hinweggleiten und nur zu erspähen suchen, was für uns dabei herausspringt“,43 sondern „mit liebendem und dankbarem Herzen“;44 also auch ohne an den Text herangetragene Maßstäbe, den Text vielmehr sorgfältig ausschöpfend.45 Am ‘Peter Camenzind’ von Hesse, an der Geschichte vom verlorenen Sohn Rilkes ‘Malte Laurids Brigge’ und an der Figur des Lügenjöbkens aus Josef Wincklers Roman ‘Pumpernickel’ zeigte Glaser, wie Literatur auf das eigene Leben zu beziehen sei: Der Camenzind stehe für eine vor- bildliche, aufs Wahrhaftige gerichtete Lebensführung, der verlorene Sohn sei dagegen in der Ge- fahr, sich vor Gott zu verstecken „hinter der Erlesenheit seiner Einsamkeit und hinter der Pracht seiner Seele“.46 Das Lügenjöbken wiederum sei aufrichtig, weil es um seine Lüge wisse: „ein Sünder, der seine Sünde erkennt und bußfertig die Strafe erwartet!“47 Über das Inhaltliche hinaus sei auch eine nähere Beschäftigung mit dem Stil, mit der „beglückenden Mannigfaltigkeit der möglichen Seelentöne und Geistesäußerungen“,48 sittlich erhebend, weil dadurch „unser Dasein aus den Niederungen des Vegetierens wieder zu den Höhen des Lebens emporgehoben“49 werde. Die Ebene der Wörter allein sei jedoch unzurei- chend für die Bestimmung des Wertes, weil Wörter allzuleicht zur “Phrase”50 verfälscht wür- den: „Der Dichter ist kein eigenwilliger Erfinder der Unwirklichkeit, sondern ein demütiger Finder, Entdecker, Seher der Wirklichkeit.“51 Ein Buch, das nicht in Gott gründe, d.h. „konzentrische Kreise um den Mittelpunkt Gott“52 bilde, sei „exzentrisch; es fällt dann aus der Ordnung des ganzen Lebens heraus, das uns von Gott ge- schenkt ist. [...] Es vermag uns nicht zu sammeln - wie gut es im einzelnen geschrieben sein mag, und wir sollten nicht allzuoft nach solchen Büchern greifen“.53 41 Glaser 1949, 22. 42 Ebd. 43 Ebd., 32. 44 Ebd., 30. 45 Als Beispiel dafür führte sie Martin Luther an - „den besten Leser“ (ebd., 98) und seine Auslegung eines Verses aus dem Magnificat (Lk 1, 53). Zur Lesepraxis Luthers vgl. ausführlicher Müller, P. 1999, 35. 46 Glaser 1949, 77. 47 Zum Verständnis: In seinem autobiographischen Roman ‘Pumpernickel’ schildert Josef Winckler ein Erlebnis aus seiner Kindheit. Die anderen Kinder nennen ihn ‘Lügenjöbken’, als er im Eifer des Spielens sich selbst einen Riesen nennt, der von einem Berg (in Wirklichkeit einem Maulwurfshügel) springe. Ganz erleichtert ist er, als ihn sein Vater am Abend wegen seiner ‘Lüge’ nicht „ein furchtbares Strafgericht”“(Glaser 1949, 92) veranstaltet, sondern sich über den Überschwang kindlicher Phantasie amüsiert. 48 Glaser 1949, 38. 49 Ebd., 39. 50 Ebd., 22. 51 Ebd., 19. 52 Ebd., 17. - C.1.d - 122 Die Aspekte von (katholisch) ‘vorbildhafter Existenz’ und (protestantisch) ‘richtigem Lesen’ waren zusammengebracht bei Romano Guardini, in dessen umfangreichem Werk seit den zwanziger Jahren sich prototypisch ausprägte, was man - ganz ohne pejorativen Beiklang - ‘Kulturkatholizismus’ genannt hat:54 die Auseinandersetzung mit Kultur unter einem zeitge- nössischen Methodenhorizont, die den Bereich der christlichen Literatur im engeren Sinne hinter sich lässt und stattdessen ein christliches, prononciert katholisches Interpretieren de- monstriert.55 In seinen Arbeiten, so Guardini, gehe es „darum, wie der an die christliche Offen- barung Glaubende die Welt sieht; welchen Sinn Leben und Werk von der Offenbarung her empfangen“,56 ein Programm, dass Guardini selbst methodologisch als ‘Begegnung’ fasste.57 Die Wahrheit, die sich in künstlerischer Literatur zeige,58 werde ergänzt immer nur im Akt des Aneignens, und schöpferisch sei dieses Aneignen insofern, als der Interpret die Beziehung zu Gott mitdenken müsse: „Die bloß in sich webende Natur ist nicht selig erfüllt, und ist es um so weniger, je schöner sie wird. Auch die Natur ist über sich hinausbezogen, und zwar auf Gott hin. Wird sie so erfahren, als von Ihm geschaffen und durchwohnt, dann hört sie auf, unheimlich zu sein.“59 Zwar war Guardini genauestens mit den Interpretationsmethoden der zeitgenössischen Litera- turwissenschaft vertraut. Seine Kategorie des ‘Sich-Begegnens’ jedoch überlagerte alle Zugän- ge, die das Kunstwerk als Artefakt innerhalb einer philologisch entzifferbaren Tradition zu dechiffrieren vermögen.60 Kunst an sich sei eschatologisch; sie gehe „aus der Sehnsucht nach jenem vollkommenen Dasein hervor, [...] worin das Seiende seine volle Wahrheit erreicht hat und die Wirklichkeit den Wesenheiten untertan geworden ist“.61 Guardini begründete daraus auch einen spezifisch qualifizierenden Gestus seines Interpretierens: 53 Ebd. 54 Maron 1972, 307. 55 Wie Grenzmann fasste auch Guardini das Interpretieren metaphorisch als Gehen; beispielsweise: „Und nun treten wir in den zweiten Teil des Gedichtes ein.“ (Guardini 1957, 61) 56 Guardini 1962, 7. 57 Auch Charles du Bos wies dem Rezipieren von Literatur als einem schöpferischen Akt zentrale Bedeutung zu: „die Dichtung ist der Treffpunkt zweier Seelen.“ (du Bos 1949, 20; im Original hervorgehoben), und an anderer Stelle: „Wir empfangen nur, was wir geben.“ (ebd., 83). Damit ist ein zentrales Theorem katholischer Poetologie des 19. Jahrhunderts bezeichnet, nämlich die Verwiesenheit des Lesens in einen lebenspraktischen Zusammenhang (vgl. Kap. C.1.a sowie Kap. D.3b.ff.), und dieser wiederum wurde nicht nur in katholischer Gebrauchsliteratur (vgl. Kap. D.3.b.ii und D.5), sondern auch in literaturtheologischen Texten ausgestaltet. 58 Ich nehme hier Bezug auf Guardinis Mörike-Interpretationen von 1957. 59 Guardini 1957, 33 (Hervorhebung von mir). Die neueren literaturtheologischen Auffassungen über die Autonomie des sprachlichen Kunstwerks - beispielsweise Kuschel 1988/1995, 736: „Für den Schriftsteller [...] muß der Text als abgeschlossen gelten, als Ziel, als ästhetisches Ganzes, das eigenen Gesetzen gehorcht und in sich ruht.“ - fallen also nicht nur hinter den germanistischen Diskussionsstand zurück (die Unhaltbarkeit des Topos vom ‘in sich ruhen- den Kunstwerk’ hat bereits Leibfried 1970, 299ff. nachgewiesen), sondern auch hinter den dialogisch- komplementären Ansatz Guardinis. So weit ich sehen kann, ist Guardini auch der einzige Literaturtheologe, der den Schlussvers von Mörikes Gedicht ‘Auf eine Lampe’ nicht lediglich als Beleg für ein ästhetisches Paradigma repro- duziert, sondern die kontroversen Deutungen von Staiger und Heidegger kennt und auf sie hinweist. 60 Das hat Ziolkowski 1986, 115ff. detailliert belegt. 61 Guardini 1948, 37. - C.1.d - 123 „Die Ehrfurcht, welche der natürliche Sinn dem dichterischen Wort entgegenbringt; die Bereit- schaft, es in Tiefen einzulassen, in welche die tägliche Rede nicht gelangt, wird ebendamit zum Recht, von dem, der es spricht, wirkliche Wahrheit zu erwarten.“62 Damit war das dem literarischen Kunstwerk allein adäquate Interpretieren einem religiösen Zugriff vorbehalten, der auf die Wahrheit im römisch-katholischen Sinne zielt. 62 Guardini 1962, 170. - C.2.a - 124 2. Traditionelle Literaturtheologie (II): Christliche Literatur als Problem a) Facetten des Problemhorizonts Mitte der fünfziger Jahre setzte ein, was man als zweite Phase traditioneller Literaturtheologie bezeichnen könnte, nämlich der Bruch literaturtheologischen Selbstverständnisses. Bei den in den vorangegangenen Abschnitten behandelten literaturtheologischen Auffassungen war die Existenz einer christlichen Literatur, einer „Weltliteratur der Christenheit“,1 grundsätzlich vorausgesetzt. Daneben richtete die Literaturtheologie der Nachkriegszeit ihr Bemühen auch darauf, deren Rang und Bedeutung von christlicher Literatur im „Parlament“2 der Nach- kriegsliteratur herauszustellen. Diese Intention jedenfalls lag der mehr oder minder impliziten Kanonbildung zugrunde. Bereits im literaturtheologischen Kontext der Nachkriegszeit schwang aber immer auch die Frage mit, ob christliche Literatur überhaupt möglich sei, und im Verlauf der fünfziger Jahre wurde das Faktum einer christlichen Literatur zunehmend auf seine literari- schen Implikationen hin erörtert. Vom Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre da- tieren dann viele Aufsätze und Veröffentlichungen, die die Frage nach dem Wesen christlicher Literatur im Titel tragen.3 Diese Häufung geht einher mit der immer öfter gestellten Frage, ob die christliche Literatur an ein Ende gekommen sei. Ende der fünfziger Jahre also trat der litera- turtheologische Diskurs in die Phase der Selbstvergewisserung. Innerhalb des - in den folgen- den Kapiteln umrissenen - Problemhorizonts dieser Zeit entwickelten sich die Theoreme avan- cierter Literaturtheologie, die in den sechziger Jahren konzeptionell ausformuliert wurden. 1 Grenzmann 1950, 329. 2 Ross 1987, 521. 3 So gab 1961 auch W. Hoffmann Vorträge und Briefe der 1950 verstorbenen Elisabeth Langgässer unter dem Titel ‘Das Christliche in der christlichen Dichtung’ heraus. - C.2.a - 125 (i) Phänomenologie christlicher Literatur „Wer [...] trägt und rettet das Erbe aus unserer Zeit in die nächste hinüber, wenn überhaupt noch eine Zeit da ist, um es hinüberzutragen, und noch etwas zu erben ist? Während ich diese Frage stelle, sehe ich einen kleinen, blaugefrorenen Ministranten, der auf dem Weg zu dem Pfarrhaus den Fußball-Toto studiert, und später bei der Messe die Schnupfnase hochzieht und dem Kaplan lateinisch respondiert. Er ist es, und seine Freunde in der ausgelassenen Pfarrju- gend sind es, auf deren Spatzenschultern das abendländische Erbe nach Form - und Inhalt ruht. Auf ihnen und auf ihrem künftigen Dichter, der noch verborgen ist.“4 Die messianische Hoffnung auf eine zukünftige christliche Literatur, hier von Elisabeth Lang- gässer in der Nachkriegszeit geäußert, ist ein Topos, der auf die katholische Romantik zurück- geht und im literaturtheologischen Diskurs in vielfältiger Abwandlung bis heute variiert wird.5 Er drückt zugleich eine grundlegende Skepsis gegenüber der jeweils gegenwärtigen christlichen Literatur aus, nicht aber an christlicher Literatur schlechthin. In der protestantischen Litera- turtheologie hingegen begegnete eine grundsätzliche Skepsis gegenüber christlicher Literatur, die sowohl den reinen Ästhetizismus („Experiment der Selbsterlösung“ 6 ) als auch einen „Mißbrauch der Analogie“7 perhorreszierte. Recht verstanden handelte es sich also um ein Misstrauen gegenüber dem christlichen Autor, das dann erst später bei Bahr und Burkhardt überwunden wurde. Noch 1954 wendete Fritz Dehn den christlichen Anspruch eines Textes in fast ikonoklastischer Zuspitzung gegen dessen Ästhetik: „Vielleicht ist manches kleine Lied in seiner Anspruchslosigkeit und Kunstlosigkeit eher ein christliches Zeugnis als die gewaltigen Gedichte Dantes und Miltons, so wie ein unscheinbares, naives mittelalterliches Altarbild eher den Begriff christlicher Kunst erfüllen mag als Chartres oder Reims. Denn die große Kunst ist der Gott-Konkurrenz oder doch eines titanischen Demiur- gentums verdächtig.“8 Als Mahnung an den christlichen Autor war ausdrücklich hinzugesetzt, dass christliche Literatur zwar möglich sei, aber nur als „ein dem Dichter nicht verfügbares Wunder“.9 Die Ambivalenz dieser protestantischen Skepsis kam darin zum Vorschein, dass die Mahnung an den christlichen Autor verknüpft war mit einem gewaltigen Anspruch an dessen Text: Christlich sei Literatur dann, wenn sie „gleichsam hinter das dionysisch-Dämonische zu- rückgreifend und von der Offenbarung durchleuchtet, das Geheimnis des Lebens zu deuten ver- möchte“.10 Konfessionsübergreifend aber traf sich die Skepsis gegenüber der zeitgenössischen christlichen Literatur; genauer formuliert: in der Unterscheidung von (überzeitlicher) Dichtung und (in die tagesaktuellen Auseinandersetzungen eingreifender) Literatur,11 wenn sich auch diese Unter- 4 Langgässer 1958, 132. 5 Dazu ausführlicher Kap. E.3.a. 6 Flügel 1949, 14. 7 Ebd. Gemeint ist das katholische Analogie-Prinzip. 8 Dehn 1954, 44. Dehn griff hier einen Gedanken auf, den T. S. Eliot 1949 auf einer Tagung der Evangelischen Aka- demie Loccum geäußert hatte: „Die Mehrzahl religiöser Dichtungen ist deshalb erfolglos geblieben, weil ihre Ver- fasser auf die Publikumswirkung bedacht waren. Ein einfaches Gedicht, das vielleicht sogar Zweifel und Unsicher- heit äußert, mag mehr religiösen Einfluß ausüben, als ein gezwungen wirkendes Bekenntnis des Glaubens.“ (Eliot et al. 1949/1996, 19) Dehn transformierte diesen Gedanken allerdings in Kierkegaards Unterscheidung von existentiel- lem und ästhetischem Christentum. 9 Dehn 1954, 46. 10 Ebd. 11 Vgl. hier vor allem Pfleger 1949. - C.2.a - 126 scheidung, von Günther Steinbrinker ausführlich erörtert, im literaturtheologischen Diskurs nicht durchsetzte. Den Gegensatz von (dichterischem) ‘leuchten machen’12 und (schriftstellerischem) ‘einleuchtend machen’ wies Steinbrinker an einer Reihe von Beispielen nach, wobei er die von ihm angeführten „Rhetorismen“13 anhand von Kriterien der klassischen Rhetorik (perspicuitas, aptum) und der thomistischen Schönheitsdefinition (integritas, consonantia) als nicht-dichterisch qualifiziert.14 Christliche Dichtung sei grundsätzlich zwar möglich, aber nur als ”geniale Sonderform”,15 so bei Dante, Donne und Hopkins: „Durch einen mysteriösen Gnadenvorgang werden dabei aus hochgezüchteten Theologen ‘Glaubensintellektuelle’. Sie erreichen die zweite Stufe der Naivi- tät.“16 Steinbrinkers Ansatz, der die phänomenologische Unterscheidung von ‘Dichter’ und ‘Laienprediger’17 aufzuheben versuchte, wurde im literaturtheologischen Diskurs nicht aufgegrif- fen. Jedoch belegt er eine implizite Wertung, die im Verlauf der fünfziger Jahre zur Heranbil- dung eines Kanons christlicher Literatur führte: die Unterscheidung von ‘hoher’ und ‘glaubensfester‘ Literatur. Letztere Kategorie diente dazu, in einzelnen literaturkritischen Beiträ- gen auf den einen oder anderen kleineren christlichen Autor hinzuweisen.18 Im literaturtheologischen Diskurs der fünfziger Jahre entwickelten sich vielmehr zwei Modelle phänomenologisch-formalistischer Kritik, die - in unterschiedlicher Ausprägung - die literarisch stimmige Einlösung einer Qualität forderten, die man als ‘Wahrhaftigkeit’ bezeichnen könnte. Das protestantische Modell führte die Nachkriegsdiskussion um den Sündenroman über in eine Neubestimmung der (notwendigen) Weltlichkeit von Literatur, explizit dann formuliert in Kurt Martis Wort von der ‘Befreiung der Künste zur Profanität’ (1958).19 Der Aspekt der Weltlichkeit, bezogen auf den zeitgenössischen Erfahrungshorizont, begegnet be- reits Ende der vierziger Jahre bei Hans Egon Holthusen: Eine christliche Zeitkritik, die nur auf Abwehr beruhe und ”eine Menge echter geistiger Anliegen der Epoche nicht wahrhaben”20 wolle, sei lediglich”christliche Ideologie”.21 Dem stellte Holthusen beispielsweise die christliche und künstlerische Wahrhaftigkeit T. S. Eliots gegenüber, als deren Qualität er „die durchgehende 12 In der Diskussion um die Semantik von Mörikes ‘selig scheint es in ihm selbst’ bezog Steinbrinker also die Positi- on Heideggers (eine neuere ausführliche Darstellung des Staiger-Heidegger-Briefwechsels gibt Rusterholz 1996c, hier insbesondere S. 377ff.). 13 Steinbrinker 1955/56, 785. 14 Steinbrinker gebrauchte die Begriffe ‘Literatur’ und ‘Dichtung’ scheinbar wertfrei: „Dichter und Schriftsteller arbeiten - das ist der zentrale Unterschied - mit verschiedenen Wort-Ballistiken.“ (Steinbrinker 1955/56, 781) und nicht auf bestimmte Gattungen bezogen. Die Konnotationen der Wortwahl allerdings (S. 785f.: ‘überzüchtet’, ‘exzentrisch’, ‘Unsicherheit der Sprache’, ‘Konstruktion’, ‘Anstrengungen’, ‘erzwingen’ etc.) machen deutlich, dass Steinbrinker nicht nur den Lyrikbegriff Staigers zugrundelegte, sondern dass auch seine Unterscheidung von Litera- tur und Dichtung nicht so wertneutral war, wie sie zu sein vorgab. Tatsächlich heißt es an anderer Stelle: „Es handelt sich bei unseren Anmerkungen um polemisch eingefärbte Reflexionen zur ‘christlichen Dichtung’. [...] Es gibt eben chronische Themen, deren jeweils akutes ‘Krankheitsbild’ [therapeutische] Intransigenz verlangt.“ (ebd., 788) 15 Ebd., 789. 16 Ebd. 17 Wanner 1955, 82. 18 Exemplarisch ist etwa folgende Einschätzung Bernt von Heiselers: „Otto Bruder, früher durch Laienspiele be- kannt, während der Hitlerzeit ausgewandert und jetzt in der Schweiz lebend, hat eine Reihe erzählender Bücher herausgebracht, die auf dichterischen Rang keinen Anspruch erheben, aber um ihrer echten evangelischen Haltung willen unsre [sic] Aufmerksamkeit verdienen.“ (Heiseler 1952, 560; genannt sind: ‘Daniel auf der Galeere’ [Basel: Reichardt]; ‘Das Dorf auf dem Gebirge’ [Zollikon-Zürich: Evangelischer Verlag]). Weiter hieß es bei Heiseler: ”In dem Roman ‘Die Insel Trisur’ (Artemis, Zürich), dem Weg eines Mannes von der Selbstherrlichkeit zur Ergebung, wagt sich der Verfasser ins breitere epische Feld; auch das nicht ohne Erfolg, obwohl ich glaube, daß die Form des erzählenden Berichts, des ‘Zeugnisses’ im eigentlichen Sinne, ihm näher liegt.” (ebd.) 19 Ausführlicher dazu Kap. B.2.b.ii. 20 Holthusen 1955, 8 (aus: ‘Ein Gang durchs Labyrinth’, geschrieben 1948). 21 Ebd.. Vgl. zum Folgenden auch die Darstellung von Holthusen in Kap. C.1.b.ii. - C.2.a - 127 Antinomie von Nihilismus und Sinngläubigkeit“22 hervorhob. Die Spannung zwischen dem Hei- ligen und dem Genie - so Holthusen einige Jahre später23 - sei Kennzeichen der christlich gepräg- ten Kultur Europas, die eine Fülle von unvereinbaren Gegensätzen hervorgebracht habe. Die Fra- ge nach der Möglichkeit von christlicher Literatur in der Gegenwart beantwortete Holthusen gleichwohl skeptisch: Die christlichen Dichter von heute lebten „gegen einen Widerstand von lähmender Toleranz“,24 hätten gleichwohl aber Anteil an „der Gottlosigkeit, des ‘Nihilismus’ und aller möglichen Ketzereien und Apostasien der Epoche“.25 Die künstlerische Freiheit des Einzelnen müsse also - im Sinne von Nietzsches ‘intellektueller Redlichkeit’ - sowohl das zeitge- nössische Bewusstsein reflektieren als auch die „Glaubwürdigkeit einer göttlichen Offenba- rung“26 darstellen. Ausdrücklich wandte sich Holthusen gegen eine christliche Literatur, die ei- nen vergangenen Sprachstand zu repristinieren versuche. Und unter Hinweis auf die künstlerische wie religiöse Bedeutsamkeit des zeitgenössischen Sündenromans folgerte er: „Ist es denkbar, daß die Wahrheit sich nicht mehr in Wißbarkeiten, Überzeugungen, geschlossenen Zusammen- hängen zu erkennen geben will, sondern in wechselnden ‘Ereignissen’ der Seele, unter Umstän- den in skandalösem Widerspruch zu sich selbst?“27 Damit deutet sich eine avancierte litera- turtheologische Auffassung an: „Die Wahrheit ist eine offene Frage, und diese Offenheit ist es, was seine [sc. nämlich des christlichen Dichters] erkennende und fühlende Kraft eigentlich will.“28 Auch bei dem Schriftsteller Johann Christoph Hampe29 - in einem Vortrag von 195830 - war christliche Literatur auf die „welthafte Wirklichkeit“31 verwiesen, was die Frage nach der ad- äquaten Darstellungsformen sekundär machte.32 Hampe allerdings band Literatur zurück an die christliche Heilsoffenbarung: Der christliche Autor habe „nicht Wirklichkeit begreiflich, sondern begriffene Wirklichkeit anschaulich zu machen.“33 Damit war die Kategorie der Weltlichkeit präskriptiv besetzt: „Nicht daß sie [sc. die christliche Literatur] von Gott reden muß um jeden Preis, aber er wird nicht abwesend gedacht sein bei dem, was da geschildert wird. Der Raum über dem Menschenbild dieses Erzählers kann nicht geschlossen sein wie der eiserne Himmel der Existentialisten.“34 Das bei Holthusen und Hampe aufgeworfene - und unterschiedlich beantwortete - Problem, wie sich Weltlichkeit und Glaubensgewissheit literarisch zu denken sei, war ausführlich behandelt in einem Vortrag Beda Allemanns aus dem Jahre 1958: Glaube und Unglaube stünden in einem dialektischen Bedingungsverhältnis, das „in jedem einzelnen [literarischen] Werk und in jedem 22 Ebd., 72 (aus dem Essay ‘Das Nichts und der Sinn. T.S.Eliot als Lyriker’; geschrieben 1950) 23 Als Vortrag gehalten auf der Tagung der Katholischen Akademie in Bayern (München, 28./29.11.1959). Ich zitiere nach der leicht gekürzten, in Holthusen 1961 abgedruckten Fasssung. Über Holthusens Auffassung vom Abendlän- dischen gibt Holthusen 1961b näheren Aufschluss. 24 Holthusen 1961a, 250. 25 Ebd., 251. Mit dieser Einschränkung unterschied sich Holthusen von Hohoff, der ebenfalls die Unmöglichkeit zeitgenössischer christlicher Literatur mit dem „Klima der lauen, indifferenten Toleranz“ begründete, damit aber die Hoffnung verband, unter anderen Bedingungen könne das Christentum „eine verbindliche Literatur“ hervor- bringen, die „nach außen strahlt kraft eines Glanzes aus der Fülle höherer Wahrheit und Schönheit.” (alle Zitate Hohoff 1960, 35) 26 Ebd., 252. 27 Ebd., 255. 28 Ebd., 256. Die Skepsis war allerdings relativiert durch das bibelsprachliche Pathos, mit dem Holthusen zuvor noch die Möglichkeiten von Literatur mit dem Divinationstheorem begründet hatte: „Wo die Einbildungskraft des Dichters zugreift, die Gewalt seines Fühlens, rätselhaft gepaart mit einem divinatorischen Intellekt: da bringt sich - im ‘Raum des Glaubens’ - das Schicksal des Menschen überhaupt zur Sprache, wie es von Anbeginn war und ist und immerdar sein wird, innerhalb so gut wie außerhalb eines christlich geprägten Bewußtseins.“(Holthusen 1961a, 248) 29 Geboren 1913, Studium der evangelischen Theologie, Jugendbuchautor, protestantischer Berichterstatter beim 2. Vatikanischen Konzil (vgl. Hampe 1965, 59). 30 Es handelt sich um ein Referat, das Hampe 1958 auf der vierten Jugendbuchtagung des Internationalen Instituts Schloss Mainau hielt. Veröffentlicht wurde es 1965 unter dem Titel ‘Gott strahlt vor Weltlichkeit. Zur Problematik der christlichen Erzählung’ (Hampe 1965, S. 7-28). 31 Ebd., 17. 32 Dass Hampe sich in diesem Zusammenhang „zum Avantgardismus des christlichen Erzählers“ (Hampe 1965, 25) bekannte, war jedoch eine gelinde Polemik gegen die literarische Moderne (‘neue Mythologie’, Weltimmanenz, Skepsis, „jenes jetzt so verbreitete Stilmittel der Ironie“ (S. 27) etc.). 33 Ebd., 24. 34 Ebd., 27. - C.2.a - 128 einzelnen menschlichen Dasein dem ganzen Umfang nach durchgestanden sein will.“35 Alle- mann berief sich auf Bonhoeffers ‘Diesseitigkeits’-Begriff, wenn er für die Literatur folgerte: „es ist auch die Diesseitigkeit, wie die Dichtung sie versteht, nicht als ein Affront gegen das Jenseits, sondern als sein großes Gegengewicht.“36 Darin, dass zeitgenössische christliche Literatur sich dieser Spannung annehme, sich also „zu den Fragen und Ratlosigkeiten als einem wesentlichen Bestandteil des Glaubens“37 bekenne, zeige sich ihr Rang. Eine Glaubensgewissheit, wie sie sich etwa bei Claudel zeige, sei zwar überzeugend, aber: „Der Glaube wandert in die Historie ab. Er wird dadurch nicht unwirklich, aber es wird uns implicite - ob mit oder gegen den Willen des Autors - zu verstehen gegeben, daß er in dieser Form heute nicht mehr exemplarisch gelebt wer- den kann.“38 Ähnlich wie Allemann argumentierte Heinz Flügel in seinem Beitrag zur Linnerz-Umfrage von 1959,39 akzentuierte jedoch den Aspekt des Seelsorgerlichen: Sich in christlichem Mitleid der Welt anzunehmen, „denn der Mensch braucht zuallererst die Gewißheit, daß seine Situation haargenau so, wie sie ist, wenigstens von einem Dichter begriffen wurde“.40 Die Funktion von christlicher Literatur für die Christen und für die Nichtchristen beschrieb Flügel mit dem Begriff der Zeugenschaft, die die Gebrochenheit zeitgenössischer Erfahrung widerspiegeln müsse: „den Unglauben mit den Augen des Gläubigen und den Glauben mit den Augen des Ungläubigen zu sehen“.41 Ganz unzweifelhaft waren dies Gedanken, an die später die avancierte Literaturtheo- logie anknüpfen konnte. Zwei Jahre später bekräftigte Flügel die Forderung nach einer radikalen christlichen Literatur, als er dem Neuabdruck seines Essays42 folgenden Satz hinzufügte: „Alles, was der Propaganda dient, fördert den Konformismus und führt zur Indifferenz. Von den Glau- bensdingen dürfte also in der Literatur gerade heute immer nur unter den Voraussetzungen der Ungläubigen gesprochen werden.“43 Das katholische Modell dagegen betonte den analogischen Zusammenhang von dichterischem Werk und Schöpfung (Koep, Landau, Becher,44 Guardini, Kunisch), sah den Künstler als ‘alter creator’ und argumentierte demzufolge vor allem mit klassizistischen Literaturmustern.45 Für Hermann Kunisch46 diente jede Dichtung, soweit sie in sich stimmig ist, dazu, „an einem Stück wahrgenommener, erfahrener Welt“47 die „Stummheit der Schöpfung“48 zu lösen.49 Dar- aus erklärt sich, dass Kunisch die Auffassung der Stimmigkeit, des gelungenen Wortes an unter- schiedlichen poetologischen Zusammenhängen (Stifter, Karl Kraus oder Gottfried Benn) belegte, sie aber - unter Berufung auf Eichendorffs ‘triffst du nur das Zauberwort’ - theologisch begründe- te.50 Entscheidend sei das „Ringen um die Wortgestalt“,51 das sich auf Wahrheit richte: „Die 35 Allemann 1959, 48. 36 Ebd., 47. 37 Ebd. 38 Ebd., 36. 39 Auf die Linnerz-Umfrage gehe ich ausführlicher im folgenden Unterkapitel C.2.a.ii ein. 40 Flügel 1960, 27. 41 Ebd., 28. 42 Abgedruckt in Flügel 1962. 43 Flügel 1962a, 165. 44 Vgl. zu diesen dreien das folgende Kapitel. 45 Zu diesem Zusammenhang vgl. ausführlicher Kap. C.1.a.i. 46 In einem Vortrag 1959 in der Katholischen Akademie Bayern (vgl. Kap. C.2.a.i), zit. als Kunisch 1960. 47 Kunisch 1960, 66. 48 Ebd., 69. 49 In dieser Bestimmung unterschied sich Kunisch von Heiseler 1949, dessen Gedanken er ansonsten im Großen und Ganzen aufgriff. Wie Kunisch bezog sich bereits Heiseler auf den genannten Eichendorff-Vers (‘triffst du nur ...’), sah allerdings in der Autonomieästhetik den Grund für „eine lebensferne Kunst [...]. Auf diese Weise ist die Kunst um ihr Grundrecht gebracht worden: die Seele des Menschen so zu erhellen, daß er dem nächsten Tag freier, fester, besser gerüstet gegenüber steht.“ (Heiseler 1949, 10) 50 “Schläft ein Lied in allen Dingen, / Die da träumen fort und fort, / Und die Welt hebt an zu singen, / Triffst Du nur das Zauberwort.“ (zit. nach Kunisch 1960, 67). Dieser Vers galt dann Hans Altmann als Kurzformel des katholi- schen Analogieprinzips (vgl. Altmann 1964, 14); aufgegriffen wurde er u.a. wieder bei Kienecker 1991. 51 Kunisch 1960, 71. - C.2.a - 129 Wahrheit eines Gegenstandes als eines Teiles unseres Daseins wird heraufgeholt nur durch die verwandelnde und erhellende künstlerische Kraft. Unvermögen verschüttet in dem erhabensten Gegenstand dessen Tiefe und Wahrheit.“ 52 Damit war die in der protestantischen Literaturtheo- logie geläufige Antinomie zwischen dem ‘Wahren’ und dem ‘Artistischen’ als bedeutungslos bestimmt.53 Zugleich verlor das Etikett einer christlichen Literatur seinen Sinn. Zwar räumte Kunisch ein - hierin nicht ganz konsequent -, es gebe „etwas Christliches [...] im Klang, der Fü- gung der Worte, den Bildern und dem Rhythmus”54 - ein Gedanke, für den er auf historische christliche Literatur verwies, den er aber nicht näher ausführte. Die Frage nach christlicher Lite- ratur sei aber - so Kunisch - letztlich irrelevant, denn auch für den christlichen Rezipienten zähle allein die dichterische Kraft. So endet sein Vortrag in dem Resümee: „Es gibt eine ‘christliche’ Dichtung, die die Christen wenig angeht; es gibt eine ‘nichtchristliche’ Dichtung, die des Christen Angebinde und Erbe ist.“55 Kunischs Auffassung, die er ähnlich bereits auf dem Ka- tholikentag 1952 vertreten hatte, kann als repräsentativ für den katholischen Literaturdiskurs gelten. Dagegen war eine These wie die von Peter Berglar, das literarische Werk bekomme sei- nen ‚wahren Wert‘ erst durch „ein von außen hinzutretendes Kriterium, nämlich das des Dien- stes, des Charismas“,56 bereits in der Vorkonzilszeit umstritten. Eine Synthese beider Auffassungen findet sich bei Karl Moritz, der aus der Sicht des Deutschlehrers Aspekte der hermeneutischen Praxis erörterte. Sein Beitrag in der Linnerz- Umfrage von 195957 erhellt gewissermaßen den Randbereich des literaturtheologischen Diskur- ses, an dem theoretische Subtilitäten in konkreter interpretatorischer Arbeit aufgehen: Für skeptische Schüler seien die „traditionsgebundenen Dichter der deutschen Innerlichkeit und Naturverhaftetheit“58 nicht glaubwürdig, weil sie - Moritz führt als Beispiele Carossa und Hes- se an - „allzu harmonisch” seien, „angesiedelt auf seligen Inseln abseits unserer krisenge- schüttelten Zeit“.59 Dagegen gäben Autoren wie Kafka, Sartre, Benn oder Brecht zwar „Einblick in den Geist der Zeit“,60 hinterließen bei den Schülern aber nur „Ratlosigkeit“.61 Allein die christliche Literatur öffne „tiefere Schichten“62 , und das nicht konstruiert,63 sondern authentisch, weil sie die Schüler in ihrer ganzen Person anspreche: 52 Ebd., 65. Auch Romano Guardini, der ebenfalls phänomenologisch argumentierte, hatte betont, dass das dichteri- sche Kunstwerk der Wahrheit verpflichtet sei. Guardini ging aber über Kunisch, auf den er sich beruft, hinaus: Das dichterisch vollkommen gestaltete Wort könne durch seinen „Glanz Unwahres und Unrechtes in den Schein der Gültigkeit“ setzen, und daraus erwachse der Interpretation das „Recht, von dem, der es spricht, wirkliche Wahrheit zu erwarten.“ (beide Zitate Guardini 1957, 108) 53 Kunisch unterscheidet sich auch darin von Heiseler (vgl. Heiseler 1949), dass sein phänomenologischer Ansatz auch die zeitgenössische Literatur einschließt, vorausgesetzt allerdings, „daß ihre Gestaltung nicht Ausflucht, son- dern Wahrheit ist [...]. Nur darauf kommt es an, daß das Rohe, Entstellte, Stumme, Verschlossene und Verfallene der Welt sich in der Kunst wiederherstelle, sei es durch Sichtbarwerden oder Unsichtbarwerden.“ (Kunisch 1968, 86; zu Beurteilung künstlerischer ‘Artistik’ vgl. ebd., 97ff.). 54 Kunisch 1960, 59. 55 Ebd., 73. Ganz ähnlich hier Heiseler 1949, 12. 56 Aus einem Referat, gehalten auf der Arbeitstagung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, April 1962 in Freiburg (zit. nach Freiburg 1962, 211). Berglars Thesen, die im Grunde die offizielle römisch-katholische Kunst- auffassung der Vorkonzilszeit wiedergeben, wurden in der anschließenden Diskussion allgemein als zu eng empfun- den. 57 Dazu ausführlicher im folgenden Unterkapitel C.2.a.ii. 58 Moritz 1960, 65. 59 Ebd. 60 Ebd. 61 Ebd. 62 Ebd., 64. - C.2.a - 130 „Aufgabe des Deutschunterrichts ist es, diese innere Empfänglichkeit beim Schüler zu wecken. Auf diese Weise kann die Schule ihren Teil dazu beitragen, daß künftig weder christliche Dichter als sektiererische Hinterwäldler noch die Suchenden ohne Glauben als jugendgefährdende Ni- hilisten abgetan werden. Nur so auch gewinnt die christliche Dichtung von heute, was sie drin- gend braucht: wache, urteilsfähige Leser.“64 Am Ende der fünfziger Jahre war also in der Literaturtheologie die Meinung unstrittig, dass christliche Literatur zuallererst auf ihre literarische Qualität befragt werden müsse. Wie sich jedoch in den Beiträgen der Linnerz-Umfrage zeigt,65 lag in den oben umrissenen zwei phäno- menologischen Auffassungen - der ‘analogischen’ und der ‘weltlichen’ - die eigentliche Diffe- renz im literaturtheologischen Diskurs dieser Zeit: Die ‘weltliche’ wies voraus auf die avancier- ten literaturtheologischen Ansätze der sechziger Jahre, die ‘analogische’ trug bei zur Fokussie- rung auf die ‘großen’ Namen christlicher Literatur. Die literaturtheologische Kanonisierungspraxis hatte auch konfessionelle Züge: Das zeigt sich beispielsweise an dem Katholiken Wilhelm Grenzmann, der in einem ‘Deutschunterricht’-Heft vom September 1963 den Begriff ‘christliche Literatur’ ausführlicher erörterte. Hatte er in den Veröffentlichungen aus den fünfziger Jahren noch die christliche Literatur in ein breites Pa- norama zeitgenössischer Literatur eingeordnet, war die Sichtweise nun deutlicher auf den Gegen- satz christlich vs. nicht-christlich eingeengt, und es fehlte die optimistische Annahme der Nach- kriegsjahre, dass die christliche Literatur die Gegenwart mit sich selbst versöhnen könne. Zwar wies Grenzmann nach, dass die Christen sowohl am zeitgenössischen Pessimismus66 als auch an der „Weltfreude“67 ihren Anteil hätten.68 Die christliche Dichtung jedoch, bei der sich „die Kunst des Wortes mit dem Gegenstand verbindet und ein neues Dasein stiftet“,69 war 1963 - an- ders als in früheren Veröffentlichungen - nur noch mit wenigen Namen assoziiert; von den deutschsprachigen Autoren waren dies Schaper, Langgässer, Bergengruen, le Fort, R. Schneider, Klepper, Andres und R.A.Schröder.70 Mit ganz ähnlicher Argumentation wie Grenzmann hatte dagegen 1960 Wilhelm Horkel in ei- nem vom evangelischen Claudius-Verlag herausgegebenen Vortrag die Bedeutung der christli- chen Literatur für die weltanschauliche Auseinandersetzung mit dem „Atheismus der heutigen bolschewisierten Menschheitshälfte“71 hervorgehoben. Hier waren neben den erwähnten ‘Kernautoren’ auch die protestantischen Schriftsteller Albrecht Goes, Manfred Hausmann, Bernt 63 Zur Kategorie des Konstruierten vgl. folgende Sätze von Moritz: „Die christliche Substanz läßt sich Primanern am besten durch eine solch vergleichende Gegenüberstellung aufzeigen. Aber auch so ist es nicht einfach, die Para- doxien glaubhaft werden zu lassen. Es kann leicht der Eindruck des Konstruierten, des dogmatisch Herbeigezerrten entstehen, wie ein Primaner bei der Behandlung von Dürrenmatts Kurzgeschichte ‘Der Tunnel’ äußerte.“ (Moritz 1960, 64) 64 Ebd., 66. 65 S. das folgende Unterkapitel C.2.a.ii. 66 Unter Verweis auf die Ausführungen über den zeitgenössischen ‘deus absconditus’ bei Hans Eckehard Bahr (‘Poiesis’). 67 Grenzmann 1963, 37. 68 Die Unterscheidung von ‚De-profundis-‚ und ‚Te-deum-laudamus-Literatur‘, die Grenzmann hier andeutete (vgl. auch Grenzmann 1963, 28) geht zurück auf Holthusen, der in einem Essay von 1951 Goethes Frömmigkeit als eine „Religion des ‘Te deum laudamus’, nicht des ‘De profundis’.“ (Holthusen 1955, 235) bezeichnet hatte. Friedrich Kienecker entwickelte dann 1978 diese Unterscheidung für eine Typologie christlicher Literatur (vgl. Kienecker 1978). 69 Grenzmann 1963, 28. 70 Nur vereinzelt werden auch Hofmannsthal, Bernt von Heiseler und Max Mell erwähnt. 71 Horkel 1960, 28. - C.2.a - 131 von Heiseler, Emanuel Hirsch, Kurt Ihlenfeld, Willy Kramp und Emanuel Stickelberger ge- nannt.72 (ii) ‘Gibt es heute christliche Dichtung?’ Gegen Ende der fünfziger Jahre spitzten sich die Diskussionen um christliche Literatur zu. Sie betrafen nicht mehr nur in erster Linie die (theologisch konnotierte) Phänomenologie des Schöpferischen bzw. des adäquaten Lesens oder die Phänomenologie des ‘sprachlichen Kunst- werks’, sondern auch die Kategorien seiner Rezeption innerhalb eines sich wandelnden kultu- rellen Kontextes. Den Horizont des sich zu dieser Zeit allmählich neu artikulierenden litera- turtheologischen Diskussionszusammenhanges bildet eine von Heinz Linnerz73 initiierte Um- frage ab, die unter dem Titel ‘Gibt es heute christliche Literatur?’ vom Oktober bis November 1959 in der katholischen Wochenzeitung ‘Echo der Zeit’ erschien.74 Die zur gleichen Zeit stattfindende Tagung der Katholischen Akademie in Bayern dagegen blieb einer eher traditionellen Sichtweise und einem traditionellen Interesse verhaftet. Das zeigt sich bereits in den unterschiedlichen Fragestellungen: War bei Linnerz der Begriff der christlichen Literatur problematisiert, bis hin zu deren Infragestellung, setzte die Katholische Akademie so- wohl Begriff als auch Gegenstand noch umstandslos voraus (‘Was ist das Christliche an der christlichen Dichtung?’). Und betonte Linnerz in seiner Zusammenfassung, dass die behandelte Frage offen geblieben sei, resümierte Karl Forster, die Tagung in der Katholischen Akademie ha- be „in umfassender Weise die entscheidenden Aspekte erarbeitet“75 und könne nicht nur „zum Verständnis der Literatur, sondern ebenso zum Selbstverständnis des Christlichen“76 dienen. Wie eine Bekräftigung dieses Standpunktes wirkt es da, dass in der Dokumentation der Münche- ner Tagung der Beitrag des Dogmatikers Alois Winklhofers an den Schluss gesetzt war, und des- sen letzte Sätze beschließen den Tagungsband in einem feierlichen Gestus: Christliche Literatur sei „Vollzug des Mysteriums - ja Liturgie“.77 Mit diesen Worten spielte Winklhofer auf die christliche Literatur der zwanziger Jahre an: ein vermutlich bewusst gesetzter anachronistischer Akzent angesichts des Bedeutungsverlustes des christlichen Literaturkanons, der sich zu dieser Zeit längst abzeichnete.78 Solche Anachronismen waren auch konfessionell motiviert: Noch Charles Moeller - in einem katholischen Sammelband über die ‘Bilanz der Theologie’ (1969) - 72 Sechs katholische vs. zehn protestantische Autoren; der Vortrag richtete sich explizit an protestantische Hörer. Bei Bergengruen wies Horkel darauf hin, er sei „ohne Zweifel derjenige Dichter im katholischen Raum, der uns Evange- lischen am nächsten steht und von uns am dankbarsten aufgenommen und verstanden werden kann. Dazu rechnen wir auch die evangelische Nüchternheit, die sowohl seinem kernigen Stil wie seinen Gestalten eigen ist, durchaus im Gegenwatz etwa zu Gertrud von le Fort.“ (ebd., 22) 73 Geboren 1926 in Köln, nach 1945 Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte; 1952 Promotion in Germanistik; 1958 bis 1962 Ressortleiter für Kultur und stv. Chefredakteur von ‘Echo der Zeit’; 1962 Chefredakteur der Zeitschrift ‘Dokumente’ (Köln/Paris), 1967 Leiter der Hauptabteilung Kultur beim Westdeutschen Rundfunk (Die Angaben sind dem Klappentext von Linnerz 1965 und der Ausgabe 1981 von ‘Who is who’ entnommen). 74 Der Schwerpunkt der Umfrage lag auf dem christlichen Roman, einer Gattung also, mit der die bundesrepublikani- sche Literatur gerade im Jahr 1959 internationalen Rang begründet hatte, beispielsweise Grass’ Blechtrommel. 75 Forster 1960, 5. 76 Forster 1960, 6. 77 Winklhofer 1960, 163. 78 Trotzdem war dieser Zusammenhang im literarischen Diskurs Ende der fünfziger Jahre noch durchaus präsent. 1958 druckte die Zeitschrift ‘Akzente’ einen Essay Elisabeth Langgässers über die „Überwindung der Weltlosigkeit“ (Langgässer 1958, 129) moderner Literatur ab. Zur Problematik der sich hier äußernden Auffassungen nach 1945 vgl. auch Hoffmann, D. 1998, 345ff. - C.2.a - 132 nannte die christliche Kanonliteratur ein „charakteristisches Phänomen unserer Zeit“.79 Die zeitgenössische Relevanz der darin behandelten Sünden-Gnaden-Thematik war hier unausge- sprochen vorausgesetzt. Die von Linnerz initiierte Umfrage ging aus von einem Beitrag Heinrich Bölls, der eine christ- liche Literatur grundsätzlich in Frage stellte,80 soweit deren Autor sich milieu-internen Rezep- tionserwartungen oder gar theologisch-katechetischen Normierungen unterwerfe: „Schreiben ist ein gefährliches Unternehmen, denn die Geliebte läßt sich nicht auf Legalisierung des Verhältnisses ein; sie will nicht geheiratet werden; die Liebe kann ihr nie zur Pflicht ge- macht werden, und eines scheut sie am meisten: wenn der Partner sie in das Korsett seiner Ge- danken zwingt; sie rächt sich, indem sie ihm hölzerne Kinder gebärt: christliche Literatur (oder solche, der die Uniform des sozialistischen Realismus passen würde). Es gibt Glücksfälle, wo ei- ner zugleich ein Genie und ein Heiliger war [...], Literatur, die von Christen gemacht wurde und doch christliche Literatur ist, aber sowohl Heiligkeit wie Genie entziehen sich der Analyse.“81 In Bölls Beitrag war die Problematik christlicher Literatur entfaltet, wie sie dann in den Umfra- gebeiträgen behandelt wurde, die die ursprüngliche Frage in unterschiedlicher Weise umdeute- ten: was christliche Literatur wesenhaft ausmache und welche Funktion sie habe, sowohl theo- logisch als auch als ‘rezeptionsleitendes Etikett’. In mehreren Beiträgen wurde die Fragestel- lung aber auch dahingehend gedeutet, ob das Reden über christliche Literatur überhaupt sinn- voll sei. (1) Unterschiedlich wurde die Rolle des christlichen Autors gedeutet. Verstanden Vilma Sturm und Inge Meidinger-Geise christliche Literatur als Selbstbekundung einer existentiellen Erfahrung des gläubigen Dichters („Produktion ist nur möglich aus einem Reservoir von Kraft.“82 bzw. „Mit dem Ahnen von Reinheit und Größe des Menschenbildes muß der Abgrund des Schicksals durchschritten und ausgesagt werden“83 ), beharrten die meisten der beteiligten Schriftsteller (Bergengruen, le Fort, Böll, Schaper, Walter Jens) auf der Trennung von literarischer ‘techné’ und persönlicher Glaubensüberzeugung84 und hielten entweder den Begriff ‘christliche Literatur’ oder die Diskussion darüber für irrelevant85 - die Markierung als christlicher Autor war im Ge- samtdiskurs Literatur zu dieser Zeit also heikel geworden. 79 Moeller 1969, 132 (namentlich genannt waren allerdings nur Julien Green und Graham Greene). Auf die konfes- sionell unterschiedlich sich entwickelnde Einschätzung der traditionellen christlichen Literatur gehe ich ausführlicher in Kap. C.4.d.i. ein. 80 Aus der Breite des Antwortenspektrums geht hervor, dass der Titel nicht suggestiv formuliert war, also nicht eine bestimmte Antwort implizierte. 81 Böll 1960, 8. 82 Sturm 1960, 81. 83 Meidinger-Geise 1960, 60. Insbesondere Meidinger-Geise griff entsprechende Selbstbekundungen Reinhold Schneiders auf. 84 Die Auffassung von Alfred Andersch (1960, 10: „ich weigere mich einzusehen, warum ein Schriftsteller nicht einen Glauben, eine Überzeugung oder eine Weltanschauung haben und ihr in Kunstwerken Ausdruck geben kann.“) ist im literaturtheologischen Diskurs verschiedentlich als Apologie christlicher Literatur gelesen worden, jedoch zu Unrecht, wie aus dem Gesamtzusammenhang seines Beitrags erhellt. Die Kategorie des Handwerklichen, zu der sich zur gleichen Zeit auch beispielsweise Albrecht Goes bekannte (vgl. Goes 1983, 29), behandelt ausführlicher Barner 1981, 745ff.. 85 Einzig Heinz Piontek hob die Bedeutung christlicher Literatur für die Gegenwart hervor: Sie müsse „vielleicht für lange Zeit, vielleicht für immer die Aufgabe der fehlenden übernehmen“ (Piontek 1960, 69). Diese Auffassung, die ich ‘Platzhalter’-Theorem nenne, ist in der Literaturtheologie mehrfach aufgegriffen worden, beispielsweise noch bei Kienecker 1991. Auch die 1978 von Karl-Josef Kuschel vorgestellte Kategorie des ‘Christo-’ bzw. ‘Jesuphorischen’ (vgl. Kap. C.3.b.ii) scheint mir auf das ‘Platzhalter’-Theorem zurückzugehen. - C.2.a - 133 (2) Bei Becher, Beckmann, Koep, Landau, Marshall und Schmied dagegen diente christliche Li- teratur als normativer Maßstab für Literatur schlechthin, und damit artikulierte sich in ihren Bei- trägen ein rein traditionelles literaturtheologisches Argumentieren, das - insbesondere in den ka- tholischen Beiträgen - die säkulare, nicht-christliche Literatur nur als ‘er-dichtet’ (Edwin Maria Landau), als ‘diabolisch verwirrt’ (Leo Koep) oder als Missbrauch resp. Entäußerung des göttli- chen ‘donums’ gelten ließ. In seiner Zusammenfassung der Umfrage in ‘Echo der Zeit’ resümierte Heinz Linnerz die darin sich manifestierenden konfessionellen Unterschiede: Hätten die befragten Katholiken das Christliche an christlicher Literatur an deren Darstellungsfunktion gebunden, werde protestanti- scherseits die christliche Literatur vor allem als „Ärgernis, als Skandalon“86 verstanden: „Auch der nichtchristliche Dichter kann zum Zeugen für die christliche Heilswahrheit werden. Darin stimmen alle, die diese Frage aufgeworfen haben, überein. Eine // entscheidende Einsicht, deren weitreichende Konseqenzen nicht übersehen werden sollten. [...] Die Konsequenz schließ- lich, daß auch der als Atheist apostrophierte Dichter unter Umständen zum Zeugen werden kann; also beispielsweise ein Albert Camus. Ohne Zweifel liegt darin ein großes Wagnis. Rein- hold Schneider hat im Jahre 1955 in einer Rundfunkdiskussion mit Gottfried Benn für das hier angerührte Geheimnis die tiefen Worte gefunden: ‘Vielleicht besteht ein christlicher Dichter die- se Stunde (gemeint ist die Stunde der schöpferischen Ausssage), wenn er einigen wenigen ans Herz rührt mit einer Frage, auf die niemand antworten kann als Gott. Das gilt auch dann, wenn der Dichter keine Hoffnung auf Antwort hat.’”87 Was Linnerz als ‘weitreichende Konsequenzen’ bezeichnete, war tatsächlich der Ansatzpunkt für die sich in dieser Zeit entwickelnden Theoreme avancierter Literaturtheologie.88 Das Thema der existentiellen Bedeutsamkeit der modernen Literatur unabhängig von der (vermuteten oder unterstellten) weltanschaulichen Position ihres Verfassers entwickelte Lin- nerz fünf Jahre später in der kleinen Schrift ‘Christliche Dichtung? Mißverständnisse und Wirklichkeit’, die die Ergebnisse der Umfrage von 1959 aufgriff, ergänzte und kommentierte und in einen schlüssigen Gesamtzusammenhang zu bringen versuchte.89 Den Begriff ‘christliche Dichtung’ erklärte Linnerz in dieser Schrift für überholt, ohne ihn indes vollständig aufgeben zu können. Das zeigt sich beispielsweise in seiner weit ausholenden und nicht recht eindeutigen Einschätzung Heinrich Bölls, die die Frage nach der Einordnung der ‘Ansichten eines Clowns’ als christliche Literatur zugleich verneinte und bejahte: „Ist Bölls Clown ein christlicher Roman? Man muß auf diese Frage ehrlicherweise mit Nein antworten, wenn man dialektische Verrenkungen vermeiden will. Aber eines wird auch Böll we- der abstreiten können noch wollen: daß dieser Roman nur von einem Autor geschrieben werden konnte, der, ob er nun will oder nicht, an der Frage des Glaubens nicht vorbeikann, der sich an 86 Linnerz 1960, 88. 87 Linnerz 1960a, 89//90. 88 Vor allem am Beitrag von Heinz Flügel, dessen 1949 entwickelte Phänomenologie christlicher Literatur dann in der Bestimmung des Kunstwerks als „einer revolutionären Vision des Geists“ (Flügel 1978, 177) mündete, die die Realität sowohl transzendiere als auch - im politischen Sinne - aufbreche, zeigt sich der Wandel von der traditionel- len zur avancierten Literaturtheologie sehr deutlich. 89 Ich danke Jürgen Winnikes von der theologischen Fachbereichsbibliothek der Universität Freiburg, der mir die Schrift in unkomplizierter Weise zugänglich machte. - C.2.a - 134 dem Institutionellen reibt und wund scheuert und manchmal das Sakramentale, das Mysterium mit ihm verwechselt.“90 Obwohl Linnerz den Begriff ‘christliche Literatur’ zumindestens als ‘terminus technicus’ bei- behielt - am Beispiel Jean Cayrols wird das deutlich91 -, erklärte er ihn für irrelevant und be- schränkte seinen Sinn auf Literatur ‘aus christlichem Geist’, die „ohne das übliche Vokabular, ohne jene scheinbare Sicherheit, die schon ein einfacher Umzug zu erschüttern vermag“92 aus- komme, die aber „dafür im Zerrbild, im zersprungenen Spiegel das Urbild, den Ursinn deut- lich“93 mache. An Einschätzungen wie diesen schloss die avancierte Literaturtheologie an, die sich in den sechziger Jahren zu artikulieren begann. In der Umfrage von 1959 war diesen Schritt am weitesten Josef Reding gegangen, für den das Christliche von Literatur darin lag, inwieweit es wahrhaftig sei: „Als verläßliches Leitbild erweist sich nur die ehrliche Suche nach der Wahrheit. Ein wahres Buch wird sich letztlich in Übereinstimmung mit den Forderungen des Christentums befinden, mag es auf den ersten Blick auch nicht augenfällig werden. Wo ein Werk als Abbild der Wahr- heit dem Menschen begegnet, hat es einen unerhörten Anspruch darauf, ernst genommen zu werden. Es ist nach Vorliegen einer solchen Arbeit gleichgültig, ob der Autor Christ ist oder nicht.“94 Und in einer Klarheit, wie sie im literaturtheologischen Diskurs selten zu finden ist, hatte Re- ding darauf hingewiesen, dass christliche Literatur nicht aus sich heraus bestimmbar ist, son- dern erst im Leseakt als solche konstituiert wird: „Vielleicht hat man den Leser noch nicht genügend auf seine Macht hingewiesen, jedes große Stück Weltliteratur zu christlicher Dichtung zu machen, indem er es in sein eigenes religiöses Leben transplantiert und dort wirksam werden läßt.“95 90 Linnerz 1965, 28. 91 Anhand von Cayrol und Böll versucht Linnerz „am konkreten Beispiel deutlich zu // machen, weshalb die von den einen hochgelobte, von den andern verketzerte moderne Dichtung gerade von den Christen ernst genommen zu werden verdient. Der erste Autor, dessen Werk uns als exemplarisch erscheint, stammt aus Frankreich: Jean Cayrol. [...] [Absatz] Jean Cayrol wäre wahrscheinlich sehr verwundert, sich als christlichen Dichter bezeichnet zu finden. Von Christentum ist im Werk des heute 53jährigen Franzosen nicht allzu oft die Rede, und daß er sich selbst einen christlichen Dichter nennt, ist nicht bekannt.“ (Linnerz 1965, 17//18) 92 Ebd., 25. 93 Ebd. 94 Reding 1960, 72. 95 Ebd.. Angedeutet war der Aspekt einer christlichen bzw. nicht-christlichen Rezeption auch bei Hampe 1965, 20f., weiter ausgeführt dann bei Kranz 1978, 23ff., hier allerdings in apologetischer Verkürzung. - C.2.b - 135 b) Christliche Literatur in der zeitgenössischen Gesellschaft (i) ‘Unbehagen’ und Entwürfe „Was sind die Zeichen der Zeit, ihre Forderungen? Die Antwort darf man generell formulieren. [...] Es hängen zusammen: ein unbedingter Pragmatismus, der die anderen an den Früchten er- kennen, aber sich auch selber im Tun bewähren will, ein Kult des Helfens, der zwar lieber in Doktor Schweitzers Kapelle betet als selber nach Afrika geht, der aber doch in jedem Fall ‘etwas tun’ will - und eine totale Abneigung gegen jede Rhetorik, ein grundsätzliches Mißtrauen gegen das Wort, das im kritischen Fall selbst vor der eigenen Tür nicht haltmacht.”1 Mit diesen Worten umriss Werner Ross2 Anfang der sechziger Jahre den Mentalitätswandel im Rezeptionsumfeld der christlichen Kanonliteratur. Sowohl bei christlichen Autoren als auch bei deren Lesepublikum äußere sich nicht Kritik am kirchlichen Lehramt,3 sondern ein ‘Unbehagen’. Der bis heute vielzitierte Begriff meinte zunächst die politischen Rahmenbedingungen. Ross’ Aufsatz erschien im Dezemberheft 1963 des ‘Hochlands’, also unmittelbar nach dem Ende der Kanzlerschaft Konrad Adenauers (Oktober 1963); er war zugleich eine Art Epitaph auf die Epo- che „des katholischen Kanzlers“4 und der von den drei Katholiken Schuman, de Gasperi und Adenauer betriebenen christlich fundierten Europapolitik: „Die Welt, gestern noch golden, ist mit einem Schlage grau. Der Enthusiasmus des Wiederaufbaus, des Wirt-//schaftswunders, des wie- dergewonnenen guten Gewissens trübt sich plötzlich. Komplexe nagen, die Vergangenheit steigt auf, die Zukunft lastet.“5 Auf den Bereich der christlichen Literatur bezogen,6 solle der Begriff des ‘Unbehagens’ - so Ross - „das Schleichende, Ungreifbare eines Prozesses deutlich [...] machen, der sich nicht gegen theologische Sätze, sondern gegen theologische Rede richtet, die - mit Recht oder Un- recht - als theologisches Gerede abgetan und parodiert wird.“7 Die Forderung nach Glaub- würdigkeit, wie sie in den ‘Ansichten eines Clowns’ oder in G. Greenes ‘Ausgebranntem Fall’ zum Ausdruck komme - gewissermaßen die Verklammerung von christlicher Lehre und profa- 1 Ross 1963/64, 117. 2 Geb. 1912, aufgewachsen im niederrheinischen katholischen Bürgertum, Studium der Germanistik und Romanistik in Bonn, dort zeitweise Assistent von Ernst Robert Curtius, Promotion, Lektorentätigkeit in Genua, Pisa und Florenz, 1946 im deutschen Schuldienst, 1954 Leiter der deutschen Schule in Rom, 1964-1972 Generalsekretär des Goethe- Instituts, ausgedehnte publizistische Tätigkeit (Angaben nach Marcel Reich-Ranickis Vorwort zu Ross 1987, 9 - 12) 3 Dies eigens zu betonen, war damals in einer katholischen Zeitschrift offenbar noch notwendig. 4 Ross 1963/1964, 105 (in Ross 1963/1987, 520: „des großen katholischen Kanzlers“). 5 Ebd. 6 Gemeint war der Begriff konfessionsübergreifend (s. dazu auch die überleitenden Bemerkungen in Beckmann 1964). 7 Ebd., 115. Bezeichnend auch, dass das im Oktober 1963 in Berlin eingerichtete ‘Evangelische Forum für Literatur und bildende Kunst der Gegenwart’ ausdrücklich der Auslage und Ausstellung zeitgenössischer Literatur gewidmet wurde: „Daß daneben zum jeweiligen Sachgebiet auch die vorhandene christliche Literatur zu finden ist [eingeschlossen belletristische Werke], geschieht nicht, um dem Besucher die eigene Meinung aufzunötigen, sondern um ihn in jeder Richtung zu informieren und somit das Gespräch zu ermöglichen.“ (Kroneberg 1964, 14). Zur gleichen Zeit monierte der protestantische Schriftsteller Willy Kramp, dass im kirchlichen Rahmen der christliche Schriftsteller wie der zweite Sohn im ‘Gleichnis vom verlorenen Sohn’ behandelt werde: „Man findet ihn weniger interessant als den Fortgegangenen; [...] Es ist sozusagen seine Pflicht und Schuldigkeit, für das Anwesen des Vaters zu sorgen ...“ (Kramp 1964, 723) - C.2.b - 136 ner ‘Wahrhaftigkeit8 -, könne die christliche Kanonliteratur nicht mehr vermitteln. Den Wandel konstatierte Ross nicht nur biographisch („Eine Garde tritt ab.“9 ), sondern auch thematisch: „Der [traditionelle] christliche Roman hat einen Geburtsfehler: er muß nach dem Schema von Fall und Bekehrung, von Sünde und Sühne, von Schuld und Gnade aufgebaut sein. Sein Ausgang ist patentiert.”10 Einige Jahre später kontrastierte Ross seine Thesen vom Ende der christlichen Kanonliteratur mit dem Hinweis auf ein allgemein zu beobachtendes Interesse an religiösen Themen und ge- langte zu der Folgerung: „Die junge Generation hat also alle Chancen, die Zeitschriften und Verlage warten auf den neu- en Autor - er meldet sich nicht.“11 Ross entwarf aber die Möglichkeit einer neuen christlichen Literatur, die - anders als die tradi- tionelle christliche Literatur - auch Andersgläubigen zugänglich sei, weil sie sich „viel stärker unserer Sprache in unserer Welt“12 bediene. Die ältere christliche Literatur hingegen, „großartig befremdend für Außenstehende“,13 setze Kenntnisse und Sozialisationserfahrungen voraus, um die darin behandelten Probleme nachvollziehen zu können.14 Sei die ältere christli- che Literatur vor allem Anklage gegen eine selbstgenügsam bürgerliche Christlichkeit gewesen - von der „heilsdramatischen Literatur“15 sprach Ross an anderer Stelle -, so müsse sich die zukünftige christliche Literatur der „Wiederherstellung des guten Menschen“16 verschreiben. Dieser aber sei heute nicht mehr modellartig darstellbar; hinter die psychologische Ausdeutung des Menschen führe deshalb kein Weg zurück:17 „Nicht Beschlagenheit wird heute [von der christlichen Literatur] verlangt, nicht einmal so sehr Bekennermut, sondern das Beispiel des guten Menschen, der das Säurebad unserer psychologi- schen, unserer psychoanalytischen Beobachtung übersteht. Der nicht nur der gute Kerl ist, der fromme Priester oder die liebe Nonne oder der wohltätige Arzt, sondern der Mensch von heute, mitten drin in Leiden und Erlösung, aus dem Sakralen übersetzt in die Prosa, die wir sind.“18 8 Einige Jahre später sprach Ross von der ‘Menschheit im Wartestand’: „ das ist nicht mehr ‘adventistisch’ gemeint, sondern als letztes Wort. Auch keine weltliche Heilslehre wird [heute] mehr verordnet. Das Vakuum bleibt unausge- füllt.“ (Ross 1968, 135) 9 Ross 1963/64, 106. 10 Ebd., 112. 11 Ross 1966, 17. Mit diesem Artikel im ‘Rheinischen Merkur’ vom Oktober 1966 antwortete Ross der Kritik Heinz Beckmanns an seinem Vortrag vor der Katholischen Akademie Regensburg (hier zit. als Ross 1968). Zum Topos der prospektiven christlichen Literatur vgl. auch Kap. C.2.a.i. 12 Ross 1966, S. 17. 13 Ross 1968, 144. 14 Zugleich wies Ross darauf hin, dass Böll und Greene in ihren neueren Romanen (’Ansichten eines Clowns’, 1963; ‘Ein ausgebrannter Fall’, 1961) gerade den Reformkatholizismus attackierten, der seinerseits - im renoveau catholi- que - den Traditionskatholizismus der ‘bien pensants’ angegriffen habe (vgl. ebd., 129). 15 Ebd., 134. 16 Ebd., 145. 17 Vgl. auch Ross’ expliziten Kommentar zu Langgässer in Ross 1969, 333. Insbesondere mit diesem Satz setzt sich Ross deutlich von der traditionellen katholischen Literaturkritik ab, die im christlichen Roman das Exemplarische dargestellt wissen wollte. 18 Ross 1968, 146. - C.2.b - 137 Anstelle des Lesegenusses „einer trotz ihrer Sünden-Elemente immer noch erbaulichen christ- lichen ‘schönen’ Literatur“19 sei der religiöse Diskurs umgeschwenkt hin „zur Praxis und Empirie von Diskussion, Kritik, Neubesinnung“.20 Die Frage nach christlichen Elementen in der Literatur sei also obsolet: „Sie tritt zurück hinter die Frage nach christlichen Elementen im Leben, hinter die anstrengende Forderung, Salz und Sauerteig zu sein.”21 und: „Die Lebensfragen will niemand mehr in die Gleichnisse der Kunst verpackt sehen. [...] die Theologie ist unversehens ein so interessanter Lehr- und Lesestoff geworden wie die Biolo- gie.“22 Gleichwohl war die Idee einer christlichen Literatur nicht vollends dispensiert. Den Bedeu- tungsverlust der traditionellen christlichen Literatur verortete Ross nämlich vornehmlich ‘intra muros’: „Wie schon lange in den angelsächsischen Ländern, erwartet man nun auch bei uns von der christlichen Literatur Lebensnähe und Lebenshilfe.“23 Nach außen hin stehe - so hieß es 1962 in einem Aufsatz im ‘Rheinischen Merkur’ - „eine neue Runde im Kampf des Glaubens mit dem Unglauben“24 an. Fünf Jahre später dann mutierte christliche Literatur regelrecht zum Instrument einer weltanschaulichen ‘Gegenoffensive’, die die katholische Kirche gegen ihre Widersacher führen müsse: „Auf die literarische Polemik, der sie [sc. die katholische Kirche] von Ungläubigen (Deschner, Loebsack) und von vormals Gläubigen (Böll, Amery) ausgesetzt ist, muß sie literarisch zu ant- worten wissen, indem sie z.B. die Armut in der Kirche oder die Hilfe der Kirche für Arme, Kran- ke, Gefangene durch die Jahrhunderte beschreibt. Sie muß in der polemischen Gegenoffensive Schwung und Begeisterung entfalten und entfachen; Literatur ist dann ganz von selbst Ausdruck der Sache und ihr Nebenprodukt.”25 19 Ross 1969, 341. 20 Ebd., 341. 21 Ebd., 342. Die Formulierung vom Sauerteig in der Welt (Mt 13, 33; Lk 13, 20-21) begegnet im literaturtheologi- schen Diskurs in verschiedenen Konnotationen: Auf dem ersten Katholikentag nach dem Krieg hatte Karlheinz Schmidthüs die Metapher als Synonym für „das direkte Apostolat“‘ in die „großen Bewegungen der Zeit“ hinein gebraucht (Katholikentag 1948, 182). 1966 fungierte er dann bei Karl Ledergerber, seinerzeit Lektor im katholi- schen Walter-Verlag (Olten), als Gegenbegriff zur ‘Kirche als Sakralstaat’: „Eine zweifelhafte Bemühung der christ- lichen Kultur in allen Degenerationsformen schadet dem Glauben viel mehr, als es den eitlen Propagandisten der Kirche bewußt ist. Sie verschließt die Tore für zahllose Menschen, deren Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit diesen Schein nicht ertragen, denn es gibt die ‘heile’ Welt nicht (mehr) als objektive Gegebenheit, sondern nur noch existentiell in Augenblicken, wo Liebe Einssein schafft.“ (Ledergerber 1966, 466; ähnliche Vorstellungen in der kunsttheoreti- schen Schrift Ledergerber 1961). Zusammenhänge bestehen zwischen Ross und Ledergerber auch in der Vorstel- lung von der Rolle der Kirche in der Welt. 1962 schrieb Ross: „Die wahre Repräsentanz der Kirche sind die Heili- gen, die kanonisierten und die anonymen.“ (Ross 1962, 7); Karl Ledergerber sprach 1966 von der „Demut des brü- derlichen Dienstes“ (Ledergerber 1966, 466). 22 Ross 1969, 340. 23 Ross 1962, 7. Exemplarisch nannte Ross hier Luise Rinser und Heinrich Böll. 24 Ebd.. Mit ‘Unglauben’ waren Walser, Enzensberger und Grass gemeint. Es ist bezeichnend für die selektiven Selbstwahrnehmungsmuster des literaturtheologischen Diskurses, dass Ross’ Aufsatz von 1962 zwar regelmäßig in den einschlägigen Literaturverzeichnissen erscheint, nicht aber sein Untertitel, der die Metapher des Kampfes poin- tiert: Ross steht im literaturtheologischen Diskurs gemeinhin für eine abgeklärte katholische Liberalität. 25 Ross 1976, 295. - C.2.b - 138 1981 gehörte Ross zum Jurorengremium des ‘Wettbewerbs für neue christliche Literatur’, der vom Styria-Verlag und von der Wochenzeitung ‘Die Furche’ ausgeschrieben wurde. Dazu schrieb er: „Eine neue christliche Literatur kann es eigentlich erst wieder geben, wenn christliche Lehre und christliches Leben sich deutlich wieder nach außen bekunden, aus dem Schonraum in die Öffentlichkeit treten [...].“26 Ross betonte die Glaubwürdigkeit: Christliche Literatur müsse sich der „streitbaren Argumen- tation“27 stellen, und sie müsse auch einem kritischen Weltverständnis gegenüber ‘einleuchten’. Allerdings belegte er seine Auffassung mit einem Gedicht aus dem Wettbewerb, dessen ästhetische Gestaltung sich auf eine freirhythmische Zeilengliederung mitsamt eines Enjambements beschränkt, das also diskursiv vollständig einholbar ist - von seiner unfreiwilli- gen Komik ganz zu schweigen, die aus der sprachlich missglückten Metaphorik resultiert: „Ich bin des Todes Bumerang. / Er zielt mich immer aufs Leben. / In Todes Hand wend ich zu- rück. / Einmal aber wird mich / der, den es immer treffen soll, / abfangen und behalten.“ So nimmt es nicht wunder, dass Ross, den Wettbewerb resümierend, vor allem dessen quantita- tive Aspekte herausstellte („Vielzahl von Strömungen, Vorsätze und Ansätze, Möglichkeiten und Entwicklung [...]“28 ) und dessen diskursive Funktion betonte („Ein Terrain, das verloren- gegangen war, kann wieder eingenommen werden“29 ), demgegenüber aber einräumte, man habe bei dem Wettbewerb „das noch unbekannte Genie“30 nicht gefunden. Zur gleichen Zeit erschien der von Werner Ross und Rudolf Walter zusammengestellte Band ‘Haus der Sprache’, in dem das Programm des ‘Weg zurück zum guten Menschen’ gewisser- maßen exemplarisch ausgestaltet wurde.31 Hier war - in Form einer Anthologie biblischer, lite- rarischer, wissenschaftlicher und anderer Texte - eine breit angelegte phylogenetische Begrün- dung menschlichen Sprachvermögens vorgelegt,32 die allerdings einer christlich geprägten eu- ropäischen Überlieferung verhaftet blieb, nicht nur in der Auswahl der Texte, sondern auch in deren Anordnung: Vom ‘göttlichen und menschlichen Ursprung der Sprache’ über die benen- nende Funktion hin zum Dialogischen, das, in der Gegenwart, in Sprachverwirrung, die - nach christlichem Verständnis - als Entfernung von Gott verstanden ist.33 26 Ross 1983, 19. 27 Ebd. 28 Ebd., 12. 29 Ross 1985, 12. 30 Ebd. 31 Hier zit. als Böckle et al. 1983. 32 Die Abgrenzung zu dem von Heidegger entlehnten Begriff des ‘Hauses der Sprache’ erläuterte Ross in seinem einleitenden Essay (Böckle et al. 1983, 19f.). 33 Ihr Ziel erhellt aus einer Bemerkung Ross’ aus dem erwähnten Artikel von 1962: Im Kampf des Glaubens mit dem Unglauben könne der Unglauben („die verzeichnete Welt der glaubenslosen Realisten und Psychologisten“) obsie- gen. - C.2.b - 139 Vorausgesetzt blieb der Bezug zur - nicht näher problematisierten - Wirklichkeit als der Schöp- fung Gottes, so dass zwar Dokumente literarisch gestalteten Sprachverlusts zitiert werden,34 nur vereinzelt aber literarisch gestaltete Erfahrungen des Wirklichkeitsverlustes.35 Auch rein ästheti- sche Literatur ist nicht abgedruckt, so dass die Kategorie eines profan verstandenen ‘Lobs der Sprache’ fehlt - wenn man denn nicht die Anthologie in ihrer Gesamtheit als eine solche ansehen will. Die Erfahrung des Leids durch Sprache und die Erfahrung existentieller Bedrohung werden in verschiedenen Perspektiven thematisiert, jedoch vor allem aus der Perspektive des passiven Er- duldens (‘Angesichts des Leidens und des Bösen’), wobei einzelne christliche Tugenden ausge- staltet sind: Mut,36 Standhaftigkeit,37 Gottergebenheit und Demut.38 Demgegenüber rückte der Aspekt des Herrschens durch Sprache an den Rand. Insbesondere die Sprache des Nationalsozia- lismus wird explizit nur unter dem Oberbegriff ‘Sprache und Macht’ in drei Zitaten, unter dem Oberbegriff ‘Tödlichkeit der Sprache in einem weiteren Zitat abgehandelt; ein Zitat gibt über ei- ne ‘unblutige Hinrichtung’ in der Sowjetunion Aufschluss.39 Sowohl Auswahl als auch Anordnung der Texte legen nahe, dass Ross und Walter den Tief- punkt der Sprachentwicklung weniger in den Erfahrungen totalitärer Gewalt sahen als vielmehr allgemein in der „Sprachverwirrung“40 im 20. Jahrhundert, deren Darstellung sie verhältnis- mäßig breiten Raum geben.41 Die Überwindung der ‘Sprachverwirrung’, das jedenfalls deutet die Anordnung der Texte an, liegt in religiöser Sprache (‘Sprachwunder und Sprachgewalt’) und letztlich im Verzicht auf Sprache überhaupt, das - von wenigen Ausnahmen abgesehen42 - religiös konnotiert ist (‘Sprache an der Schwelle zum Schweigen’): „Denn schließlich geht es vorerst um die folgende Wahl: entweder durch das menschliche Wort dem göttlichen Schweigen oder durch das menschliche Schweigen dem göttlichen Wort antwor- ten. Aber das zu erreichende Ziel lautet anders: Durch das Schweigen dem Schweigen und durch das Wort dem Wort antworten.“43 Der Textauswahl liegt, wie gesagt, die theologische Deutung von Sprache zugrunde, die sowohl an Gott wie an den Menschen gebunden wird. Aus dieser zweifachen Bindung ergibt sich zu- gleich die stark appellative Struktur der Anthologie, die im ausgebreiteten Panorama menschli- chen Sprachgebrauchs die Sprache im Raum der Religion als Weg anbietet, wie es etwa Kurt Marti - in einem seiner hier abgedruckten Gedichte formuliert: „dein name werde geheiligt [...] 34 Aus Hofmannsthals ‘Chandos-Brief’; aus Kafkas ‘Briefen an Milena Jesenska’ und aus Ionescos ‘Der Fußgänger der Luft’ (ebd., 240-243). 35 Allenfalls die Schlussszene aus den ‘Letzten Tage der Menschheit’ von Karl Kraus und ein Text von Kafka (vgl. S. 242f.) zielen in diese Richtung. Ganz ausgespart blieben literarische Großstadterfahrungen, der Expressionismus oder Dada. 1955 hatte Ross einen Artikel im ‘Rheinischen Merkur’ überschrieben mit ‘Die Grenzen des Realismus oder: Wer zu scharf sieht, ist schon wieder blind’. So sind in der Anthologie von 1983 ebensowenig auch die „Röntgen- Romanciers und Vivisektions-Virtuosen“ (Ross 1955, 7) Mauriac und G. Greene enthalten. 36 Vgl. den Text von Ivan Illich: ‘Auch ich schweige hier öffentlich’ (Böckle et al. 1983, 373). 37 Vgl. den Romanausschnitt ‘Das Schweigen des Opfers’ von Elie Wiesel (ebd., 371). 38 Vgl. den Ausschnitt aus Theodor Haeckers ‘Tag- und Nachtbüchern’ (ebd., 373). 39 Aus W. E. Süskinds ‘Wörterbuch des Unmenschen’, aus Klemperers ‘Lingua tertii imperii’, aus einer Goebbels- Ansprache vor Rundfunkintendanten (ebd., 181-186); aus einem Protokoll des Volksgerichtshofs-Prozesses gegen Graf Schwerin (ebd., 265f.); aus den ‘Tag- und Nachtbüchern’ Theodor Haeckers (194 u. 373); aus Efim Etkinds ‘Unblutige Hinrichtung. Warum ich die Sowjetunion verlassen habe’, Zürich 1978). Die Texte von Elie Wiesel und Edith Stein sind nur mittelbar auf den Nationalsozialismus zu beziehen. 40 Böckle et al. 1983, 235. 41 Mit Ausnahme der Texte von Emile du Bois-Reymond, John Henry Newman, Sören Kierkegaard und François Rabelais. 42 Heidegger, Jaspers, Wittgenstein 43 Elie Wiesel: ‘Geschichten gegen die Melancholie’. In: Böckle et al. 1983, 382. - C.2.b - 140 dein name werde tätigkeitswort“.44 Folgerichtig enthalten eine Reihe Kapitelüberschriften ei- nen mehr oder minder deutlichen praxeologischen Bezug: „Wo nur kommen die Worte her? Wo finden die Worte?“, „Das Unnennbare nennen“, „Die Sprache des Preisens“, „Wie soll man beten?“, „Einübung ins heilige Schweigen“, „Angesichts des Leidens und des Bösen“ und „Dem Schweigen entsprechen“.45 In dem einleitenden Essay machte Ross deutlich, dass die Anthologie dem Programm der christlichen Heilsbotschaft verpflichtet ist - nicht als ein „Rückgriff, eine Flucht in alte Gebor- genheit“,46 sondern als „ein neues Hören der Vielstimmigkeit der Welt“:47 So sei die Sprache Sinnbild der menschlichen Ebenbildlichkeit mit Gott, „unser Stück entliehener, verliehener Schöpferkraft“.48 „Sicher ist, daß die Sprache in dieser neuen Ära wieder voll in ihre Rechte wird eingesetzt wer- den müssen, auch wenn die Schatten der Relativität weiter auf sie fallen. [...] Sicher auch, daß sich etwas ereignen wird, das ich mit einem mir eigentlich widerstrebenden Ausdruck ‘Remythisierung’ nennen will. Lieber sage ich: Rückkehr zur Geschichte und zu den Geschich- ten, zur Wahrheit in Geschehnissen und in Erzählungen, in Parabeln und Anekdoten. Verstehen eines Sinnes als Antwort.“49 In dieser Zielrichtung auf ‘die Wahrheit’ zeigt sich eine konfessionelle Markierung, wie sie auch in der avancierten Literaturtheologie seit den achtziger Jahren zunehmend zu beobachten ist.50 (ii) Kanon und Ferment Noch 1955 hatte Curt Hohoff, ganz im Sinne des traditionellen katholischen Literaturdiskurses (C. Muth, Zangerle), die Möglichkeiten christlicher, im engeren Sinne katholischer Literatur erörtert.51 Bereits fünf Jahre später sah Hohoff die Lage der christlichen Literatur kritischer, fast könnte man sagen: mit dem Blick von außen: „die ‘Verstecktheit’ des Christlichen in der 44 Ebd., 308. 45 Es handelt sich hier um Überschriften von Unterkapiteln. 46 Böckle et al. 1983, 17. 47 Ebd., 22. 48 Ebd. 49 Ebd. 50 Bereits 1967 hatte Joachim Burkhardt von der theologischen Literaturkritik gefordert, dem christlichen Autor „Echo und Widerspruch“ (Burkhardt 1967, 28) zu geben und damit die fehlenden Rezeptionsbedingungen auszu- gleichen versuchen, und das folgende Postulat bezieht sich fast ausschließlich auf protestantische Autoren: „Es geht ja nicht darum, die betreffenden Autoren zu tendenziösen oder gar ideologisch fixierten Expectorationen zu ermun- tern. Es geht darum, sie in ihrer schwierigen geistigen Situation zu beraten und ihnen eine hilfreiche und auch durch Kritik förderliche Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen.“ (ebd., 22) 51 Vgl. Kap. C.1.b.ii. - C.2.b - 141 Dichtung ist eine der zeitgemäßen Korrespondenzen und Analogien zum verborgenen Gott un- serer Tage.“52 Die in der Neuzeit unternommenen Versuche, durch die Sprache den Blick in die Transzendenz zu eröffnen, seien - so Hohoff in einer späteren Schrift53 - insgesamt enttäuschend: „Hölderlins Wort ‘Nah ist und schwer zu fassen der Gott’ ist der Schlüssel des Grundes: die moderne Spra- che unserer klassischen Zeit vermag den Gott nicht zu ‘fassen’.“54 Erst in jüngerer Zeit sei „der Boden gelockert“:55 Unter Hinweis auf Hopkins, K. Weiß und Buber, auf den Expressionismus, die liturgischen Bewegungen, die Neubewertung mittelalterlicher Kirchenmusik (vor allem der Notre-Dame-Schule) und anderes formuliert Hohoff sogar eine vage Hoffnung auf eine sakrale Sprache, die sowohl in Kirche als auch in Literatur - „den unspirituell gewordenen Geist der Sprache“56 überwinden könne: „Ob aus vielen Keimen eine Blüte aufbricht?“57 Gegenwärtiger christlicher Dichtung jedoch fehle weithin die „literarische Verbindlichkeit“,58 was Hohoff an den Polen Konrad Weiß und Rudolf Alexander Schröder belegt, der eine für Christen zu unver- ständlich, der andere auf die traditionelle Bibelsprachlichkeit vertrauend, die aber die heutigen Erfahrungen nicht mehr adäquat ins Wort fasse: „Hinter Weiß steht eine neue Theologie, die nach Ausdruck sucht, hinter Schröder eine alte, deren Ausdrücke abgeblaßt sind.“59 Mitte der sechziger Jahre dann, in einer umfassenden Erörterung der Frage, was in der Gegen- wart unter christlicher Literatur zu verstehen sei,60 entwickelte Hohoff den Begriff der christli- chen Literatur historisch und systematisch. Das Pathos der katholischen Literaturtheologie kurz nach dem Krieg (Pfleger, Zangerle etc.) wie auch die pointierten Zuspitzungen von Hohoffs eigenen Artikeln aus den fünfziger Jahren waren 1966 einer distanzierten Betrachtung und einer nüchternen Sprache gewichen. Die traditionelle christliche Literatur erklärte Hohoff zum historischen Phänomen, sowohl was die Autoren als auch das Rezeptionsumfeld angeht; und sehr deutlich machte er, dass nach 1945 keine christliche Literatur von Rang entstanden sei: „[...] sie [sc. die von Claudel oder Eliot geprägten Modelle christlicher Literatur] liegen eine volle biologische Generation hinter uns. Das muß man all jenen immer wieder vorhalten, die meinen, wir ‘hätten’ eine christliche Literatur der Gegenwart. Wir haben bestenfalls schöne Er- innerungen an Bücher, die wir als junge Menschen gelesen haben. [...] Und selbst wo die Dich- tung eine gewisse ‘zeitlose’ Gestalt erreicht hat, wie in Claudels Oden oder Konrad Weiß’ Ge- dichten, ist das Christliche so schwierig (‘dunkel’), daß nur wenige die Geduld und geistige Kraft aufwenden, um darin einzudringen.“61 Aus den genannten Namen geht hervor, wie Hohoff das Feld der christlichen Literatur gewichte- te. Bereits in den dreißiger Jahren als Mitarbeiter des ‘Hochlandes’ tätig, war er mit der katholi- 52 Hohoff 1958/59a, 174. Vgl. zum Folgenden auch Hohoffs Erörterungen über eine zeitgemäße sakrale Sprache (Hohoff 1957). Authentisches theologisches Sprechen (Buber, Barth) sei in der Gegenwart wirksamer als Literatur: „Das Sprechen über sakrale Dinge macht das Herz wieder brennen. Die Tradition steht hell in Flammen, nicht verbrennend, sondern leuchtend.“ (Hohoff 1957, 133) - ein Gedanke, der dann im apologetischen Kontext wieder bei Gisbert Kranz erschien, der in seinen Kompendien unter den Begriff ‘christliche Literatur’ sowohl Schriftsteller als auch Theologen subsumierte. 53 Hohoff 1963a. 54 Ebd., 23. 55 Ebd. 56 Ebd., 24. 57 Ebd., 23. 58 Hohoff 1960a, 99. 59 Ebd., 101. 60 In dem Bändchen ’Was ist christliche Literatur?’, erschienen im Herder-Verlag; zit. als Hohoff 1966. Diese Schrift fasste Hohoffs einzeln veröffentlichte Aufsätze zusammen, wenn auch in Einzelheiten anders akzentuiert. 61 Hohoff 1966, 12. Dementsprechend überschreibt Hohoff das erste Kapitel mit ‘Der Blick nach vorne’. - C.2.b - 142 schen Literatur nach dem Ersten Weltkrieg engstens vertraut. So nannte er als bedeutende Vertre- ter der christlichen Literatur des 20. Jahrhunderts vor allem die beiden Lyriker T.S.Eliot, Gerard Manley Hopkins und Konrad Weiß. Der historischen christlichen Literatur des 20. Jahrhunderts (le Fort, R. Schneider, Werfel, Klepper, Bergengruen und Andres) stand Hohoff kritisch gegen- über, weil sie nur noch die Kulissen des alten christlichen Europas verwende und damit in die Nähe von Devotionalien gerate.62 Die zeitgenössische christliche Literatur schätzte Hohoff vollends als irrelevant ein. Als Bei- spiel dafür nannte er die Bände ‘Homo viator. Moderne christliche Erzählungen’ (Köln 1964 und 1966); ansonsten resümiert er, dass „hinter den christlichen Kulissen und Allüren mancher gefeierter katholischer und protestantischer Autoren nichts oder das Nichts steckt.“63 - gemeint dürfte sein die von Hohoff perhorreszierte Gattung der ‘christlichen Beststeller’, unter die er beispielsweise den ‘Kardinal’ (Henry M. Robinson) oder die ‘Don-Camillo’-Geschichten (Guareschi) einreihte. Bei aller Kritik jedoch an der zeitgenössischen christlichen Unterhal- tungsliteratur64 entwarf Hohoff dennoch prospektiv die Möglichkeiten, unter welchen Bedin- gungen eine ästhetisch relevante christliche Literatur zu denken sei, nämlich in einer „Synthese zwischen radikaler Weltlichkeit und einem schlichten Glauben“,65 der sich allein auf das Evan- gelium stütze. In den theologischen und kirchlichen Traditionen hingegen fänden „religiöse Impulse moderner Menschen“66 nicht mehr ihren zeitgemäßen Ausdruck: „Die Vorliebe unserer Zeit für Jesus und den hl. Franz liegt auf dieser Linie. Eine Koinzidenz von heidnischer Weltlichkeit und biblischem ‘Glauben’, unter Abstreifung aller historischen Formen der Frömmigkeit, wäre vermutlich das Neue einer wahren christlichen Literatur.“67 Damit griff Hohoff einen Gedanken von Werner Ross auf, der den Mentalitätswechsel Anfang der sechziger Jahre in einem ‘unbedingten Pragmatismus’ sah, „der die anderen an den Früchten erkennen, aber sich auch selber im Tun bewähren will“.68 Hohoff selbst hatte noch in der Um- frage von 1959 die christliche Literatur nicht auf eine Weltlichkeit verwiesen, der das Attribut ‘heidnisch’ doch so etwas wie Fülle und Kraft zuerkennt, sondern hatte im Gegenteil diese Welt- lichkeit - im Hinblick auf die Möglichkeiten christlicher Literatur - in ihren Defiziten bestimmt: „Der Schrifsteller kann sich seine Welt nicht aus den Fingern saugen. Er ist auf Substrate an- gewiesen, und so wie man von einem Eskimo nicht verlangen darf, daß er die Schönheit einer tropischen Insel beschreibt, darf man vom modernen Autor nicht verlangen, daß er eine Welt christlich artikuliert, die das Christliche nicht mehr hat oder kennt. Solange das Christliche im Klima der lauen, indifferenten Toleranz nur als eines unter vielen möglichen Themen gilt69 , be- 62 An anderer Stelle des Buches reiht er als Vertreter „der sogenannten Neuromantik“ (ebd., 39, Fußnote 1) Ricarda Huch, Rudolf Borchardt, Handel-Mazzetti, Le Fort, Kolbenheyer und Rilke aneinander, die dem „Idol“ einer bewußt altertümlichen Sprache erlegen seien. 63 Ebd., 127, Fußnote 8. 64 “Man hat ja schon von christlicher Pornographie gesprochen. Kolportagestoffe, mit ihrem fatalen Zug nach un- ten, dem weder Balzac noch Dostojewski entgangen sind, nehmen in der christlichen Unterhaltungsliteratur einen wichtigen Platz ein. Ihr schriftstellerischer Pfiff liegt in der Koppelung von reißerischen Elementen mit religiösen. Henry M. Robinsons ‘Kardinal’ bietet ein schlagendes Beispiel in der Figur des schwarzbärtigen Seekapitäns, der sich vom italienischen Faschisten zum Katholiken bekehrt.“ (Hohoff 1959, 17, Sp. 4) 65 Hohoff 1966, 127. 66 Hohoff 1966, 127. 67 Ebd.. Als Beispiel für die Problematik einer solchen Koinzidenz heute führte er Heinrich Böll an: „Bölls Einstel- lung zu diesen Dingen [des Religiösen] ist ungemein bezeichnend, weil er ein Mann von künstlerischem Rang ist und jene Spannung von Christentum und moderner Welt offenbar macht.“ (Hohoff 1959, 16, Sp. 5) 68 Ross 1963/64, 117 (vgl. auch das vorangegangene Unterkapitel, hier vor allem S. 128ff.). 69 Hier zeigt sich wieder der Unterschied zwischen katholischer und protestantischer Literaturtheologie. Fasste Ho- hoff den Pluralitätsbegriff inhaltlich-thematisch, betonte Holthusen den interpretativen Zugriff, der sich heutigentags nicht mehr auf ‘die Wahrheit’, sondern auf ‘ein Wahres’ richtet: „Der Mensch begreift sich als ‘Beziehungswesen’, nicht mehr als Prädikate schleuderndes Subjekt im alten klassischen Sinne.“ (Holthusen 1957, 324) - C.2.b - 143 steht keine Aussicht, daß das Christentum eine verbindliche Literatur hervorbringt, eine Litera- tur, die nicht für den innerchristlichen Gebrauch bestimmt ist - die gab und gibt es auf beschei- dener Basis immer -, sondern nach außen strahlt kraft eines Glanzes aus der Fülle höherer Wahrheit und Schönheit.“70 Diese Sätze von 1960 akzentuieren die Wirkungsfunktion von christlicher Literatur nach au- ßen.71 Jedoch äußerte sich Hohoff im Hinblick auf die moderne Gesellschaft ambivalent. Zum einen bestimmte er sie in scharfen Worten als defizitär, zum anderen wendete er gerade diese Defizite ins Positive, weil sie Ansatzpunkt bieten könnten für eine christliche Alternative: Christ- liche Literatur könne im Pluralismus der zeitgenössischen Gesellschaft dann nach außen wirken, wenn sie „die Teilnahme an diesem Pluralismus sucht.“72 Mitte der sechziger Jahre diente die moderne Welt zwar noch als argumentative Folie, aber nicht mehr als Bezugspunkt. In seinem Buch von 1966 beschränkte Hohoff die Möglichkeiten einer ‘wahren christlichen Literatur’ nur noch darauf, die religiöse Praxis der Gegenwart zu beeinflussen: „Nur in wenigen [zeitgenössischen] Werken ist die christliche Sprache als Sprache wahr, und diese Behauptung ist die einzige Hoffnung auf eine Erneuerung z.B. der Liturgie aus dem Geist der Volkssprachen.“73 Bezeichnenderweise nannte Hohoff an dieser Stelle nicht mehr die Prosa, sondern die Lyrik,74 die nicht eines menschlichen Gegenübers bedürfe, sondern den „Rückzug aus der Welt in die mystische Sphäre“ erlaube, zumindestens aber kontemplative Schau „einer andern [sic] Wirk- lichkeit“75 sein könne - ein Nachklang des meditativen, den Text intensiv ausschöpfenden Le- sens, das in der katholischen Tradition einen zentralen Rang einnahm, zugleich aber die Rezep- tion christlicher Literatur von ihrer öffentlichen Wirksamkeit in den Rahmen innerkirchlicher resp. individueller Aneignung verschob. Damit ging Hohoff über Franz Hoyer hinaus, der - einen Gedanken von Edzard Schaper aus der Linnerz-Umfrage (1959) aufgreifend - die Mög- lichkeiten des christlichen Romans nur noch in der ‘anonymen Christlichkeit’ ihres Autors be- stimmt hatte: „Er [der christliche Roman] wird einer Spiegelscherbe gleichen,[76 ] und das Christliche wird in ihm vielleicht gar nicht mehr zu Worte kommen. Man wird es an einer Gebärde, an einem Blick, 70 Hohoff 1966, 35. 71 Von der „Wirkung außerhalb des eigenen Hauses“ (Hohoff 1959, 17), die die christliche Literatur verlöre, wenn sie sich nicht auf die plurale Welt der Gegenwart einließe, schrieb Hohoff 1959: „In einer Zivilisation wie der un- sern, deren höchster Begriff politische und geistige Freiheit heißt, hat das Christentum eine neue Chance gewonnen, an der die Literatur genauso viel Anteil hat, wie sie Teilnahme an diesem Pluralismus sucht.“ (Ebd., 17) 72 Ebd., 17, Sp. 5. 73 Hohoff 1966, 99. Nicht ganz logisch setzte Hohoff dann jedoch hinzu, das Zweite Vatikanische Konzil kommen- tierend: „Die sprachlich wahre Liturgie der römischen Kirche ist lateinisch, so wie die der anglikanischen Kirche englisch und des Luthertums deutsch ist. Löst man diesen Nexus vorschnell, aus taktischen Gründen oder aus Torheit auf, wird jede Erneuerung ein Wunschtraum bleiben.“ 74 Hohoff schloss die Wiedergeburt einer wahrhaft christlichen Literatur in der Form des Romans nicht aus, sagte im Hinblick auf den Gang der Literaturgeschichte (Manzoni, Gotthelf) aber ausdrücklich, die „Muse der christlichen Poesie, wenn es sie gibt, denn sie ist ja eine Heidin“, habe „Zuflucht bei der Lyrik“ gesucht (Hohoff 1966, 112). 75 Ebd., 120. 76 Hoyer variierte hier eine Metapher Gertrud von le Forts aus der Vorbemerkung zum ‘Papst aus dem Ghetto’: „Diese Geschichte liegt zerschollen auf vielen großen und kleinen Scherben der goldenen Stadt Roma: wo man noch lesen kann, fügt man sie zusammen, und wo man nicht mehr lesen kann, schreibt die Nacht dazwischen.“ (le Fort o.J., 7) - C.2.b - 144 ja vielleicht sogar im Schweigen erkennen, denn die Tugenden des christlichen Lebens besitzen zahllose Ausdrucksmöglichkeiten.”77 77 Hoyer 1964, 14. - C.2.c - 145 c) Literaturtheologische Apologetik (i) Notwendigkeit christlicher Literatur Wie in den letzten Kapiteln gezeigt, war die Literaturtheologie seit Mitte der fünfziger Jahre in eine Phase der Selbstvergewisserung eingetreten. Spätestens seit Ende der fünfziger Jahre voll- zogen sich die Diskussionen um christliche Literatur vor dem Horizont grundlegender Skepsis.1 Erst hieraus werden die apologetischen Stimmen verständlich, die in dieser Zeit als solche her- vortraten. Wilhelm Horkel etwa sprach in einem Vortrag vom Ende der fünfziger Jahre, dass sich in der gegenwärtigen Literatur „alles in hektische Problematik“2 zersetze, auch in der christlichen Literatur: „Welch ein Zeitwandel: Wir haben heute Dichter, die - ohne es zu wissen und zu wollen - den Leser nahe an die Schwelle göttlicher Heilswahrheiten heranführen, auch wenn sie selbst kir- chenfern sind; und wir haben Dichter aus dem Herkunftsraum unserer christlichen Kirchen, die Fragen über Fragen stellen und die Antworten wüßten - sie aber verschweigen und lieber in der Attitüde des ewigen Fragens und Zweifelns verharren.”3 Zwar forderte Horkel dem christlichen Autor nicht ein explizites Bekenntnis zum christlichen Glauben ab: Wenn ein Autor „diese heilige Grenze“4 zwischen Literatur und Predigt über- schreite, könne dies „auf einen Christus-gläubigen Leser nur peinlich“5 wirken. Das Gegenteil jedoch, „die herrlichen, wenn auch seltenen Möglichkeiten, daß christliche Dichtung als Dichtung uns dient“,6 erörterte Horkel nurmehr idealisierend: „Wenn der christliche Roman etwas ausstrahlt von den Wesensmerkmalen der Kirche, von mar- tyria (Zeugnis), diakonia (Dienst am Nächsten) und leitourgia (Anbetung Gottes), wenn die letz- ten Dinge im Sprachkunstwerk Gleichnis und Siegel unseres Gottes werden - dann haben wir allen Grund zum Dank und zur lauten Rühmung.”7 In der gegenwärtigen Situation jedoch müssten sich die christlichen Leser damit begnügen, „wenn christliche Dichtung auf die heiligen Inhalte unseres Glaubens hinweist, wenn sie in Gleichnisform auf irgend ein Stück unseres Glaubens hinführt.“8 Gleichwohl betonte Horkel die Bedeutung christlicher Literatur innerhalb des „weltumspannenden Ringens zwischen Christus und Anti-Christus“.9 Mit letzterem war sowohl der „Atheismus der heutigen bol- 1 Eine Ausnahme bildet lediglich der Beitrag von Helmi Dorothea Jacobs über christliche Dichtung in Jacobs o.J., 151-162. Allenfalls indirekt wurde in diesem 1963 erschienenen Beitrag auf die Wandlung der literaturtheologischen Fragestellung hingewiesen, etwa in der Einschätzung Bölls als eines christlichen Autors, der „auf eine Erneuerung oder besser auf eine Verbreitung und Festigung des neuen christlichen Selbstbewußtseins“ (ebd., 157) ziele; Böll allerdings wurde in einer Reihe genannt mit Langgässer und le Fort. Insofern war Jacobs Beitrag dann wieder unhi- storisch. 2 Horkel 1960, 15//16. 3 Ebd., 18. 4 Ebd., 17. 5 Ebd. 6 Ebd., 19. Horkel bezog sich hier auf Johannes Pfeiffer (vgl. dazu ausführlicher Kap. B.1.a). 7 Ebd., 21. 8 Ebd., 18. 9 Ebd., 28. - C.2.c - 146 schewisierten Menschheitshälfte“10 gemeint als auch die moderne Literatur eines Grass oder Genet („Der Satan ist längst literaturfähig geworden“11 ), die „bezeichnenderweise“12 in der literarischen Öffentlichkeit erhebliche Resonanz finde. Horkel leitetete daraus als Aufgabe für das christliche Lesepublikum her, den christlichen Autoren „unter uns immer mehr Hei- matrecht zu geben!“13 Hatte Horkels Konzept von christlicher Literatur den Weg in die litera- turrezipierende Innerlichkeit gewiesen14 und offengelassen, wie das Postulat vom ‘Heimatrecht der christlichen Autoren’ praktisch einzulösen sei, forderte der Literaturkritiker Wieland Schmied - eine der apologetischen Stimmen in der Linnerz-Umfrage von 195915 -, die christli- che Literaturkritik solle sich nicht in ein Ghetto begeben. Christliche Literatur dürfe im kultu- rellen Diskurs der Gegenwart nicht wie ein „Erzeugnis konformistischer Leisetreter“16 wirken, sondern müsse „Welt- und Gottesliebe“17 ausstrahlen. Als prononcierter Apologet christlicher Literatur trat in den sechziger Jahren vor allem Heinz Beckmann hervor, seinerzeit Feuilletonredakteur beim ‘Rheinischen Merkur’.18 Ähnlich em- phatisch wie Schmied bestritt er den Sinn der „analytischen Laboratoriumsgespräche über eine christliche Literatur“,19 die das Phänomen einer christlichen Literatur lediglich begrifflich- diskursiv zu erfassen suchten, denn dafür müsse man die Literatur „keimfrei aus der menschli- chen Existenz herausoperieren“:20 „Es gehört zu den Unarten unsrer Zeit, Fragen zu stellen, wo Antworten erwartet werden. In diesem Sinne ist auch die Frage nach der christlichen Literatur eine unartige Frage. Allenthal- ben neigen wir heute dazu, die eine lebendige Frage, die nicht von uns, sondern an uns gestellt wird, in ein Wespennest analytischer Fragen zu verkehren, um nur ja nicht antworten zu müssen. [...] Fragen haben mitunter eine verdächtige Verwandtschaft mit Ausflüchten..“21 Gemeint war - gut protestantisch - das Standhalten angesichts der Unbedingtheit, der „furchtbare[n] Verbindlichkeit“22 der christlichen Glaubenserfahrung, der gegenüber die Lite- 10 Ebd. 11 Ebd.. An solche Bestimmungen knüpfen heutzutage Autoren wie Christa Meves oder Joël Pottier an (vgl. Kap. C.4.d.iii). 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Literatur solle „uns als Lesende, Horchende, Mit-uns-nach-Erlebende bis dahin [...] führen, wo wir uns nur noch dem verborgenen Ziel aller Gottesgeschichte offen halten können: dem Ende aller Wege Gottes mit seinen Menschen im Geheimnis des Jüngsten Tages.“ (Ebd., 21) 15 Zu dieser Umfrage s. ausführlicher Kap. C.2.a.ii. 16 Schmied 1960, 78. 17 Ebd., 79. 18 Daneben Mitherausgeber der ‘Lutherischen Monatshefte’ und ständiger Mitarbeiter an der ‘Zeitwende/Die neue Furche’; geb. 1907. 19 Beckmann 1960, 15. 20 Ebd.. In anderer Metaphorik mehrere Jahre später: „Die Frage nach christlicher Dichtung ist eine turbulente Frage, so turbulent wie die menschliche Existenz. Christliche Vermessungsbeamte verbrennen sich da sofort die Finger.“ (Beckmann 1974, 25, Sp. 1//2). 21 Beckmann 1960, 15. 22 Ebd., 16. - C.2.c - 147 ratur keine autonome Gesetzlichkeit entwickeln dürfe.23 Beckmann setzte also die „Notwendigkeit“24 voraus, christliche Literatur „radikal unterschieden zu sehen von einer Lite- ratur, die taub bleibt für das Wort, das im Anfang war“,25 und diese Notwendigkeit begründete er nicht literarisch, sondern rein theologisch: „Immerhin sind gerade unsere besten und höchsten Gaben vornehmlich gemeint, wenn die Hei- lige Schrift davon spricht, daß unsere Gaben von Gott gegeben wurden und dem Lobpreis des Lebendigen dienen sollen.“26 Die moderne Literatur vermochte Beckmann deshalb in sein Literaturkonzept zu integrieren, weil sie die Entpersönlichung des zeitgenössischen Menschen zeige und deshalb von einem christlichen Weltverständnis komplementär zu ergänzen sei: „was im existentiellen Sinne Erb- sünde bedeutet, das kann man aus der modernen Literatur mit allen Konsequenzen erfahren.“27 Dabei drückten sich auch in der modernen Literatur „die geheimnisvollen Unruhen“28 aus, die „dauernd eine Antwort“29 provozierten: „Aber die Antwort kommt [in der modernen Literatur] nicht, ja nicht einmal die Frage wird verstanden.“30 Beckmanns Formulierungen machen also deutlich, dass es allein die Lesart ist, die die eschatologische Relevanz moderner Literatur zu begreifen vermag: „Eigentlich dürften wir es gar nicht so schwer haben mit der Entscheidungsfrage in der moder- nen Literatur. Wenn uns nämlich in dieser Literatur immer wieder die Absurdität der menschli- chen Existenz vor Augen gehalten wird, so sollte uns dieses verwirrende Bild eigentlich schon seit der Konfirmation bekannt sein.“31 Die auf diese Weise manifest werdende Zeiterfahrung - der „geheime Auftrag der modernen Literatur“32 - werde auch in der zeitgenössischen christlichen Literatur geteilt, wenngleich nicht implizit, sondern explizit, und auch nicht mit triumphalistischer Gebärde, sondern mit demütiger Hingabe. Was Beckmann nämlich ausschloss, ist eine unmittelbare Tröstung durch christliche Literatur, denn deren Qualität bestehe gerade darin, die Hingabe an Gottes Gnaden- geschenk zu gestalten, dies durchaus interkonfessionell verstanden.33 Die moderne nicht- 23 Deshalb ging Beckmann auch von der „Binsenwahrheit“ aus, dass es eine „Theologie der Literatur“ (Beckmann 1960, 17) nicht geben könne. Damit greift er auf Zangerle (1946) zurück. 24 Beckmann 1960, 18. 25 Ebd. 26 Ebd., 15. 27 Beckmann 1965, 33. Fünf Jahre später präzisierte Beckmann im Hinblick auf seinen eigenen Standort als Luthera- ner: „Genau dort [...], wo die dunklen Propheten der modernen Dichtung das Endspiel vom Menschen schreiben, hat sich der Klosterbruder Martin Luther aufgehalten, und genau dort erreichte ihn die Gnade Gottes.“ (Beckmann 1970, 19) 28 Beckmann 1965, 23. 29 Ebd., 24. 30 Ebd.. Zwei Jahre zuvor hatte Beckmann noch die Metapher des ‘Klopfzeichens’ verwendet, die ihrerseits den Menschen in der modernen Literatur als Gefangenen beschreibt, der sich aus seinem Gefängnis heraus bemerkbar zu machen versucht: In dem Aufsatz von 1963 gehe es ihm darum, „die schöne Literatur unserer Tage sozusagen auf geheime Klopfzeichen abzuhorchen, die uns die rätselvolle Existenz des modernen Menschen jedenfalls andeutungs- weise aufschließen könnten.“ (Beckmann 1963, 137) 31 Beckmann 1965, 26. 32 Ebd., 93. 33 Vgl. ebd., 69. - C.2.c - 148 christliche Literatur hingegen riskiere „das Nichts, den schwarzen unergründlichen Taumel aberwitziger Welten. Sie riskiert den Menschen, setzt ihn aufs Spiel.“34 Das ‘Aufs-Spiel- Setzen’ des Menschen meinte weniger die Negation als das Desinteresse, wobei Beckmann ästhetische Fragen nur andeutete, nicht ausführte: „Wenn junge Autoren ihre Arbeiten ‘Fingerübungen’ nennen oder einfach bloß noch ‘Prosa’, dann ist man tatsächlich im Sand der Literatur um der Literatur willen angelangt.“35 Offen bleibt bei Beckmann, ob er die Unbedingtheit des Fragens in der modernen nicht- christlichen Literatur in ihrem theologischen Erkenntniswert höher stellte als die „Armut und Blöße“36 zeitgenössischer christlicher Literatur, die mit der nicht-christlichen „den ungeheuren Schwund an Wirklichkeit, den bestürzenden Weltverlust“37 teile.38 Jedenfalls war sein Buch weniger ein Plädoyer für christliche Literatur als vielmehr für eine theologisch-komplementäre Deutung von Literatur überhaupt.39 Der verlegerische Rahmen allerdings zeigt, dass die Schärfe seiner Formulierungen letztlich der Selbstbestätigung diente. Das Buch nämlich veröffentlichte der Furche-Verlag in seiner Reihe ‘Stundenbücher’, gedacht zur „Andacht und Betrachtung“,40 oder anders: zur Erbauung: „Wir bedürfen heute praktischer Hilfen zur Seelsorge an der eige- nen Seele und zum rechten Weltverständnis.“41 Spätestens Mitte der sechziger Jahre zielte also ein Buch wie das von Beckmann nicht mehr auf eine Auseinandersetzung im außerchristlichen Bereich, sondern es entsprach einschlägigen Rezeptionsvorgaben und -erwartungen intra muros bzw. versuchte auf diese einzuwirken: Ein Jahr später schrieb Beckmann im ‘Rheinischen Mer- kur‘ eine Polemik gegen die Rede vom ‘Ende der christlichen Literatur’: Diese scheitere des- halb „hauptsächlich an den Christen“,42 weil sie den Literaturtheologen zu rückständig und den „braven Gemeindechristen“43 zu modern sei. Gerade in der letzteren Zuweisung liegt je- doch die Inkonsequenz von Beckmanns Argumentation: Zwar konstatierte er eine „ungemein dichte Korrespondenz zwischen der nichtchristlichen und der christlichen Dichtung, eine Kor- respondenz sogar auch der Qualität“,44 die den durchschnittlichen Leser abschrecke, meinte dabei aber im wesentlichen die traditionelle Kanonliteratur.45 So stellte sein Aufsatz von 1966 34 Ebd., 91. 35 Ebd., 92. 36 Ebd., 72. 37 Ebd., 75. 38 Ein Jahr später schrieb er: „Wenn es überhaupt ein erregendes Merkmal in der modernen Literatur gibt, dann ist es die ungemein dichte Korrespondenz zwischen der nichtchristlichen und der christlichen Dichtung, eine Korre- spondenz sogar auch der Qualität..“ (Beckmann 1966, 17) 39 In Beckmann 1966 allerdings waren die Aufgaben christlicher Literatur darin bestimmt, der Trostlosigkeit moder- ner Literatur die christliche Heilsbotschaft entgegenzusetzen. 40 Hinterer Umschlagtext von Beckmann 1965. 41 Ebd. 42 Beckmann 1966, 17. 43 Ebd. 44 Ebd. 45 Der Korrespondenzbegriff geht deutlicher hervor aus Beckmann 1974: Das einzige Kriterium für Literatur sei, wie dort die Frage der menschlichen Existenz ausgetragen werde. Beckmann verglich die Todeserfahrungen des 17. Jahrhunderts mit denen der heutigen Zeit und folgert daraus: „Ein neuer Andreas Gryphius wäre heute beileibe keine - C.2.c - 149 den Versuch dar, ein Provokationspotential zu revaluieren (‘das Christliche als Ärgernis für die Christen’), das in den sechziger Jahren historisch überholt war - worauf dann auch Werner Ross in seiner Antwort auf den Artikel hinwies.46 (ii) Christliche Literatur als überzeitliches Phänomen Gewichtigster Vertreter der traditionellen Literaturtheologie ist Gisbert Kranz, der Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre mit einer Reihe von enzyklopädischen Darstellungen über christliche Literatur hervortrat.47 Zu einer Zeit, als die Literaturtheologie sich ihrer selbst gewiss zu werden versuchte, schrieb er zwei Taschenbuchbändchen über ‘Christliche Literatur der Neuzeit’48 und ‘Christliche Literatur der Gegenwart’,49 die er kurze Zeit später überarbeite- te und erweiterte zu dem umfangreichen Hardcover-Band ‘Europas christliche Literatur von 1500 bis 1960’.50 Der Band erschien 1968 in zweiter Auflage51 und wurde im gleichen Jahr ergänzt durch einen ebenso umfangreichen Band über ‘Europas christliche Literatur von 500 bis 1500’. In allen vier Bänden ist der Stoff nicht lexikalisch aneinandergereiht, sondern in einem durch- gehenden Text dargestellt, aufgeteilt in Kapitel zu einzelnen Autoren.52 Als Kriterium für die Aufnahme von Autoren nannte Kranz deren „literarischen Rang“53 ; durchweg handele es sich um Autoren, “deren Bücher über die Grenzen ihrer Glaubensgemeinschaft, ihres Landes und ihrer Zeit hinaus gewirkt haben”54 Das schloss literarisches, historiographisches und theologi- Überraschung.“ (ebd., 25) Damit allerdings blieb er in einem ahistorischen Ansatz befangen, zu einer Zeit, als sich in der germanistischen Barockforschung schon eine rhetorisch-strukturelle Betrachtungsweise durchgesetzt hatte (vgl. zur Memento-mori-Dichtung etwa Ingen 1966). 46 Vgl. Ross 1966. 47 Geb. 1921, literaturwissenschaftliche Promotion 1950 (‘Ernst Jüngers Symbolik’), Examen in katholischer Theo- logie 1954, Gymnasiallehrer in Aachen 48 In der ersten Auflage (1959) sind 41 Autoren, in der zweiten Auflage (1962) 108 Autoren behandelt. 49 In der ersten Auflage (1961) sind 121 Autoren behandelt (26 ausführlich, 95 kurz), in der zweiten Auflage (1963) 245 Autoren (33 ausführlich, 212 kurz) 50 Zit. als Kranz 1961a. Die meisten Kapitel aus der Taschenbuchausgabe blieben im Kern unverändert, bloß dass ihr innerer Zusammenhang stärker herausgestellt wurde. Neu hinzu kamen umfangreiche Kapitel über - zumeist katholi- sche - Theologen und Publizisten, die vorher nur überblicksartig erwähnt worden waren. Dem neuen Titel entspre- chend, entfielen - bis auf das fast komplett neugestaltete Kapitel über W.H.Auden - die Kapitel über die christliche Literatur in Amerika. 51 Die 2. Auflage trägt den Titel: Europas christliche Literatur von 1500 bis heute (zit. als Kranz 1968a). Neue Kapi- tel: L.de Granada, Quevedo, G. Herbert, Leibniz, J. Green, Langgässer, de Chardin; umgearbeitete Kapitel: Eliot, Auden, Fry, Waugh, G.Greene, Schaper, Böll sowie die Einleitung (Angaben nach dem Vorwort zur 2. Auflage; in Kranz 1968a, 7). 52 Darauf, dass Kranz nicht ‘christliche Literatur’, sondern christliche Autoren darstelle, wies Karl Ude in seiner Rezension hin, die 1962 in der evangelischen Monatszeitschrift ‘Welt und Wort’ erschien (vgl. Ude 1962, 36); al- lerdings griff Kranz mit der Behandlung von einzelnen Autoren nur auf Traditionen zurück, wie sie die katholischen Literaturgeschichten des 19. Jahrhunderts ausgeprägt hatten. Auf die Bedeutung der Autorpersönlichkeit für den Zusammenhang der Literaturtheologie gehe ich im Zwischenresümee 1 ausführlicher ein. 53 Kranz 1963, 7. 54 Kranz 1968a, 7. - C.2.c - 150 sches Schrifttum ein, soweit es nicht nur Fachfragen behandelte.55 Diese Literatur fasste Kranz als christliche ‘Weltliteratur’ zusammen, und ausdrücklich bekräftigte er die Wirkung der von ihm behandelten Autoren als Auswahlkriterium. Zugleich war es aber gerade das breite Spek- trum an christlicher Literatur, das als Beleg für ihre Relevanz dienen soll. Die apologetische Intention saß also einem Zirkelschluss auf. Indem Kranz die Begriffe ‘literarischer Rang’ und ‘literarische Wirksamkeit’ synonym gebrauch- te, blieb das eigentliche Problem von Deskription und Normativität unerörtert: Ein literarisches Werk wird ‘wirksam’, d.h. wird kanonisch, bekommt also ‘Bedeutung’ entweder durch hohe Verkaufszahlen - eines der wichtigsten Kriterien für die Übersetzung in andere Sprachen - oder dadurch, dass ihm diese Bedeutung zugeschrieben wird - durch Rezensionen, durch Aufnahme in Sammelbände und Anthologien oder eben durch Kompendien wie die von Kranz. Dass der des- kriptive Ansatz von Kranz tatsächlich ein apologetisch-normativer ist, dessen Kriterium nicht zum wenigsten die Christlichkeit des jeweiligen Autors sein dürfte, zeigt sich u.a. an seiner Ein- schätzung des Mysterienspiels. Dieser Gattung attestierte er eine „beachtenswerte Erneue- rung“56 im 20. Jahrhundert und subsumierte dabei - ganz in der wertrelativistischen Tradition der katholischen Literaturgeschichten des 19. Jahrhunderts57 - sowohl Autoren wie Claudel, T.S.Eliot und Hofmannsthal als auch Autoren des katholischen Milieus wie Weinrich, Wehner und Mell als Vertreter des „christliche[n] Anteil[s] an der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts“.58 Auch apostrophierte Kranz die christliche Literatur Österreichs summarisch als ‘bedeutungsvoll’, ohne diese Einschätzung zu begründen: „Von den christlichen Autoren Österreichs sind bedeu- tend in der Lyrik HEINRICH SUSO WALDECK, PAULA VON PRERADOVIC, CHRISTINE BU- STA und CHRISTINE LAVANT; im Roman MARIA VERONIKA RUBATSCHER, PAULA GROGGER und GERTRUD FUSSENEGGER, im Drama FRITZ HOCHWÄLDER, in allen Gat- tungen FELIX BRAUN, RUDOLF HENZ und FRIEDRICH SCHREYVOGL.“59 Der Wertrelativismus war apologetisch begründet: Die Bände dürften - das geht aus einer späte- ren Publikation von Kranz hervor - zu verstehen sein als Antwort auf Vorschläge, „den Begriff ‘christliche Dichtung’ nur noch als einen Epochenbegriff gelten zu lassen.”60 Mit Kranz’ Be- mühungen, den Bestand christlicher Literatur vor Augen zu führen und ihre Relevanz darzustel- len, trat in den sechziger Jahren die traditionelle Literaturtheologie in eine zweite Phase. Die literaturtheologische Selbstvergewisserungsdiskussion jener Zeit war bei Kranz implizit kommentiert durch einen ausgesprochen emphatischen Tonfall. Leidenschaftlich plädierte er für den Rang und die überzeitliche Notwendigkeit christlicher Literatur:61 Sie sei „eine unter vielen möglichen Inkarnationen [des christlichen Geistes], dem dreifaltigen Gott zum Lob, den europäischen Menschen zum Heil.“62 Demgegenüber war die nicht-christliche Literatur, die nur vom christlichen Erbe zehre, als parasitär abgetan. In solch scharfer Form verwehrte sich Kranz gegen die - von ihm unterstellte - Annahme, die Bezeichnung ‚christliche Literatur‘ gelte im zeitgenössischen Literaturdiskurs als Etikett für „etwas Abseitiges, bestimmt für einen speziel- 55 Ebd., 8. Die Bände ‘Die christliche Literatur der Neuzeit’ und ‘Die christliche Literatur der Gegenwart’ erschienen in der sich an Laien richtenden Buchreihe ‘Der Christ in der Welt’ (hg. von P. Johannes Hirschmann S.J. im Augs- burger Pattloch-Verlag). 56 Kranz 1968a, 342. 57 Dazu passt, dass Kranz auch Julius Langbehn anführte, den Verfasser des Machwerks ‘Der Rembrandtdeutsche’. 58 Ebd., 342. 59 Kranz 1963, 54. Versaliendruck im Original. 60 Kranz 1987, 69. 61 Auf die Aneinanderreihung von Superlativen, die „das Gesamtbild nicht plastischer, sondern flächiger“ machen, wies auch Karl Ude (1962, 36) in seiner Rezension des Bandes hin. 62 Kranz 1968a, 12. - C.2.c - 151 len Interessentenkreis, für Geistliche und Nonnen, aber nicht für Normalleser.“63 Trotzdem sah Kranz - insofern ist seine Argumentation widersprüchlich - christliche Literatur eingebunden in den kirchlichen Verkündigungsanspruch, sowohl heilsgeschichtlich „Das ist der Ruhm der christlichen Literatur von heute, daß sie inmitten der sündigen Welt den Heiligen zeigt, als einen Menschen, in dem sich Gottes Anwesenheit offenbart durch das Licht, das er ins Dunkel strahlt.“64 als auch pastoraltheologisch: Christliche Literatur spiele eine wichtige Rolle, das Wort Gottes in andere Sprache und Kulturen zu transponieren; sie diene dem ökumenischen Austausch und sie diene auch der Anregung christlichen Lebens durch die Nichtchristen.65 Was bedeutet der apologetische Ansatz für die Bestimmung von christlichr Literatur? Kranz ging von einem wesensmäßigen Zusammenhang christlicher Literatur aus und versuchte diesen inhaltlich und formal zu bestimmen. Christliche Literatur sei (1) als immerwährende Neuüber- setzung und -auslegung der Evangelien, demzufolge (2) als Inkarnation von Gottes Wort, und sie wirke (3) ‘intra ecclesiam’ aufrüttelnd und vertrete ‘extra ecclesiam’ kämpferisch die Wahrheit des Glaubens. Unklar ist seine Argumentation jedoch insofern, als die angeführten Kriterien eine eindeutige Zuordnung zu einem abgrenzbaren Korpus erlauben müssten, und tatsächlich schrieb Kranz, der christliche Gehalt sei analytisch aufweisbar: „Christentum ist weder eine Sache unverbindlicher Stimmung noch lediglich sittlichen Wohlver- haltens, sondern ein Glaube, der sich von anderen Überzeugungen klar unterscheidet. Das Christentum stellt einen Wahrheitsanspruch.“66 Gleichzeitig allerdings räumte er ein, ein literarisches Werk könne „die Wahrheit des Christen- tums insgesamt oder zum Teil, explizit oder implizit bejahen oder verneinen“.67 Damit hob er die Eindeutigkeit der zuvor getroffenen Bestimmung wieder auf. Die naheliegende Frage näm- lich, ob ein Punkt eindeutig bestimmbar ist, von dem an ein Werk der christlichen Literatur zuzurechnen ist, wenn es die Wahrheit des Christentums nur ‘zum Teil’ enthält, umkreiste 63 Kranz 1963a, 299. 64 Kranz 1968a, 343. Diese Position war in den sechziger Jahren bewusst anachronistisch. Ida Friederike Görres beispielsweise hatte schon 1952 geäußert: „Muß [...] noch ein Wort darüber verloren werden, daß Bergengruen ein religiöser Dichter ist? Es scheint doch, weil im heutigen abgeblaßten und ausgehöhlten Sprachgebrauch dieses Wort oft nur mehr denen gegönnt wird, die theologische Probleme in einer mehr oder weniger dem theologischen Be- griffsbestand entlehnten Sprache behandeln oder ausdrücklich und kämpferisch mit dem Unglauben der Zeit in Zweikampf treten. Beides sind wichtige und vielleicht unentbehrliche Weisen des Zeugnisses, aber nicht die einzi- gen.” (Görres 1952, 149) 65 Vgl. Kranz 1968a, 11. In der 1. Auflage war diese Aussage pointierter auf den Aspekt der Wirksamkeit bezogen: „Er [sc. der christliche Autor] kann sich, will er weltgültig bleiben, gegen diese [nicht mehr von der Religion gepräg- te] Kultur nicht abkapseln. Wollte er sich in ein geistiges Ghetto einsperren, so würde seine Sprache draußen nicht mehr verstanden.” (Kranz 1961a, 10). In ähnlicher Weise hatte auch Erwin Karl Münz formuliert: “Wer zu den Zeitgenossen sprechen will, muß ihre Zunge besitzen, sonst wird er nicht verstanden.” (‘Dichtung als Apostolat’, in: ‘Deutsche Tagespost’ vom 5.11.1951) Das ökumenische Anliegen begründete Kranz ausführlich in Kranz 1968a, 8ff. Vgl. auch Kranz 1987, 45ff. 66 Kranz 1987, 17. 67 Ebd. - C.2.c - 152 Kranz nur, ohne sie zu stellen. Vielmehr konzedierte er, es gebe “gewisse Grenzfälle”,68 und zog sich auf ein diagnostisches Raster zurück, dessen Metaphorik nicht weniger vage ist: eine ‘zentrale Christlichkeit’ (das Christliche gehört zum Kern) zu unterscheiden von ‘peripherer Christlichkeit’ (das Christliche liegt „mehr am Rande“69 ). Beide Kriterien sind nicht für eine Analyse ausgearbeitet und damit nicht intersubjektiv hand- habbar.70 Das liegt daran, dass Kranz sie einband in ein Wahrheitsverständnis römisch- katholischer Prägung. Zwar sprach er davon, dass „das Wort Gottes an jedem Ort, zu jeder Zeit, in jeder Sprache und in jedem einzelnen Menschen, der anders ist als alle anderen, neu inkar- niert”71 werden müsse; seine Darstellung jedoch zeichnete sich durch konfessionelle Deu- tungsschemata aus. Das betrifft nicht nur die Auswahl der behandelten Autoren, unter denen diejenigen katholischer Konfession bei weitem überwiegen, sondern auch einzelne Beurteilun- gen, etwa den Vorwurf an Edzard Schaper: “Des Dichters Religiosität bleibt, trotz ihrer Sehnsucht nach objektiven Bindungen, nicht immer frei von Subjektivismus und Individualismus, wie sein Gedichtband Der Granatapfel zeigt.”72 (iii) Legitimation des Kanons In der apologetischen Phase des literaturtheologischen Diskurses wurde christliche Literatur nicht nur konfessionell-konfessorisch, sondern auch politisch legitimiert. Interkonfessioneller Nexus war hier die Vorstellung von der Ordo-Gebundenheit traditioneller christlicher Literatur, soweit sie - zumindestens andeutungsweise - als Chiffre für eine vergangene politische und gesellschaftliche ‘integritas’ gelesen werden kann. Diese jedoch wurde, am Beispiel der defizi- tären Gegenwart, vor allem ex negatione definiert. Deshalb begegnen im literaturtheologischen Diskurs sowohl integralistische Vorstellungen, die ins christliche Mittelalter verweisen, als auch Rekurse auf den konstitutionellen Feudalismus des 19. Jahrhunderts.73 In den antibürger- 68 Ebd., 18. 69 Ebd., 19. 70 Im Ganzen geht aus Kranz’ opaker, sich teilweise widersprechender Darstellung nicht klar hervor, ob er die unein- deutige Definitorik des Terminus ‘christliche Literatur’ nicht einfach in ihrem heuristischen Nutzen aufgehoben sah. (Vgl. ebd., 19). 71 Kranz 1987, 45. 72 Kranz 1963, 53. Interessanterweise ist es gerade Kranz, der bei einem anderen Literaturtheologen - Ralph P. Crimmann - die Beschränkung auf „fast ausschließlich nichtkatholische Autoren“ bemängelt (Kranz 1982, 276) und Crimmann deshalb eine Methodik „mit provinziellen Scheuklappen“ (ebd.) bescheinigt. In Kranz 1990 hingegen sind vornehmlich protestantische Autoren behandelt, worauf Kranz wiederum eigens hinwies. 73 Erik von Kuehnelt-Leddien, der den konservativen Literaturtheologie nahestand, polemisierte 1961 in einer Fest- schrift für Ida Friederike Görres gegen die „absolute Demokratie“ (Kuehnelt-Leddihn 1961, 183) des 20. Jahrhun- derts und stellt dagegen das Gesellschaftsmodell des 19. Jahrhunderts, diese „Ära der Fachmänner, der akkumulier- ten Erfahrung, des Basileus-Philosophos im platonischen Sinne“, d.h. „der ‘konstitutionelle’ Balance-Akt demokra- tischer, egalitärer und monarchischer Elemente“ entspreche der politischen Tradition der Kirche, die wiederum Freiheit garantiere: „Im Monolith der vaterlosen Nur-Brüder (alles ‘Retortenkinder’), der Gleichen und Nämlichen, - C.2.c - 153 lichen Argumentationsmuster traditioneller Literaturtheologie verschränkten sich die Ressenti- ments der geistesaristokratisch motivierten Massenphilosophie (Ortega y Gasset,74 Felix zu Löwenstein, Hendrik de Man etc.) mit der Kritik des reformkatholischen ‘renouveau catholi- que’ an den „Bürgerchristen“.75 Karl Pfleger beispielsweise setzte der „zweidimensionalen [...] Oberfläche der bloß materiellen Daseinsinteressen“, auf der sich die Menschen „frech und niedrig, ungerecht und verständnislos gegeneinander, unglücklich miteinander“ zusammendrängen, die „elementar[e] Tiefe“ entgegen, „wo die Symbole des Ewigen und Göttlichen leuchten, bei denen sie [sc. die Menschen] sich auf sich selber, auf den eigentlichen Beruf der Menschheit im Weltall besinnen könnten“.76 Franz Schriewer grenzte den Anspruch christlicher Literatur ab gegen „die moddrigen Köpfe und Her- zen einer meist nichtstuerischen, nicht mit äußeren Lebenssorgen behafteten intellektuellen Bür- gerschicht“, 77 ein in den fünfziger Jahren geläufiges, auf Dick Ouwendijk zurückgehendes Wort. Der antibürgerliche Reflex wies also entweder auf franziskanische Tugenden zurück78 oder er tendierte zu „Kultur“ und „große[m] Stil des Menschenlebens“;79 letzteres sogar häufiger. Hier kam dem Paradigma des Elitär-Adeligen eine besondere Bedeutung zu, was sich im übri- gen auch rein thematisch aus vielen Sujets der traditionellen christlichen Kanonliteratur ablei- ten lässt. In exemplarischer Weise wird das Adelsparadigma deutlich bei Hans von Arnim,80 dessen Buch über christliche Literatur nicht zu den theoriebildenden Werken der Literaturtheologie zählt, weil es weder einen literaturkritischen noch einen theologischen Anspruch erhob, son- dern eher eine huldigende Einführung und Würdigung darstellte.81 Von Bedeutung für das Verständnis des literaturtheologischen Diskurses ist es trotzdem. Wenn Arnim nämlich den Kanon traditioneller christlicher Literatur „eine wirkliche Lösung der auftauchenden [gesellschaftlichen] Probleme“82 nannte und im christlichen Autor eine „Hoffnung für unsere Epoche“83 verkörpert sah, dann bekommen diese im Zusammenhang der literaturtheologischen gibt es natürlich kein ideales Klima der Freiheit.“(ebd., 174). Ganz ähnliche Deutungsmuster begegnen bei Pfleger 1951. 74 Zur Kritik der bundesrepublikanischen Rezeption Gassets vgl. Sánchez-Blanco 1983. 75 Kurz 1996, 57. 76 Pfleger 1931/1951, 17. 77 Schriewer 1951, 212. Schriewer entlehnt das Bild des ‘moddrigen Menschen’ bei Dick Ouwendijk: Satanische Trinität. Düsseldorf: Bastian-Verlag, 1950. 78 Hier vor allem Zangerle 1946. Hier wird deutlich, dass es im literaturtheologischen Diskurs immer auch um die Angemessenheit von religiöser und kirchlicher Sprache geht. 79 Pfleger 1931/1951, 17. Ähnlich Walter Nigg: „Es entspricht kleinbürgerlicher Denkweise, daß die Rechnung der Welt zuletzt in glatten Zahlen aufgehen müsse [...].“ (Nigg 1966, 51) 80 Geb. 1889, Studium (Jura, Philosophie) Univ. Göttingen, Kiel, Grenoble, Straßburg, Dr. jur., 1927 Mitglied des Evangelischen Konsistoriums Berlin-Brandenburg, 1928 Konsistorialrat, Mitglied der Bekennenden Kirche, 1936 Oberkonsistorialrat und Vorsitzender der Finanzabteilung, 1938 „aus politischen Gründen amtsenthoben“, nach 1945 Präsident des Evangelischen Konsistoriums der Mark Brandenburg, Mitglied der Kirchenleitung, Vorsitzender der Disziplinarkammer (Angaben und Zitat nach dem Deutschen Biographischen Archiv III) 81 Behandelt sind Rudolf Alexander Schröder, Reinhold Schneider, Werner Bergengruen, Otto von Taube, Franz Werfel, Jochen Klepper, in den Auflagen nach 1965 auch Ina Seidel und Gertrud von le Fort. 82 Arnim o.J., 209. 83 Ebd. - C.2.c - 154 Diskussion vom Anfang der sechziger Jahre prononciert anachronistischen Auffassungen ihren Sinn nur vor dem Hintergrund des erwähnten antibürgerlichen Reflexes. Bei den von ihm behandelten Autoren sah Arnim eine spezifische Tugendethik verwirklicht, die einerseits christlich, andererseits sozial bestimmt wird - die klassischen Adelstugenden84 und die christliche Kardinaltugend der ‘constantia’ gehen ineinander auf:85 also sich selbst treu zu bleiben, der eigenen Berufung zu folgen,86 sich im Schicksal zu bewähren, standhaft zu sein, für andere einzustehen etc. und dabei den Rang des exzeptionellen, vorbildhaften Einzelnen gegen die Anmutungen des Massenzeitalters und gegen das ameisenhaft Amorphe der ‘totalen Demokratie’ (von Kuehnelt-Leddien) zu behaupten. Ausdrücklich benannte Arnim die von ihm behandelten Autoren als Repräsentanten von Patriziat, Geburtsadel oder wenigstens innerem Adel, und in allen Beiträgen - quasi leitmotivisch - wird das Gefühl von Verlust, vom Unter- gang einer feudalen Welt, von Wehmut etc. angesprochen, das den Autoren von ihrer Biogra- phie her zu eigen sei oder das sie in ihrem Werk ausdrückten.87 Die zahlreichen Hinweise auf den Adel, auf den Verlust seiner Privilegien wie auf sein Ethos88 deuten auch die eigene Herkunft aus einer adligen Offiziersfamilie an: Verschiedentlich merkt Arnim an, dass erst das Zusammentreffen von Geburts- und innerem Adel den eigentlichen Rang ausmache, und in anderen Bemerkungen drückt sich subtil, aber vernehmbar die Perspektive des Dazugehörigen aus.89 Die Vorstellung vom christlichen Autor als Überlieferer einer Tradition des (geistigen) Adels findet sich bei Arnim also verhältnismäßig extensiv ausformuliert, und sie ist bei ihm zugleich eindeutig politisch konnotiert. Bereits in den zwanziger Jahren war Arnim hervorgetreten mit einem Buch über ‘Deutsche Kämpfer’ (1923) und ‘Deutschen Aufstieg’ (1925), und in den 84 Im klassischen Sinne die ‘virtutes’ als die Tugenden des Mannes: Die Beiträge über Ina Seidel und Gertrud von le Fort (auch diese eine Adlige) waren erst seit 1965 enthalten; in den früheren Auflagen fehlen sie. Die biographischen Hinweise bei Ina Seidel, der Arnim immerhin einige der „besten Schöpfungen deutscher Sprache“ (Arnim o.J., 174) zurechnet, umfassen nur wenige Zeilen. 85 Den Grund für den Verfall der Tugendethik seit dem 18. Jahrhundert sieht Mieth in deren „Bindung an ein aristo- kratisches Menschenbild, dessen Verbürgerlichung einen Bedeutungsabfall zu Biederkeit und Wohlanständigkeit mit sich brachte.“ (Mieth 1976a, 4) Das erklärt auch die in der traditionellen Literaturtheologie oft geäußerte Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft, ihrer Lauheit, ihres Materialismus’ etc.. Dazu ausführlicher Kap. C.4.b.i und C.4.b.ii. 86 Darauf wies Arnim vor allem bei den beiden Autoren hin, deren Lebensweg Brüche und lange Phasen von existen- tiellem Selbstzweifel aufweist, also Reinhold Schneider und Jochen Klepper. Schneiders Leben gilt ihm als „das leidvolle Erfüllen einer großen Sendung, die alle Tiefen der Zeitenwende, in der wir leben, erduldet und sie prophe- tisch deutet.“ (Arnim o.J., 33) 87 Anders dagegen Heinz Flügels Erinnerung an seine Begegnungen mit Otto von Taube: „Er repräsentierte das Europa seiner Lebenszeit in allen seinen Epochen. Er ergab sich nicht wehmütiger Trauer über den Untergang des alten Europas und seiner feudalen Gesellschaft, der er entstammte, in der er aufgewachsen war; er war frei von Ressentiments, von Vorurteilen, von Standesdünkel.“ (Flügel 1987, 84) 88 Aus Bergengruens ‘Der letzte Rittmeister’ nannte Arnim gerade die Passage, in der die Courtoisie des Rittmeisters besonders herausgestellt wird, als nämlich dieser den Abschied von einer untergegangenen Zeit formvollendet vor einer Schindmähre vollzieht. Die Figur des Herzogs von Croy aus der Sammlung ‘Der Tod von Reval’allerdings, den seine Familie verstieß, wie „ein leidender Leib den Fremdkörper ausscheidet im eitrigen Aufbruch einer Stelle“ (Bergengruen 1979, 11), in der Bergengruen eine originelle Dialektik von adeliger Herkunft, ordinärer Leiblichkeit und kindlicher Reinheit entwickelt, passte offensichtlich nicht in Arnims introspektives Adels-Paradigma: Zwar erwähnte er die Novellensammlung, nicht aber die Geschichte über den Herzog von Croy. 89 Etwa in folgenden Sätzen: Gertrud von le Fort stamme „aus der verbreiteten Familie von Wedel“ (Arnim o.J., 185), oder: Im Werk Otto von Taubes gehe es „um Menschen, die der Abstammung und dem Wesen nach wahrhaft adlig sind, seltene Erscheinungen, die auch in ihren Kreisen in einer gewissen Isolierung leben.“ (Arnim o.J., 97) - C.2.c - 155 sechziger Jahren veröffentlichte er Erzählbiographien über Gestalten der preußischen Geschich- te vom Beginn des 19. Jahrhunderts.90 Geschichte ist hier dargestellt als das Wirken bedeutender Menschen, die vor dem Horizont einer religiösen Sinnhaftigkeit handeln. Der Tonfall des Chronisten trägt Züge von feudalistischer Ehr- erbietung dem Dargestellten gegenüber und kommentiert nur gelinde. Nachdrücklich hob Arnim den - politischen, gesellschaftlichen, menschlichen - Rang der dargestellten Herrschergestalten hervor, ermöglicht durch einfühlende, dabei streckenweise spannende Art der Darbietung aber dem Leser zugleich Einfühlung und Identifikation. Mit seinen preußischen Biographien schrieb sich Arnim ein in eine nationalkonservative ‘Hagiographie’ desjenigen militärisch-politisch-gesellschaftlichen Preußentums, das sich in der Restaurationszeit unter Hardenberg durchsetzte und dessen Vorbildhaftigkeit für die Gegenwart Arnim mehrfach ausdrücklich betont. Welchen gesellschaftspolitischen Kontext der Verlag mit den Publikationen im Auge hat, belegen nicht nur dessen andere Publikationen aus den sechzi- ger Jahren,91 sondern auch die Formel des ‘Sapere aude’, die vorne auf den Bändchen der ‘Berliner Reminiszenzen’ aufgedruckt ist und den kämpferischen Anspruch eines elitären Kon- servatismus gegen den egalitären Zeitgeist betonen sollte, eine Vorstellung, wie sie noch in den gegenwärtigen neokonservativen Deutungen christlicher Literatur begegnet. Schon Holthusen hatte in einer Rede zu Gottfried Benns siebzigstem Geburtstag am 2. Mai 1956 den Zusammenhang von sinnstiftender Literatur und preußischer Überlieferung hergestellt: „Ist es wahr, daß es einmal einen großen preußischen General gegeben hat, der behaupten konnte, ‘auf Poesie sei die Sicherheit der Throne gegründet’? (Sein Name ist Neidhardt von Gneisenau.) Es war die Epoche der Freiheitskriege, Leyer und Schwert waren damals verbündet. Der Satz scheint auf unsere Situation nicht mehr anwendbar zu sein, Leyer und Schwert haben nichts mehr miteinander zu tun, das Königreich ist versunken, Preußen ist dahin, Berlin ist einsam ge- worden und von geschichtlicher Versteppung bedroht. Aber daß Sie [die Rede hielt Holthusen in Anwesenheit Gottfried Benns] diesem Berlin die Treue gehalten haben, [...] daß Sie hier inmitten einer Bevölkerung von hart bedrängten ‘Inselniggern’ (Ihr Ausdruck!) Ihren Posten nicht ver- lassen haben und als der bedeutendste deutsche Dichter der Gegenwart immer noch an dem Ort wohnen, wo die Nation ihre tiefste Wunde empfangen hat, das alles legt uns den Schluß nahe, daß sich die Poesie mit ihrer ‘garantierenden’, ihrer sinnstiftenden und leben-helfenden Kraft auch heute noch bewähren kann.“92 (iv) Einübung in christliche Literatur Innerhalb der traditionellen Literaturtheologie begegnet die Vorstellung des ‘richtigen Lesens’ wieder bei den populär geschriebenen religiösen Sachbüchern des evangelisch-reformierten 90 Über Bettina von Arnim (Berlin 1963), über Prinz Louis Ferdinand von Preußen (Berlin 1966; „Seiner Kaiserli- chen Hoheit DR.PHIL.LOUIS FERDINAND PRINZ VON PREUSSEN verehrungsvoll gewidmet“; Versalien im Original) und Königin Luise (Berlin 1969). 91 Im gleichen Verlag erschienen u.a. Hubertus Prinz zu Löwensteins ‘Deutsche Geschichte. Der Weg des Reiches in zwei Jahrtausenden’ (Berlin 1962) und von Hans-Joachim Schoeps ‘Aus den Jahren preußischer Not und Erneue- rung. Tagebücher und Briefe der Gebrüder Gerlach und ihres Kreises’ (Berlin 1963) und ‘Konservative Erneuerung. Ideen zur deutschen Politik’ (Berlin 1963). 92 Holthusen 1983, 66. - C.2.c - 156 Kirchenhistorikers Walter Nigg.93 Hier konvergierten die Ansätze von Glaser (Lektüre als Lebenshilfe) und Pfleger (Vorbildhaftigkeit christlicher Existenz),94 jedoch unter veränderten kulturpolitischen Vorzeichen, worauf nicht nur der apologetische Tonfall, sondern auch das Leitmotiv von Niggs interpretatorischem Anliegen hinweist: ‘Wallfahrt zur Dichtung’ lautet der Titel des Buches, in dem Nigg das Wesen christlicher Dichtung an den Beispielen Droste Hüls- hoff, Gotthelf und Gogol erörterte - zur Zeit seiner Veröffentlichung nicht ohne provokatori- sche Konnotationen.95 Das Lesen als religiöse Praxis bestimmte Nigg auch in der Metaphorisie- rung seines Buches als „poetisches Triptychon“96 ; seine Darstellung diene der „Erstellung eines Dichterschreins in der allseitig bedrohten Gegenwart“.97 Schon aus dieser Formulierung erhellt, dass Niggs Darstellung weniger eine Wallfahrt zur Dichtung war als eine zu den behan- delten Dichtern, die er alle drei als kritische Beobachter ihrer säkularisierten Gegenwart und prophetische Warner vor einer entchristlichten Zukunft zusammenfasste, um daraus Folgerun- gen für die Gegenwart des 20. Jahrhunderts zu ziehen.98 Vor allem bei Gotthelf, dem Schweizer Pfarrer, hob Nigg das Pastoral-Seelsorgerliche hervor: „Auch seine dichterischen Werke sind eine einzige große Kanzel, von der aus er weit über Lüthelflüth hinaus die Menschen erreichte und sie seelsorgerisch betreute. [...] Seelsorge als Charisma verstanden, das ist Gotthelfs Dichtung; er zählt zu den überragenden Seelentherapeu- ten des vergangenen Jahrhunderts.“99 Ganz den biologistischen Auffassungen einer Germanistik nadlerscher Prägung verhaftet, figu- rierte Literatur bei Nigg als Symbiose von universalistischem Anspruch und völkischem Ideal, die die Kategorien ‘Gesellschaft’ und ‘Geschichte’ negiert und den Dichter als Mischung aus ‘poeta vates’ und germanischem Druidentum propagiert:100 „Das Licht von oben befähigt sie [sc. die Dichter], die ihnen aufgetragene Botschaft auszurich- ten und dem tiefsten Wesen eines Volkes Ausdruck zu geben. Darum müssen sie von einem Volk 93 1903-1988, evangelischer Pfarrer, zuletzt in Dänikon (Schweiz); seit 1931 Lehrauftrag für Kirchengeschichte an der Universität Zürich, von 1940 bis zu seiner Pensionierung dort Titularprofessor (Angaben nach: Munzinger- Archiv, Archiv für Internationale Biographien, Ravensburg, 24/88) 94 Nigg sah die Beschäftigung mit Literatur nur als einen Teilbereich religiöser Betätigung an; folgerichtig befassen sich nur einige seiner Bücher mit christlicher Literatur im engeren Sinne. 95 Vgl. etwa die Zürcher Rede von Emil Staiger. Die öffentlichen Reaktionen auf diese Rede jedoch zeigten, dass sich der kulturpolitische Kontext für solche Äußerungen geändert hatte (Vgl. dazu Grimminger 1993, I, 22). Niggs Rede von der ‘Wallfahrt’ war nicht nur Bekenntnis, sondern ebenso bewusst gewählter Widerpart: Ebenso wie Staiger, aber humorvoller als dieser polemisiert Nigg gegen „gewisse Vertreter der Gegenwartsliteratur, die nicht gerade den Eindruck von Himmelsboten erwecken. [...] Es ist eine schwer zu benennende Schriftstellerei, die mit ihrer Zeitdiene- rei nahe daran ist, die Kunst selbst aufzuheben, und man wird diese Dichtung der Auswegslosigkeit kaum wertbe- ständig nennen können. Sie ist nur ein getreuer Ausdruck der modernen Zeit.“ (Nigg 1966, 10). 96 Nigg 1966, 14. 97 Ebd., 15. 98 Den jeweiligen fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand zu den von ihm behandelten Autoren ließ Nigg dagegen unberücksichtigt. Zur unkritischen Droste-Rezeption Niggs vgl. etwa Sengle 1971, 240, Anm. 7 „Man möchte diese Übertreibung [sc. R. A. Schröders, le Forts und R. Schneiders Deutung der Droste als integral christlich] auf die religiöse Euphorie der frühen Adenauerschen Restaurationszeit zurückführen. Aber der Schweizer Theologe Walter Nigg vertritt heute noch eine ähnliche Auffassung [...]“ 99 Nigg 1966, 260. Vgl. auch ebd., 245f. 100 In ähnlicher Weise Hans Urs von Balthasar über Reinhold Schneider: „Mit diesen neuen, erst wahrhaft ge- schichtlichen Kategorien [Formlosigkeit, Form, Schuld, Rechtfertigung] kann sich Reinhold Schneider ein zweites Mal an Deutschland wenden (1946-1949), nunmehr in der Vollkraft seines geschichtlichen Auftrags.“ (Balthasar 1991, 27) - C.2.c - 157 aufgenommen werden, und ihre Stimme hat in ihm weiterzuklingen. Die Dichter stehen mit ihrer hohen Verpflichtung an der Spitze einer Volksgemeinschaft. Wenn die Stimme der Dichter in ei- nem Volk verstummt, dann ist es um seine tiefere Sprache gebracht, dann redet es nicht mehr verständlich zur Welt.“101 Dass solche Sätze zugleich an das Selbstverständnis der Leser appellieren und somit als Postu- lat an ‘die Volksgemeinschaft’ zu verstehen sind, liegt auf der Hand. Die Sätze erklären zudem den Rang, den Nigg dem Vermitteln von Autorität einräumte, wobei - wie in all seinen kultur- kritischen Bemerkungen - eine im eigentlichen Sinne kausale Beziehung zwar angedeutet, aber nicht näher expliziert wurde: „Die tiefere Ursache von allen Entartungserscheinungen ist nach der Droste die Preisgabe der religiösen Grundlage, wodurch das tragende Fundament unterhöhlt wurde. Annette brachte die- se Erscheinung mit dem Autoritätsverlust in der Welt in Zusammenhang.“102 Der Begriff der Autorität steht im Zusammenhang mit Niggs Verständnis vom Amt des Dich- ters; dieses war alttestamentarisch konnotiert. Jeremias Gotthelf stellte er als einen „Jeremias redivivus“ dar,103 und in der Tradition des prophetischen Sehens104 sah er offensichtlich auch sich selbst, das deutet jedenfalls das einleitende Kapitel des Gotthelf-Abschnitts (‘Die Tränen Jeremias’) an: „Wer Jeremia in einem jeremiadischen und nicht bloß in einem exegetischen, theologischen Sinn verstehen will, der muß unbedingt mit einer Klage beginnen: Ach, unser biederes Volk liebt das gute Essen und die elektrischen Kegelbahnen, es hängt sich an die steigenden Bodenpreise und bewundert die neuesten Automodelle, es sieht sich die alljährliche Filmproduktion an und be- sucht die Ausstellungen abstrakter Kunst, es beschäftigt sich mit vollautomatischen Waschma- schinen und wirksamen Schlankheitskuren, kurz, alle Aktualitäten haben sein lebhaftes Interesse, aber von Amos Donnergrollen und Hoseas Ehesymbolik hat es keine Ahnung. Jesajas messiani- sches Reich, Ezechiels Visionen und Daniels Geschichtsdeutung fehlen in der Vorstellungswelt. [...]“105 Der Abwehr des Formalästhetizismus und der künstlerischen Autonomie entspricht eine eigen- tümlich passivische Sichtweise der (idealisierten) Trias von Autor-Werk-Leser: Die ‘Dichter’ bestimmte Nigg an anderer Stelle als „Gefäße der Gottheit“,106 gar als „Fixsterne, an denen sich die Menschen orientieren können“,107 die Literatur als „Sprechsaal für die Nöte der Men- schen“.108 Dem Leser stehe lediglich Ehrfurcht vor der ‘Dichtung’ zu, nämlich „die verehrende und huldigende Gebärde“,109 die ihm als Tätigkeit immerhin abfordert, „in eine Dimension des 101 Nigg 1966, 8. 102 Ebd., 103. 103 Ebd., 135. 104 Vgl. dazu auch Hans Urs von Balthasar, der über Reinhold Schneider schrieb: „Damals [sc. in den letzten Kriegsjahren] wurde er, aus der Hülle des Dichters und Historikers heraustretend, zum Confessor im Sinn der alten Kirche, zu einem charismatischen Führer und Seelsorger, der an der Form seiner eigenen Existenz die Herkunft und Bewährung seiner wahrhaft geprägten Form bewies.“ (Balthasar 1991, 20) 105 Nigg 1966, 111. 106 Ebd., 8. 107 Ebd. 108 Ebd., 10. 109 Ebd., 6. - C.2.c - 158 Göttlichen einzutreten“.110 Niggs Ausführungen liegen unterschiedliche poetologische Subtexte zugrunde, die einander widersprechen: Einerseits war Literatur zum „Heiligtum“111 stilisiert, wurde zugleich aber - im kierkegaardschen Sinne - abgewertet gegenüber der Verbindlichkeit des christlich geführten Lebens. Niggs interpretatorisches Verfahren, dessen Ziel er selbst darin sieht, der Dichtung „nahe zu kommen“,112 besteht im Wesentlichen aus der Paraphrasierung eines Textabschnittes, mittels de- rer ein literarischer Satz als authentische Äußerung des realen Autors verstanden wird oder in ei- nen aktuellen lebenspraktischen Zusammenhang gebracht wird. Das jeweilige Werk wird gemes- sen am Ideal einer aufrüttelnden, seelsorgerlich-pastoral wirkenden christlichen Literatur, und so pointiert er die adäquate Aktualisierung von Dostojevskijs ‘Idiot’ anders als beispielsweise Pfle- ger:113 „Es wird, ohne viel Worte zu machen, ununterbrochen nur auf das Christliche hingewie- sen, inmitten aller menschlichen Verwirrung kreist alle Aufmerksamkeit unausgesprochen um dieses eine Thema. Es ist in einer Dichte vertreten, wie es nur noch in Grünewalds Malerei vor- handen ist. Gerade weil das Göttliche nicht mit vielen Worten breitgetreten wird, ist es da, spür- bar geht es durch alle Kapitel hindurch und kommt dem Leser immer überwältigender zum Be- wußtsein, so daß er ihm nicht mehr ausweichen kann.“114 In der Abwehr des ‘nur’ kulinarischen Lesens steckte andererseits zugleich die Mahnung an Autor und Leser, dass Literatur „immer auch eine Aufgabe der richtigen Lebensgestaltung“ sei.115 Um nun seine Metapher von der ‘Wallfahrt zur Dichtung’ durchhalten zu können, ohne den kategorialen Unterschied zwischen Religion und Literatur aufzugeben, vermochte Nigg das genuin Literarische im Kontext des Religiösen nur als Tautologie im Bereich des Mystischen zu verorten: „Ein Gebet, das nicht betet, aber beten macht.“116 110 Ebd.. Die Passivität einer solcherart konstruierten Autor-Werk-Leser-Trias steht in auffälligem und von Nigg auch nicht problematisiertem Widerspruch zu seiner Forderung, christliche Literatur solle aufrüttelnd wirken und die religiös Lauen beflügeln. 111 Ebd., 8. 112 Ebd., 38. 113 Dem er auch darin widersprach, Myschkin nicht als neuen Christus aufzufassen, sondern als alter ego des Autors (vgl. Nigg 1956, 397f.). 114 Nigg 1956, 403. 115 Nigg 1966, 9. 116 Ebd., 8. Nigg zitierte hier Henri Bremond. 159 Zwischenresümee 1: Argumentationsmuster in der traditionellen Literaturtheologie Bereits in der Nachkriegszeit dominierte im literaturtheologischen Diskurs die Vorstellung, dass das Weltanschauliche vollgültig nur im Ästhetischen aufbewahrt sei. Einhellig abgelehnt wurde also eine christliche Tendenzliteratur; dies um so mehr, als ein Rekurs auf die literarisch akzeptierten christlichen Autoren - die ich in der vorliegenden Untersuchung unter den Begriff der ‘christlichen Kanonliteratur’ fasse - möglich war.1 Umstritten waren jedoch die Maßstäbe dessen, was unter ‘ästhetisch vollgültig’ zu verstehen sei. Erst im Laufe der fünfziger Jahre fanden sich christliches Bekenntnis und phänomenologisch stimmige Literatur zum verhältnismäßig allgemein akzeptierten Gegenstandsbereich einer christ- lichen Dichtung zusammen. Dem Kriterium der Stimmigkeit - thomistisch bestimmt als ‘consonantia’, klassizistisch bestimmt im Topos der ‘souverän formenden Hand’ - konnte aller- dings eine prononciert moderne Autorin wie Elisabeth Langgässer verfallen. Soweit er das Wesen christlicher Literatur erörterte, bezog sich der literaturtheologische Dis- kurs ausschließlich auf einen Kanon einiger weniger Autoren. Die christlichen ‘litterae mino- res’ konnten zwar über das Weltanschauliche integriert werden, spielten aber bei der Etablie- rung und Festigung des Kanons keine Rolle. Einen weitgehend unbestrittenen kanonischen Status hatten die Autoren, die bereits im ‘3. Reich’ als Exponenten einer christlichen Literatur gegolten hatten und darüber legitimiert waren. Diese Legitimation wurde übertragen in die Nachkriegszeit und in die Bundesrepublik, musste jedoch von der Literaturtheologie diskursiv aufrechterhalten werden. Hatte christliche Literatur während des ‘3. Reichs’ und vor allem während des Krieges aus sich selbst gewirkt, also ohne die Vermittlung einer einschlägigen Literaturkritik,2 versuchte die Lite- raturtheologie nach 1945 diesen Rezeptionszusammenhang fortzuschreiben. In dem Maße, in dem seit der Nachkriegszeit die Bedeutung christlicher Literatur zurückging, übernahm der litera- turtheologische Diskurs komplementäre Funktionen. Hieraus erklärt sich auch, dass - weit stärker als noch in den zwanziger Jahren - einzelne literaturtheologische Äußerungen ihre eigentliche Bedeutung erst in ihrem pragmatischen Kontext entwickeln.3 So war es nur folgerichtig, dass der Umgang mit Literatur thematisiert wurde, sowohl explizit - in den Bemühungen um das ‘richtige Lesen’ - als auch implizit. In viele literaturtheologische Beiträge waren Rollenmuster eingeschrieben, die der Literaturtheologe seinen Lesern gegen- über einnahm, vor allem die des Anleitenden und die des seelsorgerlich Verantwortlichen:4 Es überwiegt die Darstellungsform des Mündlichen, nicht wenige Beiträge zeichnen den Prozess 1 Ausgesprochen irrig ist also die heute mittlerweile zum Topos geronnene Auffassung, die traditionelle Litera- turtheologie habe ihr Interesse nur auf den Inhalt, nicht aber auf die Ästhetik christlicher Literatur gerichtet (in be- sonderer Schärfe geäußert etwa bei Kuschel 1978, 299). 2 Vgl. auch Kap. D.3.b.ii. 3 In dieser Hinsicht ist Mieths Auffassung zu relativieren, die Konzepte christlicher Literatur wiesen eine nur geringe definitorische Streubreite auf (vgl. Mieth 1976, 17: „Es gibt viele Definitionen [christlicher Literatur], die im we- sentlichen das gleiche besagen; sie lassen sich eigentlich nur im Hinblick auf die jeweilige theologische Interpretati- on differenzieren.“) 4 Die im literaturtheologischen Diskurs ebenfalls häufig zu findenden epideiktischen Beiträge lasse ich hier außer Betracht. - Zwischenresümee 1 - 160 des individuellen Lesens/Reflektierens nach und bisweilen - vor allem in Schriften katholischer Provenienz - wird der Leser direkt angesprochen. Die Konzentration auf einige wenige Autoren brachte es mit sich, deren Bedeutung stark zu überhöhen, bis hin zur immer wieder diskutierten Gleichsetzung von Dichter und Heiligem. Im protestantischen Bereich wurde der Autor durchweg als „Bürge für die Integrität des Mensch- seins“5 gesehen, im katholischen Bereich dagegen begegnet des öfteren die biblische Meta- phorik des ‘Folgens’ bzw. der ‘Wegleitung’.6 Ein starkes interpretatorisches Interesse richtete sich demzufolge auf die weltanschauliche (sc. religiöse) Zuverlässigkeit des jeweiligen Schriftstellers, vor allem hinsichtlich seiner Vorbild- bzw. Leitbildfunktion für den Leser. Erst in der Selbstverständigungsphase des literaturtheologischen Diskurses wandelte sich allmählich das Autorkonzept: Aus dem ‘Autor als Leitbild’ wurde der ‘Autor als Zeuge und Mitleiden- der’.7 Die Mahnung Pius XII.’, es sei die Aufgabe des Literaturkritikers, „das Werk und nicht den Verfasser zu beurteilen“,8 wurde im katholischen literaturtheologischen Diskurs dahingehend interpretiert, das „dichterische Ich“ vom „empirischen Ich“9 zu unterscheiden. In der literatur- kritischen Praxis hingegen waren solche interpretatorischen Subtilitäten nicht immer zu erwarten. Die 1952 vom Sankt Michaelsbund herausgegebenen ‘Losungen für Bücherwarte und Leser’ et- wa enthalten den markigen Satz von Emil Rittershaus: „Zuerst gilt mir der Mann, dann der Po- et!“,10 eine Formulierung, die sich durchaus als Zusammenfassung eines verbreiteten litera- turtheologischen Interpretationsinteresses lesen lässt:11 Was als Leitbild dienen sollte, musste auch als solches dargestellt werden. Das führte etwa im Falle von Reinhold Schneiders ‘Winter in Wien’ zu nicht geringen argumentativen Schwierigkeiten.12 Ein durchaus konfessionsübergrei- fendes Phänomen stellten demgegenüber - im Falle von nicht-christlicher moderner Literatur - die zahlreichen auf die Persönlichkeit des Autors zielenden pathographischen und psychopathogra- phischen Zuschreibungen dar, deren Grundmuster - die Moderne als Krankheit - auf das 19. Jahrhundert zurückgeht. Ihnen könnte man eine barocke Fülle bescheinigen, 13 wenn sie nicht des öfteren ins Persönlich-Diffamierende abgeglitten wären, bis hin zu einer verunglimpfenden Ter- minologie, die nicht im ‘3. Reich’ geprägt, dort aber konnotativ aufgeladen worden war.14 5 Holthusen 1955, 70. 6 Bereits bei Martin Deutinger: „Nur der, der sich im Natürlichen uns als Meister gezeigt hat, hat gewissermaßen ein Recht, uns [Lesern] auch das Göttliche nahezubringen, nur diesem folgen wir mit Vertrauen.“ (‘Über das Verhältnis der Poesie zur Religion’, zit. nach Ettlinger 1927, 75). Kritisch dazu Heiseler 1949, 7. 7 Vereinzelt auch schon früher (etwa bei Asmussen 1952a, 182; vgl. Kap. C.1.a.ii) 8 “Pius XII. zu Fragen der Buchkritik“. In. Das neue Buch. N.F. 1, 4 (1956), S. 286; zit. nach Koep 1959, 41. 9 Kunisch 1960, 55. Vgl. auch ebd., 72 und passim. Ausführlicher zu diesem Problem auch Montesi 1949a, 110. 10 Losungen 1952, 17. Eine deutschtümelnde Umdeutung von Buffons ‘Le style c’est l’homme même’. 11 Zur Bedeutung der Gläubigkeit des Autors bei der Beurteilung seiner Schriften in der katholischen Publizistik des frühen 19. Jahrhunderts vgl. Speckamp 1977, 245. 12 Hier exemplarisch etwa die Veränderungen zwischen der 1. und der 2. Auflage von Balthasars Studie über Rein- hold Schneider (Balthasar 1953 und 1991). Balthasars Beurteilung von Schneiders Spätwerk bleibt in der zweiten Auflage ambivalent, oszillierend zwischen dem ‘Maßgeblichen der Existenzentscheidung’ (Balthasar 1991, 303) und der „Termitenarbeit einer mehr oder weniger tiefen Psychologie“ (ebd., 11) 13 Besonders in den einschlägigen Beschreibungen des katholischen Bereiches bekundet sich eine fast selbstverliebte Hyperbolik. Vgl. etwa Haecker 1949, 313ff. oder auch Pfleger 1931/1951, 18ff.. Im nicht-katholischen Bereich wären vor allem Holthusen und Nigg zu nennen. 14 Darauf wies bereits Jens 1962 hin. Qualifizierungen aus dem Anal- und Fäkalbereich etwa bei Holthusen 1949, 48 (über Thomas Mann) oder Holthusen 1960, 132f. (im Zusammenhang mit Bernanos). Der Begriff des ‘Untermenschlichen’ fällt bei Schriewer 1951, 210 (Langgässer); Schmidthüs 1959a, 155 oder Becher 1960, 14 (moderne Literatur allgemein). Nicht weniger verfänglich war die häufiger verwendete Vokabel ‘zersetzend’. Die Invektiven ließen sich sogar noch steigern. So insinuierte etwa die im ‘Hochland’ erschienene Rezension von Hol- - Zwischenresümee 1 - 161 Konfessionelle Traditionen lassen sich auch in den qualifizierenden Maßstäben unterscheiden, denen der Autor unterworfen war: In der protestantischen Literaturtheologie wurde stärker das Moment des künstlerischen Gefährdet-Seins akzentuiert, etwa in der Warnung vor einem sich selbst genügenden Ästhetizismus. In der katholischen Literaturtheologie hingegen wurde ge- warnt vor einem verantwortungslosen Gebrauch der dichterischen Gabe, also vor einer subjek- tivistischen Entäußerung der ‘gnadenhaften Intuition’,15 die dem Künstler zu eigen sei: „das Verführerische des bloßen Dahinredens“.16 Das literarische Kunstwerk solle - so die katholi- sche Deutung - das Ganze der christlichen Heilsbotschaft zeigen oder wenigstens den Verweis darauf offenhalten; in dieser Hinsicht wurde es als objektiv gültig bestimmt. Die Frage nach der Konfession des Autors war demgegenüber im literaturtheologischen Dis- kurs zwar präsent, wurde im Verlauf der fünfziger Jahre aber zunehmend bedeutungslos, so- wohl in poetologischer als auch in theologischer Hinsicht: In der Selbstvergewisserungsphase der traditionellen Literaturtheologie (ab ca. 1955) trat das Weltanschauliche zunehmend hinter die Logik des künstlerischen Produzierens zurück, und in den apologetischen Ausprägungen (ab ca. 1959) wurde - angesichts der Marginalisierung des literaturtheologischen Diskurses im Ge- samtdiskurs Literatur - das Gemeinsame stärker betont als das Trennende. Auch die zunehmen- de Ökumenisierung des theologischen Diskurses brachte es mit sich, dass sich die Frage des Konfessionellen auf ein literarisch-phänomenologisches Interesse verkürzte, etwa in dem oft zitierten Bonmot von Walter Jens, es gebe „gewiß keine christliche Dichtung, aber es gibt ka- tholische Schriftsteller, und es gibt Schriftsteller, die Protestanten sind.“.17 In den apologetischen Ausprägungen der sechziger Jahre wurde verschärft, was den gesamten literaturtheologischen Diskurs prägte - und bis heute prägt -, nämlich das auf die Bibel zurück- gehende Selbstwahrnehmungsmuster von Bedrohtsein und Kampf.18 In dem Maße, in dem sich die materiellen Lebensverhältnisse nach dem Krieg konsolidierten, erfuhr das Konzept vom ‘Autor als Leitbild’ eine in den inner- und in den außerchristlichen Bereich zielende Konnotie- rung: der ‘Autor als Ärgernis’, dessen Bedeutung daraus resultierte, das Unzeitgemäße zu re- präsentieren - ein semantisch offenes Argumentationsmuster, das sich füllen ließ (und lässt) mit thusens Thomas-Mann-Essay (Holthusen 1949), Thomas Mann genieße die Angriffe gegen ihn. Welcher Art dieser Genuß sein könne, blieb hinter der Verschraubtheit der Formulierungen lediglich angedeutet: „Ja, es ließe sich den- ken, daß der Hauptbetroffene selbst [...] einer Auseinandersetzung solchen Formats [wie durch Holthusen] auch einigen Genuß verdankt, zumal wenn die ihm von Holthusen angekreidete ‘Reizhörigkeit’, die als Leidenschaft-für- die-Formulierung alle bloße Meinung, selbst die eigne, dilatorisch zu behandeln liebe, vom (gleichfalls belegten) Narzißmus die Erlaubnis dazu bekommen haben sollte.“ (Braun, Hanns 1948/49a, 594; Hervorhebung im Original) 15 Vgl. etwa Pfleger 1931/1951, 76. 16 Rang 1954, 290. 17 Jens 1960, 44. 1946 noch hatte Ignaz Zangerle konstatiert: „Der Protestantismus ist, so paradox dies klingen mag, seinem Wesen nach einer christlichen Dichtung feindlich.“ (Zangerle 1946, 168) 18 Etwa Psalm 34, 20ff.; Matth 5, 11f.; 1. Petrus 4, 14. - Zwischenresümee 1 - 162 der Kritik an der heutigen Mediengesellschaft,19 am „omnipotenten Staat“,20 an der instrumen- tellen Vernunft oder am jeweiligen ‘Zeitgeist’.21 19 Das verbindet - um ein Beispiel zu nennen - so entgegengesetzte und ideengeschichtlich ganz unterschiedlich herleitbare Positionen wie die von Dorothee Sölle (‘Eis der Seele’; Sölle 1996, 75ff.) und Godehard Schramm (‘Brutalität einer neuen Tyrannis’; Schramm 1998, 21, 59 und passim). 20 Kranz 1987, 48. 21 Dazu ausführlicher Kap. C.4.d.iii. - C.3.a - 163 3. Aspekte avancierter Literaturtheologie a) Neufokussierungen Der Wechsel von traditioneller zu avancierter Literaturtheologie vollzog sich Ende der fünfzi- ger, Anfang der sechziger Jahre innerhalb der literaturtheologischen Selbstvergewisserungsdis- kussion;1 er verlief parallel zum Schwinden einer „konfessionell geprägten Lesekultur“,2 ja zum Schwinden des Christlichen als eines Reflexions- und Diskursraumes überhaupt.3 Jedoch holte die Literaturtheologie erst mit gehöriger Phasenverschiebung jene Hinwendung zum Weltlichen nach, die einige christliche Autoren bereits seit der Nachkriegszeit in unterschiedli- chen Akzentuierungen theoretisch begründet hatten,4 vor allem Alfred Döblin und Elisabeth Langgässer: Ersterer war in der traditionellen Literaturtheologie der fünfziger Jahre praktisch völlig marginal, letztere war hinsichtlich ihrer dichterischen Qualitäten umstritten. Die litera- turtheologischen Neuausrichtungen der frühen und mittleren sechziger Jahre entwickelten sich konfessionell unterschiedlich: • Für die protestantische Literaturtheologie wurde der Aufsatz bedeutsam, in dem Kurt Marti 1958 die notwendige Profanität christlichen Kunstschaffens mit dem Neuen Testament be- gründete: Durch Jesus Christus sei die für die jüdische Auffassung zentrale Unterscheidung von Sakral- und Profanbereich aufgebrochen worden, und für das Christentum sei wesenhaft dessen Wirkung im Bereich der Welt. Demzufolge könne eine christliche Kunst nicht anders als profan, d.h. innerweltlich sein.5 Diese theologische Auffassung, die sich u.a. auf Erich Auerbachs ‘Mimesis’ (1946) berufen konnte, traf sich mit dem Diskurs über moderne Litera- tur, der in den Evangelischen Akademien seit jeher verhältnismäßig frei geführt worden war, ebenso wie mit den neu aufkommenden Diskussionen um eine zeitgemäße Sprache der Kir- che. • Im katholischen Bereich bewirkte das maßgeblich von Papst Johannes XXIII. initiierte ‘aggiornamento’ ein zunehmend offeneres Diskussionsklima. Aus der Tradition des Analo- giedenkens her begründet, vollzog sich hier die Aneignung der modernen Gesellschaft und der modernen Literatur in der Metaphorik der ‘Begegnung von Kirche und Welt’. (i) ‘Wagnis des Neuen’ vs. ‘Kirche und Welt’ In seiner Studie ‘Poiesis’, der ersten ausführlichen theologischen Würdigung moderner säkula- rer Literatur aus protestantischer Sicht, gab Hans Eckehard Bahr eine theologisch- phänomenologische Begründung der künstlerischen Tätigkeit, die sich von der älteren (kulturprotestantischen) Absonderung der Kunst als autonomer Wertsphäre verabschiedete und eine christlich relevante Kunst zu begründen suchte: ‘Der Künstler coram Deo’.6 Folgendes 1 Vgl. dazu ausführlicher Kap. C.2.a und C.2.b. 2 Helbling 1987a, 15. 3 Vgl. Mieth 1976 , 19f. 4 Auf diese Phasenverschiebung wies bereits Schröer (H. 1991, 297) hin. Vgl. dazu Mauch 1992, 73. 5 Marti 1958/1976. 6 So die Überschrift eines der beiden großen resümierenden Kapitel im III. Hauptteil der Arbeit (Bahr 1961, 245- 295) - C.3.a - 164 Theorem, das Bahr auch schon in der Linnerz-Umfrage von 1959 gefunden hatte, etwa bei Heinz Flügel, wurde für die avancierte Literaturtheologie fortan konstitutiv, dass sich nämlich in authentischer Kunst eine existentielle Spannung manifestiere, die den Christen ‘intra muros’ als Herausforderung dienen könne. Protestantisch formuliert: „Wenn Gottes Begnadung des Menschen immer iustificatio impii, Bejahung des Gottlosen ist, ist der Atheismus jener Künstler jedenfalls eine tief verheißungsvolle Gottlosigkeit. [...//...] Allein die Tatsache, daß sie [sc. die Künstler] im Wagnis der Hingabe bleiben, ist eine objektive Be- schämung all derer, die ihren Glauben schon verloren haben, da sie keinerlei Sehnsucht mehr kennen, ihn neu zu erringen.“7 Vor Bahrs Kriterium der ‘künstlerischen Hingabe’ verfiel ein Teil der christlichen Kanonliteratur (Bergengruen, Hausmann,...), nicht aber Jochen Klepper, Gertrud von le Fort, Elisabeth Langgässer oder Böll. Mit der Kategorie des ‘Lobens’ kam der von Bahr entwickelte Stufengang von ‘Mit-Leiden’ und ‘Stellvertretung’ zu seinem Ziel. Damit war - strenggenommen - das Schaffen des christli- chen Schriftstellers in den Rahmen kirchlicher Praxis eingebunden. Allerdings verband Bahr mit dem, was er künstlerische (und rezipierende) „Zustimmung zu unserer Welt als der Welt Gottes“8 nannte, ein gewissermaßen subversives Potential, das der Zweckrationalität moderner Gesellschaftsverfassung die „universalen Verheißungen des Christentums“9 kontrastiv entge- genhalten sollte: Die Konkretisierung von christlicher (resp. christlich relevanter) Literatur als Politikum- ein Gedanke, den später vor allem Dorothee Sölle aufgriff und der einen Gegenpol zum Ordo-Denken der traditionellen Literaturtheologie und zu deren resignativer Kulturkritik bildete.10 Eine alternative, wenngleich im späteren literaturtheologischen Diskurs weniger rezipierte theo- logische Begründung von Literatur entwickelte 1962 Joachim Burkhardt. Sein Beitrag ist für die hier zur Diskussion stehende Fragestellung von geringerer Bedeutung, weil er zwar eine theologische Begründung schriftstellerischen Handelns vor dem Hintergrund eines belanglosen Ästhetizismus gab,11 sich aber mit den Möglichkeiten christlicher (resp. christlich relevanter) Literatur nur mittelbar auseinandersetzte. Gleichwohl lässt sich an ihm die Spannbreite der da- maligen avancierten Diskussion aufzeigen. Burkhard setzte an bei der ‘Krisis der Dichtung’, die sich seit dem 18. Jahrhundert zunehmend manifestiere: Schriftsteller müssten sich unweigerlich in „Eigenmächtigkeit und Selbstsucht“12 begeben, wenn sie nicht die Freiheit Christi als eigentliche künstlerische Freiheit begriffen. So normativ dieser Anspruch klang, so ergebnisoffen war er, weil er im Grunde jedes dichterische Handeln als theologisch möglich erwies: Der Dichter könne fungieren als Anwalt des Menschen, als Verwalter des geistigen Erbes, als kritischer Widerpart von Gesellschaft und Kirche13 oder 7 Bahr 1961, 237//238. 8 Bahr 1965, 9. 9 Zit. nach Sölle 1995, 230. 10 Vgl. auch Bahr 1968, ein Teilabdruck seiner Habilitationsschrift. In der politischen Konnotierung von christlicher Literatur ergeben sich Überschneidungen mit den Positionen aus Tübingen. Vgl. etwa Jens 1978a, XVII: „Dostojewskis Gleichnis vom Gekreuzigten und vom Großinquisitor ist [...] noch nicht zuende erzählt: Der Wider- spruch zwischen dem Einen, mit dessen Auftreten sich die Welt von Grund auf veränderte und den vielen (und zumal den Christen, den glaubensstarken Politikern und den Sachwaltern der Kirche voran), die darauf pochen, daß die Welt, von keinem Nazarener gestört, das bleiben müsse, wofür die Usurpatoren, Platzhalter und Stellvertreter sie erklären - dieser Widerspruch zwischen Jesus und den Großen Priestern, den Mächtigen und Schriftauslegern von heute, die sich auf ihn berufen, um ihre Herrschaft zu legitimieren, hat für die zeitgenössische Literatur den Charak- ter einer Grund-Antinomie.“ 11 In jüngerer Zeit entwickelte erst wieder Jörg Schäfer ausführlich diesen Antagonismus von Ästhetizismus und christlich relevanter Literatur (vgl. Schäfer, J. 1996). 12 Burkhardt 1962, 120. 13 Burkhardt berief sich hier auf Heinz Flügels Satz von der ‘Zone des Risikos’ (Flügel 1960, 29) - C.3.a - 165 als jemand, der „die Vielfalt der Wirklichkeit“14 erschließe und damit zum Sachwalter, zum Be- wahrer der Sprache werde. Kurz gesagt: In der Literatur könne die „Menschlichkeit des Men- schen“15 unter einem eschatologischen Horizont zu sich selbst kommen. Vorausgesetzt war da- bei allerdings, dass ein Schriftsteller die theologische ‘Krisis’ seines Handelns auch als solche er- kennt.16 Hier liegt sicher der zentrale Einwand gegenüber Burkhardts Konzeption, die weniger eine theologische Auseinandersetzung mit Kunst ist als vielmehr eine mit dem Künstler, und das auch nur insoweit, als dieser eine theologische Deutung des Problems der Sprache zu akzeptieren vermag, wie Burkhardt sie entwarf.17 Hatte Bahr der Literatur eine wirklichkeitserschließende Funktion zugeschrieben, figurierte bei dem Jesuiten Paul Konrad Kurz - ganz in der katholischen Analogietradition - die Literatur lediglich als Medium, in dem die Wirklichkeit sich manifestiere; hier lag der zentrale konfes- sionelle Unterschied damaligen literaturtheologischen Argumentierens. In den literaturkriti- schen Artikeln von Kurz, seit Mitte der sechziger Jahre einer der einflussreichsten katholischen Kritiker,18 artikulierte sich ein innerhalb der katholischen Literaturkritik ausgeprägt moderner Standpunkt, der an Literatur den Maßstab einer zeitgenössischen Authentizität anlegte. Die Frage, warum nicht auch eine scheinbar affirmative Literatur in ihrem utopischen Potential phänotypisch für die Gegenwart sein könne, ließ Kurz unerörtert.19 Vielmehr setzte er als Prä- misse voraus, Literatur sei ‘richtige’ Literatur nur dann, wenn sie der „Weiterentwicklung des Weltverständnisses“20 diene. Im Zusammenhang von Kurz’ Ausführungen war damit offensicht- lich die Weiterentwicklung des sprachlichen Zugriffs auf die Welt gemeint. Christliche Literatur - in diesem Zusammenhang griff Kurz den Begriff der Realisation21 auf - müsse, wenn sie den Rang der Zeitgenossenschaft haben wolle, „eingeschriebenen Christen unbequem, rebellisch, emanzipatorisch sein.“22 Allerdings fügt er sogleich hinzu, dass die „Avantgarde christlichen Bewußtseins“23 gegenwärtig nicht in der Literatur, sondern in der Theologie zu finden sei (etwa im Holländischen Katechismus von 1966) - und zwar von den Schriftstellern weitgehend umbemerkt, ein Gedanke, den später Karl-Josef Kuschel aufgriff.24 14 Burkhardt 1962, 126. 15 Hampe 1965, 27. 16 Nur beiläufig deutete Burkhardt an, dass dem auch nicht so sein könne: „Das Problem der theologischen Krisis der Dichtung mag auch heute - bewusst oder unbewusst - mehr Schriftsteller und Dichter bewegen, als man ge- wöhnlich denkt.“ (Burkhardt 1962, 77) 17 Zur Kritik an Burkhardts Thesen aus theologischer Sicht Schröer, H. 1972 und Crimmann 1978, 70. 18 Kurz’ Beiträge erschienen zumeist in den ‘Stimmen der Zeit’. Ich zitiere aus den im Josef-Knecht-Verlag erschie- nenen Bänden, in denen die wichtigsten Artikel abgedruckt sind. 19 Es ist wohl nicht zwingend notwendig, das utopische Potential kleinbürgerlicher Kulturformen nur unter marxisti- schen Auspizien zu respektieren, wie es Ernst Bloch tat: „Die Sehnsucht hält ihre Kraft fest, gerade als betrogene, auch noch als eine bald hierhin, bald dorthin leerlaufende. Wie sehr erst, wenn der Weg richtig und sorgend vor- wärts geht.“ (Bloch 1959/1985, 523). Bedenkenswert jedoch erscheint mir Blochs Gedanke - und ich greife ihn später auf (vgl. Kap. F) -, dass jedweder kultureller Praxis noch in ihren krudesten Ausprägungen - soweit sie jeden- falls auf dem bewussten, freiwilligen und jederzeit widerrufbaren Konsens aller Beteiligten beruht - die gleiche Dignität eignet wie dem Humanum ihrer Teilnehmer. 20 Kurz 1975, 35. 21 Über Sölle hinausgehend, führt er ihn auch auf das englische Verb ‘to realize’ zurück. Vgl. Kurz 1975, 41ff. 22 Kurz 1971, 148. Anders als bei Bahr sollte sich das Emanzipatorische also nicht auf die Gesellschaft richten, sondern auf die gedankenlos praktizierenden Kirchenchristen. 23 Ebd. 24 Vgl. Kap. C.3.b.ii und C.4.a. - C.3.a - 166 Kurz setzte also voraus, dass es eine christliche Literatur geben könne. Allerdings dürfe diese nicht „narrative Demonstration der dogmatischen Festschreibung“25 sein. Sein Satz, der die theoretischen Überlegungen über die Möglichkeiten zeitgenössischer Jesus-Literatur abschloss, dabei den alten katholischen Topos der Einheit von Literatur und (christlichem) Leben fort- schreibend, liest sich sowohl als Feststellung wie als Forderung: „Ihre [sc. der Literatur] erzäh- lerische Energie setzt Impulse frei.“26 „Eine literarische // Annäherung an die Gestalt Jesu wird bewußt und notwendig die Perspektive der eigenen Subjektivität einbringen. Sie konkretisiert Jesus im Spannungsfeld der eigenen Wahrnehmungen. [...] Wer die Gestalt Jesu aus seiner (stets) subjektiven Befindlichkeit anvisiert, konkretisiert nicht nur, er verfremdet auch.27 [...] Wer verfremdet, läßt seinen Gegenstand, die gezeigte Person, den Vorgang neu sehen. Verfremdung befreit, verändert, macht lebendig. Ver- fremdendes Sehen, Hören, Sprechen, Zeigen nimmt teil am unendlich fortsetzbaren Schöpfungs- prozeß.“28 Die von Kurz verwendeten Leitbegriffe (‘Befremden’, ‘Konflikte’, ‘jesuanischer Horizont’, ‘kritischer Anspruch des Mannes aus Nazareth’, ‘den Erwartungshorizont aufbrechen’ ‘seine/unsere Fremdheit in der Welt’, ‘göttliche Lebensenergie’ etc.)29 ließen sich aber - inso- fern war seine Konzeption von christlicher Literatur nicht kohärent - auch auf Literatur zu übertragen, in denen nur implizit von Jesus die Rede ist. Das bedeutet: Es wäre Sache der Inter- pretation, die dem literarischen Werk jeweils immanente Christlichkeit herauszuarbeiten. Damit nun gelangte Kurz zu genau der Definitionsproblematik, die schon die traditionelle Litera- turtheologie nicht hatte lösen können, der Frage nämlich, wann ein Werk zur christlichen - in diesem Fall: christlich relevanten - Literatur zu rechnen sei und wann nicht. Sicher ist richtig, dass in Kurz’ Konzeption eine solche Frage irrelevant wäre. Trotzdem ist sie unabdingbar. Kurz setzte nämlich die Unvereinbarkeit von Religion und Literatur voraus, weil diese frei und jene orthodox sei. Im gleichen Atemzug aber forderte er von Literatur, sie müsse „Erfahrungen und Verletzungen“,30 „Kritik“31 und „die Utopie von einem besseren Leben“ enthalten. Damit entwarf er eine andere Art von Orthodoxie, nämlich eine literarische, und deren Grenze zog er ganz entschieden: Eine Literatur, die sich - ich setze hier Kurz’ Ausführungen sinngemäß fort - nicht ‘Freiheit nehme’ bzw. ‘Impulse freisetze’, sei belanglos und des Lesens nicht wert. Dass hier ein bestimmtes Rezeptionsinteresse dem Werk als Qualität zugeschrieben wurde, erörterte Kurz nicht. Die normative Tendenz seines literaturkritischen Verfahrens wird auch daran deut- 25 Kurz 1987, 353. 26 Ebd. 27 Zu Kurz’ Begriff der Verfremdung: „Jesus verfremden heißt, seine fortgesetzte Unmöglichkeit im weltgeschichtli- chen Kontext der Macht zu zeigen. [...] Eine literarische Darstellung wird dem großen Fremden seine Fremdheit zurückgeben. Sie wird unsere Fremdheit in der Welt und unsere Fremdheit Ihm gegenüber kritisch zeigen. Sie wird uns in Beziehung setzen zu seiner göttlichen Lebensenergie.“ (ebd., 352). Auch hier also wieder - in der schöpferi- schen Aneignung im Prozess des Lesens - die Einheit von (wirkender) Literatur und christlicher Lebenspraxis. 28 Ebd., 351//352. 29 Die Leitbegriffe entnehme ich - weitgehend wörtlich - Kurz 1987, S. 351 und 352. 30 Kurz 1987, 352. 31 Dieses und das folgende Zitat ebd., 353. - C.3.a - 167 lich, dass immer wieder auch pathographische Beschreibungsmuster der traditionellen katholi- schen Literaturkritik durchschlugen, etwa im Hinblick auf Robert Musil und Helmut Heissen- büttel: „Bei Musil brechen die Hydraköpfe eines Intellektuellen hervor, der die Schwelle der Kritik in Richtung einer totalen Kritik überschreitet. Ein Intellekt, der mit seiner ganzen mathematischen Logizität und Sagazität nicht einsieht, daß er der Mitteilung, der Hinwendung zu einem Du und kleiner, bescheidener schöpferischer Akte der Liebe unfähig ist, zeugt seinerseits eine pathologi- sche Gestalt. Keine Versöhnung mit dem komischen und kompromißlichen Mensch [sic]. Die Fähigkeit des Verzeihens fehlt. Züge einer totalen Kritik deuten sich in der Gesamtrichtung von Heissenbüttels Texten an. Sie leben und kranken von Kritik.“32 Kurz ging zwar nicht so weit, das von ihm angedeutete Attribut ‘zersetzend’ tatsächlich auch zu verwenden - eine Kategorie, deren Gebrauch in der katholischen Literaturkritik noch zu Beginn der 1960er Jahre nicht unüblich war.33 Dass allerdings die Rezension seines Buches in der ka- tholischen ‘Welt der Bücher’ (Herder) gerade den Abschnitt über die ‘kranke’ Literatur wört- lich zitierte,34 zeigt, wie sehr das Modernitätsverständnis der katholischen Literaturtheologie bis zu dieser Zeit untergründig noch von antimodernistischen Wahrnehmungs- und Abgren- zungsmustern geprägt war. (ii) Provokation des Christlichen Der Begriff der Provokation - von Bahr und Burkhardt noch prospektiv mit den Möglichkeiten einer christlichen Kunst verknüpft35 - wurde im literaturtheologischen Diskurs der sechziger Jahre zunehmend auf die Auseinandersetzung mit säkularer zeitgenössischer Literatur bezo- gen.36 Für den Bereich der Praktischen Theologie formulierte beispielsweise Gert Otto: „Wer mit anderen Menschen unverstellt und solidarisch lebt und sich mit Gottfried Benns oder Nelly Sachs’, mit James Joyce’ oder Berthold [sic] Brechts, mit Max Frischs oder Reinhold Schneiders Weltaussage auseinandersetzt, der kann - um Beispiele zu nennen - nicht mehr unbe- dacht vom Jenseits reden, mit mythischen Kategorien unreflektiert umgehen und religiöse Zier- gärten pflegen.”37 Sehr weit fasste Bernhard Rang den Provokationsbegriff mit einem Bild biblischer Proveni- enz: „Wir schlafen ja, sind Schläfer, aus Furcht, uns und unsere Welt wahrnehmen zu müs- sen.“38 Die Beschäftigung mit zeitgenössischer Literatur sei für Christen deshalb wichtig, weil 32 Kurz 1967, 213. 33 Vgl. dazu Hoyer 1964, 9. 34 Höck 1967, 434. 35 Jedenfalls zu Beginn der sechziger Jahre. Später dann, in seinen 1967 erschienenen ‘Thesen zum schriftstelleri- schen Engagement’, ging Burkhardt von einem ‘unbewussten Christentum in literarischen Zeugnissen’ der Gegen- wart aus. Nur in dieser Hinsicht schrieb er Literatur einen theologischen Sinn zu. 36 Dazu kritisch aus einer zeitgenössischen katholischen Sicht Ross 1969, 338. Soweit ich sehen konnte, ist das Pro- vokations-Paradigma der sechziger Jahre unter theologiegeschichtlichen Aspekten noch nicht untersucht. 37 Otto 1967, 299. 38 Rang 1964/65, 126. - C.3.a - 168 sie nicht nur metaphysische Verlorenheit, sondern auch Hoffnung zeige (Gottfried Benn, Inge- borg Bachmann). Bei Walter Huder dagegen, der Kafka, Aichinger, Lasker-Schüler, Dürren- matt und Enzensberger als Exponenten eines zeitgenössischen ‘religiösen Bewusstseins’ nann- te, waren die theologischen Möglichkeiten von Literatur negiert. „Wahrer Glaube ist [...] die Verzweiflung in Gott, die Gnade der letzten Ernüchterung.“39 Huder bestritt der traditionellen christlichen Literatur nicht nur religiöse Relevanz, sondern auch die Möglichkeit einer sich vor dem Absoluten bewährenden theologischen Reflexion; von der „dichtenden Theologie- Doktorin h.c. Gertrud von Le Fort“40 sprach er in diesem Zusammenhang: „Das religiöse Bewußtsein der modernen deutschen Literatur ruft Gott, indem es Gott in Frage stellt. Es stellt Gott hinter den Schatten des Todes, hinter den Schatten des einzigen Absoluten, das aller Vernunft widersteht, in die Bannmeile der generellen Nacht, in den Kannibalismus des Nichts.“41 Von dieser resignativen Einschätzung her lag es dann nahe, die Provokation zeitgenössischer sä- kularer Literatur lediglich ex negatione zu bestimmen. Huder selbst vollzog diesen Schritt nicht, wohl aber Helene Heidepriem, die in der zeitgenössischen Literatur in toto eine Fragestellung ausgedrückt sah, auf die allein das Evangelium Antwort geben könne. Betont ist bei Heidepriem der kirchlich-seelsorgerliche Aspekt sowie der der kirchlichen Vermittlung; einen Anknüpfungs- punkt für eine fruchtbare Aneignung von moderner Literatur gibt es bei ihr nicht.42 Auch Huldrych Blanke band den Gedanken des Provokatorischen zurück an kirchliche Verkündi- gungspraxis.43 Die Wahrhaftigkeit christlicher Literatur - Blanke nannte als Beispiele Bernanos und Böll44 - liege darin, dass sie sich auf die Erfahrungen des zeitgenössischen Menschen einlas- se. Jedoch sei christliche Literatur nur Mittlerin, insofern sie die Gewissheiten eines traditionell gewordenen Christentums aufbrechen könne: Was Blanke intendierte, war nicht eine Reflexion über Literatur oder über christliche Literatur, sondern die Überprüfung und Revision kirchlicher und amtskirchlicher Sprachpraxis. Henning Schröer verband mit dem Provokationsbegriff ein Interesse an theologischer Theo- riebildung, sc. um die „Kritik am theologischen Mißbrauch von Sprache und die Frage nach der Wahrheit und Kraft religiöser Sprache als notwendigem Überschuß für humane Hoff- nung“.45 Beides könne von zeitgenössischer Literatur ausgehen, soweit diese sich jedenfalls nicht als „Kunst mit dem Wort“, sondern als „Kunst unter dem Wort“46 verstehe; damit war der entsprechende Gedanke von Burkhardt aufgegriffen und fortgeführt. Das theologische Interesse 39 Huder 1966, 366. Eine Anspielung auf Barthold Hinrich Brockes, über den Huder an anderer Stelle schrieb: „Ein ‘Irdisches Vergnügen in Gott’, wie es der Rokoko-Dichter Brockes (1680-1747) dozierte, vermag der Mensch des technischen Zeitalters und der Massenvernichtungsmittel nicht mehr ernst zu nehmen.“ (ebd., 364). 40 Huder 1966, 364. Gertrud von le Fort war 1956 von der Universität München die theologische Ehrendoktorwürde verliehen worden. 41 Ebd., 367. 42 Dem Klappentext zufolge richtet sich ihr Büchlein vor allem an „Studienzirkel, Hauskreise und Unterrichtsgrup- pen an Oberschulen“; der Leser solle daraus „nicht nur geistige Anregung, sondern geistliche Hilfe erfahren.“. 43 Der Vortrag wurde in der Pastoralkonferenz der Rätischen Synode am 26. Juni 1965 in Tschiertschen (Schweiz) gehalten (vgl. Blanke 1966, 47). 44 Bernanos: ’Die neue Geschichte der Mouchette’ (1957); Böll: ’Und sagte kein einziges Wort’ (1960). 45 Schröer, H. 1972, 178. 46 Beide Zitate Schröer, H. 1966, 85. - C.3.a - 169 an moderner Literatur beschrieb Schröer sodann in dreifacher Hinsicht:47 In Literatur drücke sich ein zeitgenössisches Verständnis sowohl von Eschatologie als auch von Theokritik aus, und ihre „augenscheinliche Säkularität“48 appelliere „an die Weltverantwortung der Kir- che“.49 Deutlich wird, dass hier mehr eine entsprechende Rezeptionshaltung bzw. ein Rezepti- onsinteresse bezeichnet ist als eine Qualität der Literatur sui generis. Die Frage allerdings, ob sich aus der ‘existentialen Analogie’ zwangsläufig auch ein gleichgeartetes metaphysisches Interesse folgern lasse, blieb bei Schröer unerörtert. Das Problem seines Ansatzes liegt also in einem reduktiven Verständnis der literarischen Moderne. Zwar wehrte er - mit der im litera- turtheologischen Diskurs üblichen Formel - eine Vereinnahmung von Literatur ab und be- schränkte sich darauf, einige theologisch bedeutsame „Momente“50 in der Literatur aufzuwei- sen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass er Literatur nur als Gewährsträgerin eines theologischen Erkenntnisfortschritts gelten ließ: „Gerade weil die Theologie den eschatologischen Horizont wiedergewonnen hat oder auch erst wieder gewinnt, kann die Gotteslehre nicht mehr einfach protologisch als Prämisse dem Ganzen vorangestellt werden. Die wahre Gotteslehre gehört in die Eschatologie, Gott bekundet sich in dem Vorbehalt, den Zeit dem Sein gegenüber kundtut. [...] An dieser Stelle kommt die Kunst im Katechismus vor. Sie kritisiert zu Recht alle Gottesvorstellungen, die sich als bloße Projektion menschlicher Wünsche oder Programme ergeben.“51 So erklärt sich, dass Schröer zwar von ‘der’ modernen Literatur sprach, seine Thesen aber nur an solcher Literatur belegte, die ausdrücklich eine religiöse Problematik ausgestaltet.52 ‘Nicht- metaphysische’ Literatur fiel aus dem Raster heraus; sie wurde sogar theologischerseits abqua- lifiziert: „Sprachtreue Beobachtung [erwähnt sind in diesem Zusammenhang Nossack, Johnson, Lenz, Walser, Eich, Krolow und Huchel] ist noch nicht Verantwortung, es handelt sich eigentlich um die Frage, ob der Autor die Welt ausklammern kann, indem er auf seine Sprachwelt verweist. 47 Schröer beschränkt sich auf deutschsprachige Literatur nach 1945, soweit sie „in das Bewußtsein der Öffentlichkeit getreten“ (Schröer, H. 1966, 85) sei. Wenn ich im Folgenden von ‘Literatur’ spreche, ist diese Einschränkung ge- meint. 48 Ebd., 86. 49 Ebd. und passim. Die logische Struktur seiner dritten These ist so unklar, dass ich sie hier im Original wiedergebe: „Die augenscheinliche Säkularität moderner deutscher Literatur ist eine dringliche Anfrage an die Weltverantwor- tung der Kirche, weswegen dort die Neuaneignung des Horizonts der Rechtfertigungslehre oft elementarer versucht wird als in der Kirche.“ (ebd., 86) Der Satz würde sinnvoll, wenn man das ‘weswegen’ durch ein ‘weil’ ersetzte. Jedoch wiederholte ihn Schröer in der zitierten Formulierung einige Seiten später. 50 Ebd., 84. 51 Ebd., 88. Als Beispiele für die literarische Gott-ist-tot-Thematik nannte Schröer Wolfdietrich Schnurre (‘Das Be- gräbnis’) und Wolfgang Borchert (‘Draußen vor der Tür’). 52 Vgl. insbesondere die Literaturauswahl in Schröer, H. 1972. Schröer konstatierte, dass sich in der deutschsprachi- gen Literatur nach 1945 die „Polemik und Parodie [...] gewöhnlich nicht gegen Jesus Christus als Person, sondern gegen die Kirche als Institution und gegen die Sprache als bloße Tradition“ (Schröer, H. 1966, 99) richteten, ein Gedanke, der sich später dann auch bei Küng (1974) und Kuschel (1978) findet. Ich sehe hier eine interessengeleite- te Fokussierung, die so beißende Polemiken wie etwa die von Arno Schmidt dadurch geflissentlich zu übergehen vermochte, dass sie sie von vornherein für marginal erklärte. - C.3.a - 170 Das theologische Moment, Welt wirklich Welt sein zu lassen, ist nicht zu verkennen, aber der Streit geht darum, ob es dieses theologischen Moments überhaupt bedürfe.“53 Bei Kurt Lüthi54 dagegen war der Gedanke des Provokatorischen sowohl produktiv gefasst als auch - im Wortsinne - radikalisiert.55 Die Leistung zeitgenössischer Literatur sah er darin, zur Humanisierung des Menschen beizutragen, indem sie Ordnungen aufbreche und anti- ideologisch wirke. Die Situation des zeitgenössischen Menschen bestimmte Lüthi nicht durch- weg negativ, sondern als „Abschied von allen geschlossenen Räumen und Kulturen und dafür eine Diasporasituation jeder Religion und Idee“56 und damit als potentiell heilbar57 - eben durch eine dem Menschen verpflichtete Sprache. Gemeint war eine Sprache, die das Mensch- Sein garantiere, weil sie“keine Proklamation, keinen Inhalt mehr tragen, sondern nur noch Lebensgeste sein“58 wolle. Insbesondere der experimentellen, ironischen und spracherweitern- den literarischen Sprache räumte Lüthi einen Primat als menschlich - und damit: theologisch - bedeutungsvoll ein, zumal sie resistent gegen ideologische Vereinnahmung sei: „Sprachgestaltung entbirgt Ideologie in ihrer Inhumanität!“59 Das verwies nicht auf das idea- listische Theorem von ästhetischer Widerständigkeit, sondern auf den emanzipativen Effekt der qua Literatur gestalteten Kommunikation: „Entscheidungen des Glaubens fallen heute weniger vertikal in der Gott-Mensch-Struktur als vielmehr horizontal in der Mensch-Mitmensch- Struktur.“60 Für die theologische Beurteilung von Literatur bedeutete das, dass ein Werk sei- nem provokatorischen Anliegen auch sprachlich-ästhetisch gerecht werden müsse: Nur ein äs- thetisch offenes Kunstwerk - als Beispiele sind McCarthys ‘Die Clique’ und Duras’ ‘Hiroshima mon amour’ genannt - mache den Leser zum personalen Handeln frei. Theologische Literatur- kritik solle sich also nicht auf eine inhaltliche, sondern auf eine ästhetische Diskussion einlas- 53 Schröer, H. 1966, 94. Dass es sich hier tatsächlich um eine theologische Abqualifizierung von nicht- metaphysischer Literatur handelte, belegt eine Formulierung wenige Sätze später, die ein altes Feindbild theologi- scher Literaturkritik wiederbelebte, nämlich den Positivismus. Diesem allerdings begegnete Schröer nicht argumen- tativ, sondern nur mit dem zum Schlagwort geronnenen Schlusssatz aus Wittgensteins ‘Tractatus’, den er allerdings seines gedanklichen Zusammenhangs entkleidete: „Man redet dann eben von etwas, was man nicht versteht [sc. dem theologischen Verständnis von Welt] und bekennt sich oft genug gleichzeitig zu dem so beliebten Credo einer an- geblichen Zukunft des Unglaubens, [...] jenem Satz von Ludwig Wittgenstein, der so tiefsinnig gar nicht ist: ‘Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.’“ (Schröer, H. 1966, 94). Bezeichnend auch die Formulierung, Bahrs Leitbegriff der Inkarnation könne nicht als „eine Art Freibrief für Säkularisation“ (Schröer, H. 1972, 184) genommen werden. 54 Geb. 1923, Studium der Theologie in Bern und Basel, evangelisch-reformierter Pfarrer, theologische Promotion, Habilitation, 1959 Privatdozent für systematische Theologie an der Universität Bern, 1964 ordentlicher Professor für reformierte Theologie, Universität Wien (Angaben nach dem Klappentext Lüthi 1968). 55 Im Folgenden gebe ich Lüthis Schrift ‘Die neue Welt der Schriftsteller’ von 1968 wieder. Die hier skizzierten Gedanken sind in Lüthi 1971a ausführlich an Beispielen belegt. 56 Lüthi 1968, 18. 57 Von ‘Heilung’ der Gegenwart sprach Lüthi nicht, deutete eine potentielle Versöhnung des Menschen mit sich selbst allerdings an. Vgl. insbesondere ebd., 58f. und 67. 58 Ebd., 14. 59 Ebd., 59. 60 Ebd., 56. - C.3.a - 171 sen: „Ich denke [...], daß der Schriftsteller dann eher auf die theologische Argumentation hört, als wenn diese durch ihr Moralisieren einfach am Wesen des Kunstwerkes vorbeiredet.“61 Exemplarisch ausgeführt wurde Lüthis Konzept der Provokation, von theologischer Seite in sei- ner Konsequenz bis heute nicht eingeholt,62 in dem von Anton Grabner-Haider und Paul Kruntorad herausgegebenen Sammelband ‘Fällt Gott aus allen Wolken? Schriftsteller über Re- ligion und Sprache’ (1971). Anders als in den später veröffentlichten Interviews von Karl-Josef Kuschel, in denen das Thema von ‘Religion und Literatur’ im Gespräch entwickelt wird - nicht gerade maieutisch, aber doch mit einem theologischen Interesse geführt63 -, diente bei Grabner- Haider und Kruntorad ein schriftlich niedergelegter Fragenkatalog als offener Impuls, der von den beteiligten Schriftstellern frei ausgelegt wurde.64 Dort hingegen, wo das Konzept der Provo- kation interpretativ entwickelt wurde, konnte es in die Nähe des ungewollt Applikativen geraten: In den Beiträgen des 1971 von Josef Blank herausgegebenen Sammelbandes ‘Der Mensch am Ende der Moral’ fungiert zeitgenössische Literatur (Camus, Hochhuth, Frisch, S. Lenz, Dürren- matt, P. Weiss, Musil) lediglich als ästhetische Versinnbildlichung des christlichen Metanoia- Gedankens - die Metapher vom ‘Ende der Moral’ richtete ihr Erkenntnisinteresse allein auf „die ermutigenden Zeichen der Hoffnung“.65 61 Ebd., 61. 62 Jedenfalls nicht theoretisch. Dort, wo Schriftsteller zum Predigen in den Gottesdienst eingeladen werden (vgl. etwa Schädlich 1991), finden natürlich Konfrontationen statt, die im Akt unmittelbarer Kommunikation über ein lediglich proklamiertes Interesse an literarischer Provokation hinausgehen können. Das Konzept einer grundsätzlichen Kon- frontierung des Christlichen mit (geschriebener) Literatur findet sich auch bei dem Freiburger Literaturgeschichtler Gerhard Kaiser: „[...] aspekthaft und punktuell in einer Grundsätzlichkeit, in einer Fragwürdigkeit, in einer extremen Konsequenz, die zuweilen stärker bewegen als theologisch ausgewogene Rechtgläubigkeit“ (Kaiser, G. 1997, 14). 63 Kuschel erwartete (und fand) in den Gesprächen eine Religiosität, die nicht - wie beim Theologen - durch institu- tionelle Zwänge deformiert sei (vgl. dazu die Vorbemerkung in Kuschel/Meesmann 1985). 64 Erhellend für den Weg, den die theologische Literaturaneignung im 20. Jahrhundert gemacht hat, ist der Vergleich dieser Anthologie mit dem 1931 im Eckart-Verlag erschienenen Band ‘Dichterglaube’ (zit. als Braun, Harald 1931), in dem Autoren unterschiedlichster Couleur - von Thomas Mann bis Hans Friedrich Blunck, von Wilhelm Schäfer bis Alfred Döblin - Auskunft über ihr Verhältnis zum Glauben gaben. 65 Ebd., 8. Vor allem Blank selbst bezog sich - in seinem Essay über Camus’ ‘Der Fall’ - ausdrücklich auf die hegel- sche Theorie vom ‘sinnlichen Scheinen der Idee’ im Kunstwerk. - C.3.b - 172 b) Neuansätze (i) ‘Realisation’ vs. ‘Produktive Kollision’ Systematische Zusammenhänge zwischen Theologie und Literaturwissenschaft, die über die Formel der Provokation hinausgingen, entwickelte Dorothee Sölle1 zunächst in einem Aufsatz von 1969. Zentraler Begriff dabei war die ‘Authentizität’, d.h. eine „Wahrhaftigkeit, die nur dort entsteht, wo die versammelten Kräfte des Menschen im Spiel sind“.2 Vom Begriff einer christlichen Literatur setzte sich Sölle explizit ab, weil er - als rein inhaltliche Kategorie - der theologischen Selbstbestätigung diene und literaturästhetisch zur Nivellierung tendiere.3 Christliche Literatur als solche lehnte sie aber nur insoweit ab, als diese anachronistisch sei, sich also eines konventionellen Form- und Sprachverständnisses befleißige. Bezeichnenderwei- se, so Sölle, sei Elisabeth Langgässer „in Grund und Boden“4 kritisiert worden. Tatsächlich also richtet sich Sölles Kritik weniger gegen eine sich als christlich verstehende Literatur als vielmehr gegen deren Vereinnahmung durch die traditionelle Literaturtheologie: Mit dem Be- griff werde “ein vergangener Zustand kulturell-religiöser Einheit [...] zurückbeschworen“,5 und: „Die Frage, ob es heute christliche Dichtung gebe und wo sie zu finden sei, muß als ein Schein- problem angesehen werden.”6 Den Ansatzpunkt für eine theologische Interpretation von Literatur sah Sölle - wie sie dann später in ihrer Habilitationsschrift von 1973 ausführte - in den Spuren religiöser Sprache, die im Kontext authentischer säkularer Literatur „eine nicht-religiöse Interpretation“7 erführen, was nicht nur für die zeitgenössische theologische Praxis, sondern für religiöse Praxis überhaupt bedeutsam sei. Im Kunstwerk realisiere sich die Erfahrung dessen, ‘was uns unbedingt angeht’ (Tillich). Der Begriff der ‘Realisation’ ist indes nicht wie Brentanos Transsubstantionstheorem symbolisch-sakramental, sondern intentional verstanden, als Vermittlungsleistung, die eine entsprechende Interpretation voraussetze: 1 Geb. 1929, Studium der Alten Sprachen, Philosophie, Germanistik und der Evangelischen Theologie; literaturwis- senschaftliche Dissertation; 1971 theologische Habilitation; Lehrtätigkeit in Mainz, New York, Kassel, Basel; 1977 Theologische Ehrendoktorwürde der Faculté Protestante, Paris, seit 1994 Ehrenprofessorin der Universität Hamburg (Angaben nach dem ‘Curriculum vitae’ in Sölle 1995, 313-315). 2 Sölle 1969, 299. 3 Vgl. ebd., 306. 4 Ebd. 5 Sölle 1973, 28. 6 Sölle 1969, 307. 7 Sölle 1973, 20. - C.3.b - 173 „Wenn das Absolute welthaft vermittelt gedacht werden muß und unmittelbar nur magisch oder mystisch erfahren werden konnte oder kann, so ist eine seiner wesentlichen heutigen Vermittlun- gen die ästhetische.”8 Die Parallelisierung von Theologischem und Künstlerischem wurde von Dietmar Mieth als Preis- gabe des spezifisch Christlichen kritisiert. Tatsächlich aber findet sich gerade hier eine Variante des alten Universalanspruchs, den zu definieren allein die Theologie berechtigt sei - ein An- spruch, den Sölle zwar ausdrücklich ablehnte, um ihn im gleichen Atemzug aber wieder einzu- führen: „Erst wenn der Theologe in der Dichtung nicht mehr das Schonbenannte wiederzutreffen hofft, erst dann läßt er sich auf die Suche nach weltlicher Realisation ein, ohne Vorsprung vor dem Autor der Dichtung - es sei denn, man betrachte die Radikalität des Suchens selber als eine Art Vorsprung, der es nicht zuläßt, sich mit der ungenaueren Antwort, der halben Wirklichkeit, dem Teilbereich, der Flucht zufrieden zu geben.“9 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang vor allem der Terminus ‘Flucht’, die als solche zu qualifizieren naturgemäß der Theologie obläge. Das demonstrierte Sölle ungewollt selbst: Als Gegenpol zur theologisch relevanten Literatur nämlich erwähnte sie Literatur , die „das, was uns unbedingt angeht, und damit die Totalität des Menschen (sei sie auch verspielt) leugnet“10 - wohlgemerkt also: nicht etwa nur außer Betracht oder einfach unerwähnt lässt. Da Sölle in die- sem Zusammenhang von ‘Banalität’ sprach, war vermutlich sogar auch eher ein implizites Leug- nen gemeint. In solchen Sätzen zeigt sich, dass die Tradition der theologischen Literaturkritik, ein Werk dem Autor (und je nach Standpunkt dessen Moralität, dem Glauben, der dogmatischen Festigkeit etc.) zuzurechnen, selbst dort noch lebendig blieb, wo in erster Linie mit ‘Stil, Form und Struktur eines Kunstwerks’ argumentiert wurde. Die Kategorie des Emanzipativen, analytisch erfasst in marxistischen Kategorien, bedeutete zugleich einen spezifisch fokussierten Blick auf Literatur: Sölle setzte einerseits - im Rückgriff auf Georg Lukács - voraus, Literatur müsse, um theologisch von Bedeutung zu sein, die „Gesinnung zur Totalität“11 in sich tragen. Andererseits aber verortete Sölle das ‘unbedingt Angehende’ als im Kunstwerk verborgen und wies der theologischen Analyse die Aufgabe zu, „dieses Verborgene zu entdecken.“12 Das lässt die Frage offen, ob ein Kriterium angebbar ist, demzufolge ein literarisches Werk die ‘Gesinnung zur Totalität’ aufweist oder nicht - wenn dies nur auf dem Wege theologischer Ana- lyse feststellbar ist.13 Rekursiv ist in dieser Hinsicht Sölles (vielzitierter) Satz, das den Menschen unbedingt Angehende sei in „Stil, Formen und Strukturen [...] eines Kunstwerks“14 verborgen, wenn sie ihre Analysen andererseits auf solche (literarischen) Kunstwerke beschränkte, in denen eine spezifisch religiöse Problematik ausgestaltet ist.15 Tatsächlich argumentierte sie eher inhalt- lich als phänomenologisch: Mit Walter Benjamin sah sie ein theologisches Interesse nur dort be- gründet, wo die Literatur „Endlichkeit ins Bewußtsein bringt (z.B. die Vergeblichkeit, der Tod). 8 Sölle 1973, 20. Die herablassende Kritik von Paul Konrad Kurz (1975, 42: „Über die theologischen Voraussetzun- gen von Frau Sölle ist hier im einzelnen nicht zu diskutieren.”) lief also ins Leere, weil sie an Sölles Realisationsbe- griff die Maßstäbe katholischen Analogiedenkens anlegte. 9 Sölle 1973, 105. 10 Sölle 1969a, 331. 11 Sölle 1973, 21. 12 Ebd., 20. 13 Diese Schwierigkeit zeigt sich auch bei Paul Ricoeur, der, vom katholischen Analogiedenken her kommend, ähn- lich wie Sölle formulierte und dabei voraussetzte, die Sphäre religiösen Sprechens könne Ort möglicher Grenzerfah- rungen sein (vgl. Ricoeur 1981, 102f.). Unbefriedigend bleibt in seinem Konzept der Begriff der Ganzheit, deren individuelle Ausdeutung Ricoeur aufgebrochen wissen will. Wenn er jedoch proklamiert, es könne eine menschliche Wirklichkeit ‘in ihrer möglichen Ganzheit’ geben, dann ist damit vorausgesetzt, dass diese Ganzheit wenigstens potentiell existiert. Damit aber wäre sie dem Menschen aber auch potentiell zugänglich - eben qua Religion. Es bleibt die Frage, wo in diesem Fall zwischen individueller und über-individueller Ganzheitserfahrung zu unterscheiden wäre - wenn man denn diese nicht theologisch qualifizieren wollte. 14 ’Thesen über die Kriterien des theologischen Interesses an Literatur’, zit. nach Sölle 1996, 9. 15 Im Hauptteil von Sölles Untersuchung sind Karl Philipp Moritz, Jean Paul, Georg Büchner, William Faulkner und Alfred Döblin behandelt. - C.3.b - 174 Eine Kunst, die die Endlichkeit so // überspielt, daß sie die Opfer einer Kultur nicht mehr zum Thema macht, ist theologisch kaum von Interesse.”16 Auch hierbei allerdings handelt es sich um eine entsprechende Sinnzuschreibung, die aus der ontischen Faktur eines literarischen Werks zuallererst zu rekonstruieren wäre. Das findet sich an anderer Stelle bei Sölle selbst auch bestä- tigt: „Theologisch relevant ist, was uns öffnet, was ‘ein neues Organ in uns aufschließt’ (Goethe), was uns aus den Versicherungen des Gewußten herausnimmt, was uns mit den eigenen Klischees konfrontiert, was uns entlarvt, was unser Verhältnis zur Welt und damit uns selber än- dert.”17 Verschiedene Versuche sind gemacht worden, Sölles Begriff der ‘Realisation’ für den Bereich der Religionsdidaktik fruchtbar zu machen, ohne dass sich daraus eine in sich zusammenhängen- de Diskussion entwickelt hätte. Die Arbeiten von Ralph P. Crimmann und von Ursula Baltz zei- gen dabei zwei unterschiedliche Wege auf.18 1983 versuchte Ursula Baltz, der sog. Narrativen Theologie den Bereich der ästhetischen Litera- tur zu erschließen: „Der transzendierende Charakter poetischer Sprache bringt Analogien her- vor für Erfahrungen heute, von denen der christliche Glaube spricht und in denen er lebt.“19 Baltz ging es also um eine zeitgemäße theologische Sprache, die sich von den Schriftstellern da- hingehend belehren lassen könne, das Christliche in den „menschlichen Bereich von Erfahrun- gen und Entscheidungen“20 zu transponieren. Insgesamt ist Baltz’ Vorgehen eher von der theo- logischen Zielorientierung bestimmt als von einer literaturwissenschaftlichen Herangehensweise; das erhellt schon aus dem Umstand, dass sie sich im wesentlichen auf nicht näher reflektierte phänomenologische Grundannahmen zurückzog, deren theoretischen Status nicht reflektiert ist. Auch blieb die christliche Kanonliteratur in ihrer Konzeption opak.21 In einer späteren Publikati- on22 wurde sie vollends als ‘Zerrbild’ dispensiert. Umfassender begründet war das literaturtheologische Konzept von Ralph P. Crimman, der 1978 die Möglichkeiten einer methodisch geleiteten Interpretation von religiöser Sprache und deren Funktion erörterte. Poetische Sprache und Wirklichkeitserfahrung, die bei Baltz zusammenge- dacht waren,23 fasste Crimman als zwei unterschiedliche Bereiche auf: Theologisches Interpretie- ren dürfe nicht versuchen, „überall und in jedem Kunstwerk die religiöse Frage“24 herauszule- sen. Stattdessen beschränkte sich sein Interesse - darin Sölle folgend - auf „das religiös besetzte Sprachgut in der Literatur“.25 Nur hier sei Literatur - jenseits von den jeweiligen Gattungskon- ventionen - offen für theologische Fragestellungen. Anders als Baltz reduzierte Crimman - hierin auf Argumentationsmuster der traditionellen Litera- turtheologie zurückgreifend - den Begriff des provokatorischen Gehalts von Literatur auf die Di- mension von ‘Problem’ und ‘Lösung’; für letztere seien Theologen und Literaturwissenschaftler zusammen zuständig.26 Das allerdings fiel hinter Sölles Kategorie der Realisation zurück,27 auf 16 ‘Thesen über ...’, zit. nach Sölle 1996, 9//10. Mieths Einwand, dass es für Sölle keine theologisch uninteressante Literatur gebe (vgl. Mieth 1976, 88), ist also nicht stichhaltig. Zu Mieths Kritik an Sölle vgl. ausführlicher Henko 1987, 72f.. Henko allerdings ließ die konfessionellen Unterschiede unberücksichtigt. 17 Sölle 1969a, 331. 18 Eine Darstellung einzelner kleinerer religionsdidaktischer Beiträge, die sich explizit auf Sölle beziehen (etwa Wachinger 1973) würde an dieser Stelle zu weit führen, weil sich daraus für den Umgang mit Literatur keine neuen Aufschlüsse ergeben. 19 Baltz 1983, 165. 20 Ebd., 169. 21 Vgl. etwa Baltz 1983, 271 Anm. 3. Hier sind Sätze von Hans Eckehard Bahr (1961, 257f. bzw. Bahr 1965, 184f.) frei adaptiert und zum Teil sinnentstellend verkürzt. 22 Baltz-Otto 1989. 23 „Welterfahrung schafft Orientierung. Das kann man bei den Schriftstellern lernen. [...] Andererseits kann die Sprache ihre wirklichkeitserschließende Kraft nur erweisen, wenn sie von der sich zeigenden Sache gedeckt wird. Im poetischen Wort erleben wir je neu das Aufgehen einer Sache und das Entstehen der Sprache in einem.“ (Baltz 1983, 110) Auf den methodologischen Ort von Baltz’ normativem phänomenologischen Ansatz gehe ich hier nicht näher ein. 24 Crimmann 1978, 62. 25 Ebd., 59. 26 Ebd., 62. 27 Ursula Baltz resümierte zutreffend: „Daß christlicher Glaube Antworten anbieten kann, muß [...] differenzierter als im Frage-Antwort-Schema gesehen // werden: die Antwortstruktur selbst ist dialogisch angelegt.“ (Baltz 1983, - C.3.b - 175 die sich Crimmann berief. Zudem lassen seine Ausführungen offen, was mit einer ‘politischen, soziologischen oder theologischen Lösung’ gemeint sein könnte, denn Crimmann bekräftigte ausdrücklich, Literatur dürfe nicht „je nach dogmatischer Vorstellung positiv oder negativ qua- lifiziert werden.“28 - wobei er in anderem Zusammenhang aber durchaus auf die hermeneutische Notwendigkeit von „theologische[n] Wertkriterien“29 hinweist, nicht ohne ein „behutsames exe- getisches Vorgehen“30 zu fordern. Dass die argumentative und begriffliche Uneindeutigkeit Crimmanns31 tatsächlich auf dessen Versuch zurückzuführen ist, die Modernität eines schuli- schen Religionsunterrichts am Kriterium der Aufgeschlossenheit für gesellschaftskritische Litera- tur zu messen, zeigt sich daran, dass er die Lieder Franz Josef Degenhardts kontrastiv gegen die herkömmliche christliche Literatur (Bergengruen, le Fort etc.) setzt; sie könnten „aspekthaft und appellativ zu kritischem Bewußtsein und politischem Engagement motivieren“.32 Die Wendung, die Sölles Realisationsbegriff für die theologisch produktive Aneignung von nicht-konfessioneller Literatur ermöglichte, wurde im Bereich der katholischen Theologie zu- nächst zögernd vollzogen. Sinnfällig veranschaulicht zeigt sich diese vorsichtige Ausweitung des neuthomistischen Kunstverständnisses auf die literarische Moderne in dem ‘Concilium’- Heft von 1976, das aus fundamentaltheologischer Perspektive dem Thema ‘Literatur und Theologie’ gewidmet war. Herausgegeben von Johann Baptist Metz und Jean-Pierre Jossua, setzte es an bei dem „tiefgreifenden Schisma zwischen theologischem System und religiöser Erfahrung, zwischen Doxographie und Biographie, zwischen Dogmatik und Mystik“,33 oder - anders formuliert - bei dem „Bruch zwischen der Theologie und der Glaubenserfahrung der Christengemeinde“.34 Das in den verschiedenen Beiträgen des ‘Concilium’-Hefts entworfene Programm umrissen Jossua und Metz in ihrem Vorwort: Ein theologisches Interesse an „den Reichtümern, für die eine allzu dialektische, theoretische und akademische Theologie nur taube Ohren“35 gehabt habe. Literatur wurde hier als konstruktiver Widerpart der Theologie bestimmt, aber nicht in theolo- gisch-diskursiver oder theologisch-kategorialer Hinsicht:36 „Man muß vielmehr so weit gehen, daß man nach dem fragt, was die Literatur allein vermag, nach dem, was keine begriffliche Theologie aussagen könnte, nach dem, was die Literatur ganz entschieden von ihren eigensten Möglichkeiten her zum Ausdruck bringt.“37 269//270) Der Satz von Baltz bezieht sich allerdings nicht explizit auf Crimmann. Überhaupt ließ sie dessen Arbeit so gut wie völlig unberücksichtigt. 28 Crimmann 1978, 62. 29 Ebd., 61. 30 Ebd., 110. 31 Hierin liegt das Problem von Crimmanns Ansatz, nicht in seiner Beschränkung auf deutschsprachige und „fast ausschließlich nichtkatholische Autoren”, wie Gisbert Kranz bemängelt hat (Kranz 1982, 276). Zu Recht wies Kranz auf die Unergiebigkeit von Crimmanns Ansatz hin, wenn auch mit unpassenden Argumenten. Irrig war beispielsweise Kranz’ Annahme, der Begriff des Paradigmas sei ein Synonym von „Zusammenarbeit oder partnerschaftlichem Gespräch“ (Kranz 1982, 276). 32 Crimmann 1978, 110. 33 Metz 1976, 311. 34 Rousseau 1976, 272. 35 Jossua/Metz 1976, 269. 36 Damit war der grundsätzliche Primat der Theologie nicht aufgegeben, den Hervé Rousseau in seinem Aufsatz dann noch einmal nachdrücklich bestätigte: „Der Theologie hält die Lebenserfahrung des Laien, der nicht ihren Kadern angehört, für belanglos, wenn nicht für häretisch, und der Laie vermag, da er die Theologie nicht kennt, seine Ei- generfahrung nicht richtig zu verstehen.“ (Rousseau 1976, 272) 37 Jossua/Metz 1976, 269. - C.3.b - 176 Programmatisch war damit ein theologisches Interpretieren einer Literatur umrissen, als dessen Zentralbegriff die Erfahrung fungiert, sowohl in ihrer literarischen Gestaltung „Gewisse literarische Werke, die sicherlich ein echtes Erleben wiedergeben, machen uns ratlos, insofern in ihnen die Interpretation ihren Platz abtritt an die ‘Literatur’, an das müßige Sprach- spiel, an die Konstruktion einer willkürlich erdachten Person.“38 als auch in der Art des Umgangs mit Welt, für die der Umgang mit Literatur als Muster dienen könne: Es gehe um die Rückgewinnung von Aussageweisen, „ in denen sich die Existenz und die Hoffnung zum Ausdruck bringen lassen, Bereiche, in // denen der Mensch nicht mehr über die Sprache verfügt, sondern nur auf sie lauscht.”39 Den Fokus ihres literaturtheologischen Interesses beschränkten Jossua und Metz auf Autoren, die aus der Perspektive und mit der Intention des Gläubigen schreiben. Explizit hoben sie auf eine entsprechende Autorintention ab: „[...] wenn auch die Schriften nichtchristlicher Autoren für die Forschungsarbeit des Theologen von beträchtlichem Interesse sein können, so wäre es doch unklug, ihnen Fragen zu stellen, die einfach nicht die ihren sind, und noch unklüger wäre es, sie als eine Art ‘ihrer selbst nicht be- wußter Theologien’ vereinnahmen zu wollen.“40 Diese Beschränkung auf den Kanon traditioneller christlicher Literatur (Bloy, Bernanos, Mau- riac, Julien Green, Graham Greene etc.) macht deutlich, dass sich das in den ‘Concilium’- Beiträgen erörterte Konzept tatsächlich nur teilweise von der traditionellen Literaturtheologie löste. Was jedoch neu war und die Maßstäbe traditioneller katholischer Literaturtheologie transzendierte, waren die von Hervé Rousseau erörterten Kategorien des ‘expliziten’ bzw. ‘impliziten theologischen Potentials’, das ein Roman dann aufweise, wenn er „eine echte Da- seinserfahrung enthält“.41 So könne theologisch auch das relevant sein, was hinter einer blas- phemischen Hülle verborgen sei. Dabei verwendete Rousseau eine Metapher, die einen ikono- graphischen Zusammenhang mit der berühmtesten christlichen Reliquie, dem Leichentuch von Turin, zumindestens andeutete: „In dieser Deutung erscheint Sades Werk nicht mehr als ein schmutziges Wiederkäuen sämtli- cher Perversitäten, sondern als ‘ein Schrei der Verzweiflung, der zum Bild der unzugänglichen Jungfräulichkeit hin ausgestoßen wird, ein in ein blasphemisches Lied eingewickelter und gleichsam eingesargter Schrei’, worin Sade als unser Nächster ansichtig wird.“42 Dass Rousseau auf diese Weise eine Art von literarischer ‘imitatio Christi’ andeutete, lässt vermuten, dass sein literaturtheologischer Ansatz vornehmlich ‘intra muros’ gerichtet war. 38 Rousseau 1976, 276. 39 Jossua/Metz 1976, 269//270. 40 Ebd., 269. 41 Rousseau 1976, 273. 42 Ebd. (Das Binnenzitat ist entnommen aus: Pierre Klossowski, Sade mon prochain, Paris 1947). - C.3.b - 177 Die methodisch differenzierteste Begründung des erkenntnisleitenden Zusammenhangs von Theologie und Literatur legte Dietmar Mieth43 1974 in seiner Habilitationsschrift vor, eine Art von katholischem Gegenentwurf zu den Arbeiten von Bahr und Sölle.44 Das theologische Inter- esse an Literatur - gemeint ist hier immer epische Literatur - verortete Mieth im Zusammenhang einer theologischen Ethik, systematisierte also, was in der traditionellen Literaturtheologie im- mer schon als Fluchtpunkt der Interpretationen gedient hatte, nämlich die ethische Bindung von Literatur. Ausdrücklich jedoch stellte er klar, dass es nicht darum gehe, eine ins Bürgerliche transponierte Tugendethik umstandslos zu revaluieren. Literatur war stattdessen beschrieben als „erlebte und gestaltete [menschliche] Erfahrung“,45 die durch ihr literarisch-artifizielles Ge- staltet-Sein so verallgemeinert sei, dass sie Wirklichkeit repräsentiere.46 Somit sei sie zentraler Gegenstand einer narrativen Ethik, die den Geltungsanspruch ethisch-normativer Systeme mit der individuellen Konkretion eines ethischen Modells kontrastiere bzw. korrigiere.47 Eben diese Verknüpfung von Norm und Modell benannte Mieth als das zentrale Anliegen seiner Arbeit: „Der Rückgriff auf die Unauswechselbarkeit, Konkretheit und Parteilichkeit der Erfahrung des Subjekts muß in seiner Bedeutung für eine ‘objektive’ ethische Reflexion erkannt werden.“48 An den Kategorien der Unauswechselbarkeit, der Konkretheit und der Parteilichkeit belegte Mieth das „spezifisch Christliche des Sittlichen“:49 Wie im neutestamentlichen Ethos gehe es in der Literatur um „evozierende Intensität“,50 aus der bereits ein ethischer Appell folgere: „Der [in Literatur gestaltete] sittliche ‘Typos’ ist ein Impetus zur Lebensänderung, keine Ver- haltensmaßregel.“51 Konnte Mieth die Gleichsetzung von Ethik und Ästhetik an Thomas Manns ‘Josephsromanen’ noch mit dem ideengeschichtlichen Horizont des Romanzyklus’ begründen, „Die Strukturgleichheit, die Thomas Mann zwischen Ontologie, Ästhetik und Ethik zu zeigen versucht, ist für die gesamte christliche Spiritualität des Altertums und des Mittelalters gültig, soweit sie das Geheimnis der menschlichen Seele zum Ausgangspunkt ihrer Bemühungen um die Einheit von Erkennen und Handeln macht.“52 43 Geb. 1940; Studium der Katholischen Theologie, Germanistik und Philosophie in Freiburg/Br., Trier, München und Würzburg; theologische Promotion, Professor für Theologische Ethik an der Universität Tübingen und Sprecher des dortigen Zentrums für ‘Ethik in den Wissenschaften’ (Angaben nach Lesch 1994, 243). 44 Die Habilitationsschrift von 1974 (Univ. Tübingen, Fachbereich Katholische Theologie) erschien in zwei Bänden: Mieth 1976 enthält den systematischen Teil und die Interpretation des Tristan-Romans, Mieth 1976a eine Kurzfas- sung des systematischen Teils und die Interpretation von Thomas Manns ‘Josephsromanen’. 45 Mieth 1976a, 1. 46 Vgl. ebd., 2. 47 Zu Mieths Auffassung des ethischen Modells vgl. ausführlicher Mieth 1977, 78ff. und 111ff., zur Verschränkung von Modell- und Normethik Mieth 1976a, 7. 48 Mieth 1976a, 2. 49 Ebd., 8. 50 Ebd., 7. 51 Ebd., 8. 52 Ebd., 193. - C.3.b - 178 war die Übertragung seines Verfahrens auf zeitgenössische literarische Werke zwar angedeutet, aber nur ansatzweise erörtert.53 Die Bestimmung dessen, was genau unter einer ethisch relevan- te Literatur von einer ethisch nicht-relevanten abzugrenzen sei, verläuft tendenziell zirkulär, noch in jüngsten Veröffentlichungen.54 Dass Mieths Literaturbegriff im Grunde unbestimmt bleibt, erhellt aus der Bandbreite der Bei- spiele, mit denen er in späteren Veröffentlichungen seine Kategorie der ‘evozierenden Intensität’ bzw. der ‘Gefährlichkeit’ exemplifizierte. Zum einen führte er - als Idealtypus ethisch relevanter selbstreflexiver Literatur - die neutestamentlichen Gleichnisse an, insbesondere das vom barm- herzigen Samariter,55 zum anderen literarkanonisch beglaubigte Werke traditioneller Höhen- kammliteratur (Musil, Th. Mann, Dürrenmatt), zum dritten aber auch - an anderer Stelle - eine vermutlich selbst geschriebene Geschichte dreier Büroangestellter. Diese Geschichte beschränkt sich auf die Wiedergabe eines Geschehens, soll erkennbar zum Nachdenken auffordern, mutet aber in keiner Weise ästhetisch geformt an.56 Darüber hinaus erweitert Mieth den Fokus theolo- gischer Ethik noch auf erzählerische Verfahren in der ambitionierten Science-Fiction-Literatur (Lem, Le Guin). (ii) ‘Christ sein’ literarisch In seiner Dissertation von 1978 unternahm es Karl-Josef Kuschel, christliche Literatur neu zu begründen. Offenbar kam die Kernthese des Buches - christliche Literatur sei möglich und sie sei notwendig - einem seinerzeit weit verbreiteten Bedürfnis nach einer literaturtheologischen Neuorientierung entgegen, denn das Buch brachte es rasch auf zwei Auflagen; bis heute gilt es als literaturtheologisches Standardwerk. Emphatisch wandte sich Kuschel gegen Ansätze, das Christliche lediglich deduktiv-formal zu bestimmen (Krzywon, Ziolkowski) und dabei vom handlungsmotivierenden Charakter der christlichen Heilsbotschaft abzusehen. Damit setzte er bei der Umdeutung des Begriffs ‘christliche Literatur’ an, wie ihn Heinrich Böll bereits 1959 formuliert hatte: „Es gibt keine Theologie der Literatur. Gäbe es sie, sie würde zu verblüffenden Ergebnissen kommen, würde manchem Nichtchristen attestieren müssen, daß er ‘verkündigt’ und manchen Christen in Bann tun müssen, // weil er, indem er um des Marktes [der christlichen Leser] willen die Kunst verletzt, die Ordnung verletzt.“57 Tatsächlich bildete der Be- griff der ‘Ordnung’ die Scharnierstelle für den Wechsel zwischen traditionellen und avancierten Auffassungen; insofern traf Bölls ironische Umdeutung den Kern der damaligen literaturtheologi- schen Diskussionen. Kuschel führte den Ansatz weiter, den Hans Küng vier Jahre zuvor in seinem Buch ‘Christ sein’ entwickelt hatte.58 Bei Küng allerdings waren die literarischen Darstellungen Jesu Christi nur von nachrangiger Bedeutung gewesen, weil sie die handlungsmotivierende Kraft von Jesu 53 Vgl. zu unterschiedlichen Varianten ethisch relevanter Literatur insbesondere Mieth 1976, 61-80. 54 Vgl. etwa Mieth 1976, 71//72, oder Mieth 1994, 112. 55 Vgl. Mieth 1977, 89f. 56 Die Geschichte ist abgedruckt in Mieth 1998, 211. 57 Böll 1960, 8//9. 58 Kuschels Untersuchung war auch ein Bekenntnis zu seinem akademischen Lehrer Hans Küng, dem die Deutsche Bischofskonferenz wegen ‘Christ sein’ die Missio canonica entzogen hatte (dokumentiert u.a. in Jens 1978 und Scheffczyk 1980). Das dürfte mit ein Grund für den betont emphatischen Duktus der Darstellung gewesen sein. - C.3.b - 179 Christi kategorialer Widerständigkeit immer nur in interpretierender Verkürzung wiedergäben. Kuschel hingegen akzentuierte die Bedeutung, die Literatur für die Erschließung des Christli- chen (‘Person und Sache Jesu Christi’) haben könne. Traditionelle christliche Literatur war damit nicht abgewertet, aber als historisch bedingt zurückgewiesen. In diesem Zusammenhang entwickelte Kuschel einen Kriterienkatalog zur Beurteilung zeitgenössischer literarischer Je- susdarstellungen. Für die literaturtheologische Theoriebildung war das in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen vollzog Kuschel den ersten Schritt hin zu einer mentalitätsgeschichtlichen Aufarbeitung des bisherigen literaturtheologischen Diskurses, zusammengefasst in die Formel von ‘Frohbotschaft statt Drohbotschaft’.59 Zum anderen wies er den Schriftstellern die Aufgabe zu, den zeitgenössischen theologischen Reflexionshorizont literarisch zu erschließen, was natürlich auch bedeutet, diesen qua Literatur zu vermitteln.60 Kuschels Ansatz blieb hier unentschieden: Zwar beschränkte er sich auf das, was er als ‘christophorische Literatur’ beschrieb, „Jesus als Herausforderung von Mensch und Welt wird von moderner Dichtung durch die säku- lare Welt hindurchgetragen, nachdem er oft aus der christlichen verdrängt, von ‘christlichen’ Dichtern entschärft oder in einem christlichen Milieu absorbiert worden ist. Unsere Literatur- beispiele zeigen es: Jesus kann sich diesem // ‘Christo-pherus’ ‘moderne Literatur’ anvertrauen; er hat in ihr eine Stütze, die ihn trägt und hält, die ihn hinüberträgt vom Ufer seiner Zeit an das Ufer der unsrigen.“61 aus seiner Darstellung geht jedoch hervor, dass sich der Anspruch des Christophorischen grundsätzlich auf alle Schriftsteller erstrecke:62 Literatur als Platzhalterin von ‘Person und Sa- che Jesu Christi’.63 Für die interpretatorische Praxis, wie sie Kuschel in seiner Untersuchung vorführte, bedeutete das allerdings: Nicht mehr der Text, sondern dessen christliche Aneignung fungiert als Instanz, die die Fülle der möglichen Interpretationen begrenzt. Exemplarisch lässt sich die Problematik dieser Methodik an der Interpretation der ‘Blechtrommel’ belegen, die 59 Vgl. Kuschel 1978, 85ff. 60 Vgl. etwa folgende Einschätzung der von Anton Grabner-Haider herausgegebenen Anthologie: ‘Jesus N. Biblische Verfremdungen - Experimente junger Schriftsteller’. Zürich, Einsiedeln, Köln 1972 - von kritisch beurteilt: „Die Methode ist oft allzu durchsichtig, der Austausch von biblischem und zeitgeschichtlichem Lebenskontext oft allzu plump. Dem Denkanstoß, der durch den verfremdeten Blick gegeben werden soll, wird so oft die Kraft genommen.“ (Kuschel 1978, 13) 61 Ebd., 308//309. Ins populäre (Heiligen-)Bild ist hier der Metaphernkreis des Gehens gefasst, der als Topos im katholischen Literaturdiskurs bis heute vielfältig nachweisbar ist. Innerhalb dieses Metaphernkreises erinnert Ku- schels Begriff am ehesten an Bisers Satz von der ‘via purgativa der Christenheit’, die sich in zeitgenössischer christli- cher Literatur manifestiere (Biser 1959, 32). 62 Zum methodischen Ausgangspunkt seiner Gedankenführung hatte Kuschel den Satz von Günter Eich gemacht, es komme darauf an, „daß alles Geschriebene sich der Theologie nähert“ (Günter Eich: ‘Rede vor den Kriegsblinden’, zit. nach Kuschel 1978, 5). 63 Die anderen Begriffe, die Kuschel in diesem Zusammenhang prägte, waren in seiner Konzeption von nur unterge- ordneter Bedeutung: In jesuphorischer Literatur erscheine Jesus“ohne normative Deutungsfunktion als eine unter anderen Figuren“ (ebd., 308), christologische Literatur vertrete die traditionell-orthodoxe Sichtweise auf Jesus Christus, und jesulogische Literatur stelle das Leben des historischen Jesus dar. ’Resignierend-verwirrend’ - diese Einschätzung des Rezensenten der Herder-Zeitschrift ‘Die Welt der Bücher’ (Walter 1980, 138) scheint mir das Problem präzise zu bezeichnen, dass Kuschel den fest eingeführten Begriff christliche Literatur in verschiedene Teilextensionen aufteilte, um ihn dann aber als neues Ganzes weiterzuführen. - C.3.b - 180 Kuschels Setzung, Jesus Christus sei „Herausforderung für die [moderne] Literatur“,64 in ih- rem normativen Anspruch nachdrücklich unterstreicht: „Letztlich bleibt seine [sc. Grass’] Auseinandersetzung mit der Jesusfigur zu flach, zu wenig ernsthaft. Um den wirklichen Jesus hat sich Grass nicht gekümmert. Sein Jesus bleibt der einer bestimmten Kirchlichkeit und Frömmigkeit, der freilich innerhalb eines vorkonziliaren Katholi- zismus weitgehend dominierend war. Und gerade diesem vorkonziliaren Katholizismus bleibt Grass indirekt mit seinem blasphemischen Antiklerikalismus verhaftet. Hinzu kommt: Grass hat sich den poetologischen oder hermeneutischen Problemen nicht gestellt, mit denen andere Schriftsteller [...] gerungen haben, als sie an die Darstellung der Jesusfigur gingen. [...] Nicht daß Provokation, Demontage und Blasphemie keine Stilmittel in der Auseinandersetzung mit der Jesusfigur sein dürften, aber bei Grass fehlen die Alternativ-Bilder, die Gegenentwürfe, fehlt das Wechselspiel von Darstellung und Aufhebung, Zugriff und Entzug, das eine adäquate Jesusdar- stellung auszeichnet, fehlt die kritische Distanz zum eigenen Jesusbild, die immer auch erzähle- risch hätte miteinbezogen werden müssen.“65 Eine solche Beurteilung setzt voraus, Grass habe mit der ‘Blechtrommel’ einen Roman über Jesus Christus schreiben wollen,66 was natürlich abwegig ist. Das heißt: Die Maßstäbe, die Kuschel anlegt, sind seine eigenen, nicht die des Textes. Darauf deuten auch die Suggestivfra- gen hin, die sich an die oben zitierte Beurteilung der ‘Blechtrommel’ anschließen und die dem Autor Grass nahelegen, eine adäquatere Jesusdarstellung zu schreiben, um die der ‘Blechtrommel’ zu korrigieren: „Ob dieser Christus der Bergpredigt und der Nächstenliebe in kritischer Auseinandersetzung mit dem Kommunistischen Manifest nicht eine Figur wäre, die auch den Erzähler Grass zur Darstel- lung herausfordern könnte? Ob nicht auch das Jesusbild eines Autors, der in seinem neuesten Roman mit historisch-wissenschaftlicher Akribie eine Geschichte der Kochkunst einarbeitete, wachsen könnte durch das Studium der historisch-wissenschaftlichen Arbeiten, die nach dem Konzil auch im Raum des Katholischen zur Geschichte des Jesus von Nazaret erschienen sind?”67 64 Kuschel 1978, 310ff. 65 Ebd., 204//205. 66 Erst später verallgemeinerte Kuschel seinen Anspruch: „Viel wäre [...] erreicht, wenn auch Schriftsteller anfingen, Theologie unverzichtbar zu finden für die Erhellung des Geheimnisses Mensch.“ (Kuschel/Meesmann 1985, 185). 67 Ebd., 206. - C.4.a - 181 4. Zur Konvergenz traditioneller und avancierter Auffassungen a) ‘Theopoesie’ Im Verlauf der achtziger Jahre konzentrierte sich der Diskurs der avancierten Literaturtheologie zunehmend auf das (literarische) ‘Reden von Gott’ und griff damit eine spezifisch kirchliche Problematik auf.1 In methodisch außerordentlich differenzierter Weise hatte Wolfgang Binder in einem Aufsatz von 1971 unterschiedliche literarische Weisen des Redens von Gott (bzw. mit Gott) untersucht, um Aufschluss über den religiösen Reflexionshorizont gegenwärtiger Literatur zu gewinnen.2 Als Kriterium für dessen Gültigkeit diente Binder eine Glaubwürdigkeit, die er nur als potentiell fal- sifizierbare Kategorie gelten ließ - innerhalb des literaturtheologischen Diskurses ein Postulat von nicht geringer methodischer Brisanz und bis heute gültig, wenn auch selten eingelöst. Glaubwürdig erscheine das Reden von Gott in der zeitgenössischen Literatur nur in einer „denkenden Offenheit“,3 die dem Leser nicht nur eine Kenntnisnahme von bereits Gewusstem abverlange. „Denn nicht das Wort macht es, sondern der Bezug, weshalb ein negativer Bezug besser scheint als gar kein Bezug, den ich in jenem leeren, bloss verbalen Reden von Gott zu er- kennen meine.[...//...] Wenn die Literatur mit der Wirklichkeit zu tun hat - und nur darin glaubt sie sich heute zu rechtfertigen -, dann muss sie dem Verständnis der Wirklichkeit dienen. Dies tut sie, indem sie einen Raum möglicher Wirklichkeitsaspekte öffnet. Ist aber die Frage nach Gott so angesetzt, dass sie diese Raumöffnung fördert, dann ist sie aus der Sphäre des Bekenntnisses in die der Dichtung übergetreten.“4 Das ‘literarische Reden von Gott’, bei Binder lediglich ein hermeneutisches Problem, wurde im literaturtheologischen Diskurs der achtziger Jahre zum zentralen Thema, dem - in einem Klima zunehmenden öffentlichen Interesses an religiösen Themen5 - durchaus auch ein immanenter Appell zugeschrieben wurde. Bereits in seinem Essay über das ‘Ende der christlichen Literatur’ (1971) hatte Paul Konrad Kurz geschrieben: „Im Christlichen überwiegt noch das Bewußtsein des Defensiven. Wo und sobald das Christliche offensiv wird, ist es auch literarisch neu da.”6 1 1959 etwa formulierte Gerhard Ebeling, Theologe an der Universität Zürich, ein Postulat für ein weltliches Reden von Gott, das später (u.a. von Dorothee Sölle) für die Diskussion um christliche Literatur aufgegriffen wurde: „[...] nur das ist verantwortliches Reden von Gott, das dahin zielt, wo Gott und Welt gleichsam in einem mathematischen Punkt zusammentreffen. Dieser Ort ist das Gewissen. Weil verantwortliches Reden von Gott auf das Gewissen ab- zielt, wird notwendig auch die Welt zur Frage, wenn das Reden von Gott in Frage steht.“ (Ebeling 1959, 66) Weni- ge Jahre später hatte Karl Rahner als eine Intention des 2. Vatikanums formuliert: „Wie man von Gott und seinem Dasein in der Mitte der Existenz des Menschen so reden könne, daß diese Rede bei Menschen von heute und morgen ankommt.“ (K. Rahner: Rede zur Feier des Konzilsabschlusses in München, 1965; zit. nach Wachinger 1973, 160) 2 Vgl. insbesondere seine Ausführungen zur Abwehr eines theologischen Lesens von Literatur: „Illusionslosigkeit [hat] nichts mit Glaubensbereitschaft zu tun. Viele Schriftsteller lassen mit vollem Bewusstsein da eine Leerstelle, wo früher Gott war, und sie zeigen diese Leerstelle in der dezidierten Absicht vor, sie nicht und schon gar nicht wieder mit Gott zu besetzen. Dieses Faktum ist zu respektieren.“ (Binder 1971, 458) Ähnlich wie August Langen insistierte Binder darauf, dass der jeweilige ‘Säkularisationsstatus’ nicht übergreifend, sondern ausschließlich im konkreten Einzelfall zu erweisen sei, mit allen Möglichkeiten des interpretatorischen Irrtums. 3 Binder 1971, 469. 4 Ebd., 469//470. 5 So schrieb etwa Dorothee Sölle Anfang der 1980er Jahre: „Wenn ich als Christ mit diesen Nach-Christen zusam- men war, hatte ich immer das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen, erstmal erklären zu müssen, wieso ein normal Intelligenter eigentlich ‘noch’, wie es dann hieß, an Gott festhält. Eben das hat sich geändert.“ (Sölle 1982, 95) Von ähnlichen Beobachtungen berichtete Biser 1986. 6 Kurz 1971, 146. - C.4.a - 182 und im Jahr darauf hieß es unmissverständlich: „Das Phänomen des Religiösen muß literarisch neu durchdacht werden”.7 Im Sinne dieses Postulats erhob dann Karl-Josef Kuschel 1978 die Forderung an die Schriftstel- ler, ‘in metaphysicis’ nicht hinter den Reflexionsstand zeitgenössischer Theologie zurückzufal- len.8 In den achtziger Jahren unternahm es Kuschel, dieses Postulat auch empirisch einzulösen: Deutete er noch auf dem Tübinger Symposion von 1984 lediglich an, dass in der zeitgenössi- schen Literatur die Wirklichkeit Gottes ‘zur Sprache komme’,9 so resümierte er seine Schrift- steller-Interviews aus dem Jahre mit dem Ergebnis von der „überraschenden Rückkehr der Gottesfrage in die zeitgenössische Literatur“.10 Ein Jahr später schließlich - in Kuschels Bei- trag zu einer Tagung der Evangelischen Akademie Baden - war dieser Befund zur Frage nach der ‘Möglichkeit des Sprechens von Gott’ umgedeutet.11 Der Wandel der begrifflichen Fokussierung bei Kuschel bildet eine Entwicklung ab, die seit dem Ende der 1980er Jahre unter dem Leitbegriff ‘Theopoesie’ bzw. ‘Theopoetik’12 einen der Hauptstränge gegenwärtiger Literaturtheologie darstellt. Der in sich sehr heterogene Theopoe- sie-Diskurs lässt sich, unabhängig vom jeweiligen theologischen Interesse, zurückführen auf die Frage, welche Literatur für das individuelle Reden von Gott, d.h. auch für die individuelle Le- benspraxis bedeutsam ist (bzw. gemacht werden kann). In seinen theologischen sowie indivi- duell-lebenspraktischen Bezügen ist dieses Terrain für Literaturwissenschaftler weitgehend unzugänglich, nicht aber in seinen literarischen Bezügen. Das Interesse an Theopoesie - Söl- le/Mautner verwendeten gar die biblische Metapher der ‘Himmelsleiter’13 - bedeutet nämlich zugleich die Fokussierung auf eine Art von Literatur, für die die Bezeichnung ‘christliche Lite- ratur’ naheläge, wenn nicht dieser Begriff als semantisch besetzt gälte und im Umkreis theo- 7 Kurz 1973, 273 (Es handelt sich um eine Zwischenüberschrift innerhalb des Essays ‘Marilyn Monroe und die Zweidrittelwelt. Auf der Suche nach dem Religiösen in der zeitgenössischen Literatur’; zuerst veröffentlicht 1972). 8 Vgl. Kap. Ähnlich äußerte sich auf dem Tübinger Symposion auch Küng 1986, 27. 9 „[...] daß ich zwei Texte daraufhin befrage, wie hier die Wirklichkeit Gottes zur Sprache kommt.“ (Kuschel 1986, 213) 10 Kuschel/Meesmann 1985, 168. 11 Zit. als Kuschel 1989. Ähnlich äußerte sich auf der Tagung in Hofgeismar 1987 Ursula Baltz-Otto (Baltz-Otto 1989a). Auch die von Werner Ross mitherausgegebene Anthologie Böckle et al. 1983 endet mit den Kapiteln ‘Atem und Sprache der Religion’ und ‘Sprache an der Schwelle zum Schweigen’ (vgl. dazu ausführlicher Kap. C.2.b.i). 12 Von ‘Theopoetic’ sprach bereits 1976 Amos Niven Wilder: Theopoetic. Theology and the Religious Imagination. Philadelphia 1976. Marie-Josette Le Han führt den Begriff dagegen auf Patrice de la Tour du Pin zurück (vgl. Le Han 1996, 360; zu la Tour du Pin vgl. auch Kap. E.3.b). Schröer (H. 1998, 138) zufolge ist der Begriff ‘Theopoesie’ im deutschen Sprachraum zum ersten Mal formuliert bei Kurt Marti (1991), der die Psalmen (‘hebräische Theopoe- sie’) als Vorbild für das christliche Reden über Gott interpretiert hatte. Jedenfalls traf der Begriff genau das weitver- breitete Bedürfnis, einer auf das Wort verpflichteten Theologie etwas anderes entgegenzusetzen: „Der Begriff Theo- poesie lag geradezu in der Luft.“ (Schröer/Fermor/Schroeter 1998, 7). 13 Unter Berufung auf 1. Mose 28, 10-22: „[...] die Sprachwelten von Literatur und Religion [...] sind für uns Brük- ken, die aus einer anderen Wirklichkeit in unsere, von wis- // senschaftlicher Rationalität und von den Gesetzen des Marktes beherrschte Welt hineinragen.“ (Mautner 1996, 6//7). Die Metapher von der ‘Himmelsleiter’ variierte Hans Steinacker, der von der Theopoetik als dem „Gebot der Stunde“ sprach: Der „Gott des ‘Jenseits’“ müsse „wieder Thema der Literatur werden“ (Steinacker 2000, 70). - C.4.a - 183 poetischen Argumentierens fast stets vermieden würde.14 Ich setze im Folgenden also voraus, dass eine literaturwissenschaftliche Untersuchung von ‘christlicher Literatur’ auch die im ‘Theopoesie’-Diskurs als relevant erachtete Literatur mit einbeziehen muss.15 (i) Theopoesie als Aneignung Theopoesie meint zum einen eine theologisch motivierte Aneignung von Literatur, die - durch die individuelle Biographie beglaubigt - einen höheren Anspruch erhebt als andere Aneignun- gen. Exemplarisch hierfür steht die 1996 erschienene Studie, in der Paul Konrad Kurz nach- wies, welche Traditionen europäisch-intellektueller Auseinandersetzung mit der Gottesfrage sich in heutiger Literatur manifestierten. Leitendes methodisches Prinzip war das der meditati- ven Kontemplation, die Kurz der heutigen, als Atheismus gedeuteten Zweckrationalität entge- gensetzte, ein Prinzip, in dem man vermutlich auch die Rezeptionshaltung wird erblicken dür- fen, die Kurz seinen Lesern vorschlug, die einer ‘mystischen Präsenz’. „Zu [mystischer] Präsenz zugelassene, in Präsenz eingetretene Menschen müssen sich nicht fortgesetzt argumentativ verteidigen noch rechtfertigen. Sie müssen nicht andere Menschen in Frage stellen, gering achten, angreifen. Sie müssen nicht ihren Haß gegen Unbekannt, auch nicht gegen sich selbst austragen. Sie partizipieren an der Energie des mystischen Geistes, an der Sympathie Gottes mit allem Lebenden. Zum faszinierenden Leben befreit, dürfen sie, ihrer Passionsgeschichte ausgesetzt, Formen von Auferstehung in diesem Leben erfahren.“16 Dass Kurz dem mystisch erhöhten Menschen eine höher dimensionierte Erkenntnisfähigkeit attestierte, also nicht nur intellektuell „auf dem wissentlichen Niveau der Zeit“17 zu sein, son- dern auch spirituell „im Text der Welt den Metatext, den ein Schöpfer in sie hineingelegt hat“18 zu erkennen, wird man nicht nur als Immunisierungsstrategie lesen können, die einen religiösen Ausschließlichkeitsanspruch gegen Einwände von außen verteidigt, beispielsweise gegen die - immerhin denkbare - Frage, ob der Anspruch der ‘mystischen Teilhabe an Gottes Schöpfungs- plan und -weisheit’ nicht eine Anmaßung gegenüber Andersdenkenden und gegenüber Gott darstellt, dessen Unverfügbarkeit Kurz mit Barths Formel vom ‘ganz Anderen’ ja durchaus betont.19 Sie markiert auch eine Grenze, die - formal ähnlich wie bei Sölle, wenn auch auf an- 14 Eine Ausnahme bildet der Workshop ‘Wort Gottes, Wort des Menschen - Ethik und Ästhetik in der christlichen Literatur’, dokumentiert in Thiede 1987. Zur Kanondiversifizierung bei Thiede vgl. auch Kap. C.4.d. 15 Das in Schröer/Fermor/Schroeter 1998 dokumentierte Symposion über Theopoesie behandelte fast ausschließlich theologische Themen, die für meine Fragestellung nicht von Bedeutung sind. Auch wenn auf dem Symposion Hen- ning Schröer von theopoetischer Poesie sprach (Psalm, Gleichnis, Credo, liturgischer Gruß), war damit immer der sakrale Vollzug mitgedacht (vgl. Schröer, H. 1998). 16 Kurz 1996, 53. 17 Ebd. 18 Ebd. 19 Vgl. ebd., 24. - C.4.a - 184 deren theologischen Prämissen aufbauend - einer intersubjektiven Verständigung nur unter normativ vorgegebenen, exklusiven Bedingungen zugänglich ist. Dieses methodische Problem sei am Beispiel Umberto Ecos Roman ‘Der Name der Rose’ erläu- tert, dem Kurz eine postmoderne Beliebigkeit attestierte: „An keiner Stelle spricht aus dem apo- kalyptischen Spiel heilsgeschichtliches Interesse oder prophetische Intention.“20 Gegen eine sol- che interpretatorische Zuschreibung wende ich beispielsweise ein, dass in dem Roman sehr wohl eine Auseinandersetzung mit Gott gestaltet ist, wenn auch nicht aus der Perspektive des blinden Bibliothekars - insofern ist Kurz’ Einschätzung sicher plausibel-, sondern aus der des franziska- nischen Detektivs, der ja durchaus auch als gläubiger Christ argumentiert, nur eben verbunden mit einer Skepsis gegenüber den im Roman ausführlicher dargestellten irdischen Erscheinungs- formen von Religion. Legte man nun Kurz’ methodische Prämisse zugrunde, wäre mein Einwand ganz leicht dadurch zu entkräften, dass man ihm bescheinigte, es ermangele ihm an ‘mystischer Präsenz’ - was wiederum weder zu veri- noch zu falsifizieren ist. Stärker auf die Bedeutung der Literatur für die theologische Praxis zielte KarL-Joseph Ku- schel, dessen groß angelegter Entwurf einer Theopoetik den Horizont und die Begründung der eigenen theologischen Tätigkeit absteckte: „Lernen bei den Dichtern“,21 wie sein grundlegen- des Postulat lautet. Im eigentlichen Sinne theopoetisches Handeln verstand Kuschel als „Rechenschaftsablage über die heutigem Sprach- und Zeitbewußtsein entsprechende angemes- sene Rede von Gott. Läßt man die hier exemplarisch ausgewählten theopoetischen Texte auf sich wirken, drängt sich von selbst die Frage auf: Lassen sich aus ihnen Prinzipien einer heute an- gemessenen Rede von Gott ableiten?“22 Was aber sind Sinnangebote, die ‘außerhalb der Texte’ liegen? Eine ‘Theopoetik’ fand Kuschel ausschließlich in Werken, die eine christlich-religiöse Problematik, eine „Auseinandersetzung mit Gott“,23 explizit entwickeln. Theopoetik bildet damit einen Teilbereich einer „Theologie der Kultur“24 , der durch ‘Christopoetik’ und ‘Poetik vom Menschen’ zum theologischen Pan- orama ergänzt wird. Obwohl Kuschel seine methodischen Vorgaben auf nachvollziehbare Wei- se einlöste, sind seiner Bestimmung von Theopoetik drei Probleme immanent, die er zwar an- sprach, aber nicht grundsätzlich reflektierte: 1. Zum ersten das Problem der Textauswahl: Kuschel gestand zwar zu, Texte zu funktionalisie- ren, so „wie jeder Leser einen guten Text ‘funktionalisiert’, wenn er ihn zu ‘seinem’ Text macht“,25 wies aber den Vorwurf einer theologischen Vereinnahmung von sich: „vereinnahmen hieße, Texte zur Bestätigung von Sinnangeboten zu mißbrauchen, die außer- halb ihrer liegen.“26 Die Textauswahl allerdings macht deutlich, dass die Kompilation der Texte im wesentlichen nach inhaltlichen Kriterien erfolgte.27 Da Kuschel als professioneller Theologe beansprucht, ein Panorama des heutigen Redens von Gott zu geben, und damit kon- fessorisch an die Öffentlichkeit trat, bleibt seine Unterscheidung von (privatem) Funktionali- sieren und (theologischem) Vereinnahmen opak. Die Kategorie der persönlichen Erfahrung nämlich legte Kuschel zwar seiner Textauswahl zugrunde, nicht aber seiner Methode oder seinen Resultaten, die er als durchaus exemplarisch verstand. 20 Ebd., 119. 21 Kuschel 1997, 286. 22 Ebd., 281. 23 Ebd., 23. 24 So die Überschrift in der dem Buch angehängten Bibliographie von Kuschels Werken. 25 Ebd., 2. 26 Ebd. 27 Beispielsweise ebd., 40. - C.4.a - 185 2. Zum zweiten die Qualifizierung dessen, was als angemessen gelten könnte: „Die Texte, von denen ich auf den folgenden Seiten erzählen werde, sind ‘meine’ Texte, weil ich unter ihrem Niveau nicht theologisch denken will.“28 Eine solche Setzung beinhaltet eine Beurteilung von Literatur, die Kuschel nicht explizit macht. So ließe sich denn fragen, ob die Bekanntheit ei- nes Autors (Friedrich Dürrenmatt) oder die Integrität und Achtbarkeit seines Anliegens (Elie Wiesel) bereits als Kriterium für die künstlerische Bedeutsamkeit des je einzelnen Textes die- nen kann.29 3. Zum dritten ließ Kuschel Literatur außer acht, die seinem Lesen grundsätzlich unverfügbar bleibt. Eine literarisch gestaltete Preisgabe des christlichen Heilsversprechens vermochte er zwar zu integrieren, verzichtete jedoch auf deren theologische Deutung (S. 85ff.: ‘Der Alp- traum vom Ende der Menschheit: Günter Grass’) oder integrierte sie in einen christlichen Deutungszusammenhang. So schrieb er über Max Frisch: „Und ex negativo sollen die ge- scheiterten Helden von Frisch zeigen, worauf es ‘eigentlich’ ankäme: auf die Preisgabe projektierter Bilder von sich selbst. Aber dieses ‘Eigentliche’ wird bei Frisch literarisch aus- gespart, bleibt somit dem Leser selbst überlassen.”,30 um diese Leerstelle sodann christlich auszufüllen: „Schulderfahrung ist - schon biblisch gesprochen - Teil des Schöpfungsfluchs: Der Mensch hat sich aus der ursprünglichen Harmonie mit Gott gelöst und sich den Mächten des Bösen geöffnet.“31 (ii) Praxeologische Theopoesie Eine spezifisch praxeologische Wendung erhält der Begriff der ‘Theopoesie’ dort, wo Literatur und Theologie - in Fortführung eines Gedankens von Eugen Biser32 - als „Spuren zum Ge- heimnis“33 verstanden werden, gar als „Weg zum Glauben“.34 Dieser Diskurs findet vorwie- gend in religions- und literaturdidaktischen Zusammenhängen statt, und er re-integriert in den literaturtheologischen Diskurs das, was Paul Konrad Kurz die „Ansprüche der Orthodoxie“35 nannte. In den Worten Magda Mottés, einer exponierten Vertreterin dieser Richtung: Es sei wünschenswert, dass sich das theologische Reden über Literatur nicht auf die innerweltliche 28 Ebd., 3. 29 Sehr breit etwa behandelte Kuschel Dürrenmatts frühe Erzählung ‘Der Tunnel’ (erschienen 1952 im Prosaband ‘Die Stadt’), bei der interpretatorisch nicht entscheidbar ist, ob sie eine künstlerisch bedeutsame Auseinandersetzung mit der Metaphysik der menschlichen Existenz darstellt oder aber - dieser Lesart neige ich zu - die wenig überzeu- gende Fingerübung eines jungen Autors, dessen kafkaisierendes Gehabe (in der Erzählung) Anflüge von Unernsthaf- tigkeit zeigt. 30 Ebd., 121. 31 Ebd., 123. Eine ähnliche Folgerung auch bei Thomas Manns ‘Doktor Faustus’, den Kuschel zu einer ‘Poetik des Menschen’ rechnet, eine Zuordnung, die er theologisch begründet: „Wenn Weltdeutung nicht mehr im Kunstwerk abschließend gegeben werden kann, relativiert sich das Kunstwerk selber zu einer vorletzten Sinn-Instanz. Dann reicht die Kunst die Weltdeutung und Weltbewältigung an andere Instanzen weiter.“ (ebd., 161) Damit schreibt Kuschel seine eigene Deutung dem Werk als ‘intentio operis’ zu. 32 Vgl. Kap. C.1.c.ii. 33 Schreijäck 2000. Die Metapher der Spur auch beispielsweise bei Kurz 1975a, 60; Jens/Küng/Kuschel 1986, 9; Motté 1986 oder Hoffmann, N. 1986, 56. Bei Hoffmann allerdings ist die Metapher in anderer Akzentuierung ver- wendet. 34 Motté 1985. 35 Kurz 1986, 226. Kurz warnte davor, „die Ungeheuerlichkeit der Auferstehungsbotschaft“ (ebd.) auf eine „Blumenkinder-Hoffnung“ zu verkürzen. - C.4.a - 186 Religiosität beschränke, sondern dass „vom Glauben an den Gott des Evangeliums im Leben und in der Literatur die Rede ist.“36 Die explizite Ausrichtung an kirchliche Dogmatik ist es, die die weiter oben beschriebenen Neufokussierungen der avancierten Literaturtheologie zwar übernimmt - vor allem hinsichtlich des Bekenntnisses zur theologischen Relevanz auch nicht-konfessioneller Literatur -. die da- mals formulierten avancierten Theoreme de facto aber zurückbindet an den „Erfahrungsgrund der umfassenden Wahrheit im Unterschied zum bloßen Schein.“37 So formulierte es Thomas Schreijäck auf einem Symposion, das im Juli 1999 gemeinsam vom Fachbereich Katholische Theologie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/M., von der Katholischen Aka- demie Rabanus Maurus (Wiesbaden) und von der Dompfarrei Frankfurt/M. veranstaltet wur- de.38 Hinter den praxeologischen Aspekt tritt das Interesse daran, dass Literatur die theologi- sche Theoriebildung stimulieren könne, erkennbar zurück.39 In der Zusammenführung von akademischer und sakraler Sphäre40 erhält die Literaturtheologie eine praxeologische Komponente, die qua literarischer Praxis (Vortrag, Kolloquium, Lesung, Vortrag etc.) unmittelbar auf den intellektuell-religiösen Diskurs einwirkt. Etwas zugespitzt ge- sagt: Sie wird zu einer Art ‘intellektueller Frömmigkeitspraxis’.41 Möglicherweise lässt sich dies auch als Versuch verstehen, in der Praxis literaturtheologischer Betätigung die kierkegaardsche Antinomie von (aus christlicher Sicht belangloser) Dichtung und (aus christlicher Sicht relevan- tem) Handeln zu überbrücken - zentrales Thema bereits in der traditionellen Literaturtheologie. Zugleich drückt sich hier die zunehmende konfessionelle Konnotierung des literaturtheologischen Diskurses aus. Während das Frankfurter Symposion auf das ‘Geheimnis’ verwies, das - in katho- lisch-dogmatischer Tradition - als zumindestens potentiell denkbare ‘umfassende Wahrheit’ an- gesehen wird, drückte sich im Titel einer Tagung bei der Evangelischen Akademie Hofgeismar aus dem Jahre 1987 ein ungleich distanzierteres Verhältnis zum Gegenstand aus: ‘Sperrgut Lite- ratur. Plädoyer für ein Spannungsverhältnis von Literatur und Religion’.42 Dort, nämlich in Hof- geismar, richtete sich das theologische Interesse an Literatur nicht wie in Frankfurt auf „das Ge- meinsame von Kunst und Theologie um eines Höheren willen“,43 sondern auf die Möglichkeit von Literatur „zur sensiblen und wahrhaftigen Wahrnehmung von Wirklichkeit.“44 36 Motté 1986a, 784. 37 Schreijäck 2000a, 9. 38 Dokumentiert in Schreijäck 2000. 39 Ein starkes Indiz für meine These sehe ich darin, dass es in neuerer Zeit - vor allem in Arbeiten katholischer Pro- venienz - üblich geworden ist zu beteuern, die Beschäftigung mit Literatur könne ‘selbstverständlich’ eine diskursiv ausgearbeitete Theologie nicht ersetzen. 40 Das Ineinander der Sphären kam im Falle des Frankfurter Symposions schon rein äußerlich dadurch zum Aus- druck, dass die Lesungen und Musikdarbietungen, die die Referate und Diskussionen umrahmten, nicht in den Ta- gungsräumen, sondern im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus stattfanden (vgl. Schreijäck 2000a, 12). Außer- dem richteten sich die im Tagungsband veröffentlichten Beiträge nicht zum wenigsten auch an kirchliche Kreise. So formuliert Magda Motté: „Er [sc. der heutige Mensch] sucht seinen Standort in der Welt außerhalb der leitenden Ordnung der Kirche und auch sein kulturelles, künstlerisches Schaffen hat sich verselbständigt. Das ist ein Faktum, das von kirchlichen Kreisen ernst genommen werden muß und inzwischen wird.“ (Motté 2000, 15). Ein kirchliches Interesse an zeitgenössischer Kultur artikulierte auch August Heuser in seinem Vorwort zu Motté 1987, 5f.. 41 Bei Kurz (1975a) begegnet der Erfahrungsbegriff hingegen noch als individueller Rezeptionsakt: Zeitgenössische literarische Werke könnten unter christlichem Aspekt, sprich: mit einem christlichen Leseinteresse, zu „Chiffren der Transzendenz“ werden (ebd., 60). 42 So der Titel der Tagung; dokumentiert in Valtink 1989. 43 Schreijäck 2000a, 9. 44 Valtink 1989, 5. Auf dieser Tagung spitzte dagegen Karl-Josef Kuschel das theologische Interesse an Literatur auf das authentische Reden von Gott zu: „Die Herausforderung der Literatur an die Theologie liegt darin, daß sie er- - C.4.a - 187 Der Gedanke, dass sich in Literatur religiöse Erfahrung niederschlage, wird seit den frühen sechziger Jahren mit der Metapher der ‘Spur’ vertreten. In größerem Rahmen ist er ausgebreitet von Magda Motté,45 deren literaturtheologische Veröffentlichungen sich im wesentlichen auf das Ziel richten, „in der allgemeinen Literatur nach Spuren des christlichen Glaubens [zu] suchen“46 und diese Spuren aufzuzeigen: „Mit christlichen Inhalten, bekenntnishafter Deklamation oder theologischen Sprüchen - das gilt für viele wohlgemeinte christliche Lieder, Gedichte und Gebetstexte - ist kaum ein zweifelnder, indifferenter Leser auf die Spur des Glaubens zu bringen. Dies aber ist doch letztlich Ziel aller theologischen und religionspädagogischen Bemühungen: Rechristianisierung des Menschen un- serer Tage.“47 und: „Kirche // und Kunst verhalten sich letztlich zueinander wie Gralshüter und Gralsucher.“48 Aus dieser Intention heraus entwickelte Motté eine Methodologie christlicher Deutung von Literatur, die sowohl die ‘Spuren Gottes’ als auch die Abwesenheit Gottes in der Gegenwartsli- teratur theologisch zu deuten vermag - letzteres als ‘Lob Gottes aus der Dunkelheit heraus’ verstanden. Auch diese habe in gewisser Weise religiösen Charakter, „weil sie auf einen letzten Sinngrund verweist, auf ein verläßliches Du, auf Befreiung aus Abhängigkeit, Schuld und Tod.“49 Einer solchen Literatur attestierte Motté große Redlichkeit, soweit sie darauf verzichte, „vorschnell einen Retter herbeizuzaubern.“50 Damit löst sich ihr Konzept von der traditionel- len Literatur. Das Kriterium der Redlichkeit jedoch hat im Kontext ihrer Argumentation einen verhältnismäßig ambivalenten Charakter. Wo nämlich in den von Motté behandelten literari- schen Texten die Dimension des Religiösen explizit ausgespart ist, da wird sie durch die Inter- pretation ergänzt, und dieser quasi komplementäre Zugriff beansprucht zugleich, dem literari- schen Werk - auch dem Autor - dadurch gerecht zu werden, dass er dessen eigentliche religiöse Intentionen enthülle.51 Das zeigt sich vor allem an der Kategorie des Blasphemischen, mit der Motté die Beschränkun- gen traditioneller katholischer Literaturkritik im Sinne einer größeren Toleranz und Gelassenheit zu überwinden trachtete. Blasphemische Gestaltungen zeitgenössischer Kunstwerke vermochte stens nur einem bestimmten Personenkreis erlaubt, glaubwürdig von Gott zu reden, Personen, bei denen man es nicht vermutet hätte, und zweitens nur in bestimmten Situationen von Gott zu reden wagt.“ (Kuschel 1989, 30) 45 Geb. 1936; Lehramtsstudium, Schuldienst; ab 1965 Studium der Germanistik, Theologie und Pädagogik; Promoti- on in Neuerer Deutscher Literaturgeschichte; 1971 Akademische Oberrätin in Aachen und Dortmund; Habilitation in Literaturwissenschaft; seit 1986 Professorin in Aachen und Dortmund, daneben Lehrauftrag an der Katholisch- Theologischen Fakultät Universität Wien (Angaben nach den biographischen Angaben in Motté 1987 und Motté 1997). 46 Motté 1985, 411. 47 Ebd., 412. 48 Motté 1997, 18//19. 49 Motté 1987, 12. Dies wäre die literaturwissenschaftliche Umschreibung des ‘Deus-absconditus-Gedankens’, den Marie Luise Kaschnitz’ in ihrem ‘Tutzinger Gedichtkreis’ - darauf weist Motté selbst hin - folgendermaßen aus- drückt: „Du willst vielleicht gar nicht, daß von Dir die Rede sei, / Einmal nährtest Du Dich von Fleisch und Blut, / Einmal vom Lobspruch. Einmal vom Gesang / Der Räder. Aber jetzt vom Schweigen. / Unsere blinden Augen sam- melst Du ein / Und formst daraus den Mondsee des Vergessens. / Unsere gelähmten Zungen sind Dir lieber / Als die tanzenden Flammen Deines Pfingstwunders, / Sicherer wohnst Du als im Gotteshause / im Liebesschatten der ver- zagten Stirn.“ (zit. nach Motté 1987, 11) 50 Motté 1991a, 552. 51 Damit griff Motté auf Karl Rahners Konzept vom ‘anonymen Christen’ zurück (vgl. Rahner 1962/1971). - C.4.a - 188 sie, je auf den Einzelfall bezogen, durchaus als produktive Provokation zu begreifen, und sie riet in diesem Zusammenhang zu „Toleranz und Schweigen“52 und dazu, „anstößige, provozierende Werke“53 nicht überzubewerten. Die Integration der Kategorie des Blasphemischen in eine ka- tholische Literaturkritik wurde jedoch dadurch unterlaufen, dass Motté das Blasphemische auf den Autor selbst zurückzuwendete, den sie als erlösungsbedürftig beschrieb.54 Das methodische Problem solcher Bestimmung zeigt sich bei Ernst Jandl, bei dem Motté von der „eindeutigen Ablehnung der Erlösungsbedürftigkeit“55 ausging. Die Kategorie der Autorintention wird damit irrelevant, und es bleibt die Frage offen, wieviel an künstlerischer Autonomie der Literatur denn überhaupt noch zugestanden wird, wenn diese doch nur als Beleg für im Grunde eine einzige These verwendet wird, die nämlich von ‘Gralshüter’ und ‘Gralssucher’ - sei das dem Autor selbst bewusst oder nicht.56 • Implizit ist diese Frage durch den interpretatorischen Aufwand beantwortet, den Motté in dem Aufsatz von 199157 an das Jandl-Gedicht wendete. Bei dem im gleichen Aufsatz behandelten Oster-Gedicht der christlichen Autorin Christa Peikert-Flaspöhler dagegen beschränkte sie sich auf eine kurze Paraphrase, in der sie dem Gedicht zwar eine überzeugende Bildhaftigkeit bescheinigte, diesen Befund aber nicht analytisch belegte.58 • Explizit behandelte Motté die Frage nach der Methodik ihres literaturtheologischen Vorge- hens in einer neueren Veröffentlichung, in der eine Reihe ihrer Aufsätze zusammengefasst sind: Die ästhetische Analyse eines Textes, die nicht unbedingt explizit auszuformulieren sei, übernehme eine Art von erkenntnisleitender Vorstrukturierung und diene primär dazu, die in- haltliche Betrachtung von Literatur zu ergänzen bzw. zu korrigieren.59 Auch noch in anderer Hinsicht bleibt Mottés Bestimmung von moderner Literatur ambivalent. Als Ziel ihrer literaturtheologischen Bemühungen nämlich beschrieb sie einen intentionalen Gleichklang von Kunst und Kirche: „Welch fruchtbarer Austausch könnte entstehen, würde sich die Kirche auf die prophetische Di- mension der Kunst in ernsthafter Weise einlassen! Und wie tief könnten die Kunstschaffenden dringen, würden sie der in der Kirche tradierten Glaubensbotschaft der Bibel vertrauen und de- ren Botschaft über Gott, die Schöpfung und den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtun- gen stellen und sich nicht an Randproblemen aufreiben!“60 Die Unterscheidung von Wesentlichem und Unwesentlichem, ein altes Bewertungsmuster ka- tholischer Literaturkritik, wertet die zeitgenössische ‘gottferne’ Kunst, soweit sie sich nicht der kulturstiftenden Kraft der (katholischen) Kirche als Trägerin der christlichen Heilsbotschaft anvertraut, sublim ab: Vor dem Anspruch an Literatur, eine potentiell ‘bessere Prophetie’ sein zu können, muss ein Großteil der zeitgenössischen Literatur zwangsläufig als defizitär bestimmt werden. 52 Motté 1997, 81. 53 Ebd. 54 Vgl. ihre Ausführungen zu Ernst Jandls Gedicht ‘fortschreitende räude’ (Motté 1991a, 545). 55 Ebd., 542. 56 Dass Mottés Ansatz durchaus nicht nur das Werk, sondern auch die Person des empirischen Autors beansprucht, zeigt sich in einer Reihe von Formulierungen, u.a. der folgenden: „Es ist für die religiös-jüdisch-christliche Interpre- tation ein Glücksfall, wenn Textbestand, Intention und Glaubenshaltung übereinstimmen, wie z.B. bei Ch. Busta, H. Piontek, N. Sachs und u.a. [sic]“ (Motté 1997, 46) 57 Zit. als Motté 1991a. 58 Vgl. Motté 1991a, 550f.. Bezeichnenderweise fehlt das Gedicht von Peikert-Flaspöhler in dem überarbeiteten Neuabdruck des Aufsatzes in Motté 1997. 59 Vgl. Motté 1997, 145f. 60 Motté 1987, 19. - C.4.a - 189 Dieser katholischen, kirchlich gebundenen theopoetischen Praxeologie diametral entgegenge- setzt ist das Theopoesie-Konzept von Dorothee Sölle, das eine Alternative zur logosgeprägten diskursiven Theologie traditionellen Zuschnitts darstellen soll. Damit löste sich Sölle von dem rationalistischen Ansatz des frühen ‘Almanachs für Literatur und Theologie’, dessen erste vier Ausgaben sie von 1968 an mitherausgeben hatte.61 Dort war ein breites Spektrum von Literatur und Religion entwickelt, dessen Programmatik ich in den folgen- den Sätzen von Gerhard Debus finde: „Wie kann nun [...] das Wort Gottes, vorausgesetzt einmal, wir wüßten ziemlich exakt, was das sei, wie kann es zu Worten gemacht werden, zu menschli- chen, zu vergänglichen, zu zeitgebundenen, ohne daß es aufhört, Wort Gottes zu sein?“62 Der tastende Anfang der frühen Almanach-Hefte, die von der fünften Ausgabe an monothematisch waren, entwickelte sich bei Sölle hin zu einem als ganzheitlich verstandenen Sprechen über Gott. Die Frage nach christlich relevanter Literatur ist dabei verwiesen an die religiöse Lebenspraxis des Einzelnen, die als solche bedeutsam wird für eine Änderung gesellschaftlicher Lebensver- hältnisse: „Wenn die Menschen mit der größten Wahrhaftigkeit, deren sie fähig sind, das zu sagen versu- chen, was sie wirklich angeht, dann beten sie und sind zugleich Dichter.”63 Der therapeutische Rahmen, der hier abgesteckt ist, verweist auf das Problem der Übertragbar- keit. ‘Theo-Poesie’ bei Sölle bedeutet stets das Sprechen, das dem Einzelnen im Horizont des Emanzipativ-Eschatologischen vollgültig gelingt: „Es kommt darauf an, den persönlichen Psalm zu finden.“64 Ob dieses Gelingen analytisch aufweisbar wäre, ist - das zumindestens geht aus dem Gesamtzusammenhang von Sölles Schriften hervor - gebunden an eine entsprechende Intuition und Empathie, im Grunde sogar an eine konkrete Kommunikationssituation. Wenn allerdings, wie Meyer-Wilmes andeutete, die gesamte sprachlich formulierte christliche Tradi- tion in Sölles Sinn als ‘Theo-Poesie’ zu subsumieren wäre („[...] in jeder Rede [über Gott] ent- hüllen sich Momente des Werdens.“65 ), dann dürfte damit nur die gemeint sein, die aus dem bei Sölle ja sehr klar umrissenen Verständnis heraus das ‘Unbedingt Angehende’ berührt. Dann aber wäre ‘Theo-Poesie’ eine offene, dem jeweiligen Erkenntnisinteresse verhaftete Kategorie. Diesen subjektiven Zugriff räumte auch Meyer-Wilmes ein: „Dorothee Sölle benutzt verschiede- ne Sprachformen, um ihre Theologie zum Ausdruck zu bringen.“66 Sicherlich ist in einen solchen Fokus eine Autorin wie Teresa von Avila verhältnismäßig leicht zu integrieren. Wäre es aber auch jemand wie beispielsweise Kardinal Frings, der seinerzeit seine Kirchen für das von Sölle maßgeblich mit initiierte ‘Politische Nachtgebet’ hatte sperren lassen, was - ganz wertfrei formu- liert - möglicherweise die ihm gemäße authentische Art des ‘Redens von Gott’ war? Ich meine, dass hier Sölle (und ihre Interpretin Meyer-Wilmes) an ihren eigenen Maßstäben zu messen sein müssten: „Für eine postmoderne Rede über Gott gilt, daß jede Rede, ob mit, von, über oder jen- seits von Gott möglich sein muß, denn in jeder Rede enthüllen sich Momente des Werdens.“67 Gerade der Begriff des Sich-Enthüllens verweist ja darauf, dass das Entscheidende in Sölles ‘Theo-Poesie’-Konzept der Akt des Rezipierens ist. 61 Letzte Ausgabe 1981. 62 Debus 1968, 173. 63 Sölle 1995, 289. 64 Ebd. 65 Meyer-Wilmes 2000, 231. 66 Ebd. 67 Ebd. (Hervorhebung von mir). - C.4.a - 190 (iii) Theopoesie als Maßstab des erkenntnisleitenden Interesses Auf dem Bonner ‘Theopoesie’-Symposion von 199768 wurde der Begriff der ‘Theopoesie’ zwar am differenziertesten diskutiert, jedoch ausschließlich im Hinblick auf theologische Fragestel- lungen, sei es die ‘Poesie der Bibel’ (Jürgen Ebach) oder der ‘Text der Schöpfung’, verstanden als ‘Poesie Gottes’ (Albrecht Grözinger69 ). Darauf ist hier nicht näher einzugehen. Aus der offensichtlichen Relevanz des Theopoesie-Begriffs für die fachtheologische Diskussion70 lässt sich jedoch - diese These sei hier formuliert - nicht eine ebensolche Relevanz für die Litera- turwissenschaft folgern. Die Problematik der Theopoesie-Konzepte besteht nämlich in dem Unvermögen, über ihre Funktionalisierung im individuellen Leseakt oder im fachtheologischen Diskurs hinaus71 ihre jeweilige Extension zweifelsfrei zu bestimmen. Bezeichnenderweise ist dies ein Problem, das in neueren literaturtheologischen Veröffentlichungen undiskutiert bleibt. Nicht selten sogar besteht theopoetische Tätigkeit darin, passende literarische Werke im Sinne von Beglaubigungsargumenten zu kompilieren.72 Aus Sicht einer nicht-theologischen Literaturwissenschaft wären demzufolge eine Reihe me- tatheoretischer Fragen interessant, die im Umkreis der bisherigen ‘Theopoesie’-Diskussion bisher noch nicht erörtert worden sind: Wenn sich der Gegenstandsbereich entweder auf Litera- tur beschränkt, die eine explizit religiöse Thematik verhandelt, oder aber auf Literatur, die für den Einzelnen - sit venia verbo - ‘Theopoetik-Treibenden’ von existentieller Bedeutung war (oder ist), was wäre dann unter Theopoetik oder Theopoesie zu verstehen? Wäre es lediglich eine Bezeichnung für eine bestimmte theologische Tätigkeit, die für sich eine höhere Glaub- würdigkeit beansprucht als andere theologische Tätigkeiten? Welchen Regeln folgt diese Tätig- keit? Nur denen einer biographischen Beglaubigung? Wie wäre sie dann mitteilbar, wenn nicht über ein konfessorisches Sprechen, das eine entsprechende Perlokution einfordert? Und nach welchen Kriterien wäre zu entscheiden, ob diese Perlokution jeweils angemessen ist oder nicht? Setzen theopoetische Sekundär- oder Primärtexte nicht also vom Rezipienten voraus, sich zum jeweiligen Autor in ein bestimmtes Verhältnis zu setzen? Dürfte dies auch das Verhältnis einer kritischen Distanz sein, die die Prämissen literaturtheologischen Argumentierens in Frage stellt? Hinzu kommt, dass der Verweis auf die Beglaubigung durch die Biographie des Autors eine Tradition katholischer Poetik perpetuiert, nämlich den Primat einer unmittelbaren Rezepti- onssituation. Es stellt sich dann unausweichlich die Frage nach der Gültigkeit einer solchen 68 Dokumentiert in Schröer/Fermor/Schröter 1998. 69 Grözinger, A. 1998. Zur Vorstellung der Schöpfung als Text vgl. auch den Vortrag von Hermann Timm auf dem Symposion (ebenfalls abgedruckt in Schröer/Fermor/Schröter 1998, dort insbesondere S. 51). 70 Vgl. insbesondere Fritsch-Oppermann 1998 und Fermor 1998. 71 So etwa Paul Konrad Kurz: „In Kunst, Dichtung und Literatur steckt eine nicht auszuschöpfende Kraft. Sie ver- sammeln und beziehen den Menschen auf eine größere Welt. Sie führen ihn zu seinem wahren Selbst, zum wartenden Du. Sie zeigen ihm die sich öffnende Welt als Transzendenz.“ (Kurz 1996, 262) 72 Vgl. etwa Kuschel 1997, 40. - C.4.a - 191 Rezeptionssituation. Nach welchen Kriterien aber wäre die Gültigkeit zu bemessen? Vor allem: Welchen Primat müsste die Fachtheologie vor allen anderen nicht-theologischen Zugriffen le- gitimerweise beanspruchen, wenn es richtig sein sollte, dass, wie Paul Konrad Kurz meint, die „wichtigste Frage der Menschen [...] die Gottesfrage“73 ist - ein Satz im Übrigen, der im Hinblick auf den weltweit grassierenden religiösen Fundamentalismus von nicht geringer Bri- sanz ist. Die Schwierigkeiten, den ‘Theopoesie’-Begriff auch für eine nicht-theologische Diskussion von christlich relevanter Literatur funktional zu halten - anders gesagt: die methodischen Begren- zungen dieses Begriffes - zeigen sich in zwei Arbeiten aus jüngerer Zeit, zum einen in der Tü- binger Dissertation von Georg Langenhorst, zum anderen in dem umfassend angelegten semio- tischen Entwurf von Clemens Sedmak und Peter Tschuggnall (Innsbruck). Georg Langenhorst, der sich explizit auf die Literaturtheologie Kuschels und Mieths berief, begriff die Literatur als Möglichkeit, der Theologie genuin weltliche Erfahrungen zu erschlie- ßen. Langenhorst vermochte jedoch die von ihm proklamierte gegenseitige Befruchtung nicht überzeugend zu gestalten. Er setzte nämlich voraus, dass die literarische Auseinandersetzung mit dem Hiob-Stoff sich zumeist einer persönlichen Unzufriedenheit „mit den in diesem bibli- schen Buch gegebenen Antworten“ 74 verdankte. Daraus folgerte er, die aus diesem Antagonis- mus gewonnenen literarischen Bilder seien produktiv für die Theologie, denn: „In diesen Eigenpositionen liegt ein zusätzlicher Erkenntnis- und Fragegewinn für eine Theolo- gie, die nicht schon von vornherein davon ausgeht, immer schon über alle Einsichten selbst zu verfügen.“75 Dieser Einsicht jedoch widerspricht die Anlage des Buches: Am Ende seines Panoramas über die unterschiedlichen literarischen Ausgestaltungen des Hiob-Stoffes, denen Langenhorst im- merhin zugute hält, für dessen Zeitgemäßheit Zeugnis abzulegen, „Die biographische Betroffenheit und oft lebenslange Auseinandersetzung mit diesem alttesta- mentarischen Vorfahren lassen die Dringlichkeit und Unbedingtheit seiner [sc. Hiobs] Fragen und Probleme offen zu Tage treten.“76 referierte er nämlich die theologische Bedeutsamkeit Hiobs anhand einzelner fachtheologischer Positionen (Barth, Vischer, Gutiérrez, Küng), ohne dass hier ein Bezug zu den literarischen Hiob-Bildern deutlich gemacht würde. Auch der anschließend vorgenommene Vergleich zwi- schen Hiob und Jesus hat keinen Bezug mehr zu den literarischen Hiob-Ausgestaltungen. Dafür aber endet die Studie mit gerade der Antwort auf die zeitgenössischen Hiob-Erfahrungen, die 73 Kurz 1996, 7. 74 Langenhorst 1994, 330. 75 Ebd. 76 Ebd., 329. - C.4.a - 192 Langenhorst in seiner Einleitung der Theologie nicht hatte zugestehen wollen. Die Schlusssätze lauten nämlich: „Der in Christus gnadenhaft ermöglichte ‘neue Mensch’ darf deshalb in dem hoffenden Ver- trauen leben, daß nicht nur das Leiden, sondern selbst der Tod überwunden werden kann. In dieser vertrauenden Hoffnung auf den von Jesus verkündeten Gott, der Leid zu Heil wenden kann, erschließt sich das Angebot der Möglichkeit eines existentiellen Durchtragens von für Menschen unabänderlichem Leid.“77 Damit bleibt das theologische Sich-Berufen auf Literatur letztlich einer individuellen interpreta- torischen Entscheidung überantwortet. In einem Aufsatz über Jesus-Romane formulierte Lan- genhorst als „Grundsatzfrage“:78 „Wie [...] lassen sie sich charakterisieren, diese Jesusromane, als Kunst oder als Kitsch, als ernsthafte literarische, vielleicht sogar religiöse Herausforderung oder als billige Anbiederung an eine Massenpublikum?”79 Im Resümee dieses Aufsatzes aber kam Langenhorst zu dem Ergebniss, die von ihm besproche- nen Jesusromane zeugten von einer Auseinandersetzung mit der ‘bleibenden Faszination’ Jesu Christi; sie seien „stets ernstzunehmende Einladungen, mal oberflächlich, mal tiefschürfend, mal provokativ, mal fromm dem bleibenden ‘Phänomen Jesus’ nachzuspüren.“80 Anders for- muliert: Auch der literarische Kitsch - ich verwende hier eine Kategorie Langenhorsts - erlaubt eine in ihrer Art bedeutsame Rezeption. Dem ist beizupflichten. Dann allerdings wäre zu fra- gen, warum Langenhorst eine Wertdichotomie von ‘literarisch herausfordernd’ und ‘billig an- biedernd’ überhaupt erst voraussetzt. Die Innsbrucker Literaturwissenschaftler und Theologen Clemens Sedmak und Peter Tschug- gnall81 entwickelten vor wenigen Jahren den Begriff einer semiotisch fundierten Theopoetik. In einer Reihe von systematischen Längs- und Querschnitten skizzierten sie den Rahmen, aus dem heraus eine semiotische Literaturtheologie82 wissenschaftsgeschichtlich und -systematisch zu entwickeln wäre: Sedmak/Tschuggnall siedelten sie sowohl in Theologie an als auch in „jene Wissenschaften, welche die Rede von und über Gott in einem umfassenden kulturellen Kontext ansiedeln“.83 Gemeint war vornehmlich eine literaturwissenschaftliche Komparatistik, soweit jedenfalls sich deren Gegenstandsbereich - Henry Remak folgend - auch auf „den Vergleich der 77 Ebd., 406. 78 Langenhorst 1994a, 316. 79 Ebd. 80 Ebd., 319. 81 Clemens Sedmak promovierte in den Fächern Theologie und Philosophie/christliche Philosophie, Peter Tschug- gnall in den Fächern Theologie und Vergleichende Literaturwissenschaft (vgl. Konstantinovic 1998, V). Die jewei- ligen ‘Zuständigkeitsbereiche’ beider Autoren (Sedmak: Kap. 1, 2, 4-7, 12; Tschuggnall: Kap. 3, 8-11; vgl. Kon- stantinovic 1998, V) lasse ich in meiner Darstellung unberücksichtigt. 82 Der Begriff selbst fällt bei Sedmak/Tschuggnall nur adjektivisch (vgl. Sedmak/Tschuggnall 1998, 174) 83 Ebd., 140. - C.4.a - 193 Literatur mit anderen menschlichen Ausdrucksbereichen“84 erstreckt. Der normative Rahmen einer römisch-katholischen Theologie war dabei nicht aufgegeben;85 die Komparatistik fungier- te also nur als Hilfswissenschaft. Sedmak und Tschuggnall erörterten ausführlich das Dilemma einer semiotisch arbeitenden Theologie, nämlich den Umgang mit dem sog. „Index ‘G’“86 , der weder zu substituieren noch (methodisch) zu hintergehen sei: „Unter G-Sätzen wollen wir jene Sätze verstehen, die mit dem Anspruch eines kognitiven Ge- halts formuliert sind und in denen von Gott die Rede ist. Sätze mit diesen beiden Merkmalen [...] durchziehen das kirchliche Lehramt, dessen normative Kraft nicht ohne G-Sätze formuliert wer- den kann.“87 Theologischerseits sei eine besondere Klasse von Zeichen anzunehmen, nämlich diejenigen, „die prinzipiell nur von Gott produziert werden können“,88 und in dieser Annahme - die Sed- mak/Tschuggnall als Prämisse voraussetzten - liege die besondere Eigenart einer theologischen Semiotik: „Auch wenn prinzipiell unendlich viele alternative Zeichensysteme erzeugt werden können, bleibt das Bekenntnis zu einem von Gott ausgezeichneten Zeichensystem. Ohne diese Option wä- ren Bekenntnisse auch gar nicht möglich oder sinnvoll. Die Arbitrarität ist wie gewöhnlich die Versuchung, die die Semiotik in die Theologie einbringt.“89 In dem so umrissenen Rahmen fungiere Literatur als ‘Zeichen Gottes’, und die Literaturwissen- schaft - bei Sedmak/Tschuggnall: Die Literaturtheorie - diene der (semiotischen) Theologie als „Werkzeug“,90 das seinerseits nicht ‘objektive’ Einblicke verschaffe, sondern vom jeweiligen „Zeitgeist“91 abhänge. So ambitioniert die Untersuchung von Sedmak/Tschuggnall in ihrem methodischen Zugriff zunächst angelegt ist, so vorhersehbar bleibt sie in den argumentativen Mustern des litera- turtheologischen Diskurses befangen. Ein grundlegender gedanklicher Bruch trennt nämlich den dritten Abschnitt von den vorangegangenen: Das in den ersten beiden Abschnitten weitge- spannte methodische Panorama der Möglichkeiten semiotischer Theologie mündet hier in eine 84 Henry Remak: „Definition und Funktion der Vergleichenden Literaturwissenschaft“. In: Komparatistik. Aufgaben und Methoden, hg. von H. Rüdiger. Stuttgart 1973, hier S. 11; zit. nach Sedmak/Tschuggnall 1998, 176. 85 Ihr gesamtes Gedankengebäude verankerten Sedmak/Tschuggnall im System der römisch-katholischen Dogmen bzw. führen es argumentativ auf dieses zurück, weil jedwede theologische ‘Modellbildung’ „im Dialog mit Wissen- schaft und Kirche stehen“ müsse (ebd., 101); oder auch eleganter formuliert: „Theologie ist [immer] in normative Frameworks eingebunden.“ (ebd., 97). Der explizite und ausführliche Bezug auf einzelne Dogmen findet sich ebd., 97ff. (unter der Kapitelüberschrift ‘Der Rahmen des Lehramts’). Der explizite Bezug auf die römisch-katholische Dogmatik schließt nicht die Rezeption protestantischer Theologie aus (Marti, Sölle etc.), 86 Ebd., 84. 87 Ebd., 83. 88 Ebd., 84. 89 Ebd., 89. 90 Ebd., 40 (den Begriff setzen Sedmak/Tschuggnall selbst in Anführungszeichen). 91 Ebd. (der Begriff wiederum in Anführungszeichen). - C.4.a - 194 Reihe von Setzungen, die herkömmliche literaturtheologische Theoreme unreflektiert fort- schreiben, wenn auch in modernerer Diktion. Schon der von ihnen präferierte Aneignungsmodus von Literatur, der ganz in der Tradition ka- tholischer Literaturtheorie des 19. Jahrhunderts steht („Dichtung wird nicht geschrieben und veröffentlicht, damit Kritiker und Analytiker sie unter die Lupe nehmen und ‘verreißen’ können. Die Geduld des Lesens, des Hinhörens auf den jeweiligen Text muß im Vordergrund stehen und von der sekundären wissenschaftlichen Analyse gewissermaßen einladend unterstützt wer- den.“92 ), wird durch den umfangreichen methodischen Apparat, den Sedmak/Tschuggnall aufbie- ten, anschaulich widerlegt. Damit wurde - wenn auch unter semiotischen Vorzeichen - die Zuschreibungsproblematik der traditionellen Literaturtheologie aktualisiert, und zwar in zweierlei Hinsicht: (1) Wenn Sedmak/Tschuggnall Literatur daraufhin durchmustern, inwieweit sich darin ‘Zeichen Gottes’ finden, zugleich aber betonen, dass Zeichen gesellschaftlich konventionalisiert seien, dann sind damit die Bedingungen, unter denen die also dechiffrierten Zeichen als Zeichen nach- vollziehbar sind, als Bedingungen einer spezifischen Exklusivität formuliert. Das bedeutet: Wer die Zeichen nicht zu lesen versteht oder nicht als solche zu lesen bereit ist, der hat am kirchlich tradierten Heilsverständnis nicht teil. Zwar räumen Sedmak/Tschuggnall ein, dass die „religiöse Interpretation des Universums [...] keineswegs zwingend [sei], auch wenn sich viele gescheite Menschen bemühen, // diese Interpretation als die zumindest wahrscheinlichere auszuweisen.“93 Andererseits aber gehen sie davon aus, dass die Zeichen Gottes durch ihre schriftliche Fixierung gewissermaßen objektiviert seien und fordern einen diesbezüglichen ‘Alphabetismus’ ein, der - wenigstens potentiell - durchaus die Grenzen einer im engeren Sinne christlichen Sozialisation aufbrechen könnte: „Das Postulat von der ‘Lesbarkeit Gottes’ [...] kann auch bedeuten: Man muß lesen können, um eine Tür zu Gott zu öffnen. Die ‘Gotteskompetenz’ ruft nach der Aneig- nung einer spezifischen Kulturkompetenz (Alphabetismus).“94 (2) Ganz in der Tradition traditioneller Literaturtheologie steht auch die Auffassung der Säkularisie- rung als einer Verlustgeschichte, die - Sedmak/Tschuggnall berufen sich hier explizit sowohl auf T.S.Eliot als auch auf George Steiner - in direkte Korrelation zur Diagnose gegenwärtigen Kul- turverfalls gebracht wurde: Die Gegenwartskultur ist damit lediglich gedeutet als postmoderne Beliebigkeit, die nicht nur degeneriert sei (‘feuilletonistisches Zeitalter’), sondern in ihren künst- lerischen Hervorbringungen die Menschen nicht mehr erreiche: „Die Abkehr der Künste vom ehemals tröstlich Schönen wurde und wird von einem breiten Publikum zwar als solche wahrge- nommen, aber: in ihrer Negation weitgehend abgelehnt!“95 Aus den also aufgezeigten ‘Defiziten’ zeitgenössischer Kunst folgern Sedmak/Tschuggnall die Aufgaben von gegenwärtiger Literatur, indem sie - hier zeigt sich die katholische Konnotierung ihres Ansatzes - Dorothee Sölles Formel von der ‘Realisation’ umdeuten in einen an alle Schrift- steller gerichteten Imperativ: Es stehe „die Aufgabe im Raum, in der Sprache der Künste zu rea- lisieren, was die überlieferte religiöse Sprache verschlüsselt oder offenkundig ausspricht. Kunst steht - in einem ‘religiösen’ Sinn und im Rahmen sozialer Bindungen - in einem Zusammenhang mit Verantwortung.“96 Diese Verantwortung ist religiös konnotiert - in den Worten George Steiners, auf den sich Sed- mak/Tschuggnall mehrfach berufen: „‘daß es Anliegen und Privileg des Ästhetischen ist, das Kontinuum zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit, zwischen Materie und Geist, zwischen dem Men- schen und dem ‘anderen’ zu erleuchteter Gegenwart zu erwecken. In diesem allgemeinen und 92 Ebd., 173. 93 Ebd., 32//33. 94 Ebd., 195. 95 Ebd., 189. 96 Ebd., 193//194. - C.4.a - 195 exakten Sinne öffnet sich poiesis in Richtung auf das Religiöse und das Metaphysische, sie wird durch diese bestätigt.’“97 Damit geht der semiotische Ansatz von Sedmak/Tschuggnall in dem auf, was nur noch meta- phorisch als Akt von ‘Öffnung’resp. ‘(intellektueller) Entgrenzung’ zu bezeichnen ist. Zugleich wird der Kreis einer religiös (christlich) relevanten Literatur beschränkt auf das - als überzeit- lich wahr verstandene - ‘Privileg des Ästhetischen’. Wie diese Beschränkung in praxi anzu- wenden wäre, wie nämlich eine ästhetische von einer nicht-ästhetischen Literatur unterschieden werden kann, wenn doch die gesamte Kultur auf Gott verweist, ist bei Sedmak/Tschuggnall nicht erörtert, sondern schlicht vorausgesetzt: Literatur nämlich als Inbegriff all dessen, was sich ‘in Richtung auf das Religiöse und das Metaphysische’ öffnet, was also ‘reale Gegenwart’ im Sinne Steiners ermöglicht und einfordert. So rundet sich der logische Zirkelschluss im Zei- chen einer als individuell authentisch empfundenen Erfahrung von Ganzheitlichkeit. Es bleibt allerdings das Problem der Mitteilbarkeit einer solchen Erfahrung. Tatsächlich belas- sen es Sedmak und Tschuggnall nicht bei der Projektion einer ‘realen Gegenwart’, sondern verorten diese im Lesen - auch dies ein (offenbar unbewusstes) Anknüpfen an die katholische Literaturtheorie des 19. Jahrhunderts. Nicht nur ist die literarische Omnipräsenz des Erzählens konstatiert, sondern es wird auch ihre Notwendigkeit dadurch unterstrichen, dass sie als Garan- tin eines besinnlichen Miteinanders dargestellt ist, in dem erst der Mensch zu sich komme: „Sprach-Krise kann einhergehen mit einer Krise des Glaubens, diese wiederum mit einer Krise des Erzählens. [...//...] ‘Erzählungen’ sind notwendig (not-wendend) und lebenswichtig; aber: ‘Wir bringen nur noch mit Mühe Geduld für Geschichten auf.’ [...].“98 In der Kategorie der ‘narrativen Form’ als dem Nexus von Literatur und Bibel wird das ‘richtige’ Lesen von Literatur letztlich zum heilsgerichteten Akt. 97 Ebd., 179; das Zitat ist nachgewiesen bei Steiner, G. 1990, 296. 98 Sedmak/Tschuggnall 1998, 164//165 (das Binnenzitat ist nachgewiesen bei Kort 1987, 96) - C.4.b - 196 b) Christliche Lesepraxis (i) Christliches Interpretieren In der Literaturdidaktik christlicher Provenienz war seit den fünfziger Jahren die Frage nach der Relevanz von Literatur an deren christlichen Gehalt verwiesen worden, beispielsweise bei Karl Moritz in der Linnerz-Umfrage.1 Auch was Hans Altmann 1963 unter der Fragestellung ‘Was ist christliche Dichtung?’ erörterte, war de facto die Frage nach deren richtiger Einordnung und Beurteilung. In der zeitgenössischen säkularisierten, dabei von christlichen Überlieferungsele- menten geprägten Kultur komme es auf die richtige Interpretationshaltung an, um „der Größe der Erscheinung Christi“2 gerecht zu werden: „Dem Interpreten und dem Deutschlehrer bleibt die dankbare Aufgabe, in der abendländischen Dichtung diese Personen und Individuen zu erkennen, die von dem bewußten oder unbewußten Christentum des Verfassers Zeugnis ablegen.“3 Von dieser inhaltsbezogenen Betrachtungsweise löste sich Friedrich Kienecker, der in den sechziger Jahren in einer Reihe von Studienhandbüchern ein methodisch abgesichertes phäno- menologisches Interpretieren aus christlichem Geist vorführte, das auf der Prämisse katholi- schen Analogiedenkens beruhte.4 Indem sich Kienecker in die Perspektive des von ihm so apo- strophierten ‘durchschnittlichen Lesers’ hineinversetzte, deutete er die moderne Kunst als Aus- druck einer Entfremdung zwischen Künstler und Publikum, und unter Berufung auf Ortega y Gasset („das macht ja nicht den Menschen aus, daß er jede Verwirrung der Wirklichkeit regi- striert, sondern daß er sie ordnet“)5 wies er dem Interpreten die Aufgabe zu, die von den Dichtern aufgeworfenen Fragen in einer sinnvollen Synthese zu ordnen: „Indem der Dichter den menschlichen und gesellschaftlichen Zustand der inneren Unstimmigkeit bewußt macht (rationalisiert) und ihn als künstlerische Wirklichkeit in die Lebenswirklichkeit (wie einen Katalysator) einbringt, schafft er eine Spannung, die vielleicht schon die erste Vor- aussetzung für die Überwindung des Zustandes sein kann.“6 Eine christliche Auslegung könne die Kluft zwischen Künstler und Rezipient überbrücken, denn: „Die Ausnahme, der Sonderfall, das Abseitige, niemals bruchlos Übertragbare provoziert neben dem Widerstand gegen die konkrete Kunstfigur positiv den Willen zu neuen, besseren Entwür- fen.“7 1 Vgl. C.2.a.i. 2 Altmann 1964, 20. 3 Altmann 1964, 11. Zum Problem der Vermischung von Autor- und Erzählperspektive vgl. Kap. D.3.c.ii. 4 Die drei Bände über Lyrik, Prosa und Drama führe ich im Literaturverzeichnis an. Eine Bibliographie von Kienek- kers Veröffentlichungen zum Problem von christlicher und moderner Literatur gibt Michels 1981. 5 Ortega y Gasset: Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst [erstmals veröffentlicht 1925], München: dtv, 1964, S. 9; zit. nach Kienecker 1970/1973, 16. 6 Kienecker 1970/1973, 16. 7 Ebd., 17. Ähnlich hatte bereits Inge Meidinger-Geise Ende der fünfziger Jahre geschrieben: Kafkas Werke könnten „einer streng gebundenen Literatur wie der katholischen immer neue, großartig furchtbare Räume des bösen Elends, - C.4.b - 197 Soweit sich die ältere christliche Literatur traditioneller sprachlicher Muster bediene, sei sie für eine Auseinandersetzung des Christen mit der gegenwärtigen Welt irrelevant. Die Dialektik von künstlerisch evozierter Spannung und interpretatorischer Umgreifung beschrieb Kienecker vielmehr als notwendig. Es handelt sich hier nicht um spezifisch katholische Deutungsmuster. Ganz ähnlich hatte Heinz Beckmann 1965 argumentiert: „Indem Samuel Beckett jedoch dermaßen dringlich und unauf- hörlich das Leben von der Tafel löscht und die totale Sinnlosigkeit demonstriert, ruft er unwill- kürlich das Verlangen wach, es möchten auf der leeren Tafel andere Zeichen erscheinen, ein bislang verborgener Sinn dieses ganzen Unsinns, den wir Leben nennen.“8 Das bei Kienecker erarbeitete Programm einer produktiven Auseinandersetzung mit moderner Literatur am Maßstabe katholischer Dogmatik wies den Weg in zwei Richtungen. Die eine be- stand darin, die Beurteilungskompetenz des kirchlich gebundenen Lesepublikums zu heben. Hier wäre wiederum Magda Motté zu nennen, deren literaturtheologische Aufsätze ebendiese Perspektive einnahmen.9 1997 entwickelte sie einen Kriterienkatalog zur Bewertung „ärgerniserregender Werke“,10 anhand dessen blasphemische oder kirchenkritische Werke zu beurteilen seien. Dieser Katalog leitete sich her aus dem amtskirchlich fixierten Postulat, auch nach der Aufhebung des Index librorum prohibitorum sei jeder Katholik für seinen Lesestoff selbst verantwortlich.11 Den zweiten Weg ging Kienecker selbst: In der letzten Publikation, in der er sich mit dem Ver- hältnis von Literatur und Theologie beschäftigte, ging es nicht mehr um die Auseinanderset- zung mit moderner Literatur, sondern um Literatur überhaupt:12 „Ein vielstimmiges De profundis wird aus der modernen Literatur vernehmlich, ein unablässiger Ruf aus der Tiefe ins Offene, in Erwartung eines Lichts, in der Hoffnung auf Rettung.“13 Indem Kienecker das Künstlerische als „Authentizität der Weltbegegnung“14 im wesentlichen mit dem existentiell verantwortlichen Bewusstsein des jeweiligen Autors begründete, waren ästhetische Fragen im Grunde ausgeklammert: Zu der von ihm als christlich relevant bestimm- ten Literatur gehörten so unterschiedliche Autoren wie Franz Kafka, Reinhold Schneider und Josef Weinheber. Damit war die Strukturanalyse zurückgenommen auf den Fokus des indivi- duellen Lesens, das der jeweiligen Lektüre biographisch bedeutsamen Sinn zuschreibt. Dem verstanden im Sinne abgründiger Ungeborgenheit, eröffnen und zum nachdenklichen Prüfen auf letzte Errettungen anbieten“ (Meidinger-Geise o.J., 26). 8 Beckmann 1965, 15. 9 Zu Motté ausführlicher Kap. C.4.a.ii. 10 Motté 1997, 83f. 11 Dazu ausführlicher Kap. D.4.c.i. 12 Die in den Publikationen der sechziger Jahre angelegte Unterscheidung von klassizistischen und modernen Darstel- lungsweisen war nun terminologisch anders gefasst: Kienecker unterschied Dichtung (‘Gleichnis der Gnade’) von Literatur (Ausdruck eines dem Menschen eigenen religiösen Bedürfnisses). 13 Kienecker 1991, 135. 14 Kienecker 1991, 15. - C.4.b - 198 trägt nicht nur der assoziative Duktus der Darstellung Rechnung, mit der Kienecker sein per- sönliches Resümee einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit dem Thema vorlegte, son- dern auch deren des öfteren explizit gemachte lebensgeschichtliche Legitimation.15 Ein solches ‘Lesen aus christlicher Perspektive’ war als solches bereits in der traditionellen Literaturtheologie thematisiert worden.16 Im Zuge des Subjektivitätsdiskurses der siebziger und achtziger Jahre wie auch im Kontext katholischer Literaturarbeit gewann es in der Litera- turtheologie zunehmend an Bedeutung; diese zweifache, sowohl individuelle als auch institu- tionelle Ausrichtung drückt sich beispielsweise in Mottés Kriterienkatalog aus. Neben dem Theopoesie-Diskurs, mit dem es teilweise zusammenhängt, bildet das ‘Lesen aus christlicher Perspektive’ den zweiten Hauptstrang gegenwärtiger Literaturtheologie. (ii) Lesen aus christlicher Perspektive Es dürfte kein Zufall sein, dass seit den sechziger Jahren das christliche Interpretieren vor allem im katholischen Bereich entwickelt worden ist: Die Begegnung des christlichen Lesers mit zeit- genössischer Literatur ist ein spezifisch katholisches Thema,17 und es wird im katholischen Bereich mit größerem Anspruch vertreten. Das zeigt sich deutlich an zwei neueren Publikatio- nen, die bewusst als Niederschlag einer individuellen Lesepraxis publiziert wurden. Die literarisch-theologischen Essays des protestantischen Pfarrers und Literaturwissenschaftlers Jörg Schäfer zeichnen den Akt individuellen Lesens nach. Es handelt sich hier nicht um Inter- pretation, sondern - wie es im Vorwort heißt - um „Literaturbetrachtung“.18 In den Meditatio- nen,19 den Auslegungen von Bibelstellen mitsamt dazugehöriger literarischer ‘Paralleltexte’20 sowie in den assoziierenden Reflexionen schlägt sich unmittelbar der Zusammenhang von Li- turgie und Gemeindearbeit nieder, aus dem heraus die einzelnen Kapitel auch entstanden sind: „Es war für mich faszinierend zu bemerken, wie ich beim Wiederlesen von Eliots Gedicht [das erste der ‘Vier Quartette’] Symbole und Gedanken wiedererkannte, die mich bei der Gestaltung meiner Abendmahlsarbeit bewegten. [...] Lange nach der Abendmahlsarbeit führten diese gro- ßen Verse zu einem suggestiven eucharistischen Zusammenklang.“21 15 In ähnlicher Weise begründet auch Kuschel (1997) seinen theopoetischen Entwurf (vgl-. Kap. C.4.a.i). 16 Vgl. Kap. C.1.d. 17 Vgl. dazu auch Kap. C.3.a.i. 18 So Peter Heller in seinem Vorwort (Heller, P. 1996, XI). 19 Schäfer, J. 1996, 157ff. 20 Vgl. ebd., 142ff. 21 Ebd., 165. - C.4.b - 199 In seiner Studie erörterte Schäfer also nicht die Funktion christlicher oder christlich relevanter Literatur im allgemeinen, sondern deren Bedeutung für den einzelnen im Kontext kirchlicher Arbeit. Die Studie war also, auch über den unmittelbaren Anlass ihrer Entstehung hinaus, pa- storal-seelsorgerlich intendiert.22 Schäfers Definition, dass sich in Literatur der ‘Kampf um Möglichkeit’ exemplarisch zeige, diente dazu, Literatur als Medium theologischer seelsorgerlicher Reflexionen zu legitimieren. Perhorresziert war in diesem Zusammenhang nicht das Belanglose - dieses war überhaupt nicht erwähnt -, sondern das sich selbst verabsolutierende Ästhetische. Dies war nicht nur ein Rekurs auf die Tradition der protestantischen Literaturtheologie.23 Es zeigt sich hier auch, dass Schäfer mit seiner Studie den literaten, sc. den literarisch interessierten Leser ansprach. Einen umfassenderen Anspruch vertrat der katholische Schriftsteller Godehard Schramm,24 der 1997 in einem Buch über die christliche Literatur nicht nur einen Lesekanon vorschlug,25 sondern auch eine Praxeologie individuellen christlichen Lesens modellhaft an sich selbst vor- führte - das Lesen von christlicher Literatur als Weg zum Glauben: „Dieser Lese-Überlandgang gleicht auch einer einsamen Wanderung - nachdem mitunter die Spur verloren ging; er ist auch ein Bekenntnis zur Bereitschaft: sich immer wieder neu bekehren zu können [...].“26 Schramm verstand sein Werk nicht als systematischen Beitrag zur literaturtheologischen Diskus- sion, sondern als Destillat seiner eigenen Erfahrungen mit christlicher bzw. christlich relevanter Literatur, also mit seiner Lesebiographie. Als solches wäre es lediglich ein Dokument individuel- ler Rezeptionspraxis. Bedeutung innerhalb des literaturtheologischen Diskurses erhielt die ‘Lesebiographie’ jedoch dadurch, dass sie im Verlag des bayerischen Sankt Michaelsbundes er- schien und somit zur offiziösen katholischen Literaturarbeit gerechnet werden kann.27 Ein litera- turpolitischer Impetus geht zudem aus dem Klappentext hervor; hier wird dem Buch - einem „lange vermißten Beitrag zum Gespräch zwischen Literatur und Christentum“28 - die Qualität des Ungewöhnlichen und Provozierenden bescheinigt. Die Funktion christlicher Literatur sah Schramm im „WeltBegreifen“29 und „SinnGeben“.30 Hierfür berief er sich auf Walter Niggs Satz von der heilenden Kraft christlicher Literatur,31 soweit sie beim Lesen „das Fernglas Richtung SinnFinden durch den christlichen Glauben um eine Drehung schärfer stellt [.]: ins Unendliche offen.“32 Christliche Literatur diene dazu, „die 22 „Entscheidend für den Grenzgänger ist die concordia discors, der Zusammenklang des Verschiedenen, die dialek- tische Zusammenschau von Horizonten. Das ist oft persönlich, auch seelsorgerlich orientiert; trotz mancher steilen Eskapade will sich der Pfarrer nie verleugnen.“ (Ebd., 5; vgl. auch 52ff. oder 173). 23 Vgl. Zwischenresümee 1. 24 Geboren 1943 in Konstanz; aufgewachsen in Mittelfranken; Studium der Slawistik, osteuropäischen Geschichte, Germanistik, Sinologie, Theologie und Geschichte des christlichen Ostens.; Promotion über den Autor Jewgeni Jewtuschenko; seit 1972 freier Schriftsteller in Nürnberg. 25 „Diese mit Leseliebe geschriebene Studie ist ein Versuch, Gültiges und Maßstäbliches zu empfehlen.“ (Schramm 1998, 15). 26 Ebd., 10. 27 Das Buch basiert auf Vorträgen, die Schramm im Jahre 1992 auf Veranstaltungen des St. Michaelsbundes hielt (vgl. Schramm 1998, 129). 28 Zitat aus dem Klappentext. 29 Schramm 1998, 17. 30 Ebd. 31 Vgl. Kap. C.2.c.iv. 32 Schramm 1998, 75. - C.4.b - 200 Verstehfähigkeit, also die BegreifsGrenzen - auch des Christlichen - immer wieder“33 zu erwei- tern. Verstehfähigkeit und Sinngeben sind allerdings konfessionell konnotiert und weisen - aus der Perspektive des literarisch mündigen Katholiken - zurück in die Argumentationsmuster des vorkonziliaren katholischen Literaturdiskurses, der an Literatur den Maßstab eines konfessio- nellen Interesses anlegt:34 Wenn Schramm in der Schilderung eines intakten ländlich- katholischen Lebenszusammenhanges - beispielsweise in den Geschichten der tschechischen Autorin Bozena Nemcová (1820-1862) - immer wieder eine „AlltagsHeiligung“35 dargestellt findet, dann fasst er damit katholische Volksliteratur in ihrer ‘wohltuenden Archaik’ (Schramm) als Paradigma für eine Literatur des Wesentlichen auf. Auch sein zentrales Kriterium für den Wert christlicher Literatur, nämlich die „Mühe [...], mit der ein Autor zum ‘Grund’ kommen will“,36 ist de facto ein Zuschreibungsakt. Das zeigt sich an der Einschätzung des Werks von Heinrich Böll: Dieses sei modisch, weil es einer diesseitigen Religionskritik verhaftet bleibe und „die ‘unendliche’ Dimension des Glaubens“37 verschwei- ge. Anders als in Bölls ‘Irischem Tagebuch’ teile sich in den ‘Irischen Erzählungen’ der Schriftstellerin Barbara von Wulffen „etwas von der magischen Macht ‘religiösen’ Tuns“38 mit, und anders als bei Böll seien die Werke Barbara von Wulffens „von einer Ehrfurcht ge- prägt, die des Menschen Welt nicht auf ‘Umwelt’ reduziert, sondern sie mit dem Liebesblick betrachtet [...].“39 Solche interpretatorischen Befunde mitsamt ihrer kaum verhohlenen politi- schen Polemik lassen einen Interpreten erkennen, dessen Auslegungspraxis nicht auf Wider- spruchsfreiheit zielt, sondern auf intuitives Erfassen und der sich mit seinen Lesern in einer (sozialisationshaft vermittelten) Gleichgestimmtheit einig weiß. Tatsächlich lehnte Schramm für den Bereich der christlichen Literatur eine „FachleuteExegese“40 ausdrücklich ab - eine Abgrenzung, die Jörg Schäfer nicht zu vollziehen brauchte, weil sie in seinem Konzept (und in seinen konfessionellen Traditionen) nicht notwendig ist. 33 Ebd., 80. 34 Vgl. dazu ausführlicher Kap. D.3 bis D.5. 35 Schramm 1998, 76. 36 Ebd., 22. 37 Ebd., 20. 38 Ebd. 39 Ebd. Schramm macht allerdings deutlich, dass er den christlichen Schriftsteller nicht als private Person, sondern in seiner Funktion als Autor sieht. Kritik an einer vordergründigen Religiosität in Bölls ‘Irischem Tagebuch’ hatte bereits Curt Hohoff geäußert (vgl. Hohoff 1960, 92f.). 40 Schramm 1998, 77. - C.4.b - 201 (iii) Kulturchristentum Was bei Schäfer und Schramm Ergebnis einer individuellen Lesepraxis war und sich an ein bildungsbürgerliches Lesepublikum richtete, das die jeweils entfalteten Lesewege nachzuvoll- ziehen imstand und bereit war, ist in institutionell-wissenschaftlichen Kontexten (Kantzenbach, Gössmann und Biser) in den größeren Zusammenhang gegenwärtiger Kultur gestellt und dem- entsprechend ausführlicher entwickelt. Im vierten Band seines Werks ‘Geist und Religion der Neuzeit’ belegte Friedrich Wilhelm Kantzenbach an einer Reihe von Beispielen, wie sich in der neuzeitlichen Literatur eine Aus- einandersetzung mit Religion vollzog, die er als Sinnzuschreibung, als „Durchbruch zum Sein“41 beschrieb.42 Sein Interesse war zunächst ein theologisches; es richtete sich auf den „Wirklichkeitsgehalt der Gegenwartsdichtung“,43 durch den „die Sprache der modernen Weltliteratur pneumatisch“44 werde: „Der Dichter unserer Zeit hat weithin ein viel sichereres Gefühl für die Frage des engen Zu- sammenhangs zwischen Sprache und dem, was man als das Ewige, das Transzendente, das Hei- lige bezeichnen könnte.“45 Daneben verstand Kantzenbach seine Veröffentlichung auch als Beitrag zum Selbstverständnis der gegenwärtigen Kultur, in der eine „Literatur der [metaphysischen] Anspruchslosigkeit ge- radezu kanonisiert“46 werde. Zwar trennte er phänomenologisch die Religion als gelebte Glau- benserfahrung von der Literatur als deren Beschreibung, wies der Literatur jedoch die Aufgabe zu, gegenüber postmoderner Mythenbeliebigkeit47 die „Sinnhaftigkeit der Schöpfung“48 zu vermitteln: „Die destruktive Energie, die sich in beliebiger Sinnproduktion erschöpft, wird dann in die posi- tive Energie des Lebens, der Heilung, des Protestes, der Klage, des Trostes verwandelt wer- den.”49 41 Kantzenbach 1992, 260. Genauer. „Der Durchbruch zum Sein ist mit Staunen vor dem Wunder des Daseins ver- bunden, mit dem Bewußtsein, geschenkweise einer Neuentdeckung teilhaftig geworden zu sein, die nicht selbstver- ständlich ist, zumal in der technisierten Welt.“ (ebd.) 42 Diese Thematik entwickelte Kantzenbach in einer Reihe von Publikationen, vor allem auf den deutschsprachigen Raum bezogen (vgl. etwa Kantzenbach 1984, 1988 und 1993). 43 Kantzenbach 1992, 13. 44 Ebd. 45 Ebd. 46 Ebd., 261. Kantzenbach bezog sich hier auf Martin Walsers Essay ‘Woran Gott stirbt’ (abgedruckt in ‘Liebeserklärungen’, Frankfurt/M. 1983). 47 Kantzenbach lehnte den weltanschaulichen Pluralismus der Gegenwart nicht ab, fasste ihn jedoch unter ethischem Aspekt: Entscheidend bleibe das „Engagement für humanistische Werte und humanes Ethos“ (ebd., 254; vgl. auch S. 417) und der Bezug zu einer wie auch immer gearteten Erfahrung eines integralen Sinnganzen (vgl. etwa S. 335, 383, 415 und passim). 48 Ebd., 260. 49 Ebd. Darüber hinausgehend sprach er von August Winnig und Rudolf Alexander Schröder als den „Schriftstellern, die es mit uns Theologen allemal aufnehmen konnten, wenn es um den Einsatz für die evangelische Botschaft ging.“ (ebd., 445) - C.4.b - 202 Ergiebig ist Kantzenbachs Ansatz im Hinblick auf diejenige Literatur, in der sich - von der bis- herigen Literaturtheologie weitgehend unbeachtet - eine existenzielle Glaubensproblematik zeigt (Oskar Panizza, Hugo Ball);50 aufschlussreich auch die Erörterung der theologischen Re- levanz von christlicher Motivik und christlichem Sprachduktus bei Hauptmann, Wiechert, Broch, Jahnn und anderen. Jedoch verblieb Kantzenbach mit seiner Darstellung vornehmlich im Bereich der Literaturhistorie. Seine oben zitierte Prämisse vom ‘Pneuma der modernen Weltli- teratur’ reduzierte naturgemäß die Bandbreite heutiger Gegenwartsliteratur auf diejenigen Wer- ke, in denen eben diese Thematik zur Sprache kommt, und als weiteres Kriterium eines aus- schließenden Interesses nannte Kantzenbach die (als solche nicht näher problematisierte) „Universalität des Geschmacks“.51 Lag bei Kantzenbach der Akzent auf einer geistesgeschichtlichen Beschreibung der neuzeitli- chen Kultur aus christlicher Sicht, die der Trennung von vollzogener und beschriebener Religi- on stets eingedenk war, akzentuierte das von Wilhelm Gössmann entwickelte Konzept eines ‘Kulturchristentums’ auch dessen produktive Aspekte: Der Begriff des Kulturchristentums be- zeichnet sowohl eine entsprechende lebensgeschichtliche Prägung als auch einen bewussten Akt christlich konnotierter kultureller Praxis, wobei jedoch der Aspekt des Individuellen, Nicht-Kirchlichen betont ist: Kulturchristentum meint die produktive Auseinandersetzung mit Kultur aus christlichem Geist, diesseits von kirchlichen oder theologischen Normstiftungen, die aber zurückzielt auf kirchliche bzw. christliche Kulturpraxis, genauer: auf deren Literarisie- rung.52 Prononciert verteidigte Gössmann ein nicht-theologisches Sich-Aneignen der christli- chen Tradition, indem er mit deren Sprachlichkeit argumentierte: „Mehr als die [theologische] Wissenschaft bleibt die Literatur in ihrem Umgang mit Wort und Sprache der Unmittelbarkeit der Erfahrung zugewandt, spürt der Unverfügbarkeit nach, sprengt sogar, paradox ausgedrückt, die Diktatur des Wortes. Für eine Wortreligion ist Literatur uner- läßlich.”53 Der Begriff des ‘Kulturchristentums’ ist also als Synonym für die künstlerische Produktivität des Christentums zu verstehen,54 die Gössmann mit dem 18. Jahrhundert ansetzte, als sich der 50 Vor allem hinsichtlich der Autoren, die von der bisherigen Literaturtheologie wenig oder gar nicht behandelt wur- den: Oskar Panizza und Hugo Ball. Letzterer rückte erst in jüngerer Zeit als christlicher Autor in den Fokus litera- turtheologischen Interesses, zuerst - so weit ich sehen kann - bei Paul Konrad Kurz (1971; im Essay ‘Warum ist die christliche Literatur zu Ende?’). Panizza ist im avancierten literaturtheologischen Diskurs nur gelegentlich erwähnt, und dann auch nur als Autor des ‘Liebeskonzils’. 51 Ebd., 18. 52 Vgl. Gössmann 1990, 54. Diese Literarisierung beinhaltet, wie verschiedene Publikationen Gössmanns zeigen, auch ein In-Worte-Fassen (und Weitergeben) christlicher Erfahrungen. David Seebers Kritik an einem Kulturchri- stentum, das das Christliche „vorwiegend nur als ethisches Ideal“ (Seeber 1990, 86) auffasse, ist in diesem Falle also unberechtigt. Produktiver ist ohnehin der deskriptive Ansatz von Urs Altermatt, der als unterscheidendes Merk- mal zwischen dem ‘Katholiken der Kerngemeinde’ und dem ‘Auswahlkatholiken’ die jeweilige Nähe (bzw. Distanz) zur offiziellen Amtskirche sieht (vgl. Altermatt 1989, 79ff.). 53 Gössmann 1990, 15. 54 Hier hob Gössmann die Religionskritik des 18. Jahrhunderts hervor, vor allem Lessing, Voltaire und Heine (vgl. Gössmann 1990, 134ff.). - C.4.b - 203 literarisch-religiöse Diskurs aus dem Rahmen der Kirche heraus verlagerte, und die er für die Gegenwart im Prozess einer ‘Literarisierung’ einzuholen gedenkt.55 Man mag einwenden, dass damit die Problematik des Verhältnisses von christlicher und literarischer Praxis zugunsten einer semantisch unscharfen Begrifflichkeit verwischt wird,56 und unverkennbar richtet sich Gössmanns Konzept an eine sich im weitesten Sinne als christlich empfindende bildungsbür- gerliche Schicht, die des Literarisiert-Werdens nicht bedarf.57 Davon abgesehen eröffnet es jedoch eine Wahrnehmungsbreite, die nicht nur die Konstruktion eines ‘Dialogs zwischen Lite- ratur und Glaube’,58 sondern auch eine religiöse ‘Spurensuche in der Literatur’ hinter sich lässt: „Aus Theaterstücken, Gedichten und Prosatexten kann man erfahren, wovon unser heutiges Be- wußtsein bewegt ist. So bekommt man ein Problembewußtsein, ohne die inhaltlichen Aussagen akzeptieren // zu müssen. Der kritische Blickwinkel legt Kräfte frei, bereitet Einsichten vor, zu denen man ohne die Anstöße aus der Literatur nicht käme. [...] Aufgrund der Form ihrer Dar- stellung bedingt jede Literatur Liberalität.”59 Bei Eugen Biser dagegen, seinerzeit Nach-Nachfolger Romano Guardinis auf dem Münchener Lehrstuhl für christliche Weltanschauung, ist ein Verfahren ausgeprägt, das den kulturkatholi- schen Ansatz Guardinis60 weiterführte und die produktive Auseinandersetzung katholischer Theologie mit der Gegenwartskultur vertrat. Bisers Beitrag zur Literaturtheologie bestand seit den späten fünfziger Jahren darin, den „theologischen Quellenwert“61 zeitgenössischer religiö- ser Literatur in immer neuen Zugriffen zu bestimmen.62 Für seine Methode ist aufschlussreich, dass Biser in seiner Le-Fort-Studie von 1980 das Verhältnis von christlicher Literatur und Leser als das eines unidirektionalen ‘Einvernehmens’ betonte - ein Begriff, der sowohl Einfühlung als auch autoritative Weisung in sich fasst, also Führung und Anleitung des Lesers. Gertrud von le Forts schriftstellerisches Werk gehe „mit seiner Aussage buchstäblich unter die Haut. Es trifft den Kern der Sache, weil es aus reli- giöser Erfahrung spricht und den Leser auch dort, wo es einsame und steile Wege geht, nie aus dem mit ihm aufgenommenen Einvernehmen entläßt.”63 55 Vgl. insbesondere Gössmann 1990, 13 sowie die Kapitel III, 5: ‘Kulturchristliches Mittelalter’ und VII: ‘Religion als literarischer Kulturbesitz’. Die Literarisierung erstreckt sich auch auf Gössmanns Darstellungsweise. In Göss- mann 1998 etwa verschränken sich wissenschaftliche Darstellung und meditative Einschübe. 56 Osinskis Kritik allerdings („Höhepunkt an Begriffsverwirrung“; Osinski 1993, 20, Anm. 29) ist nicht nachvolll- ziehbar. 57 Der Anspruch der Literarisierung richtet sich sowohl auf die Christen als auch auf die Kultur und schließt Musik, Malerei, Architektur etc. ein (vgl. dazu beispielsweise Gössmann 1990, 249ff.). 58 “So gibt es zwischen Religion und Literatur seit den Anfängen eine kontinuierliche, wenn auch sich wandelnde Anziehung und Affinität, bis hin zu Formen der Ununterscheidbarkeit.“ (Gössmann 1990, 254) 59 Ebd.,. 11//12. 60 Vgl. dazu Kap. C.1.d. 61 Biser 1980, 9. 62 Auf die Bedeutung Bisers für die theologische Theoriebildung kann ich hier nicht näher eingehen. Vgl. dazu aus- führlicher Becker, G. 1978 und 1980. 63 Biser 1980, 9. - C.4.b - 204 Indem Biser dem Werk le Forts den Rang eines ‘gelebten Zeugnisses’ einräumte, markierte er zugleich den Anspruch seines eigenen literaturtheologischen Ansatzes: eine „Einführung in die christliche Innerlichkeit“64 sowie - allgemein - die „Förderung im Glauben“:65 „Stark wie der Appell, der von diesem Werk ausgeht, ist auch die Intensität der Beziehung, die sich im deutenden Umgang mit ihm herstellt.”66 Bisers Kulturdeutung zielt also zum einen auf ein Bewusstsein für religiöse Sprache, d.h. - um hier eine katholische Biser-Deutung aufzugreifen - „die spezifische Eigenheit des christlichen Ursprungs rein aus ihm selber und gegenwartsbezogen zugleich zur Sprache zu bringen und freizulegen von allen Verkrustungen verfälschender Übergriffe durch fremde Denkkategori- en.“67 Ins Blickfeld rückt hier vor allem die „empirievermittelnde Sprach-Fähigkeit“68 von Literatur. Die Beurteilung der Literarizität tritt demgegenüber in den Hintergrund: Literarisch-sprachliche Anachronismen im Œuvre le Forts gab Biser zwar zu, sprach auch von der „gelegentlichen Dis- krepanz und [sic] Form und Sprache“,69 erklärte aber die sprachlichen Schwächen mit der sug- gestiven Wirkungsabsicht des Werkes.70 Der Primat eines vor allem inhaltsbezogenen Interpre- tierens zeigt sich noch darin, dass Biser das provokative Potential von le Forts Kirchenkritik - es noch ex post hinsichtlich seiner Kirchentreue qualifizierend (!) - ausdrücklich zurückband an die Person der empirischen Autorin: „Kritik ist nur dort glaubhaft, wo sie aufgrund einer unzweifel- haften Kompetenz geübt wird. Zu derart radikaler Kirchenkritik, wie sie [...] von der Galilei- Novelle geübt wird, erscheint die Dichterin deshalb erst dann befugt, wenn deutlich wurde, daß ihrem Werk eine im religiösen Sinn weiterführende Aussage zu entnehmen ist.”71 Zum anderen geht es bei Biser um „die Thematisierung des konkreten, individuell wie gesell- schaftlich verantworteten Vollzuges christlicher Existenz“.72 In seiner Schrift vom ‘inwendigen Lehrer’ ist unter Rückgriff auf Augustinus ein Konzept des richtigen Lesens entwickelt, und in diesem Zusammenhang betonte Biser das im engeren Sinne Therapeutische an religiöser Lektü- re73 - ein im Zusammenhang gegenwärtiger katholischer Literaturarbeit oft zitierter Gedanke. 64 Ebd., 10. 65 Ebd. 66 Ebd. 67 Becker, G. 1978, 130. 68 Ebd., 131. 69 Biser 1980, 67 (gemeint ist offenbar: ‘Diskrepanz zwischen Form und Sprache’). 70 Vgl. ebd., 230ff. 71 Ebd., 221. 72 Becker, G. 1980, 39. 73 Vgl. etwa Biser 1985. - C.4.c - 205 c) Religiöses Buch und Buchpastoral Der Diskurs der traditionellen Literaturtheologie, wie ich ihn in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt habe, löste sich in den Jahrzehnten nach 1945 zunehmend von der traditionellen religiösen Milieuliteratur, wie sie vor dem Krieg bestanden hatte. Nicht nur wurde - jedenfalls soweit es die deutschsprachigen Autoren betraf - der Kanon der christlichen Literatur auf einige wenige Namen verengt, um den Rang christlicher Literatur im literarischen Diskurs der zeitge- nössischen Gesellschaft zu behaupten. Auch die herkömmliche religiöse Lesekultur wurde zu- nehmend marginalisiert, obwohl sie im Raum der Kirche nie aufgehört hatte zu existieren.1 In diesem Kapitel soll deshalb abschließend der dritte Hauptstrang gegenwärtiger Literaturtheo- logie behandelt werden, der den Aspekt der literarischen Kompetenzerweiterung unter dem Stichwort ‘religiöses Buch’ diskutiert. Eine prononciert religiöse Lesekultur wurde in den sechziger Jahren durch ein neues Interesse an religiöser Thematik aufgewertet. Das Lesen von christlicher Literatur, schrieb Werner Ross 1969, sei aufgegangen in einer Kultur der „Praxis und Empirie von Diskussion, Kritik, Neube- sinnung“,2 und hieraus erwachse ein neues Selbstverständnis, das nicht mehr auf ein literarisch vermitteltes Verstehen von Welt ziele, sondern auf christliche Praxis: „Niemand glaubt mehr an die Formel vom Christlichen Abendland oder gar an die Möglichkeit der Rechristianisierung der Menschheit, aber wir fangen wieder an zu verstehen, was die Worte Christi vom Sauerteig und vom Salz der Erde bedeuten.“3 Noch 1976 jedoch beklagte Ludwig Muth,4 dass nach dem Ende des Index „ein neues, positi- ves Konzept kirchlicher Buchpolitik noch nirgendwo in Sicht“5 sei. Seit den sechziger Jahren beschäftigte sich Muth in einer Reihe von Aufsätzen vornehmlich mit der Frage nach dem Stellenwert religiöser Lektüre im allgemeinen Buchmarkt. Damit bilden seine Arbeiten einen Nebenstrang des literaturtheologischen Diskurses. Dieser hatte sich seit 1945 vornehmlich am Gesamtsystem Literatur orientiert; die Bemühungen um eine Lesepastoral (synonym: Buchpastoral) hingegen siedeln diese im Raum der religiösen Kultur an.6 Das bedingt auch eine soziale Differenz: Steht hier die Gemeindebildung im Vorder- grund, so ist dort zum einen - im Begriff der Theopoesie - der Fachtheologe angesprochen, zum anderen der sich religiös gebunden fühlende Kenner oder Liebhaber von Literatur. Die Präsup- 1 Vgl. dazu für den Bereich des Katholizismus ausführlicher Kapitel D. 2 Ross 1969, 341. Vgl. dazu auch Kap. C.2.b.i. 3 Ross 1969, 341. 4 Geb. 1930, Dr. phil., in leitender Funktion beim Herder-Verlag tätig, seit den sechziger Jahren Vorsitzender des Ausschusses für Buchmarktforschung beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Angaben nach Seidel 1987, 148). 5 Muth 1976, 307. 6 Exemplarisch etwa Karl Rahner, der die praxeologische Dimensionen des ‘religiösen Buches’ betont: Es solle nicht nur „neu, ehrlich und radikal den letzten Fragen sich stellen“, sondern es müsse „vor allem Einweisung in die er- sten Ur- // sprünge jedes echten religiösen Vollzuges, nicht die Ausarbeitung eines komplizierten religiös-aszetischen Apparates sein“ (Rahner 1966/1971a, 514//515). - C.4.c - 206 position allerdings bleibt die gleiche, nämlich dass religiöse Kultur in der Gefahr stehe, sich in ein Ghetto zurückzuziehen. Zeigt sich in der avancierten Literaturtheologie deutlicher das - bis- weilen ostentativ hergezeigte - Bemühen, eine Ghettoisierung qualitativ zu überwinden, beharren die neueren Ausprägungen der traditionellen Literaturtheologie - unter Berufung auf entspre- chende Ergebnisse der Buchmarktforschung - darauf, dass die Rede vom Ghetto religiöser Kultur von vornherein nicht stichhaltig sei. Muth richtete sein Augenmerk auf den Prozess des (kommunikativen) Lesens in seinen pasto- ral-theologischen Dimensionen;7 der Umgang mit dem religiösen Buch ist also als ‘pastorale Gestaltungsaufgabe’8 begriffen. In diesem Zusammenhang wird das Buch zum „Urmedium des Glaubens“.9 Muths Literaturbegriff ging also über den der bisher behandelten Autoren hin- aus:10 das religiöse Buch als Teil einer das Leben prägenden ‘Glaubensbibliothek’.11 Der An- spruch allerdings ging über das einzelne Lesen hinaus: Dieses könne und solle einen „Beitrag zur Rehumanisierung unserer Welt“, d.h. zu deren Gesundung beitragen:12 „Lesekultur im religiösen Sinne hat freilich mit einem beliebigen Herumstochern in den Texten nichts zu tun. Lesen, das dem Glauben dienen soll, tritt unter einen hohen Anspruch. Es geht letztlich um die Umkehr des Herzens. Auch hier ist wiederum der existentielle Leser gefragt, der sich ergreifen und verändern läßt.“13 Auch bei einer Fachtagung zum Thema ‘Lesen mit-teilen. Die Rezeption des Buches als pasto- rale Herausforderung’, die im Februar 1999 in der Katholischen Akademie Freiburg stattfand, wurde die Frage diskutiert, wie religiöse Literatur in die Gesellschaft hineinwirken könne. Da- vid Seeber14 sah als Desiderat des zeitgenössischen Literaturdiskurses eine Literatur, die der Orientierung dienen könne. Drückte sich in den Arbeiten Ludwig Muths nur eine katholische Perspektivierung aus, machte Seeber diese Perspektive explizit. Der Katholizismus müsse sich schon deswegen nach außen öffnen, weil ihm in der heutigen Zeit Orientierungsfunktion zu- komme, vor allem für die - nicht näher bezeichneten - gesellschaftlichen Multiplikatoren; ge- meint sein dürften in erster Linie die Medienschaffenden und die Pädagogen: „Wenn wir unsere Chancen in einer so pluralen wie autonomen Medien- und Lesekultur wirklich wahrnehmen wollen, müssen wir auch auf der Angebotsseite neu darüber nachdenken: Wie die- 7 Vgl. dazu insbesondere Muth 1988. 8 So der Untertitel des Tagungsberichts Muth 1999. 9 Muth 1999c, 181. 10 Vgl. dazu auch seine Ausführungen zum religiösen Buch in Muth 1976. Trotzdem ist im Diskurs über die Lesepa- storal die Vorstellung einer wirkkräftigen „christlich-religiösen Belletristik“ (Jooß 1983/2001) lebendig, die in der gegenwärtigen Buchlandschaft ein Desiderat bleibe. 11 Die ‘Glaubensbibliothek’, die in den achtziger Jahren von der Redaktion der ‘Herderbücherei’ zusammengestellt wurde, umfasst die Rubriken ‘Grundlagen des Glaubens’, ‘Glaubenserfahrungen’, ‘Glaubenswahrheiten’, ‘Die Bibel - das Buch des Glaubens’, ‘Jugend im Anruf des Glaubens’, ‘Leben aus dem Glauben’, ‘Beten aus dem Glauben’, ‘Zeugen des Glaubens’ und ‘Der Glaube der anderen’ (in Seidel 1987, 149-160) 12 Hier trifft sich sein Ansatz mit den apologetischen Ausprägungen traditioneller Literaturtheologie. Vor allem der Aufsatz Muth 1999a stellt eine Apologie des religiösen Buches dar. 13 Muth 1986, 31. Zwei Jahre später weitete Muth diesen Anspruch unter Verweis auf die jüdisch-christliche Traditi- on als Buchreligion noch aus: „Die [im 3. Jahrtausend zu erwartende] Totalalphabetisierung eröffnet nicht nur ein neues Kapitel der Weltgeschichte, sondern auch ein neues Kapitel der Heilsgeschichte.“ (Muth 1988, 541) 14 Dr. David Seeber, „Ehem. Chefredakteur der Herder-Korrespondenz, langjähriger Referent des baden- württembergischen Ministerpräsidenten im Stuttgarter Staatsministerium; tätig als Publizist und als Programmchef des Verlags Josef Knecht.“ (Muth 1999, 190) - C.4.c - 207 nen wir gerade den Lesern, die nach Welt-, // Zeit- und Glaubensorientierung suchen und für die solche Orientierung lebenswichtig ist nicht zuletzt, weil erwartet wird, daß von ihnen Orientie- rung auch für andere ausgeht und andere - die vielen - sich so oder so an ihnen ausrichten. Wie können wir diesbezüglich die vorhandenen Instrumente besser nutzen, und wo trauen wir uns zu, notfalls neue zu schaffen?“15 Seeber beklagte, dass das theologisch und spirituell „anspruchsvolle religiöse Buch, das sich als lesestofflicher Ausdruck von Glaubenskultur sehen lassen kann, mit Romano Guardini, Hans Urs von Balthasar und Karl Rahner gestorben“16 sein könnte. Die Orientierungsfunktion, die Seeber einer katholischen Literatur zuschrieb, beinhaltete zum einen die Darstellung nach außen, zum anderen wies sie nach innen: „Glaubensbücher der fordernden Art, die nicht nur von religiösen Bedürfnissen handeln oder diese pflegen, sondern vom christlichen Ernst des Zugehens Gottes auf die Menschen ohne die Verabreichung psychoreligiöser Palliative spre- chen“,17 dürften - so Seeber - nicht eine Domäne hoher kirchlicher Würdenträger bleiben, son- dern in solchen Büchern müsse sich auch das Kirchenvolk wiederfinden. Neben den systemisch perspektivierten Beiträgen finden sich in dem Sammelband verschiedene Ansätze, im Überfluss und in der Unübersichtlichkeit der kulturellen Gegenwart zu einer zeitge- mäßen Propädeutik des religiösen Lesens zu finden,18 doch werden die Traditionen der traditio- nellen Literaturtheologie gerade hier am deutlichsten offenbar. Folgende Sätze von Ludwig Muth weisen zurück auf Walter Nigg (1966) wie auch auf Martha Glaser (1949) - eine ‘Wallfahrt zur Dichtung’, die dem Leser auferlegt, sich dem Text zu öffnen, sich ihm hinzugeben: „Eine Lese- pastoral, die den Gedanken vom inwendigen Lehrer[19 ] aufnimmt, müßte um vieles spiritueller sein als das, was bisher unter diesem Stichwort verstanden und praktiziert wurde. Doch das be- ginnt mit einer Fehlanzeige: in der großen Schatzkammer christlicher Gebete findet sich kein ‘literarisches Tischgebet’. Aus islamischer Tradition stammt ein Text, den man zu Beginn einer Lektüre sprechen könnte: Ich bitte dich, o Gott, Erbarmer, bei deiner Majestät und beim Licht deines Antlitzes: Erleuchte mit deinem Buch meinen Blick, löse mit ihm meine Zunge, erleuchte mit ihm mein Herz, weite mit ihm meine Brust, wasche mit ihm meinen Leib. Weite meine Brust, löse meine Zunge -das könnten Wegzeichen sein auf der Suche nach einer neuen Lesepastoral.“20 Was allerdings den Ansatz Muths von denen Niggs und Glasers unterscheidet, ist der Gedanke einer ‘pastoralen’ Kommunikation,21 die den Akt des privaten Lesens begleiten und transzendie- ren solle. Wie eine bewusste Abgrenzung von älteren Konzepten traditioneller Literaturtheologie wie den erwähnten liest es sich nämlich, wenn Muth wenig später ergänzt: „Religiöse Lesekultur darf sich nicht in frommer Innerlichkeit erschöpfen. Sie bewährt sich erst in einer Kultur des 15 Seeber 1999, 69//70. 16 Ebd., 68. 17 Ebd., 68. 18 Ich meine die Beiträge Muth 1999a, Tzscheetzsch 1999, Spital 1999 sowie den Workshopbericht von Lothar Ganter zum Thema ‘Literaturgespräch’ (in Muth 1999, 175-177) 19 Muth bezieht sich hier auf ein Konzept von Eugen Biser (vgl. Biser 1994), das seinerseits auf den ‘magister interi- or’ des Augustinus zurückgeht. 20 Muth 1999a, 114 (Hervorhebung im Original). 21 Vgl. ebd. - C.4.c - 208 Austauschs, in der sie selbst wieder erstarkt. Religiöse Lesekultur ist auch Kommunikationskul- tur.“22 Der Begriff der ‘Lesepastoral’ kann- sowohl von einer traditionellen, auf das religiöse Milieu gerichteten Perspektive bestimmt sein23 als auch unter dem Blickwinkel der avancierten Litera- turtheologie produktiv gemacht werden:24 Moderne Literatur könne - so äußerte sich Werner Tzscheetzsch - die grundsätzliche Reflexivität offenhalten, die auch die institutionalisierte Kirche für ihren „Selbstevangelisierungsprozeß“25 benötige: „In der Literatur lernt Kirche den Menschen je neu zu verstehen.“26 So ist auch zeitgenössische Literatur durchaus im Sinne avancierter Literaturtheologie beschrieben: „Moderne Literatur kann und darf nun nicht in dem Sinne gebraucht und mißbraucht werden, eben doch selbstzufrieden ‘beweisen’ können [sic], daß Religion und insbesondere der christli- che Glaube - und sei es auch noch so rudimentär - trotz allem ihre unverzichtbare Bedeutung im Leben eines Menschen behaupten würden. Nein, moderne Literatur nimmt uns mit hinein in jene Suchbewegung nach tragenden - und doch brüchigen, weil unendlich widersprüchlichen - Hori- zonten, die Leben bestimmen und durch ihre Bestimmung lebbar machen. Und so eröffnet die Literatur der theologischen Reflexion Lebensthemen, die für die Menschen von heute ‘dran’ sind.“27 Allerdings ging es hier nicht unbedingt um ästhetisch geformte Literatur, und das wiederum weist auf traditionelle Auffassungen von Literaturtheologie zurück. Als Beispiel nämlich führte Tzscheetzsch den Erfolg eines von ihm mit herausgegebenen Sammelbandes an, in dem „mosaiksteinartig Lebensthemen in kurzen Texten, Gedichten, Tagebuchnotizen etc.“ jugendli- cher und erwachsener Autoren zusammengefasst sind28 - der Verlag, so Tzscheetzsch, habe ursprünglich ein „Glaubensbuch für junge Menschen“29 intendiert gehabt: „Als einen Grund für diesen Erfolg [des Sammelbandes] sehe ich die konsequente Orientierung am Grundentwurf einer theologischen Anthropologie, den Karl Rahner vorgelegt hat. Die vielen Zuschriften, die die Autorinnen und Autoren erreichten, haben uns gezeigt, daß eine Verbindung von theologischer Anthropologie mit Lebensfragen in der Weise möglich ist, daß daraus eine le- bendige Wechselbeziehung zwischen Lesern und Leserinnen und Buch entsteht.“30 22 Ebd., 11. Vorstellungen wie die von Muth dürften gemeint sein, wenn Hans Egon Holthusen halb ironisch, halb verächtlich über die postmoderne Literatur der achtziger Jahre schrieb: „Die Idee des ‘Werkes’ als einer autonomen Entelechie, etwa im Sinne von Heideggers Bestimmung einer ‘ins Werk gesetzten Wahrheit’ ist ad acta gelegt; en vogue ist die Idee, ist das Pathos der Kommunikation. Das Wort hat der Künstler als Mitmensch, als Therapeut, Guru und Sozialarbeiter, der Künstler, der in jedem Menschen den Künstler sieht und ihn als solchen aktivieren will: Joseph Beuys. Heißt das nun, so fragt sich der Humanist alter Schule, daß die letzten Reste der alten Kultursubstanz am Verdunsten sind? Oder handelt es sich um Beispiele einer neuartigen Sozial-Kultur oder Subkultur?“ (Holthusen 1989a, 225) 23 Vgl. etwa den Beitrag von Michael N. Ebertz auf der Fachtagung ‘Lesen-mit-teilen. Die Rezeption des Buches als pastorale Herausforderung (Katholische Akademie Freiburg, 16.-18.2.1999)’; zit. als Ebertz 1999. 24 Vgl. den Beitrag von Werner Tzscheetzsch auf der gleichen Fachtagung; zit. als Tzscheetzsch 1999. Auf den Unterschied beider Positionen wies Tzscheetzsch auch selbst hin (ebd., 118f.) 25 Tzscheetzsch 1999, 122. 26 Ebd., 130. 27 Ebd., 118. 28 G.Biemer/A.Bieseinger/W.Tzscheetzsch (Hgg.): Anstiftungen. Freiburg, Basel, Wien 1982. 29 Tzscheetzsch 1999, 124. 30 Ebd., 124. - C.4.c - 209 Wie das ursprünglich intendierte Glaubensbuch aber verblieb auch der Sammelband letztlich im Kontext eines kirchlichen Rezeptionszusammenhanges und erschloss nicht zeitgenössische Literatur, sondern zeitgenössische ‘Lebensfragen’.31 Selbst dort, wo im Umkreis der Lesepastoral-Diskussion ausdrücklich literarische Texte ge- meint sind, bleibt das Postulat einer Kommunikationskultur in methodischer Hinsicht unerör- tert. Horst Patenge etwa wies der Literatur eine grundlegend versöhnende Aufgabe zu und stellte sich damit in eine Traditionsreihe, die von Sedlmayrs ‘Verlust der Mitte’ bis zu George Steiners ‘Realpräsenz’ reicht: „Im literarischen Lesen offenbart sich das umfassende Heilsbedürfnis eines Menschen, das seine Wurzeln im vorsprachlichen Bereich hat. Er will nicht nur Erklärung über sich und die Welt gewinnen, sondern als konkreter Mensch mit ihr vertraut und in ihr heimisch werden. Als Christen verstehen wir dieses Heilsbedürfnis als Hinweis auf den in jedem Menschen wirkenden und heilenden Geist Gottes.“32 Damit allerdings beschränkte Patenge das Interesse einer Lesepastoral auf solches Lesen, das im Dialog33 mit dem Text „eine religiöse Dimension gewinnt“.34 Lesepastoral wird damit zum Ort von Begegnung und Austausch, bei dem es wesentlich darauf ankommt, die heilende Kraft eines Textes weiterzugeben bzw. auszutauschen: „Literarische Buchpastoral geht vom inneren Gespräch des literarischen Lesens zum äußeren Gespräch über. [...] In der geschwisterlichen Begegnung kann sich die im Inneren wirkende le- bensspendende und heilende Kraft gegenseitig mitteilen.“35 Damit ist - wie schon in der traditionellen Literaturtheologie - die Legitimität eines theoriege- leiteten Umgangs mit Literatur rundweg abgewiesen. Folgerichtig bleibt in Patenges Konzepti- on der Akt des Lesens als solcher methodisch unbestimmt und auf die Kategorie des (nicht näher erklärten) Dialogischen verwiesen. Diesem wiederum eignet etwas Hermetisches, denn ausgespart bleibt die Frage, wer das Gelingen des Dialogs beglaubigen könnte. Zugleich wird implizit alles Lesen abgewertet, das sich nicht auf eine Heilsbedeutsamkeit richtet. Gerade aus diesem Grunde aber hatte der katholische Literaturdiskurs des 19. Jahrhunderts das Viellesen perhorresziert.36 Das Attribut ‘literarisch’ füllt somit eine argumentative Leerstelle: Literarisch (in Abgrenzung zu nicht-literarisch) ist das und nur das, was nicht zum Überfliegen verleitet, sondern den Zugang zum „vorsprachlichen Bereich“37 integralen Mensch-Seins offenhält. Bei 31 Vgl. dazu auch Boesch 1991 über den Benutzerkreis kirchlicher Buchhandlungen. 32 Patenge 1996, 123. 33 „Literarisches Lesen hat die Struktur eines inneren Gesprächs.“ (ebd., 123) 34 Ebd., 124. 35 Ebd. 36 Im Grunde reformulierte Patenge das, was bereits Spael als Spezifikum des Borromäusvereins beschrieben hatte: Es gehe bei dessen Wirken „natürlich nicht um Literatur als Selbstzweck, sondern um das höhere Leben, das wir aus jedem großen Literaturwerk empfangen. Vor diesem höheren Leben, mag es auch Anklage oder Feuer sein, sich nicht zu verschließen, sich nicht davor in ein bequemes Getto zu flüchten, es vielmehr mit christlicher Liebe und christlichem Geiste zu wägen, zu werten und weiterzuleiten an die hierfür Aufgeschlossenen“ (Spael 1950, 347). 37 Patenge 1996, 123. - C.4.c - 210 Patenge ist Literatur also wieder vollständig in die Lehre der ‘anima naturaliter christiana’ inte- griert, und ihre Rezeption wird unter der Hand zum Gegenstand konfessioneller Qualifizie- rung.38 38 Aufschlussreich in dieser Hinsicht der Titel seines Aufsatzes: Eine literarische Buchpastoral könne zur ‘Überwindung der Sprachlosigkeit’ führen. - C.4.d - 211 d) Perpetuierung des Kanons (i) Konfessionelle Begründungen Auch bei der Perpetuierung der christlichen Kanonliteratur zeigen sich konfessionelle Unter- schiede. Unterschiedlich nämlich wird die der Literaturtheologie immanente Ambivalenz ge- handhabt, die sich daraus ergibt, dass dem Gegenstand ‘christliche Literatur’ zwar eine über- zeitliche Bedeutsamkeit zugesprochen wird, dass aber ebendiese Bedeutsamkeit von einem entsprechenden literaturtheologischen Bemühen abhängig ist, um nicht ins Vergessen zu gera- ten: Artikuliert sich im protestantischen Bereich ein eher gebrochenes Verhältnis zur traditio- nellen christlichen Literatur, wird im katholischen Bereich die erwähnte Ambivalenz zugunsten einer Fortschreibung traditioneller Theoreme praktisch negiert. 1978 beispielsweise wurde auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Baden, die Reinhold Schneider und Rudolf Alexander Schröder gewidmet war, das Problemfeld von Relevanz und Zeitgemäßheit traditioneller christlicher Literatur diskutiert.1 Jedoch stand die Kanonperpetuie- rung gewissermaßen unter der relativierenden Maßgabe einer „Standortbestimmung der Religi- on in der Welt von heute“2 und war letztlich resignativ konnotiert, was sich auch im Titel des Tagungsbandes zeigte, der ein Wort Hölderlins aufgriff: ‘Dichter in dürftiger Zeit’.3 Die Ambi- valenz von Abgesang und Apologie tritt besonders deutlich im Beitrag von Werner Kohl- schmidt zutage, der sich die Frage „nach der Möglichkeit oder den Grenzen christlicher Dichtung“4 zuwandte. Die Relevanz christlicher Literatur sah Kohlschmidt darin, „Bezeugungen christlichen Ringens um die Welt“5 zu sein. Zugleich bescheinigte er, wenn auch indirekt und verklausuliert, den beiden Autoren R. Schneider und R.A. Schröder zwar eine ästhetische Ungleichzeitigkeit, enthielt sich dabei aber einer expliziten Bewertung: „Für beide besteht ein gewisser Zweifel an der vollen Glaubwürdigkeit des Weges, des einen von der Ode zum Kirchenlied, des anderen zum religiösen Sonett. Beide haben freilich gerade ästhe- tisch ihrer Sache Genüge getan. Ob sie die religöse Aussagenotwendigkeit von heute dabei auch erreicht haben, bleibt vielleicht zu fragen. Andrerseits, wer kann dem Dichter verbieten, wie eh und je seine religiöse Bindung auch in seinem Beruf als Motiv und Gehalt auszudrücken? Er darf es als Christ so gut, wie es der ‘Heide’ darf. Aber vielleicht sollte man die Formel ‘christlicher [sic] Dichtung’ in unserer Geschichtssituation eher meiden und lieber vom Dichter 1 Der Tagungsband erschien in der Reihe ‘Herrenalber Texte’, die zur „Standortbestimmung der Religion in der Welt von heute“ beitragen soll (Böhme 1978, 69). Darin gehen nur 2 Beiträge detaillierter auf Schröder und Schneider ein; nach Kohlschmidts Aufsatz über die ‘Problematik christlicher Dichtung’ folgt ein Werkstattbericht der Schrift- stellerin Eva Zeller und eine Meditation des Herausgebers Wolfgang Böhme. 2 So der Untertitel der Reihe ‘Herrenalber Texte’, in der der Tagungsband erschien (vgl. Böhme 1978, 69). 3 Soweit ich eruieren konnte, war Ignaz Zangerle der erste, der den auf Hölderlin zurückgehenden Heidegger- Buchtitel ‘Denker in dürftiger Zeit’ (1953) in die Rede vom ‘Dichter in dürftiger Zeit’ ummünzte (vgl. Zangerle 1965, 10); analog dann Biser 1983a: ‘Glaube in dürftiger Zeit’. 4 Kohlschmidt 1978, 44. 5 Ebd., 45. - C.4.d - 212 als Christen reden. Wie für Luthers ‘hantwerc’ gilt jedoch auch hier nicht das Dilettantische, sondern das Tüchtige.“6 Damit zog sich Kohlschmidt zwar auf die Phänomenologie christlicher Literatur zurück, wie sie bereits früher diskutiert worden war,7 gab letztlich aber die Fokussierung auf christliche Litera- tur preis. Ähnlich hatte 1969 Ernst Klee argumentiert: Aus einer reflektierten Darstellung der ‘Wege und Holzwege’ christlicher, vornehmlich protestantischer8 Literatur im 20. Jahrhundert gelangte er zwar am Ende zu Kurt Marti, dem er zeitgenössische und sprachliche Relevanz attestiert: Hier gehe die „Bemühung um das Wort, das Gottes-, das Dichterwort, [...] weiter. Der Versuch läßt hoffen.“9 Dem Problem einer christlichen Literatur gegenüber verhielt sich Klee hingegen ambivalent. Zum einen proklamierte er, christliche Literatur müsse sich - ganz im Sinne Luthers - der Gegenwart und ihrer Probleme sprachlich bemächtigen, dürfe also nicht in Innerlichkeit, restaurativer Rückwärtsgewandtheit oder im Sprachmanierismus verbleiben: „Das Thema des christlichen Autors wird sein [...,] unser Leben mit allem, was es einschließt, vom Glauben her auszulegen. Daseinsexegese.“10 Zugleich betonte er den Erkenntniswert der sog. ‘nichtchristlichen Literatur’; diese mache über das Christliche „tiefere Aussagen [...] als mancher christliche Literat der zweiten und dritten Garnitur.“11 So beschloss Klee seine Reihe von Porträts mit Wolfdietrich Schnurres ‘adventistischer Sehnsucht’. Dessen Menschenbild sei das des Neuen Testaments: „Wieviel Nachsicht, Liebe und Wissen steht in diesen Geschich- ten.“12 Damit werde bei Schnurre deutlich, was „die christlich genannten Schriftsteller nicht immer formulieren konnten.“13 Ob sich eine solche Interpretation - unabhängig vom Beispiel Schnurres - jeweils auf eine entsprechende Autorintention berufen können muss, ließ Klee un- erörtert. Das allerdings bedeutet: Die Kategorie einer christlichen Literatur, die zu revaluieren er sich anschickte, gab er im gleichen Atemzug de facto auf. Eine gewissermaßen textimmanente Erörterung des spirituellen Anspruchs traditioneller christ- licher Literatur legte in jüngerer Zeit der katholische Priester und Schriftsteller Willibald Kammermeier vor.14 Kammermeier griff vor dem Hintergrund avancierter Ansätze den Dis- kurs der traditionellen Literaturtheologie auf und stellte ihn damit auf eine breitere Material- 6 Ebd., 58. 7 Vgl. Kap. C.2.a.i. 8 Klee sprach - ohne konfessionellen Beiklang - von ‘evangelischer Literatur’; seine Darstellung lässt jedoch eine protestantische Perspektive erkennen. 9 Klee 1969, 207. 10 Ebd., 231. Vgl. auch ebd., 227. 11 Ebd., 232. Gemeint sind unter anderem Max Frisch (‘Biographie’) und Hilde Domin (‘Ecce homo’). 12 Ebd., 216. 13 Ebd., 212. 14 Die Arbeit erschien 1993, wurde jedoch Kammermeiers Vorwort zufolge früher konzipiert. Kammermeier (geboren 1924, Priesterweihe 1952) war von 1956 bis 1962 Schriftleiter der Zeitschrift ‘Seele’; Spiritual im Priesterseminar Regensburg; zur Zeit der Drucklegung des Buches Geistlicher Begleiter der Mallersdorfer Schwestern (Angaben nach Kammermeier 1993, 126). - C.4.d - 213 grundlage. Zwar ging auch er vom Ende der traditionellen christlichen Literatur aus, versuchte aber deren Bedeutsamkeit prospektiv weiterzudenken und zum Wiederlesen des Kanons anzu- regen. Im Vorgriff auf eine noch zu schreibende Literaturgeschichte, die „wesentlich das Chri- stusereignis voraussetzt und sich an ihm dauernd orientiert“,15 ging Kammermeier der Frage nach, „was denn der Glaube der Dichtung anzubieten hat, was er ihr zur Verfügung stellt.“16 Sein Ansatz repristiniert in Reinkultur eine neuthomistische Auffassung von Kunst, die in der Liebe begründet ist und unter eschatologischem Vorbehalt auf die Schönheit des göttlichen Seinsordos verweist.17 Anhand dieses Maßstabs verfällt Kammermeiers Kritik sowohl ein „besessener Kult der Realitäten“,18 ein „Ekel am Leben“19 als auch ein reiner Ästhetizismus. Kammermeier gestand zu, dass die (römisch-katholisch gedeutete) Wahrheit in jeder Dichtung widerscheine, nur dann allerdings, wenn diese sich nicht „willentlich“20 gegen den göttlichen Logos „stemmt“21 und damit die Wahrheit „in ihrem inneren Gefüge verfälscht“22 - eine Auf- fassung mit zugleich appellativem Charakter: „So ist die Schönheit der ‘Göttlichen Komödie’ oder - in einem anderen Bereich - jene der Ka- thedrale von Chartres mit der Wahrheit verschwistert; mit der Wahrheit, die mehr ist als eine empirisch feststellbare Richtigkeit, mit der Wahrheit, die identisch ist mit dem Sein. Dieser Wahrheit muß die Dichtung immer und überall sich zu nähern versuchen.“23 In dem so umrissenen Konzept von Dichtung war genuin christliche Dichtung, die Kammer- meier als Ineinander von Kenosis (Entäußerung) und Doxa (Herrlichkeit) bestimmte, in zweifa- cher Hinsicht bedeutsam, zunächst als normativ weiterwirkender Kanon, zum anderen hinsicht- lich ihrer Funktion. Zunächst verwies Kammermeier auf die überzeitliche Bedeutsamkeit christlicher Literatur, deren große Epoche zwar unwiderruflich vorbei sei, die aber „weiterhin Realität“24 besitze: „das die Zeiten Überdauernde bleibt zeitgemäß für alle Zeiten.“25 Die Metapher der Jahreszeiten, die Kammermeier in diesem Zusammenhang verwendet, impli- ziert zugleich die Möglichkeit, dass sich christliche Literatur wieder erneuern könne: „Wenn es wahr ist, daß es in unserer Zeit keine ‘christliche Dichtung’, keine ‘christliche Literatur’ mehr gibt, dann ist dieses kleine Buch [Kammermeiers Studie über christliche Literatur] ein Abgesang. 15 Kammermeier 1993, 71. 16 Ebd. 17 Zu der von Kammermeier vertretenen Koinzidenz von ‘wahrer Dichtung’ und ‘wahrer Christlichkeit’ gehört auch folgende Setzung, die ein Theorem avancierter Literaturtheologie -literarische techné als geleistete Moral (Kurz) - aufgriff und zuspitzte: „Was, künstlerisch gesehen, süßer Sirup ist oder fade Brühe, ist niemals Dichtung, und man sollte ihm auch nie das Prädikat ‘christlich’ verleihen.“ (ebd., 46; zum Bezug auf Kurz vgl. ebd., 52) 18 Ebd., 42. 19 Ebd., 37. 20 Ebd., 71. 21 Ebd. 22 Ebd., 42. 23 Ebd. 24 Ebd., 9. 25 Ebd. - C.4.d - 214 Ein Abgesang, in dem in herbstlicher Verklärung noch einmal alles aufscheint, was groß und strahlend gewesen ist - dabei weiß man jedoch, daß unaufhaltsam der Winter hereinbricht.“26 Sodann bezeichnete Kammermeier die christliche Literatur als „himmelstürmenden Bau“,27 als solcher zumindestens potentiell denkbar: „Christliche Dichtung realisiert auf ihren Gipfeln mystische Begegnung mit Gott; die Grenze des Sagbaren wird von ihr nicht nur bis zu den grenzenlosen Räumen des Unsäglichen vorge- schoben, sondern bis zu den unendlichen Weiten der göttlichen Mysterien. [...] Über dem bleier- nen Gewitterhimmel des Leides strahlt unversieglich die Sonne, und die Glorie der Welt ist mit Tränen getauft: das zu erfahren und zu gestalten, bleibt die Aufgabe des christlichen Dichters und der christlichen Dichtung.“28 Eine solche christliche Dichtung könne es zwar in der heutigen Zeit nicht geben, weil die „Kenose Christi [...] dem Christlichen unserer Zeit tief ins Antlitz und ins Herz gekerbt“29 sei. Kammermeier verteidigte jedoch das Recht einer christlichen Literatur, die zwar nicht zu Auf- schwüngen fähig sei, aber „eine Partikel des Kreuzes durch den Strom der Zeit retten“30 kön- ne.31 Damit war - eine durchgängige Antinomie aller neuthomistischen Ansätze - die ontologi- sche Bestimmung von christlicher Literatur in eine funktionale überführt. (ii) Der Gegenwartsbezug christlicher Kanonliteratur Wo in der heutigen Literaturtheologie die christliche Kanonliteratur perpetuiert wird, dient sie nach wie vor als Maßstab.32 Dabei insinuiert die in Anthologien nicht seltene Mischung von christlicher Literatur unterschiedlicher Generationen, unterschiedlicher Kanonpermanenz und unterschiedlicher Reichweite eine reichhaltige, bis heute nicht abreißende Tradition christlicher Literatur, deren Akzent nicht mehr im Darstellenden gesehen wird, sondern - wie etwa bei Car- sten Peter Thiede - im Konfessorischen: „Und dieser Gedanke ist wohl keinem der christlichen Dichter des 20. oder irgendeines früheren Jahrhunderts fremd: von ihren Lesern zu wissen oder zu hoffen, daß sie Dichtung nicht als 26 Ebd. 27 Ebd., 53. 28 Ebd., 95. 29 Ebd., 112. 30 Ebd. 31 Etwa zur gleichen Zeit sprach Wolfgang Frühwald auf einem kirchenoffiziellen Kongress (‘Autonomie und Ver- antwortung - Religion und Künste am Ende des 20. Jahrhunderts’, Januar 1995) von der ‘lazarenischen Literatur’ - eine Kategorie, die auf Jean Cayrol zurückgeht und die theologischerseits die produktive Aneignung zeitgenössischer säkularer Literatur erlaubt, jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Frühwald 1995). Dass Kammermeier auf dem Zusammenhang von Kenosis und Doxa beharrte, weist seinen Entwurf im gegenwärtigen literaturtheologi- schen Mainstream als anachronistisch aus. 32 Elisabeth Grözinger hat nachgewiesen, dass christliche Literatur („signifikant durch das Engagement für die lite- rarische Rezeption der christlichen Tradition“; Grözinger, E. 1992, 64) in der Homiletik seit den sechziger Jahren eine große Rolle spielt, zu einer Zeit also, als die Literaturtheologie das ‘Ende der christlichen Literatur’ reflektierte. - C.4.d - 215 Bibelersatz betrachten, sondern - auch - als einen Gottes-Dienst, der zu Gottes Wort in den vielfältigsten Formen und Gestalten zurückführt.“33 Indem so die Funktion und die Zeitenthobenheit christlicher Literatur betont wird - insofern schließen diese Ansätze an die Apologetik der sechziger Jahre an -, sind Aspekte der Literarizi- tät weitgehend ausgeblendet.34 Ein 1986 von Thiede moderiertes Symposion über ‘Ethik und Ästhetik in der christlichen Literatur’35 war sich zwar darin einig, christliche Literatur müsse ästhetisch gelungen sein. Die Definition jedoch, auf die man sich am Ende einigte, betonte wie- derum den Primat des Konfessorischen, gefasst in der Person des leitbildhaften Autors: „Christliche Literatur ist Literatur, die ein von Jesus Christus ergriffener Mensch schreibt, und in der dieses Ergriffensein zu erkennen ist.“36 In den Bemühungen der Reinhold-Schneider-Gesellschaft dagegen, deren Präsident Thiede ist, wird Reinhold Schneider - und in seiner Person die christliche Kanonliteratur überhaupt37 - vor allem aus seinem Widerstand gegen das NS-Regime heraus legitimiert, und daraus wird seine Bedeutsamkeit für die Gegenwart hergeleitet. Zum einen inhaltlich:38 Die christliche Überliefe- rung Europas, wie sie Reinhold Schneider in seinem literarischen und essayistischen Werk dar- gestellt habe, sei Maßstab für den Prozess der europäischen Einigung wie für die globale Frie- denspolitik. Zum anderen wird Schneiders literarisches Werk, „das sich, nicht aktionistisch, nicht auf Reizworte reagierend, sondern angefochten, zweifelnd dem Ernst des Lebens und der Kunst in der Erwartung des Scheiterns nähert“,39 zum literarischen und literaturwissenschaftli- chen Paradigma erhoben, das - unausgesprochen wird das deutlich - nichts weniger als letztin- stanzliche Gültigkeit beanspruchen darf: „Gemeint ist jener - auch heute unzeitgemäße - Widerstand, der die Bilder des Menschen und der von ihm gestalteten Welt vom Bilde Gottes abhängig macht [...].”40 33 Thiede 1985, 14. 34 1985 stellte Carsten Peter Thiede eine zweibändige Anthologie für den R.-Brockhaus-Verlag zusammen, wobei er zeitgenössischen christlichen Autoren (Bd. 1: Albrecht Goes, Christa Harnisch, Manfred Hausmann, Willy Kramp, Peter Lotar, Ulrich Schaffer, Rudolf Otto Wiemer, Lothar Zenetti) die historische Tiefendimension folgen ließ (Bd. 2: Werner Bergengruen, Johannes Bobrowski, Alfred Döblin, Bernt von Heiseler, Jochen Klepper, Gertrud von le Fort, Reinhold Schneider, Rudolf Alexander Schröder). Ein eher traditionelles Interesse zeigt sich bei der Anthologie von Thiede u.a. daran, dass ein Autor wie Kurt Marti zwar das Motto beisteuerte, mit längeren Texten aber nicht vertreten war. Unerörtert bleibt eine kritische Erörtertung von Fragen der Sprachgestalt christlicher Literatur (vgl. in dieser Hinsicht etwa die Kritik an Bergengruen und le Fort bei Kunz 1977). 35 Mai 1986, veranstaltet von der Christlichen Medien-Akademie Wetzlar und vom R. Brockhaus Verlag unter dem Titel ‘Wort Gottes, Wort des Menschen. Ethik und Ästhetik in der christlichen Literatur’; Beiträge abgedruckt in Thiede 1987. 36 Zit. nach Schwilk 1986, 16. Man könnte mir entgegenhalten, der Begriff ‘Literatur’ beinhalte schon eine Kenn- zeichnung von Literarizität. Dann allerdings wäre die Definition rekursiv und damit tautologisch. Ein ambivalentes Verhältnis begegnet auch bei Schwilk selbst. In seiner Rezension des Tagungsbandes des erwähnten Symposiums schreibt er über Oliver Kohler: „Eine stille, aber intensive Prosa, ein gutes Beispiel dafür, wie affirmative christliche Literatur aussehen könnte ohne erbaulich zu wirken.“ (Schwilk 1987, 18; Zeichensetzung im Original) 37 In Wesen und Widerstand 1998 sind neben Schneider auch Stefan Andres, T. S. Eliot, Joseph Brodsky und Al- brecht Goes („der letzte noch lebende unter den christlichen Dichtern dieses Jahrhunderts, die mit ihrem Schreiben für den Widerspruch gegen den Nationalsozialismus und den Versuch eines geistigen Wiederaufbaus Deutschlands nach 1945 standen“; Thiede/Frühwald/Kuschel 1998, 8) behandelt. 38 Ich verweise hier auf die beiden Bände Wesen und Widerstand 1997 und 1998. 39 Frühwald/Kuschel/Thiede 1997, 9. 40 Ebd. - C.4.d - 216 Der Anspruch auf Allgemeingültigkeit wird allerdings dadurch unterlaufen, dass sich der Begriff des ‘Widerstands’ unterschiedslos sowohl auf das nationalsozialistische Regime, auf die Um- weltzerstörung, auf „den Krieg“,41 auf eine nicht näher erklärte „Nekrophilie der Nachkriegsge- sellschaft“42 sowie schließlich auch auf den ‘Zeitgeist’ der bundesrepublikanischen Gesellschaft bezieht und in dieser semantischen Nivellierung ins Beliebige tendiert. Ausdrücklich richten sich die zwei Bände von ‘Wesen und Widerstand’ an ein breites Lese- publikum, über den Bereich wissenschaftlicher Rezeption hinaus. Beide Intentionen jedoch, die wissenschaftlich-methodische und die geopolitische, erfahren ihre Begrenzung dadurch, dass der in den Vorträgen behandelte Raum sich auf Erfahrungen und Sichtweisen eines christlich gebundenen oder christlich geprägten43 Personenkreises beschränkt. Das weist auf die Grundantinomie der hier betriebenen Kanonpflege: Sie zielt auf eine Konjunktur religiöser Themen („Christliche Literatur und ihre literaturwissenschaftliche Vermittlung sind wieder im Gespräch.“44 ), akzeptiert aber das Christliche nicht als Teil eines breiten Orientierungsspek- trums, sondern beansprucht dessen autoritative Gültigkeit im kirchlich kodifizierten Rahmen, „Welche Wirkung, so läßt sich fragen, würde es haben, wenn weite Kreise, die nach Orientie- rung suchen und sie in sektiererischen und zum Teil pseudoreligiös verbrämten kommerziellen Zirkeln zu finden hoffen, Schneiders Gewissensappell hörten?“ 45 eine Gültigkeit allerdings, die - etwas zugespitzt formuliert - zum einander bestätigenden Dia- log der Gleichgesinnten hin tendiert. Das bedeutet sicherlich nicht Einförmigkeit, sondern - auf diese Offenheit wies Thiede ausdrücklich hin - eine dem Christentum seit jeher immanente „multikulturelle Daseinsweise par excellence.“46 Der appellative Tonfall vieler Beiträge je- doch ist der der traditionellen Literaturtheologie, etwa in folgendem Satz Thiedes: „Denn der Friede Gottes [...] kann nicht durch Aktionismus verwirklicht werden, sondern durch Dienen, so wie Christus selbst es vorgelebt hat [...]. Erst wenn wir [...] auch sichtbar zu diesem Dienst zurückfinden und ihn nicht, wider besseres Wissen, losgelöst von europäischer Kultur und Geschichte sehen, sondern als unlösbar damit verbunden [...//...], dann wird der Begriff des ‘christlichen Europa’ vielleicht eines Tages eine tragende Funktion im Miteinander der Völker und Kontinente übernehmen können.”47 Damit sind aus der Existenz Reinhold Schneiders - denn auf diese wird letztlich sein Werk re- duziert - Pflichten für den Leser abgeleitet, deren Relevanz zwar nicht zu bestreiten ist, deren feierliche Proklamation letztlich aber, indem sie den Bogen spannt von der ‘imitatio Christi’ des Einzelnen hin zum christlichen Europa, in einer katechismusartigen Formelsprache stek- kenbleibt. 41 Ebd. 42 Ebd. Vermutlich auf Erich Fromms Nekrophilie-Konzept zurückgehend. 43 Vgl. dazu vor allem Langenhorst 1998a. 44 So der Klappentext zu Wesen und Widerstand 1997. 45 Koepcke 1997, 72. Vgl. auch Thiede 1997, 124 und passim. 46 Thiede 1997, 125. 47 Ebd. - C.4.d - 217 Ist das Christliche bei der ‘Reinhold-Schneider-Gesellschaft’ weitgehend überkonfessionell aufgefasst,48 wird es im Umkreis der 1982 in Würzburg gegründeten ‘Gertrud-von-le-Fort- Gesellschaft zur Förderung christlicher Literatur’ auf konfessionelle Perspektiven zugespitzt.49 Die Person und das Werk le Forts bieten den Anknüpfungspunkt, um die Bedeutsamkeit christ- licher - d.h.: katholischer - Literatur zu bekunden. In dem 1976 von Hedwig Bach herausgege- benen Band zum 100. Geburtstag der Autorin war noch der Aspekt der Liebe betont, die sich im Werk le Forts und in dessen Rezeption ausgestalte; der (römisch-katholisch konnotierte) Heils- weg der Kirche wird nur implizit deutlich.50 Ein Jahrzehnt später bereits sprach Joël Pottier, Mitherausgeber des Sammelbandes ‘Christliche Literatur im Aufbruch’ (1988), vom „Aufblühen einer im Kampf um echte katholische Tradition engagierten Dichtung“51 und be- tonte ausdrücklich, dass christliche Literatur nie ‘tot’ gewesen sei. Geändert habe sich vielmehr das Interesse an ihrer lebensgeschichtlichen Bedeutsamkeit.52 ‘Aufblühen’ und ‘Aufbruch’ - zwei Nominalverben, die als Synonyma aufgefasst werden können, in deren unterschiedlichen Verbalaspekten sich aber auch eine Ambivalenz andeutet, die Pottiers Ausführungen im Vorwort des erwähnten Sammelbandes insgesamt eignet: sowohl nämlich die aus sich heraus gültige Bedeutsamkeit des behandelten Gegenstandes zu belegen als auch die apologetischen Bemühungen darum zu rechtfertigen. Aufschluss über die in dieser Ambivalenz sich andeutenden Selbstverortung im gesamtkulturellen Diskurs gibt eine weitere Formulierung Pottiers: der ‘Aufbruch’ sei auch auf einschlägige „Initiativen“53 zurückzuführen, „die sich seit einiger Zeit entwickelt haben, um das massive Schweigen der einheitlich gleichgültigen, wenn nicht gar feindlich eingestellten Massenmedien gerade über das Vorhandensein einer christli- chen Literatur zu durchbrechen“.54 Der Anakoluth (von passivischem und aktivischem Verb: ‘haben sich entwickelt’, ‘um ... zu durchbrechen’) scheint mir bezeichnend zu sein; man könnte ihn als Hinweis darauf lesen, dass der literaturtheologische Topos von ‘Bedroht-Sein und Kampf’55 in den 1980er Jahren nurmehr aus der Defensivposition heraus argumentiert. Die alten Wahrnehmungsschemata sind noch vorhanden, schlagen sprachlich aber nicht mehr in der Schär- fe durch wie noch in den sechziger Jahren und dienen weitestgehend der Selbstvergewisserung.56 48 In seinem Aufsatz über die europapolitische Bedeutung der „christlichen Grundlagen Europas“ (Thiede 1997, 122) ließ Thiede die katholische Konfession von Gasperi, Schuman und Adenauer unerwähnt. 49 Vgl. etwa die zelotischen Zuspitzungen bei Meves 1993. In diesem Rahmen finden dann auch Versuche ihren Platz, das nach 1945 gebrochene deutsche Nationalgefühl allein auf die protestantischen Schuldbekenntnisse nach 1945 zurückzuführen: Es sei zu fragen, „ob solche Äußerungen auch seelsorgerlich angemessen, allgemein ver- ständlich, pädagogisch durchdacht und politisch verantwortbar getan wurden.“ (Basse 1993, 31). 50 Auch Eugen Biser (1980) interpretierte le Fort ausschließlich vor dem kirchlichen Hintergrund. 51 Bossle/Pottier 1988, 9. Den katholischen Vorzeichen der Kanonperpetuierung bei Bossle und Pottier entspricht, dass le Fort nicht als individueller Mensch, sondern als Typus gezeichnet wurde, etwa mit dem Bild auf dem Schutz- umschlag, das nicht ein Foto der Dichterin zeigt, sondern eine (idealisierte) Porträtbüste. 52 In den Umkreis einer Konfessionalisierung des Kanons gehört im Grunde auch Wolfgang Frühwald, der das neue religiöse Interesse von Schriftstellern seit den achtziger Jahren (Bienek, Dorst, Reinshagen, Kunze, Hürlimann u.a.) in einen assoziativen Zusammenhang mit dem ‘renouveau catholique’ bringt und dabei beiläufig auf die katholische Vorstellung der ‘anima naturaliter christiana’ anspielt: „Jene Literatur [...] sucht und findet heute - über einzelne Autoren - eine fast selbstverständliche Partnerschaft mit der Religion, weil sie die religiöse Erfahrung, nicht allein die der Bibel, als eine unentbehrliche und brachliegende Quelle des Menschseins wiederentdeckt hat.“ (Frühwald 1995, 29) 53 Bossle/Pottier 1988, 10. 54 Ebd. 55 Vgl. Zwischenresümee 1. 56 Insbesondere die im Umkreis von Lothar Bossle entstandenen Festschriften und Sammelbände (Bossle 1981, Bossle 1983, Bossle 1993, Müller, Harald 1994). Zur politischen Konnotierung der Kanonfortschreibung vgl. aus- führlicher das folgende Kapitel. - C.4.d - 218 Der kulturpolitische Impetus literaturtheologischer Kanonperpetuierung, von Pottier selbst nur angedeutet, ist näher ausgeführt bei Walter Falk, der christliche Literatur als Gegengewicht zum Fortschrittsparadigma der bürgerlichen Gesellschaft verstand und zugleich zu einer Art von religiösem Stellvertretermedium: „Sie [die christliche Dichtung] hat sich gerade auch dann, wenn sie Stoffe der Vergangenheit behandelte, der eigenen Zeit zugewandt, und zwar auf eine entschiedene, ja bedingungslose Wei- se. Sie hat spürbar werden lassen, daß in ihr auch // Kräfte des Bösen wirken, denen gegenüber alle bloß menschlichen Bemühungen versagen müssen. Zugleich hat sie erlebbar gemacht, daß es gut ist, das Leiden am Bösen Gott darzubringen.“57 So beklagte Falk zwar, dass die christliche Literatur der fünfziger Jahre heute selbst bei vielen Studierenden der Germanistik in Vergessenheit geraten sei, sah aber bei Peter Handke (‘Über die Dörfer’) und Christa Wolf (‘Kassandra’) Anzeichen für eine Rückkehr der „Religiosität in die hohe Literatur“.58 Daraus folgerte Falk, es sei möglich, dass „in unserem Jahrzehnt [sc. die 1980er Jahre] wieder spezifisch christliche Dichtung entstehen wird. Auch jetzt wird dies nur möglich sein, wenn des dichterischen Sprechens fähige Menschen Glaubenserfahrungen machen und bereit werden, diese dem Übel unserer Zeit auszusetzen, so wie Gertrud von le Forts Veronika.“59 Auch in diesem Appell an die Schriftsteller, der den Topos der prospektiven erwarteten christ- lichen Literatur variiert,60 fungiert der Glaube als die letzte Instanz alles (nur) Literarischen. (iii) Neokonservative Deutungen Ihre eigentliche Stoßrichtung erhalten die Auffassungen von Pottier und Falk erst im Zusam- menhang des neokonservativen Diskurses der letzten Jahrzehnte, sc. des Versuchs, im Sinne Gramscis die Hegemonie über den kulturellen Diskurs zu gewinnen bzw. - dem eigenen Ver- ständnis nach - zurückzugewinnen.61 Die Legitimation durch die christliche Tradition liegt hier um so näher, als diese als Beglaubigung von metaphysischen Konstanten und als Garantin ge- sellschaftlich-integrativer Ordokonzepte62 interpretiert werden kann. Exemplarisch wäre hier Günter Rohrmoser zu nennen, der die Verknüpfung von (1) „Rekonstruktion“63 der deutschen Nation, (2) „Reaktualisierung des geistig-kulturellen Erbes der Deutschen in Konfrontation mit der Krise der Moderne“64 und (3) „Vergegenwärtigung der Substanz des Christentums“65 als 57 Falk 1988, 30//31. 58 Ebd., 32. 59 Ebd. 60 Vgl. Kap. E.3.a. 61 In diesem Sinne verwende ich den Begriff ‘neokonservativ’. Vgl. dazu ausführlicher Dubiel 1985. 62 Vgl. etwa Müller, J.B. 1982, 631. Die Frage der Pluralismusfähigkeit von Christentum und Kirche erörtert sehr instruktiv Ruster 1997. 63 Rohrmoser 1999, 285. 64 Ebd. 65 Ebd. - C.4.d - 219 eine dringliche Zukunftsaufgabe konservativer Diskurspolitik beschrieb und daraus die Folge- rung ableitete: „Wir brauchen eine christliche Apologie und nicht immer nur die Thematisie- rung der Fehler, Irrtümer, ja sogar Verbrechen der christlichen Kirchen.“66 Dem Zusammen- hang von literaturtheologischen und konservativen Argumentationsweisen gehe ich im Folgen- den an einigen Beispiel nach, die für das Verständnis der Zusammenhänge notwendig sind, in denen von 1945 bis heute christliche Literatur verhandelt wird.67 Bereits die traditionelle Literaturtheologie bot den Anschluss an eine konservative Ausdeutbar- keit insofern,68 als sie ihre Argumentation in den übergreifenden Kontext einer - in der Regel kulturpessimistischen - Zeitdeutung einstellte;69 eine politisch konnotierte Einfärbung des To- pos’ von ‘Bedrohung und Kampf’.70 Unterscheiden lassen sich hier (1) antizivilisatorische und (2) antikommunistische Affekte. 1. In der Nachkriegszeit setzten antizivilisatorische Argumentationsmuster zunächst auf die Ge- genüberstellung von natürlicher Weltordnung und deren rationalistischer oder auch subjektivi- stisch-verfeinerter Deformation: Als „Feind jetzt und in aller Zukunft“ bestimmte Alois Dempf „das innere Heidentum der Zivilisation und des Dschungels, die Verführung der Verfeinerung und die aus ihr ausbrechende Sucht zur Primitivität, die Diesseitigkeit selbst, das Leben ohne Transzendenz.“71 Bei Karl Pfleger fungierte die Entgegensetzung von Kunst und Natur geradezu als Definiens 66 Ebd., 286. Indem Rohrmoser auf diese Weise die historische Dimensionierung theologisch-christlicher Selbstre- flexion beträchtlich unterbietet, nimmt es auch nicht wunder, dass er - sich auf Gramsci berufend - den von ihm festgestellten Nexus topographisch in einem diskursiven Bedrohungs- und Kampfzusammenhang verortet. Beispiels- weise zitiert er Horst Mahler mit der These, der Tod Gottes sei zugleich auch der Tod des Menschen, und setzt hinzu: „Dies ist die radikalste Formulierung, die ich von dieser Seite je vernommen habe. Eben diese These habe ich am Beginn der Kulturrevolution [sc. den studentischen Unruhen vom Ende der sechziger Jahre] prognostiziert und ich werde dafür seither als der letzte Reaktionär bekämpft.“ (beide Zitate ebd., 285) Gleich zweimal wird Mahler apo- strophiert als „der Erfinder des deutschen Terrorismus“ (ebd.). Mahlers Wandlung zum Apologeten rechtsextremi- stischen Gedankenguts hingegen lässt Rohrmoser geflissentlich unerwähnt. 67 Die Aufarbeitung der Verschränkung von christlichem und konservativem Diskurs, wie sie sich etwa in der von Gerd-Klaus Kaltenbrunner beim katholischen Herder-Verlag herausgegebenen Taschenbuchreihe ‘Initiative’ (1974 bis in die achtziger Jahre) manifestiert, wäre eine gesonderte Untersuchung wert. In der politikwissenschaftlichen Diskussion begegnet, soweit ich sehen kann, je nach der jeweiligen Perspektive ein weitgehendes Unverständnis der christlichen Dimension konservativen Argumentierens (als Beispiele seien hier nur Elm 1984, 265ff. und Feit 1987, 167 genannt). 68 Frühwald (1986) hat darauf hingewiesen, dass die konservative Grundhaltung der christlichen Kanonliteratur nach 1945 ihre Entsprechung fand im Konservatismus der Adenauer-Ära. Wie die Untersuchung des literaturtheologischen Diskurses gezeigt hat, lässt sich dieser Befund präziser formulieren: Für die traditionelle Literaturtheologie - und mit ihr sicherlich für viele Rezipienten - fungierte die christliche Kanonliteratur als Widerpart zu den Modernisie- rungstendenzen, die in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten um sich griffen. 69 Vgl. etwa Flügel 1946, Baden 1943, Baden 1948a, Baden 1950, Holthusen 1968, Nigg 1970 oder Holthusen 1983. 70 Zum Topos von ‘Bedrohtsein und Kampf’ vgl. Zwischenresümee 1. 71 Dempf 1950, 1042. Vgl. auch Haecker (1949, 313f.), wo - in einem Text über ‘Christentum und Kultur’ aus dem Jahre 1930 - der Seinsordo in politischen und sozialen Kategorien gefasst ist. Der Neuabdruck dieses Textes in dem Sammelband ‘Opuscula’ von 1949 dürfte vor allem als Kommentierung der NS-Zeit zu lesen sein und nur mittelbar als Kommentierung der Nachkriegszeit. - C.4.d - 220 von übergeordneter Wahrheit, die der Kategorie der (nur) subjektiven Erkenntnis übergeordnet war. Indem beispielsweise Charles Péguy als Vertreter des wahren Frankreich gedeutet wurde, diente er Pfleger zugleich als Kronzeuge des Natürlichen gegen das Gekünstelte: „Der vorväterliche Lebensrhythmus, der ihm [Péguy] im Blute liegt: die Erinnerung an den mo- notonen Aufschlag des Schmiedehammers, an die Fahrt im Bauernwäglein und das stundenlange Getrampel der Pferdehufe auf einsamer Landstraße. Ist man nicht gegen Überraschungen durch Geistesblitze gesichert? Plötzlich treten glänzende Formulierungen, geniale Zusammenfassun- gen mit einem Seitensprung aus dem schleppenden Gedankenzug.“72 Walter Nigg verortete den Bezugspunkt seiner Gegenwartskritik im vorindustriellen Seinsordo, wenn er die heutige Landflucht, ‘übersetzte Bodenpreise’ und ‘übermäßige Chemikalisierung’ der Landwirtschaft beklagte, diese „Bedrohung der bäuerlichen Welt“73 aber nur als Entwurze- lung begriff. Solch mittelalterlich getöntes Ordo-Denken - hierzu passt auch die Entgegenset- zung von ‘echten Bauern’ und ‘gewissenlosen Spekulanten’ - überhöhte Nigg sodann mit einem Zitat von Simone Weil ins Biologistisch-Metaphysische: Es sei „gegen die Natur, daß die Erde von Entwurzelten angebaut wird.“74 Selbst Hans Jürgen Baden, der die Gegenwart nicht durchweg als defizitäre Schwundstufe einer vergangenen Einheit begriff und der sich über die „apokalyptischen Ausschweifungen“75 gängiger Zivilisationskritik mokierte,76 setzte den Re- kurs auf eine goldene Vorzeit implizit voraus, nämlich innerhalb seiner Bestimmung der Trans- zendenz, an die er das verantwortliche Dasein des geistigen Menschen band: „Wenn die Zivilisation - wofür noch der Beweis zu bringen wäre - eine ragende Mauer zwischen sich und dem Ewigen hochgezogen hat, so liegt es an uns, diese Mauer wieder abzutragen, zu- mindest Breschen in sie zu schlagen. [...//...] Man darf nicht müde werden, im unwegsamen Ge- birge der Gegenwart nach den Goldadern der Transzendenz zu suchen. Nur dort, wo wir gegen- wärtig existieren, öffnet die Zeit ihre Abgründe - den Schoß, der gleichermaßen voller Wunder und Geheimnisse ist wie in sagenhafter Vorzeit.“77 An anderer Stelle verteidigte Baden den Rang schriftstellerischer Autarkie vor dessen gesell- schaftlicher Förderung, indem er - im Vorfeld der Gründung der beiden deutschen Staaten nach dem Krieg - gegen staatliche Kulturpolitik als Produkt eines „geistigen Sensationsbedürfnis- ses“78 polemisierte: Staatlich geförderte Kultur werde „ein Appendix der Politik, ein schwa- 72 Pfleger 1931/1951, 35. 73 Nigg 1966, 144. 74 Ebd.; das Zitat ist aus: Simone Weil, Die Einwurzelung (1956), S. 122. 75 Baden 1953, 5. 76 Vgl. etwa Baden 1953, 5//6. Baden nahm im literaturtheologischen Diskurs nach 1945 insofern eine Sonderstel- lung ein, als er eine tätige Auseinandersetzung mit der Gegenwart forderte: „Wir haben ein einziges Feld der Er- kenntnis, der Praxis, der Bewährung. Es ist das Feld der Gegenwart. [...] Wir können uns dem Wagnis der Selbst- verwirklichung nicht auf dem Umweg über die Vergangenheit entziehen.“ (ebd., 8). 77 Ebd., 8//9. 78 Baden 1949, 147. - C.4.d - 221 ches verschämtes Echo der politischen Phrase.“;79 mehr noch: Kulturpolitik führe „als breite glänzende Straße [...] in die Verdammnis“.80 2. Ungleich konkreter auf den bundesrepublikanischen Gesellschaftsdiskurs gemünzt waren Ver- suche, den Kanon christlicher Literatur als Widerpart gegen das ‘linke’ Kulturestablishment in Anschlag zu bringen. Bereits im literaturtheologischen Diskurs der Nachkriegszeit wurde mit dem ‘Zeitgeist’ argumentiert, vor dem das Unzeitgemäße christlicher Literatur seinen wahren Rang erhalte,81 und in den sechziger Jahren sprach Werner Ross im Hinblick auf die Do- minanz der Gruppe 47 von einer „plakatierten Kaltschnäuzigkeit“,82 von „wohlgepanzerter Skepsis“83 mit antichristlichem Impetus: „eine neue Aufklärungswelle [versuche] das Christen- tum zu diskreditieren, es als ernst zu nehmende Erlösungsmöglichkeit auszureden.“84 Und 1968 polemisierte Hans Egon Holthusen gegen Ernst Bloch: „Der Glaube an unerschütterliche Autoritäten und Orthodoxien, den Lessing seinen Zeitgenos- sen hatte austreiben wollen: hier feiert er in grammatisch anfechtbarer Gestalt Auferstehung. Man schaudert bei dem Gedanken, diesen Absolutismus einmal in Regierungspraxis umgesetzt sehen zu müssen. Wir würden wohl alle nichts zu lachen haben.“85 Zugleich begegnet in der traditionellen Literaturtheologie häufig eine Apologie des Traditions- bewusstseins, und diese richtet sich an konstatierte gesellschaftliche Fehlentwicklungen, vor allem bei Friedrich Kienecker: „Wo dieser Bruch [sc. der radikale Traditionsbruch] zum vollständigen Traditionsverlust führt, wie mindestens tendenziell in manchen Ideologien, gerät das Verhältnis des Menschen zur Ge- schichte selbst in Gefahr. ‘Ohne mich’, ‘No future’ u.ä. sind plakative Zeugnisse für diese Ge- fahr.“86 und: „In einer Zeit, in der im Vordergrund des öffentlichen Bewußtseins vorrangige Aufmerksamkeit auf die Ansprüche der Gesamtgesellschaft (gegenwärtig gern als dezidiert politische) gelegt wird, bildet die Kunst ein notwendiges und heilsames Korrektiv.“87 79 Ebd. (Zeichensetzung im Original). 80 Ebd., 148. Ähnlich argumentierte Baden noch in den siebziger Jahren, wenn er der ‘pfingstlichen Sprache’ die (jargonhafte, ideologiebehaftete) ‘Sprache der Turmbauer’ gegenüberstellte (vgl. Baden 1975a, 108). 81 Etwa Hans Urs von Balthasar, der die - ausdrücklich als vermeintlich apostrophierte - Unzeitgemäßheit Reinhold Schneiders gerade als dessen besondere Qualität herausstellt: “Der Zeitgeist ist für den Christen kein Kompaß seines Benehmens.” (Balthasar 1991, 17) 82 Ross 1968, 136. 83 Ebd. 84 Ebd., 135. 85 Holthusen 1968, 86. Die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Studentenprotest der späten sechziger Jahre war ein gängiges Muster damaliger konservativer Kritik; scharf prononciert auch bei Hans Jürgen Baden und Walter Nigg. 86 Kienecker 1991, 21, Anm. 4. 87 Ebd., 15. - C.4.d - 222 3. Kienecker wiederum war auch vertreten in den im Umkreis von Lothar Bossle publizierten Sammelbänden, die der diskursiven Restituierung und Bekräftigung konservativer Identität dienen und den Kanon traditioneller christlicher Literatur - in der Regel verkürzt auf le Fort, Bergengruen und Schneider - in den Kampf um eine konservative kulturelle Hegemonie einstel- len.88 In Bossles ‘Kompendium des modernen christlich-freiheitlichen Konservatismus’ von 1981, einer prononciert katholischen ‘konservativen Bilanz der Reformjahre’,89 firmierte christliche Literatur - unter dem Stichwort des ‘Verlusts der Mitte’ - zunächst nur als Randthe- ma.90 In der Folgezeit rückte sie in das Zentrum von Bossles Beiträgen zum neokonservativen Diskurs. Christliche Literatur könne - so Bossle in einem 1982 geschriebenen Aufsatz - eine „bessere als die bisherige innere und äußere Bewältigung der Gegenwart und Zukunft“91 vermitteln; es seien in den „Denk- und Empfindungsmethoden christlichen Literaturschaffens viel gründlichere Instrumente zur Umgreifung unserer Wirklichkeit zu erblicken.“92 Im Zu- sammenhang mit der Gründung der ‘Gertrud-von-le-Fort-Gesellschaft’ (Würzburg 1982) gab Bossle dann eine Reihe von Sammelbänden heraus - unter anderem zwei der Apologie Hans Filbingers gewidmete Festschriften -, in denen die abgedruckten literaturtheologischen Beiträge in zweifacher Hinsicht der Beglaubigung konservativer Diskurspolitik dienen: zum einen der ‘Erneuerung’ gesellschaftlichen Bewusstseins unter christlichen Vorzeichen,93 zum anderen dem (christlich gedeuteten) nationalen Erbe (‘Deutschland als Kulturstaat’).94 Die Rezeption insbesondere Gertrud von le Forts dient also dazu, die „geistige und literarische Trendwen- de“95 der sechziger Jahre im Zeichen nationaler Selbstbesinnung zurückzusteuern. 88 In seiner politikwissenschaftlichen Dissertation über das politische Denken Reinhold Schneiders konzedierte Bossle, dass dessen „Verständnis der Gegenwart und der Aktualitätsbezüge des Politischen vielfach überdeckt wurde durch seine Bindungen an die Vergangenheit und eine in utopischer Sicht formulierte Zukunft“ (Bossle 1964, 19) - eine vornehme Umschreibung für politische Naivität. Schneiders pazifistisches Engagement bleibt im katholischen Diskurs offenbar heikel: Noch Markus Ries (*1959) gab jüngst dem Bedauern Ausdruck, dass Schneider sich leider in politische Auseinandersetzungen habe hineinziehen lassen (vgl. Ries 1998, 296). 89 Zur katholischen Ausrichtung vgl. etwa Motschmann 1981. 90 Vgl. Huyng 1981, 540. 91 Bossle 1983b, 336. 92 Ebd.. Gemeint ist auch die politische und soziale Wirklichkeit, gegründet in einem vor-rationalistischen Ordorah- men, den zu schauen einer entsprechenden Intuition vorbehalten bleibt („tiefste Erfassung der Wirklichkeit“; ebd., 340). In diesem Zusammenhang perhorresziert Bossle sowohl die „Mode einer Theoriensüchtigkeit auf allen Ebenen des Lebens“ (ebd. 338) als auch bloßes Literatentum: Den christlichen Autoren sei „das Caféhaus [...] stets ferner als die Gelehrtenstube gewesen.“ (ebd., 337) 93 Wie eine Vorwegnahme gegenwärtigen neokonservativen Argumentierens liest sich der Klappentext von Götz, K. 1954, in dem davon die Rede ist, dass „Männer wie Mauriac oder Pirandello, Luc Estang oder Dylan Thomas auf die Zerfallserscheinungen im gesellschaftlichen Machtkampf der Moderne eine heilende Wirkung ausüben“ - ein Beispiel von vielen, die zeigen, wie noch der neuere literaturtheologische Diskurs von Wahrnehmungsmustern und Formulierungen geprägt ist, die schon die Literaturtheologie der fünfziger Jahre kennzeichnete. 94 Damit ist der pragmatische Zusammenhang der Publikationen (Bossle 1983 und Bossle 1993) bestimmt, nicht der Tenor der einzelnen Veröffentlichungen. Biser und Bungert (abgedruckt in Bossle 1983) sowie Kienecker (in Bossle 1993) entwickeln ihren Gegenstand in anspruchsvoller Weise. In den (wenigen) Aufsätzen, die Bossle selbst der christlichen Literatur widmete (beispielsweise Bossle 1983a), beschränkte er sich auf deren funktionale Bezüge. 95 Bossle 1983b, 336. - C.4.d - 223 Ein weiterer Versuch, in der Person einer christlichen Autorin „konservative Positionen in der Kulturpolitik“96 zu verteidigen, sei hier nur am Rande erwähnt, weil er über den Anlass nicht hinausreichte. Für die vorliegende Untersuchung ist die 1995 erschienene Streitschrift von Friedrich Denk über die ‘Zensur der Nachgeborenen’ allerdings insofern von Interesse, als Denk in einem literaturkritischen Rahmen literaturtheologische Deutungsmuster repristinierte und zugleich die Frage der Kanonisierung (bzw. Nicht-Kanonisierung) christlicher Literatur als eine politische erörterte:97 Am Beispiel Gertrud Fusseneggers versuchte er nachzuweisen, dass im deutschsprachigen Feuilleton und in der deutschsprachigen Germanistik unliebsame Schriftsteller ‘totgeschwiegen’, unter Umständen sogar bekämpft würden. In seiner Argumentation ist es nicht in erster Linie der christliche Glauben der Autorin, der zu den Angriffen gegen sie geführt habe; vielmehr sieht er in ihrem Fall konservative Positionen in- gesamt diffamiert. Ein solcherart reklamiertes konservatives Selbstverständnis - das macht Denk allerdings durchgehend deutlich - wird ineins gesetzt mit einer christlichen Grundhaltung. So werden aus den Angriffen gegen Gertrud Fussenegger eben doch: Angriffe auf eine christliche Autorin. Damit war das literaturtheologische Deutungsmuster von ‘Bedrohtsein und Kampf’ revaluiert, um so mehr, als Denk sein eigenes Agieren als eine ihm aufgezwungene kriegerische Ausein- andersetzung deutete und den Verlauf der öffentlichen Diskussion in militärischen Kategorien beschrieb - was wiederum seine eigene Dynamik entfaltete; das allerdings wäre Gegenstand einer gesonderten Untersuchung. Sicherlich gehört Denk nicht zum literaturtheologischen Dis- kurs. In seiner Person aber sehe ich ein Beispiel für dessen Ausstrahlungskraft in den literatur- didaktischen Diskurs bis in die sechziger Jahre:98 Der 1942 geborene Denk gehört zu einer Ge- neration, die in ihrem Deutsch- und Religionsunterricht in den fünfziger Jahren mit einiger Wahrscheinlichkeit auch mit Deutungsmustern der traditionellen Literaturtheologie vertraut gemacht wurde.99 96 Denk 1995, 18. 97 Ich danke Dr. Volker Hage, Hamburg, für den Hinweis auf dieses Buch. 98 Ich übernehme hier mutatis mutandis die Hypothese, die den von Doderer et al. (1993) herausgegebenen Studien über ‘Jugendliteratur zwischen Trümmern und Wohlstand 1945 - 1960’ zugrunde liegt, dass es nämlich die Generati- on der heute Fünfzig- bis Sechzigjährigen ist, die die Jugendliteratur-Konzepte der ersten zwei Nachkriegsjahrzehnte als Teil ihrer lebensgeschichtlichen Prägung erfahren hat (vgl. ebd., 3f.). Eine politikwissenschaftliche Untersuchung, inwieweit der neokonservative Diskurs seit den siebziger Jahren (Kaltenbrunner, Rohrmoser etc.) am literaturtheolo- gischen Argumentieren partizipiert, würde die vorliegende Arbeit sinnvoll ergänzen. 99 Was aufzuarbeiten ein lohnendes bildungsgeschichtliches Thema sein dürfte. Einer zeitgenössischen Schätzung von Robert Ulshöfer zufolge versah etwa ein Drittel der damaligen Deutschlehrer den Lehrberuf aus christlicher Überzeugung (dazu ausführlicher Kap. E.2.a). - Zwischenresümee 2 - 224 Zwischenresümee 2: Probleme literaturtheologischen Fokussierens Im Zentrum des gegenwärtigen literaturtheologischen Diskurses steht die Bedeutung, die Lite- ratur für das Leben des einzelnen hat. Tendenziell ist damit der Rahmen der jeweils in den Blick genommenen Literatur unbegrenzt, abhängig nur vom jeweiligen individuellen Fokus. Zugleich aber beansprucht der literaturtheologische Diskurs, über den Rahmen einer individuel- len Lesepraxis hinaus verbindliche Aussagen über Literatur zu treffen. Das führt zu zwei Pro- blemen: 1. Die Frage nach der in Literatur sich manifestierenden authentischen Erfahrung - theologisch wie literarisch sicherlich ergiebig1 - legt in literaturwissenschaftlicher Hinsicht die Frage nahe, wie sich das Wertungskriterium des ‘Authentischen’ bzw. des ‘Relevanten’ bestimmen lässt. Zunächst: Wie wird es bestimmt? Dorothee Sölle beispielsweise behandelte in ihren frühen literaturtheologischen Beiträgen die literarisch sich manifestierende „Gesinnung zur Totalität“, d.h. die „Beziehung des Menschen auf die Problematik des Sinnverlangens hin“,2 ein An- spruch, der in neueren Veröffentlichungen zurückgenommen ist auf den Gegensatz von „totaler Trivialität und einer Sprache, die öffnet und gibt“.3 Den anderen Pol gegenwärtiger Litera- turtheologie bildet Paul Konrad Kurz, bei dem sich ein ähnlicher Wandel in der Fokussierung zeigt: Hielt Kurz in den sechziger und siebziger Jahren fest, dass es im theologisch relevanten Werk „intensiv um den Menschen geht“,4 zog er sich in neuerer Zeit auf die Perspektive der mystischen Teilhabe am Weltganzen zurück.5 Mit diesem ‘shift’ auf die individuelle Lesepraxis - für den ich nur stellvertretend Sölle und Kurz nenne - vollzog die Literaturtheologie nach, die in der Natur der Sache liegt: Was authen- tisch ist, kann immer nur das sein, was als authentisch erfahren wird. Der Einwand liegt nahe, im Gebrauch von christlicher Literatur, wie sie im literaturtheologischen Diskurs beständig verhandelt wird, sei implizit schon die Geltung von Authentizität bzw. Wahr- haftigkeit gewährleistet. Dem ist sicher so: Wenn Leser, Hörer, Interpreten, Rezensenten etc. auf sprachlicher Ebene eine gewisse Übereinstimmung darüber herstellen können, ein Text sei au- thentisch, dann ist er es für diesen Personenkreis auch. Zu untersuchen bliebe dann im Einzelfall jeweils die Beständigkeit solcher Einschätzungen über einen längeren Zeitraum hinweg. Das än- dert jedoch nichts an der Frage, wie das Kriterium der Authentizität über den Kreis der Partizi- 1 Wenn sie sich auch theologischerseits des Generalverdachts eines Immanentismus erwehren muss, wie ihn etwa Splett 1996, 278ff. äußerte. 2 Sölle 1973, 21. 3 Sölle/Mautner 1996, 61. 4 Kurz 1973, 100. 5 So beschreibt Kurz (1996) seinen methodischen Ansatz. - Zwischenresümee 2 - 225 panten hinaus vermittelbar ist - denn genau das ist ja das Anliegen literaturtheologischer Tätig- keit.6 Die Beurteilungskategorien, die an das literarische Werk angelegt werden, hängen also vom je individuellen Lese-, Anspruchs- und Interessenhorizont ab, bezeichnen aber keine Werkquali- tät. Es besteht kein Grund, eine schlichte Dichotomie von ‘trivial’ vs. ‘nicht-trivial’ eo ipso vorauszusetzen und diese im literarischen Werk zu suchen. Das hieße nämlich, beim ästheti- schen Überbietungsparadigma des 19. Jahrhunderts anzusetzen, dessen überzeitlicher Geltungs- anspruch sich längst als historisch bedingt erwiesen hat. Zeitgenössische Einwände gegen das Überbietungsparadigma haben Max Wehrli aus theologi- scher Sicht7 und Reinhard Baumgart aus poetologischer Sicht geäußert. Baumgart bestimmte 1972 die Möglichkeiten moderner Literatur in einem freien, wenngleich reflektierend gebroche- nen Verfügen über unterschiedliche poetische Erfahrungsdimensionen und wandte sich gegen den Anspruch, „von Literatur nur noch Ideologiekritik, die Ausnüchterung aller Räusche“8 zu er- warten: „Kein Zweifel, mit diesem Ehrgeiz lassen sich spätbürgerliche Schwanengesänge noch übers dreigestrichene g hinaustreiben.“9 Moderne Literatur habe „notorische Schwierigkei- ten“10 mit der Darstellung des Positiven und wende sich lieber an „die äußerste Negativität“,11 und Baumgarts pointiertes Resümee trifft mutatis mutandis auch auf die avancierte Literaturtheo- logie zu: „Je tiefer die Verzweiflung, desto höher das Niveau, das galt und gilt noch immer unbe- fragt als Regel.“12 Aus all dem folgert: Eine literaturtheologische Praxis, die nicht die Limitierungen des eigenen Erkenntnisprozesses mitdenkt, fällt hinter ihren eigenen Anspruch der Zeitgenossenschaft zu- rück. Das Problem literaturtheologischer Kanonbildung ist also - recht verstanden - nicht ein literarisches, sondern ein weltanschauliches,13 und das zeigt sich an den Diskrepanzen, die zwi- schen den explizit formulierten Wertkategorien literaturtheologischen Argumentierens und den Werken bestehen, die diese Kategorien einlösen sollen. Als exemplarisch kann hier Friedrich Kienecker gelten, der ein Gedicht von Kurt Marti 14 als Beleg für das problematische Verhält- nis der neuzeitlichen Kulturgeschichte zum Wort ‘Gott’ zitierte und daraus folgerte: „So wird Martis Text zu einem leidenschaftlichen Protest gegen die radikale, tödliche Veräußer- lichung des Wortes Gott durch Reden, Handeln und Sein des Menschen und zu seiner Heraus- 6 Dieses Problem bleibt bei Ottmar Fuchs (1983, 39 sowie 35, Anm. 11) unerörtert. 7 Vgl. Wehrli 1964, 532f. 8 Baumgart 1973a, 170 (Den Vortrag, aus dem ich zitiere, hielt Baumgart 1972 auf dem Literatur-Symposion Kla- genfurt). 9 Ebd., 171. 10 Ebd., 167. 11 Ebd. 12 Ebd., 166. Diese Auffassung war nicht neu; aus christlicher Sicht hatte beispielsweise Karl Ledergerber die ‘Liturgien des Existentialismus’ kritisiert (vgl. Ledergerber 1966, 451f.). Ähnliche Einwände vertrat Hussong (1975, 364) gegenüber dem religionsdidaktischen Literaturdiskurs. Eine analoge Diskussion findet sich auch im literaturtheologischen Diskurs selbst: 1960 resümiert Heinz Linnerz seine Umfrage damit, dass die ‘christliche Welt- freude’ nur noch bei kleineren christlichen Autoren zu finden sei (Vgl. Linnerz 1960a, 88) Bereits Emmanuel Mou- nier hatte das ‘Versagen’ der christlichen Autoren Frankreichs nach 1945 damit begründet, dass sie eine Literatur des Karfreitags geschaffen hätten: „Der Jubel des Ostertages, der Auferstehung und des Pfingstfestes fehlen; im besten Falle leben die Gestalten dieser Autoren am Rande des Jubels, leider auch am Rande der Menschheit und der Ge- meinschaft der Heiligen.“ (Münz 1964, 360) 13 Vgl. hierzu aus materialistischer Perspektive Hussong 1975, 364f. 14 “das blutet aus allen wunden“. Aus: Kurt Marti: abendland. gedichte. Darmstadt 1980. - Zwischenresümee 2 - 226 forderung, der göttlichen Offenbarung [...] erinnernd (d.h. sie sich in einer Existenzanstrengung zu erinnern) zu begegnen.“15 Dieses literaturtheoretische Postulat einer ‘Existenzanstrengung’ belegte Kienecker mit folgen- dem Gedicht von Eva Zeller: „GOTT Das macht Deine Unsichtbarkeit daß wir uns so ereifern und Dein Name daß wir damit fluchen GOTT exakte Verkalkung im Prüfstein Sprache [...] Es ist Zeit für Deinen Auftritt Deinen salto mortale ins Fleisch“16 Kienecker selbst gab Marti unter anderem mit folgenden Worten wieder: „In der Gesellschaft ist Gott seiner Würde so vollständig entkleidet, daß das Wort von der ‘Passion Gottes’ einen bedrückenden Sinn bekommt.“ Gerade dafür scheint mir - das sei hier zur Diskussion gestellt - Zellers Gedicht ein geeignetes Beispiel zu sein, unabhängig von den sicher unzweifelhaften Intentionen der Dichterin: Die frivol anmutende Metapher vom ‘salto mortale ins Fleisch’ - man stelle sich die ‘passio Christi’ mit Trommelwirbel und Tusch vor - belegt ungewollt Martis Verdikt vom allzu gefälligen Hantieren mit dem Wort ‘Gott’ und widerlegt Kieneckers Lesart, der Zellers Gedicht als Bestätigung von Martis Kritik anführte. Der Grund liegt möglicherweise darin, dass Kienecker das Gedicht nicht interpretierte, sondern nur paraphrasierte.17 Im übrigen zeigt gerade dieses Beispiel das Dilemma der Literaturtheologie, zwar den künstlerischen Wert von (als künstlerisch akzeptierter) Literatur vorauszusetzen, die Texte dann jedoch vornehmlich im Hinblick auf die jeweilige Autorintention zu interpretieren.18 Zellers Gedicht jedenfalls dürfte - dies wiederum ist meine Auffassung - kaum dem hohen Anspruch genügen, den Kie- necker selbst an christliche Literatur stellte, etwa mit dem Postulat: 15 Kienecker 1991, 95. 16 Kienecker 1991, 95; das Gedicht von Eva Zeller ist entnommen aus: Fliehkraft. Gedichte. Stuttgart 1975, S. 69 (Lit.angabe nach Kienecker). 17 Kienecker selbst verstand Dichtung „als immer neu gewagte und versuchte sprachliche Verdichtung innerer oder // äußerer Erfahrung in deren wesentliche Bezüge, als ‘Aus-Legung’ der Wirklichkeit, die sich in der Verdichtung zugleich offenbart“ (Kienecker 1991, 112//113). Seine Paraphrase des Gedichts ist jedoch nur an einer Stelle erwei- tert um kurze Anmerkungen zur „poetischen Struktur“ (ebd., 96) und einen andeutenden Hinweis auf die „rhythmischen Erregungseinheiten der drei Strophen“ (ebd., 96). Kieneckers Methodik steht auch im Widerspruch zu einem Satz von Werner Kohlschmidt, den er selbst an anderer Stelle zitiert: „Dichtung kann nicht einfach dem Inhalt nach gelesen werden wie ein religiöses oder philosophisches Dokument.“ (Kohlschmidt, Die entzweite Welt, 1953, 77; hier zit. nach Kienecker 1991, 112). 18 Einer der wenigen Ansätze, die die Faktur eines literarischen Werks nicht nur referieren oder - wie Kuschel - als Wertungskategorien verwendet, sondern ihren theologischen Erkenntniswert auch argumentatorisch begründet, ist der von Mieth. - Zwischenresümee 2 - 227 „Wenn der Ernstfall des Glaubens: der unerbittliche Ernst der Passio Christi und der hoff- nungsstiftende Ernst der Resurrectio Christi in ihrer Einheit als Grenzfall der Kunst zum Thema werden, ist das Äußerste, was Kunst vermag, gewagt.“19 Die hier an einem Beispiel aufgezeigte Diskrepanz zwischen literartheoretisch- transzendentalem Anspruch und literarischer Wirklichkeit wird in der neueren Literaturtheolo- gie durchaus kontrovers diskutiert. Auf dem Tübinger Symposion von 1984 etwa wurde ein literarischer Beitrag Gertrud Fusseneggers als epigonal abgelehnt.20 Offensichtlich aber hängen die Kriterien für eine solche Wertung vom jeweiligen pragmatischen Kontext ab: Zehn Jahre zuvor hatte der katholische Theologe Alfred Focke den theologischen Wert von Literatur an deren Glaubwürdigkeit bemessen, insoweit sie nicht nur den Katechismus rekapituliere, son- dern ‘Existenzfragen’ aufwerfe: „Nur wo diese Spannung zur Auslegung des Sinnes von Leben, Lieben, Bleiben und Sterben treibt, wo die Sprache, nach Heidegger, Bahnen wesentlicher Weisungen, in die sich alles Ent- scheiden fügt, weist, in die Bahnen von Geburt und Tod, Segen und Fluch, Leid und Freude, sich dahinein alles verdichtet, ist Dichtung die Sprache, die alles andere Sprechen ermöglicht. ‘Eine all unserer Daten eingedenk bleibende Konzentration’, nennt Celan solches Sprechen. ‘Kontemplative Vergewisserung des Wesentlichen’, sagt Karl Jaspers. Hier begegnen sich Dichtung und Glaube.“21 Diese Sätze, ausdrücklich auf Ingeborg Bachmann und Paul Celan bezogen, leiteten dann eine Autorenlesung ein, bei der - im Rahmen der Ausstellung ‘1000 Jahre Babenberger’ im Stift Lilienfeld - im wesentlichen christliche Autoren von geringerer literarischer Bedeutung lasen: Gertrud Fussenegger, Erika Mitterer, Norbert Mussbacher, Friedrich Sacher und Walter Sachs. 2. Die Konzentration auf die Lesepraxis des Einzelnen subsumiert zwar einen breiten Bereich gegenwärtiger christlicher Literatur, nicht aber historischer christlicher Literatur. Hier nun set- zen literaturhistorische Fragestellungen an, die die Traditionsbildung des literaturtheologischen Diskurses kontrastieren können. Zu denken wäre etwa an eine deutschnationale katholische Literatur vom Schlage Josef Magnus Wehners (‘Sieben vor Verdun’ etc.), an der sich aufzeigen ließe, dass der literarische katholische Aufbruch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kei- neswegs immer nur eine Erfolgsgeschichte war, zumindestens nicht literarästhetisch. In der vorliegenden Untersuchung geht es jedoch um die Aufarbeitung des literaturtheologischen Dis- kurses nach 1945. Für diese Fragestellung ist die vorkonziliare katholische Literatur der fünfzi- ger Jahre von zentraler Bedeutung. In ihr spiegelt sich zum einen der Kanonisierungsprozess, der bis heute die Wahrnehmung von ‘christlicher Literatur nach 1945’ prägt, zum anderen las- 19 Kienecker 1991, 115. 20 Jens/Küng/Kuschel 1986, 91f. 21 Focke 1976, 12, Sp. 5. - Zwischenresümee 2 - 228 sen sich an ihr Muster des Umgangs mit Literatur aufzeigen, die im heutigen literaturtheologi- schen Diskurs wieder verstärkt zu greifen beginnen. Dass die vorkonziliare katholische Literatur bisher bestenfalls kursorisch behandelt wurde, mit einem katholizismusgeschichtlichen oder mentalitätsgeschichtlichen Interesse, nicht aber unter literaturtheologischen Aspekten, ist - das zeigt der bisherige Gang der Untersuchung litera- turtheologischen Erkenntnisinteresses - fast zwangsläufig: Den Wertungsmustern der traditio- nellen Literaturtheologie verfiel sie unter literarischen, den Wertungsmustern der avancierten und gegenwärtigen Literaturtheologie unter theologischen Aspekten, und der Kanontradierung verfällt sie unter literaturpolitischen Aspekten. Diese Einschätzungen zu revidieren, wäre nicht ein Ziel meiner Arbeit. Die folgende Untersu- chung des vorkonziliaren katholischen Literaturdiskurses (Kap. D, E) soll vielmehr dazu beitra- gen, die konfessionell geprägten Rezeptionsbedingungen im literarischen Diskurs der fünfziger Jahre differenzierter wahrzunehmen, als es gemeinhin geschieht. Dies verleiht nicht nur der in Kap. B behandelten Literaturtheologie eine bis heute wenig bekannte und gern übersehene hi- storische Tiefenschärfe. Die Untersuchung könnte auch dazu dienen, die unterschiedlichen Facettierungen damaliger christlicher Literatur nicht länger pauschal idealisieren oder ebenso pauschal perhorreszieren zu müssen. Daraus wiederum folgert ein systematisches Interesse: Der Gang der Darstellung mündet in die vom bisherigen literaturtheologischen Diskurs ausgeblen- dete metatheoretische Frage, wie das Phänomen einer ‘christlichen Literatur’ als Gegenstand literaturwissenschaftlicher Beschreibungssprache systematisch und terminologisch zu fassen ist (Kap. F). ‘Christliche Literatur’ und ihre Kanonisierung seit 1945 1. Teilband: Literaturkonzepte und Argumentationsmuster in der deutschsprachigen Literaturtheo- logie von 1945 bis heute 2. Teilband: ‘Christliche Literatur’ als literaturwissenschaftlicher Gegenstand (erörtert am Beispiel eines apokryphen katholischen Schriftstellers in der Bundesrepublik der 1950er Jahre) 3. Teilband: Literaturverzeichnis Dissertation im Fach Literaturwissenschaft vorgelegt an der Universität Dortmund / Fakultät Kulturwissenschaften von Dietrich Schlüter aus Recklinghausen Erstgutachter: Prof. Dr. Hartmut Riemenschneider Zweitgutachter: Prof. Dr. Dr. h. c. Albert Klein Oktober 2001 - Übersicht über den Inhalt - 1. Teilband Einleitung A Methodische Klärungen 1. Der ‘Dialog zwischen Literatur und Glaube’ 2. Literaturgeschichtliche Zugänge B Zum Gegenstand der Untersuchung 1. Zur Unterscheidung von Literaturtheologie und Literaturwissenschaft 2. Christliche Literatur - Zur Konstitution eines Gegenstandes C Traditionelle und avancierte Konzepte christlicher Literatur nach 1945 1. Traditionelle Literaturtheologie (I): Christliche Literatur und Gegenwart 2. Traditionelle Literaturtheologie (II): Christliche Literatur als Problem Zwischenresümee 1: Argumentationsmuster in der traditionellen Literaturtheologie 3. Aspekte avancierter Literaturtheologie 4. Zur Fokussierung gegenwärtiger Literaturtheologie Zwischenresümee 2: Probleme literaturtheologischen Fokussierens 2. Teilband D Zur Literatur im katholischen Milieu der bundesrepublikanischen fünfziger Jahre 1. Anmerkungen zu einem katholizismusgeschichtlichen Thema 2. Zum westdeutschen Katholizismus nach 1945 3. Katholische Literaturtraditionen 4. Zur Makrostruktur des katholischen Literaturdiskurses nach 1945 5. Katholische Jugendliteratur: Regeln und persuasive Muster E Erwin Karl Münz: apokryphes katholisches Literatentum nach 1945 1. Zur Biographie 2. Literarisch-kulturelles Wirken nach 1945 3. Literarische Kontakte 4. Literarisches Œuvre I 5. Literarisches Œuvre II 6. Erwin K. Münz als katholischer Autor F ‘Christliche Literatur’ unter literaturwissenschaftlichen Aspekten 1. Zur Tauglichkeit des Begriffs ‘christliche Literatur’ 2. Christliche Literatur systematisch 3. Resümee: Zur Ausdifferenzierung des Forschungsgebietes ‘christliche Literatur’ - Inhaltsverzeichnis des zweiten Teilbandes - D Zur Literatur im katholischen Milieu der bundesrepublikanischen fünfziger Jahre 1. Anmerkungen zu einem katholizismusgeschichtlichen Thema................................ 229 a) Zum behandelten Zeitraum......................................................................................... 229 b) Zur Perspektive der Darstellung................................................................................. 231 c) Zum biographischen Interesse..................................................................................... 232 2. Zum westdeutschen Katholizismus nach 1945............................................................. 234 a) Nachkriegszeit............................................................................................................. 234 b) Katholizismus und katholische Lebenswelten in den fünfziger Jahren...................... 237 c) Die Erosion des Milieus.............................................................................................. 244 3. Katholische Literaturtraditionen.................................................................................... 247 a) Der Stellenwert von Literatur im Katholizismus........................................................ 247 b) Literatur und katholische Lebenswelt......................................................................... 251 i Zur Problematik katholischer Literarisierungskonzepte............................... 252 ii ‘Literatur und Leben’ poetologisch.............................................................. 254 4. Zur Makrostruktur des katholischen Literaturdiskurses nach 1945..................... 260 a) Selbstentwürfe............................................................................................................. 260 i Außendarstellung.......................................................................................... 260 ii Diskursebenen............................................................................................... 263 b) Instanzen der Produktion und Distribution................................................................. 268 i Strukturen katholischer Literaturarbeit......................................................... 268 ii Das Paradigma der Ganzheitlichkeit............................................................. 271 c) Instanzen der Steuerung.............................................................................................. 280 i Amtskirche und Literatur.............................................................................. 280 ii Offiziöse Leselenkung.................................................................................. 284 5. Katholische Jugendliteratur: Regeln und persuasive Muster.................................. 291 a) Spektrum des Literarischen......................................................................................... 292 b) Techniken des Persuasiven......................................................................................... 298 i Vergegenwärtigung...................................................................................... 298 ii Genrekonventionen...................................................................................... 308 iii Appellstruktur des Vorbildlichen................................................................. 312 c) Darstellung des Katholischen...................................................................................... 318 E Erwin Karl Münz: apokryphes katholisches Literatentum nach 1945 1. Zur Einführung.................................................................................................................... 322 a) Zur Kategorie des katholischen Schriftstellers............................................................ 322 b) Biographischer Überblick........................................................................................... 323 2. Literarisch-kulturelles Wirken nach 1945.................................................................... 326 a) Beruf als Deutschlehrer............................................................................................... 326 b) Lesungen..................................................................................................................... 331 c) Vorträge...................................................................................................................... 339 d) Kritik und Theorie der christlichen Literatur.............................................................. 342 i ‘Der feste Standpunkt’ - Anfänge als Literaturkritiker.................................... 342 ii ‘In die Menschenherzen hineingreifen’ - Katholische Literaturkritik............ 346 iii ‘Das Sprechen zu den Zeitgenossen’ - Theorie katholischer Literatur......... 350 3. Leben als Schriftsteller....................................................................................................... 355 a) Erste Kontakte............................................................................................................. 355 b) Zusammenschluss katholischer Schriftsteller............................................................. 359 c) Bad Mergentheim........................................................................................................ 363 4. Literarisches Œuvre I......................................................................................................... 366 a) Gedichte und ‘Musikalische Miniaturen’.................................................................... 366 b) Dramen........................................................................................................................ 368 c) Laienspiele.................................................................................................................. 373 5. Literarisches Œuvre II....................................................................................................... 379 a) Novellen...................................................................................................................... 379 b) ‘Der Drache siegte nicht’........................................................................................... 387 i Inhalt und formale Anlage............................................................................. 387 ii Das Motiv der Gewissenserforschung........................................................... 391 iii Vom Typoskript zum Buch.......................................................................... 393 c) ‘Die Pforten der Hölle’............................................................................................... 397 i Inhalt und formale Anlage........................................................................... 397 ii Kommentierungsebenen................................................................................ 399 iii Vom Typoskript zum Buch........................................................................... 401 iv ‘Die Frau in der roten Nacht’...................................................................... 404 d) ‘Das Floß Medusa’..................................................................................................... 406 6. Erwin K. Münz als katholischer Autor.......................................................................... 409 a) Münz’ schriftstellerisches Selbstverständnis............................................................... 409 b) Wirken und Wirkung im Kontext................................................................................ 413 c) Münz und die Literaturtheologie................................................................................. 417 F ‘Christliche Literatur’ unter literaturwissenschaftlichen Aspekten 1. Zur Tauglichkeit des Begriffs ‘christliche Literatur’................................................. 422 a) Zur Diskussion um die Validität................................................................................. 422 b) Zum literaturwissenschaftlichen Gebrauch des Begriffs............................................ 426 2. Christliche Literatur systematisch.................................................................................. 428 a) Probleme literaturtheologischen Definierens.............................................................. 428 i Das Christliche als literarischer Stoff........................................................... 429 ii Christlicher Autor........................................................................................ 432 iii Literatur als ‘geformter Geist’..................................................................... 437 b) Christliche Literatur prä-theologisch erörtert............................................................. 441 i Zur Problemlage........................................................................................... 441 ii Grundannahmen............................................................................................ 443 iii Zum Begriff einer ‘christlichen Literatur’.................................................... 448 c) Aspekte vertikaler Aufgliederung............................................................................... 453 3. Resümee: Zur Ausdifferenzierung des Forschungsgebietes ‘christliche Literatur’..... 456 D Zur Literatur im katholischen Milieu der bundesrepublikanischen fünfziger Jahre 1. Anmerkungen zu einem katholizismusgeschichtlichen Thema a) Zum behandelten Zeitraum Eine Untersuchung des Literaturdiskurses im katholischen Milieu der fünfziger Jahre mit dem Jahr 1945 ansetzen zu lassen, ist eine heuristische Entscheidung. Das Kriegsende und der Zu- sammenbruch des nationalsozialistischen Regimes führten bei den weitaus meisten Deutschen zu einem bewusstseinsgeschichtlichen Bruch,1 auf den der katholische Literaturdiskurs in be- sonderer Weise reagierte. Dieser wiederum ist ohne seine historischen Dimensionen nicht zu verstehen. Das sich im Katholizismus2 ausprägende Selbstverständnis beruhte auf dem lehr- amtlich verbürgten unbedingten Wahrheitsanspruch, dessen Legitimität durch eine Tradition bekräftigt werden konnte, die weiter in die Vergangenheit zurückzureichen schien als die ir- gendeiner anderen Institution: „Noch tritt kein Zeichen hervor, welches andeutete, daß das Ende ihrer [sc. der römisch- katholischen Kirche] langen Herrschaft herannahte. Sie sah den Anfang aller Regierungen und aller Kirchen, die es gegenwärtig in der Welt gibt, und wir möchten nicht verbürgen, daß sie nicht auch das Ende von allen erlebte.“3 Insofern wies auch der katholische Literaturdiskurs im Westdeutschland der zweiten Nach- kriegszeit immer über sich hinaus auf die im Weltmaßstab agierende römisch-katholische Kir- che. Weit unmittelbarer jedoch war die Mentalität des ‘corpus catholicorum’ geprägt durch die Erfahrungen seiner europäischen Geschichte seit der Aufklärung. In den weltanschaulichen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts dann waren die Strukturen und argumentativen Muster des katholischen Literaturdiskurses entstanden, und sie hatten sich - so die nach 1945 gängige katholische Einschätzung - bis in die Zwischenkriegszeit und das ‘3. Reich’ hinein 1 Der Terminus der ‘Stunde Null’ gibt eher Aufschluss über die Art, wie die Zeit des Nationalsozialismus verarbeitet wurde, als dass er einen wirklichen Neubeginn bezeichnet. Unbestritten jedoch ist, soweit ich sehen kann, der viel- fach dokumentierte Bewusstseinsschock, auf den in unterschiedlicher Weise reagiert wurde. Vgl. dazu Fischer 1986, 29-37, der diesen bewusstseinsgeschichtlichen Einschnitt und die zeitgenössischen Reaktionen im Hinblick auf eine literaturgeschichtliche Periodisierung differenziert erörtert. Das Jahr 1945 wählen alle mir bekannten Literaturge- schichten als Einschnitt. 2 Unter Katholizismus verstehe ich im Folgenden die Gesamtheit von kirchenoffiziellem Selbstverständnis (Tradition, Lehrautorität, Sakramentenverständnis etc.) und damit zusammenhängender kirchlicher sowie privater Frömmig- keitspraxis und - haltung: Das schließt auch die Selbstwahrnehmung sowie die Selbstkundgabe in den gesellschaftli- chen Raum mit ein. 3 Adam 1949, 17. Ähnlich bereits Joseph Görres in seinem ‘Athanasius’ von 1838: „[...] daß die kirchliche Heilan- stalt, die Gott den Irdischen erbaut, nicht seit Menschengedenken sich eingeführt; sondern daß sie in ihrem tiefsten Grunde vom Anfang der Dinge sich herschreibe, und darum ihrer Natur nach älter sey, als jeder bürgerliche Ver- band, der erst über diesem ihrem Grunde sich errichtet.“ (Görres-Ausgabe 1998, 28) - D.1 - 230 bewährt. Nicht zuletzt daraus erklären sich ihre Kontinuitäten über das Ende des nationalsozia- listischen Regimes hinaus. Allerdings stellte das Jahr 1945 einen auch für den katholischen Literaturdiskurs bedeutsamen Einschnitt dar: Was sich in dieser Zeit - theoretisch und praktisch - an Auffassungen über ka- tholische bzw. katholisch relevante Literatur manifestierte, bezog sich unmissverständlich auf die politische, soziale und zivilisatorische ‘tabula-rasa’-Situation der ersten Nachkriegsjahre. Es war dies fast eine Art von Aufbruch, der aber bereits Ende der vierziger Jahre an Schwung verlor. Zwar stellte sich der katholische Binnendiskurs schon früh der sog. ‘Konkurrenz um den Zeitgenossen’. Bis in die sechziger Jahre hinein vermochte er jedoch nur aus der Defensive heraus - in einer eigenartigen Mischung aus Bewunderung und Abgrenzung - auf die zeitge- nössische ‘säkulare’ Literatur zu reagieren und darauf, wie diese die bundesrepublikanischen Mentalitäten und Wahrnehmungsmuster - in der Terminologie von damals: ‘die moderne Welt’ - spiegelte und deutete. Diese Phase einer durchaus ambivalent geführten Auseinandersetzung mit der nicht- katholischen Welt gelangte erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (angekündigt 1959 und einberufen 1962 von Papst Johannes XXIII., beendet 1965 unter Papst Paul VI.)4 zu einem gewissen Abschluss. Im Gefolge des Konzils kam es seit Beginn der sechziger Jahre zu Umbrü- chen in Kirche und Laienkatholizismus, die nicht nur die Auflösung des katholischen Milieus betrafen, sondern sich auch auf katholische Literatur und auf den katholischen Literaturdiskurs unmittelbar auswirkten. Wie diese Umbrüche als Verlust erfahren wurden, nämlich - unter dem Stichwort ‘Unbehagen in der christlichen Literatur’ - als Verlust von politischen und mentali- tätsgeschichtlichen Plausibilitätskoordinaten, ist ansatzweise bereits in der Untersuchung des literaturtheologischen Diskurses zur Sprache gekommen.5 Hier liegt der Endpunkt der vorliegenden Untersuchung, wobei sich die erwähnten Umbrüche nicht an einzelnen Jahreszahlen festmachen lassen. Von entsprechenden Ungleichzeitigkeiten wird in den folgenden Kapiteln also noch die Rede sein. Der sich nach dem Konzil entwickeln- 4 Demgegenüber setzt die von Ludwig Fischer herausgegebene Literaturgeschichte den Einschnitt erst 1967 mit der ersten bundesrepublikanischen Wirtschaftskrise (vgl. Fischer 1986, 29ff.). Ob es sinnvoll ist, für den Zeitraum von 1945 bis 1967 von „einer relativen Einheitlichkeit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung“ (ebd., 21) auszuge- hen, möchte ich angesichts der mentalitätsgeschichtlichen Umbrüche Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre bezweifeln. 5 Vgl. Kap. C.2.b. - D.1 - 231 de katholische Literaturdiskurs jedenfalls - seine Geschichte dauert bis heute an - wäre Gegen- stand einer anderen Untersuchung.6 b) Zur Perspektive der Darstellung Meiner Untersuchung liegt die Intention zugrunde, den Stand bisheriger Katholizismusfor- schung für den literaturgeschichtlichen Diskurs zu erschließen und - darauf fußend - einige Aspekte herauszuarbeiten, die für eine literaturhistorische Einordnung vorkonziliarer katholi- scher Belletristik von Bedeutung sind. Mein Interesse ist ein kulturhistorisches und lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wie lernen Katholiken das Katholisch-Sein?7 Als Protestant der ersten Nachkonzilsgeneration (*1960) nähere ich mich dieser Aufgabenstellung mit im we- sentlichen zwei Vorbehalten. 1. Die Erschließung eines katholizismusgeschichtlichen Themas, das für wenigstens zwei Gene- rationen heutiger Katholiken in die eigene, noch unmittelbar zu vergegenwärtigende Lebensge- schichte zurückreicht, ist für einen Nicht-Katholiken durchaus heikel. Nicht umsonst wird die bisherige Auseinandersetzung mit dem Katholizismus, soweit sie sich nicht auf die Behandlung theologischer Fachfragen oder auf neutrale Darstellungen beschränkt, zumeist von Katholiken geleistet. Vor allem die neuere, lebensgeschichtliche Wendung der Katholizismusforschung zielt oft auch auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie. Demgegenüber ist für den von außen Kommenden äußerste Behutsamkeit angebracht. Worum es jedoch in meiner Arbeit gehen soll, ist der Versuch, Sichtweisen und Darstellungsformen zu klären, um sie dis- kussionsfähig zu machen. Das darf kein Sammeln von Kuriositäten sein und muss sich stets auch immer die eigenen Vorurteile vergegenwärtigen, ist aber nicht schon eo ipso durch seine Außenposition diskreditiert. 2. Der Bereich des Katholizismus ist zu weit, um in einer einzelnen Untersuchung mehr als an- satzweise erfasst zu werden. Das betrifft sowohl die synchrone als auch die diachrone Dimensi- 6 Die wichtigsten argumentativen Linien des katholischen Literaturdiskurses von den 1960er Jahren bis heute stelle ich in den Kap. C.4 und C.5 dar. Zu ergänzen wäre dies durch mentalitätsgeschichtliche und institutionengeschichtli- che Gesichtspunkte; zu berücksichtigen wären dabei stets die unterschiedlichen regionalen Traditionen. 7 Dieses von Altermatt (1989, 89) formulierte Programm ist für eine literaturgeschichtliche Untersuchung katholi- scher Literatur der fünfziger Jahre unumgänglich. Das katholische Milieu allein aus der kirchlichen Tradition und der katholischen Sakramentenlehre herzuleiten (etwa bei Schmidt, S. 1994, 14), verkennt die Komplexität des Gegen- stands. - D.1 - 232 on dessen, was jeweils als katholisch in Erscheinung tritt. Jede wissenschaftlich halbwegs gesi- cherte Aussage wird sich also immer die jeweilige Situation und Konstellation zu vergegen- wärtigen haben, innerhalb derer ein Befund überhaupt erst aussagekräftig wird. Zu berücksich- tigen ist hier noch eine zweite Ebene: Die Tradierung des vorkonziliaren Literaturdiskurses im katholischen Bereich - ich denke da etwa an die Rezeption Carl Muths oder an die Jubiläums- veranstaltungen des Borromäus-Vereins - vollzieht stets jeweils eine Selbstpositionierung, de- ren jeweilige Notwendigkeit und/oder Interessengeleitetheit nur hypothetisch zu eruieren ist. Die im Folgenden unternommene Untersuchung des katholischen Literaturdiskurses setzt sich also immer auch mit den Schwierigkeiten auseinander, diesen Diskurs vor dem Interessenhori- zont seiner gegenwärtigen (und vergangenen) katholischen Rezeption zu rekonstruieren. Das bedeutet: In den folgenden Kapiteln beanspruche ich nicht eine vollständige Darstellung des vorkonziliaren katholischen Literaturdiskurses, sondern es geht um Aspekte des institutio- nalisierten Umgangs mit Literatur, denen ein katholischer Schriftsteller der damaligen Zeit unterworfen war. So sind die folgenden zwei Großkapitel als Versuch einer näherungsweisen Rekonstruktion zu verstehen, die eine Einheit bilden: Das Fallbeispiel - der im literaturtheolo- gischen Diskurs apokryphe katholische Autor - wird anhand seines literarischen Umfeldes er- läutert und vice versa. c) Zum biographischen Interesse Die nähere Beschäftigung mit Erwin Karl Münz, einem damals apokryphen und heute verges- senen katholischen Autor, bewegte sich von Anfang an im Spannungsfeld zwischen dem legi- timen Wunsch nach postumer Würdigung und dem Anspruch, die literaturhistorische Aufarbei- tung nicht zu einem epideiktischen Gefälligkeitswerk von jener Sorte verkommen zu lassen, wie man ihr bei angeblich wiederzuentdeckenden Autoren allenthalben begegnet. Meine Auseinandersetzung mit Erwin Karl Münz, den ich persönlich nicht kennengelernt habe, war zunächst bestimmt von dessen starker und durchaus heterogener Persönlichkeit, die sich mir aus der Korrespondenz erschloss und die es mir anfangs schwer machte, einen unbefange- nen Zugang zu seinem literarischen Werk zu finden. Insbesondere galt das für die bisweilen übersteigerte Selbstwahrnehmung, die sich in manchen Briefen zeigte, etwa wenn er seine lite- rarische Technik mit der von Dante Alighieri verglich.8 Mit der Zeit jedoch änderte sich meine 8 Bf. vom 18.1.1957 an den Verleger Karl Borromäus Glock. - D.1 - 233 Perspektive: Münz hat, bei allen Rückschlägen und Zurückweisungen, die er als Autor erfuhr, nicht klein beigegeben, und er ist sich treu geblieben. Dies war die andere Seite der - mensch- lich verständlichen - Selbstüberschätzung: große Begeisterungsfähigkeit und innere Stärke. Als Geist von schöpferischer Unruhe hat ihn das zu einem Œuvre von beachtlichem Umfang ge- führt. Ein faszinierender Mensch war Erwin Karl Münz sicher - vielleicht nicht immer leicht zu nehmen, aber offensichtlich konnte er andere für sich einnehmen. Für ihn, denke ich, trifft zu, was Romano Guardini 1934 an den jungen Albrecht Goes schrieb, als dieser ihn um eine ethi- sche Regel für heutige Zeiten bat: „Du sollst dich nicht vorenthalten.“9 Je mehr ich mich zudem mit den poetologischen Traditionen im Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts vertraut machte, desto verständlicher wurde mir, was mich zunächst befremdet hatte, und desto näher kam mir der katholische Literat der späten 1940er, der 50er Jahre und der frühen 60er Jahre, der bewusst eine Position der Ungleichzeitigkeit bezog, ohne die damit ver- bundene Problematik zu sehen oder sehen zu können: Münz verweigerte sich - ganz traditions- bewusster Katholik, dabei temperamentvoll und von eigenem Sinn - dem glatten Konformismus seiner Zeit, aber sein Werk spiegelte die Zeitgenossen - auch die katholischen - gerade in dem wider, was diese abzustreifen im Begriff waren. Vielleicht war es das, was letztlich sein - sit venia verbo - Scheitern als Autor und Literat ausmachte. Münz selbst war davon überzeugt, erst die Nachwelt würde den Rang seines Schaffens würdi- gen können. Ich glaube das nicht - aber es ist richtig, dass der zeitliche Abstand die eine oder andere Wertung zu relativieren vermag. Erwin K. Münz hat seinen Anteil zu einer katholischen Literatur nach 1945 beigetragen. In diesem Sinne versteht sich meine Arbeit dann doch - bei aller gebotenen Distanz - als Hinweis auf die Leistung eines notablen ‘literarischen Lebens’. 9 Zit. nach Wirth 1996, 192. - D.2.a - 234 2. Zum westdeutschen Katholizismus nach 1945 a) Nachkriegszeit Nach 1945 trat die katholische Kirche als eine Organisation hervor, deren Selbstverständnis in der Situation des Nachkrieges allenfalls eine „Zwischenbilanz“1 zuließ: Zum einen war sie Teil der römischen Universalkirche, die als einzige der zeitgenössischen Organisationsformen bis in die Antike zurückreichte, zum zweiten waren ihre Binnen- und Repräsentationsstrukturen intakt geblieben und zum dritten hatte sie sich - nach eigener Einschätzung wie auch nach der der (westlichen) Besatzungsmächte - als Institution im ‘3. Reich’ nicht kompromittiert. Somit bot sie bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit einen potentiellen Rahmen an, der eine konsi- stente Erfahrung von Sinn ermöglichte, zumindestens für die kirchentreuen Katholiken selbst, die das Kriegsende nicht als ‘Stunde Null’ zu erleben brauchten.2 Jedoch erstreckte sich der weltanschauliche - im katholischen Sinne: heilsgeschichtliche - An- spruch ohnehin über den Kreis der Katholiken hinaus. Nicht nur fungierte die Kirche als allseits respektierte Anwältin, die von den ersten Nachkriegstagen an die Interessen der Deutschen gegenüber der Besatzungsmacht vertrat,3 sie wies es auch von sich, ehemalige Parteigenossen zu belasten: Nach katholischem Verständnis steht die Kirche dem reuigen Sünder jederzeit offen; hinzu kam sicherlich auch der Wunsch, die christlichen Zentralkategorien ‘Sünde’ und ‘Gnade’ nicht dadurch zu säkularisieren, dass man sie den Siegermächten überließ: „Wer bei genauer Gewissensforschung mehr bei sich erkennt als die allgemeine Mitbeteiligung an dem objektiven Abfall der Welt von Gott, hat das in privater Erkenntnis und Anerkenntnis seiner Schuld, in privater Erkenntnis vor Gott und seinem Stellvertreter in Reue und Sühnebe- reitschaft des Lebens in Ordnung zu bringen.”4 Die andere Seite der Anwaltschaft war also der Anspruch weltanschaulicher Wegweisung, und dieser war konfessionell katholisch geprägt. Zwar finden sich immer auch interkonfessionelle Erfahrungsmuster des ‘3. Reichs’ fortgeschrieben, die in der ‘Una-Sancta-Bewegung’ ihren Ausdruck fanden.5 Vereinzelt auch konnte sich das Anliegen einer Rechristianisierung Deutschlands durchaus mit humanistischen Vorstellungen nicht-christlicher Intellektueller verbinden. Zentrales Grundmuster des katholischen Diskurses blieb jedoch die Auffassung, das 1 So Ludwig Volk in seiner Einleitung zu Zeiger 1945/1975; hier S. 293. 2 Vgl. Löhr 1990, 35. Den folgenden Abschnitten liegt weitgehend die Darstellung bei Löhr zugrunde. 3 Dazu ausführlicher Hürten 1987/1994 und Melis 1998. 4 So der katholische Theologe Heinz Fleckenstein in einem Aufsatz von 1946 (in: ‘Die Besinnung’); zit. nach Löhr 1990, 29. 5 Beispielsweise dokumentierte die Broschürenreihe ‘Das christliche Deutschland 1933 bis 1945’, die von einer gemischtkonfessionellen Arbeitsgemeinschaft herausgegeben wurde und in drei Reihen - einer katholischen (Verlag Herder), einer evangelischen (Furche-Verlag) sowie einer - wenn auch schmalen - sog. ‘gemeinschaftlichen Reihe’ - Zeugnisse des kirchlichen Abwehrkampfes gegen den Nationalsozialismus. Die ‘Una-Sancta-Bewegung’ wurde von Seiten Roms zwar toleriert, aber nicht unterstützt. - D.2.a - 235 ‘3. Reich’ als logische Konsequenz der durch die Reformation eingeleiteten Apostasie, also als „protestantisches Gewächs“6 zu sehen, demgegenüber die römisch-katholische Kirche offensiv als allein seligmachende ‘Gnadenanstalt’ (M. Weber) auftrat7 Inwieweit der hier in Grundzügen umrissene kirchenoffizielle Anspruch einer Rechristianisie- rung in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Korrelat in der Mentalität des sog. Durchschnitts- katholiken hatte, kann nur mittelbar erschlossen werden. Zweifelhaft jedenfalls muss bleiben, ob der optimististische, um nicht zu sagen triumphalistische Tonfall damaliger Einschätzungen über den „Hunger nach religiöser Belehrung“8 in der Bevölkerung empirisch zu fundieren gewesen wäre. Zwar ist aus der unmittelbaren Nachkriegszeit eine prozentual große Teilnahme am Gemeindeleben belegt,9 die bis in die fünfziger Jahre hinein noch anstieg. Die kirchliche Gemeindepraxis war jedoch konfrontiert mit kriegsbedingten demographischen Umschichtun- gen größten Ausmaßes, die zu einer vorher nicht gekannten Konfessionsmischung führten; hin- zu kam eine konfessionelle Indifferenz breiter Bevölkerungskreise.10 Auch wog die Zahl der Kircheneintritte nach 1945 die der Austritte in den dreißiger Jahren bei weitem nicht auf. Ande- re zeitgenössische Formulierungen deuten auf die Schwierigkeiten hin, die katholische Interpre- tation der Zeitumstände in der Praxis des kirchlichen Lebens und darüber hinaus auch umzuset- zen. Ignaz Zangerle schrieb in einem Brief vom Juni 1945: „Sind nicht die Gerichte Gottes allenthalben sichtbar? [...] Als das Schlimmste sehe ich an, daß sich die Deutschen weder als Einzelne noch als Volk schuldig bekennen wollen. Aber auch die Juden sind von der Bekehrung weiter entfernter [sic] denn je. Wieder tauchen die lebenden Leichname von Literaten auf, die von Theodor Haecker schon zu Beginn des ersten Weltkrieges geistig hingerichtet worden sind [nennt Th. Mann und Werfel]. [...] Wir haben, so höre ich von maßgebenden Geistlichen, die Generalprobe auf den Antichrist zwar über-, aber nicht bestan- den. Es handle sich nicht um einen Frieden mit der Welt, die im Nationalsozialismus eben das Zusammenschießen aller antichristlichen Kräfte in einem totalen, lies: omnipotenten Staat her- vorgebracht hat, sondern bloß um einen Waffenstillstand von unbestimmbarer Dauer. Nutzen wir die Atempause! Es war ein Vorspiel des kommenden Antichrist, sein Wetterleuchten. Berei- ten wir uns, Zeugnis für Ihn abzulegen!“11 Spätestens mit Ivo Zeigers vielbeachtetem Satz auf dem Mainzer Katholikentag von 1948, Deutschland sei ein „Missionsland“12 geworden, waren die katholischen Rechristianisierungs- konzepte der ersten Nachkriegsjahre an ihr Ende gelangt. Was blieb, war die nolens volens geführte Auseinandersetzung mit dem Modernisierungsschub nach 1945: Der strikte Antimo- 6 So Baden 1963, 168 in seinem Aufsatz über die ‘Tag- und Nachtbücher’ Theodor Haeckers. 7 Zum Charakter der katholischen Kirche als Gnadenanstalt vgl. ausführlicher Ebertz 1996. 8 Zeiger 1945/1975, 302. 9 So der Bericht des Jesuitenpaters Ivo Zeiger (1945/1975), der vier Monate nach Kriegsende im Auftrag des Papstes eine Rundreise durch die deutschen Bistümer machte. Die Berichte von der hohen Zahl der praktizierenden Katholi- ken (ebd., 302) ist jedoch zu relativieren: Es handelte sich - an anderer Stelle räumt Zeiger das selbst ein - vor allem um Frauen und Kriegsheimkehrer. 10 Löhr zitiert den amerikanischen Jesuiten Benjamin L. Masse, der nach einer Europareise 1946 weder eine „Reue über die Vergangenheit“ noch eine „Bewegung zum Religiösen“ festgestellt hatte (Löhr 1990, 33). 11 Bf. vom 24.6.1945 an Ludwig von Ficker; zit. nach Alber et al. 1996, 115. 12 Zit. nach Löhr 1990, 34. - D.2.a - 236 dernismus, der allein im kirchlich vorgezeichneten Heilsweg das Remedium der Zeit sah und entsprechend triumphalistisch auftrat, wurde kontrastiert durch eine Nüchternheit, die ihren Ausdruck fand beispielsweise im Kirchenneubau und -wiederaufbau der Nachkriegszeit: „Der ‘klare’ Raum, seines ‘überflüssigen Beiwerks’ entledigt, herausgeschält aus ‘überladenem Dekor’, zurückgeführt auf seine Grundstrukturen, wurde [...] als Ergebnis eines notwendigen, wahrheitsorientierten Reinigungsprozesses zur Sachlichkeit empfunden und zum allgemeinen Konzept erhoben. So entstanden die Kirchen des Historismus - und nicht nur die im Kriege zer- störten, sondern auch die renovierten - in einer neuen, sachlicheren Gestalt, an die aber ihre Erbauer niemals gedacht haben.“13 Bereits zu Beginn der fünfziger Jahre hatte sich der breite katholische Binnendiskurs der unmit- telbaren Nachkriegszeit, der von einer starken Aufbruchstimmung unter den Katholiken gezeugt hatte, strikt hierarchisch auf den Klerus, den Episkopat und den Papst ausgerichtet.14 Das prägte die Selbstwahrnehmung des katholischen Tiefendiskurses15 : die Kirche im Kampf mit der ungläubigen und potentiell feindlichen Welt. So hieß es 1955 im ‘Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands’: „Wir alle müssen helfen, den Missionsauftrag des Herrn zu erfüllen. Missionare und Neubekehrte warten auf un- sere Hilfe. Vor allem helfen wir // durch unser Beten und Opfern; denn ohne Gnade kann kein Mensch zu Christus kommen.”16 und als Lehre ‘Für mein Leben’ wurde daraus gezogen: „Wie müßte ich mich schämen, wenn ich die Missionare im Stich ließe! Ich will täglich für die Missio- nare beten und ihnen regelmäßig durch eine Geldspende helfen.“17 Den katholischen Kindern, soweit sie dem ‘Werk der heiligen Kindheit’ angehörten, war als tägliches Gebet auferlegt: „Heilige Jungfrau Maria, bitte für uns und für die Heidenkinder!“18 Wie in den folgenden Kapi- teln zu zeigen sein wird, war das Missionsland Deutschland hier stets mitgedacht. Die 1945 unvermeidbar gewordene Auseinandersetzung mit der Moderne wurde zusehends Mittel zum Zweck, ging es doch nun darum, den (nicht-katholischen) Zeitgenossen mit zeitge- nössischen Mitteln anzusprechen. Grundiert war dieser Impetus - darüber geben eine Reihe von Zeitschriftenaufsätzen und Büchern jener Zeit Aufschluss - stets von der Sorge, womöglich wieder in ein sozial-kulturelles Ghetto zurückzufallen. 13 Minde 1988, 53. Die Forderung, die der Prälat Ludwig Wolker, die prägende Gestalt der Katholischen Jugendbe- wegung nach 1945, in der ersten Nummer der Zeitschrift ‘Fährmann’ erhob, gab also eine im offiziösen Katholizis- mus jener Zeit verbreitete Stimmung wieder: „Junge Christen sind keine Träumer! Wir wollen das Leben kennen lernen, wie es ist. [...] Wollen der Wirklichkeit begegnen, ihr trotzen, sie meistern lernen aus der Kraft der größeren Wirklichkeit, die uns gegeben ist, der Wirklichkeit Gottes.“ (Geleitwort, H. 1/1946, S. 1) 14 Vgl. Doering-Manteuffel 1982, 122. 15 Diesen Begriff erläutere ich näher in Kap. D.4.a.ii. 16 Katechismus 1955, 94//95. 17 Ebd., 95. 18 Ebd., 96. - D.2.b - 237 b) Katholizismus und katholische Lebenswelten in den fünfziger Jahren Jedoch erlebten die bundesrepublikanischen fünfziger Jahre eine weder vorher noch nachher erreichte ‘Symbiose’ (W. Dirks)1 zwischen Staat und katholischer Kirche, so dass die Formu- lierung nicht übertrieben erscheint, die Katholiken hätten den Adenauer-Jahren „ihren Stempel aufgedrückt“.2 Der organisierte Katholizismus, der - anders als in der Weimarer Republik - unter der Lenkung der Amtskirche stand, vertrat eine bemerkenswerte Geschlossenheit nach außen. In der „konsequenten Ausrichtung der ‘Amtskirche’ auf die Politik, die Partei und die Person des Bundeskanzlers [Adenauer]“3 übte die katholische Kirche einen größeren politi- schen Einfluss aus als jemals zuvor,4 und in ihrem triumphalistisch-zeremoniellen Gepränge war sie nach außen hin trennscharf wahrnehmbar. Ein hoher Prozentsatz der Katholiken war kirchentreu,5 und zeitgenössische Befragungen deuten darauf hin, dass ihre Ritualbindung bis in die späten fünfziger Jahre hinein verhältnismäßig stabil war.6 Die andere Seite der Verkirchlichung war jedoch, dass die eigene Präsenz im öffentlichen Dis- kurs oft als zu gering empfunden wurde. 1966 sprach Karl Ledergerber gar von der „Abwesenheit der Katholiken in der renommierten Weltkultur“.7 Solche Auffassungen ließen sich zwar leicht empirisch belegen: Trotz eines Gesamtbevölkerungsanteils von knapp 50 Pro- zent waren Katholiken in den gesellschaftlichen Eliten deutlich unterrepräsentiert, und das sog. ‘katholische Bildungsdefizit’ war noch in den sechziger Jahren ein bildungspolitisches Thema. Auffällig ist jedoch die starke Diskrepanz zwischen dem nach außen wirkenden „Erfolg der Kirchen im gesellschaftlichen Raum“8 und dem in den fünfziger Jahren immer noch verbreite- ten katholischen Inferioritätsgefühl. Aus dieser Diskrepanz heraus erklärt sich, dass katholische 1 Vgl. Dirks 1966, 295; zur personellen Verflochtenheit von Verbandskatholizismus und CDU vgl. ebd., 319ff. 2 Gabriel 1994, 104. Dazu ausführlicher Doering-Manteuffel 1982. Kurt Schumacher, bis zu seinem Tod 1952 Oppositionsführer im Bundestag und SPD-Vorsitzender, sprach sogar von der Kirche als der fünften Besatzungs- macht (vgl. Schatz 1986, 304). 3 Doering-Manteuffel 1982, 123. 4 Allerdings mit der Gefahr, spezifisch katholische Positionen preiszugeben (vgl. dazu auch Schatz 1986, 305). 5 Zur weitgehend fehlenden innerkatholischen Kirchenkritik vgl. Hürten 1996, 61ff. 6 Ich folge hier den Angaben bei Gabriel 1994, 47ff., der auf den Zusammenhang von kirchlicher Religiosität und bürgerlichen Wertmustern hinweist, die in den fünfziger Jahren eine Renaissance erlebten. Allenfalls die steigende Zahl der sog. ‘Mischehen’, gegen die alle Appelle des deutschen Episkopats nicht fruchteten, kann als Anzeichen dafür genommen werden, dass sich die Bindekraft der katholischen Glaubensdoktrinen wenigstens ansatzweise rela- tiviert hatte, sei es durch die demographischen Umschichtungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, sei es durch die Erfahrung der gemeinsamen Bedrohung während des ‘3. Reichs’. Vgl. dazu und zu den weiteren statistischen Anga- ben dieses Abschnitts Gabriel 1994, 105f.. Verbreiteter ist in der Katholizismusforschung die Auffassung, die Ver- lustgeschichte kirchlicher Ritualbindung bereits mit Beginn der fünfziger Jahre anzusetzen (zeitgenössische Ein- schätzungen geben beispielsweise Ellwein 1955, 57ff. oder Greinacher 1966, 32ff. wieder). Empirisch belegbar sind offensichtlich also beide Auffassungen. Zweifelsfrei nachzuweisen wären sie nur jeweils in konkreten Situationen und Konstellationen. 7 Ledergerber 1966, 442. Ledergerber, geb. 1914, war katholischer Publizist und seinerzeit Lektor des katholischen Walter-Verlags (Olten). 8 Gabriel 1994, 50. - D.2.b - 238 Positionen im öffentlichen Diskurs zwar offensiv vertreten wurden, dass dies oft aber mit einem defensiven Unterton geschah, der auch zelotische Züge annehmen konnte. 1. Auf den katholischen Literaturdiskurs, um den es hier gehen soll, wirkte sich die Verkirchli- chung in zweifacher Hinsicht aus. Zum einen war der nach 1945 in seinen Grundzügen wieder- hergestellte Verbandskatholizismus, der seit dem 19. Jahrhundert als „Laboratorium und Pro- motor einer emanzipatorischen Kirche“9 fungiert hatte, der amtskirchlichen Hierarchie stärker unterworfen als noch in den zwanziger Jahren. Getragen wurde er im wesentlichen vom katho- lischen Bürgertum bzw. von den katholischen Intellektuellen, die auf eine integralistische Sichtweise seit jeher nur bedingt zu verpflichten gewesen waren.10 Der Verbandskatholizismus konnte jedoch nach 1945 nicht an seine alten Einflussmöglichkeiten anknüpfen. Das Gewicht verlagerte sich auf die sog. Katholische Aktion. Sie war 1922 von Pius XI. 1922 ins Leben gerufen worden („Die Katholische Aktion ist die in der Welt wirkende Kirche.“11 ) und formu- lierte die Frage der Laienpartizipation am Apostolat der katholischen Kirche, eines der zentra- len Themen des katholischen Diskurses im 20. Jahrhundert. Als organisatorisch gebundenes Laienapostolat unter Federführung des katholischen Klerus beruhte die Katholische Aktion auf der Verpflichtung jedes einzelnen Katholiken, nach außen Zeugnis für den Glauben abzule- gen,12 grenzte sich aber ausdrücklich gegenüber dem sog. ‘freien’, also dem von einzelnen Ka- tholiken in eigener Verantwortung ausgeübten Laienapostolat ab.13 Unterscheidendes Merkmal war, den zeitgenössischen Quellen zufolge, ein ausdrücklicher Auftrag des örtlich zuständigen Bischofs.14 „In den fünfziger Jahren tauchte immer wieder die Frage nach der Abgrenzung der Katholi- schen Aktion auf, nach dem offiziellen und freien Apostolat. Pius XII. erklärte dazu [auf dem Weltkongress der Laien, Rom 1957] vor den Kongreßversammelten: ‘Die Katholische Aktion // trägt stets den Charakter eines offiziellen Laienapostolates.’ [...] Letztlich wies der Papst noch auf das lebendige Zeugnis für Christus und die Kirche hin, das allen Mitgliedern der Katholi- schen Aktion aufgetragen ist. [...] Die Kirche fordert heute den vollen Einsatz für die Bewahrung und geistliche Eroberung der Welt. Es geht sozusagen um Sein oder Nichtsein des Christentums in dieser Welt.“15 Aufgabe der Katholischen Aktion war die öffentliche Bekundung der katholischen Auffassun- gen zu politischen oder gesellschaftlichen Fragen, auf lokaler, diözesaner und überdiözesaner 9 Altermatt 1989, 62. 10 Dazu ausführlicher Holzem 1998, 86. 11 Osservatore Romano 139 (1926), zit. nach Meier, J. 1980, 4. 12 Vgl. Mathis 1940, 478f. 13 Ein Beispiel dafür waren die Schwierigkeiten, denen sich Erwin K. Münz gegenüber sah (vgl. Kap. E.2, E.3 und E.6). 14 Vgl. hierzu ausführlicher Steinmaus-Pollak 1988, 192. 15 Meier, J. 1980, 9//10. - D.2.b - 239 Ebene.16 Die Katholische Aktion fand ihr Ende durch die kirchlichen Gremien, die im Gefolge des Zweiten Vatikanums etabliert wurden.17 Bereits zum Ende der fünfziger Jahre war ihre Wirksamkeit dadurch gemindert, dass Resolutionen nicht über den Rahmen einzelner Diözesen hinaus verfasst wurden und damit ihren Bezug zur lebenspraktischen Bedeutsamkeit des betref- fenden Themas weitgehend einbüßten.18 2. Wie bereits erwähnt, war im katholischen Diskurs bis in die 1950er Jahre die Sorge lebendig, innerhalb der Gesellschaft in ein Ghetto zu geraten; ein Theorem aus der Zeit des Kulturkamp- fes. Das sog. katholische Milieu aber, das als solches gegen andere gesellschaftliche Submi- lieus deutlich abgrenzbar war und das die Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit des Katholi- zismus im gesellschaftlichen Alltag prägte, wenn auch sicherlich in ganz unterschiedlichen Abstufungen, wurde erst im Zusammenhang des Zweiten Vatikanums problematisiert. Mit Carl Amerys Buch ‘Die Kapitulation’ (1963) setzte eine breite innerkatholische Diskussion über das Milieu ein:19 Der Katholizismus habe vor dem Milieu kapituliert, so Amerys Hauptthe- se. ‘Milieu’ wurde hier zum Kampfbegriff mit pejorativer Konnotatierung und diente, als abgren- zender Terminus, zugleich auch der Selbstbeschreibung.20 Wegen ebendieser Pragmatik eignet sich der Begriff des Milieus nur bedingt zur Beschreibung des westdeutschen Nachkriegskatho- lizismus’. Eine Sonderrolle innerhalb des Milieus hatte nämlich seit jeher das katholische Bürger- tum eingenommen, „dem der Katholizismus als ‘abendländische Konsenstradition’ und als auf bestimmte Anlässe reduzierte Praxis präsent blieb, das aber seine Weltdeutung aus zunehmend säkularen Begründungszusammenhängen bezog [...] und einem emphatischen Bildungsbegriff eine religiöse Tönung verlieh.“21 Diesem katholischen Bürgertum entstammte auch der Linkska- tholizismus, der in der Umbruchzeit des Milieus zu Anfang der sechziger Jahre, als die innerka- tholische Diskussion zunehmend pluraler wurde, eine breitere Öffentlichkeit gewann. Dieser sog. ‘andere Katholizismus’ hatte über das Bindeglied des Humanismus eine Nähe zu sozialistischen und kommunistischen Auffassungen gepflegt und war damit im Gesamtdiskurs der bundesrepu- blikanischen fünfziger Jahre gleich zweifach marginalisiert worden - ebenso übrigens wie sein Gegenpol, die strikt antikommunistisch orientierte Fatima-Bewegung, deren frömmigkeitsbeton- ter Spiritualismus von Rom gefördert wurde. Seine Wurzeln hatte das Milieu im 19. Jahrhundert. Es verdankte sich einer bewussten Formie- rungsleistung, die einerseits Reflex auf die Rationalisierungs- und Modernisierungsschübe des 19. Jahrhunderts war, die andererseits aber auch Momente des Modern-Rationalen in den Ka- 16 Eine ausführliche Darstellung der Katholischen Aktion mitsamt ihrer Statuten gibt Fischer, A. 1952, 397ff.. 17 Dazu ausführlicher Meier, J. 1980, 226. 18 Vgl. ebd., 165. 19 Ausgehend von dieser Diskussion fand der Milieubegriff Eingang in den sozialwissenschaftlichen Diskurs (Lepsius). Heute dient er der makrosoziologischen und lebensgeschichtlichen Erforschung des Verhältnisses von Katholizismus und Moderne (Kaufmann, Gabriel, Hürten, Altermatt u.a.). In der neueren Katholizismusforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass sich das katholische Milieu nicht zur Zeit des Nationalsozialismus auflöste, sondern dass es nach 1945 fortbestand und erst in den zwanzig Jahren nach 1950 allmählich erodierte, wobei das Ende der fünfziger Jahre einen wesentlichen Einschnitt bildete. In meiner Darstellung folge ich dieser Auffassung, die die Phänomene, die ich als katholischen Literaturdiskurs beschreibe, überhaupt erst verständlich macht. 20 Erst in jüngerer Zeit, im Zuge einer Problematisierung des Moderne-Begriffs, wird gesehen, dass sich das Ver- hältnis von Milieu und moderner Gesellschaft nicht ausschließlich in einer Antinomie von Fortschrittlichkeit und Rückständigkeit erklären lässt. 21 Holzem 1998, 86. - D.2.b - 240 tholizismus einbrachte. Es entwickelte sich innerhalb eines differenzierten Verbandswesens, das dem einzelnen Katholiken für alle Lebensbereiche ein katholisches Angebot machte, dessen Inanspruchnahme aber auch abforderte, in überschaubaren sozialen Strukturen stärker als in der „entchristlichten Großstadt“.22 Seinen Ausdruck fand das Milieu in stark sinnlich betonten Frömmigkeitsformen, deren detaillierte Symbolik den einzelnen in seiner physisch-psychischen Gesamtheit ansprach.23 Als Bindekraft fungierten Mentalitäten und Haltungen, die über die religiöse Sozialisation gebildet und tradiert wurden und die sich über Abgrenzung zur säkularen Gesellschaft definierten. Michael Keller etwa, seit 1946 Bischof von Münster, sprach 1951 programmatisch davon, die Gesellschaft zu verchristlichen: „Es wäre nicht nur ein unverzeihliches Versäumnis, sondern eine geradezu strafwürdige Prae- sumptio (Vermessenheit), wollten wir nicht dem organisierten Angriff eine organisierte Abwehr und einen organisierten Gegenangriff entgegensetzen. Mit anderen Worten: Wir müssen zu einer wohl gefügten acies ordinata (geordneten Schlachtreihe) zusammenwachsen.“24 Gerade am Beispiel Kellers zeigt sich jedoch, dass die Erfahrung des Bedrohtseins weniger den allgemeinen weltanschaulichen Diskurs meinte als vielmehr die verderblichen Einflüsse der säkularen Gesellschaft auf - wie die lehramtliche Formel lautete - ‘Glaube und Sitte’ der Kinder und Jugendlichen: „Eltern und Erzieher können nicht verhindern, daß das Kind mit der Luft, die es umgibt, auch den Geist der religiösen Gleichgültigkeit und sittlichen Ungebundenheit einatmet, von dem diese Luft erfüllt ist. Da bedarf es stärkster Gegenmittel, um diese Bazillen unschädlich zu machen.”25 Maßgebliche Funktion wurde demzufolge der katholischen Familie zugeschrieben, die in ihrem alltäglichen Leben eine „Kirche im kleinen [sic]“26 darstellen und insbesondere die kleinen Kinder vor den unheilvollen säkularen Einflüssen schützen solle: „Bevor die ‘Welt’ überhaupt Eingang in das Heiligtum der sich erschließenden Kinderseele ge- funden hat, muß Christus schon in ihm unumschränkt herrschen.“27 22 So der Münsteraner Bischof Michael Keller 1948 bei der Einweihung des Ludgerus-Doms in Billerbeck, zit. nach Damberg 1997, 126. Ein Nachhall der Auffassung des Milieus als weltanschauliches Disziplinierungsinstruments findet sich noch in einer neueren katholischen Pro-Domo-Darstellung über den bundesrepublikanischen Katholizis- mus, die im Jahre 1998 zu der Feststellung gelangt: „Trotz der geringer gewordenen Bedeutung der katholischen Verbände und des Verzichtes auf die Wiedergründung katholischer Parteien gelang es [!] bis in die fünfziger Jahre, die Milieubindung der Katholiken weitgehend aufrecht zu erhalten.“ (Gatz 1998a, 115; Hervorhebung von mir). Es verwundert deshalb auch nur wenig, dass der Autor die Erosion des Milieus mit einer Reihe schlechter Einflüsse begründet: Konfessionsdurchmischung, Wertewandel, sozialstaatlich verbürgtes Subsidiaritätsprinzip, Ablenkung durch das Fernsehen etc.. So bleibt es denn bei dem letztlich resignativen Resümee: „Mit der Erosion des katholi- schen Milieus ging auch die Bindung der Katholiken an ihre Kirche zurück [...].“ (ebd., 117) Ob der im gleichen Atemzug auch genannte höhere Bildungsgrad der Katholiken positiv oder negativ zu veranschlagen ist, lässt die Darstellung offen. 23 Aufschlussreich ist hier insbesondere das Material bei Klöcker 1991. 24 Zit. nach Damberg 1998, 328; von dort sind auch die eingeschobenen Worterklärungen übernommen. Die den traditionell-literaturtheologischen Diskurs prägende Metapher von ‘Bedrohtsein und Kampf’ (vgl. Zwischenresümee 1 im ersten Teilband der vorliegenden Arbeit) ist also nur eine Funktion eines entsprechenden Wahrnehmungsmu- sters, das vor allem vom katholischen Klerus beständig akzentuiert wurde. 25 Fastenhirtenbrief 1949, zit. nach Damberg 1998, 326. Eine mögliche moralische Verwahrlosung der Nachkriegs- jugend wurde damals auch von Nichtkatholiken mit Sorge betrachtet. Bei Keller aber sind moralische und religiöse Verwahrlosung als ein Phänomen zusammengedacht. 26 Damberg 1998, 327. - D.2.b - 241 Für die Sozialisation im vorkonziliaren Katholizismus waren demzufolge eine Reihe von Grundmustern kennzeichnend, die eine breite Palette von Ge- und Verboten ausprägten.28 Eine religiöse Erziehung katholischer Prägung zielte auf „die Bindung an die Kirche über Angst- und Schuldgefühle“,29 und sie erfasste den ganzen Menschen in jeder nur denkbaren Hinsicht: „Leben im Katholizismus ist Leben angesichts eines allgewaltigen und allmächtigen Gottes, ist Leben im Dienen.“30 Eingebunden in ein festes Schema von Über- und Unterordnung, einen starren „Himmel-Hölle-Dualismus“,31 waren insbesondere Kinder und Jugendliche. Für sie bekam die beständige Möglichkeit des Sündigens eine schier übermächtige Bedeutung, zumal sie gekoppelt war mit dem erdrückenden Anspruch, jederzeit und an jedem Ort ein makellos gottgefälliges Leben führen zu müssen: „Im Vordergrund steht ein chronisches Schuldgefühl. Da der Mensch erbsündig gebrochen war, war es nahezu ausgeschlossen, jemals einen Zustand der Sündenreinheit zu erleben. Die Beichte bildete lediglich eine punktförmig gedachte Gnadenintervention in das Leben der Menschen, das ansonsten heillos und sündhaft war. Man war nie gut oder würdig genug vor Gott. Die ständige Gedankenkontrolle und reflexive Selbstbeobachtung führen zu einem chronischen Gefühl der Minderwertigkeit.”32 Besonderes Augenmerk wurde in der katholischen Erziehung auf die Sexualität gerichtet, die, soweit sie nicht ausschließlich sich auf den Zeugungsakt richtete, mit einem überdimensionalen Drohpotential umstellt wurde, trotzdem - oder gerade deswegen - im katholischen Diskurs aber einen breiten Raum einnahm. Die lebensgeschichtliche Katholizismusforschung hat eine Fülle von Belegen präsentiert, wie stark der Zwiespalt zwischen der eigenen Körpererfahrung und einer kirchenoffiziellen Ausdrucksweise erfahren wurde, die alles Sexuelle entweder euphemi- sierte oder dämonisierte, aber stets nur in Umschreibungen zu benennen vermochte. Jedoch war es gerade die starke Ritualisierung katholischer Frömmigkeitspraxis, die Möglich- keiten der individuellen Entlastung bot; beispielsweise den personifizierten Herrgott mit einem kurzen Gebet um das ‘Wegschauen’ zu bitten33 oder dem Priester bei der wöchentlichen Sams- 27 So der erwähnte Bischof Michael Keller in seinem Fastenhirtenbrief 1949, zit. nach Damberg 1998, 326. Eine eingehendere Darstellung der idealtypischen katholischen Familie in den fünfziger Jahren findet sich bei Klöcker 1991, 351ff.. 28 Dass eine religiöse Erziehung im Protestantismus nicht weniger normen- und angstbesetzt sein konnte als im Ka- tholizismus, dürfte sich von selbst verstehen. Tilman Mosers Buch ‘Gottesvergiftung’ gibt darüber beredten Auf- schluss. Ausdrücklich sei auch betont, dass es sich bei den Spezifika einer katholischen Sozialisation, wie ich sie in diesem Kapitel aufzähle, um Grundmuster handelt, die sich je nach Familien- bzw. Erziehungskonstellationen ganz unterschiedlich ausprägten. 29 Heller, A. 1990, 41. 30 Ebd., 36. 31 Ebd., 49. Zur katholischen Populär-Ikonographie des Himmel-Hölle-Dualismus’ vgl. Wiebel-Fanderl 1990, 67ff. und Hämmerle 1990. 32 Heller, A. 1990, 39. Dass dies im damaligen katholischen Milieu anders klang, versteht sich von selbst. Friedrich Schneider schrieb in seinem Familienratgeber über die Selbstbeherrschung: „In der katholischen Familie [...] findet auch das kleine Kind in dem Gedanken an den allgegenwärtigen und allwissenden Gott und an den Schutzengel, die immer um es sind, alles sehen und sich seiner Selbstbeherrschung freuen, sowie am Beispiel Christi und der Heiligen eine gewaltige Stütze.“ (Schneider, F. 1961, 263) 33 Von einer entsprechenden Praxis berichten Bohaumilitzky/Nägl 1990, 95. - D.2.b - 242 tagsbeichte nur klischeehaft-nichtssagend, danach aber im stillen Gebet der Muttergottes oder den Heiligen gegenüber ernsthaft zu beichten. Überhaupt war die Heiligen- und Marienvereh- rung eine komplementäre Ergänzung zum strafenden Richtergott,34 dessen Machtaura - symbo- lisiert beispielsweise im Triumphalismus kirchlicher Repräsentationskultur - als einschüchternd dargestellt wurde. Die pastoraltheologische Formel vom ‘Auf der Kanzel ein Löwe, im Beichtstuhl ein Lamm’ entstammt dieser dualistischen Denkweise. Zwar war theoretisch das Heilsversprechen beschränkt auf den Weg, den die offizielle Kirche in den verschiedenen ri- tualisierten Frömmigkeitsakten anbot. Bezeugt ist in verschiedentlich dokumentierten lebensge- schichtlichen Schilderungen jedoch auch immer wieder, wie die Freundlichkeit und die Güte einzelner Bezugspersonen entlastend wirkte. Im Verlauf der fünfziger Jahre wurde die Diskrepanz zwischen kirchenoffiziellem Diskurs und dem eigenen Leben in der sich modernisierenden Gesellschaft zunehmend stärker empfunden. Exemplarisch etwa die bittere Kritik einer jungen katholischen Publizistin aus dem Jahre 1958: „Es würden sich ganze Knäuel von Trübsal in der Brust kirchentreuer Christen lösen, es löste sich mancher Trotz in der Welt, wenn die Kirche // die demonstrative Geste eines mächtigen In- teressenverbandes verwandeln würde in die Gebärde der Liebe. Doch das ist kein Anliegen, das man mit Hilfe einer neuen Organisation verwirklichen könnte; das wäre eine tiefe Bewegung, die in den Seelen anfangen müßte.“ 35 Besonderen Ausdruck hatte das Zeremonielle kirchenoffizieller Selbstdarstellung in der aristo- kratischen Unnahbarkeit gefunden, die Pius XII. ausstrahlte (Pontifikat 1939 bis 1958). Sein Bild hing damals in vielen katholischen Wohnungen. Für einen Katholiken wirkte es Ende der fünfziger Jahre deshalb „wie die Offenbarung einer neuen Welt, als Papst Johannes XXIII. bei seiner feierlichen Inthronisation im Petersdom vor den Ehrengästen und den surrenden // Fernsehkameras unbe- kümmert sein Taschentuch auspackte und sich in aller Ruhe den Schweiß von der Stirn wischte. Und wenig später kratzte er sich auch noch ausgiebig hinter dem Ohr!“36 An den Amtsantritt Johannes XXIII., der einen Paradigmenwechsel kirchlichen Selbstver- ständnisses einleiten sollte, knüpften sich viele Erwartungen von Katholiken, die im bisherigen katholischen Diskurs keine eigene Stimme gehabt hatten. Als Skizze mag das hier umrissene Bild katholischer Sozialisation zunächst hinreichen; es wird ergänzt und konkretisiert durch die folgenden Kapitel. Wenn auch - um die Darstellung zu re- sümieren - der vorkonziliare Katholizismus in seiner diskursiven und mentalen Binnenstruktur genügend Gelegenheiten zu psychischen Krisen bot, wäre er doch als eine grundsätzlich psy- 34 Vgl. Wiebel-Fanderl 1990, 73. Aus volkskundlicher Sicht dazu ausführlicher Ebertz 1986. 35 Schmitz-Bunse 1958, 244//245. 36 Scholl, N. 1982, 72//73. Einen Eindruck davon, wie im damaligen Katholizismus der Übergang des Pontifikats von Pius XII. auf Johannes XXIII. inszeniert, bebildert und empfunden wurde, gibt das zeitgenössische Bändchen Hirte der Völker 1958. - D.2.b - 243 chopathogene Institution falsch beschrieben. Entsprechende Ansätze in der innerkatholischen Diskussion - prominentestes Beispiel ist Drewermanns ‘Kleriker’-Studie - machen jedoch mit ihrer Schärfe deutlich, wie stark die Prägekraft einer katholischen Sozialisation erlebt werden konnte.37 37 Die Frage, ob die Strukturen des vorkonziliaren katholischen Milieus psychischen Deformationen Vorschub leiste- ten oder einen bestimmten psychologischen Typus begünstigten, soll hier nicht erörtert werden. Sie ist von einer Vielzahl von Determinanten abhängig, die dann jeweils Aufschluss über individuelle Lebenswege geben müssten (aufschlussreich in dieser Hinsicht etwa die Lebenserinnerungen des katholischen Priesters Bruno Ix (1999). Ob die Persönlichkeitsstrukturen, die Norbert Scholl als kennzeichnend für den vorkonziliaren Katholizismus herausarbeitet hat (Scholl, N. 1982), tatsächlich kausal aus religiösen Sozialisationserfahrungen herleitbar sind, wäre also - wenn überhaupt - nur im jeweiligen Einzelfall beantwortbar. Methodisch tragfähiger ist hier sicher Drewermanns Begriff des ‘(Kleriker-)Ideals’ (Drewermann 1989). - D.2.c - 244 c) Erosion des katholischen Milieus In der neueren Katholizismusforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das katholi- sche Milieu bereits im 19. Jahrhundert eine Anpassungsleistung gewesen war: Die Ausbildung moderner katholischer Binnenstrukturen war schlicht notwendig, um in der Fortschrittsdynamik des 19. Jahrhunderts eine katholische Präsenz zu behaupten. Auch der reformkatholische ‘renouveau catholique’ vom Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich mit der (formalen) Adaption der Moderne das Ziel, den Anschluss an die zeitgenössische Gesellschaft zu halten. Nach 1945 wurde die katholische Weltanschauung sogar zunehmend offensiv in den öffentlichen Diskurs hineingetragen: Wiederum wurde, um den Zeitgenossen zu erreichen, das Zeitgenössische ad- aptiert, zwar nicht inhaltlich, aber formaliter. In der Nachkriegszeit beispielsweise hob der Je- suit Herbert Gorski als besondere Vorzüge des neugegründeten ‘Katholischen Digest’ dessen „größtmögliche Zeitnähe und Volkstümlichkeit“1 hervor: „Es muß alles packend und belehrend zugleich sein. Man greift stets mitten hinein in das mo- derne und alltägliche Leben. [...] Bei dem durchschnittlich hohen (um nicht zu sagen zu hohen) Niveau vieler deutscher Zeitschriften im allgemeinen und der katholischen im besonderen hilft der Digest einem spürbaren Mangel ab.“2 Verbunden damit war die Hoffnung auf eine Wirkung außerhalb des katholischen Milieus: „Der Katholische Digest will der ‚Missionar des 20. Jahrhunderts‘ sein und den heutigen Men- schen, auch den religiös gleichgültigen und ablehnenden, ansprechen. Er erfüllt damit ein mo- dernes Apostolat besonderer Art.“3 Ähnlich ließe sich das Wirken des Jesuitenpaters Johannes Leppich (1915-1992) beschreiben, der als ‘Maschinengewehr Gottes’ in den fünfziger und sechziger Jahren ganze Plätze füllte und einen betont burschikosen Predigstil pflegte, den er selbst als publikumswirksam inszenierten „heiligen Zorn“4 verstand: „Ich bin kein Bekehrungsroboter“. Leppichs Wirken war ökume- nisch orientiert,5 es richtete sich gegen die zunehmend freiere Sexualmoral und den Materia- lismus der bundesrepublikanischen Wohlstandsgesellschaft und gegen den Kommunismus („Dolce-vita Bolsche-vita“).6 Mit Leppichs einprägsam burschikosen Formulierungen konnte sich jeder Zuhörer einzeln angesprochen fühlen: „Du bist nicht in Oberammergau, du bist in ... [es folgte der Name des jeweiligen Auftrittsortes]“ oder „Ich suche dringend einen Radiotech- 1 Gorski 1947/48, 312. 2 Ebd.. Zwanzig Jahre später wird ebendieses funktionelle Modernitätsverständnis kritisiert: „Die Kirche lernte viel- fach von der Welt, das äußere Drum und Dran zu organisieren, um das veraltete Innere schmackhaft zu machen und die Mitglieder über das Fehlen des wirklich Neuen hinwegzutäuschen.” (Ledergerber 1966, 450) 3 Gorski 1947/48, 312. 4 Alle Leppich-Zitate dieses Abschnitts sind zitiert nach einem Artikel in der westfälischen NRZ vom 22.6.1965 über eine Veranstaltung in Essen, abgerufen unter http://www.schulte-schulenberg.de/logkespl.htm (30.5.2001). 5 Leppich erfand Anfang der sechziger Jahre das weiße Kreuz vor hellblauem Grund, das als Autoaufkleber signali- sieren sollte, man wünsche im Notfall Beistand durch einen katholischen Geistlichen. Das Zeichen war also aus- drücklich auch für Nicht-Katholiken verwendbar. Leppichs ‘Aktion 365’, das an jedem Tag des Jahres eine christli- che Betätigung forderte, fand in Deutschland und Österreich unter Katholiken wie Protestanten große Verbreitung. 6 Leppichs asketisches Ideal behandelt ausführlicher Klöcker 1991, 90f.. - D.2.c - 245 niker für Indien.“; seine eigenen Schallplatten empfahl er mit den Worten, sie solle „sich der Alte doch mal eine Stunde in der Kneipe anhören - und er geht in die Knie“. Andere Beinamen Leppichs waren ‘Straßenprediger’, ‘Seelsorger des Asphalts’, ‘Trommler Gottes’ oder ‘Hammer Gottes’. Ostentativ bediente sich Leppich moderner Kommunikationsmit- tel: Für Angestellte eines Postamtes beispielsweise hielt er einmal eine zehnminütige Predigt durch das Telefon.7 Berühmt wurde aber seine Predigt, die er auf einem Tisch stehend auf der Reeperbahn in Hamburg hielt.8 Leppichs Auftritte waren zumeist Massenspektakel von immen- sem technischen und organisatorischen Aufwand. Die eigentliche Predigt, nicht selten übertragen von riesigen Lautsprecheranlagen, war eingerahmt von klassischer Musik (beispielsweise Beet- hovens 5. Sinfonie), religiösen Liedern und den obligatorischen Hinweisen auf Leppichs Bücher und Schallplatten, die während der Veranstaltung verkauft wurden.9 Offenbar bewusst auch streiften die öffentlichen Auftritte die Grenze zur Illegalität: Leppich ließ nämlich seine Ansprachen prophylaktisch auf Tonband aufzeichnen, um etwaigen Anzeigen ju- ristisch begegnen zu können. Das Provokatorische seiner Auftritte zielte aber ebenso in den in- nerkatholischen Raum, war doch in einem Anfang der fünfziger Jahre verbreiteten Werkbuch für die laienapostolische Schulung ausdrücklich vor einem zu forcierten Einsatz von Massenmedien gewarnt worden: „Soweit diese Dinge in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten und die Masse als solche ansprechen, also Plakate, Lautsprecher, Transparente usw., ist größte Vorsicht am Platz. Das Religiöse gehört doch einer anderen Sphäre an als das Kaufmännische und Politi- sche. Aber zu Zeiten und im rechten Maße und nach kluger Überlegung wird man doch manches wagen und versuchen dürfen.“10 Die Spannung von (kultureller) Antimodernität und (struktureller) Modernität ließ sich - schon der technische Aufwand von Leppichs Veranstaltungen deutet darauf hin - ohne einen komple- mentären gesellschaftlichen Außendruck nicht halten.11 Der kirchlich vermittelte Deutungsan- spruch kollidierte seit den fünfziger Jahren zunehmend mit dem „gesellschaftsstrukturell er- zeugten Ansprüchen auf Freiheit, Selbstbestimmung und Autonomie des einzelnen“.12 Dass die Prägekraft der katholischen Sozialisationsbedingungen im Laufe der fünfziger Jahre abnahm, zeigt sich u.a. bei dem Mitgliederschwund in den katholischen Jugendverbänden.13 Die Ausein- andersetzungen um die Bekenntnisschule in den sechziger Jahren schließlich, die mit deren faktischer Abschaffung endeten und in denen die Bischöfe das katholische Kirchenvolk nicht mehr hinter sich scharen konnten, war eines der letzten Signale dafür, dass ein konfessionell- ganzheitlicher Lebensrahmen, der mit den Angeboten der säkularen Gesellschaft konkurrieren sollte, breiten katholischen Kreisen nicht mehr vermittelbar war: Während die ‘Selbstthematisierung’ des Individuums - auch im Bereich der christlichen Literatur - an Bedeu- 7 Vgl. Leppich 1956, 81. 8 Vgl. ebd., 9-11. 9 Vgl. die Erinnerungen eines damaligen Helfers an eine Freilichtveranstaltung vom Juni 1965 mit geschätzten 20.000 Teilnehmern; abrufbar unter http://www.schulte-schulenberg/.de/logkespl.htm vom 30.5.2001; zu Leppich auch die bibliographischen Hinweise bei Hehl/Hürten 1983, 92f.). 10 Fischer, A. 1952, 164. 11 Ich folge hier der These von Gabriel (1994, 112 und passim). 12 Gabriel 1994, 166. Von den Faktoren, die zur Erosion des Milieus beitrugen, nennt Gabriel noch die Entritualisie- rung des Alltags, die Entsakralisierung der empirischen Kirchenstrukturen sowie die konziliare Umcodierung der christlichen Tradition (ebd., 170-177). 13 Im Bistum Münster waren 1953 dreißig Prozent der katholischen Jugendlichen in einem konfessionellen Jugend- verband oder in der Pfarrjugend organisiert, zehn Jahre später nur noch achtzehn Prozent (Damberg 1998, 340). - D.2.c - 246 tung eher zunahm,14 nahm im Verlauf der sechziger Jahre die Beichtbereitschaft dramatisch ab.15 Die Faktoren einer spezifisch katholischen Sozialisation verloren also an bindender Kraft: „Mit dem Aufbrechen der katholischen Milieuzusammenhänge als schützender Plausibili- tätsstruktur wird die katholische ‘Welt-Anschauung’ faktisch untradierbar.“16 Das gilt auch für den katholischen Literaturdiskurs, der in seiner spezifisch konfessionellen Ausrichtung in den späten sechziger Jahren in religiöse Submilieus verschwand. 14 Vgl. Gabriel 1994, 167. 15 Entsprechende Klagen datieren schon aus den späten fünfziger Jahren (vgl. etwa Damberg 1998, 340). 16 Gabriel 1994, 168. - D.3.a - 247 3. Katholisch-literarische Traditionen a) Zum Stellenwert von Literatur im Katholizismus Im römischen Katholizismus war Literatur - hier im Sinne von schriftlich niedergelegter ästhe- tisch geformter Sprache - stets insoweit akzeptiert gewesen, als sie in kirchlich beglaubigte Frömmigkeitspraxis zu integrieren war, so etwa bestimmte Formen des Schauspiels in (regionales) Brauchtum oder einzelne Texte geistlicher Lyrik in die Liturgie.1 Die stille, d.h. private Lektüre des Einzelnen jedoch stand immer in der Gefahr, mit dem katholischen Wahr- heitsanspruch zu kollidieren, selbst wenn - wie Carlo Ginzburg am Fall des Müllers Menocchio in aller Deutlichkeit gezeigt hat2 - die jeweiligen Lesefrüchte eklektizistisch blieben. Der Pri- mat der lehramtlichen Tradition, wie ihn das Konzil von Trient als Antwort auf das reformato- rische ‘sola scriptura’ festgelegt hatte, führte dazu, dass im Leben des durchschnittlichen Ka- tholiken die Praxis der mündlichen Glaubensüberlieferung dominierte und der privaten Lektüre übergeordnet war. Hinzu kam das auf Platon und die Bibel3 zurückgehende Misstrauen gegen fiktionale Literatur, die sich in Konkurrenz zur Heilswahrheit setzen konnte. Mehr als für Lyrik und für das Schauspiel gilt das für die Erzählprosa.4 Tatsächlich ist das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen Christentum und schöngeisti- ger Literatur unaufhebbar schon in der Bibel angelegt, die zwischen menschlicher Spekulation und unmittelbar evidenter Wahrheit unterscheidet: „Denn wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.“5 Diese Spannung hatte das frühe Christentum seit jeher begleitet, was Ernst Robert Curtius an- hand von literarischen und literaturtheoretischen Schriften der Spätantike und des Mittelalters belegt hat: „Das Christentum ließ die antiken Götter nicht ruhig sterben. Es mußte sie zu Dämonen degra- dieren - weil sie im Unterbewußtsein fortlebten. Aber in der antiken Poesie, an der man sich 1 Folglich ist die Verbindung von literarisch-ästhetischer Praxis und Leben, die ein zentrales Moment in der katholi- schen Poetologie des 19. Jahrhunderts ist, am überzeugendsten in der sog. Liturgiebewegung vom Ende des 19. Jahrhunderts. Hier gelang in Ansätzen eine religiöse Ästhetik, die zwar nicht den Anschluss an die künstlerische Moderne fand, aber mit ihr „Schritt hält“ (Braungart 1997, 54; zur liturgischen Bewegung näher Kolbe 1964). Was Braungart allerdings unberücksichtigt lässt, ist die grundlegend unterschiedliche Perlokution von ‘säkularer’ Kultur und Liturgie; letztere verstanden als Ort der „‘Äußerungen’ der betenden Kirche“ (Wohlmuth 1990a, 249). 2 Vgl. Ginzburg 1993. 3 Vor allem 2. Tim.4, 3-4 und 2. Petr.1, 16. 4 Eben aufgrund der Integrierbarkeit von Schauspiel und von lyrisch gebundener Sprache in kultisches Handeln. Zudem ist, wenigstens bei moderner Lyrik, der Assoziationsraum größer als bei Erzählprosa, und je weniger seman- tisch festgelegt ein literarisches Werk ist, desto leichter ist es in einen christlichen Interpretationshorizont integrier- bar. Für die Musik dürfte ähnliches gelten (vgl. Crimmann 1978, 74). Auch ist bei Erzählprosa der jeweilige Gehalt von Fiktivität/Authentizität niemals ganz klar, sondern bedarf - wenn man ihm denn nachgehen will - einer eingehen- den erzähllogischen Analyse. 5 2. Petrus 1, 16. - D.3.a - 248 schulte, in Virgil vorzüglich, traten die Olympier dem Leser immer wieder entgegen. Dichtung und Götterfabeln ließen sich kaum voneinander sondern. Der metrischen Kunstdichtung haftete also immer etwas Bedenkliches an. Man konnte es nur mindern, indem man die Poesie für kirch- liche Zwecke benutzte und das begründete.“6 Damit ist die Fähigkeit der römischen Amtskirche benannt, scheinbar Unvereinbares zu verei- nigen, wenn die spirituellen Bedürfnisse der Volksreligion dies verlangten.7 Das Bibelepos, so Curtius weiter, sei immer ein „genre faux“ gewesen, „eine hybride und innerlich unwahre Gattung“, weil sie, gebunden an die eigenen poetischen Konventionen, die biblische Heilsge- schichte ihres autoritativen Anspruchs beraubt habe. In der vormittelalterlichen Literaturtheo- rie, deren kirchliche Vertreter durchaus Schwierigkeiten hatten, die christliche Literatur in Ab- grenzung zur heidnischen antiken Literatur terminologisch zu erfassen, entwickelten sich nur allmählich Klassifikationsschemata für das Miteinander von Bibel und Literatur, in dem diese voneinander geschieden, doch nicht definitiv getrennt waren. Erst in den literaturtheoretischen Schriften des Cassiodorus (ca. 490-583), die für das ganze Mittelalter verbindlich wurden, war festgelegt, dass alles profane Wissen keimhaft bereits im Heilswissen angelegt sei und sich als sekundäres Wissen daraus ableite. Die Ambivalenz des kirchlichen Umgangs mit Literatur war mit dieser ‘Kompromisslösung’ (Curtius) nicht gelöst. Auch weiterhin stand Literatur unter dem Generalvorbehalt kirchlichen Wahrheitsanspruchs, was sich nicht nur auf die Lesepraxis des einzelnen Katholiken auswirk- te,8 sondern auch auf die Literatur, die seit dem 19. Jahrhundert als christliche Literatur katho- lischen Zuschnitts auftrat und als solche begründet wurde. Dabei verschränkten sich ästhetische und weltanschauliche Dimension ineinander. Aus sich selbst heraus, also rein poetologisch, ließ sich katholische Literatur schwer begründen, eben wegen ihres ambivalenten Status - und das fulminante Debüt einer katholischen Poetik im frühen 19. Jahrhundert, nämlich die ‘realspiritualistische’ Konzeption Friedrich Schlegels, prägte zwar die nachfolgenden literari- schen Diskussionen im deutschen Katholizismus, erwies sich letztlich aber als unfruchtbar. Auch Deutingers Ästhetik war nicht mehr als ein binnenkatholisches Phänomen, selbst noch in ihrer gegenwärtigen katholischen Rezeption. Dass sich Schlegels katholische Poetologie als wirkungslos erwies, führt Susanna Schmidt auf de- ren spätere Klerikalisieriung zurück, verweist jedoch auf ihr - auch heute - noch nicht ausge- schöpftes spirituelles Potential.9 Jutta Osinski dagegen sieht die Konfession als perspektivische Begrenzung, jenseits derer eine katholische Poetik nicht mehr ‘aktualisiert’ werden könne.10 Bei- de bestimmen katholische Poetik - aus jeweils grundsätzlich unterschiedlichen Perspektiven her- 6 Dieses und die weiteren Zitate bei Curtius 1948/1984, 457, dessen Darstellung der frühchristlichen Literatur ich im Folgenden kurz zusammenfasse. 7 Zu verhindern, dass sich die Religion der Gebildeten von der der Ungebildeten entfernte, war immer auch macht- politisches Anliegen der Kirchen (vgl. Gramsci 1967, 134). 8 Vgl. dazu Müller, P. 1999, 43. In der Tat belegen jüngere Untersuchungen einen statistischen Zusammenhang zwischen Lektürezeit und kirchlichem „Konfliktpotential“ (vgl. Muth 1976, 307). 9 Schmidt, S. 1994, 208ff. 10 Osinski 1993, 134. - D.3.a - 249 aus - eindimensional: Schmidt ließe sich entgegenhalten, dass ihre poetologischen Projektionen spekulativ sind; die von ihr angeführten Beispiele jedenfalls dienen kaum deren Beglaubigung. Osinski hingegen setzt die Perspektive ihrer eigenen Darstellung absolut. Ihre Auffassung lässt sich schon dadurch entkräften, dass die meisten katholischen Schriftsteller Konvertiten waren, dass die konfessionelle Scheidelinie also kaum so unüberwindbar ist, wie sie meint.11 Carl Muth schließlich - um die Traditionslinie des katholischen Literaturdiskurses bis ins zwanzigste Jahrhundert auszuziehen - glaubte die Literatur der Moderne aus ihren Sujets und ihren Techniken heraus erfassen zu können. Überhaupt erst aus dieser eklatanten Verkennung dessen, was sich an krisenhaften künstlerischen Erfahrungen seit Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt hatte,12 wird im nachhinein verständlich, warum Muth selbst davon überzeugt war, Ästhetik und Weltanschauung getrennt zu haben. Tatsächlich jedoch wies er der Literatur die Aufgabe zu, dem teleologischen Geschichtsbild römisch-katholischer Prägung zum Durchbruch zu verhelfen,13 und hieraus erklärt sich die Intention seiner Forderung, der katholische Dichter müsse sich mit der Gegenwart produktiv auseinandersetzen („Der moderne Künstler erlebt seine Zeit innerlich.“14 ). Zwar sei es über kurz oder lang unausweichlich, dass sich die Litera- tur zur (römisch-katholischen) Religion hinwenden werde, bis dahin aber müsse der Katholi- zismus seine „kulturelle Brauchbarkeit“15 auch gegenüber Nichtkatholiken beweisen, müsse also vermittelst seines künstlerischen Schaffens einen „praktischen Erweis für die Lebenskraft seiner Lehre“16 erbringen.17 In seinem programmatischen Anspruch - und bis heute wird katholischerseits allein dieser tra- diert - gibt der katholische Literaturdiskurs nur mittelbare Aufschlüsse darüber, welche privat- religiösen Bedürfnisse Literatur für das Leben des einzelnen Katholiken gehabt haben könnte.18 Erhellend ist hier der Vergleich mit dem religiösen Gebrauchsschrifttum, das im Verlauf der Neuzeit in dem Maße an Bedeutung einbüßte, als es in Konkurrenz zu alternativen, sprich: sä- kularen Möglichkeiten der Lebensbewältigung geriet. Heribert Smolinsky hat das am Beispiel 11 Aufschlussreich dazu ist eine Briefstelle bei Gertrud von le Fort zum Erlebnis ihrer Konversion: „sein [sc. des Konvertiten] eigentliches Erlebnis ist nicht das eines anderen Glaubens, zu dem er ‘übertritt’, sondern sein Erlebnis ist das der Einheit des Glaubens, die ihn überflutet.“ (Aufzeichnungen und Erinnerungen, 79; hier zit. nach Kamp- mann 1973, 68, Anmerkung 18). 12 Dazu in jüngerer Zeit ausführlicher Vietta 1992. Muth setzte sich zwar mit der damals zeitgenössischen Literatur auseinander, setzte aber den Beginn der Moderne (als literaturgeschichtliche Kategorie) mit der frühen Neuzeit, im Grunde also mit der Reformation an. 13 Vgl. beispielsweise Muth, C. 1909, 96. 14 Ebd., 105. 15 Ebd., 101. 16 Ebd. 17 Das Wirken Carl Muths ist mit diesem Abschnitt nur teilweise und möglicherweise einseitig wiedergegeben. An dieser Stelle dazu nur so viel: Bei der Einschätzung der von mir ausgewählten Zitate ist zu berücksichtigen, dass Muth seine Ausführungen nicht an die säkularen Schriftsteller richtete, sondern dass er sich im katholischen Litera- turstreit positionieren musste, durchaus auch in dogmatischer Hinsicht. Eine ausführliche Darstellung des Verhältnis- ses von Literatur und Katholizismus im 20. Jahrhundert, in der dann auch der 1944 gestorbene Carl Muth seinen Platz hätte, ist mit der hier vorlegten Untersuchung nicht beabsichtigt, sie wäre aber deren folgerichtige Weiterfüh- rung. 18 Das betrifft auch die bisherigen volkskundlichen Untersuchungen (vgl. etwa Moser-Rath 1994). - D.3.a - 250 der vor allem in Frankreich verbreiteten Gattung der ‘Ars moriendi’ ausgeführt. Eine Rezepti- onsgeschichte der katholischen Literatur im 19. Jahrhundert, die bisher noch aussteht, müsste vor allem diesen Aspekt der Lebensbewältigung berücksichtigen. Ob die periodischen Klagen über das unterentwickelte literarische Leben im Katholizismus tat- sächlich als Indiz dafür genommen werden können, „daß viele Katholiken entweder überhaupt nicht lasen oder sich im Lager der Gegner, zum Beispiel in den öffentlichen Leihbibliotheken statt in den Borromäusbüchereien, orientierten“, wie Jutta Osinski vermutet,19 ist zu bezweifeln, wenn man bedenkt, dass solche Klagen bis heute zum Handwerkszeug professioneller Literatur- vermittler gehören.20 Bedenkenswert ist eher der Hinweis von Heribert Smolinsky, dass der gro- ße Erfolg von Trivialliteratur im 19. Jahrhundert auf ein (kirchenoffizielles) Defizit an religiösen Visionen hindeuten könnte.21 Was bedeutet das für eine Untersuchung des katholischen Literaturdiskurses? In ihm wird nicht ein Ist-Zustand, sondern ein Soll-Zustand verhandelt. Was über katholische Literatur - vor al- lem im Hinblick auf deren ‘idealtypische’ Rezeption - gesagt worden ist, war immer auch Aus- druck eines Desiderats. Der Topos von der zukünftig bevorstehenden katholischen Literatur ist dafür ein beredtes Beispiel.22 19 Osinski 1993, 278. 20 Auch die bei Doppler wiedergegebene Äußerung des katholischen Verlegers Huber (Kösel-Verlag) aus dem Jahre 1911 über die eigene Klientel („Was glauben Sie wie viel lesen wirklich katholische Schriften?“; Doppler, B. 1980, 23) ist - für sich genommen - nur wenig plausibel. 21 Vgl. Smolinsky 1999, 26. 22 Vgl. Kap. E.3.a. - D.3.b - 251 b) Literatur und katholische Lebenswelt Der Katholizismus, der nach der Gegenreformation in die literarische Bedeutungslosigkeit ge- sunken war, wurde bei den Romantikern zur Projektionsfläche poetischer und poetologischer Phantasien. Eichendorff sah in ihm das „denkwürdige Zeichen eines fast bewußtlos hervorbre- chenden Heimwehs des Protestantismus nach der Kirche“1 und beschrieb die katholische Ro- mantik als forcierte Aneignungsleistung, die sich in katholisch geprägten Ländern so nicht habe ereignen können. Die Romantiker nämlich, soweit sie protestantisch aufgewachsen seien, hätten „frühzeitig schon vom Baume der Erkenntniß genascht und jene katholische Unbefangenheit und Unschuld verloren, die, weil sie es ganz ist, kaum weiß, daß sie katholisch sei; es fehlte ihnen mithin der natürliche Boden einer katholischen Gesinnung, die allein vermögend war, ihre Ue- berzeugungen zur lebendigen poetischen Erscheinung zu bringen.“2 Die ‘lebendige poetische Erscheinung’ jedoch, die den Akt des lesenden Sich-Aneignens über- dauern und auf die Kirche verweisen sollte - hierin bestimmte Eichendorff die Aufgabe von Literatur als „zur guten Hälfte eine ethische“3 -, musste als solche überhaupt erst erzeugt wer- den, sowohl textintern als auch über den Text hinausgehend. Vorbild war hier das Verhältnis des gleichniserzählenden und gleichnisstiftenden Jesus zu seinen Jüngern. Friedrich Schlegel, mit dem die katholische Poetik des 19. Jahrhunderts einsetzte, hatte in den biblischen Parabeln4 das Maß für eine wahrhaft christliche Literatur gefunden, insofern als diese „nicht mehr nach einem bloß menschlichen Verstande geteilt, und zerstückt erfaßt“5 würden, sondern „in den Wissenden als Wort des Lebens“6 wirkten und „Früchte des Lebens“7 hervorbrächten. Damit war auch die Aufgabe christlicher Literatur bestimmt: Autor und Leser im Prozess des Rezipie- rens spirituell zu verbinden und auf das Leben des Lesers moralisch und anagogisch- eschatologisch einzuwirken. (i) Zur Problematik katholischer Literarisierungskonzepte Der universell integrierende Anspruch einer katholischen Literatur, wie sie sich mit und nach Schlegel entwickelte,8 verfolgte Ziele, die man heute als literaturpädagogisch bezeichnen wür- 1 Eichendorff-Ausgabe 1970, 470. 2 Ebd. 3 Ebd., 274 und 469. 4 Schlegel sprach von Parabeln; gemeint waren damit gleichnisartige Geschichten im weitesten Sinne. 5 Schlegel-Ausgabe 1961, 153. 6 Ebd., 154. 7 Ebd. 8 Die katholische Poetik des 19. Jahrhunderts ist in den Untersuchungen von Jutta Osinski und Susanna Schmidt in ihrer Struktur so weit aufgearbeitet, dass ich im vorliegenden Kapitel darauf zurückgreife. Beide Arbeiten sind jedoch nicht unproblematisch: Schmidt, S. 1994 erörtert das Potential einer katholischen Literatur mit der Absicht, deren Bedeutung für die Gegenwart zu erweisen, bleibt mit letzterem aber im Bereich des Spekulativen (vgl. dazu Kap. - D.3.b - 252 de. Die ersten Legendensammlungen, mit denen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die „Restauration katholischer Prosa“9 begann, dienten nämlich vor allem der Abwehr ver- derblicher Bücher und der darin enthaltenen „Albernheiten“, die „die Welt gleich einer Sünd- fluth überschwemmen“,10 und formulierten als Aufforderung an den katholischen Leser ein Idealprogramm der exklusiven literarischen Lebensgestaltung, das sich gegen das wahllose Viellesen, gegen die sog. ‘Lesewut’ richtet:11 „Wie behutsam sollten wir daher nicht in der Auswahl unserer Lesebücher seyn, damit wir nie Andere in die Hand bekommen, als welche unserer Seele wahren Nutzen gewähren können.“12 Die katholischen Bücherverbreitungsprojekte, die sich in dieser Zeit bildeten, hatten im We- sentlichen das Ziel, „zu den Formen des ‘alten’ Lesens, zu exemplarischer und wiederholender Lektüre, zurückzuführen“.13 In seiner Einleitung zu den ‘Parabeln des Vaters Bonaventura’14 schrieb Clemens Brentano, man solle sich davor hüten, die Parabeln in der Abgeschiedenheit einer privaten Lektüre zu lesen: Man gerate dabei in die Gefahr, nur die Fabel des Gelesenen aufzunehmen, über die „moralische Anwendung“15 aber hinwegzulesen. Die ideale Lektüre bestehe im Vortrag einer frommen Geschichte durch den Hausvater oder die Hausmutter, wor- aus sich ein Gespräch entwickeln solle, das durch das Vorlesen der (im Buch bereits abgedruck- ten) ‘Nutzanwendung’ zu beschließen sei. Sicherlich drückt sich in solch einem Tableau ein typisch katholisches Kirchenverständnis aus, das die mündliche vermittelte (und in dieser Vermittlung zugleich beglaubigte) Tradition dem individuellen Zugang zu Gott überordnet. Gerade bei Brentano zeigt sich jedoch auch deutlich: Von einer durch Literatur vermittelten ‘Gemeinsamkeit’ sprachen Autoren und Literaturkriti- ker, die den gehobenen Schichten angehörten und aus patriarchalisch-wohlwollender Perspekti- ve das Leseverhalten des einfachen Volkes nur idealisierend wahrnahmen. Wie die Verbindung von Literatur und Leben in der Realität aussehen konnte, zeigt das Beispiel des Choralgesangs. Hier nämlich stand Literatur tatsächlich in einem religionspraktischen Handlungszusammen- hang, den Hartmut Riemenschneider als ‘vollziehende Anteilnahme’ eines partiell kompetenten B.1.c.ii). Osinski 1993 hingegen legt ihrer sehr gründlichen, dezidiert nicht-katholischen Studie über ‘Katholizismus und Literatur im 19. Jahrhundert’ die nicht näher erörterte Dichotomie von Rückständigkeit und Fortschrittlichkeit zugrunde, deren methodische Beschränkungen offensichtlich sind, auch wenn man sie nicht - wie etwa Kurz 1994a - aus katholischer Perspektive kritisiert. 9 Schmidt, S. 1994, 131. 10 Johann Peter Silbert: Vorrede zu den ‘Legenden, fromme Sagen und Erzählungen’; hier zit. nach Schmidt, S. 1994, 132. 11 Das erklärt auch, warum in den im letzten Kapitel zitierten Empfehlungen zur Bildung einer Hausbibliothek Lyri- kanthologien gleich zweifach genannt waren, war hier doch die Gefahr des Viellesens weniger gegeben. Vgl. dazu Osinski 1993, 279. 12 Andreas Räß/Nikolaus Weis: „Vorwort“. In: Leben der Väter und Märtyrer nebst anderen vorzüglichen Heiligen, ursprünglich in englischer Sprache verfaßt von Alban Butler. Bd. 1, Mainz 1823, S. III. Hier zit. nach Schmidt, S. 1994, 132. 13 Schmidt, S. 1994, 138. 14 Neuausgabe 1830, zuerst erschienen 1766. 15 Brentano-Ausgabe 1985, 748. - D.3.b - 253 Publikums bestimmt hat.16 Damit kam der gesungenen geistlichen Lyrik eine lebensweltliche Verbindlichkeit zu, die die katholische Bucharbeit überhaupt erst erreichen wollte.17 Die Be- deutung des Gemeindegesangs für die Frömmigkeitspraxis des ‘einfachen’ Kirchenvolks erhellt beispielsweise aus der Entschiedenheit, mit der gerade zur Zeit der oben beschriebenen Litera- risierungskonzepte die Gemeinden auf traditionellen Liedern und Singweisen beharrten und sich den aufklärerischen Choralreformen verweigerten. Diese Choralreformen standen in einem größeren Kontext gesellschaftlicher und staatlicher Mo- dernisierung: Spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten auch in den katholischen deut- schen Staaten aufklärerische Reformen eingesetzt, die energisch eine staatlich-exekutive Moder- nisierung vorantrieben und gleichzeitig überhandnehmende Formen der Volksfrömmigkeit zu- rückstutzten,18 zum Teil gegen große Widerstände, wie sie sich eben bei der Änderung der kirchlichen Singpraxis zeigten. Besonders eindrücklich verlief der Gesangbuchstreit im damals preußischen Eichsfeld: Die Ein- führung des ‘Katholischen Gesang- und Gebetbuchs für die katholischen Kirchen und Schulen des Harzdepartements’ (Heiligenstadt 1811) löste einen jahrzehntelangen erbitterten Streit zwi- schen dem reformerisch gesonnenen Erzbischöflichen Commissariat und den Gläubigen (dem ‘Pöbel’) aus. Zwar mahnte das übergeordnete Generalvikariat zu pastoraler Klugheit und Beson- nenheit, jedoch vergeblich. Die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern des alten und Ver- fechtern des neuen Gesangbuches eskalierten in einem heute nicht mehr vorstellbaren Maße: Zu- nächst kam es zum erbitterten ‘Contra-Singen’ während der Messe, später auch zu Demonstratio- nen, Massenprügeleien, sogar zu Brandstiftungen und Kirchenverwüstungen. Nachdem die Aus- einandersetzungen in fast bürgerkriegsähnliche Unruhen ausgeartet waren und auch die preußi- schen Zivilbehörden nicht mehr zwischen den Streitparteien vermitteln konnten, griff schließlich der preußische König schlichtend ein. Trotzdem zog das Erzbischöfliche Commissariat das um- strittene Gesangbuch nicht zurück. So fand der erbitterte Widerstand der Gläubigen gegen die neuen Gemeindelieder erst gut fünfzig Jahre später sein Ende, als nämlich im Jahre 1866 (turnusmäßig) ein neues Gesangbuch eingeführt wurde, das an das alte Gesangbuch von vor 1811 anknüpfte.19 Wenn also als Besonderheit der geistlichen Lyrik unter Gebrauchsaspekten „die konnotative Offenheit im geschlossenen System“20 benannt worden ist, dann verhält es sich bei den katholi- schen Literarisierungsprojekten des 19. Jahrhunderts genau anders herum: Sie versuchten, den Umgang mit konnotativ (weitgehend) festgelegter Literatur dort zu ritualisieren, wo er nur in Grenzen ritualisierbar ist, nämlich bei der privaten Lektüre.21 Genau dies hatte Christian Bren- tano gegen ein Buchverbreitungsprojekt seines Bruders Clemens eingewandt: Er sei davon überzeugt, 16 Riemenschneider 1996, 171. 17 Bezeichnenderweise finden die volkskundlichen Aspekte des Gemeindechorals nur geringe Aufmerksamkeit in der literaturwissenschaftlichen Aufarbeitung christlicher oder konfessioneller Literatur. Die Gebrauchsaspekte des geist- lichen Liedes erörtert unter interdisziplinär-synoptischen Aspekten Riemenschneider 1996. 18 Dazu ausführlicher Osinski 1993, 47f. 19 Vgl. zu den Einzelheiten des Eichsfelder Gesangbuchstreits und zu den volkskundlichen Aspekten des Choralge- sangs im 19. Jahrhundert Schepping 1974 und 1975 (dort auch weiterführende Literaturangaben). 20 Riemenschneider 1996, 171. 21 Was Gabriel (1994, 102f.) als eines der Strukturelemente des katholischen Milieus bestimmt hat, nämlich die Ritualisierung des alltäglichen Frömmigkeitslebens, lässt sich auch auf den Umgang mit Literatur übertragen. Ich lege dabei den Ritualisierungsbegriff von Braungart (1996 und 1997) zugrunde. - D.3.b - 254 „daß der Buchstabe allein tödet, und die Verbreitung des Buchstabens ohne Mitgift von mehr als dem Verbreiten des Todes ist wovon die Bibelreiterey in manchen Protestantischen Ländern (z.B. England) trauriges Beyspiel ist“.22 Der ‘Buchstabe allein’, d.h. ohne ritualisierbare Rezeption, wurde also als grundsätzlich defizi- tär betrachtet. Das Ritualisierungsdilemma, wie ich es nennen möchte, prägt den katholischen Literaturdiskurs bis heute; es erklärt auch, dass in der gegenwärtigen Literaturtheologie (Theopoesie, ‘Lesen als Christ’23 ) die Beschäftigung mit religiöser Lyrik in den Vordergrund getreten ist - eine Gattung, die den anteilnehmenden Vollzug nicht nur erlaubt, sondern gerade- zu nahelegt. (ii) ‘Literatur und Leben’ poetologisch Die Vorstellung einer literarisch vermittelten Gemeinschaft revaluierte ältere katholische Frömmigkeitstraditionen24 und beruhte auf dem Vorrang der (mündlich weitergegebenen) Tradition vor dem individuellen Lesen.25 Aber die katholische Tradition integrierte auch das private Lesen, indem nämlich die intendierte Aktualisierung in die katholische Literatur selbst eingeschrieben war. Als wirkmächtig erwies sich der Rückgriff auf Traditionen katholischer Bildlichkeit, ja geradezu deren Restaurierung im Zusammenhang der katholischen Romantik.26 In die Literatur eingeschrieben war der starke Leserbezug durch „Identifikationsrollen“,27 etwa die des ‘reumütigen Sünders’ oder die der ‘jubelnden Seele’, deren poetische Ausgestaltung sich jedoch am Verstehenshorizont des angestrebten Lesepublikums orientieren musste.28 Der Begriff der Identifikationsrolle spielt bei der Bestimmung katholischer Poetologie durch Susanna Schmidt eine zentrale Rolle; allerdings behandelt sie nur dessen literaturimmanente Dimensionen. Indem sie den sprachhandelnden Aspekt von Literatur außer Acht lässt, entgeht ihr eine Implikation in Schlegels poetologischen Ausführungen, die auch Schlegel selbst nur andeutet. In der 9. Vorlesung seiner ‘Geschichte der alten und neuen Literatur’ nämlich erläu- tert er, dass die Bibel in zweierlei Hinsicht auf die europäische Literatur eingewirkt habe, näm- 22 Zit. nach Brentano-Ausgabe 1990, 47. 23 Vgl. dazu ausführlicher Kap. C.4. 24 Vgl. Breuer 1991. 25 Gemert 1984 hat gezeigt, dass schon in den katholischen geistlichen Gebrauchsschriften des frühen 17. Jahrhun- derts der Topos der Gemeinschaft, der seine Wurzeln im Mittelalter hat, durch einen missionarischen Anspruch überformt ist. 26 Vgl. Schmidt, S. 1994, 69 u. 84. 27 Schmidt, S. 1994, 87. 28 Die religiös-erotische Transsubstantionspoetik Clemens von Brentanos, deren Einbindung in Brentanos unmittel- baren Lebensumkreis Gabriele Brandstetter nachgezeichnet hat (Brandstetter 1986, 218ff.) , war über die persönli- che Autor-Leser-Beziehung hinaus nicht vermittelbar, jedenfalls nicht im Hinblick auf eine religiöse Wirksamkeit, wie sie Brentano anstrebte (dazu ausführlicher Osinski 1993, 179ff.). Im katholischen Literaturdiskurs begegnet das Transsubstantiationstheorem wieder in der Literaturkonzeption von Charles du Bos (1949, 94). - D.3.b - 255 lich durch die „Einfalt des Ausdrucks“29 und durch die „durchgehende Bildlichkeit“,30 und fährt fort: „Freilich, wo der tiefere Sinn jener sinnbildlichen Geheimnisse nicht vollkommen verstanden ward, oder wo der Zweck und Gedanke, welchem das Symbol diente, nicht mehr so ernst und heilig blieb, entartete dieser Hang sehr oft in eine bloß willkürliche, mit Begriffen spielende und inhaltsleere Allegorie; weil sinnreicher Schmuck leichter ist als edle Einfalt, und auch die glän- zendste Kunst ungleich gewöhnlicher, als die Tiefe der Wahrheit.“31 Mit anderen Worten: Es ging Schlegel - und mit ihm dem katholischen Literaturdiskurs des 19. Jahrhunderts - um die Verbindlichkeit von Literatur im frömmigkeitshandelnden Vollzug. Erst vor diesem Hintergrund verfiel eine sich verselbstständigende allegorische Darstellungsweise seiner Wertung.32 Die bei Schlegel angedeutete Pragmatik christlicher Literatur weist auf einen literaturtheoreti- schen Aspekt, der in der einschlägigen Sekundärliteratur bisher nicht beachtet worden ist, näm- lich dass sich Erzählinstanz und realer Autor ineinander verschränken.33 Das lässt sich zunächst historisch belegen: Die katholischen Autoren der frühen Neuzeit - in dieser Zeit der gegenre- formatorischen Abgrenzung wurde katholische Literatur überhaupt erst als solche manifest - waren zumeist gebildete Kleriker.34 Es war da nur folgerichtig, dass auch Schlegel eine christli- che (d.h. katholische) Literatur ausdrücklich mit der Tradition der lehrhaften Gattungen der Bibel begründete. Der enge Zusammenhang von Literatur und Leben lässt sich also als das zentrale Element einer spezifisch katholischen Poetologie begreifen. Dieses Rezeptionspara- digma, das bis heute in der katholischen Literaturtheologie lebendig ist,35 war exemplarisch ausgestaltet bei dem Jugendschriftsteller Christoph von Schmid. Dieser war längere Zeit Reli- gionslehrer gewesen und sah gerade hierin die spezifische Qualität seiner Geschichten; sie sei- en nämlich „nicht für ein unbekanntes Publikum und gleichsam auf den Kauf gemacht, sondern für Kinder verfaßt, in deren Mitte der Verfasser sich befand. Er wurde in seiner Stellung mit deren Gedan- kenkreise und mit deren Sprache vertraut. Er schrieb ganz unbefangen, ohne daran zu denken, was gelehrte Kunstrichter dazu sagen würden; er war nur darauf bedacht, nicht die gewöhnliche breite Büchersprache, sondern die Sprache der Kinder zu reden.“36 29 Schlegel-Ausgabe 1961, 211. 30 Ebd., 212. 31 Ebd., 213 (Hervorhebung von mir). 32 Diesen pragmatischen Aspekt von Schlegels Poetik lässt Osinski (1993, 114ff.) unberücksichtigt. 33 Ein Grund dafür mag sein, dass die bisher vorliegenden Arbeiten über katholische Literatur, soweit sie poetologi- sche Fragen betreffen, also Schmidt, S. 1994 und Osinski 1993, sich im Wesentlichen auf die ‘klassische’ katholi- sche Literatur beziehen, dass sie also Kinder- und Jugendliteratur zwar erwähnen, nicht aber in ihre Argumentation mit einbeziehen. 34 Vgl. Breuer 1991, 456, und ausführlicher Schenda 1970, 148ff. 35 Etwa in der gegenwärtigen Buchpastoral-Diskussion (vgl. Kap. D.4.c.). 36 Christoph von Schmid: “An die verehrten Leser!”. In: ‘Gesammelte Schriften’, Bd. 1, 29. und 30. Auflage, Re- gensburg 1931 [11841], S. 6f.. Hier zit. nach Schmidt, S. 1994, 142. Zum Selbstverständnis Enrica von Handel- Mazzettis als ‘Lehrerin des Volkes’ vgl. Doppler, B. 1980, 162. - D.3.b - 256 Die poetologische Besonderheit der Umpragmatisierung,37 die hier bei Christoph von Schmid explizit gemacht ist, kann als typisch für die vorkonziliare katholische Kinder- und Jugendlite- ratur insgesamt gelten:38 die Verlängerung der pastoralen Unterweisungsituation in den Raum literarischen Rezipierens. Unberücksichtigt blieb bisher ihr Status in der literaturwissenschaft- lichen Diskussion um die Erzählfunktion. Seit rund einem Jahrhundert39 ist die Trennung von realem Autor und Erzählinstanz eine zentrale methodische Prämisse des literaturwissenschaftlichen Analysierens von Prosatexten. Historisch ist sie herzuleiten aus dem Übergang von didaktischer zu autonomer Literatur im 18. Jahrhundert und aus der Ausdifferenzierung der Erzählinstanz seit Sternes ‘Sentimental Journey’. Bei Eber- hard Lämmert etwa wird die Trennung von Autor und Erzähler gar zum Prüfstein literaturwissen- schaftlicher Legitimität: “[...] und gerade die großen Romanautoren würden belustigt dem Inter- preten zuhören, der ihre direkten Äußerungen als Erzähler auf ihre reale Existenz umzumünzen versuchte [...]”.40 Vereinfacht ausgedrückt: Der Erzähler glaubt an die Wirklichkeit des von ihm Erzählten, der Autor hingegen inszeniert dessen Fiktionalität.41 Die erwähnten Überlegungen sind jedoch produktionsästhetischer Natur; unberücksichtigt in die- sem Modell bleibt also die jeweilige Aktualisierung des Textes. Die Unterscheidung von Erzähler und Autor hat nämlich lediglich heuristische Funktion, ist also erkenntnisleitende Kategorie, die für bestimmte Literatur notwendig ist,42 die aber für sich genommen keinen ontischen Status be- anspruchen kann. Sie ist immer nur biographisch-analytisch zu verifizieren, es sei denn, eine sol- che Unterscheidung sei im Text markiert. Ein geübter Leser wird, wenn ihm dies wichtig er- scheint, im Prozess des Lesens die Trennung von Autor und Erzähler vollziehen können, ein un- geübter Leser wird dies vermutlich nicht tun; jedenfalls wird er sich darüber keine Rechenschaft abgeben. Es ließen sich also wenigstens zwei idealtypische Aneignungsmodi unterscheiden, der literale und der elaborierte; in der Realität wird man viele Abstufungen dazwischen annehmen können. Die Trennung von Erzählinstanz und realem Autor ist aufgehoben in der mündlichen Überliefe- rung von Erzählstoffen,43 und eine Produktions- und Rezeptionskonstellation wie die von Schmids Geschichten perpetuiert diese Konsequenz von Mündlichkeit in den Raum des Litera- rischen: Für den durchschnittlichen katholischen Leser sollten Autor und Erzähler ineinander aufgehen,44 und die eine Rolle war durch die andere beglaubigt.45 Das heißt methodisch: Die 37 Wenn man literarische Texte nicht als Sprechhandlungen auffasst, müsste man von ‘Repragmatisierung’ sprechen. 38 Mendl hebt neben Christoph von Schmid vor allem die katholischen Kinder- und Jugendbuchautoren Andreas Sutor (1747-1822), Ägidius Jaus (1750-1822) und Wolfgang Mauerer (1782-1856) hervor, bei denen die Rezepti- onssituation durch Dialogstruktur, Anrede des Lesers, kommentierende Erzählunterbrechungen etc. in den Text eingeschrieben war. Das veränderte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts hin, was Mendl unter dem Stichwort ‘Zunehmende Entschulung und Literarisierung’ fasst (vgl. Mendl 1995, 370ff.). Zu relativieren ist diese Einschät- zung insofern, als entsprechende Muster das Jugendschrifttum des katholischen Tiefendiskurses bis in die sechziger Jahre hinein prägen (vgl. Kap. D.5). 39 Als Ausgangspunkt gilt Käte Friedemanns Arbeit ‘Die Rolle des Erzählers in der Epik’ (1910). 40 Lämmert 1955/1968, 69 41 Die Unterscheidung von realem Autor und abstraktem Autor (Autorbewusstsein) ist eine Setzung, die systematisch erforderlich, für die Analyse aber in der Regel bedeutungslos ist. Wenn ich hier vom Autor spreche, dann wäre damit der abstrakte Autor gemeint. 42 Eine Auffassung, die sich auch in der neueren Erzählforschung durchgesetzt zu haben scheint. Vgl. etwa Horn, A. 1998, 147. 43 Vgl. Kanzog 1976, 73ff., der in diesem Zusammenhang auf den normsetzenden Charakter des mündlichen Erzäh- lens hinweist: „Erzählzeit ist nicht zuletzt auch Suggestivzeit.“ (ebd., 77) 44 Zwar weist Schmidt (S. 1994) in ihrer Analyse der Genovefa-Geschichte von Schmid darauf hin, dass dieser auf den Erzählerkommentar verzichtet (ebd., 145); eine genauere Bestimmung der Erzählinstanz unternimmt sie jedoch nicht. 45 Die Brentano-Ausgabe 1985 enthält die plastische Darstellung einer realen Erzählsituation, wie sie von Brentano und Melchior Diepenbrock aufgezeichnet ist. Schmid trat hier als mündlicher Erzähler auf, der seinerseits die Erzäh- - D.3.b - 257 Unterscheidung der beiden Rollen, auf die die Literaturwissenschaft Wert legen muss,46 um der Autonomie von Literatur Rechnung zu tragen, wird im Zusammenhang einer religiös- didaktischen Literatur dysfunktional. Wie später zu zeigen sein wird, betrifft das den Bereich des katholischen Tiefendiskurses in besonderem Maße.47 Sprachlich lässt sich das Ineinander beider Rollen anhand von Wendungen aus der je konfes- sionellen (hier: katholischen) Frömmigkeitspraxis bestimmen, etwa Gebetsformeln oder Fürbit- ten, die einen Text - vor allem natürlich Legenden, Kinder- und Jugenderzählungen etc. - sprachlich unmittelbar in einem religiösen Lebenskontext situieren,48 wie dies Christoph von Schmid für seine Geschichten ja auch ausdrücklich bekräftigte. Auch ein Rezeptionsort wie beispielsweise die ‘Kalender für Zeit und Ewigkeit’ von Alban von Stolz bestätigte das Inein- ander der Rolle des realen Autors und der des Erzählers.49 Eine derartige Rezeptionssteuerung, die nicht nur - wie Susanna Schmidt vermutet - Identifikationsrollen passiv anbietet,50 sondern im Leseakt durch das verwendete Sprachrepertoire eine unmittelbare Einvernehmlichkeit des Nacherlebens herstellt,51 fasse ich unter die Kategorie der Vergegenwärtigung. Das Ineinander beider Rollen, der des Autors und der des Erzählers, beschreibe ich in der vorliegenden Arbeit mit den Begriffen Auktor bzw. Auktorfunktion; gemeint ist sowohl der (reale oder fiktive) Urheber als auch die von ihm beanspruchte (geistliche) Autorität. In genau dieser Funktion tritt er - wie später zu zeigen sein wird - dem Leser katholischer Milieuliteratur gegenüber.52 Der Begriff des Auktors, wie ich ihn hier verwende, ist nicht zu verwechseln mit dem des ‘auktorialen Erzählers’: Dieser stellt gewissermaßen die säkularisierte Variante von jenem dar. lung eines anderen Geistlichen wiedergab (ebd., 658f.). Die Kanonisierung des Autors Christoph von Schmid im 19. Jahrhundert stellt ausführlicher Rudolf Schenda (1970, 163ff.) dar. 46 Obwohl sie nicht unumstritten ist. Wayne C. Booth hat die Unterscheidung Erzähler/Autor nur als heuristische Markierung gelten lassen: „das Urteil des Autors ist immer gegenwärtig, immer evident für jeden, der danach zu suchen versteht.“ (Booth 1974, 29). 47 Zum Begriff des ‘katholischen Tiefendiskurses’ vgl. ausführlicher Kap. D.4.a.ii. 48 Ich unterscheide also nicht zwischen der ‘konfessionellen Engführung’ von ‘kultischem und ritualisiertem Fröm- migkeitsleben’ und der ‘religiösen Belehrung’ im Religionsunterricht, wie dies Susanna Schmidt (1994, 143) tut. Eine solche Unterscheidung ist zwar sprechakttheoretisch nicht falsch, in diesem Fall aber sinnlos, weil in religiöser Literatur (wie der von Christoph von Schmid) das gesamte Kontinuum religiöser Sprachlichkeit ‘stattfindet’, unab- hängig von ihrem je unterschiedlichen illokutiven Status im realen Leben. 49 Im Übrigen erklärt gerade das Moment von persuasiver Gerichtetheit, warum für die theologische Literaturkritik der reale Autor von derart großer Bedeutung ist, dass die Rekonstruktion des (tropologischen) Schriftsinnes zumeist an seine Person gebunden wurde. Vgl. dazu näher Kap C.4.c. 50 Dass der Leser durch die Identifikationsrollen „in das [literarisch gestaltete] Geschehen hineingezogen“ werde, wie Schmidt (S. 1994, 87) schreibt, ist eine idealisierende, wenig überzeugende Überhöhung des Leseaktes und nur aus dem Anliegen ihrer Arbeit erklärlich, das spirituelle Potential katholischer Literatur zu rekonstruieren. 51 Auf die Bedeutung, die das Konzil von Trient dem gläubigen Nachvollzug von Legenden zumaß, weist Schmidt (S. 1994, 127f.) selbst hin. 52 Diese erzähltheoretischen Aspekte lässt Hans Mendl unberücksichtigt, obwohl sie sich fast zwangsläufig aus der von ihm dargestellten dialogischen Grundstruktur katholischer Kinder- und Jugendliteratur ergeben (vgl. insbesonde- re Mendl 1995, 371). Auch Josef Schmidt zieht aus der von ihm sehr eingehend dargestellten Figur des Kardinals Wiseman (‘Fabiola’) - in dem sich das von mir beschriebene Ineinander von erzählerischer und geistlicher Autorität geradezu prototypisch ausprägt - keine erzähltheoretischen Schlüsse (vgl. Schmidt, Josef 1991, 69ff.). - D.3.b - 258 In der bisherigen Erzählforschung ist vornehmlich bearbeitet worden, was man die ‘Topographie des Erzählvorgangs’ nennen könnte; geläufige Kategorien sind beispielsweise Perspektivierung (Stanzel), Fokalisierung (Genette) oder Distanz (Booth). Mit Auktor oder Auktorfunktion meine ich dagegen die Beziehung zwischen dem, der erzählt, und dem, der liest. Es handelt sich hier nicht um die sog. ‘Autorität des Erzählers’, der souverän über seinen Stoff verfügt, sondern um die Autorität, die der Leser im Prozess des Lesens aus seinen Lebenszusammenhängen heraus als solche anerkennt (bzw. anerkennen könnte). Auch verbinde ich mit dem Begriff des Auktors kei- ne Wertung, wie sie naheliegen könnte, wenn man den Grad der Anwesenheit des Autors im Text als Wertungskriterium nimmt.53 Die hier dargestellten Zusammenhänge betreffen auch die Diskussion um die Fiktionalität von Texten. Das Rezeptionsschema, das ein als literarisch akzeptierter Text evoziert,54 kann sich ändern, wenn innerhalb dieses Textes eine frömmigkeitsrelevante Situation geschildert und mit Frömmigkeitsformeln verstärkt wird, die dem Leser aus seinem eigenen Lebensumfeld vertraut sind. Eine entsprechende Disposition auf Seiten des Lesers vorausgesetzt, kann dann der ästhe- tische Mitvollzug in (literarisch vermitteltes) Frömmigkeitshandeln übergehen - eine Funktion von Erbauungsliteratur, die bislang vor allem im Hinblick auf die individuelle Frömmig- keitspraxis erarbeitet worden ist.55 In der vorliegenden Untersuchung geht es dagegen um ihre katechetisch-programmatischen Bezüge.56 Im vorkonziliaren katholischen Tiefendiskurs näm- lich konnte die Differenz zwischen dem Fiktiven und dem tatsächlich Geschehenen um so leichter übersehen werden, je mehr das jeweils ‘überzeitlich Wahre’ beschrieben (oder aber beglaubigt) werden sollte. Die literarische Beschreibungskategorie ‘Fiktionalität’ gewinnt da- durch neue Facetten, wenigstens für den Bereich der religiösen Literatur.57 Beim Wechsel vom ästhetischen zum religiösen Mitvollzug handelt es sich um ein Muster, das durchweg in der vorkonziliaren katholischen Literatur begegnet, nur dass es in den ästhetischen elaborierteren Werken (le Fort, Schneider, Langgässer etc.) weniger appellativ gestaltet war als in der ‘kleineren’ Milieuliteratur. Aber auch da konnte es funktionieren - eine entsprechende Rezeptionssituation vorausgesetzt. Das Postulat einer katholischen Literatur nämlich, die Lite- ratur und Leben zusammenschließen könne, erfüllte sich - wenn auch nur transitorisch - mit den Sonetten Reinhold Schneiders. Sie kursierten in den letzten Kriegsjahren unter der Hand und erfüllten Bedürfnisse nicht ästhetischer, sondern existentieller Art.58 Im Kontext von totalitä- rem Regime und Weltkrieg passte christliche Literatur in eine historische Situation, hatte also 53 Vgl. wiederum Booth 1974, 27 und passim. 54 Vgl. dazu Landwehr 1981, hier vor allem S. 400f. 55 Ausführlich beispielsweise in Jauß 1984, 172ff. 56 Auf das Problem von Fiktionalität/Nichtfiktionalität im katholischen Tiefendiskurs gehe ich ausführlicher in Kap. D.5.b ein. Die programmatische Verschränkung von literarischer und religiöser Sphäre behandelt ansatzweise auch Wanner 1955, nur dass hier ein normativer Begriff von Dichtung zugrundegelegt ist. 57 Was bei Baltz-Otto (1989, 21f.) nur gestreift ist. 58 Als Privatdruck von 5.000 Exemplaren erschienen unter dem Titel ’Das Gottesreich in der Zeit. Sonette und Auf- sätze von Reinhold Schneider’. Reichshof 1944. Einzelne Sonette und Aufsätze kursierten seit etwa Herbst 1943. Zur Geschichte dieser Sammlung und zum Lebenskontext des Schneiderschen Werkes in den fünfziger Jahren vgl. Schmidt, S. 1994, 189. - D.3.b - 259 einen Sitz im Leben und war, über das traditionelle christliche Lesepublikum hinaus, gleicher- maßen trostspendend wie gemeinschaftsstiftend.59 Als wieder freies Sprechen möglich war, wurde diese Art von Literatur obsolet. Sie verlor ihre Funktion vollends, als sich die Nach- kriegsverhältnisse materiell konsolidierten. 59 Die seelsorgerliche Wirkung der Schriften Reinhold Schneiders bezeugt Kessels 1983. Johannes Kessels war der Priester gewesen, der 1943 mit dem Versand von Schneiders Sonetten und Aufsätzen begonnen hatte. - D.4.a - 260 4. Zur Makrostruktur des katholischen Literaturdiskurses a) Selbstentwürfe (i) Außendarstellung Beim Festakt zum 150jährigen Bestehen des Herder-Verlags1 hielt der Historiker Franz Schna- bel den Festvortrag über ‘Buchhandel und geistigen Aufstieg der abendländischen Völker’. Geben auch Schnabels Ausführungen im wesentlichen einen kulturgeschichtlichen und kultur- politischen Rückblick auf den Umgang mit dem Buch seit Gutenberg und beschäftigen sich nur allgemein mit der aktuellen „Krisis, in der sich der Buchhandel befindet“,2 so beleuchtet der Vortrag doch schlaglichtartig das Selbstverständnis des katholischen Literaturdiskurses Anfang der fünfziger Jahre.3 Dass ihr in dieser Hinsicht repräsentative Gültigkeit zukommt, lässt sich zum einen aus ihrem Status als Festvortrag ersehen, zum anderen aus der intendierten Wirkung nach außen, die der katholische Verlag Herder offensichtlich mit dem Festakt im Stadttheater von Freiburg/Br. an- strebte, der Stadt des Verlagssitzes, sowohl Metropolitansitz als auch Ort einer namhaften und traditionsreichen katholischen theologischen Fakultät.4 Schnabel sah sich und seine Zeitgenossen am Ende einer große[n] Epoche der Weltgeschich- te“,5 die ihren Ausgang im Spätmittelalter mit der Erfindung der Buchdruckerkunst genommen habe und deren Höhepunkt in einem idealisierten Bild der Goethe-Zeit verortet wird. Den „Abfall der abendländischen Gesellschaft vom Buche“6 bemaß Schnabel an der ‘Flut’ des Ge- druckten und dessen zunehmender Illustrierung, also der Verdrängung des Wortes durch das Bild, allgemein: der Verdrängung des Gehaltvollen durch das nur Interessante (‘die Schaulust Befriedigende’), der geistigen Arbeit durch die schnelle Meinung sowie dem Verlust von ethi- schen und ästhetischen Maßstäben auf Seiten der Schriftsteller und des Publikums. Zeitlich siedelte Schnabel die Auflösung geistiger Verbindlichkeit im 19. Jahrhundert, das er das „popularisierende Zeitalter“7 nannte: 1 Freiburg/Br., 13.10.1951. 2 Schnabel 1951, 318. 3 Wenigstens aus theoretischer Sicht. Dass mit Schnabel nicht ein Praktiker, sondern ein Wissenschaftler über die Situation des Buchhandels sprach, erhellt aus der Tatsache, dass ökonomische Erwägungen so gut wie nicht vor- kommen. 4 Das Gewicht, das der Herder-Verlag den Ausführungen von Schnabel zumaß, mag man auch daran ersehen, dass sein Vortrag in der Herder-Festschrift des gleichen Jahres (zit. als Katholizismus in Deutschland 1951) an heraus- gehobener Stelle angeordnet war: nach dem Beitrag des Verlegers Theophil Herder-Dorneich beschließt er die Reihe der Aufsätze. 5 Schnabel 1951, 287. 6 Ebd., 320. 7 Ebd., 299. - D.4.a - 261 „Es zog das Bürgertum in seinen Bann, es hat die Ergebnisse der modernen Wissenschaften in kleine Münze umgeprägt, sie dadurch gangbar gemacht und auch radikale Folgerungen gezogen im Hinblick auf Religion und Gesellschaft, auf die Ansicht von Welt und Leben.“8 Verklärend dagegen stellte Schnabel die Zeit von der Renaissance bis zum 18. Jahrhundert dar (das „noch nicht diktierende und gaffende, sondern schreibende und lesende Zeitalter“9 ), und das Ethos geistigen Arbeitens, das die europäische Kultur geschaffen habe, wurde so pathetisch wie resignierend auch für die Gegenwart beschworen: „Die Rückkehr zur Bilderschrift war auch eine ‘Rückkehr zur Natur’, und diese hatte schon im Geiste Rousseaus nicht etwa den ursprünglichen, naiven, primitiven Menschen zurückgebracht. Sie ist das Ergebnis unsagbarer Verluste, sie wird bezahlt mit der Aufopferung vieler geistiger Güter, welche die Menschheit in langen Jahrhunderten mühsam erworben hat und gegen die Angriffe der Dummheit, der Trägheit und des Eigennutzes dauernd gesichert zu haben glaub- te.“10 Der Kulturpessimismus Schnabels endete in einer negativen Utopie, die er nicht näher benann- te, sondern lediglich suggestiv als „Lebensfrage für uns alle“11 beschwor. Er berief sich auf die Stimmen, die bereits im 18. Jahrhundert vor der ‘Lesewut’ gewarnt hätten, die „die Jugend von der ernsten // Arbeit und der strengen Schulung des Geistes abhält“,12 und bezog aus der Dia- gnose des kulturellen Verfalls eine Extremposition, die vehement schon der katholische Schriftsteller und Kirchenpolikter Wessenberg im 18. Jahrhundert vertreten hatte: „wer sich zum Leben untüchtig machen will, braucht sich nur dem Lesen von Romanen hinzugeben.“13 „Freilich, wo immer das Evangelium, christliche Mystik und Pietismus sich ausgebreitet haben, da bedeutete dies einen Damm gegen die einströmende Flut, gegen den riesigen Ballast von Bü- chern, den die Kommentatoren, die Popularisatoren, aber auch die Systematiker um die unver- gänglichen Werke auftürmten.“14 Wahre literarische Bildung müsse ‘ad fontes’ gehen, die Lektüre also auf das beschränken, was es verdient, gelesen zu werden. Wie die Zitate zeigen, vertrat Schnabel einen materialen Begriff von Bildung, die unter Berufung auf eine rigide Pflichtethik zwischen wertvollem und wertlo- sem Schrifttum unterschied. Zwar zitierte er Herder und Goethe, die sich von ihnen überflüssig erscheinenden Büchern getrennt hatten, um Zeit für Wesentlicheres zu gewinnen, gestand den Akt des Auswählens einem normalen Leser aber nicht zu. Betont wurde dagegen die erzieheri- sche Aufgabe von Wissenschaft und Literatur, die es „nur mit gewichtigen Dingen zu tun ha- ben“.15 Verloren gegangen sei die Einsicht, „daß sie [Wissenschaft und Literatur] diese gewichtigen Dinge geistig durchdringen und licht- voll darstellen müssen, daß die Schriftsteller mit Sorgfalt und mit dem hierzu notwendigen Auf- 8 Ebd. 9 Ebd., 319. 10 Ebd. 11 Ebd., 320. 12 Ebd., 316//317. 13 Ebd., 317. 14 Ebd., 313. 15 Schnabel 1951, 315. - D.4.a - 262 wand an Zeit und Hingabe, durch strenge Auswahl und durch Prägnanz den Leser führen sol- len“16 Wie die Geringschätzung der ‘Kommentatoren’ und ‘Systematiker’ zeigt, räumte Schnabel der weihevollen Versenkung in das literarische Werk den Vorrang ein vor dessen Analyse, gar des- sen theoriegeleiteter, mithin: professioneller Analyse.17 Da nicht mehr „die unvergänglichen Dichter und Denker“18 gelesen würden, sondern nur noch deren Exegeten, also Literatur über Literatur, könne „auch nicht mehr die Rede davon [sein], daß durch Lesen die literarische Anlage aus- gebildet werde. Goethe hat es prophezeit, daß die künftige Literatur ein ganz elendes Geschreibsel sein werde.“19 Seinen breit entwickelten Kulturpessimismus kontrastierte Schnabel mit dem Weg einer christ- lichen Kulturauffassung: „der wahre Christ ist sich noch bewußt, daß man mit der Wissenschaft und ihrer Anhäufung nicht spielen darf, nicht lustig plätschern darf in diesem Strom, als Ästhet oder Kärrner oder Spezialist oder Produzent von Büchern, sondern daß der Besitz des Wissens die Verantwortung steigert“20 Die Berufung auf die europäischen, ‘abendländischen’ Werte verweist auf einen gesellschafts- politischen Zusammenhang, der die junge Bundesrepublik stabilisieren half, nämlich den Anti- kommunismus. Tatsächlich erwähnte Schnabel ausdrücklich den „römischen oder asiatischen Despotismus“,21 der dem mittalterlichen Abendland erspart geblieben sei, und zwar „im Schut- ze von Kirche und Reich“;22 dies sei einer der Gründe, dass das Abendland „zu den geistigen Gütern, zu Kunst, Literatur und Wissenschaft, zum Buche“23 gelangt sei.24 Mit Schnabel sprach ein Festredner, der durch seine konfessionell orientierten Forschungen über das 19. Jahrhundert ausgewiesen war.25 Es war also nicht das Mittelalter, auf das der ka- tholische Literaturdiskurs für seine Selbstlegitimation zurückgriff, sondern der Zeitraum von 16 Ebd. 17 Die Rede von den ‘Kommentatoren’ und den ‘Systematikern’ weist im Zusammenhang des Kontextes auf die positivistische Germanistik des 19. Jahrhunderts. 18 Ebd., 314. 19 Ebd. 20 Ebd., 313. 21 Ebd., 289. 22 Ebd. 23 Ebd. 24 Die wortgewaltig vorgetragene These vom drohenden Niedergang der abendländischen Kultur wird relativiert durch folgenden Anakoluth, der den Verdacht nahelegt, dass sich Kulturpessimismus ohnehin oft auf das Aneinan- derreihen von Allgemeinplätzen beschränkt: „so haben wir die wichtigsten Vorbedingungen angegeben, aus denen sich das Wachstum der abendländischen Völker genährt und sie zu den geistigen Gütern, zu Kunst, Literatur und Wissenschaft, zum Buche geführt hat.“ (ebd., 289). 25 Verfasser einer vierbändigen ‘Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert’, die im Herder-Verlag von 1929 bis in die fünfziger Jahre mehrfach aufgelegt wurde. In einem anderen Beitrag zur Festschrift wurde er charakterisiert als „ein Historiker, der seinen Gegenstand von einer so festen geistigen Position her erkennt und ihn mit einer so unerbittli- chen Schärfe beurteilt, daß ihn auch nicht der unbedingteste Apriorist wird tadeln können.“ (Köhler 1951a, 167) - D.4.a - 263 der frühen Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert, also die Zeit der geopolitischen Präsenz Europas: Vom „Genius der abendländischen Völker“26 sprach Schnabel; diese hätten „die Fülle von Fragen und Aufgaben, die [durch das Christentum] an sie herangetragen wurden, mit der gan- zen Tiefe und Aktivität, die ihnen eigen waren“,27 ergriffen. Kulturell und politisch allen ande- ren Weltkulturen überlegen, sei es nämlich die Bestimmung der europäischen Kultur gewesen, „eine Weltkultur zu werden und über die ganze Erde sich auszubreiten“.28 Bei alledem habe das Christentum eine zentrale Rolle gespielt, weil es, „wenn man es so ausdrücken darf, eine Buchreligion“ sei, und „bei aller Vielgestaltigkeit [...] doch auch eine Einheit, denn das Ganze ist begriffen als die Geschichte der gesamten Mensch- heit, beginnend mit der Schöpfung und abschließend mit dem Ende aller Dinge.“29 Damit war der Bezug auf die römisch-katholische Weltkirche und ihren ideellen Führungsan- spruch in der Nachkriegsgegenwart hergestellt. ii) Diskursebenen Innerhalb des bei Schnabel umrissenen Rahmens vollzog sich der Literaturdiskurs auf im we- sentlichen zwei Ebenen, die ich als ‘Höhen-’ und ‘Tiefenebene’ unterscheide. Die Zweiteilung strukturierte auch die Milieu-Diskussionen im Katholizismus der sechziger Jahre. Soweit ich sie hier für den katholischen Literaturdiskurs entwickle, deckt sie sich weitgehend mit Carl Amerys Unterscheidung von ‘Yoghis’ und ‘Kommissaren’:30 „Die einen, Theologen und Publizisten mit differenzierendem Denken, dürfen ebenso differenzie- rend und genau auf Akademietagungen vor einem ausgewählten Publikum sprechen; die ande- ren sind gewissermaßen für den Schützengrabenkampf gedrillt und haben der breiten Masse einfache Wahrheiten einzubläuen.”31 Innerhalb des katholischen Literaturdiskurses sind Höhen- und Tiefenebene allerdings nicht als voneinander völlig getrennte Bereiche misszuverstehen, die jeweils qualitativ stichhaltige Zu- ordnungen erlauben würden. Es handelt sich vielmehr um heuristische Kategorien, anhand de- rer sich das einzelne literarische Phänomen hinsichtlich seines diskursiven Status’ im gesamtka- tholischen Diskurs näher bestimmen lässt.32 Die beiden Diskursebenen durchdrangen sich zwar 26 Schnabel 1951, 289. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Eine Auffassung, die noch in der auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil verfassten Dogmatischen Konstitution über die Kirche ‘Lumen Gentium’ zentrales Motiv ist: „Bestimmt zur Verbreitung über alle Länder, tritt sie [die Kirche] in die menschliche Geschichte ein und übersteigt doch zugleich Zeiten und Grenzen der Völker.“ (zit. nach Kowarz 1975, 19f.) 30 Vgl. Amery 1962. 31 Baukloh 1966, 231. 32 Analog etwa zur Unterscheidung von Durchschnitts- und Elitenkatholizismus, die weniger eine Grenze markiert als vielmehr ein Distinktionsphänomen darstellt (vgl. dazu Altermatt 1989, 73ff.). - D.4.a - 264 gegenseitig, resultierten aber aus unterschiedlichen Literarisierungsansätzen und verhandeln teilweise unterschiedliche Literaturbegriffe.33 Verhältnismäßig deutlich sind sie durch den je- weils hauptsächlich angesprochenen Adressatenkreis zu unterscheiden.34 1. Das ‘Hochland’, seit Anfang des 20. Jahrhunderts repräsentatives Organ des gebildeten Katho- lizismus und seit den dreißiger Jahren als solches verhältnismäßig unangefochten, markierte - insofern war der Name Programm - die Höhenebene des katholischen Literaturdiskurses. Von ähnlicher Bedeutung waren die ‘Herder-Korrespondenz’ und die jesuitischen ‘Stimmen der Zeit’. Wie bereits erwähnt, wirkte dieser Diskurs kanonbildend: Aus der in ihm verhandelten Literatur kristallisierte sich die christliche Kanonliteratur heraus. Erkenntnisleitend war im wesentlichen der Horizont des Reformkatholizismus der Jahrhundertwende, und die Kanonisie- rung zielte auf etwas, was als ‘christliche Weltliteratur’ zu umschreiben wäre; rein quantitativ war die deutschsprachige Literatur sogar schwächer vertreten als die fremdsprachige. Struktu- rell vergleichbar ist die Internationalisierung mit der des katholischen Literaturdiskurses im frühen 19. Jahrhundert; wie dort diente sie der Selbstbehauptung im allgemeinen literarischen Diskurs. Auch war der Bereich des Konfessionell-Katholischen dadurch transzendiert, dass Beiträge von nicht-katholischen Autoren herangezogen wurden (Holthusen, Flügel u.a.). Kurz gesagt: Im Höhendiskurs vollzog sich die Selbstverständigung der katholischen Eliten, also der Kleriker, der Intellektuellen, des Bildungsbürgertums etc.. Das heißt nicht, dass sich nicht auch im Höhendiskurs unterschiedliche Grade von Aufgeschlos- senheit der Moderne gegenüber finden. Man kann hier nicht unbedingt unterschiedliche Deu- tungsmuster,35 aber unterschiedliche Stil-Lagen unterscheiden. Enthielt sich beispielsweise das ‘Hochland’ einer konfessionell-kämpferischen Rhetorik, so waren die im Folgenden zitierten In- vektiven, mit denen Alexander Lernet-Holenia 1950 das Oppositionspaar (gesunde, lebenskräfti- ge) ‘objektive Wahrheit’ und (krankes, abgelebtes) ‘städtisches Ästhetentum’ gegenüberstellte,36 in der bei Herder in Wien erscheinenden Monatszeitschrift ‘Wort und Wahrheit’ durchaus nicht marginal. Der zitierte Abschnitt zeigt zudem sehr deutlich, wie die Formel des ‘extra ecclesiam nulla salus’ im Schwange eines zelotischen Eiferns nicht nur den ‘ungläubigen’, sondern auch den gläubigen Zeitgenossen vermittelt werden sollte: „Wenn Könige, Päpste und Heilige, ja selbst Eddington und Heisenberg ohne Antwort geblieben sind, sollte es da zu verwundern sein, daß er auch einigen Literaten nicht geantwortet hat? Denn in Gott mag alles enthalten sein, nur nicht die geringste Spur, die der primitiven, dekadenten, geschmacklosen Naivität unserer Zeit entspräche. In Gott berührt sich die Überexistenz mit dem Nichts, und es ist eine Frage seiner Gnade, ob wir ihn für einen schnöden Niemand oder für das höchste Sein zu nehmen vermögen; 33 Bezeichnend für eine solche Fokussierung erscheint mir eine Erfahrung, die ich in der Anfangsphase der vorlie- genden Arbeit machte: In Gesprächen mit Katholiken, die die fünfziger Jahre bewusst miterlebt hatten, auch als Leser christlicher Literatur, wurde mir verschiedentlich versichert, dass in der von mir vermuteten Richtung literarisch ‘nichts zu holen’ sei. 34 Betont sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, dass ich die Unterscheidung von Höhen- und Tiefendiskurs für die Untersuchung des vorkonziliaren katholischen Literaturfeldes deutscher Sprache verwende. Ob sie in ähnli- cher Weise auch für das katholische Literaturfeld seit den siebziger Jahren oder für andere literaturrelevante Aspekte des Katholizismus sinnvoll ist, müssten gesonderte Studien erweisen. 35 Vgl. dazu auch Zwischenresümee 1 (1. Teilband; vor Kap. C.3). 36 Die hier vorausgesetzte Dichotomie begegnet bereits bei Carl Muths Begriff der literarischen Moderne (vgl. dazu ausführlicher Osinski 1993, 359ff.). - D.4.a - 265 nur nicht die leisteste Neigung findet sich in ihm, den Neurasthenikern, die in New York volle Häuser machen, und den finanziell und politisch Beunruhigten in London und Paris beschwich- tigende Auskunft zu geben. [...] Neben den dekrepiden [sic] Entstellungen, die sie [sc. unsere Zeit] mit Gott vornimmt, wirkt selbst Himmlers Anrufung des ‘Uralten’ am Grabe Heydrichs noch wie wahrer Glaube. Unverschämtheiten gegen Gott sind schlimm genug: aber wenn wir sie uns in Augenblicken des Unglaubens leisten, // wird er sie uns vielleicht verzeihen; nicht verzei- hen wird er sie uns, wenn wir sie ihm auf dem Wege entgegenschleudern, auf dem wir ihn su- chen.“37 Seit der katholischen Inferioritätsdiskussion definierte sich der katholische Höhendiskurs als Anschlussleistung sowohl an die protestantische Nationalkultur als auch an die philosophischen oder künstlerischen Leistungen der katholischen Tradition; aus dem Gelingen dieser Leistung bezog er seine Repräsentativität. Damit eröffnete er zwar einen ungleich weiteren Horizont als der Tiefendiskurs, tendierte jedoch - eben weil die Statusfrage eines seiner zentralen, wenn auch zumeist uneingestandenen Themen war - zu einer exklusiven (und exkludierenden) Ka- nonbildung. 2. Den Binnendiskurs des katholischen Milieus bezeichne ich als Tiefendiskurs; geeignet wäre auch der Begriff Sonderdiskurs.38 Gegenüber der Höhenebene war die Tiefenebene stärker - wenn auch nicht ausschließlich - katechetisch ausgerichtet und prägte deshalb ein breiteres literarisches Spektrum aus. Auch hier existierte ein Diskurs über Literatur, der aber innerhalb einer sich zunehmend transkonfessionell ausrichtenden Literaturtheologie39 den ‘hautgout’ des Konfessionellen entwickelte.40 In ihm wurde - neben der christlichen Kanonliteratur - ein Kon- tinuum katholischer Literatur verhandelt, das ich in den folgenden Kapiteln ausführlicher unter- suche; es reichte von den sog. katholischen Volksschriftstellern bis zum konfessionellen Ge- brauchsschrifttum. Demzufolge wurde der Tiefendiskurs aus der Höhenperspektive gemeinhin als defizitär wahrgenommen: „Die enorme Spannung zwischen dem christlichen Weltbild, dem christlichen Denken und Füh- len und dem Ethos des Alltags unserer Zeit scheint im literarischen Kunstwerk nicht mehr lösbar zu sein, und daraus erklärt sich, weshalb es heute wie immer eine innerchristliche Gebrauchsli- teratur auf bescheidener geistiger Basis gibt, aber selten eine bedeutende Literatur, die mittelbar oder zwanglos zum christlichen Thema fände.“41 37 Lernet-Holenia 1950, 638//639. 38 Analog zur Kategorie der katholischen Sonderkultur (vgl. deren ausführliche Darstellung in Altermatt 1989, 400, Anm. 1); der Begriff erscheint mir geeignet, weil er das Moment des zweifach gerichteten ‘Sonderns’ in sich fasst und anders als das Präfix ‘Sub-’ nicht wertend besetzt ist. 39 Siehe Kap. B und C. 40 Häufiger zitiert ist allein die Darstellung zeitgenössischer katholischer Schriftsteller bei Johanna Schomerus- Wagner (1950); die ein knappes Jahrzehnt später erschienene Studie von Meidinger-Geise über ‘Katholische Dich- tung in Deutschland’ dagegen war in der damaligen Literaturtheologie bereits apokryph. Bei der Art des Argumentie- rens spielte natürlich auch der kommunikative Kontext eine Rolle. Prototypisch zeigt sich das an Wilhelm Grenz- mann, der auf Fortbildungsveranstaltungen des Borromäusvereins (vgl. Kap. E.6.c) den poetischen Rang katholischer Milieuliteratur ungleich entschiedener vertrat als in seinen literaturgeschichtlichen Darstellungen, die sich an ein universitäres Publikum richteten (vgl. Kap. C.1.c.iii). 41 Hohoff 1959, 16, Sp. 5. - D.4.a - 266 Innerhalb bestimmter morphologischer Grenzen jedoch, um die es in den folgenden Kapiteln gehen soll, war der Tiefendiskurs in formaler Hinsicht produktiver als der Höhendiskurs, dafür aber auch stärker als dieser in den Wahrnehmungs-, Deutungs- und Sprachmustern des Milieus befangen. Für den katholischen Diskurs seit dem Zweiten Vatikanum ist die Unterscheidung von Tiefen- und Höhenebene von nur noch geringer interpretatorischer Plausibilität; in der heutigen Zeit mag sie in etwa - das allerdings wäre eine andere Untersuchung - die Grenze bezeichnen, die in der Anfang der 1990er Jahre aufgebrochenen Fundamentalismus-Debatte sichtbar geworden ist. Zu Beginn der sechziger Jahre jedenfalls, als sich der katholische Diskurs zunehmend vom ‘Betreuungs-’ und ‘Anleitungs-’ hin zum ‘Mündigkeitsparadigma’ wandelte, wo also nicht mehr Weltanschauungsstärke, sondern Ichstärke im Vordergrund des Interesses standen, verlor der Tiefendiskurs an Bedeutung. Diese Entwicklung, die sich nur allmählich vollzog,42 spiegelt sich exemplarisch im Selbstverständnis des kirchlichen Volkswartbundes.43 Ich greife hier zwei Publikationen des dem Volkswartbund assoziierten Hoheneck-Verlages heraus:44 In der Mate- rialiensammlung des Volkswartbundes zur ‘Erziehungswoche 1954’ war dem katholischen Jugendlichen noch die „Kraft der Selbstbeherrschung und damit die Haltung von Zucht und Maß gegenüber den verschiedenen Formen des Genießens und der Vergnügungen“45 abgefor- dert worden, die ihren Ausdruck beispielsweise in einer feierlich vollzogenen Selbstverpflich- tungserklärung gefunden hatte, einem sog. ‘Aufrechtenversprechen’, „zu dem hunderte von [katholischen] Jungen und Mädchen ihr freudiges Ja sagten“.46 Nur knapp zehn Jahre später, kurz vor Einberufung des Zweiten Vatikanums, veröffentlichte der Hoheneck-Verlag eine Schrift von Konrad Pfaff, in der die Skepsis der jungen Generation als „Glücksfall für unsere Zeit“47 beschrieben wurde. Nur Menschen, die eine Erziehung zur Ich-Stärke und Autonomie erfahren hätten,48 seien in der Lage, im christlichen Geist die heutige Zivilgesellschaft mitzu- gestalten. Wer dagegen zur Einpassung in vorgegebene Muster erzogen werde, verliere sich 42 Das Referat von Peter Berglar auf der Arbeitstagung des ZdK 1962, in dem er den Anspruch einer „Remissionierung Deutschlands und Europas“ vehement gegen den „Normierungsterror“ der zeitgenössischen Gesellschaft setzte, wurde in der darauffolgenden Diskussion allgemein als zu eng empfunden: Es sei „zu bedenken, daß auch die pluralistische Gesellschaft ein Produkt des christlichen Denkens ist.“ (Freiburg 1962, 216). 43 Gegründet 1898 als ‘Vereinigung deutscher Katholiken zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit’, seit 1927 unter der Bezeichnung ‘Volkswartbund’. Seit 1951 fungierte der Volkswartbund als bischöfliche Arbeitsstelle für Fragen der Volkssittlichkeit, seit 1974 unter dem Namen ‘Zentralstelle für Sozialethik und Sozialhygiene. Diese existiert als eingetragener Verein bis heute. Die kirchlichen Aufgaben des alten ‘Volkswartbundes’ gingen 1975 auf die Katholische Sozialethische Arbeitsstelle (KSA) über (Angaben nach Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10. Freiburg/Br., 2001, Sp. 873). Ich danke Hans Arnold Ruh von der KSA für seine Literaturhinweise. 44 Der Hoheneck-Verlag ist bis heute Fachverlag der KSA (vgl. vorangehende Fußnote). 45 Zuchtvolle Jugend 1954, 1. 46 Reinermann 1954, 45. 47 Pfaff 1962, 34. 48 Pfaff bezog sich hier auf Gedanken von Adorno, Horkheimer, Fried u.a. über den autoritären Charakter; seinen Ausführungen lag das nordamerikanische Konzept der ‘civil society’ zugrunde. - D.4.a - 267 auch in den Sinnangeboten der medialen Gesellschaft. Wenn Pfaff betonte, dass die „Erziehung durch gewaltsame Autorität [...] normalerweise auf eine Schwächung des Ichs des Kindes durch Angst und nicht gerechtfertigte Schuldgefühle“49 gehe, war damit zumindestens theore- tisch die Abkehr von den Erziehungsleitlinien des katholischen Milieus bezeichnet: „Der ‘ganze Mensch’, der Spannungen erträgt und selbst in Gemeinschaften Strahlungskern und Katalysator sein kann, ist genau das Gegenteil von dem modernen Restbestand von Mensch, der sich selbst nur noch als Kreuzungspunkt verschiedener Anforderungen und Angebote erlebt.”50 49 Ebd., 49. 50 Ebd. - D.4.b - 268 b) Instanzen der Produktion und Distribution i) Strukturen katholischer Literaturarbeit Obwohl sich Schnabels Vortrag an katholische Akademiker richtete, drückt sich darin jedoch exemplarisch das Selbstverständnis katholischer Literaturarbeit auf beiden Diskursebenen aus, das im Folgenden anhand seiner institutionellen Ausprägungen präzisiert werden soll.1 Kristal- lisationspunkte waren zunächst die katholischen Verlage, die sich entweder in kirchlicher Trä- gerschaft oder in Privatbesitz befanden.2 Abgesehen von einigen erheblich älteren Verlagen (z.B. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, um 1700), entwickelt sich die katholische Verlagslandschaft analog zu ihrer programmatischen Ausrichtung:3 Die neu sich etablierende katholische Publizistik zu Beginn des 19. Jahrhunderts (z.B. Bachem 1818, Herder 1801, Schwann 1821; hierhin gehört auch der 1593 gegründete Kö- sel-Verlag, der 1805 von seinem späteren Namensgeber Joseph Kösel übernommen wurde) und das Aufblühen religiöser Gebrauchsliteratur, Volksbücher, Hauskalender etc. in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts (z.B. Bonifacius-Druckerei, 1869; Auer 1873; Badenia 1873; Paulinus- Druckerei 1875). Eine dritte Gründungswelle erlebte die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg im Ge- folge der katholischen Jugendbewegung; auch diese Impulse blieben nach 1945 lebendig (Hegner-Verlag, Glock-und-Lutz-Verlag u.a.). Zu den wenigen namhaften neueren katholischen Verlagen gehören der Josef-Knecht-Verlag (1946) und der Arena-Verlag (1949).4 Die katholischen Verlage spielten eine zentrale Rolle bei der Kontinuität katholischer Traditions- vermittlung nach 1945. Bereits im Krieg war es hier zu Planungen für die vorauszusehende Nachkriegszeit gekommen: „Als die im Laufe des Jahres 1942 verschärfte Papierkontingentie- rung zu vermehrten Produktionspausen zwangen [sic], setzten nach den Ermittlungen des SD in den katholischen Verlagen bereits die Planungen für die Zeit nach dem Kriege ein. Für die Ver- lage stand dabei schon fest, daß die infolge des Krieges zunehmende Hinwendung breiter Bevöl- kerungskreise zur Kirche ‘große Einsatz- und Wirkungsmöglichkeiten’ schaffe. Sie sollten nach Wiederherstellung der ‘materiell-technischen Voraussetzungen’ mit einer Produktion genutzt werden, in der neben religionswissenschaftlichen und -pädagogischen Schriften sowie Vorbild- und Traktatschriften auch schöngeistiges Schrifttum und religiöse Kunstbücher vertreten wa- ren.“ 5 In den fünfziger Jahren scheint der Markt für katholische Verlage verhältnismäßig günstig gewe- sen zu sein, sofern sie auch das nicht-katholische Bildungsbürgertum ansprechen konnten. Jedoch wurde von Seiten der Privatverlage über die Konkurrenz zu den kirchlichen Verlagen geklagt, die zunehmend die Herstellung religiöser Gebrauchsliteratur übernahmen.6 Als nach dem Krieg neu gegründeter katholischer Verlag konnte der Josef-Knecht-Verlag mit einem ambitionierten Pro- gramm reüssieren. Auch die kirchlichen Verlage hatten, verglichen mit heute, ein verhältnismäßig reichhaltiges literarisches Programm; stark vertreten war insbesondere der Bereich des Laien- 1 Eine ausführliche Darstellung der Institutionen des katholischen Literaturdiskurses gab aus zeitgenössischer Sicht Leo Koep (Referat auf der Arbeitstagung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, April 1960; abgedruckt in Ettal 1960, 214ff.). 2 Eine umfassende institutionengeschichtliche Darstellung des katholischen literarischen Lebens im 20. Jahrhundert liegt bisher nicht vor. In der vorliegenden Arbeit rekonstruiere ich die Mentalitäten und Ideen, die den vorkonziliaren Literaturdiskurses prägten, aus gedruckten Quellen. Die Ergänzung dazu liefert die Darstellung des Wirkens von Erwin K. Münz. 3 Ich folge hier Oertel 1976, 324f.; dort auch die folgenden Angaben. 4 Zum Arena-Verlag vgl. ausführlicher Kap. D.5.a. 5 Barbian 1993, 251 (die Binnenzitate sind nachgewiesen in: Meldungen aus dem Reich 1938-1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, hg. und eingeleitet von Heinz Boberach. 17 Bde., Hersching 1984; hier Bd. 12, S. 4496). Zum Kontinuitätsbewusstsein im deutschen Katholizismus über 1945 hinaus vgl. auch Brelie- Lewien 1986, 109. 6 Vgl. Knecht 1960, 244. - D.4.b - 269 spiels. Viel aufgelegt wurden auch die traditionellen katholischen Erfolgsbücher aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert (Christoph von Schmid, Peter Dörfler, Helene Pagés u.a.).7 Die Verlage unterstanden gleich zweifach einer Steuerung ihrer Produktion. Zunächst hinsicht- lich des Verlagsprogramms, dessen Ausgestaltung durch die allgemeinen, für jeden Katholiken gültigen Bestimmungen des kanonischen Rechts sowie durch das oben beschriebene System der kirchlichen Druckerlaubnis bestimmt war.8 Zum anderen waren sie abhängig vom katholischen Rezensionswesen.9 Hier übten traditionellerweise der Sankt Michaelsbund10 für Bayern und der Borromäusverein (Bonn) für das übrige Deutschland11 einen maßgeblichen Einfluss aus,12 galten doch ihre Empfehlungen, verbreitet in den zweijährlich erscheinenden Bücherlisten und der Rezensionszeitschrift ‘Das neue Buch’ in der kirchlichen Bucharbeit als Unbedenklich- keitsgarantie. Von Bedeutung waren auch der ‘Literarische Ratgeber’13 und die vom Herder- Verlag herausgegebenen ‘Literarischen Beihefte zur Herder-Korrespondenz (Welt der Bü- cher)’, daneben natürlich die Rezensionen in den namhaften katholischen Zeitschriften (Hochland, Stimmen der Zeit, Frankfurter Hefte, Wort und Wahrheit)14 sowie das Rezensions- wesen im Bereich des Jugendbuches.15 Eine Förderung von Autoren unternahm der Borromäusverein dagegen nicht. Es herrschte viel- mehr die Auffassung vor, die Siegfried Behn auf der Zentenarfeier des Vereins 1945 formuliert hatte: „Die Dichter wachsen wie Gott will, den Genius kann man nicht züchten wie ein Voll- blutpferd, aber man kann seine Werke drucken und ihn damit am Leben erhalten. Und Talente sollten wir im Borromäus-Verein, in der Buchgemeinde und in der Verlagsschule miteinander aufspüren.“16 Auch sonst gab es keine Infrastruktur, die den katholischen Schriftsteller unter- stützt hätte. Ein des öfteren ins Gespräch gebrachter katholischer Literaturpreis wurde nie einge- richtet.17 7 Der Schweizer Rex-Verlag, der vor allem religiöse Gebrauchsliteratur im Programm hatte, konnte 1953 seine Pro- duktion auf Deutschland ausweiten. Die Münchener Filiale existierte bis 1979. 8 Hinzu kam bei den meisten Verlegern die Selbstverpflichtung, die sie durch ihre Mitgliedschaft in der ‘Vereinigung des katholischen Buchhandels (Verlegerkammer)’ eingegangen waren, nämlich ihrer Arbeit „aus katholischem Geist“ (Ettal 1960, 216) nachzukommen. 9 Zum Spannungsverhältnis von katholischen Verlagen und katholischem Verbandswesen vgl. das Referat von Karl- heinz Schmidthüs, abgedruckt in Freiburg 1962, 217ff. (hier insbesondere S. 221 und 225). 10 Der heilige Michael ist in der christlichen Ikonographie der Drachentöter. Im katholischen Diskurs des 19. Jahr- hunderts diente der Drachen als Symbol der Aufklärung. 11 Der Borromäusverein richtete sich ausschließlich an Katholiken, der St. Michaelsbund hingegen, 1901 als Bayeri- scher Preßverein gegründet, wirkte über die konfessionellen Grenzen und über den Bereich des belletristischen Schrifttums hinaus. Seit 1974 geben sie ein gemeinsames Rezensionsorgan heraus. Dazu ausführlicher Schachtner 1976. 12 Eine Empfehlung des Borromäusvereins bedeutete, dass von einer Auflage etwa 800 bis 1500 Exemplare sicher abgesetzt werden konnten (so Otto Jäger, Geschäftsführer des Borromäusvereins, in einem Vortrag von 1965; abge- druckt in Mitteilungen 1965, H. 3, S. 53). Demgegenüber sah sich Josef Knecht, Inhaber des gleichnamigen Verla- ges, in seiner verlegerischen Risikobereitschaft vom katholischen Rezensionswesen nicht genügend unterstützt (vgl. Knecht 1960, 240). 13 Herausgegeben von der Vereinigung des katholischen Buchhandels. 14 Diese vier zählte Leo Koep auf seinem Referat in Ettal auf (Ettal 1960, 224). 15 Eine Aufzählung gibt Eger 1956, 145. 16 Behn 1945, 24. 17 Vgl. Ettal 1960, 215. - D.4.b - 270 Als dritte Ebene sind die katholischen Buchgemeinschaften,18 die katholischen Buchhandlun- gen sowie die örtlichen katholischen Bibliotheken19 mit ihrer jeweiligen Anschaffungs- und Beratungspraxis anzusehen; zu diesen vermittelnden Instanzen gehörte auch die katholische Erwachsenenbildung, die jedoch - soweit es Literatur betraf - nicht organisiert war, sich also jeweils der Initiative von Einzelnen verdankte.20 Auf die Nachkriegszeit beschränkt blieben die ‘Wanderbüchereien’ der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ), die für den Einsatz in Lagern und Heimen zusammengestellt wurden, um den werktätigen Jugendlichen, die in den Lagern „einer gefährlichen Langeweile“21 ausgesetzt seien, christliches Schrifttum an die Hand zu geben. Eine vierte Ebene schließlich bildete das Kaufverhalten des Zielpublikums, zumeist - wenn auch nicht ausschließlich - Katholiken, denen offiziellerseits der Aufbau einer „Hausbücherei der katholischen Familie“22 als Aufgabe gestellt war, um den intakten Glaubensraum des ka- tholischen Familienlebens zu bewahren: „Wehe dem Vater und wehe der Mutter, die glaubens- oder sittenfeindliche Bücher in die Fami- lie einschmuggeln lassen und so zur Irreleitung der heranwachsenden Kinder Jahre hindurch beitragen! Jesu gewaltiges Wort gegen die Ärgernisgeber gilt auch, und vielleicht heute in erster Linie solchen gewissenlosen Eltern!”23 Der hohe Institutionalisierungsgrad der katholischen Literaturarbeit darf nicht darüber hinweg- täuschen, dass die eigentliche Literaturvermittlung in den Buchhandlungen und in den Pfarr- bibliotheken geschah, die - den offiziellen Programmen zum Trotz - von lokalen Unwägbarkei- ten abhängig war. 1951 hatte die Plenarkonferenz der deutschen Bischöfe die finanzielle Ver- antwortung für die Pfarrbüchereien den einzelnen Pfarren überantwortet:24 Jährlich sollte ein Teil des jährlichen Haushaltsplans für die Büchereiarbeit verwendet werden, dazu auch die 18 Die Bonner Buchgemeinde wurde 1925 vom Borromäusverein gegründet und 1952 von zwölf katholischen Verla- gen übernommen; seit 1983 gehört sie zum Herder-Verlag. Sie zielte vor allem an „anspruchsvolle Leserschichten“ (Ettal 1960, 220), während die Herder-Buchgemeinde für „breitere Volksschichten“ (ebd.) gedacht war. 19 Ursprünglich als ‘Volksbüchereien’ gedacht, mussten sich die kirchlichen Büchereien seit 1935 unter der Bezeich- nung ‘Pfarrbücherei’ auf das kirchliche Publikum, 1940 dann auch auf spezifisch religiöse Literatur beschränken (vgl. Koep 1959, 22f.); seit Mitte der sechziger Jahre firmieren die Pfarrbüchereien auch unter der Bezeichnung ‘kirchliche bzw. katholische öffentliche Büchereien’ (vgl. Bach 1985, 173). Hinzu kamen die katholischen Gemein- schaftseinrichtungen. Im Erzbistum Köln, dessen Erzbischof traditionsgemäß die kirchliche Jurisdiktionsgewalt über den Borromäusverein innehatte, wurden die katholischen Krankenhäuser, Jugendheimstätten und Altersheime ange- wiesen, eine Hausbibliothek einzurichten (Verfügung des Kölner Erzbischöflichen Generalvikariats vom 7. Juni 1950; Angabe nach Index 1951, 29). 20 Hier ist vor allem das 1945 von Theoderich Kampmann gegründete Bildungswerk ‘Die Hegge’ (Willebadessen; Diözese Paderborn) zu nennen, das in seinen Veranstaltungen eine diskursive Literaturvermittlung anstrebte, die „in Rede und Gegenrede jene Dichtwerke umkreiste, die den christlichen Glauben heutigentags verdeutlichen, mögli- cherweise sogar verwirklichen helfen.“ (Theoderich Kampmann, Vorwort, in: Glanz 1958, 6) Ein Beispiel dafür geben die Beiträge in Glanz 1958 über Lewis, Waugh und Schaper. 21 Am Strom 1948 (August), S. 6; zit. ist aus einem Aufruf des Hauptsekretariats der CAJ vom Juli 1948. 22 Index 1951, 28. 23 Ebd., 29. 24 Nach 1945 war die finanzielle Verantwortung für die Pfarrbüchereien auf die Diözesen übergegangen. Über die Organisationsstruktur der katholischen Büchereiarbeit von 1945 bis in die siebziger Jahre gibt Eggers 1976 Auf- schluss. - D.4.b - 271 Kollekte des Borromäus-Sonntags. Tatsächlich jedoch konnte es vorkommen, dass in einer Diözese mehr als die Hälfte der Pfarreien die eigene Pfarrbücherei nicht oder nur unzureichend finanzierte.25 Entscheidend war also, wieviel Interesse der jeweilige Ortspriester, der qua Am- tes Leiter der Pfarrbibliothek und des örtlichen Borromäusvereins war, der Bucharbeit entge- genbrachte. (ii) Das Paradigma der Ganzheitlichkeit Zentrales Prinzip katholischer Literaturarbeit ist die Ganzheitlichkeit: „Katholisches Erziehen und Bilden ist gerade deshalb ganzheitlich und universal, weil eine aus der Bibel ableitbare Theologie der Lebensordnungen dahintersteht.“26 Der Bezug auf die Heils- und Schöpfungs- ordnung durchwaltet die katholische Bucharbeit: „[...] unsere katholischen Büchereien legen Zeugnis ab. Was gegen die Ordnung ist, darf und kann in unseren Pfarr- // büchereien keinen Platz haben. Es kann [...] und es muß auch so sein, daß einmal Unordnung gezeigt und Unordnung aufgezeigt wird [...]. Aber das ist das Kennzei- chen unserer Büchereien, daß die Ordnung, die gottgewollte Ordnung, die von Gott gesetzte Ordnung durchscheint, und daß in irgendeiner Weise auch der Sieg der Ordnung und wo es die Ordnung nicht mehr ist, dann immerhin doch der Sieg der Gnade aufleuchtet.”27 Aus der lehramtlich fixierten Kohärenz des katholischen Weltverständnisses wurde ein An- spruch abgeleitet, der sich sowohl (1) auf das Dargestellte als auch (2) auf die Form der Ver- mittlung erstreckt und - infolge seiner konfessionellen Prägung - implizite und explizite Inklu- sionsansprüche stellt: Anders als die protestantische28 zielt die katholische Bucharbeit über den Einzelnen hinaus auf die Gesellschaft als ganzes, wenigstens mittelbar: 1959 bezeichnete Leo Koep das katholische Büchereiweisen als „einen echten, gerade im Getriebe der Gegenwart wertvollen ‘Ruhepol’“,29 der „für die pluralistische Gesellschaft, in der wir leben, nur von 25 Entnommen den Mitteilungen 1965, H. 4, S. 95. 26 Fell 1983, 60. Margret Fells Studie über die katholische Erwachsenenbildung nach 1945 ist für die hier behandelte Thematik insofern aufschlussreich, als sich in ihr Historiographie und katholische Selbstdarstellung verschränken. 27 So der Direktor des Borromäusvereins Franz Hermann (1966, 86//87). In der Nachkonzilszeit sind jedoch auch schon einbegriffen „jene Werke der modernen Literatur [...], in denen sich die weltanschaulichen Spannungen und Auseinandersetzungen unserer Zeit widerspiegeln. Man dürfe diesen ebensowenig ausweichen wie den sexuellen Problemen, wenn diese in ernst zu nehmender Literatur ihren um der inneren Wahrhaftigkeit willen notwendigen Niederschlag finden." (Hodick 1966, 44; wiedergegeben ist ein Vortrag von Franz Hermann auf einem Bibliothe- karskursus des Borromäusvereins von 1965) Wenige Jahre zuvor noch hatte sich Leo Koep, damaliger Direktor des Borromäusvereins, gegen Forderungen gewandt, eine katholische Bücherei müsse, wenn sie Öffentlichkeitscharakter anstrebe, auch die Auseinandersetzung mit indiziertem Schrifttum ermöglichen: „Es ist hier zu fragen, wie eine solche Neutralität, als ‘Objektivität’ nur sympathischer formuliert, einen echten Bildungsfundus garantieren könne.“ (Koep 1959, 42; der 1914 geborene Koep, habilitierter Theologe, war 1956 Direktor des Borromäusvereins gewor- den). 28 Eine ausführlichere Darstellung des konfessionell unterschiedlichen Ansatzes gibt Reich o.J., 37ff. 29 Koep 1959, 44. - D.4.b - 272 Wert sein“30 könne. Allerdings konnte das vorkonziliare Ganzheitsparadigma auch Züge des Klaustrophobischen annehmen, etwa in der Metapher Alois Winklhofers, Bücher seien „wie ein magnetisches Feld, das sich ununterbrochen über die Menschheit wölbt und da umord- net und unordnet. Ständig spinnt es mit am Netz der öffentlichen Meinung, im Guten und im Bö- sen.”31 Nach innen entwarf der vorkonziliare katholische Diskurs einen Raum, der die relativen Bezie- hungen jedes Diskurselements auf die hierarchisch verfasste Weltkirche hin ordnete, an deren Spitze der Papst steht: „[...] alles Leid der verfolgten Christen trägt das Herz des Vaters in Rom.“32 Zwar war bereits der erste Katholikentag nach dem Krieg von der Erkenntnis geleitet, dass in Deutschland „die Voraussetzung des geschlossenen katholischen Raumes nicht mehr gegeben ist“,33 aber er wurde in einer gewaltigen diskursiven Anstrengung als solcher entwor- fen. Die Vorstellung des ‘katholischen Deutschlands’,34 bestärkt durch eine Reihe von ‘Wegweisern’, Adressbüchern und biographisch-bibliographischen Lexika,35 vermittelte ein schichtenübergreifendes Wir-Gefühl, das im katholischen Tiefendiskurs fortlaufend bestätigt wurde36 und das durch Fotos, wie sie in den Kirchenblättern, katholischen Zeitschriften etc. in großer Zahl abgedruckt waren, eine idealisierende Bebilderung erfuhr.37 1. Bei den Verlagen ist zu unterscheiden zwischen den Verlagen, die sich den Interessen und dem Weltbild einer Verlegerpersönlichkeit verdankten,38 und den kirchlichen Verlagen als mehr oder weniger reinen Zweckverlagen, die vornehmlich der Herausgabe von religiösem Ge- brauchsschrifttum dienten, soweit es kirchliche Stellen selbst übernehmen wollten. Auch in den Privatverlagen wurde kirchliches Gebrauchsschrifttum publiziert; das Hauptgewicht der verle- gerischen Intention lag jedoch in der Schaffung einer katholisch geprägten Kultur, die über die Tradierung katholischer Geistesüberlieferungen hinaus einen breiten Bereich kultureller Orien- tierung vermittelte;39 eine Spezialisierung auf bestimmte Bereiche kam eher selten vor.40 Eine 30 Ebd. 31 Winklhofer 1960a, 255. 32 Scheideweg 1949, H. 1, S. 7. 33 Katholikentag 1948, 180 (aus einem Referat über die Aufgaben der katholischen Publizistik). 34 Vgl. dazu auch Ellwein 1955, 69. 35 Beispielsweise im ‘Katholischen Jahrbuch’ (Nachkriegsausgaben 1948/49 und 1951/52), im ‘Wegweiser durch das Katholische Deutschland’ (Würzburg 1953-1964), im ‘Adressbuch für das katholische Deutschland’ (Köln 1965ff.) und in der ‘Bücherkunde des katholischen Lebens’ (Wien 1961 und 1967). 36 Sowohl im Hinblick auf die Weltkirche - sinnfällig vermittelt im allgegegenwärtigen Märtyrer-Diskurs - als auch im Hinblick auf die Familie: „Wir halten daheim zusammen“; so ist eine in den fünfziger Jahren regelmäßig erschei- nende Kolumne in der Jungschar-Zeitschrift ‘Am Scheidewege’ überschrieben. 37 Vgl. etwa Bildbericht 1953 oder Hirte der Völker 1958. Leicht zugänglich ist die repräsentative Auswahl ein- schlägigen Bildmaterials im Anhang von Klöcker 1991. 38 Vgl. etwa die Lebenserinnerungen von Karl Borromäus Glock (Glock 1975, hier insbesondere S. 78). 39 In seiner Rede über das ‘Ideal des katholischen Verlegers’ (gehalten im November 1954 vor Mitgliedern der ka- tholischen Verlegervereinigung Italiens, abgedruckt in Utz/Groner 1961, S. 2984-2987) machte Pius XII. deutlich: - D.4.b - 273 Zwischenstellung nahmen Verlage wie der Freiburger Herder-Verlag ein. Dessen Festschrift von 1951, „in der sich noch in unvergleichlicher Form ein spätes Selbstgefühl der geschlosse- nen Formation auslebt“,41 spiegelt das Selbstverständnis eines verlegerischen Programms wi- der, das sich nicht nur an den Katholiken jedweder Bildungsstufe richtete, sondern tendenziell sogar auf eine (qua Literatur vermittelte) gesellschaftliche Einheit zielte.42 . Es reichte vom Le- xikon bis zum religiösen Gebrauchsbuch, vom theologischen oder wissenschaftlichen Fachbuch bis zur Belletristik und umfasste damit ein breites Spektrum integral-katholischer Lebensgestal- tung: Der Verlag gewissermaßen als vertrauenswürdiger43 Begleiter und Wächter eines katholi- schen Lebens:44 „Die Christen in Deutschland sind nicht nur Einzelne, sondern eine Gemeinschaft, die ihre Rechte wahren muß. Sie sind nicht nur Starke mit wachem Gewissen, sondern auch noch sich Bildende und Verführbare, die geschützt werden müssen.“45 Der Verleger Theophil Herder-Dorneich bekräftigte 1951 den Maßstab, den der katholische Verleger bei der Gestaltung seines Programms zu berücksichtigen habe: „Ist es ihr höchster [Gesichtspunkt], daß der Verlag teilhat am Apostolat des Wortes in der Überzeugung, Gott gehöre zur Definition des Menschen, dann wächst die Verantwortung vor der geistigen Führungsaufgabe in eine andere Dimension. Das Buch wird zur ‘anderen Kanzel’.“46 Analog zu solchen Selbsteinschätzungen wird man davon ausgehen können, dass die tatsächliche Wirkung des Verlagswirkens weitgehend in Korrelation stand zum Grad der Kirchenbindung sei- nes Publikums.47 Dem Anspruch von Seiten literarisch ambitionierter Verlage entsprach nämlich nicht unbedingt ein entsprechendes Leserinteresse. So monierte beispielsweise Curt Hohoff 1966: „Der Ausdruck ‘katholisch’ schließt an sich nur die Sünde und den Irrtum aus, umfaßt hingegen den ganzen Bereich des Geistes und die Fülle des Lebens durch Zeit und Raum.“ (ebd., 2985) 40 Vgl. Ettal 1960, 217. 41 Weber 1984, 10, Anm. 14. 42 In der Herder-Festschrift schrieb Joseph Antz über die verlegerische Intention des Herder Verlages: „Es kann z.B. der Wert eines solchen Buches wie ‘Die zwei Brüder und das Gold und 19 andere Volkserzählungen’ von Leo Niko- lajewitsch Tolstoi gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gewiß fehlt es auf dem deutschen Büchermarkt nicht an geeigneten Übersetzungen. Aber dieses Buch gehört darum in das Haus Herder, weil uns in diesen so ganz schlichten, ganz unliterarischen Geschichten Volksdichtung in jenem hohen Sinne geboten wird, daß der einfachste Mann aus dem Volke sich an ihnen erfreut und erbaut, daß aber auch der höchstkultivierte Leser sie bewundernd erlebt und genießt.“ (Antz 1951, 198) Von ähnlich integrierendem Anspruch waren auch die 1952 vom Sankt Mi- chaelsbund herausgegebenen ‘Losungen für Bücherwarte und Leser’; ihr Ambitus reicht von Goethe („Der Roman ist eine subjektive Epopöe, in welcher der Verfasser sich die Erlaubnis ausbittet, die Welt nach seiner Weise zu be- handeln“; Losungen 1952, 12) bis zu sog. Notizen ‘aus einem Tagebuch’ („Es gibt kaum etwas Beglückenderes als eine ländliche Bibliothek von Rang; denn Natur und Kultur stehen hier noch in unmittelbar befruchtender Berüh- rung.“; ebd., 27). Zum (empirisch nicht belegbaren) Topos der ‘lesenden Nation’ vgl. ausführlicher Schenda 1970, 441ff. 43 Die Funktion katholischer Verlage bestand auch darin, für weltanschauliche Zuverlässigkeit zu bürgen. 1951 etwa bedauerte Albert Sleumer: „Es wäre [...] auch zu wünschen, daß endlich ein katholischer Verleger ein hebräisches Wörterbuch herausbrächte. Unsere Theologen sind dauernd auf jüdische oder protestantische Verlage angewiesen!“ (Index 1951, 90) 44 Genauer spezifiziert ist der angesprochene Adressatenkreis des Borromäusvereins Bonn: „für die Kinder das kin- dertümliche Bilderbuch, für die Jungen und Mädchen das wegweisende und belehrende Buch, für die heranwach- sende Jugend das weiterbildende, für die Erwachsenen das Buch zur Entspannung und Erbauung.“ (Mitteilungen 1965, H. 3, S. 53) 45 So Karlheinz Schmidthüs über die Aufgaben des katholischen Buchwesens; zit. nach Katholikentag 1948, 182. 46 Herder-Dorneich 1951, 275. 47 So etwa bei dem Luzerner Rex-Verlag, der 1955 eine Filiale in München eröffnete: „Der Rex-Verlag hatte dort seine grössten Erfolge, wo er dem Seelsorger für Predigt und Katechese praktische Unterlagen und Hilfsmittel an- bieten konnte.“ (Steiner, A. 1993, 230) - D.4.b - 274 „Woran mag es liegen, daß diese Autoren [Pound, Gide, Proust, Wilder, Hemingway, Wolfe, Yeats, Hofmannsthal, George] heute publizistisch der anderen Seite überlassen werden, daß die christliche Leserschaft sie kaum zur Kenntnis nimmt oder als Überläufer und Renegaten führt? Wenn man verfolgt, wie die zweite Aufklärung unserer Zeit [sc. der Marxismus] sich ihrer Vor- fahren und Ahnen annimmt [...], so versteht man nicht recht, weshalb das ungleich mächtigere und lebendigere Zeugnis der christlichen Literatur nur flüsternd, als eine Art Geheimwissen- schaft weitergegeben wird. Die Wirkungsgeschichte Hofmannsthals ist das eine Beispiel dafür, die Politik einiger sich christlich nennender Verlage das andere. Das Steckenbleiben der Ausga- ben Brentanos, Eichendorffs, Klopstocks, Stifters oder ihr Hinzögern über mehr als fünf Jahr- zehnte, das Einschlafen der Editionen und die Wiederaufnahme zwei Generationen später unter andern [sic] Voraussetzungen, so daß die ersten Bände längst überholt sind und wiederum neu gemacht werden müssen (im Fall z.B. Stifters und Eichendorffs), das sind nicht nur Folgen un- günstiger Umstände, sondern auch Folgen mangelnden Interesses des christlichen Publikums an seinen Autoren.“48 Dass in einem als apostolisch verstandenen Verlagsumfeld der Bereich der Belletristik rein quantitativ an letzter Stelle rangierte, belegt die untergeordnete Rolle des privaten Lesens im vorkonziliaren Katholizismus: Die Literatur der katholischen Volksschriftsteller hatte seit jeher nicht primär der Aneignung von Welt gedient, sondern der Widerspiegelung katholischen Le- bens und katholischen Weltverständnisses. Ähnlich auch die Überlieferung von großem Kultur- gut aus der Vergangenheit, die der kulturellen Orientierung in der Gegenwart dienen solle;49 exemplarisch wären hier die bei Herder erschienenen Reihen ‘Abendländische Bücherei’50 (1947ff.) und ‘Romane der Weltliteratur’ zu nennen. Aus den apostolischen Intentionen der katholischen Verlagsarbeit folgert auch, dass in den Programmen das Jugendschrifttum breiteren Raum einnahm als die Belletristik für Erwachse- ne.51 Dieser Umstand sorgte in der Literaturtheologie immer wieder für Kritik: Die katholi- schen Verlage böten jüngeren katholischen Autoren kein geeignetes Forum. „So wichtig die geistige Auseinandersetzung mit der modernen Dichtung selbst ist, so unerläß- lich ist es, daß man ihr im katholischen Bereich den Spielraum schafft, den sie braucht, damit der Katholik wenn nicht heute, dann morgen in ein rechtes Verhältnis zu ihr kommt. Diese Dichtung stellt höchste Anforderungen an den Leser, ja, sie fordert geradezu einen neuen Typus des Lesers. Er muß erst herangebildet werden. Wir hätten wahrscheinlich mehr Dichter der christlichen Seinsprobleme, wenn wir weniger mittelmäßige Leser unter den Christen hätten.“52 48 Hohoff 1966, 95. Ähnlich äußerte sich auch Berglar 1962. 49 Seit Beginn des 19. Jahrhunderts betrachteten katholische Verlage eine wesentliche Aufgabe in der Herausgabe von Klassiker-Ausgaben und in der Hinführung auf sie. Ein Beispiel dafür war nach 1945 Florian Ammers bei Her- der erschienener Roman ‘Durch Himmel und Hölle. Die göttlichen Abenteuer des jungen Dante’. In der Einschät- zung von Josef Antz: „[...] nicht nur eine Prosanacherzählung der Göttlichen Komödie für die Jugend; indem sie die Dantegestalt verjüngt, legt sie der Nacherzählung auch eine andere, jugendtümliche Struktur zugrunde. Das Buch will bewußt eine erste Stufe der Aneignung Dantes sein - für viele wird sie vielleicht die einzige bleiben, aber sie wissen dann wenigstens um Dantes // großes Weltgedicht. Der Versuch steht noch in der Bewährung, aber die Zu- stimmung vieler Pädagogen und gerade vieler Religionspädagogen beweist, daß er nicht so ‘unmöglich’ ist, wie es manchem auf den ersten Blick scheinen möchte.“ (Antz 1951, 198//199) 50 Betreut von Reinhold Schneider. 51 In den Jahren 1957 bis 1959 lag der Anteil der Belletristik bei ca. 10, der Anteil des Jugendschrifttums bei ca. 15 Prozent (Zahlen nach Ettal 1960, 217) 52 Linnerz 1965a, 62. - D.4.b - 275 Der katholische Literaturdiskurs nach 1945 lässt sich jedoch nicht auf das Problem der Kon- fessionalität des jeweiligen Autors zurückführen. Mochte die in katholischen Verlagen aufge- legte Belletristik in der Nachkriegszeit noch zum großen Teil prononciert konfessioneller Prä- gung sein,53 so weiteten sich die Programme der katholischen Verlagslandschaft im Lauf der fünfziger Jahre. Den Vorreiter spielte hier der Herder-Verlag, der sich über die Neuordnung des Jugendbuchbereichs ein neues Publikum zu erschließen versuchte,54 ohne dafür das alte aufzu- geben.55 Ein Beispiel für die überkonfessionelle Ausrichtung des Herder-Verlags sind die ‘Ubique- terrarum’-Bücher von Herbert Kranz, die von 1953 bis 1959 in insgesamt zehn Bänden erschie- nen. Zum Inhalt:56 Ein von einer nicht näher erklärten Organisation namens ‘Ubique terrarum’ entsandtes Team von drei Experten und drei Helfern übernimmt humanitäre Aufträge überall auf der Welt. Das ‘case-hopping’ in den ersten neun Bänden, von den Protagonisten selbst proble- matisiert, endet im zehnten Band mit der Aufgabe, im (fiktiven) nachkolonialen Malaysia beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken. Bereits vorher wird - jeweils parallel zur reinen Abenteuerhandlung - regelmäßig die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Lebensentwürfen erörtert; ironisiert in der Buffo-Figur des französischen Kochs, der nach jedem Abenteuer ver- geblich versucht, die Gruppe zu verlassen, um sein Lebensziel - das von ihm in allen Einzelheiten imaginierte eigene Lokal - zu verwirklichen. Im letzten Band, dessen Plot in Frankreich spielt, werden alle Protagonisten dahin geführt, sich ihren Lebenstraumata zu stellen. Auf einer Metae- bene werden damit die vorhergehenden Abenteuer ex post umgedeutet, und zwar als Flucht vor sich selbst. Die Geschichten generieren also folgenden moralischen Zweisatz: (1) ‘Wenn du in ein Abenteuer gerätst, dann bewähre dich darin auf die Art, die dir gemäß ist’; und (2) ‘Erst wenn du dich mit deinem Scheitern ausgesöhnt hast, brauchst du keine Abenteuer mehr, um deinem Leben Sinn zu geben.’ Eine Ausnahme unter den allesamt in ihren Lebens-entwürfen gebroche- nen Protagonisten bildet der stets gleichbleibend freundliche Ire (von seinen Gefährten ‘Plumpudding’ genannt), der die christlichen Tugenden der Nüchternheit, der Bescheidenheit und des Dienens kultiviert - das einzige Element des Katholischen, das als solches allerdings niemals thematisiert wird. Auch sonst ist der christliche Gehalt der Geschichten nur auf den zweiten Blick erkennbar: Zwar eignet den Schauplätzen durchweg eine starke Symbolik, die als Verdichtung christlich ausdeutbarer Imagos57 aufgefasst werden kann (Wüste, Burg, Abgrund, Urwald, Grube etc.); eine christliche Lebensauffassung jedoch - wie sie in jener Zeit im übrigen Jugendpro- gramm des Herder-Verlags allenthalben begegnet - wird nur an einigen Stellen expressis verbis vermittelt, und sie ist nicht konfessionell markiert. Der Borromäusverein vertrat bereits seit seiner Gründung 1845 einen ‘kat-holisch’ umgreifen- den, wenngleich klerikal markierten Anspruch: Seit Beginn waren unter den empfohlenen belle- tristischen Werken nur etwa ein Viertel von Katholiken geschrieben;58 toleriert wurde vieles, 53 Bis in die sechziger Jahre hinein war der katholische Verleger verpflichtet „explizit katholische Werke zu publizie- ren“ (Ettal 1960, 237) 54 Dazu näher Jäschke 1993, 250ff. 55 Vgl. dazu auch die Entwicklung des Arena-Verlages (Kap. D.5.a). 56 Der Inhalt der Bände sei an dieser Stelle etwas ausführlicher dargestellt, um die Analyse der Bände, die Kaminski 1993, 100ff. vorgelegt hat, zu relativieren. Diese beruht auf zahlreichen sachlichen Fehlern; zudem bleibt sie in ei- nem ideologiekritischen Erklärungsmuster befangen und blendet den christlichen Subtext des Erzählten vollständig aus. 57 Die Bedeutung biblischer Urbilder ist aus christlich-tiefenpsychologischer Sicht entwickelt bei Kassel 1980. 58 Nach Spael 1950, 346. Kennzeichnend für den apologetischen Tonfall Spaels, der sich deshalb auch nur bedingt als historische Quelle eignet, ist, dass er auf diesen Umstand ausdrücklich hinzuweisen sich genötigt sieht, um damit die Aufgeschlossenheit des katholischen Literaturdiskurses zu belegen. - D.4.b - 276 und ausgeschlossen blieb lediglich das, „was Glaube und Sitte angreift“.59 Selbst dieses Krite- rium wurde in den Buchempfehlungen des Borromäusvereins und des Sankt Michaelsbundes nach 1945 gelegentlich großzügig gefasst.60 Explizit konfessionelle Aspekte kamen hier ohne- hin nur beiläufig zur Sprache. Das hatte seinen Grund zunächst darin, dass es seit dem 19. Jahrhundert nur wenige katholische Autoren gab, die vor einem breiteren katholischen Publikum als ‘literarisch’ hätten gelten kön- nen.61 Zum anderen aber hatte der Borromäusverein seit seiner Gründung kontroverse Themen bewusst zu vermeiden gesucht, um das einfache Kirchenvolk nicht unnötig aufzuhetzen: "Der Literatur der Polemik durch Verbreitung Vorschub zu leisten, lehnt der Borromäus-Verein ab. Was sollen dem Volk die vielen Streitschriften über Glaubens- oder Disziplinarpunkte, die Bü- cher und Broschüren aus übertriebener Streit- oder Controverslust, die nur zu leicht in eine feindselige Stimmung hetzen, die weder der Belehrung noch der Erbauung förderlich sind? Was wir brauchen, ist die feste, ruhige Sprache der Überzeugung und Zuversicht, und die findet die Masse des Volkes in solchen Schriften, worin die Kirche ihre Lehren und ihr Leben niedergelegt hat."62 2. Dem programmatischen Ganzheitsanspruch korrespondierte die Art einer ganzheitlichen Ver- mittlung, die auf das katholische Literaturparadigma des 19. Jahrhunderts zurückgeht: das Le- sen innerhalb der weltanschaulich bindenden Kraft einer Gemeinschaft. Vor allem unter den Bedingungen der Nachkriegszeit gewann diese Form der Literaturvermittlung an Bedeutung.63 Karl Borromäus Glock beispielsweise, der mit seinem Verlagsprogramm vor allem ein bil- dungsbürgerliches Publikum ansprach, sah als wesentlichen Aspekt seiner verlegerischen Tä- tigkeit die „Heranbildung von Gruppen, in denen das geistige und musische Geben und Empfangen im Medium der Literatur (und mit dem Verlag als ‘Organon’ im Mittelpunkt) zum gesellschaftli- chen, gemeinsamen Lebensvollzug wird.“64 Ebenso Theophil Herder-Dorneich: Er betonte in der Herder-Festschrift von 1951 das Ziel, eine „Verlagsgemeinde“ zu schaffen, die über eine bloße „Bezieherorganisation“ hinausgehe: „Ihre Struktur hat den größten Einfluß auf den ‘sozialen Lebensraum’ von Verleger, Autor und Publikum. Je mehr es gelingt, der Leserschaft durch das Buch ein geistiges Gesicht zu geben, desto ausgeprägter kann das Gesicht des Verlages werden, je umfassender der Kreis der Ange- sprochenen, desto universaler das Verlagsprogramm. Um den geistigen Ort, den Verlag und Autoren zusammen ausmachen, ziehen sich Bezirke um Bezirke.“65 59 Koep 1959, 41. 60 In den ‘Buchprofilen’, dem Rezensionsorgan des Sankt Michaelsbundes, findet sich beispielsweise folgender Kommentar zu einem der empfohlenen Bücher: „Daß man sonntags nicht in die Kirche geht, ist in dem schwedi- schen Milieu nicht anstößig.“ (Heft 1/1959, S. 2173). 61 Über oft vergeblichen Bemühungen des Borromäusvereins, in seiner Anfangszeit geeignete katholische Autoren zu finden, gibt Spael 1950, 68ff. Aufschluss. 62 Spael 1950, 64. 63 Vgl. dazu auch Brelie-Lewien 1986, 74. 64 Glock 1975, 88. 65 Herder-Dorneich 1951, 277. - D.4.b - 277 Auch der Borromäusverein verstand sich nicht als bibliothekarische Zweckorganisation, son- dern als Instrument der Seelsorge: "Der Gedanke des geistigen Wechselverkehrs soll sein Gepräge erhalten durch die gnadenreiche Gemeinschaft des Gebetes, die dem Vereinsleben erst die rechte Beseelung gibt."66 Seit 1845 war bei allen Satzungsänderungen67 der Grundgedanke aufrechterhalten worden, dass eine Buchbestellung über den Borromäusverein nur unter dem Zeichen einer Mitgliedschaft möglich sein solle:68 Für einen (unterschiedlich gestaffelten) Beitrag konnte sich das Mitglied eines oder mehrere Bücher aus dem Angebot69 bestellen; der Beitrag wurde aber erst fällig, wenn man bestellte. Diese Rechtskonstruktion, die die bestellten Bücher als sog. ‘Büchergaben’70 des Vereins an seine Mitglieder begriff, wird erst verständlich in ihrer appel- lativen Struktur: Von einzelnen Sonderangeboten abgesehen,71 war das einzelne Buch nicht billiger als im Buchhandel, jedoch wurden vom Ertrag der Bestellungen jährlich dreißig Prozent in Form von Büchern an katholische Pfarrbüchereien weitergegeben.72 Damit war jede Bestel- lung über den Borromäusverein sowohl ideelle Unterstützung der seelsorgerischen Intentionen des Vereins als auch ein Akt expliziter Solidarität den Mitkatholiken gegenüber. Inwieweit diese Verpflichtung in den fünfziger Jahren tatsächlich noch als solche empfunden wurde, bliebe einer gesonderten Untersuchung vorbehalten. Im Jahre 1961 jedenfalls benannte es Karl Hegemann als eines der „(Krankheits-)Symptome“73 der damaligen katholischen Bücherei- arbeit, „daß eine verpflichtende, lebendige Vereinsidee im Bewußtsein des einzelnen Mitglieds nicht mehr vorhanden“74 sei, weil es sich bei der Bestellung aus den ‘Büchergaben’ nur mehr um einen „rein merkantilen Vorgang“75 handele. Vor allem die Literaturvermittlung ‘vor Ort’ stellte - wenigstens idealiter76 - das Lesen in den Lebenszusammenhang des Einzelnen ein: Um der Gefahr des wahllosen Viellesens zu begeg- 66 Spael 1950, 66. Gemeinschaftsgedanke und Zusammengehörigkeitsgefühl drückten sich auch in den 1911 begrün- deten Bibliothekarskursen aus, die in den zwanziger und dreißiger Jahren „das große Familientreffen des Borro- mäusvereins“ (Hermann 1969, 89) waren. Im Zuge der Professionalisierung der Büchereiarbeit in den fünfziger und sechziger Jahren trat die Sacharbeit in den Vordergrund (vgl. ebd.) 67 1900, 1920 und 1935. 68 Eine sehr instruktive Darstellung der organisatorischen Strukturen des Borromäusvereins seit seiner Gründung gibt Hegemann 1962. 69 Zweimal im Jahr erschien ein sog. ‘Gabenverzeichnis’, das nach Altersgruppen aufgeschlüsselt war: „für die Kin- der das kindertümliche Bilderbuch, für die Jungen und Mädchen das wegweisende und belehrende Buch, für die heranwachsende Jugend das weiterbildende, für die Erwachsenen das Buch zur Entspannung und Erbauung.“ (Mitteilungen 1965, H. 3, S. 53) 70 Die bestellten Bücher galten als Gaben des Vereins an die Mitglieder. Die Konstruktion ist ausführlicher darge- stellt in Mitteilungen 1965, H. 3, S. 58f.. 71 Dies waren die oft in großer Stückzahl aufgelegten Jahresbände des Vereins sowie einzelne Vorzugsangebote. 72 Für das Jahr 1964 waren dies 75.000 Bücher im Wert von 700.000 Mark (Angabe lt. Mitteilungen 1965, H. 3). 73 Hegemann 1962, 56 (den Vortrag hielt Hegemann im September 1961). 74 Ebd. 75 Ebd., 57. 76 Wo dies möglich war, beispielsweise in der katholischen Erwachsenenarbeit, wurde die Literaturvermittlung ein- gebunden in Frömmigkeitspraxis: „Dazu gehören Gottesdienst und biblische Meditation, Anstrengung und Entspan- nung, nicht zuletzt aber die Erfahrung jener vita communis, die den Einzelnen zu Weltarbeit und Nächstendienst ermutigt.“ (so Theoderich Kampmann in seinem Vorwort zu Glanz 1958 über die Arbeit des christlichen Bildungs- werkes ‘Die Hegge’) - D.4.b - 278 nen, sollte, so die Auffassung des Borromäusvereins, in den Pfarrbüchereien ein auf die Per- sönlichkeit des einzelnen Lesers abgestimmtes Betreuungsverhältnis greifen: „Das bedeutet, daß der Bibliothekar mit dem Leser menschlichen Kontakt gewinnen und halten muß, will er jene Literatur ermitteln, die der Natur desjenigen, den er zu betreuen hat, gemäß ist und geeignet, den 'christlichen Geist' zu beleben.“77 Zumeist waren die katholischen Büchereien von Laien betrieben, die zwar Fortbildungen in Anspruch nehmen konnten,78 die aber prinzipiell unter der Anleitung des jeweiligen Priesters wirkten. Dieser wiederum kannte die Klientel seiner Bücherei und ihre jeweiligen Lebenssitua- tionen in der Regel recht genau, denn man wird - auch wenn die Ausleihe nicht-katholischen Nutzern offenstand79 - eine Korrelation zwischen der Nutzung der Pfarrbücherei und der Betei- ligung am Gemeindeleben annehmen können.80 Aus der Einbindung der Büchereiarbeit in die pastorale Arbeit81 wird dann auch verständlich, dass Leo Koep den Vorwurf des bibliothekari- schen Dilettantismus, der von nicht-katholischer Seite verschiedentlich erhoben wurde, mit dem Hinweis abwehren konnte, die kirchlichen Büchereien stünden unter der Leitung eines Geistli- chen, „also immerhin einer Persönlichkeit, die ihrer akademischen Ausbildung entsprechend gerade für die wichtigsten Voraussetzungen des bibliothekarischen Berufes, Menschenführung und Buchbeurteilung, grundsätzlich gebildet ist.“82 Erst im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde von der katholischen Büchereiarbeit der pastorale Anspruch aufgegeben, den Leser zu unterweisen, zu beschützen und zu lenken; zum vielgebrauchten Leitbegriff wurde nun die Mündigkeit des Lesers: „In einer Zeit des unbegrenzten Zugangs zu den Kommunikationsmitteln kann die Aufgabe der kirchlichen Büchereien weder ausschließlich in einer Bewahrung des Lesers vor ‘gefährlichen’ Büchern, noch in seiner Versorgung mit angeblich ‘harmloser’ Unterhaltungslektüre bestehen. Vielmehr sollte eine katholische Bücherei ihre Ziele heute in der Teilnahme an den großen Auf- gaben der Kirche in der Welt sehen: in der Teilnahme an der Seelsorge, indem sie Antworten be- reithält auf die Fragen des Christen von heute; in der Teilnahme an der Bildung der Menschen, indem sie Hilfen zum verantwortlichen Denken und Handeln bereitstellt; und schließlich in der 77 Spael 1950, 347. 78 Dazu ausführlicher Koep 1959, 44f. 79 Umfassendere Aufgaben einer öffentlichen Bücherei wurden nur dort übernommen, wo „sich diese Lösung zwanglos // aus der historischen Entwicklung und aus der soziologischen Struktur des jeweiligen Standortes“ (Eggers 1976, 17//18) ergab, jedoch betreuten katholische Büchereien durchaus auch nicht-katholische Leser (vgl. Koep 1959, 46). 80 Hierzu liegen keine empirischen Forschungen vor. Einen statistischen Einblick in die Arbeit einer exemplarischen katholischen Pfarrbücherei der späten fünfziger Jahre vermittelt Koep 1959, 45f.. Etwa zwei Drittel der Nutzer waren Kinder oder Jugendliche, die meisten Ausleihen pro Buch verzeichneten die Bereiche ‘Kinderbücher’ und ‘Schöne Literatur’ (jährlich etwa sechs Mal pro Buch), die Sachbücher dagegen wurden jährlich durchschnittlich nur zweimal pro Buch ausgeliehen. Einen Eindruck von der Atmosphäre katholischer Büchereiarbeit im Kontext des Gemeindele- bens vermittelt Kopf, H. 1962. 81 “[...] die Bücherei muß als Organ der Pfarrei im Einklang stehen mit ihr, nicht mit der Unzulänglichkeit oder Erbärmlichkeit dieser oder jener Pfarrei natürlich, sondern im Einklang mit ihrem Leitbild, auf das hin die Bücherei gegebenenfalls eine Gemeinde zu öffnen und zu ziehen hat.“ (Müller-Erb 1962, 23) 82 Koep 1959, 44. Aus diesem Grunde lehnte Koep denn auch Forderungen ab, die Indexbestimmungen zu revidie- ren, um dem Öffentlichkeitsanspruch der katholischen Büchereiarbeit gerecht werden zu können. - D.4.b - 279 Teilnahme daran, der ganzen Gesellschaft gegenüber in der Vielfalt der Meinungen und Ideo- logien die christliche Haltung und die Botschaft des Evangeliums unverfälscht darzustellen.“83 83 Mitteilungen 1965, H. 2, S. 43 (Bericht über eine Büchereitagung der Diözese Aachen in Bonn). - D.4.c - 280 c) Instanzen der Steuerung (i) Amtskirche und Literatur „Bei der gefährdeten Natur des Menschen ist schon das Machen von Erfahrungen so gefährlich wie unvermeidlich - die Assimilation der Erfahrung anderer auch in der hohen Form der Dich- tung kann noch gefährlicher sein, wenn sie nicht unter Mitwirkung der an der Lehre gebildeten und geschärften Gabe der Unterscheidung der Geister geschieht. Gerade der Dichter, der Ka- tholik, wenn auch kein katholischer Dichter ist und der aus seiner Erschütterung über den Zu- stand der Welt um der Erschütterung derer willen spricht, die sich allzu leicht mit ihm abfinden, kann das Wagnis seines Werkes nur im Vertrauen auf den Gebrauch dieser Gabe durch seine katholischen Leser unternehmen.”1 Diese Worte von Karlheinz Schmidthüs aus dem Jahre 1959 paraphrasieren den Rahmen, in- nerhalb dessen das vorkonziliare Verhältnis von Amtskirche und Literatur anzusiedeln ist. Es steht - dem eigenen Selbstverständnis nach - unter dem Leitgedanken der Fürsorge dem einzel- nen Katholiken gegenüber, der in seiner Glaubensfestigkeit anzuleiten und zu behüten sei.2 Daraus erklärt sich, dass sich kirchenamtliche Verlautbarungen selten explizit auf den Inhalt von Literatur richteten,3 dafür aber um so mehr auf ihre Wirkung. Daraus resultierte eine ge- wisse Widersprüchlichkeit: Zum einen verstand sich die Kirche als Hüterin der „Schätze der Kultur, Zivilisation und Literatur“,4 die sie über den Wandel der Zeiten hinweg zu bewahren habe;5 in dieser Hinsicht sah sie „ihre Erziehungssendung auch auf die Nichtgläubigen“6 ge- richtet. Was demgegenüber aber dem einzelnen Katholiken an belletristischer Lektüre empfoh- len wurde, war - soweit es nicht der Abwehr ‘schlechter Bücher’ - dienen sollte - lediglich Komplement zur kirchlichen Frömmigkeitspraxis oder diente der Entspannung. Pius XII. beispielsweise erklärte 1940 in einer Ansprache vor frisch vermählten Ehepaaren, die wichtigsten Bücher seien der „Katechismus, die biblische Geschichte, das Evangelium, das Meßbuch, euer Kirchenblatt, die Nachfolge Christi [des Thomas von Kempen], die Geschichte der Heiligen und ähnliche.“7 Belletristische Literatur wurde demgegenüber als Widerspiegelung und Bestätigung dessen verstanden, was jeder an sich selbst als das Gute, Edle, Reine etc.8 erfah- re: „Gewiß wird nicht untersagt, den Zauber von Erzählungen reiner und gesunder menschlicher 1 Schmidthüs 1959a, 158. 2 Vgl. Rundschreiben ‘Ubi arcano’ (Pius XI., Dezember 1922); zit. nach Marmy 1945, 717. 3 So schrieb der katholische Priester und Schriftsteller Johannes Kirschweng: „Die kirchliche Behörde als solche hat mit der Literatur natürlich nur ratione peccati [unter Berücksichtigung der Sünde] zu tun. Es wäre nicht nur unbil- lig, sondern auch unsinnig, zu verlangen, daß sie zur Literatur ein leidenschaftliches Verlangen habe. Was sie da fördernd und pflegend tut, ist, sofern es nicht unter durchaus seelsorglichen Aspekten geschieht, eine gratia gratis data [umsonst verliehene Gnade] und was sie da etwa nicht tut, ist durchaus keine [sic] Versäumnis, deren man sie trauervoll oder zornig anklagen dürfte.” (Kirschweng 1984, 123; aus dem Essay ‘Klerus und Literatur’, zuerst erschienen 1930/31). 4 Rundschreiben ‘Divini illius Magistri’ (Pius XI., Dezember 1929); zit. nach Marmy 1945, 315. 5 Vgl. dazu auch die Ansprache Pius XII. über die Aufgaben der katholischen Buchkritik (Februar 1956); abgedruckt in Utz/Groner 1961, S. 2973-2893, hier besonders S. 2975. 6 Rundschreiben ‘Divini illius Magistri’ (Pius XI., Dezember 1929); zit. nach Marmy 1945, 315. Diese Auffassung wurde (und wird) begründet mit der Vernunftgemäßheit der Kirche: Es sei „für jedes vorurteilsfreie Denken kein vernünftiger Grund // ersichtlich [...], der Kirche entgegenzutreten [...].“ (ebd., 315//316) 7 Zit. nach Chinigo 1958, 103. 8 Die verderblichen Bücher verglich Pius XII. mit dem Apfel vom Baum der Erkenntnis (1. Mose 3). Vervollständigt man dies Bild, dann spiegelt die ‘gute’ Lektüre die Schöpfung im paradiesischen Urzustand wider; tatsächlich ist dieser Topos in der traditionellen katholischen Literaturtheorie vielfach aufgegriffen. - D.4.c - 281 Zärtlichkeit auf sich wirken zu lassen. [...] Es gibt genug geistvolle Autoren, die gute und sittlich wertvolle Romane geschrieben haben.“9 Das Wertvolle allerdings war vornehmlich darin be- stimmt, dem „Indifferentismus oder gar [dem] Glaubensabfall“10 zu wehren, was so viel heißt wie, dem Irren schon in quantitativer Hinsicht keinen Raum zu geben: „Das beste Mittel, den un- heimlichen Einfluß der schlechten und indifferenten Presse und Literatur zu bannen, besteht darin, daß gute Bücher, echt katholische Zeitschriften und Zeitungen in allen Schichten des Vol- kes verbreitet werden.“11 Auch im schulischen Literaturunterricht durch katholische Lehrer war der Gedanke der Abwehr stark ausgeprägt: Den Schülern dürfe der Einblick in „irrige und Widerlegung heischende Wer- ke“12 nur unter Darbietung „starken Gegengiftes aus der gesunden Lehre“13 gewährt werden; zu beachten sei fernerhin das Sittengesetz und der Respekt vor der „Erfahrung vieler Jahrhunder- te“.14 Das bis heute prominenteste Beispiel amtskirchlicher Literaturpolitik, die Auflistung verbote- ner Bücher im sog. ‘Index librorum prohibitorum’, war demgegenüber nur ein formales Proce- dere, das als verboten festschrieb, was ohnehin schon verboten war. Es konnte - abhängig von dem Bekanntheitsgrad des jeweils indizierten Buches - recht weite Resonanz finden, war aber für den Alltag der weitaus meisten Katholiken von geringer Bedeutung:15 Schon die ausdrück- liche Kenntnisnahme dieser Liste oder gar die Bitte um Dispens, die man in Einzelfällen an seinen Bischof richten konnte, waren bewusste Treueakte gegenüber der Kirche. Die Bücherli- ste, die selbst innerhalb des Heiligen Offiziums als problematisch empfunden wurde16 und de- ren Anspruch sich im zunehmend pluralistischen Katholizismus kaum mehr durchsetzen ließ, wurde am Ende des Zweiten Vatikanums aufgegeben, wenn auch nur zögernd: Kardinal Otta- viani, damals Propräfekt der Glaubenskongregation und Exponent der konservativen Stimmen des Konzils,17 ließ zur Entscheidung des Papstes verlautbaren: „[...] die Hl. Glaubenskongregation [gibt] in Übereinstimmung mit dem Heiligen Vater bekannt, daß der Index seine moralische Bedeutung behält, insofern er die Gewissen der Gläubigen lehrt - wie es übrigens auch das Naturrecht fordert -, sich vor jenen Schriften in Acht zu nehmen, die dem Glauben und den guten Sitten schaden können[18 ], daß er aber nicht mehr die Geltung ei- nes Kirchengesetzes mit den entsprechenden Sanktionen besitzt. Die Kirche vertraut somit dem mündigen Gewissen der Gläubigen, vor allem der katholischen Autoren und Verleger und der- 9 Zit. nach Chinigo 1958, 103. Vgl. dazu auch die Warnung vor der modernen Literatur, in der „die Heiligkeit der Ehe in // den Staub gezogen oder der Lächerlichkeit preisgegeben“ werde (Pius XI., Rundschreiben ‘Casti connubii’, Dezember 1930; zit. nach Marmy 1945, 262//263; vgl. auch ebd., 290f.) 10 Mathis 1940, 485. 11 Mathis 1940, 505. Zur katholischen Literaturarbeit s. ausführlicher Kap. D.4.b. 12 Rundschreiben ‘Divini illius Magistri’ (Pius XI., Dezember 1929); zit. nach Marmy 1945, 340. 13 Ebd. 14 Ebd. 15 Das belegt Lektor (1959, 127) an verschiedenen Beispielen. Allerdings dürfte folgende Einschätzung von Gisbert Kranz, die ein Bonmot katholischer Intellektueller wiedergibt, nur partiell der Lebenswirklichkeit im vorkonziliaren Katholizismus entsprochen haben: „Das katholische Verzeichnis der verbotenen Bücher wurde 1966 von der Kurie aufgegeben, was manche Autoren eher bedauern. Wenn ein Buch auf den Index Romanus kam, wußte die katholische Intelligenz, die es sonst vielleicht nicht beachtet hätte, daß es interessant ist, und kaufte es. Indizierung wirkte zuwei- len wie Reklame.“ (Kranz 1987, 67) Soweit ich nachverfolgen konnte, sind solche Sätze von Katholiken damals nicht öffentlich geäußert worden. 16 Vgl. Lektor 1959, 126f.. Kritik am Indizierungsverfahren äußerte auch Kardinal Frings, als Erzbischof von Köln Schirmherr des Borromäus-Vereins, auf einer Sitzung des Zweiten Vatikanums. 17 Vgl. Hebblethwaite 1987, 97. 18 In der Übersetzung des Amtsblattes für die Erzdiözese Freiburg’; abgedruckt in: Mitteilungen 1966, H. 1, S. 29 heißt es an dieser Stelle etwas prononcierter: „die eine Gefahr bedeuten für den Glauben und die guten Sitten“. - D.4.c - 282 jenigen, die mit der Heranbildung der Jugend beauftragt sind. Jedoch setzt sie ihre feste Hoff- nung auf den wachsamen Eifer der einzelnen Ordinarien und der Bischofskonferenzen, deren Recht und Pflicht es ist, schädliche Bücher zu prüfen und davor zu warnen und sie nötigenfalls zu verurteilen.“19 Zu unterscheiden ist also zwischen dem Dekret des Papstes und dessen Interpretation durch Ot- taviani.20 Die kirchenrechtlichen Implikationen sollen hier nicht weiter erörtert werden. Jeden- falls gilt das Lesen von Büchern, die, wie die gängige Formel lautet, für ‘Glaube und Sitte’ schädlich sind, noch heute als Sünde, auch wenn es - nach der Aufhebung des Index - nicht mehr mit Kirchenstrafen belegt ist. Die pastorale Aufsichtspflicht der Kirche wurde noch einmal aus- drücklich durch ein Dekret der Glaubenskongregation vom März 1975 (‘De Ecclesiae pastorum vigilantia circa libros’) bekräftigt: Die kirchlichen Amtsträger sollen dafür sorgen, dass „der Glaube und die Sitten der Christgläubigen keinen Schaden durch Schriften erleiden“.21 Ein sog. ‘Index der abzuratenden Bücher’ war zu Konzilszeiten noch geplant, erschien aber nie.22 Exkurs: Worauf sich die Indizierung bezog, war - wenigstens der offiziellen Begründung nach - nicht der Inhalt eines Buches, sondern die Verwirrung, die er bei den Gläubigen auslöste oder hätte auslö- sen können.23 So geschah es durchaus, dass ein Buch auf den Index kam, das zuvor eine bischöf- liche Druckerlaubnis erhalten hatte;24 die römische Indizierungspraxis war also von Unwägbar- keiten bestimmt und in sich keineswegs kohärent.25 Offiziellerseits wurde sie auch nicht als „Ausfluß des unfehlbaren Lehramtes der Kirche“26 verstanden, womit - soweit es die Liste der explizit indizierten Bücher betraf - die Möglichkeit eingeräumt war, einmal ergangene Entschei- dungen zu revidieren. Anders als staatliche Buchverbotslisten zielte der römische Index nicht auf die Beschlagnahme von Auflagen oder ein Druckverbot, sondern ausschließlich auf den Umgang mit indizierten Bü- chern. Das hatte seinen Grund darin, dass die Kirche seit jeher nur in diesem Bereich unmittelba- re Zugriffsmöglichkeiten hatte. Dass sie andererseits, dort wo es möglich ist, Einfluss auch auf den Inhalt von Büchern nimmt, zeigt sich im System der bis heute üblichen bischöflichen Druck- erlaubnis, dem ‘Imprimatur’ bzw. dem ‘Nihil obstat’.27 Die Druckerlaubnis wird von der örtli- chen Diözese erteilt und betrifft Bücher, deren Thematik die Religion berührt, also Bibelausga- ben, theologische Werke etc.; andere Bücher nur dann, wenn in ihnen „irgend etwas besonders die Religion und die Ehrbarkeit der Sitten berührt“.28 Es geht also darum, die Einheitlichkeit des kirchlichen Lehramtes zu bewahren. Eine besondere Druckerlaubnis benötigen Weltgeistliche und Ordensleute für profane Veröffentlichungen.29 Diese kirchliche Vorzensur reagiert schnell und läuft durchweg äußerst diskret ab; den jeweils Beteiligten wird Stillschweigen auferlegt.30 Die offenkundige Inanspruchnahme des Indizierungsverfahrens für kirchenpolitische Zwecke machte den Index seit jeher zur bevorzugten Zielscheibe der Kirchenkritik. Ohnehin hatte er im Laufe der Jahrhunderte seine negative Publizität vornehmlich durch die in ihm aufgeführten 19 ’Bekanntmachung der Hl. Glaubenskongregation’ vom 14. Juni 1966; zit. nach Utz/Galen 1976, 1539. In der Übersetzung des Amtsblattes für die Erzdiözese Freiburg’; abgedruckt in: Mitteilungen 1966, H. 1, S. 30, lauten die letzten Sätze: „Vor allem setzt sie ihre feste Hoffnung auf die wachsame Hirtensorge der einzelnen Oberhirten und Bischofskonferenzen, die das Recht und die Pflicht haben, solche Schriften zu prüfen und zu verhüten und gegebe- nenfalls sie abzulehnen und zu verwerfen." 20 Ich danke Herrn Kohl (Deutsche Bischofskonferenz, Bonn; Gespräch am 9.7.2001) für diesen Hinweis. 21 Zit. nach Köhler, O. 1983, 152. 22 Vgl. Buschmann 1997, 44. 23 Deshalb wurde auch das Indizieren eines Buches nicht als Bestrafung seines Autors aufgefasst (vgl. dazu Zährin- ger, D. 1952, 342). 24 Diesen Sachverhalt erörtert Hofmann 1955, 215. 25 Vgl. dazu insbesondere Knecht 1960, 239 und Winklhofer 1960, 256. 26 Gröber 1937, 314. 27 ’Imprimatur’ (Es werde gedruckt) ist die förmliche Druckerlaubnis, das ‘Nihil obstat’ (Der Veröffentlichung steht nichts entgegen) hingegen das Ergebnis des dem ‘Imprimatur’ vorhergehenden Gutachtens. Das ‘Imprimatur’ musste, das ‘Nihil obstat’ konnte in das Buch eingedruckt sein (vgl. Mathis 1940, 496). Zu dieser kirchlichen Vorzensur vgl. aus der Sicht eines damals betroffenen Verlegers Knecht 1960, 244. 28 Zähringer, D. 1952, 341. 29 Vgl. ebd. 30 Vgl. dazu die Schilderung aus der Sicht eines katholischen Verlegers in Knecht 1960, 240. - D.4.c - 283 Werke erhalten; die letzten aufsehenerregenden Indizierungen betrafen Sartre und Gide.31 Dem- zufolge neigen die katholischen Begründungen des Index zu dessen euphemisierender Verklä- rung, in der Regel verbunden mit apologetischen Zusätzen. Im Index äußere sich, so Erzbischof Conrad Gröber im Jahre 1937, „das Gewissen und das müt- terliche Herz der Kirche“32 den Gläubigen gegenüber; Gröber versäumte allerdings nicht, so- gleich hinzuzusetzen: „Früher noch als die Kirche hatten staatliche Herrscher Listen verbotener Bücher aufgestellt“.33 Dass solche Hinweise missverständlich waren, wurde auch von katholi- scher Seite gesehen, wobei dann wieder - das erhellt aus den nachfolgend zitierten Äußerungen - mehr Sorge getragen wurde für die Außenwirkung des Index als für dessen innere Begründung: „Es wäre kein Ruhm für die Kirche, mit irgend einer staatlich betriebenen Knechtung des Gei- stes entschuldigt zu werden. Tatsächlich handelt es sich auch um zwei in ihrer Struktur sehr ver- schiedene Vorgänge, mögen sie auch im Effekt eine gewisse Ähnlichkeit haben.“34 Auch Albert Sleumer, dessen Indexausgabe bis in die 1960er Jahre das einschlägige Standard- werk für den deutschsprachigen Katholizismus war, ließ seine Erklärung des Index mit einem breit ausgeführten Hinweis auf die staatliche Bücherzensur beginnen.35 Selbst noch bei George Steiner findet sich der Aspekt der Fürsorgepflicht. Die Literatursteuerung der katholischen Amtskirche sei notwendig wegen der Gefahr einer „tödlichen Verzückung, die le vertige des grandes profondeurs, ‘Schwindlichkeit in großen Tiefen’, genannt wird“36 und die das Lesen mit sich bringen könne. Wenn auch die kirchliche Indizierungspraxis in quantitativer Hinsicht an staatliche Bücherverbo- te beileibe nicht heranreichte - insofern sprachen die Vergleiche in der Tat also eher für den In- dex -, so ließen (und lassen) doch die beschönigenden Selbstbeschreibungen geflissentlich uner- wähnt, wie sich eine Indizierung in praxi auswirkte: Der Verstoß gegen das Indexgebot - jegli- cher Umgang mit den aufgelisteten Büchern, selbst deren Aufbewahrung - konnte mit der Strafe der Exkommunikation belegt werden,37 die de facto zur Vernichtung einer Existenz führen mochte, nicht nur im psychisch-moralischen, sondern auch im bürgerlichen Sinne. Das betraf natürlich auch die jeweiligen Autoren, soweit sie katholisch waren.38 Wenig fürsorglich war auch das Indizierungsverfahren als solches, das den einzelnen Autor mit der geballten Macht des amtskirchlichen Apparates konfrontierte: Denunzianten blieben geheim, und gegen ein Indizie- rungsverfahren gab es nur eng begrenzte Rekursrechte, allenfalls noch eine Petition an den Papst, die aber ihrerseits ein - aus heutiger Sicht - byzantinisch anmutendes Procedere erforderte.39 Un- geachtet auch der offiziellen Zusicherung, die Indizierung betreffe weder den Autor noch das Werk, sondern lediglich die Wirkung, die ein Werk haben könne, wurden mitunter nicht nur be- reits gedruckte bzw. geschriebene, sondern auch alle zukünftigen Werke eines Autors verboten.40 31 Sartre 1948, Gide 1952, bei beiden jeweils ‘opera omnia’, also das gesamte Werk, soweit es von theologischer Relevanz war. Deutschsprachige Werke waren im Index prozentual nur gering vertreten; zumeist handelte es sich um theologische oder kirchengeschichtliche Fachliteratur. 32 Gröber 1937, 312. Vgl. dazu auch die Apostolische Konstitution ‘Officiorum ac munerum’ (Leo XIII., Januar 1897): Mit ihrer Indizierungspraxis strebe die Kirche danach, „sich stets milde zu erweisen, ihre Kinder zu umhegen und liebevoll und verständnisvoll ihre Schwächen mit Schonung zu behandeln.“ (zit. nach Utz/Galen 1976, 1537) 33 Gröber 1937, 312. 34 Zähringer, D. 1952, 343. 35 Den Hinweis auf nicht-kirchliche Buchverbote greift Sleumer im Verlauf der Darstellung unvermittelt noch einmal auf (Index 1951, 45f.). 36 Steiner, G. 1990, 65. 37 Die Androhung der Exkommunikation erstreckte sich nur auf die indizierten Bücher, die ausdrücklich vom Papst persönlich unter Bann gestellt worden waren, aber automatisch auch auf „alle Bücher von Apostaten, Häretikern, Schismatikern, die die Apostasie, die Häresie oder das Schisma verteidigen“ (Gröber 1937, 314), auch wenn sie nicht ausdrücklich im Index aufgeführt waren. 38 Wie verheerend sich die kirchliche Zensurpraxis auf den Bereich wissenschaftlicher Kirchengeschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert auswirkte, schildert Weber 1984. Die von Befürwortern des Index oft geäußerte Satz, nicht der Autor werde verurteilt, sondern seine irrigen Auffassungen, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus’. 39 Der Darstellung des regelkonformen ‘Geschäftsverkehrs mit kirchlichen Behörden’ widmete Mathis 1940 einen Anhang von fünfzehn Seiten, davon allein elf für den ‘Geschäftsverkehr mit den römischen Behörden’ (ebd., 615- 624). 40 In Form eines im voraus wirkenden Publikationsverbotes, das der Betreffende dann zusätzlich noch geheim zu halten hatte (wie 1913 im Falle des französischen Philosophen Lucien Laberthonnieère; vgl. dazu Weber 1984, VIIIf.) - D.4.c - 284 Weit wichtiger für den einzelnen Katholiken waren die einschlägigen Abschnitte des kanoni- schen Rechts,41 ausformuliert in den sog. Indexregeln. Diese waren für einen theologischen Laien keineswegs eindeutig, ebensowenig wie die detaillierte Kasuistik ihrer Auslegungsmög- lichkeiten.42 Hier setzte die katholische Bucharbeit ein: Ohne genau zu wissen, was jeweils verboten oder erlaubt war, konnte der einzelne Katholik niemals fehlgehen, wenn er - was seine Buchauswahl betraf - den Empfehlungen des Borromäusvereins, der Pfarrbücherei oder des katholischen Buchhändlers folgte.43 (ii) Offiziöse Leselenkung Die Leselenkung im vorkonziliaren Katholizismus erstreckte sich aber nicht nur auf die Aus- wahl von Büchern, sondern darüber hinaus auch auf den Umgang mit ihnen. Vorausgesetzt war hier naturgemäß jeweils ein institutioneller Rahmen, innerhalb dessen gezielte Vorgaben mög- lich waren44 - wenn diese auch durchweg von geringerer Verbindlichkeit waren als die kirchen- rechtlich sanktionierbaren Indexregeln. In dieser Hinsicht spreche ich von offiziöser Leselen- kung. Im vorkonziliaren Katholizismus betraf sie im wesentlichen zwei Bereiche: (1) die priva- te Lektüre innerhalb des (idealtypischen) katholischen Familienlebens und (2) die Literatur- vermittlung in kirchlichen Gruppen. 1. Das Leben eines katholischen Jugendlichen in den fünfziger Jahren war, wenigstens idealiter, vom regelmäßigen Lesen begleitet: Heinrich Kunkels ‘Jugendbrevier, seinerzeit weit verbreite- tes religiöses Kompendium,45 sah für jeden Tag des Jahres (jeweils geordnet entweder nach Kalender- oder nach Kirchenjahr) mindestens sechs Texte vor, mit denen sich intensiv zu be- 41 Codex Iuris Canonici, c. 1384-1405. 42 Leo XIII. hatte die Indexregeln „etwas gemildert [...], so daß sie von allen Gutgesinnten leicht und ohne Schwie- rigkeit befolgt werden können“ (Apostolische Konstitution ‘Officiorum ac munerum’ über das Verbot und die Zensur von Büchern, Januar 1897; zit. nach Utz/Galen 1976, 1535); trotzdem zeigen die Erläuterungen Sleumers (Index 1951), dass die Regeln nicht leicht zu befolgen waren, wenn man ihre Auslegung nur gründlich genug betrieb. Vgl. dazu auch Lektor 1959, der zu Sleumer kritisch anmerkte, dieser habe die Indexregeln strenger ausgelegt, „als gebo- ten erscheint“. (ebd., 125). Lektor verstand seinen Aufsatz als Beitrag gegen eine mögliche „Index-Angst“ (ebd.). 43 Klagen gegen den Index kamen vor allem von katholischen Buchhändlern, die sich zwar einen Dispens erteilen lassen konnten, auch indizierte Bücher zu verkaufen, die aber beständig einen Spagat vollführen mussten zwischen den Wünschen der (teilweise nicht-katholischen) Kundschaft und den pastoralen Ansprüchen der katholischen Buch- arbeit (vgl. dazu Freiburg 1962, 213). 44 Bücher wie Malik 1959, Malik/Meditz 1961 oder das 1964 im Furche-Verlag erschienene Bändchen ‘Christliche Themen in der Literatur der Welt’ (Christliche Themen 1964) lasse ich im Folgenden unberücksichtigt, weil sie sich vornehmlich an die Multiplikatoren kirchlicher Büchereiarbeit richteten und über das Referieren eines breiten Spek- trums von Literatur hinaus kaum Aufschlüsse geben. Inwieweit sie auch Einfluss auf die private Lektüre nahmen oder diese möglicherweise auch ersetzten, wäre allenfalls in Form von lebensgeschichtlichen Untersuchungen zu klären. 45 Zwischen 1953 und 1963 mehrfach neu aufgelegt. - D.4.c - 285 schäftigen dem Leser ausdrücklich auferlegt war:46 ein Morgen-, ein Tages- und ein Abendge- bet (ergänzt durch Gebete für bestimmte Anlässe), eine kurze Erzählung zum Heiligen des je- weiligen Tages, ein paraphrasierter Abschnitt aus der Bibel sowie eine kurze Betrachtung zur religiösen Lebensführung, direkt an den Leser gerichtet, in der Art eines Gesprächs. Über dieses - spezifisch religiöse - Lesen hinaus galt das Lesen zwar als Teil einer sittlichen Lebensführung, wurde aber ambivalent beschrieben; in dieser Hinsicht blieben die Muster des katholischen Literaturdiskurses aus dem 19. Jahrhundert lebendig. Friedrich Schneider, Autor der in den fünfziger Jahren verbreiteten ‘Katholischen Familienerziehung’, widmete der litera- rischen Erziehung zwar knapp ein Fünftel seiner Ausführungen und betonte die bildende Kraft der Literatur, warnte zugleich aber nicht nur vor dem Viellesen, sondern auch vor dem stillen Lesen: Beides könne die Fähigkeit mindern, sich im sozialen Raum zurechtzufinden.47 Das Lesen solle auf altersgemäße Lektüre begrenzt bleiben und sich im Idealfall auf die intensive Auseinandersetzung mit einigen wenigen ‘Lieblingsbüchern’ beschränken, die dem Kind „wie ein guter Freund jederzeit zur vertraulichen Aussprache zur Verfügung“48 stehen sollten. Ein- deutigen Primat räumte Schneider dem Vorlesen oder Erzählen im Familienkreis ein: Das hier vermittelte Gemeinschaftserlebnis sei „natürlicher“49 als das Surrogat des gedruckten Wortes. Der Situation des gemeinsamen Erlebens von Literatur wurde sogar religiöse Bedeutsamkeit zugeschrieben: „Und wenn ein religiöser Stoff vorgelesen wird, dann tritt noch eine weitere Wirkung hinzu: re- ligiöse Empfindungen und Gefühle werden in den Zuhörenden geweckt und wirken wie Indukti- onsströme, wechselseitig einander verstärkend.”50 Allenfalls mittelbar jedoch dürften diese Sätze das Lektüreverhalten einer katholischen Familie in den fünfziger Jahren wiedergeben. Vielmehr verband Schneider mit seiner Darstellung eine prononciert literaturpädagogische Intention: „Mir liegen auf Grund eigenen Erlebens wenige Anregungen dieses Buches so am Herzen wie die: das häusliche Vorlesen in den eigenen Familienkreis wieder einzuführen.“ 51 Auch schrieb er aus der Perspektive des katholischen Bildungsbürgers, der bei seinen Lesern ein ähnlich gelagertes Interesse an Fragen der Bildung voraussetzte52 bzw. ein Interesse, durch Bildung den eigenen Sozialstatus zu heben. 46 So Heinrich Kunkel in seinem Vorwort und in der Einführung (Kunkel 1953, XIIIf.). Zur Verifizierung habe ich die (weitgehend unverändert gebliebene) spätere Auflage Kunkel 1961 hinzugezogen, also die letzte Ausgabe des Jugendbreviers vor dem Konzil. 47 Vgl. Schneider, F. 1961, 202 (über die Gefahren des stillen Lesens) und 210f. (über die Gefahren des Viellesens). 48 Schneider, F. 1961, 213. 49 Ebd., 202. 50 Ebd., 203. 51 Ebd., 204. 52 Eger 1956 empfahl das Buch „für die Hand gebildeter katholischer Eltern“ (ebd., 78). - D.4.c - 286 2. Umfassender war der lektürelenkende Anspruch im Kontext der katholischen Jugendverbände. Hier waren noch in der Nachkriegszeit knapp ein Drittel der katholischen Jugendlichen organi- siert. Zwar nahm die Zahl gegen Ende der fünfziger Jahre um die Hälfte ab,53 trotzdem können die Leitlinien der hier betriebenen Leselenkung als exemplarisch für den vorkonziliaren Katho- lizismus gelten, wurde doch in den Jugendgruppen die Formung des ganzen Menschen ange- strebt.54 Im Diskurs der katholischen Jugendbewegung wurde die Pflege des guten Buches als ein ideel- ler Wert hochgehalten, wobei zunächst die Darstellung nach außen intendiert war: die Klassiker im Bücherschrank als Ausstattung eines bürgerlich-christlichen Lebens. So gehörte zur Vor- bildfunktion des Führers von kirchlichen Jugendgruppen auch, ein ‘sauberes’ Bücherbord vor- weisen zu können, wenn ihn die Jungen seiner Gruppe zu Hause besuchten. Eher formelhaft- markig war dagegen der Gedanke der Selbstbildung formuliert, zunächst im Hinblick auf die Gruppenführer selbst, „Der Jungenschaftsführer muß selbst Begegnung mit dem Buch haben. Eine bestimmte Zeit in der Woche muß sich jeder einem guten Buch widmen. Wir werden sonst schmalspurig und gei- stig verarmt.“55 dann auch im Hinblick auf die Mitglieder der Gruppen: Die Literaturvermittlung in der Jung- schar (10-14 Jahre) „will auch außerhalb der Schule gegenüber der Geistlosigkeit und Interes- senlosigkeit geistiges Interesse wecken, zum rechten Hören und Lesen und Schauen anlei- ten“,56 während als erzieherische Intention für die Jungenschaft (14-18 Jahre) formuliert war: „Weckung geistiger Interessen und des Sinnes für geistige Werte gegenüber der Interessenlosig- keit, Ungeistigkeit und Vermaterialisierung der Lebensauffassung der gegenwärtigen Jugend. [...] Die Jungen ans Lesen bringen; durch den Bezug der Jugendzeitschriften des Bundes; Aus- wertung der Zeitschriften; Interessierung für das Buch, für Fachliteratur, für den Beginn des Ei- genbesitzes57 guter Bücher.“58 Für die Älteren in der Jungmannschaft (18-25 Jahre) trat das ‘gute Buch’ dann wieder zurück hinter spezifisch religiöse Literatur: In der ‘Stammordnung’ wurde an Büchern für die Haus- bibliothek das empfohlen, was schon seit dem 19. Jahrhundert integrale Grundausstattung ka- 53 Diese Angaben macht Damberg (1998, 340) für das Bistum Münster. Nach dem Krieg vereinigte sich die katholi- sche Jugendbewegung in dem 1947 gegründeten ‘Bund der Katholischen Jugend Deutschlands’, aus dem sich 1954 die ‘Katholische Jungmänner-Gemeinschaft’ als selbstständiger Verband ausgliederte. Ausführlicher dazu Schwab, M. 1997. 54 Im Bereich der Jugendgruppen liegt ein ausgearbeitetes System offiziöser Literaturlenkung vor, das insofern ex- emplarisch ist, als die katholische Jugendarbeit einen höheren Erziehungsanspruch vertrat als die katholischen Verei- ne, in die einzutreten die jungen Erwachsenen aufgefordert wurden. 55 Handbuch Jungenschaft 1960ff., IV, B, 8, S. 3. 56 Stammordnungen 1951, 19. 57 Hier war die Terminologie des Borromäusvereins übernommen. 58 Stammordnungen 1951, 31. - D.4.c - 287 tholischer Lesepraxis war, nämlich Bücher zur häuslichen Fortsetzung kirchlicher Frömmig- keitspraxis. „Führung zum Eigenbesitz religiöser Literatur, zunächst des NT, Meßbuch, neuer Katechismus, Diözesangbetbuch, Kirchengebet und Kirchenlied, Nachfolge Christi [des Thomas von Kempen], Laienbrevier, Rosenkranz. Dazu aktuelle und für den einzelnen zweckmäßige religiöse Schrif- ten“59 Ausdrücklich abgelehnt wurde das potentiell Desorientierende eines zu großen oder zu beliebi- gen Lesestoffes: „Jungmannschaft verlangt ein gewisses Maß geistigen Interesses und geistiger Haltung, will aber keine Überspannung der Wissensbildung. Sie will in Anknüpfung an ihre eigenen Lebensin- teressen die Wirklichkeiten des Lebens in der kleinen und in der großen Welt kennenlernen und dazu Urteil und Haltung gewinnen.“60 Um diese Befunde zusammenzufassen: Das private Lesen diente primär der christlich geprägten Orientierung in der bürgerlichen Gesellschaft, und im Zuge dieser Selbsterziehung wurde dem religiösen Buch zentrale Bedeutung zugeschrieben. Demgegenüber stellte das ‘gute Buch’ ein kulturelles Kapital dar, das für die Repräsentanz des Katholischen in der säkularen Gesellschaft für wichtig erachtet wurde.61 Die Vermittlung von Literatur auf den Gruppenabenden stand für die Jüngeren ganz im Zeichen des Lehrhaft-Spannenden, das indes stets an pädagogische Zielvorstellungen rückgekoppelt blieb. Das für die Hand der Gruppenleiter verfügbare Material aus der damaligen Zeit zeigt, dass das Vorlesen im Leben einer Gruppe rein quantitativ nur eine untergeordnete Rolle spielte, nicht zum wenigsten wohl deshalb, weil es für die Herausbildung einer Gruppenidentität weni- ger wirksam war als gemeinsames Singen oder gemeinsame Unternehmungen.62 Das 1947 von Alfons Brands zusammengestellte Buch ‘Wir Jungen. Heimstunden der Jungen- schaft’ enthält Material für zehn Heimabende,63 die etwa anderthalb Stunden dauern. Durch den Stuhlkreis wurde der Gemeinschaftscharakter betont, und der Ablauf entnahm aus der Messfeier die Elemente ‘Lesung’, ‘Predigt’, ‘Proklamandum’, ‘gemeinsames Lied’.64 Auf diesen strukturel- len Zusammenhang brauchte damals nicht eigens hingewiesen zu werden; er rekurrierte auf Er- 59 Ebd., 43. 60 Ebd., 44. Aus diesem Grunde wurde der ‘Vielleser’ von Seiten der offiziellen Büchereiarbeit als jemand betrachtet, den man für sein Viellesen nicht loben dürfe, sondern der besonderer Obhut bedürfe, um doch zwischendurch das eine oder andere ‘wertvolle Buch’ etwas gründlicher zu lesen. 61 Im folgenden Gedicht, das im Juli 1954 in der Jungenzeitschrift ‘Am Scheidewege’ als Teil einer regelmäßigen Kolumne abgedruckt war, fungiert der Name Goethe als Metonymie, die aber im kontextuellen Rahmen des holpri- gen Reimens keine Entsprechung findet: “In Kurdi Flasches geist’ger Richtung / liegt auch die Pflege guter Dich- tung. / Weil er liebt, nebst Spannung, Tote, / ist sein Vorbild ‘El Coyote’. / Auch Tom Shark und Jenkins Billy, / Supermann [sic] und Geldschrank-Willi / hat er in sein Herz geschlossen, / weil dort immer scharf geschossen / und, als ‘Rächer der Enterbten’, / mit Dolchen die Gesichter kerbten. / Kürzlich hörte Kurd, die Flöte, / von ‘nem Dichter, namens Goethe. / Ganz erstaunt dann fragte er: / ‘Welche Hefte schrieb denn der?’(Scheideweg 1954, H. 7, S. 14). Mit dem aggressiv ironischen Tonfall, der auch im nicht-konfessionellen Jugendschrifttum dieser Zeit begegnet, geht die Fetischisierung der ‘Klassiker als Besitz’ einher. 62 Darauf wies Erich Schön am Beispiel von Jugendgruppen im ‘3. Reich’ hin (vgl. Schön 1999, 57). 63 Ähnliche auch Franken/Wisdorf 1949. 64 Vgl. zum Folgenden Brands 1947, 14. - D.4.c - 288 fahrungen, die alle Teilnehmer aus dem allsonntäglichen Messbesuch bzw. aus der Ministranten- tätigkeit ohnehin miteinander verband: Zur Einstimmung sollte ein Lied gesungen werden - es folgte (im Stehen) eine Lesung aus der Bibel - das ‘Führerwort’ führte in das jeweilige Thema ein - dieses wurde im ‘Rundgespräch’, zu dem alle beitragen sollen, besprochen - danach wurde ein neues Lied gelernt - es wurden aktuelle Ereignisse besprochen, Termine verkündet etc. - es folgte das Vorlesen einer Geschichte - der Heimabend konnte, falls noch Zeit war, mit einem Spiel abgeschlossen werden. Die vorgelesenen Geschichten sollten das Thema des Rundgesprächs exemplarisch vertiefen; passende Texte enthielt bereits das Buch, das daneben aber auch auf ‘saubere’ Jugendbücher hinwies. Als Themen für die Rundgespräche nannte Brands beispielsweise: ‘Unsere Gruppe’, ‘Der echte Junge’, ‘Das Gesicht des Jungen’, ‘Die 10 Gebote’, ‘Der Junge und sein Leib’, ‘Vom Beten des Jungen’,65 ‘Junge und Mädchen’, ‘Einer trage des anderen Last’. Enthalten waren auch Hinweise zur Gesprächsführung, die sich allerdings weitgehend in stark lenkenden Suggestivfra- gen erschöpfen, beispielsweise zum Thema ‘Benimm dich’: „Wenn nun der Herr bei uns einge- laden wäre? Mit uns auf Fahrt, im Heimabend usw. zusammen wäre? - Ist er es nicht? Sitzt er nicht mitten unter uns? Hat er nicht eben noch zu Beginn der Stunde das Wort ergriffen? [...] Nun, was würde der Herr denn bei uns feststellen?“66 Ähnliches Material findet sich auch in den von Klaus Franken und Josef Wisdorf herausgegebe- nen Fibeln für die Jungschar.67 Deutlicher als bei Brands wurden hier die Ermahnungen zur Le- bensführung mit Beispielgeschichten illustriert. In der 1955 erschienenen ‘Jungscharfibel’, die bis 1963 immerhin auf sechs Auflagen kam, wurde zum Thema ‘Der Junge und sein Leib’ fol- gende Geschichte hinzugefügt, die in ihrer Drastik an entsprechende Geschichten aus der Aufklä- rungszeit erinnert: „Eines Tages gingen vor einem Wagen zwei Pferde durch. Wild geworden, konnte der junge Fahrer sie nicht mehr halten, so sehr er auch am Zügel riß, sie waren nicht mehr zu bändi- gen.“68 Natürlich verunglückt der Wagen: „Ein Pferd wurde aufgespießt von der Deichsel des Wagens, das andere geriet samt dem Fahrer - in die Zügel verwickelt - unter den Wagen. Pferde und Fahrer waren tot.“69 Es folgt die ausdrückliche Übertragung auf den Leser: „Die erwa- chenden Triebe des Jungen sind wie ein paar junge kraftvolle Pferde, sind herrliche Renner vor deinem Lebenswagen. [...] Aber bleib Kutscher auf deinem Lebenswagen: ‘Wehe, wenn sie losge- lassen!’“70 Weil bereits das Vorlesen der literarischen Erziehung dienen sollte, waren in den entsprechen- den Handbüchern, die Anfang der sechziger Jahre erscheinen, dem Vorlesen ausführliche Hin- weise gewidmet. Für die Jungschar wurden Abenteuergeschichten empfohlen, die die Zuhörer „von Anfang bis Ende in Spannung halten“71 sollten, weshalb darauf zu achten sei, die Hand- lung „klar und fortlaufend“ 72 darzustellen. Nötigenfalls müsse die Geschichte während des Vorlesens „vielleicht etwas ‘frisiert’ werden“:73 „Kann man beim Vorlesen und Erzählen Wertvolles bringen und erzieherisch wirken? - Selbst- verständlich - und zwar in hohem Maß! Der Held einer spannenden Geschichte wirkt nämlich auf die Jungen wie ein lebendiges Vorbild. Betone deshalb im organischen Fluß deines Vorle- sens oder Erzählens seine nachahmenswerten Eigenschaften. Laß ihn immer so handeln, wie du es von den Jungen verlangen würdest. Sicher kannst du in einem anschließenden Rundgespräch und dem abschließenden Führerwort einige Dinge aufgreifen und die Meinung der Jungen her- ausarbeiten. Formuliere es dann aber bitte nicht als die ‘Moral von der Geschichte’. Das Bild 65 Dieses Thema wurde gleich zweifach behandelt. 66 Brands 1947, 58. 67 Franken/Wisdorf 1949 und Franken/Wisdorf 1955; letzteres Buch kam bis 1963, also innerhalb von acht Jahren, auf immerhin sechs Auflagen. 68 Franken/Wisdorf 1955, 55. 69 Ebd. 70 Ebd. 71 Handbuch Jungschar 1962ff., Abschnitt IV, B, 8, S. 2. 72 Ebd. 73 Ebd. - D.4.c - 289 des Helden deiner Geschichte wirkt von sich heraus oft besser, wenn sein Tun anschaulich und lebhaft geschildert wird. Ein abschließendes ‘Das war ein feiner Kerl, dem sollten wir es nach- machen’ nützt dann sicher mehr als ein stundenlanges Referat!“74 Die Ansprüche in den Jungenschaftsgruppen waren höher. Unter dem Titel ‘Vorlesen - eine Kunst’ wurde das gemeinsame Lesen als Gruppenerlebnis beschrieben, das dazu dienen sollte, „in lebendigen Kontakt mit dem geschriebenen Wort [zu] kommen“;75 durchaus inhaltlich spe- zifiziert: „Auch religiöse Literatur eignet sich oft zu solchem Vorlesen“.76 Dem Gruppenführer war aufgetragen, eine für das Vorlesen geeignete Stimmung zu schaffen, durch äußere Umge- bung und durch ein stimmungsvolles Vorlesen: „Eine Grundbedingung muß bleiben: nicht zu lange vorlesen! Etwa 20 Minuten, Ausnahmen sind natürlich gemütliche Leseabende, besonders bei Älteren.“77 Um das Gemeinschaftserlebnis zu betonen, wurde vorgeschlagen, eine Geschichte mit verteil- ten Rollen lesen zu lassen oder einzelne Szenen nachzustellen, um sie zu vergegenwärtigen: „Nicht als großes Laienspiel, nein, ohne große Vorbereitung. Die Worte durch Handlung zu unterstreichen, ist die Aufgabe. Das Textbuch kann in der Hand gehalten werden. Eventuell das Gelesene beim Spiel mit eigenen Worten wiedergeben.“78 Auch hier folgte auf das Vorlesen (bzw. Erspielen) der Austausch über das Vorgelesene, jedoch erst dann, wenn alle die Geschichte selbst gelesen haben: „Man tauscht seine Meinungen aus und versucht, die [im Text] enthaltenen Probleme zu klären.“79 Dass die hier beschriebene offiziöse Lesevermittlung funktionalen Charakter hatte, also im Dienste pastoraler Ansprüche stand und diese gewissermaßen spannend und illustrativ einklei- dete, zeigt sich daran, dass das gemeinsame Lesen in der Altersgruppe der Jungmannschaft fast vollständig in den Hintergrund trat. In einem Handbuch für Gruppenleiter war zwar auf die Möglichkeit hingewiesen, bei entsprechendem Interesse Fachkreise für Literatur einzurichten, als Programmpunkt für den wöchentlichen ‘Heim-’ oder ‘Clubabend’ wurde aber lediglich ein ‘heiteres Vergleichen von Literatur und Schund’ vorgeschlagen, was zum selbstständigen Er- kennen von minderwertigen Schrifttum hinführen sollte. Die Kontrastwirkung von schlechten und guten Texten - wechselseitig vorgelesen - wurde dabei als selbstverständlich vorausgesetzt; es ging also nicht um literarische Detailanalyse.80 74 Ebd., 4. 75 Handbuch Jungenschaft 1960ff., Abschnitt IV, B, 8, S. 1. Dem Abschnitt ist als Motto beigegeben: „Bücher sind Tore zur Welt.“ (ebd., S. 3) 76 Ebd., S. 2. Als Beispiel ist Dorothy Sayers Hörspiel 'Zum König geboren' genannt: „Ein durchaus ernst zu neh- mender Versuch zeitnaher Verkündigung.“ (S. 2) 77 Ebd., S. 1. 78 Ebd., S. 3. 79 Ebd., S. 2. 80 Vgl. Handbuch Jungmännerarbeit 1966, 257f. - D.4.c - 290 Inwieweit das hier Geforderte in praxi tatsächlich umgesetzt wurde, bliebe einer lebensge- schichtlich orientierten Katholizismusforschung vorbehalten. Jedenfalls formulieren die An- weisungen ein Leiterideal der äußeren und inneren Vollkommenheit, das verhältnismäßig un- realistisch wirkt und es wohl auch war: In den Nachkriegsjahrgängen des ‘Strom’ beispielswei- se, einer Zeitschrift für die Hand von Jugendgruppenleiter/-innen, wurde gelegentlich Klage darüber geführt, dass sich Teilnehmer von Gruppenleitertagungen - immerhin ein Personen- kreis, der zu Hause den Mitgliedern der eigenen Gruppe als Vorbild dienen sollte - ungebühr- lich aufgeführt hätten. Man wird also nicht fehlgehen anzunehmen, dass die in den Fibeln bzw. in den Handbüchern beschriebenen idealtypischen Situationen allenfalls im sozialkontrollieren- den Rahmen der Heimatpfarrei funktionierten. - D.5.a - 291 5. Katholische Jugendliteratur: Regeln und persuasive Muster Der literaturtheologische Diskurs der fünfziger und sechziger Jahre beschränkte sich in der Regel darauf, auf das weltanschauliche Einverständnis zwischen Autor und Lesern hinzuweisen und demzufolge die inferiore christliche Literatur lediglich als „innerchristliche Gebrauchslite- ratur auf bescheidener geistiger Basis“1 zu beschreiben. Auch Wieland Schmied, der in seinem Beitrag zur Linnerz-Umfrage eine Literaturarbeit forderte, die die christliche Literatur heraus- führen könne „aus der Enge, Ängstlichkeit und Unsicherheit, die in einigen christlichen Insti- tutionen noch besteht“,2 betonte ausschließlich den Aspekt des Weltanschaulich- Einvernehmlichen: „Ich glaube, daß dies einmal offen ausgesprochen werden muß, denn hier liegt eine tödliche Gefahr für die christliche Dichtung: daß sie zu sehr als solche verstempelt wird, begutachtet, punziert, mit Noten versehen (Betragen: sehr brav) und damit immer mehr von der Dichtung schlechthin getrennt wird und - nolens, volens - als ‘harmlos’, ‘vertretbar’, ‘für Jugendliche zu- gelassen’ erscheint, als echter, aber garantiert koffeinfreier Kaffee, der auch schwachen, nervö- sen Mägen bekömmlich ist.“3 Tatsächlich wies die hier von Hohoff und Schmied beschriebene Literatur eine Spannung zwi- schen Kirche und Welt auf, die allenfalls unter den Sozialisationsbedingungen eines katholi- schen Milieus für einlösbar gehalten werden konnte. Die zitierten Auffassungen ließen aller- dings unberücksichtigt, dass diese Literatur einem ganz bestimmten Zweck diente, eben dem der religiösen Sozialisation, und deshalb bestimmte persuasive Strategien aufwies.4 Diese Strategien wiederum, mögen sie erfolgreich sein oder nicht, prägten unumgänglich auch das Lektüreverhalten - oder Nicht-Lektüreverhalten - von illiteraten oder wenig literaten Katholi- ken, und daraus folgert die Relevanz der spezifisch katholischen Appellstrukturen für eine Lite- raturgeschichte der fünfziger Jahre, die nicht den Wertzuschreibungszwängen des literaturtheo- logischen Diskurses unterliegen will. Die wenigen Versuche, katholische Jugendliteratur aus Nachkriegszeit und fünfziger Jahren zu erfassen, blieben in einer theologischen Kritik befangen.5 Auch der inhaltsanalytische Ansatz der Diplomarbeit von Wolfgang von Nathusius führt hier nicht weiter, weil er die Traditionen katho- lischer Poetik und deren jeweils spezifische Genrekonventionen unberücksichtigt lässt. Damit bleibt sein Begriff der ‘Monoperspektive’ blass. Auch lässt der von ihm in den Blick genommene Untersuchungszeitraum (1945-1975) die Wandlungen des Milieus weitgehend unberücksichtigt; unbegründet bleibt schließlich auch die kategoriale Trennung von Jugend- und Erwachsenenlite- ratur, die sich - wie ich im Folgenden zeige - für den katholischen Bereich so nicht halten lässt. Dem Gegenstand angemessener erscheint mir ein rezeptionsästhetischer Ansatz, also eine hypo- thetische Rekonstruktion des zeitgenössisch möglichen Rezeptionshorizonts, zurückgebunden auf die Perspektive eines einzelnen Lesers. 1 Hohoff 1959, 16, Sp. 5. 2 Schmied 1960, 79. 3 Ebd., 78. 4 Die katholische Publizistik, die ich in diesem Zusammenhang mit berücksichtige, ist bisher lediglich institutionen- geschichtlich aufgearbeitet worden. Auch Meyer, R. 1984 berücksichtigt nur programmatische und makrostrukturelle Aspekte. 5 Einen kritischen Überblick geben Glaser 1959 und Hahn 1968, eine ausführliche Bibliographie zum Thema enthält Halbfas 1984. - D.5.a - 292 a) Spektrum des Literarischen Was sich bei Kunkels Jugendbrevier ausprägte, nämlich die programmatisch intendierte Ein- bindung in die Zyklen eines katholischen Lebens,6 war auch zentrales Strukturmoment des katholischen Jugendschrifttums. Für eine das Kirchenjahr, das Kalenderjahr oder die verschie- denen Initiationsstufen (Erstbeicht, Erstkommunion, Firmung) begleitende Lektüre stellten die katholischen Verlage ein breites Angebot an einschlägigen Büchern bereit;7 von den erfolgrei- cheren seien hier nur genannt Ruth Schaumanns Karfreitagserzählung ‘Der schwarze König’8 und Wilhelm Hünermanns Erzählung ‘Die Kommunionkinder von Himmelreich’9 . Neben der Orientierung an der zeitlichen Gliederung eines katholischen Lebens bot auch das in der katho- lischen Jugendliteratur ausgeprägte Weltbild dem Leser einen sinnhaften Lebenszusammen- hang an. Bei Kunkel heißt es über das Bücherregal des katholischen Jugendlichen: „Da stehen die Heimatbücher, die geschichtlichen Romane, die Bücher von Liebe und Treue, von Schuld und Sühne. Sie bringen dir Heimat, Volk, Vergangenheit, Leben und Gegenwart na- he. Sie weiten deinen Blick und verankern dein Herz im Boden deines Volkes.“10 Exemplarisch verwirklicht wurde dieses Programm in den von Ottilie Moßhamer zusammen- gestellten, in vier Bänden erschienenen ‘Geschichten das Jahr hindurch’, die „für die Jugend- führung“11 gedacht waren und einen repräsentativen Querschnitt durch das Spektrum der ka- tholischen Milieuliteratur der fünfziger Jahre geben. Vertreten sind Autoren des christlichen Nachkriegskanons (Bergengruen, R. Schneider), katholische Autoren der Vorkriegszeit bzw. des 19. Jahrhunderts (Alban Stolz, Felix Timmermanns, Peter Dörfler etc.), daneben aber auch, wenngleich in geringerem Umfang, Autoren der Weltliteratur (Andersen, Bräker, Daudet, Dro- ste-Hülshoff, Hebel, Kipling, Stifter, Ludwig Thoma; von den Zeitgenossen Oskar Maria Graf und Hemingway); den größten Anteil stellen Texte und Erzählungen aus zeitgenössischen ka- tholischen Zeitschriften.12 In toto entwerfen die Geschichten gewissermaßen den Kosmos des Katholischen, der durch die Breite des literarischen Spektrums eine zusätzliche Beglaubigung erfährt; mit den Begriffen ‘Erbauungs-’ oder ‘Traktatliteratur’ wären die Bücher also nur unzu- reichend beschrieben. 6 Vgl. Kap. D. 5.c. Auch Schneiders Familienbrevier empfahl für das häusliche Vorlesen eine Lektüreauswahl, die „in den natürlichen, bürgerlichen und kirchlichen Rhythmus des Jahres paßt, ihn verstärkt und so die durch andere Dinge schon geschaffene geistige Atmosphäre der Familie vertiefen und sättigen hilft [...].“(Schneider, F. 1961, 206) 7 Dazu ausführlicher Lussnigg 1962. 8 Sechs Auflagen von 1940 bis 1966. 9 Sechs Auflagen von 1957 bis 1991. 10 Kunkel 1953, 782. 11 Eger 1956, 106. Die Geschichten dienen, so Eger weiter, „der Auswertung in Familie und Gruppenstunde, durch Eltern, Seelsorger und Jugendführer.“ 12 Die Bände enthalten sogar eine kurze Erzählung von B. Traven, allerdings ohne Nennung des Autors. Zu Beginn ist ein Erzählrahmen mit der Gestalt einer nicht näher bezeichneten „Berner Forscherin“ (Geschichten 1956, 54) eingefügt, um die Authentizität des Erzählten zu beglaubigen. Jedoch wird der Rahmen am Ende nicht wieder aufge- griffen und bleibt damit eine erzähltechnisch sinnlose Zutat. Auch stilistisch ist das Original erheblich vereinfacht worden. - D.5.a - 293 In der Art von Schullesebüchern enthalten die vier Bände (Frühling, Sommer, Herbst, Winter) Texte aus verschiedenen Themenkreisen, die ich hier nach ihrem Umfang absteigend anordne: − die kirchliche Lehre (‘Vom Glauben und Beten’, ‘Von des Herrn Leiden und Tod und unserer Schuld’, ‘Liebfrauenlob’ etc.), − allgemein moralische Darstellungen (‘Des Menschen Herz’), die z.T. wiederum religiös (‘Vom lieben Brot’) oder typologisch (‘Vater und Mutter’) gedeutet werden − besinnliche Darstellungen (hier vor allem ‘Sachen zum Lachen’ und heimatbezogene Erzäh- lungen), − die Arbeitswelt, − die Geschichte der katholischen Kirche und ihr Wirken in die Welt (Erzählungen aus der Mission, Märtyrergeschichten und Legenden). Die Gegenwart der fünfziger Jahre, ohnehin reduziert auf Kriegs- und Nachkriegserfahrungen, bleibt jedoch weitgehend ausgeblendet. Wo sie nicht lediglich als allgemeines Kolorit dient, ist sie - unter katholischen Auspizien - zur utopischen Vision verklärt („Auf einem Platz der Welt wenigstens verschwinden die Gegensätze von Völkern, Sprachen, Hautfarben. Auf dem Peters- platz des Anno Santo regiert allein der Glaube.“13 ) oder lediglich ex negatione beschrieben, als „Welt [...], die jeden Halt verloren hat“.14 Breit entwickelt ist dagegen der Horizont des ländli- chen Lebens, und was an religiösem Brauchtum erklärt wird, ist bäuerliches Brauchtum. Damit nahm die Sammlung bewusst eine Gegenposition zur sog. ‘christlichen Problemliteratur’ ein.15 Auch die Rezeptionssituation, die Ottilie Moßhamer in ihrem Vorwort idealtypisch skizziert („Kommt nun rund um den Tisch! Macht Licht und holt das Buch! Es mußte warten tagsüber, der Feierabend erst ist seine Stunde.“16 ) zielt zwar auf die durchs Vorlesen vermittelte Gemein- schaft in Familie oder Jugendgruppe, ist aber eine Reminiszenz an den Abschluss eines bäuerli- chen Arbeitstages im 18. und 19. Jahrhundert. Anders als Kunkels Jugendbrevier, das dem jugendlichen Leser durchaus berufliche Ambitio- nen nahelegte, ist bei Moßhamer das Spektrum der Berufe begrenzt auf die Landwirtschaft, das Handwerk, allenfalls noch auf soziale Berufe, was der soziographischen Schichtung der Katho- liken in den fünfziger Jahren entsprach. Auch die sentenzenhafte Moral, mit der in den Inhalts- verzeichnissen die meisten Geschichten kommentiert sind, richtet sich an ein kleinbürgerliches Lesepublikum: Aus der Darstellung vorbildhaften Verhaltens wird ein Spektrum katholisch geprägter Wertvorstellungen abgeleitet, das der Einordnung in generationenübergreifende Traditionszusammenhänge und der (kirchlich vermittelten) Glaubensfestigkeit unbedingten Primat einräumt vor der gedanklichen Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Welt. 13 Geschichten 1955, 149. Es handelt sich um einen Bericht über das ‘Heilige Jahr’ 1950. 14 Ebd., 104. 15 Dass die christliche Kanonliteratur nicht mehr einen umgreifenden katholischen Lebenszusammenhang widerspie- gele, war bereits Anfang der fünfziger Jahre Thema von pastoraltheologischen Klagen: „Das bäuerliche Land ist [in dieser Literatur] wie verschwunden, und damit ist der Rahmen zerschlagen, der das 'Katholische' als ‘Stil’ und ‘Welt’ und ‘Atmosphäre’ zusammenhielt.“ (Herzog 1950/51, 425). Auch habe es die christliche Problemliteratur „meist mit etwas abnormen Menschen zu tun; mit einer seelisch sehr gefährdeten Sorte von Labilen, mit den intellek- tuellen Nomaden der Großstadt, deren psychische Allergie jedem Druck nachzugeben scheint.“ (ebd., 422). Dagegen stand das bereits von Eichendorff erhobene Postulat ruhiger Abgeklärtheit (vgl. Eichendorff-Ausgabe 1970, 491), das den katholischen Literaturdiskurs bis in die sechziger Jahre hinein prägte (vgl. in Richtung der christlichen Auto- ren geäußert etwa bei Becher 1948/49). Moßhamers Geschichtensammlung entsprach genau diesem Programm. 16 Geschichten 1955, III; das Vorwort ist unverändert abgedruckt in allen vier Bänden. - D.5.a - 294 Die moralhafte Zuspitzung, also die Übertragung vom Besinnlichen zur Umsetzung ins eigene Leben, ist durchgehendes Muster in der katholischen Jugendbelletristik, in der die Muster ‘besinnliche Geschichten’ und ‘Beispielgeschichten’ zentralen Stellenwert hatten.17 Letztere dienten entweder der behutsamen Darstellung heikler Themen,18 oder sie sollten - soweit sie einzelne Sakramente zum Gegenstand hatten - das im Religionsunterricht vermittelte Katechis- muswissen festigen und erweitern. Wenn Peter Eismann und Jan Wiggers ihre ‚Vorlesebücher zum Katholischen Katechismus‘ mit dem Satz begründeten: „Liebe, Treue, Schuld, Verzeihung erfahren viele Kinder kaum mehr lebendig in ihrem eigenen Lebensbereich“,19 dann waren damit nicht die Erfahrungen selbst gemeint, sondern deren katholische Deutung: Das im katho- lischen Tiefendiskurs gängige Unterweisungsparadigma beruhte nämlich auf der Annahme, dass viele Kinder und Jugendliche nicht mehr in einem traditionell intakten katholischen Le- benszusammenhang aufwuchsen, zumal in größeren Städten. Das führte in katholischen Ju- gendzeitschriften nicht selten sogar zu der Aufforderung, in das Bemühen um die Missionie- rung der glaubensfernen oder ‚lauen‘ Umwelt gegebenenfalls auch die eigenen Eltern einzu- schließen. Unter dieser Voraussetzung dienten fiktionale Geschichten dazu, das Fehlen von spezifisch katholischen Sozialisationserfahrungen offensiv zu kompensieren. Es handelte sich bei diesen Geschichten beileibe nicht um ein Nischenphänomen: Sie begegneten dem katholischen Kind und dem katholischen Jugendlichen auf Schritt und Tritt. Dem allmählichen Zerfall des katholi- schen Milieus wurde also bewusst dessen diskursive Vermittlung entgegengesetzt.20 Wie weit die hier umrissartig skizzierte ‘Sozialisation qua Literatur’ von den Rezipienten ange- nommen wurde, lässt sich aus den Büchern, die zumeist zum Verschenken gedacht waren oder die in Rahmen der katholischen Jugendarbeit vorgelesen wurden, nicht erschließen; das bliebe lebensgeschichtlich orientierten empirischen Untersuchungen vorbehalten.21 Als Indikatoren 17 Als Beispiele seien hier nur genannt: Max Kassiepe OMI.: Erlebtes und Erlauschtes. Glaubens- und Lebenskunde in Kurzgeschichten (Würzburg: Echter, 1948); Robert Quardt SCJ.: Schnappschüsse. Kunterbunte und hintergrün- dige Kurzgeschichten (Celle: Giesel, 1953); Wilhelm Hünermann: Der goldene Leuchter. Erzählungen zur Lehre vom Glauben (4. Auflage, Luzern: Rex-Verlag, 1954); Alfred Lange: Erfülle Deinen Tag. Kurzgeschichten, Beispie- le und Anregungen zu einem christlichen Leben (Augsburg: Winfried-Werk, 1957); Max Biber SJ.: In drei Minuten viel gesagt. Kurzgeschichten für jung und alt (Aschaffenburg: Pattloch, 1959); Alfred Lange: Erkenne deine Stunde. 20 nachdenkliche Geschichten (Augsburg: Winfried-Werk, 1960). 18 Als besondere Qualität der Aufklärungsbücher von Lutz Berthold ‘Die leuchtende Straße’ (für Jungen) und ‘Das heimliche Königreich’ (für Mädchen) hob Josef Eger hervor, dass hier „in feiner, junge Menschen packender Spra- che, in Form von Erzählung, Gedicht, Schriftwort, Merksatz und Kernspruch alles Wichtige gesagt, so gleichsam nebenher und ohne alle peinliche Aufdringlichkeit.“(Eger 1956, 104). 19 Eismann/Wiggers 1955, 6. 20 Das wurde im katholischen Milieu selbst auch so gesehen: „Die vegetativen Kräfte des Heimatlichen erhalten [in katholischer Literatur] durch die Formung und Einordnung in christliches Gedankengut eine Überhöhung in ein Gottgewolltes.“(Schomerus-Wagner 1950, 15) 21 Das Problem der Tradierung von künstlichen Milieus erörtert Rohde-Dachser 1970 (hier insbesondere S. 84ff.) am Beispiel katholischer Kleinschriften (der Begriff des künstlichen Milieus ist entlehnt bei Franz Benz: Seelsorge in einer pluralistischen Gesellschaft, Freiburg 1967, 84). - D.5.a - 295 für die Wünsche und Interessen der katholischen Jugend aber können die katholischen Jugend- zeitschriften dienen. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt, also einer Zeit steigenden Wohlstandes, nahm ihre durchschnittliche Auflagenzahl um fast die Hälfte ab. Sicherlich war hier die Kon- kurrenz anderer Medien von Bedeutung, also nicht-konfessionelle Jugendzeitschriften und - bücher, Sachbücher, Comic- und Abenteuerhefte etc., in den Städten natürlich auch das Kino. Das integrale Weltverständnis, wie sie die katholische Sozialisation wenigstens idealiter an- strebte, war jedenfalls im Medium der konfessionellen Jugendzeitschrift nicht zu erhalten,22 und ebensowenig wohl im Medium des konfessionellen Jugendbuches. Anders lässt sich auch die ausufernde Fülle und Leidenschaftlichkeit der aus heutiger Sicht fast bizarr anmutenden Klagen über die ‘Schmutz- und-Schund’-Heftchen nicht erklären, denen bezeichnenderweise oft der Hinweis auf die dahinterstehenden ‘gewissenlosen Geschäftemacher’ beigefügt wurde.23 Bei der Diskussion um die Schmutz-und-Schund-Literatur, die bis in die Terminologie hinein entsprechende Kämpfe vom Beginn des Jahrhunderts repristinierte, war die katholische Kirche an zentraler Stelle beteiligt.24 Der katholische Volkswartbund lancierte 1950 einen Vorentwurf, der nach langem parlamentatischen Procedere und mit erheblichen Veränderungen 1953 Gesetzes- kraft erlangte. Es waren aber auch katholische Initiativen, die beim Kampf gegen ‘Schmutz und Schund’ teilweise so über die Stränge schlugen, dass sie in ihrem zelotischen Eifer das Unter- nehmen bei nicht kirchlich gebundenen Zeitgenossen desavouierten:25 Viel Kritik riefen ein Jahrzehnt nach Ende des ‘3. Reiches’ die Heftchenverbrennungen hervor, deren Inszenierung auf eine provokatorische Öffentlichkeitswirksamkeit hin angelegt war: „Was könnte man mit den Schundheften machen? Das beste wäre: öffentlich verbrennen! Wir werfen sie auf einen Haufen und übergeben die wenig sieg- und ruhmreichen Taten der angeblichen Helden in den Heften den Flammen. Übrig bleibt dann nur noch die Asche. Die schadet uns nicht mehr.“26 Neben der (vermutlich unfreiwilligen) Interferenz mit der Terminologie der nationalsozialistischen Bücher- verbrennungen offenbaren sich hier Traditionen, die bis in die Barockzeit zurückreichen: „Die Brief / und Schrifften / von denen man zweiflet / ob nit etwas von der Pest daran klebe / ziehet man durch die Flammen / und also werden sie gereiniget. Diese Bücher aber [sc. Zauberbücher] 22 Aus zeitgenössischer katholischer Sicht war der Auflagenverlust im ersten Nachkriegsjahrzehnt mit mangelnder Öffentlichkeitsarbeit und mit der Zersplitterung des konfessionellen Zeitschriftenangebotes erklärt worden (vgl. Hoeren 1974, 2ff.). Diese Erklärungen greifen jedoch zu kurz, weil sie zwar eine geringe Auflage begründen können, nicht aber eine Verringerung einer ursprünglich hohen Auflage. 23 Hierin lediglich eine pauschale Kapitalismuskritik zu sehen (vgl. Jäschke 1993, 363ff.), verfehlt die konfessionel- len Konnotationen: Die Hinweise auf die gewissenlosen Geschäftemacher, die quasi aus dem Hinterhalt die christli- che Jugend verdürben, schöpften sprachlich und gedanklich aus dem Repertoire des Antisemitismus - ein intertextuel- les Verfahren, bei dem das Wort ‘Jude’ gar nicht erwähnt zu werden brauchte, um bei den Zeitgenossen der ‘lingua tertii imperii’ entsprechende Assoziationen zu wecken. 24 Für die Darstellung der Schmutz-und-Schund-Diskussion greife ich auf die ausführliche Darstellung von Petra Jäschke (1993) zurück, die allerdings die konfessionellen und historischen Dimensionen der Diskussion weitgehend ausblendet. Dazu an dieser Stelle nur so viel: Der Metaphernkreis von Gesundheit und Krankheit prägte den katholi- schen Literaturdiskurs des 19. Jahrhunderts, der von Flut, Dammbruch, Überschwemmung etc. reicht sogar bis in die Goethe-Zeit zurück. Zu untersuchen, wie sich konfessionelle und nicht-konfessionelle Konnotationen solcher Meta- phernfelder gegenseitig durchdringen, bliebe einer eigenständigen Untersuchung vorbehalten. 25 Zum spannungsreichen Nebeneinander von verfassungsrechtlichen und naturrechtlichen Ansprüchen, die im Falle von als blasphemisch empfundener Kunst nicht selten zu handgreiflichen Auseinandersetzungen führte, vgl. Ellwein 1955, 9ff. sowie 99ff. 26 Zit. nach Scheideweg 1956, H. 10, S. 2. Im Jahre 1957 stellte sich der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) gemeinsam mit der Evangelischen Jugend das ‘Presseapostolat’ als Jahresaufgabe und betrieb planmäßige Aktionen gegen die Heftchenliteratur, darunter auch mehrere öffentliche Verbrennungsaktionen unter der makabren Bezeich- nung ‘Aktion Scheiterhaufen’. Ein Beispiel für einen ‘Durchführungsplan’ zu einer solchen Aktion ist abgedruckt bei Jäschke 1993, 385, Anm. 27. - D.5.a - 296 werden auf kein Weis gereiniget / als wann man sie gar in das Feur wirft / und zu Aschen ver- brennet.“27 Natürlich zerfiel die literarisch vermittelte katholische Lebenswelt nicht plötzlich. In der neue- ren Katholizismusforschung geht man von unterschiedlichen Orientierungsräumen aus, die sich - in teilweiser Überschneidung - dem katholischen Jugendlichen anboten: Was dem katholi- schen Jugendlichen in Zeitschriften oder Jugendkalendern an allgemeinem Orientierungswis- sen, an Werthaltungen oder an Benimm-Regeln vermittelt wurde, unterschied sich - von spezi- fisch konfessionellen Inhalten abgesehen28 - nicht von einschlägigen säkularen Publikationen. Im Zuge des steigenden gesellschaftlichen Wohlstandes wurde während der fünfziger Jahre auch in den katholischen Jugendzeitschriften der Tonfall der pastoralen Belehrung29 zuneh- mend weltlicher: Cartoons wie der von dem Kind, das seinen Spinat nicht essen mag und seine Eltern bittet, das Geld dafür doch lieber ‘in die Mission’ zu schicken, oder der vom Löwenjun- gen, das aufrecht mit gefalteten Händen dasitzt und von seinen Eltern misstrauisch beäugt wird („So sitzt unser Jüngster dauernd da, seit er versehentlich einen Missionar verschluckt hat.“30 ), wären in der Nachkriegszeit undenkbar gewesen. Dass der moralische Tonfall der lehrhaften Belletristik, wie er sich etwa in den ‘Geschichten das Jahr hindurch’ zeigte, zunehmend sein Zielpublikum verfehlte, zeigt sich auch am Erfolg der neuen Gattung des Sachbuchs seit Beginn der fünfziger Jahre. Exemplarisch dafür ist die Entwicklung des 1949 von Georg Popp gegründeten Arena-Verlags.31 Popp, damals einund- zwanzig Jahre alt, war geprägt von der katholischen Jugendbewegung und hatte offensichtlich ein gutes Gespür für die Marktchancen des konfessionell geprägten Schrifttums. Als Leiter von Jugendgruppen wusste er genau, welche Art von Büchern dort gewünscht wurde, und gründete deshalb den Verlag, dessen Programm sich von Anfang an auf ‘spannende Unterhaltung’ und ‘spannende Information’ konzentrierte,32 sich dabei aber eines allzu strengen weltanschaulichen Anspruchs enthielt. Das galt vor allem für den Sachbuchbereich: 27 Aus einer 1691 zum Druck gebrachten Predigt des Jesuiten Balthasar Knellinger; zit. nach Moser-Rath 1988/1994, 259. 28 Hier wären auch die religiösen Heftchen zu nennen, die auf den Markt gebracht wurden, um den ‘Schmutz-und- Schund’-Heftchen einen ‘wertvollen’ Lesestoff entgegenzusetzen (dazu ausführlicher Jäschke 1993, 344ff.). Dass diese Intention nicht immer aufging, zeigt sich daran, dass zu den Umtausch- und Scheiterhaufen-Aktionen immer auch sog. ‘gute Heftchen’ zusammenkamen, mitunter sogar - wie die Zeitschrift ‘Am Scheidewege’ (Oktober 1956) in selbstironischer Offenheit anmerkte - katholische Jugendzeitschriften. 29 Vgl. dazu Hoeren 1974, 63 und 136ff. 30 Scheideweg 1957, H. 10, S. 22; Rubrik ‘Jungenwitz des Monats’. Als Beispiel für den salopperen Tonfall kann auch folgender Abschnitt dienen: ”Gähnen ist unmodern, seitdem es für die Ministranten ein Mittel gibt, die monat- liche Runde aller Ministranten spannend wie Karl May zu gestalten. Der Junge, der das Volk im roten Rock anführt - man hat sich weithin auf den Titel Oberministrant geeinigt -, ist von allen guten Geistern verlassen, wenn er auch heute noch nicht die neuen Arbeitsbogen [sic] des Jugendhauses 'Der Oberministrant' kennt.” (Heft 7/1955, o.S.) 31 Die Informationen zum Arena-Verlag sind Jäschke 1993, 253f. entnommen. 32 So lauteten Werbeslogans aus der Anfangszeit des Verlags, zit. nach Jäschke 1993, 253. - D.5.a - 297 „Neu oder zumindest ungewöhnlich war [...] der eher nüchterne, nicht mit wohlmeinenden päd- agogischen Floskeln verbrämte Ton, in dem man den Leser ansprach, die Tatsache, daß hier der Jugendliche als Leser wirklich einmal ernstgenommen wurde.“33 Auch die weitere Entwicklung des Arena-Verlages zeigt, dass die Reichweite der im engeren Sinne konfessionellen Literatur in den fünfziger Jahren abnahm, wenn auch zunächst nicht qualitativ, sondern quantitativ. Weil das katholische Publikum nicht ausreichte, um einen neu gegründeten Jugendbuchverlag auf Dauer ökonomisch zu tragen, gab Popp in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre die explizit religiöse Jugendliteratur vollständig auf.34 33 Jäschke 1993, 254. 34 Parallel zur Neuausrichtung des Herder-Verlags (vgl. Kap. D.4.b.ii.). - D.5.b - 298 b) Techniken des Persuasiven Für die im Folgenden beschriebenen Techniken des Persuasiven gilt das, was schon über die Instanzen offiziöser Leselenkung zu konstatieren war: Sie setzen jeweils idealtypische Rezepti- onssituationen voraus, deren tatsächliche Reichweite jeweils empirisch zu ermitteln wäre. Zu unterscheiden ist also zwischen Anspruch und dessen Einlösung in der Praxis. Auch den Rhe- torisierungsgrad der hier dargestellten Techniken wird man nicht zu hoch veranschlagen dürfen. Vor allem die katholischen Jugendzeitschriften wurden von Laien hergestellt; was sich hier an rhetorischen Mustern aufzeigen lässt, war also im wesentlichen intuitive pädagogische Sprach- praxis.1 Zum behandelten Material: Exemplarisch behandele ich im Folgenden Schriften aus der katholi- schen Jugendarbeit. Zum einen ist dieser Bereich materialmäßig sehr gut aufgearbeitet,2 zum an- deren schlug sich die Diskrepanz zwischen kirchlichem Sozialisationsanspruch und jugendlicher Lebenswelt3 am deutlichsten in den katholischen Jugendzeitschriften nieder, die eben nicht nur Leser formen wollten,4 sondern auch um sie werben mussten. Das hier Analysierte lässt sich je- doch auf katholisches Jugendschrifttum insgesamt übertragen. (i) Vergegenwärtigung Für die fiktionalen Geschichten der katholischen Jugendliteratur ist kennzeichnend, dass nicht nur die Frage nach der Authentizität der Kommunikationssituation,5 sondern auch die nach der Authentizität des Dargestellten bedeutungslos ist: Im Raum des katholischen Tiefen-Diskurses gehen ‘das tatsächlich Geschehene’ und ‘das weltanschaulich Wahre’ ineinander auf; gleich- wohl wird dem Leser die Authentizität des Dargestellten suggestiv vermittelt. Stillschweigend wird dabei vorausgesetzt, dass er diese Authentizität - als tatsächlich geschehen oder zumindest als möglich - auch akzeptiert. Dieses Verfahren, das ich ‘persuasive Vergegenwärtigung’ nen- ne, prägt sich in zweierlei Hinsicht aus. 1 Tatsächlich sollten die konfessionellen Jugendzeitschriften auch als Unterrichtsmittel für den Religionslehrer dienen (vgl. dazu Hoeren 1974, 136f.). Ergänzend zu meiner Untersuchung wäre also zu rekonstruieren, wie die hier darge- stellten Techniken des Sprachlich-Persuasiven genetisch in der Tradition katholischen Sprechens verankert sind, wie es sich etwa im seinerzeitigen katechetischen Unterweisungsmaterial ausprägte - ein lohnendes interdisziplinäres Unternehmen, das von Seiten der Linguistik, der Literaturwissenschaft und der Theologiegeschichte gemeinsam zu bewerkstelligen wäre. Einschlägige Untersuchungen, vornehmlich textlinguistischer Natur, haben sich bisher ledig- lich der offiziellen katholischen Sprache angenommen (etwa Stallkamp 1987). 2 In der in Hardehausen ansässigen ‘Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit in der Diözese Paderborn’, die von Franz Hucht betreut wird. Ihm und Matthias Schulze danke ich für ihre außerordentlich hilfsbereite und freundli- che Unterstützung. 3 Vgl. dazu Hoeren 1974 oder Schwab, M. 1997. Eine ausführliche mentalitätsgeschichtliche Studie über die Nach- kriegszeit liegt vor in Schörken 1990; entsprechende Untersuchungen über die fünfziger Jahre stehen noch aus. 4 Abhängig davon, an welches Lesealter sich die jeweilige Zeitschrift richtete, waren die persuasiven Muster stark oder weniger stark ausgeprägt. Im Folgenden untersuche ich vornehmlich die Zeitschriften für die 10- bis 14-jährigen (‘Am Scheidewege’ für die Jungschar, ‘Die bunte Kette’ für die Frohschar). Die hier erhobenen Befunde lassen sich aber auf die Zeitschriften für die älteren Jugendlichen übertragen. 5 Vgl. Kap. D.3.b.ii. - D.5.b - 299 1. Vergegenwärtigende Kommunikationssituation Die vergegenwärtigende Kommunikationssituation, die ihre exemplarische Ausprägung in den Geschichten Christoph von Schmids fand,6 prägte auch die katholische Literatur nach 1945. Evoziert werden entsprechende Situationen zumeist direkt, im Gebrauch der 2. Person oder in der Imagination einer entsprechenden Szenerie: Der Auktor setzt sich zu seinem Leser in eine persönliche Beziehung, wie sie etwa zwischen Gemeindepfarrer, Kaplan etc. und ‘Pfarrkind’ besteht. In Rommerskirchs Buch über die ‘Jugend im Gottesreich’ beginnt die Meditation über die 'Ju- gend' mit den Worten: „Wir sitzen zusammen, und ich schaue euch an, einen um den andern. Ihr alle tragt die Morgenfrische der Jugend im Gesicht.“7 Gleichgültig, ob solche Sätze in der priva- ten Lektüre oder beim Vorlesen im Gruppenrahmen rezipiert wurden: Als empirischer Autor trat Rommerskirch völlig hinter die von ihm ausgestaltete Auktorfunktion zurück.8 Diese wiederum revaluierte ein Muster, das dem jugendlichen katholischen Leser aus dem Verhältnis zu seinem Jugendkaplan oder seinem Pfarrer bekannt war.9 Ein direktes Einvernehmen zwischen Auktor-Funktion und dem einzelnen Leser versuchte Rom- merskirch dagegen in seiner Einleitung herzustellen. Als captatio benevolentiae ist dabei voraus- gesetzt, dass ‘ganze und echte Kerle’ nicht gerne lesen, sich in der Schule langweilen, lieber Fußball spielen etc.. Derlei Präsuppositionen prägen die Einleitung, sie unterstellen dem Leser eine hochgewertete Eigenschaft, verstärkt noch durch den betont burschikosen Tonfall:10 „Dieses Buch ist kein Karl May. Du sollst es gar nicht in einem Sitz auslesen. Lies hier und da ein paar Seiten und dann strenge deinen Lang- oder Quadratschädel an und denke nach, was du gelesen hast! Dieses Buch ist kein Gebetbuch. Aber es will dich, den ganzen echten Kerl, der du bist, hinstellen vor Gott, damit du noch ganzer und echter wirst.“11 Die direkte Ansprache wird noch dadurch erweitert, dass Rommerskirch an anderer Stelle direkt an das Leben des Lesers anzuknüpfen versucht. Der Aufruf nämlich zur alltäglichen Opferbereit- schaft suggeriert ein Verständnis für deren Mühen: „Die kleinen Dinge, die dir schwer fallen? Das Aufstehen am Morgen, die langweiligen Schulstunden, das Gerede der anderen, das Nicht- verstandenwerden zu Hause.“12 Die Evokation wirkte auch indirekt: Über das vermittelnde Element des ‘ungebunden Umher- ziehens’ werden die Fahrten der katholischen Jugendbewegung zur Postfiguration der Wande- rungen des historischen Jesus mit seinen Jüngern: Die Meditation über die Gefolgschaft Jesu Christ beginnt mit den Worten: „Was müssen das für Fahrten gewesen sein! Dort unten zwi- schen den Weinbergen und Weizenfeldern Galiläas!“13 und endet mit einer Übertragung auf das alltägliche Leben des katholischen Jugendlichen: 6 Vgl. Kap. D.3.b.ii. 7 Rommerskirch 1950, 41. 8 Bis auf die Angabe ‘SJ’, die den Autor als Jesuiten kenntlich macht, enthält es keine Informationen über ihn. 9 In Heinrich Kunkels ‘Jugendbrevier’, das über weite Strecken als eine Art Zwiegespräch aufgemacht ist, firmiert der Autor dagegen bereits auf dem Titelblatt als ‘Priester der Diözese Würzburg’ und das Buch enthält den Vermerk „Zu beziehen vom Verfasser Dr. Heinrich Kunkel, Schülerheim Julianum, Würzburg“ (Kunkel 1953). Übertragbar ist dieses Muster natürlich auch auf Erwachsene; Beispiele dafür geben die kurzen Erzählungen und die katechetischen Erklärungen in Klings 1960, einem damals weitverbreiteten Andachtsbüchlein für katholische Männer. 10 Vgl. auch folgende Formulierung: „Ich möchte [euch] nun etwas sagen, auf die Gefahr hin, daß ihr mich verprü- gelt.“ (Rommerskirch 1950, 33). Ein ähnlicher Tonfall findet sich bei Pfleger 1931/1951. 11 Rommerskirch 1950, 7. Verstärkt wird der Appell noch durch die rhetorische Formung, die anaphorische Reihung der Absätze, die dreifache Apostrophe, und es benennt das Lesen explizit als Impuls zum Handeln: „Junge! Was in diesem Buch steht, will nicht bloß gelesen, es will getan sein. Schlag auf! Fang an!“ (ebd., 8) 12 Ebd., 103. 13 Ebd., 43. - D.5.b - 300 „Am schönsten und tiefsten, ganz still und innerlich, voller Segnung und mit leiser, aber deutli- cher Ansprache im Herzen drinnen, wenn wir ihn heimtragen nach der hl. Kommunion. Das ist unsere Fahrt mit dem Herrn.“14 Dieses Einvernehmen konnte der Leser zwar leicht dadurch aufbrechen, dass er die fingierte Situation15 bzw. die Selbstzuschreibung des Auktors als unecht einschätzte. Jedoch appelliert sowohl die burschikose als auch die fromme Sprache an den Leser, sich der zugeschriebenen Eigenschaften (‘echter Junge’, ‘fromm’ etc.) auch würdig zu erweisen. Zwar erwähnte Rommerskirch ausdrücklich auch die „Art von Jungen, die sehr still und ein we- nig scheu sind“,16 im ganzen aber propagierte sein Buch ein Jungenbild, wie es - mentalitätsge- schichtlich gesehen - auch in nicht-konfessionellen Kontexten weit verbreitet war: „Wir wollen im Gottesreich den Jungen, der schafft, weil wir den Mann der Tat wollen.“17 Im katholischen Raum jedoch erfuhr es seine Zurichtung auf die Ideale von Askese, Selbstzucht und Elternliebe, deren Substrat alleine die Gottgefälligkeit ist („Die Frische des jungen Christen ist der Spiegel, darin sich die ewige Jugend Gottes am hellsten spiegelt.“18 ), und die christliche Tat war zu- gleich christliches Bekenntnis: „Ministranten sind echte Jungen, also auch wilde Kerle und Lausbuben dazu. Das ist nun einmal Jungenart - nach Gottes Willen. Lausbuben und Liebe, paßt das zusammen? So können höchstens kleine Mädchen oder alte Tanten fragen! Unsere Mütter würden so eine Frage nicht stellen! Die kennen uns besser! Freilich, die Liebe eines echten Jun- gen hat schon ihr eigenes Gesicht. Aber Maria ist ja unsere himmlische Mutter. Sie versteht uns schon und auch - unser Herz. Sie weiß, daß wir nicht viele Worte machen. Und wenn wir es ver- suchen, geht es oft schief. Darum lassen wir das lieber. Jungenliebe zeigt sich in Taten. Darum wollen wir auch unsere Marienliebe durch Taten beweisen.“19 Auch der burschikose Tonfall war kein Spezifikum des katholischen Diskurses. Vielmehr waren hier entsprechende Muster aus den nicht-konfessionellen Jugendzeitschriften aufgegriffen; ver- wiesen sei nur auf die 1953 professionell lancierte und sehr erfolgreiche Zeitschrift ‘Rasselbande’.20 Vergleicht man allerdings das von Rommerskirch evozierte Bild des ‘richtigen Jungen’ mit zeitgenössischen Lebenszeugnissen, die nach 1945 eine unter jungen Menschen weitverbreitete Abneigung gegen weltanschauliche Lenkung gleichwelcher Art verraten,21 dann wird deutlich, 14 Ebd., 45. 15 Vgl. auch die in Rommerskirch 1950 enthaltene Weihnachtsgeschichte, in der ein authentischer Rahmen evoziert wird: „Ihr seid so still, daß man das leise Knistern der Kerzenflammen hört, und ich soll euch etwas erzählen ...“ (ebd., 62) oder: „Rückt zusammen! Ich will euch eine Geschichte erzählen. Aber laßt mir wenigstens so viel Platz, daß ich noch Luft bekomme! Was soll ich euch erzählen? Von tollkühnen Seefahrern, von stahlharten Kriegsleuten, von Männern, deren Gestalt über ein ganzes Jahrhundert ihren Schatten wirft? Doch heute weiß ich von einem Mann, der sicher ganz nach euerem Herzen ist. [Es folgt die Geschichte von Don Bosco, Gründer der Salesianer, 1934 heiliggesprochen]“ (ebd., 108). Die fingierte Kommunikationssituation ist also erkennbar an einen gemeinsa- men religiösen Lebenshorizont gebunden. 16 Ebd., 33. 17 Ebd., 32; zum Idealbild des Sauberen, Wehrhaften, Soldatischen, dem Leitbild der 'christlichen Phalanx' etc. vgl. auch ebd., 91. Auf der Reichstagung des Katholischen Jungmännerverbandes 1931 in Trier hatte Ludwig Wolkers dem Nationalsozialismus noch eine klare Absage erteilt; die katholische Jugendbewegung verstand sich als Unter- stützung der Weimarer Republik, insbesondere ihres (katholischen) Kanzlers Heinrich Brüning. Die Terminologie von ‘Reich’, ‘Wehrhaftigkeit’ etc. erlaubte aber nach 1933 eine Annäherung an die nationalsozialistische Bewegung. Erst später, als die Kirchenfeindlichkeit des NS-Regimes offensichtlich wurde, distanzierte man sich wieder (dazu ausführlicher Götz von Olenhusen 1987. Ich danke Franz Hucht, Hardehausen, für den Hinweis auf diese Zusam- menhänge.) 18 Ebd., 14. 19 Scheideweg 5/1955, o.S.. 20 Dazu ausführlicher Hussong 1993, 568ff. 21 Sehr aufschlussreich in dieser Hinsicht sind die Analysen bei Schörken 1990, 139ff.. Misstrauen gegen eine zu forsch betriebene weltanschauliche Einbindung gab es auch in der katholischen Jugendbewegung (vgl. Klöcker 1991, 288). - D.5.b - 301 dass es sich hier um Literatur handelt, die über ein bestimmtes sozialmoralisches Milieu hinaus keine Prägekraft entfalten konnte. Selbst innerhalb des Milieus scheint das Muster solch sug- gestiver Vergegenwärtigung bereits in den fünfziger Jahren nur noch teilweise funktioniert zu haben. Indiz dafür ist der bereits erwähnte Auflagenschwund katholischer Jugendzeitschrif- ten.22 Möglicherweise spiegelte sich gerade hierin der Spagat zwischen jugendbewegtem Impe- tus und amtskirchlichem Steuerungsanspruch wider, den die katholischen Jugendverbände nach 1945 vollführen mussten: „Das Denken der Bischöfe war auf Einheit unter Wahrung des Pfarrprinzips ausgerichtet. Den Jugendlichen selbst, die in ihrer Mehrheit in der HJ pervertierte Jugendbewegung erfahren hat- ten und als Flakhelfer, Soldat und schließlich noch als Volkssturm mißbraucht worden waren, waren Begriffe wie Bindung, Härte, Dienen, ja alle Ideale von Grund auf verdächtig und zuwi- der. Bezeichnend ist, daß in diesen Jahren sehr viel von Jugendarbeit die Rede ist, vielfach ver- standen als Arbeit für die Jugend, weniger als Arbeit mit diesen und von diesen.”23 Zum anderen änderten sich auch die Zeitschriften selbst: Seit Mitte der fünfziger Jahre, als auch in der Jugendpastoral immer stärker die Nüchternheit und das kritische Bewusstsein der Ju- gendlichen betont wurden,24 nahm die Anzahl der nicht namentlich gezeichneten Artikel ab, bis in den sechziger Jahren fast jeder Artikel mit Namen oder mit einem Kürzel gezeichnet war. Anders formuliert: Die Pragmatik der Zeitschriften wurde zunehmend authentischer.25 Die imaginiert-reale Kommunikationsssituation verschwand jedoch nicht plötzlich, auch wenn ihr Walter Scherf 1963 in einem Aufsatz für den Borromäusverein bescheinigte, sie sei als „eine von Grund auf unwahrhaftige Konstruktion“26 in Jugendbüchern ungeeignet. Erst seit den spä- ten sechziger Jahren sank sie zunehmend in religiöse Subkulturen zumeist fundamentalistischer Prägung ab. Noch in dem Handbuch für Gruppenführer der Jungenschaft, das ab 1960, also in der Spätphase der katholischen Nachkriegs-Jugendarbeit erschien,27 finden sich Anweisungen über die Vor- bildhaftigkeit des Jugendgruppenleiters, die in dem teilweise beklemmend rigoristischen Tonfall der frühen fünfziger Jahre gehalten sind: Dem Jugendgruppenleiter wurde ein umfassend ‘reiner’ Lebenswandel nahegelegt, den der Leser anhand eines Fragenkatalogs selbst einschätzen sollte. Ein Selbsttest zum Ankreuzen fragte nach den Aktivitäten des Leiters, anhand derer man sich selbst beurteilen konnte. Das reichte von: „Ich wünschte mir, daß du in unserer Pfarrei wohntest. Wir könnten dich gebrauchen.“ (190 Punkte - 200 Punkte) bis: „Wer hat dich eigentlich erpreßt, Führer zu werden? Bei uns jedenfalls stellt man Flaschen in den Keller.“ (0 Punkte bis 54 Punkte). Offen bleibt dabei, durch wen der Leser angesprochen wird: Eingeleitet wird das Jun- genschaft-Handbuch durch den Brief eines fiktiven älteren Jungenschaftsführers (Paul) an einen 22 Vgl. Kap. D.5.a. Auch Rommerskirchs Buch erlebte nur eine zweite Auflage (1952). 23 Börger, Bernd/Schroer, Hans (Hgg.): Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutsch- lands. Düsseldorf 1989, S. 148; zit. nach Klöcker 1991, 288. 24 Redensartlich wurde Helmut Schelskys Begriff der ‘skeptischen Generation’, mit dem die Jugend des ersten Nach- kriegsjahrzehnts gemeint war. 25 Interessanterweise war die vergegenwärtigende Realsituation auf den Bereich der Jungenzeitschriften beschränkt. In der ‘Bunten Kette’ beispielsweise, der Zeitschrift für die katholische ‘Frohschar’, waren seit der Nachkriegszeit alle Artikel namentlich oder mit Kürzeln gezeichnet. 26 Scherf 1963, 12. 27 Handbuch Jungenschaft 1960ff. - D.5.b - 302 neuen (Gerd), das Jungschar-Handbuch wird eingeleitet durch einen Brief an den Leser, unter- schrieben von Paul Franzen und Josef Seuffert.28 Mit dem Vorstehenden ist die pastorale Funktion der ‘vergegenwärtigenden Kommunikationssi- tuation’ umrissen. Sie war indes nicht auf das katholische Gebrauchsschrifttum beschränkt. Wilhelm Hünermanns ‘Herrgottsschanze’, einer der auflagenstarken Longseller des katholi- schen Milieus,29 beginnt mit der Schilderung einer Szene, die unvermittelt in die zweite Person übergeht: „Ein Sommertag Im Jahre 1791. Felix, der Kater, spaziert satt und würdevoll durch den Pfarr- hausgarten von Montbernage, einem kleinen Vorort der französischen Stadt Poitiers. [...] Plötz- lich aber duckt Felix sich tief auf den Boden. [...] Im gleichen Augenblick huscht von draußen etwas auf die Gartenmauer zu. Tief duckt sich die Gestalt in ihren Schatten. Du siehst zunächst nichts als // einen langen Gemüsekorb, der sich wie eine Schildkröte fortzubewegen scheint. Aber dann entdeckst du ein paar braune Arme und Beine, die unzweifelhaft einem Jungen ange- hören. [...]”30 Es könnte sich hier um die (imaginierte) erlebte Rede des Katers handeln, der im Folgenden vermenschlicht wird („‘Selber Spitzbube!’, denkt der Kater.“31 ). Aus den Traditionen katholi- scher Poetik heraus liegt es jedoch näher, den Abschnitt als Apostrophe zu lesen, die nicht nur den Blick des Lesers lenkt, sondern ihn auch - am Anfang des Buches - gewissermaßen be- grüßt. Dem korrespondiert die letzte Szene des Romans, die mit einem Ausruf eingeleitet wird: „Drei Jahre später war es!“:32 Die Erzählfunktion, die sich während des Romans darauf be- schränkt, gelegentlich die erzählten Ereignisse zu kommentieren, setzt sich erneut in eine Be- ziehung zum Leser und wird an dieser Stelle zur Auktorfunktion. 2. Fiktive Realsituation Zur vergegenwärtigenden Kommunikationssituation gehört auch ein Muster, das ich fiktive Realsituation nenne. Strukturell ist es oft gekennzeichnet durch unvermittelten Beginn mit dem Namen des jeweiligen Protagonisten, dem das finite Verb im Präsens nachfolgt.33 Drei Beispiele bei Rommerskirch: „Hein reibt sich die Augen. [...]“,34 „Hein hebt die Nase in die Luft und schnuppert. [...]“35 oder „Thomas steht an der Mauer des Ölgartens. [...]“.36 Bei einer anderen Geschichte bedient sich Rommerskirch eines analogen Musters, dessen Variation jedoch sogleich die historische Dimension des Dargestellten, nämlich der Kreuzigung von Jesus, 28 Paul Franzen war Bundesleiter der Katholischen Männergemeinschaft, Josef Seuffert war Bundeskurat, also geist- licher Leiter der Katholischen Männergemeinschaft (lt. Auskunft von Bernd Börger vom Archiv der BDKJ- Bundesstelle, Düsseldorf, 24.9.2001). 29 1. Auflage 1940; 25. Auflage 1974. 30 Hünermann 1950, 7//8. 31 Ebd., 8. 32 Ebd., 289. 33 Variiert wurde das Muster dadurch, dass der erwähnte Frontsatz erst als zweiter oder dritter Satz erscheint (Beispiele dieser Art in Klings 1960, 14 und 17). 34 Rommerskirch 1950, 14. 35 Ebd., 20. 36 Ebd., 114. Es handelt sich um den ungläubigen Thomas aus dem Johannesevangelium (Joh 20, 24ff.). - D.5.b - 303 aufreißt: „Dem Centurio der neunten Legion war der Befehl, den er erhalten hatte, unangenehm. Widerlich! Eine Hinrichtung überwachen. [...]“37 In seiner Funktion ist dieser Beginn vergleichbar mit der Frontstellung des Finitums in Witzen; wie dort wird auch hier ein entsprechendes Schema etabliert, das eine bestimmte Erwartungs- haltung hervorruft. Zwar begegnet das Muster der ‘fiktiven Realsituation’ auch im nicht- konfessionellen Jugendschrifttum. Im katholischen Bereich jedoch variierte es ein Muster, das dem Katholiken aus einer Fülle von Heiligengeschichten vertraut war, wenngleich hier natür- lich meist mit Präteritum verwendet. So etwa in Kunkels ‘Jugendbrevier’; ich zitiere jeweils die Anfangssätze der einzelnen Heili- generzählungen: „Zu Sabrian in Ungarn geboren, wurde Martin // schon mit 15 Jahren in die römische Reiterei eingereiht. [...]”38 - „Bruno entstammte dem Kölner Adelsgeschlecht der Hartefaust. [...]“39 - „Der hochbegabte junge Campion stand bei der englischen Königin Elisa- beth in hoher Gunst. [...]“40 - „Vom irdischen Leben hatte Lucie nicht viel zu erhoffen; denn sie war mißgestaltet und arm. Aber ein Glück war ihr seit Kindheit beschieden: der katholische Glaube. [...]“41 etc. Die textuell evozierten fiktiven Realsituationen werden im Jugendschrifttum häufig ergänzt durch Fotos (Porträts, Szenen aus Jugendlagern, Messfeiern etc.), die keine Bildunterschrift tragen, aber den Kosmos des Katholischen in idealtypischer Weise bebildern.42 • Mitunter ergänzten anonymes Foto und fiktive Realsituation einander: Im Aprilheft 1952 werden die Leser des ‘Scheidewegs’ aufgefordert, die Zeitschrift ‘Die Sternsinger’ zu abon- nieren, mit der das „Missionsbewußtsein der katholischen Kinder“ gebildet werden solle. Neben dem Aufruf ist zusammen mit dem Porträtfoto eines Jungen folgende Geschichte ab- gedruckt: „Clemens hat es geschafft. Er ist jetzt auf der Missionsschule. Aber, Josef, sein Freund, ist sehr traurig. Wie gerne wäre er mit Clemens gegangen. Aber er ist drei Jahre äl- ter als Clemens und schon ein Jahr Lehrling bei einem tüchtigen Schreinermeister. Josef liebt sein Handwerk wie der hl. Josef, sein Namenspatron. Jetzt ist er traurig, wenn er daran denkt, daß Clemens einmal in die Mission ziehen darf, und er selbst muß daheim bleiben. [...]“43 Vereinzelt finden sich in den Scheideweg-Heften auch Fotos, die Jahre später erneut abgedruckt werden, das eine Mal ohne, das andere Mal mit einem Jungennamen. • Die Übertragung einer fiktiven Realsituation auf den Leser konnte auch explizit vorgenom- men sein. So ist im Juliheft 1951 des ‘Scheidewegs’ das Hochzeitsfoto eines (anonymen) Paa- res abgedruckt mit einem Text, der die reißerische Überschrift ‘Rennwagen wäre mir lieber’ trägt: „Denkst auch, was hat das Bild in unserer Bubenzeitschrift zu suchen; Rennwagen wä- re mir lieber. Du hast recht. Normalerweise gehört es auch nicht hierhin. Es soll dich nur daran erinnern, daß bei dir daheim ein ähnlich schönes Bild an der Wand hängt oder in ei- nem feinen Rähmchen auf der Kommode steht: das Hochzeitsbild deiner Eltern! [...] Da hat- ten es die beiden noch ganz besonders gut. Sie brauchten nur an sich zu denken, [...]; denn du warst noch nicht da und hast ihnen keine Sorgen gemacht. [...] Jetzt ist das schon über zehn Jahre her. Mutter sieht nun nicht mehr so jung aus, weil sie mit dir und deinen Ge- schwistern so manchen Kummer gehabt hat, und in Vaters Gesicht erkennst du die Spuren harter Arbeit. Meinst du nicht auch, daß gerade der Hochzeitstag eine feine Gelegenheit ist, den Eltern zu danken für all das, was sie bis jetzt für dich getan haben? [...]“ Formelhaft ist dieser Text bekräftigt durch den Kolumnentitel, der regelmäßig in den Heften erscheint und 37 Ebd., 94. 38 Kunkel 1953, 544//545. Die hier zitierten Texte blieben in den folgenden Auflagen des Jugendbreviers gleich. 39 Ebd., 508. 40 Ebd., 564. 41 Ebd., 235. 42 In ähnlicher Weise sind in Klings 1960 prototypische Lebensstationen des katholischen Mannes bebildert. Kunkels Jugendbrevier dagegen enthält keine Bilder. 43 Scheideweg 1952, H. 4, S. 9. - D.5.b - 304 den Stellenwert des katholischen Familienlebens für den Katholizismus bekräftigt: „Wir hal- ten daheim zusammen“. Die durch eine fiktive Realsituation hergestellte persuasive Vergegenwärtigung war im ersten Nachkriegsjahrzehnt durchgängiges Muster in den katholischen Jugendzeitschriften,44 und sie war vornehmlich pastoral intendiert. Im Zuge nämlich der bereits erwähnten zunehmenden Authentizität und Versachlichung in der zweiten Hälfe der fünfziger Jahre verschwand sie all- mählich. Seit etwa 1955 wurden Geschichten von einzelnen Jungen oder von Jungengruppen zumeist mit Autorennamen gekennzeichnet und waren dadurch eindeutig als fiktiv ausgewie- sen. Auch rückten in dieser Zeit mehr Realbilder ins Heft, beispielsweise in der Rubrik ‘Scheideweg-Reporter’; es erschienen vermehrt Berichte (mit Fotos) von tatsächlichen Ereig- nissen sowie regelmäßige Meinungsumfragen und einzelne Filmbesprechungen. 3. Perspektivierung auf den Leser Die Perspektivierung auf den Leser erfolgte im katholischen Kinder- und Jugendschrifttum auf unterschiedliche Weise: Eine fromme Geschichte konnte mittels einer Rahmenerzählung mit dem Lebenshorizont des Lesers verknüpft sein. Im Buch von Rommerskirch beispielsweise sind es drei Jungen, die auf ihrer Ferienfahrt die Reliquien der Thebaischen Legion im Dom zu Xanten ehrfürchtig bestaunen45 und dann die Geschichte von deren Hinrichtung erfahren. Im katholischen Jugendschrifttum begegnen aber auch textinterne Verfahren: Die biblischen Ge- schichten, die Rommerskirch in jugendgemäßer Adaption seinem Buch einfügte,46 sind auf den Einzelnen hin perspektiviert, in dessen Verhalten oder in dessen Gedanken eine vorbildliche Tugend aufscheint. In der Geschichte des Centurio, der die Hinrichtung Jesu beaufsichtigen muss und ganz unversehens von dessen Verhalten überwältigt wird, wird Perspektivierung auf den Leser vermittelt durch eine Mischung von Erzählerkommentar und erlebter Rede: „Der Centurio ist ein einsamer Mann. Ein tapferer Mann, der einen besseren Einsatz für seine Tapferkeit sucht, als er ihn bisher gefunden hat.“47 oder: „Weiß der Centurio der neunten römischen Legion noch, was er tut? Er steht dem Kreuz gegen- über. In Haltung. Als stände er vor seinem General.“48 Der Erkenntnisprozess des jeweiligen Protagonisten wird durchaus auch als solcher thematisiert: Bei Rommerskirch ist es der Junge (‘Hein’), der für seine Mutter Holz holen soll, stattdessen aber lieber seinen Freund besucht und dort - dessen Mutter ist ganz plötzlich schwer erkrankt - über das Frevelhafte seines Verhaltens nachdenkt. Die beiden Jungen beten; daraufhin geht es der Mutter des Freundes unvermittelt wieder besser. Hein rennt so schnell wie möglich nach Hause 44 Nur in der Zeitschrift ‘Fährmann’, die in den ersten Jahren ein inhaltlich und gestalterisch ambitioniertes Pro- gramm vertritt und sich in der Aufmachung an die Kulturzeitschriften für Erwachsene anlehnt, begegnet es weniger. 45 Vgl. Rommerskirch 1950, 49ff. 46 Einer zeitgenössischen katholischen Rezension zufolge stellte das Buch „das Evangelium ohne Abstriche in einer Sprache für Jungen im Flegelalter“ (Eger 1956, 109) dar. 47 Rommerskirch 1950, 100. 48 Ebd., 101. - D.5.b - 305 zurück, um den Auftrag doch noch auszuführen und sich besorgt nach der Gesundheit seiner Mutter zu erkundigen; er kann sich dabei, als ‘echter Junge’, gerade eben noch eines Anflugs von Rührung erwehren. Durch die Anlage der Geschichte schrumpft die allgemeine Moral (‘Auf Fehlverhalten folgt die göttliche Strafe auf den Fuß’) zusammen auf den Verantwortungshorizont des Einzelnen, denn die Strafe (‘schwere Krankheit der Mutter’) kommt ja nicht, sondern wird von dem Protagonisten nur imaginiert, und er kann sie - durch eifriges Beten - sogar unmittelbar beeinflussen. Als Moral für den Leser folgert daraus: ‘Wehe mir, wenn ich mein Fehlverhalten nicht ändere.’ und: ‘Der einzige Weg, mein Fehlverhalten zu ändern, führt über die von der Kir- che gelehrte Frömmigkeit.’ Die erlebte Rede konnte auch appellativ eingefärbt werden: In folgenden Worten über Jesus als Kind (im Tempel) etwa vermochte der jugendliche Leser der fünfziger Jahre unschwer eine Beschreibung seines eigenen erwünschten Handelns zu erkennen: „Aber jetzt, im Alter von zwölf Jahren, wurde Jesus auch als Mensch in ganz besonderer Weise zu seiner Lebensaufgabe berufen. Sein junges Herz jubelte. Es war, als sehe er ein ragendes Hochgebirge vor sich [...] Dort hinan sollte er gehen. Einen steilen, harten Weg."49 Die Rezeption der Geschichten wurde auch durch die Technik des inneren Monologs gesteuert. Die Erzählung ’Der junge Tag’50 besteht zum großen Teil aus Gedanken, die dem Jungen beim Morgengebet durch den Kopf gehen und die das Gebet teilweise ergänzen (gute Vorsätze, Dank für die „feine Mutter“51 etc.), und wird abgeschlossen durch den Satz, der die Geschichte fast zu einer Anleitung zum Beten werden lässt, weil der Auktor hier explizit hervortritt: „Fort ist Hein. Wie der Wind. In den jungen Tag hinein, den der liebe Gott eigens für ihn ge- macht hat, den er - besser, als er selber weiß - wirklich[52 ] mit Gott begann."53 An anderer Stelle bedient sich Rommerskirch des Texttyps der Legende, die ihrerseits gebun- den wird an die dem Katholiken aus alltäglicher Wiederholung vertraute Frömmigkeitspraxis: Ein Junge trifft im Wald eine Frau; sie fragt ihn, ob er einen Rosenkranz habe, und er gibt zu, den alten Rosenkranz seines Vaters bei sich zu haben, ihn aber nicht zu beten. Im Verlauf der Geschichte wird die einfach gekleidete Frau zu ‘Unserer Lieben Frau’, eine Perspektivierung, die auch der Junge nachvollzieht, und zwar in Worten, die dem damaligen jugendlichen Leser aus seinem Religionsunterricht bekannt waren:54 „Und dem Jungen schien es, er habe nie eine so feine und hohe Frau gesehen, obwohl sie ganz schlicht gekleidet war. Und er mußte an seine Mutter denken.“55 49 Ebd., 18. Hier ist literarisch ausgestaltet, was Kuschel den „erstarrten, leblosen Christus von Theologie, Dogma und Kult“ (Kuschel 1978, 53) nannte. Aber auch bei Rommerskirch handelte es sich nicht um eine platt narrative, sondern um gespiegelte Christus-Darstellung, bloß dass diese nicht „den modernen skeptischen Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts“ (ebd., 54) erreichen, sondern die sozialisationshaft vermittelten Wahrnehmungsmuster des kirchen- treuen Jugendlichen bestätigen wollte. Die Kategorien von Brechung und Spiegelung, die Kuschel allein schon als Kennzeichen einer zeitgenössischen Wahrhaftigkeit verstanden wissen wollte, wären also genauer zu differenzieren. 50 Rommerskirch 1950, 14ff. 51 Ebd., 16. 52 Das Modalpartikel (‘wirklich’) dient hier als Erzählerkommentierung; der eingeschobene Satz (‘besser als er selber weiß’) richtet sich darüber hinaus an den Leser, der diesen Satz auch auf sich beziehen könnte. 53 Ebd., 16. 54 Auch Rommerskirchs Meditation über das Amt des Meßdieners (S .67ff.) stellt gewissermaßen die Verschriftli- chung von Religionsunterricht dar. 55 Ebd., 39. - D.5.b - 306 Die Legende mündet in eine explizite Anweisung, wie der Rosenkranz zu beten sei: Die Frau erklärt dem Jungen, was der katholische Leser aus seiner religiösen Erziehung her auch kennt und in dieser Legende symbolhaft beglaubigt findet: „Sieh, immer wenn du ein Gesetzlein an dem Rosenkranz betest, den du da in der Tasche hast, da begleitest du mich. [...] Dann mußt du nur deine Augen recht auftun und schauen, was ich tue und was ich sage, und wie ich dem Heiland immer und überall diene. Da wirst du merken, wie du selbst deinen Tag anpacken mußt, und wo du helfen kannst, und wo die wahre Freude zu fin- den ist.“56 Auch die Erzählung mit der Überschrift ‘Passionslegende’ knüpft an den im Religionsunterricht erworbenenen Erfahrungshorizont des jugendlichen Lesers an: Ein Junge geht sorgenbedrückt in die Kirche und begegnet dort einem geheimnisvollen Fremden, der, in einen weiten Mantel gehüllt, in der Säulennische steht und den außer dem Jungen kein anderer zu sehen scheint. In der Beschreibung des personalen Erzählers - dessen Perspektive die Geschichte durchgängig strukturiert57 - verschiebt sich plötzlich die Perspektive von einer verhältnismäßig konventio- nellen fiktionalen Erzählung hin zu den ‘termini technici’ der frommen Bildmeditation: „Niemand kann sagen, wie alt er ist. Sein Antlitz trägt einen ewigen Adel.“58 Im Gespräch mit dem Fremden - natürlich ist es Christus selbst - werden die Probleme des Jungen („Sieh, das Leben ist auch immer derselbe Kampf, ob man vierzehn Jahre zählt oder vierzig.“59 ) mit dem Leidensweg Christi kontrastiert, und dem Jungen wird aufgetragen: „Diene, und du wirst mit dir selber und deiner Not leichter fertig werden!“ Den Zusammenhang zum Leser stellt dann der personale Erzähler am Ende her; die letzten Sätze der Erzählung lauten: „Keine Stimme spricht mehr. Der Junge ist allein. Geht nicht der starke Schritt des Herrn dort über die Ackerschollen? Wie ist der Wind so frisch und heldenhaft. Der erste Atem des kommen- den Frühlings. Ein Heroldsruf zu Kampf und Sieg.“60 Das Verfahren der Umperspektivierung qua Sprache funktionierte auch, ohne dass der Leser eigens eine Übertragung auf sich selbst vornehmen musste. Dafür begegnen im katholischen Jugendschrifttum vor allem zwei intertextuelle Verfahren: 1. Im Januarheft 1950 des ‘Scheidewegs’ war unter der Überschrift 'Feigling' ein kurzer Text ab- gedruckt, in dem es um den Mut ging, sich als Christ zu bekennen. Die Lehrhaftigkeit wird am Ende unmissverständlich resümiert: „Wer den Tiger fürchtet, den frißt er.“ Aufgebaut ist der kurze Text als Dreischritt: [1] auktoriale Erzählperspektive - [2] personale Erzählperspektive 56 Ebd., 40. 57 Es wird in dieser Geschichte keine pastorale Unterweisungsituation evoziert; deshalb spreche ich hier nicht vom Auktor, sondern vom personalen Erzähler. Morphologisch und erzähltechnisch jedoch stimmen beide Erzählfunktio- nen überein. 58 Ebd., 106. 59 Ebd., 107. 60 Ebd., 108. - D.5.b - 307 (aus der Sicht des Jungen) - [3] pastoral-lehrhafte Übertragung auf den Leser. Letzterer ist al- lerdings schon vorher in die Darstellung hineingezogen worden. Scharnier der Umperspektivie- rung ist der Satz ‘Morgen wird der Vater ...’, der sich sowohl als Erzählerbericht als auch als erlebte Rede auffassen lässt und damit dem Leser Sätze aus dessen eigenem Lebenshorizont anbietet.61 „[1] Das ganze Dschungeldorf gerät in höchste Spannung, wenn in der Nacht das Hungerge- brüll des Tigers mit einem langgezogenen Schrei die Menschen aus dem Schlafe reißt. Knurrend schleicht der Tiger durch die Gassen. Wie zwei grüne Scheinwerfer dringen die Augen durch das Dunkel. [2] Der Tiger ist da. Mit brennenden Augen liegt ein Junge auf seinem Lager und horcht in die Nacht. Morgen wird der Vater ihn zum ersten Mal mit auf die Tigerjagd nehmen. [...] Früh am anderen Morgen sitzen Vater und Sohn vor der hohen Wand des Dschungels und denken be- tend und schweigend nach. ‘Gott ist allmächtig, wer an ihn glaubt, hat keine Furcht’, sagt der Vater. Darüber denkt der Junge nach, eine lange Zeit. ‘Bist du bereit?’, fragt der Vater. ‘Ja!’. [3] Wir lesen mit glühenden Wangen von solchen Abenteuern und Gefahren. [...] Überall warten auf uns Dschungel und Tiger. Gegen die Meinung einer ganzen Klasse stehen, die große Klappe der Wichtigtuer nicht fürchten kann schwerer sein als eine Tigerjagd. Wer ein junger Christ sein will, darf sich nicht fürchten. Vor Gott wie ein Kind, vor den Menschen wie eine Mauer, so muß er dastehen.“62 2. In der oben beschriebenen Passionslegende gehen erzählte Geschichte und Frömmigkeitsspra- che ineinander auf. Dieser Wechsel der Illokution war häufiges Muster im vorkonziliaren ka- tholischen Schrifttum. Selbst in der Darstellung des Tübinger Dogmatikers Karl Adam über das ‘Wesen des Christentums’, einer akademischen Ringvorlesung, schließen einzelne Kapitel mit Frömmigkeitsformeln. Im Zusammenhang vorkonziliaren epischen Erzählens nun bekamen solche intertextuellen Verweise eine besondere Funktion. Als Beispiel nehme ich die Hinrich- tungsszene aus Wilhelm Hünermanns ‘Herrgottsschanze’: Als die Nonne zur Guillotine hin- aufsteigt, singt sie das Magnificat, zwischen dessen einzelnen Abschnitten die zornige Reaktion des Gerichtspräsidenten und die ergriffene Stimmung des Publikums geschildert wird. Der (deutsche) Magnificat-Text durchbricht für Momente den Prozess des Lesens und legt dem entsprechend kundigen Leser den frommen Nachvollzug nahe, um so mehr, als diese Reaktion auch in den epischen Kontext eingeschrieben ist: „Wie erstarrt war die große Volksmenge, als geschehe vor ihren Augen ein unfaßbares Wunder. Selbst der Trommler vergaß den Todeswirbel zu schlagen. Viele der anwesenden Christtreuen begannen laut zu weinen und zu schluchzen. Irgendwo fingen ein paar Frauen laut zu beten an. [...] Dumpf ras-// selte jetzt die Trommel, und doch schwebte über ihrem Dröhnen wie ein klin- gendes Licht das Lied der Geopferten: [...]“63 Zu dieser impliziten Perspektivierung, die die historische Distanz zwischen dem Erzähltem und dem Lesevorgang aufhebt, gehört auch der Gebrauch von sprachlichen Mustern, die auf den 61 Von den eigenen Eltern als von ‘dem Vater’ oder ‘der Mutter’ zu reden, war damals noch gebräuchlich. Ob es sich dabei um ein zeit-, schichten- oder konfessionsspezifisches Phänomen handelt, konnte ich nicht ermitteln. 62 Scheideweg 1950, H. 1, S. 13. 63 Hünermann 1950, 229//230. - D.5.b - 308 Lebenszusammenhang eines gläubigen Katholiken referieren,64 beispielsweise die Schreibung ‘hl.’ für alle Flexionsformen des Attributs ‘heilig’: Signatur des Konfessionell-Katholischen wie auch dessen fortwährende Bestätigung. (ii) Genrekonventionen Die katholische Milieuliteratur, die sich an wenig geübte Leser und an Jugendliche richtete, bestand seit jeher vorzugsweise aus kurzen Texten: Geschichten, Heiligenlegenden, Märtyrer- legenden etc.. Nach 1945 ist in den Programmen der katholischen Verlage zunehmend auch die moderne Gattung der Kurzgeschichte vertreten, wie überhaupt damals die Kürze von Texten als Signum des Modernen gesehen wurde, das den Zeitgenossen ansprechen könne: „In diesen unseren Tagen werden die Bücher oft kurz werden bis herab zum schlagwortartigen Werbezettel im Kramladen eines kleinen Dorfes. Es wird Erzählungen von wenigen Seiten Länge geben, und selbst in der Schallplatte werden wir eine neue Form des Buches zu erkennen ha- ben.”65 Auch die Erfolgsromane des katholischen Milieus entwickeln ihre Darstellung aus der kleinen überschaubaren Szene heraus.66 Typisch für die traditionellen katholisches Genres (Legende, Märtyrergeschichte etc.) ist zudem, dass sie von ihrer Struktur her kodiert sind. Ein Autor wie Erwin Rommerskirch67 konnte also darauf vertrauen, dass seine Leser in der Lage waren, be- stimmte Rezeptionsmuster abzurufen. Auf das solcherart im katholischen Lesepublikum einge- übte Rezeptionsverhalten rekurriert ein Verfahren, das ich als ‘Genrekompilation’ bezeichne und das auf die Signalwirkung bestimmter Genres setzte. Exemplarisch lässt sich das Prinzip der Genremischung und seiner persuasiven Konsequenzen an dem Buch des Paters Alois Re- gensburger aufzeigen, in dem dieser über seine Missionarstätigkeit in China und seine Vertrei- bung 1954 durch die Kommunisten berichtet.68 Das Buch firmiert als reiner Tatsachenbericht;69 dieser jedoch ist in mehrfacher Brechung literarisch vermittelt. 64 Vgl. dazu auch das Kapitel über die Novellen von Erwin K. Münz (D.5.a). 65 Behn 1945, 24 (anlässlich der Zentenarfeier des Borromäus-Vereins im Juni 1945). Vgl. dazu auch Kap. D.2.a. 66 Wilhelm Hünermanns ‘Herrgottsschanze’ war auf dem Frontispiz nicht als Roman ausgewiesen, sondern als eine Folge von ‘Erzählungen’, die natürlich im Ganzen eine zusammenhängende Handlung wiedergaben. 67 Vgl. Kap. D.5.b.i. 68 Das Buch erschien im November 1961 in der Steyler Verlagsbuchhandlung, Kaldenkirchen; zit. ist nach der 4. Auflage 1963. Die Verfolgung der katholischen Kirche im kommunistischen China hatte 1950 eingesetzt, und das Thema fand im deutschen Katholizismus der fünfziger und frühen sechziger Jahren eine breite Aufmerksamkeit, vor allem, wenn es sich um Augenzeugenberichte handelte. 69 Auch dies ein feststehender Topos in den Missions- und Märtyrergeschichten. In Tilmann, K. 1949, einem ‘Tatsachenbericht aus der Geschichte der Kirche in Fern-Ost’ (im frühen 19. Jahrhundert), sind Fotos eingefügt, deren Bildunterschriften auf den Text Bezug nehmen. Das Foto der Stadtmauer von Wijou beispielsweise trägt den Vermerk: „Rechts der Bach mit dem Durchlaß, durch den die ersten europäischen Missionare nach Korea gekro- chen sind“ (ebd., 32-33). - D.5.b - 309 Zunächst wird Regensburgers Bericht strukturiert durch Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, wie sie im damaligen katholischen Tiefendiskurs für die in „eine artfremde Welt“70 hineinwir- kende Missionstätigkeit ausgeprägt sind: Die Chinesen, durchweg als naiv, teilweise unbehol- fen dargestellt, stehen auf einer kindlichen Stufe zivilisatorischer Entwicklung und bedürfen der tatkräftig ordnenden Hand des Europäers. So weit der eurozentrische Blick, der auch in der unterhaltenden Abenteurerliteratur des 19. Jahrhunderts begegnet und der deshalb beim Leser entsprechende Rezeptionsautomatismen evo- zieren mag.71 In dem Topos beispielsweise des Wirkens mit angelernten medizinischen Kennt- nissen und Mitteln aus der Hausapotheke, das bei den Einheimischen ehrfürchtige Dankbarkeit hervorruft,72 konnte ein Leser der 1960er Jahre Klischees bestätigt finden, wie sie ihm mögli- cherweise aus Karl Mays ‘Blaurotem Methusalem’ bekannt waren. Aus dem Topoi-Fundus der (fiktiven wie nicht-fiktiven) Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts stammt auch der des Europäers, der durch Chuzpe und resolutes Auftreten die ebenso anmaßenden wie unfähigen Vertreter der lokalen Polizeibehörde übertrumpft.73 Es sei dahingestellt, ob Regensburger, der 21 Jahre als Missionar in China tätig war, diesen Klischees selbst aufgesessen ist;74 jedenfalls vermittelt er sie als solche.75 Zugleich zählen - darauf weisen die katholischen Jugendzeitschriften und Jungenbücher dieser Zeit stets hin - Tatkraft und die Missionsbereitschaft zu den hochgewerteten Eigenschaften eines katholischen Jungen;76 der Missionar Regensburger, wie er in dem Bericht dargestellt ist, fun- giert also als idealtypische ‘imago’ der katholischen Auseinandersetzung mit der Welt. Innerhalb dieses Schemas nun begegnen dem Leser im wesentlichen zwei Ausprägungen von Kindlichkeit, die bösartige, anarchisch-grausame etc., verkörpert durch die Kommunisten und die feindlichen japanischen Truppen, und die folgsame, fromme etc., verkörpert in der großen Mehrheit der katholischen Landbevölkerung, insbesondere natürlich in den chinesischen Ka- tholiken. Dem katholischen Leser ist eine solche Sichtweise aus der Oben-Unten-Gliederung bekannt, in der - überspitzt formuliert - das Kirchenvolk auf die weltanschauliche Anleitung des Klerus wartet. Das Schema wird zusätzlich dadurch evoziert, dass die unwürdige Behandlung der Priester, die im vorkonziliaren Katholizismus eine mythisch überhöhte Stellung einnahmen, eine äußerst detailreiche Darstellung erfährt.77 70 Regensburger 1961/1963, 12. 71 Gegen eine Schrift wie die von Regensburger wäre kontrastiv zu lesen Abegg 1957, der Reisebericht einer schwei- zerischen Ostasienkorrespondentin, die die jeweiligen weltanschaulichen Unterschiede in ausgesprochen zivilem Tonfall markiert. Abegg ihrerseits verarbeitete Material aus der ‘China News Analysis’, einem damals in Hongkong erscheinenden wöchentlichen Informationsblatt jesuitischer Provenienz. In der China-Darstellung des damaligen katholischen Diskurses begegnen also durchaus auch andere Facetten als die Ausrichtung entlang des milieuspezifi- schen Märtyrer- und Missionstopos’, wie sie sich bei Regensburger ausprägt. 72 Regensburger 1961/1963, 58ff., 120, 199, 201f. 73 Ebd., 200ff. 74 Ich danke Dr. med. Brunhilde Menche-Schuh (Hamburg) für den Hinweis auf Omura 1982. Hier wird die von Regensburger beschriebene Augendiagnostik ausführlicher erörtert, auch hinsichtlich ihrer diagnostischen Treffsi- cherheit (ebd., 149), die bei Regensburger schlicht vorausgesetzt ist. 75 Ich beziehe mich hier auf den bei Deschner 1991, 23ff. entwickelten Kitsch-Begriff. 76 Im Sinne der christlichen Phalanx. Vgl. etwa Rommerskirch 1950, 32: „Wir wollen im Gottesreich den Jungen, der schafft, weil wir den Mann der Tat wollen.“ (s. auch Fußnote 18 in diesem Kapitel) 77 Regensburger 1961/1963, 190ff. und passim. - D.5.b - 310 Wie nun stellt sich die Kompilation verschiedener Genres dar, die ihrerseits - von dieser An- nahme gehe ich hier aus - auf bestimmte Rezeptionserwartungen treffen?78 Die Schilderungen des missionarischen Alltags sind von vorwiegend parataktischer Syntax; eine Hypotaxe geht selten über einen Nebensatz hinaus. Dies und die teilweise langen Reihungen auffallend kurzer Sätze sind Signaturen betonter Schlichtheit, die mit der häufig klischeehaften Darstellung ka- tholischen Lebens korrelieren:79 „Auch bei meinen Christen hatte es sich bald herumgesprochen, daß meine Gartentür zugemau- ert war. Jetzt wußten sie, wo sie sich ungestört aussprechen konnten, wo sie hinkommen konnten mit ihren Sorgen. Und sie kamen zu allen Zeiten des Tages. Gott allein weiß, wie viele in dem kleinen Zimmer die heiligen Sakramente empfangen haben.“80 oder: „Meine brave Pförtnerin war eine mustergültige Frau, aber wenn sie eine kommunistische Uni- form sah, dann war das für sie, was das rote Tuch für den Stier ist, dann konnte sie sehr aufge- regt werden.“81 Eingefügt sind zum Teil längere argumentierende Abschnitte, die das kommunistische System darstellen. Verschiedentlich werden die Verbesserungen, die die kommunistische Machtüber- nahme mit sich gebracht habe, argumentativ abgewogen gegen deren inhumane Effekte.82 Im- mer wieder wird die Darstellung resümiert, ohne dass an den Leser anders als indirekt appelliert würde.83 Selbst in dem am deutlichsten auf die Gegenwart des Rezipienten bezogenen Hinweis ist der Appell nur indirekt formuliert: „Erst wenn die Christen der freien Welt ihre materialistische Lebensweise aufgeben, erst wenn sie sich wieder voll und ganz zum Kreuze Christi bekennen und ihren Glauben durch eine selbstlose, opferbereite Liebe bestätigen, erst dann wird der Kommunismus zum Stehen gebracht und überwunden werden.”84 Eine ähnliche argumentative Struktur liegt implizit auch den anderen Darstellungen zugrunde, deren betont rationaler Gestus kontrastiv gegen die (sprachlich schlicht gehaltene) Darstellung 78 Das Buch des ebenfalls in China inhaftierten Priesters Dries van Coillie, das ein Jahr zuvor ins Deutsche übersetzt worden war und im deutschen Katholizismus ein breites Echo fand (dazu ausführlicher Meier, J. 1980, 177), ist demgegenüber ein betont nüchterner Bericht. Einschlägige katholische Rezeptionsmuster sind bei Coillie immerhin vorausgesetzt, wenn auch in der Negation: „Wahrscheinlich wird dieses Buch viele enttäuschen, die eine Reihe muti- ger Antworten, tapferer Taten und sich stets gleich bleibender Äußerungen eines nicht zu erschütternden Willens bis zum bitteren Ende erwarteten ... Nichts davon!“ (Coillie o.J., 471). Regensburgers Buch hingegen entsprach solchen Erwartungen; insofern war es Anfang der sechziger Jahre anachronistischer als das von Coillie. 79 Demgegenüber sind die Schilderungen aus der Gefangenschaft sprachlich durchweg komplexer aufgebaut. 80 Ebd., 196. 81 Ebd., 184. Eine nachgerade topische Beschreibung des ‘klassischen’ Pfarrhaushälterinnen-Typs. 82 Ebd., 138ff. und 157ff. 83 Beispielsweise in Form der Generalisierung: „Reis-Christen? Nein! Prachtvolle Menschen! Die Treue der [chinesischen] Christen zu ihren Priestern und der Kirche zeigte sich herrlich, als man begann, sie zu verfolgen.“ (ebd., 189) 84 Ebd., 192. Ende der 1950er Jahre hatte der deutsche Katholizismus wegen der Auseinandersetzungen um die Atombewaffnung erstmals Risse gezeigt. Der spirituelle Weg des antikommunistischen Kampfes, wie ihn zu dieser Zeit u.a. auch Johannes Leppich predigte (‘Dolce-vita Bolsche-Vita’; vgl. Kap. D.2.c), stellt also auch den Versuch dar, die Katholiken wieder geschlossen hinter die Bischöfe zu scharen. Ähnlich auch heißt es in den ‘Buchprofilen’ (vgl. Kap. D.4.b.i) über eine in München erschienene Dokumentation von Josef und Johann Schwendemann, die das Schicksal des ungarischen Primas Kardinal Mindszenty darstellte: „Nur Glaube, Standhaftigkeit und Gebet können Gott veranlassen, die Geißel des Bolschewismus von den Ländern des Ostens zu nehmen und unser Land davor zu bewahren. Die Mission des Buches ist darin zu sehen, daß es aufklären und aufrütteln soll.“(Heft 1/1959, S. 2256) - D.5.b - 311 der Ursprünglichkeit, Freundlichkeit, Toleranz etc. des alten Chinas absticht. Aus der Darstel- lung des kommunistischen Systems entwickelt Regensburger Genrebilder, die bis ins Sprachkli- schee hinein auf das Idealbild der gut katholischen Familie setzen und dabei eine Verantwor- tung betonen, die der katholische Leser aus seinem Katechismus kennt, nämlich das Beten für die Sünder: „Ich war überrascht, und er [sc. mein Besucher] merkte das wohl auch. Da nannte er seinen Vornamen: Josef, seinen Familiennamen und seinen Heimatort. Jetzt erkannte ich ihn. Ich hatte ihn zwar noch nie gesehen, aber ich kannte seine Familie. Sie hatten mir viel von ihm erzählt. Es waren brave Leute und gute Christen. Seine Mutter hatte mir oft von ihrem mißratenen Sohn er- zählt, der schon viele Jahre bei den Kommunisten sei und ihr maßloses Leid bereite. [...//...] Wie viele solcher Josefs mag es sonst noch geben! Er ist sicher nicht der einzige. Er hatte eine gute Mutter, die für ihn betete, daß er nicht verlorengehe. Ich bin davon überzeugt, daß Gott Mittel und Wege hat, ihr Gebet zu erhören. Wie viele Josefs aber haben keine Mutter, die für sie betet. Ich kann nur wünschen, daß viele meiner Leser eine solche Mutterstelle für einen Josef über- nehmen.”85 Eine dem katholischen Leser bekannte Textsorte sind eingeschobene Meditationen; bei Re- gensburger finden sie sich in unterschiedlicher Länge. Es handelt sich um Betrachtungen, deren Ausgestaltung dem Leser überlassen bleibt86 oder die in scheinbar spontanem Schwung entwik- kelt sind. Die Meditation über die Schwestern der Aussätzigenkolonie87 beispielsweise setzt ein mit der Beschreibung der karitativen Arbeit und fokussiert dann auf den Idealtypus der katholi- schen Schwester, die das bereits Gesagte auf einer allgemeineren Ebene wiederholt und zum genrehaften Frömmigkeitsbild stilisiert: „Hier beginnt der stille Kampf der selbstlosen, heroischen Liebe der Aussätzigenschwester mit der hoffnungslosen Verzweiflung der Aussätzigen. Die Schwester nähert sich diesen Gemiede- nen. Ihre Klagen hört sie geduldig, ja aufmerksam an. Ihre Vorwürfe aber erwidert der Engel der Liebe mit einem schmerzlichen, mitleidigen Blick. Und die Liebe siegt!“88 Die Meditation lässt die ‘imitatio Christi’ mit der Selbstaufopferung der Schwester im Tode und ihrer Verklärung enden. Der irdischen Schwester aber folgt sogleich eine andere, die die Reihe der Aufopferung würdig fortsetzt - ein impliziter Appell an die tätige Nachfolgeschaft des Lesers (bzw. der Leserin), der zwar nicht ausgesprochen ist, der aber im Rahmen einer kir- chentreuen katholischen Sozialisation nicht wenig wirksam gewesen sein dürfte: „Der letzte Funke aber ihres erlöschenden Lebens wird von den Engeln vor Gott hingetragen und hineingesenkt in das unendliche Feuermeer der göttlichen Liebe. In Gott ersteht die Aussät- zigenschwester neu, ewig neu, göttlich schön und ewig glücklich.“89 85 Regensburger 1961/1963, 132//133. Auch diese letzte Aufforderung, für ihres Glaubens wegen Verfolgte zu beten, häufig mit Schilderung der näheren Umstände und des Namens, findet sich sehr häufig in katholischen Ju- gendzeitschriften dieser Zeit. 86 Eines der kürzeren Kapitel endet mit den Worten: „Und der Aussätzige! Wie gerne hätte er seine Augen geopfert, wenn er damit den Aussatz losgeworden wäre. War es unweise, daß der Himmelsvater seinen Erdenkindern nicht die Wahl überlassen hat? -“ (ebd., 57). 87 Ebd., 52ff.. Bereits der biblische Begriff des ‘Aussätzigen’ transponiert die Erzählung in einen überzeitlichen Kontext. 88 Ebd., 52. Die Schilderung greift stilistisch Clemens Brentanos ‘Charakteristik der barmherzigen Schwestern als Kranken- und Armenpflegerinnen’ auf (abgedruckt in: Brentano-Ausgabe 1985, 17-68). 89 Ebd., 54. - D.5.b - 312 Diesen letzten Schritt, also den impliziten Appell als solchen zu erkennen, konnte Regensbur- ger voraussetzen, weil dem zeitgenössischen katholischen Leser entsprechende Rezeptionsmu- ster aus seiner Jugendlektüre bekannt waren. In dem Buch von Rommerskirch nämlich, das explizit an junge Leser gerichtet ist, münden die Meditationen (über die Frische, das Tätig- Sein, die Freude, das Jung-Sein, die Zucht etc.) durchweg in direkte Appelle: Über ‘Das große Zeichen’ (sc. das Kreuzeszeichen) heißt es am Ende: „So lege auch du diese Rüstung an!“90 Und die Meditation über die Ernte endet mit den Worten: „Wir wollen einmal Garben sein, reiche und fruchtschwere, die Gott selber heimbringt in seine Scheuer.“91 Die Textsorte schließlich der Märtyrerlegende erlaubte es Regensburger, die Schilderung des eigenen Schicksals - das nichts weniger als die Situation des Katholiken in der (feindlichen) modernen Welt exemplarisch darstellen sollte - an einer Reihe von vorbildhaften Personen zu amplifizieren. Das Genre der Märtyrerlegende ist jedoch nicht durch textuelle Merkmale ge- kennzeichnet, sondern durch seine appellative Struktur, die das Vorbildhafte als Bild generier- te. (iii) Appellstruktur des Vorbildlichen Das in der katholischen Erziehung vermittelte makellose Tugendideal fand seinen Niederschlag auch in der katholischen Kinder- und Jugendliteratur. Den Gesetzen des Literarischen zufolge wurde es kontrastiert durch ein widerchristliches, in der Regel feindseliges Wertesystem. Die- ses Modell der krassen Entgegensetzung entwarf ein dichotomisches Handlungsspektrum, das die Orientierungsvielfalt in der realen Erfahrungswelt zugunsten eines erwünschten idealen Verhaltens negierte. Damit allerdings wäre die Wirkungsfunktion der katholischen Kinder- und Jugendliteratur nur ansatzweise erfasst. Der Juxtaposition zweier Wertbereiche allein eignet noch nichts Appellatives.92 Das gilt ebenso für das (literarische) Exemplum, das zwar Interesse beansprucht, dem aber aus sich heraus nichts Appellatives eignet.93 Nur scheinbar widerspricht die Exempelverliebtheit ba- rocker Predigten diesem Befund. Bei einer Predigt ist es jedoch der institutionelle Rahmen, der die Vermittlung verbürgt. Seit den Anfängen katholischer Kinder- und Jugendliteratur im 18. Jahrhundert standen deren Autoren vor dem Problem, die Vermittlungsleistung vom institutionel- len Rahmen in die (tendenziell entpragmatisierte) literarische Kommunikationssituation zu trans- ponieren. 90 Rommerskirch 1950, 101. 91 Rommerskirch 1950, 91. 92 Davon nämlich geht Michael Klöcker aus, der einige Strukturmomente dieser Vorbildlichkeit erarbeitet hat (vgl. Klöcker 1991, 200ff.). 93 Diese beiden Aspekte verwechselt auch Mendl 1995, 38. - D.5.b - 313 Damit die appellative Struktur literarisch ‘funktioniert’, bedarf sie einer spezifischen Vermitt- lung. Zum einen kann diese darin bestehen, dass der Eigenbereich ausdrücklich auf- und der Fremdbereich ausdrücklich abgewertet wird. Die Technik solcher Suggestion hat Christa Roh- de-Dachser am Beispiel katholischer Kleinschriften ausführlich nachgewiesen.94 Zum anderen wird der Appellcharakter des Vorbildlichen im Verlauf einer christlichen Sozialisation regel- recht erworben: Zentrales Strukturelement der christlichen Überlieferung ist die Darstellung des konkret Vorbildlichen, aus der heraus eine ebenso konkrete Handlungsanweisung folgert: „So geh hin und tu desgleichen“,95 wie die aus dem Samariter-Gleichnis resultierende Konse- quenz lautet.96 Biblisch gesehen handelt es sich um die Nachfolge Christi, die nach christli- chem Verständnis jedem Menschen aufgetragen ist, wenn auch - den individuellen Möglichkei- ten entsprechend97 - graduell unterschiedlich. Guardini formulierte 1948, der Mensch sei aufge- fordert, „im Glauben zu leben, in Jesu Nachfolge die Metanoia der Gesinnung und des Denkens sowohl wie der Umformung der ganzen Lebens- und Seinsgestalt zu vollziehen”,98 und 1954 hieß es in einer Materialsammlung für die Kinderpredigt: „Zum wahren Lebensglück hier auf Erden und erst recht in der Ewigkeit wollen Christus und seine Kirche uns alle führen. Dazu gelangen wir, wenn wir Christi treue Jünger sind. Allerdings fällt dieses Lebensglück keinem ohne weiteres in den Schoß. [...] Christus fordert von seinen Jüngern die tägliche Selbstüberwindung, die zur Kraft der Selbstbeherrschung führt. Ferner for- dert Christus von seinen Jüngern, daß ‘sie immer beten und nicht nachlassen’.“99 Die ‘Imitatio Christi’ des Thomas von Kempen, das wichtigste Andachtsbuch der katholischen Überlieferung, fasst solche Postulate in eine alltagstaugliche Form, indem es ein breites Spek- trum von Weltweisheit, Frömmigkeitspraxis und Glaubenslehre in kleinschrittige „Impulse“100 aufteilt, nämlich kleine Sinnsprüche, rhetorische Fragen, Imperative etc.. In der vorkonziliaren katholischen Jugendliteratur wurden also nicht lediglich Rollenmuster bereitgestellt.101 Das Persuasive von „Identifikationsfiguren“102 liegt vielmehr darin, dass die Perspektive des Lesers in einer Weise gelenkt wurde, die mit dessen sozialisationshaft vermit- telten Wahrnehmungsgewohnheiten weitgehend übereinstimmte. Vereinfacht ausgedrückt: Es handelt sich um Literatur, die sprachlich und imaginativ an die Muster katholischer Weltwahr- 94 Vgl. Rohde-Dachser 1970, hier insbesondere S. 65ff. 95 Lk 10, 37. 96 Bei Schmidt, Josef 1991 ist dieser Aspekt lediglich als historisches Phänomen im Bereich der konfessionell- katholischen Apologetik der Kulturkampfzeit abgehandelt. 97 In katholischen Katechismen jener Zeit ist die Rede von „der unserm Stande angemessenen Vollkommenheit“ (Katechismus o.J., 164). 98 Guardini 1948a, 94. 99 Czeloth 1954, 5. Demgegenüber galt als eine der sieben Hauptsünden, „wenn man dem natürlichen Widerwillen gegen Mühe und Anstrengung nachgibt und so seine Pflichten vernachlässiget.“ (Katechismus o.J., 158) 100 So R.F.Edel in seiner Einführung zu Nachfolge Christi 1976, 9. 101 Vgl. Kap. D.3.b.ii. 102 So Schmidt (S. 1994, 143), die die „Exempelstruktur“ (ebd.) katholischer Jugendliteratur als solche einfach voraussetzt, den Anspruch der ‘imitatio’ hingegen auf die Legende beschränkt. - D.5.b - 314 nehmung anknüpfte. Die idealisierte, völlig makellose Vorbildhaftigkeit nämlich, deren psycho- logische Unmotiviertheit und Weltfremdheit in den Jahren vor dem Zweiten Vatikanum immer deutlicher wurden, fand ihre diskursive Legitimation im Missions- und Märtyrerdiskurs, einem der zentralen Muster katholischer Selbstdefinition von der Gegenreformation bis zum Zweiten Vatikanum. Es beruhte auf der Vorstellung, sich zwar im Besitz der vernunftgemäßen Wahrheit zu wissen, diese aber angesichts einer feindlichen Welt - „im Kampf der Geister, für oder ge- gen Christus“103 - verteidigen zu müssen. Die zentrale Rolle nahm dabei der Papst ein, der exemplarisch sowohl den Kampf der christli- chen Phalanx anführte als auch das christliche Erdulden von Verfolgung verkörperte. 1949 wurde anlässlich des fünfzigjährigen Priesterjubiläums von Pius XII. (Eugenio Pacelli) in der Jungscharzeitschrift ‘Am Scheidewege’ an dessen Kindheit erinnert. Stilmittel ist das Präsens der ‘fiktiven Realsituation’,104 und zur kommunikativen Vergegenwärtigung trägt noch bei, dass nicht nur jeder Hinweis auf die adelige Herkunft des Papstes unterbleibt, sondern dass eine Fa- milienidylle fast kleinbürgerlichen Zuschnitts dargestellt ist: „Eugenio wird nie müde, ihm [sc. seinem Onkel] zuzuhören, wenn er von den Glaubensboten berichtet, die für ihren Glauben mit Pfeilen erschossen, an den Marterpfahl gebunden oder sogar an ein Kreuz gebunden werden. Mit weitgeöffneten Augen hört der Junge zu, dann aber ruft er voll Feuer aus: ‘Auch ich will Martyrer werden ..., aber ohne Nägel!’ Verfolgt, verspottet, verleumdet und geschmäht - so steht heute die Kirche in vielen Völkern da. Und alles Leid der verfolgten Christen trägt das Herz des Vaters in Rom.“105 Das Märtyrerparadigma erlaubte, die moralische Legitimität des gegenwärtigen ‘Kampfes’ gegen Materialismus und Kommunismus konnotativ mit der Erinnerung an die Leiden einzelner Katholiken unter dem nationalsozialistischen Regime zu verknüpfen;106 häufiges Thema in der katholischen Jugendliteratur war auch die Mission in Fernost. Folgende Sätze in Kunkels ‘Jugendbrevier’ fassten einen Appell in Worte, der dem katholischen Jugendlichen in seinem Schrifttum fast durchweg begegnete: „In den Missionen blutet das Mutterherz der Kirche, weil die Ernte so groß und der Arbeiter so wenig sind. [...] Der flehentliche Ruf der Kirche nach Arbeitern im Weinberg ist der Ruf Christi. Er soll euch, ihr Jungen und Mädchen, ins Herz treffen, daß doch der eine oder andere sich ent- schließt, den Apostelberuf zu wählen.“107 In der Literatur des katholischen Tiefendiskurses wurde das Märtyrerparadigma immer wieder in kleineren Szenen bildhaft-emblematisch fixiert. Auch im Kontext längerer Texte sind diese Szenen als eigenes Genre wiedererkennbar; sie stellen damit fast so etwas wie literarische Hei- ligenbilder dar. Sowohl die Struktur dieser Bilder als auch ihre Einbindung in einen erzähleri- schen Gesamtzusammenhang lassen sich exemplarisch bei Regensburger darstellen. In seinen China-Bericht sind kurze aufeinanderfolgende Geschichten über „heldenhaft katholische 103 Katholikentag 1952, 145. 104 Vgl. Kap. D.5.b.i. 105 Scheideweg, H. 1/1949, S. 7. 106 Etwa in der ‘Gedächtnisfeier für die Martyrer’ auf dem Katholikentag August 1952, auf der der „Blutzeugen des vergangenen Jahrzehntes“ (Katholikentag 1952, 408) gedacht wurde, was also auch die Zeit nach 1945 mit ein- schloss. 107 Kunkel 1953, 688/7689. - D.5.b - 315 Christen“108 eingefügt, die die Standhaftigkeit gegenüber der kommunistischen Verfolgung exemplarisch belegen sollen, und das Proömium, mit dem die Abfolge der Geschichten einge- leitet wird, bindet in den Zusammenhang von Kirche und Märtyrertum implizit auch den Leser ein: „Derselbe Heilige Geist, der in der alten Kirche wirkte, ist auch mit der verfolgten Kirche in China und wirkt sichtbar in ihr.[109 ] [...] Wie in allen Verfolgungen in der Geschichte sind auch aus der chinesischen Kirche die Fahnenflüchtigen weggelaufen. Aber eine nicht geringe Zahl von Helden blieb, Helden, die trotz aller Verfolgung an ihrem Glauben festhielten und Zeugnis ablegten für Gott und seine größere Ehre und die Erhaltung der Kirche in China.“110 Regensburgers Märtyrerbilder zielten also auf die Situation des einzelnen Lesers unter den Be- dingungen des erodierenden katholischen Milieus. Die einzelnen Geschichten, von der nur eini- ge eindeutig als authentisch markiert sind, werden durch ihre emblematische Struktur sowohl beglaubigt als auch aus dem Kontext der Gesamtdarstellung herausgehoben. Als ‘subscriptio’ dient der zitierte einleitende Abschnitt. Die ‘inscriptio’ wird gebildet durch die Treue zur Kir- che, die wiederum in einen Komplex verschiedener Tugenden aufgeteilt ist: (kindliche) Lauter- keit, Standhaftigkeit, Mut, Selbstlosigkeit etc. Die ‘picturae’ schließlich zeigen durchweg Kin- der und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren,111 was die Identifikation durch den Leser nicht wenig erleichtert haben dürfte, denn damit war der im Matthäus-Evangelium formulierte Auf- trag an die Gläubigen in concreto belegt: „Wenn ihr nicht umkehrt [!] und werdet wie die Kin- der, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“112 Zu dieser Aktivierung trug auch bei, dass die Tugendhaftigkeit von Regensburgers Protagonisten zwar übersteigert war, jedoch noch im Bereich des Glaubhaften blieb.113 Aus all dem folgert: Implizit stellten die Märtyrergeschichten die Frage nach der Glaubensfestigkeit des Lesers. Inscriptio: Pictura: (kindliche) Treue Junge trägt die Muttergottesmedaille an einem Draht um den Hals: „So kann sie mir der Lehrer nicht abreißen!“114 Mädchen schützt Krankheit vor, um unbemerkt zur Taufe gehen zu können: „Der Arzt [...], den sie brauchte, war nicht der Arzt für den Körper, sondern der Arzt für die Seele, der Priester.“115 108 Regensburger 1961/1963, 176. 109 Analog dazu wird der Kommunismus, der „so sehr aus dem Rahmen alles menschlichen Gebarens und Gesche- hens“ (ebd., 140) herausfalle, mit satanischen Einflüssen erklärt; eine These, die auch noch in der heutigen Litera- turtheologie begegnet, etwa bei Pottier (1994, 375). 110 Regensburger 1961/1963, 176. 111 Die einzige Ältere, eine Studentin, begegnet den Beschimpfungen des Richters mit „der Ruhe und Einfalt eines Kindes“ (ebd., 177). 112 Mt 18, 3. 113 Noch in den fünfziger Jahren konnten derartige Szenen in ihrer Drastik verweilen, etwa in Klemens Tilmanns viel gelesenen ‘Todesverächtern’ die Schilderung des dreizehnjährigen Christen Peter, der in einem koreanischen Ge- fängnis gefoltert wird, bis er „zerfleischt und mit zerbrochenen Knochen“ daliegt. Die fast obszön anmutende Detail- verliebtheit der Folterbeschreibungen wird dann noch überboten: „Aber als wollte Gott seine ganze weltüberwinden- de Macht in diesem Kinde offenbaren, - der Junge blieb heiter und froh in allen Qualen. Einmal packte er einen Fetzen Fleisch, der von seinem Körper hing, riß ihn los und warf ihn den Richtern vor die Füße, so daß sie vor Haß und Staunen, vor Bewunderung und Scham nicht wußten, was sie sagen und denken sollen.“ (Tilmann, K. 1949, 59) 114 Regensburger 1961/1963, 177. - D.5.b - 316 Standhaftigkeit Prügel von der heidnischen Mutter; Entgegnung des fünf- zehnjährigen Mädchens: „Mama, ich kann es dir nicht sagen, wie lieb ich dich habe, aber ich muß Jesus und Maria noch lieber haben als dich!“116 Mut Franz, „einer der tapfersten meiner Jungmänner“,117 ver- weigert auf der Polizeiwache mit einem kräftigen Faust- schlag auf den Tisch die Zusammenarbeit mit den Kommu- nisten. Füreinander-Einstehen118 Ein „Waisenbub“119 kommt ins Gefängnis und wird darauf- hin von einer fremden Frau versorgt: „Als Katholiken [...] sind wir alle Brüder und Schwestern.“120 Ob es sich hier um reale Begebenheiten handelt oder um fiktive Erzählungen, die der Missions- Verlag Steyl im Hinblick auf den apostolischen Zweck121 des Buches eingefügt hat, ist im Hinblick auf ihre diskursive Funktion unerheblich. Im katholischen Tiefendiskurs wirkten sie als Bestätigung von bereits Gewusstem, das der Leser so oder ähnlich formuliert in anderen Zusammenhängen wiederfinden konnte, ohne dass sich das Problem der Urheberschaft stellte. Der ‘Scheideweg’ beispielsweise, eine Zeitschrift für katholische Jungschar-Jungen, veröffent- lichte Mitte der fünfziger Jahre eine Fortsetzungsgeschichte über eine Jungengruppe in einer chi- nesischen Missionsschule, die zwar fiktional war, aber - so der in jeder Folge wiederholte redak- tionelle Vermerk - auf einem „Tatsachenbericht aus China“ beruhte. Das Dezemberheft 1956 enthält eine Schilderung, die ähnlich auch bei Regensburger begegnet: „In einem Dorf trugen die Jungen und Mädchen ihre gesegneten Medaillen an einem Draht um den Hals, damit die kom- munistischen Lehrer sie ihnen nicht wegreißen konnten.“ Damit will ich nicht sagen, dass derlei nicht tatsächlich auch passiert ist, sei es, dass die Kinder auf diese Idee kamen, sei es, dass sie von Missionaren dazu angehalten wurden. Worum es mir geht, ist die Funktion dieser floatieren- den Elemente des katholischen Tiefendiskurses. Die aus der Märtyrergeschichte her tradierte diskursive Struktur, die der Selbstwahrnehmung des vorkonziliaren katholischen Milieus entsprach (der einzelne Katholik im Kampf gegen eine Schar von Feinden), fand seine Ausprägung auch im Missionsgedanken, einem der zentralen Themen im katholischen Jugendschrifttum der fünfziger Jahre. Zunächst war er übertragbar auf die alltägliche Lebenssituation des jungen Katholiken, dem die Vorbildhaftigkeit auch nach außen aufgetragen war, wobei sich die Bekehrungsabsicht nicht unbedingt auf eine Konversion, sondern zunächst auf bürgerliche Tugenden wie Ordentlichkeit, Aufrichtigkeit, Fleiß etc. rich- ten sollte: 115 Ebd., 180. 116 Ebd., 179. 117 Ebd., 180. 118 Ein im katholischen Diskurs hochkonnotierter Wert. Mit Angst besetzt dagegen war die Absonderung und Verein- zelung, das Nicht-mehr-zu-uns-Gehören. In der ersten Ausgabe der Mädchenzeitschrift ‘Die bunte Kette’ (April 1949) schrieb der Prälat Hermann Klens in seinem Geleitwort an die jungen Leserinnen: „Ihr alle seid nun die bunte Kette, und jede von euch ist ein Glied daran, [...] Und wir sind alle vereinigt durch den Faden, den so unscheinbar dünnen, aber ganz festen Faden, der alle Perlen der bunten Kette aufreiht. Das ist unser katholischer Glaube, der uns zusammengeführt hat und nun festhält! Wie schlimm müßte es sein, wenn diese oder jene Perle zerbräche und von dem Faden abfiele, so daß ihre Splitter im Straßenstaub liegenbleiben oder sonst irgendwo in der Dunkelheit der Welt!“ 119 Regensburger 1961/1963, 181. 120 Ebd. 121 Vgl. ebd., 239. - D.5.b - 317 „[...] Dann aber erobern wir die Klasse für unseren Herrn. [...] Die Klasse ist unser Missions- land. Wie der Missionar mußt du dich darauf vorbereiten. Nur ein Unterschied besteht. Du bist nicht alleingelassen in der Klasse. Deine Jungscharkameraden sind bei dir. Mit ihnen kannst du dich beraten und dann vorgehen. Die Klasse muß unser sein! Das Kreuz an der Klassenwand ist uns tägliche Mahnung.“122 Zugleich ließ sich das Missionspathos in ‘abenteuerliche Situationen’ in Geschichte und Ge- genwart übertragen, an denen zumeist nur der äußere Rahmen authentisch war. Am Beispiel von Erwin K. Münz komme ich darauf zurück.123 Die katholischen Jugendzeitschriften begründeten ihre Invektiven gegen die ‘Schmutz-und- Schund’-Literatur nicht mit dem krude Abenteuerlichen oder dem Schablonenhaften der Heftchen, sondern häufig damit, dass es sich hier (1) um erfundene Geschichten handele, die sich (2) - auch wenn die Western- oder Comichelden zumindestens formal auf der Seite ‘der Guten’ standen - nicht einer ethischen Wertsetzung, sondern bloßem Geschäftskalkül verdank- ten. Beide Argumente liefen ins Leere. Das zeigte sich daran, dass bei den Umtausch-, Heftchengrab- oder Scheiterhaufenprojekten stets auch immer kirchliche Hefte abgeliefert wur- den. Offensichtlich war für die jugendlichen Leser, von moralisch-ethischen Aspekten ganz abgesehen, das Fiktive allein kein alltagstaugliches Unterscheidungskriterium. Man müsste sogar sagen: Ein Jugendlicher, hätte er ausschließlich die Druckerzeugnisse des katholischen Tiefendiskurses gelesen, wäre - soweit es seinen Lesestoff betraf - in der Unterscheidung des Fiktiven vom Realen möglicherweise auch gar nicht geübt gewesen. 122 Franken/Wisdorf 1955, 143. 123 Vgl. Kap. E.5.a. - D.5.c - 318 c) Darstellung des Katholischen Seit der durch Carl Muth angestoßenen literarischen Inferioritätsdiskussion wurde im katholi- schen Literaturdiskurs das Süßlich-Kitschige, Frömmelnde, der „Kitsch mit seinem vergiften- den Öl“1 perhorresziert. In seinem vielzitierten Buch ‘Kitsch und Christenleben’ (1950) hatte der Moraltheologe Richard Egenter den Kitsch mit der ‘Trägheit des Herzens’ erklärt: „Gerade die geringen Dosen jenes feinen Gifts der Akedeia sind auf die Dauer recht wirksam, bauen den sittlichen Widerstandswillen oder doch den frohen Mut zur ‘Erbauung’, zum sittlich- religiösen Aufbau der Persönlichkeit ab.”2 Als Gegenbegriff zum Kitsch fungierte im katholischen Literaturdiskurs die ‘Wahrheit’, die im Höhendiskurs, zu dem auch Egenter zu rechnen ist, an das thomistisch gedeutete Kunstwerk gebunden war:3 Der Kitsch, Inbegriff des ‘Nicht-Wahrhaftigen’, wurde also verstanden als Ausdruck „des zur Gestaltung drängenden [...] Erlebens“,4 mit anderen Worten: als Ausdruck des sich im künstlerischen Prozess verabsolutierenden Individuell-Ephemeren, das insofern schon dem Prinzip des ‘Kat-holischen’ und Vernunftgemäßen widerspreche. Im Tiefendiskurs lassen sich darüber hinaus verschiedene Argumentationsweisen unterscheiden, die das Wahre an Literatur stets in den Zusammenhang mit deren funktionaler Einbindung bringen. Selbst die Kategorie des ‘künstlerischen Werts’ - die als solche verhältnismäßig opak blieb - erhielt ihren Sinn innerhalb eines christlichen Lebenszusammenhangs, sei es in reflektierender, sei es in handelnder Hinsicht. Beispielsweise wurde 1948 in einer Jugendzeitschrift Werfels 'Lied der Bernadette' mit Maxence van der Meerschs ‘Menschenfischern’ verglichen, einem Roman über die Christliche Arbeiterjugend:5 „Nun würde uns allerdings das Kunstwerk dieses Romans von Franz Werfel kaum halb so viel interessieren, wie es das tatsächlich tut, wenn es nicht in diesem Werk um offensichtlich christli- che Dinge ginge. Andererseits aber erhebt sich die Frage, ob ein aus Treuherzigkeit und aus christlicher Gläubigkeit geschriebener Roman auf jeden Fall unser Interesse verdient, auch wenn er als künstlerisches Werk minderwertig genannt werden muß. [...] Ich bin der Meinung, die 'Menschenfischer' sind ein sehr schlechter Roman, aber dennoch ein christliches Zeugnis. [...] Ich halte es für notwendig, daß wir beim Lesen dieses Romans sehr vorsichtig sind. Ganz nebenbei möchte ich noch bemerken, daß die methodischen Anweisungen zur Arbeit, die er ent- hält, für unsere Verhältnisse in weitem Maße unbrauchbar sind.“6 Dass also ein Werk zugleich künstlerisch misslungen und christliches Zeugnis war, entband nicht davon, im Umgang damit ‘Vorsicht’ walten zu lassen. Empfohlen wurde in der Fol- 1 Heinrich Mertens, Katechismus des häuslichen Lebens, Recklinghausen 1953, 385ff.; zit. nach Klöcker 1991, 224. 2 Egenter 1950, 103. 3 Vgl. Kap. C.1.a.i.. 4 Egenter 1950, 18. 5 Im Literaturverzeichnis unter Meersch 1949. Der Roman endet mit einem Plädoyer für die apostolische Arbeit der Christlichen Arbeiterjugend. 6 Am Strom, Dezember 1948, S. 15. - D.5.c - 319 genummer dagegen Hünermanns „Der endlose Chor. Erzählungen zum Jahre der Kirche für Jugend und Volk’ (Herder-Verlag): „Wilhelm Hünermann bringt uns in lebendiger, packender Darstellungsweise Gestalt und Wesen der Heiligen in ihrer ganzen Lebensechtheit nahe, dem Gang des Kirchenjahres folgend. Eine Geldausgabe, die sich wirklich lohnt, - das Buch ist in gleicher Weise für den Heimabend zu ge- brauchen wie für das Leben der Familie daheim. -“7 Man kann davon ausgehen, dass der einzelne Kritiker ein Buch einfach dahingegehend bemaß, ob er die Sprache überzeugend fand8 oder ob sie ihm - hier kommt wieder die Funktionsbin- dung ins Spiel - für die intendierten Leser überzeugend erschien: „Man sollte das Buch nur reiferer Jugend in die Hand geben. Ob die aber noch Interesse hat an solchem Fahrtenla- tein?“9 Was als künstlerischer Wert beschrieben wurde, war also in Wirklichkeit eine Ausssage über die Stimmigkeit der Sprache, wie sie dann in den Empfehlungen des Borromäusvereins immer deutlicher auch zutage trat: „Aus dem Buch kann man allerlei lernen, leider ist es in einem sehr armseligen Deutsch geschrieben“, wie es in einer Besprechung aus dem Jahre 1959 hieß.10 Aber auch die Forderung nach Zeitgemäßheit war im katholischen Tiefendiskurs funktional zurückgebunden auf die Überzeugungskraft von Sprache. 1947 beispielsweise wurde in einer Rezension Klaus Brünes Jugenderzählung ‘Tip und seine Bande’ als Prototyp zeitgenössischer Jugendliteratur beschrieben, die, anders als die neu aufgelegte ältere Literatur, die Jugendlichen mit ihren Kriegs- und Nachkriegserfahrungen anspreche. Entscheidendes Kriterium war hier die Lebensechtheit der dargestellten Situation und der Sprache: „Eine Jungengeschichte, spannend bis zur letzten Seite und vor allem, da ist alles unmittelbar aus der Zeit gegriffen. Ein Junge spürt sofort, das sind Kerle wie wir auch, und ist ganz dabei. Wenn die Erählung am Schluß für uns Ältere auch ziemlich gewollt ausklingt, unsere Jungschär- ler werden von diesem Tip und seiner Bande bestimmt begeistert sein, denn das sind alles Jun- gen in derselben Lage wie sie, die sich auch trotz aller Zeitumstände nicht unterkriegen lassen und ihr eigenes Leben führen. Und so etwas brauchen wir heute für unsere Jungen. Hätten wir nur mehr Bücher, die aus der Lage der Gegenwart heraus geschrieben würden.“11 Im Verlauf der fünfziger Jahre löste sich das Problem der Darstellung des Religiösen zuneh- mend vom Postulat des Zeitgenössischen. In den ‘Buchprofilen’ schrieb Berthold Lutz über das religiöse Jugendbuch, es diene nicht der „Vermittlung religiösen Wissens“, sondern der „Vermittlung religiöser Haltung“.12 Abgelehnt wurde eine vordergründige oder aufdringliche 7 Am Strom, Januar 1949, S. 11. 8 Kriterien einer überzeugenden Sprache im religiösen Kinderbuch erörtert ausführlich Lussnigg 1962a, 46-52. 9 Buchprofile 1959, H. 1, S. 2176. In ähnlicher Weise an die Funktion von Lektüre gebunden waren die Überlegun- gen, die in der katholischen Büchereiarbeit hinsichtlich dessen angestellt wurden, was als noch akzeptierbare sog. ‘untere Grenze’ von Literatur gelten könne (einen Überblick über diese Diskussionen gibt Arbeitsgemeinschaft 1965). Hier ging es nicht um die Darstellung des Katholischen, sondern um den Gegensatz zwischen der „zuweilen schockierenden Begegnung mit den geistigen Strömungen unserer Zeit“ (ebd., 29) und einer „geistige[n] Schonkost“ (ebd., 31), mithin um die Überwindung des katholischen Bildungsdefizits. 10 Ebd., 2174. 11 Am Strom, September 1947, S. 32. 12 Lutz, B. 1959, 1. - D.5.c - 320 Darstellung von Religiosität; vielmehr solle das Religiöse gezeigt werden „als eine alle Le- bensbereiche durchgestaltende Kraft“,13 als „etwas Gediegenes, Echtes“:14 „Wir meinen mit religiöser Grundhaltung, daß die Religion in einer erfreulichen Selbstver- ständlichkeit den Hintergrund abgibt oder doch die eigentliche Relation darstellt zu den einzel- nen Aussagen.“15 Hier fanden auch die in den ‘Buchprofilen’ durchgängigen Hinweise auf besonders ästhetisch gestaltete Bücher ihren Platz: Das Ästhetische als Hebung des sittlichen Niveaus und eines weiten Mensch-Seins.16 Ausdrücklich wandte sich Lutz gegen eine Darstellung, die „aus einer zu engen Haltung geschrieben wurde“ und die der Leser, „wenn er gegen sich ehrlich bleiben will“, ablehnen müsse: „[...] etwa ein Buch, das ihn beinahe gewaltsam zum Priestertum oder Ordensberuf drängt. Es ist schon viel gewonnen, wenn wir ihm ein Buch zum gleichen Thema in die Hand geben können, das nun aber aus einer großen Ehrfurcht und inneren Freiheit geschrieben wurde.“17 In diesem Zusammenhang empfahl Lutz das Lesen von Literatur als Remedium gegen eine re- ligiöse Erziehung von allzu strenger Observanz: Für den „religiös überfütterten“18 Jugendli- chen seien Bücher sinnvoll, „die eine echte, herzliche, fröhliche und darum befreiende religiö- se Atmosphäre haben.“19 Als Beispiel führt er die biographischen Romane von Wilhelm Hü- nermann an: „Solche Stellen aber machen mehr als eine trockene Abhandlung deutlich, wie Religion, Beru- fung, Gottesliebe alle Bereiche des Menschseins erfassen, und der jugendliche Leser spürt, ohne sich dessen ausdrücklich bewußt zu werden, vielleicht doch die Verkümmerung, die mit einem bloßen Sonntagschristentum gegeben ist.“20 Auch in den Einzelbesprechungen der ‘Buchprofile’ wurde das prononciert Katholische abge- lehnt: „Der liebe Gott hat seinen selbstverständlichen Platz in diesem [im besprochenen Buch darge- stellten] Leben, eine seltene Tatsache, die das Buch für alle unsere Büchereien doppelt empfeh- lenswert macht.“21 Gefordert wurde stattdessen eine „innere Wahrhaftigkeit“,22 weil von der lebensfremden Dar- stellung katholischer „Musterknäblein“23 kein überzeugender Appell ausgehe. Über ein Magel- lan-Buch von Kurt Honolka hieß es gar: „Allzu betont wird an einigen Stellen ‘auf die alleinseligmachende Kirche’ und ‘das unchristli- che Benehmen der frommen Bekehrer’ hingewiesen."24 13 Ebd. 14 Ebd., 2. 15 Ebd., 1. 16 Den Gedanken der therapeutischen Wirkung von Kunst entwickelte im protestantischen Bereich Hartman, O. 1953 (vgl. Kap. B.2.b) 17 Lutz, B. 1959, 4. 18 Ebd., 3. 19 Ebd., 4. 20 Ebd., 3. 21 Buchprofile 1959, H. 1, S. 2238. 22 Ebd., 2199. 23 Ebd. - D.5.c - 321 Zunehmend wurde im katholischen Rezensionswesen das Schematische mit dem psychologisch Stimmigen kontrastiert. In seiner Ansprache zum Borromäus-Sonntag 1965 erklärte schließlich der Erzbischof von Köln, Kardinal Josef Frings:25 „Verhängnisvoll ist es [...], wenn durch eine allzu große Vereinfachung von Gut und Böse das menschliche Leben wirklichkeitsfremd und unredlich dargestellt wird.“26 Bereits 1959 war in den ‘Buchprofilen’ bei Luise Rinsers Erzählung ‘Geh fort wenn du kannst’ die psychologische Stimmigkeit als besondere literarische Qualität hervorgehoben worden: „Seit Gertrud von le Forts ‘Turm der Beständigkeit’ erstmals wieder eine katholische Erzählung von Rang! Die innere Wandlung Angelinas, die Loslösung aus ihrer kommunistischen Welt, das zunächst unbewußte Eingehen auf den Ruf von oben, ihre innere Not und die Scheu, sich ande- ren zu offenbaren, sind psychologisch meisterhaft erzählt. Hier ist nichts von ‘katholischen’ Zweckerzählungen, die erbauen, belehren und bekehren wollen. So klein das Bändchen ist, so erlesen ist es nach Form und Inhalt.“27 Plausibilität und Erlesenheit - mit diesen Kategorien wären die Ansprüche des offiziösen ka- tholischen Literaturdiskurses an katholische Literatur zutreffend bezeichnet: Das, was als Lite- ratur akzeptiert wurde, war geschieden vom katechetischen Impetus des Tiefendiskurses. We- nigstens theoretisch. An den Romanen von Erwin Karl Münz zeigt sich nämlich, dass in der katholischen Literatur jener Zeit zwischen psychologischer Plausibilität und ‘allzu großer Ver- einfachung von Gut und Böse’ durchaus kein unüberbrückbarer Gegensatz bestand. 24 Ebd., 2214. 25 Der jeweilige Erzbischof von Köln, dem die Jurisdiktion über den Borromäus-Verein oblag, war traditionsgemäß Protektor des Vereins. Auch Kardinal Frings äußerte sich mehrfach zu Fragen der katholischen Büchereiarbeit, und auf dem Zweiten Vatikanum äußerte er im Kreise des Kardinalskollegiums deutliche Kritik an der römischen Indizie- rungspraxis. 26 Zit. nach Mitteilungen 1966, H. 2, S. 29. 27 Buchprofile 1959, Heft 1, S. 2243. Mit diesem Argument lehnte 1960 auch der Josef-Knecht-Verlag ein Manu- skript von Erwin K. Münz ab: Die Bekehrung Rimbauds sei nur metaphysisch, nicht aber psychologisch begründet: „Eben deshalb mussten wir [...] davon ausgehen, dass dieser Roman nur bei katholischen Lesern Verständnis fin- det.“ (Bf. des Lektors vom Josef-Knecht-Verlag an Münz, 24.2.1960; vgl. dazu Kap. E.5.b bis E.5.d) - E.1.a - 322 E Erwin Karl Münz: apokryphes katholisches Literatentum nach 1945 1. Zur Einführung a) Zur Kategorie des katholischen Schriftstellers Bei der Darstellung des katholischen Literaturdiskurses ist die Kategorie des Autors bisher weitgehend ausgelassen worden. Das hat seinen Grund darin, dass im katholischen Tiefendis- kurs der empirische Autor als solcher diskursiv kaum präsent war. So bekannt einzelne Namen auch sein mochten: Hagiographische Tendenzen wie im Höhendiskurs entwickelten sich im Bereich der katholischen Binnenliteratur nicht. Inge Meidinger-Geises Buch über die zeitgenössische ‘Katholische Dichtung in Deutschland’ war eine der letzten katholischen Literaturgeschichten, die die traditionelle katholische Volksliteratur und die Weltliteratur zusammendenken wollten: „Dichtung wird Gleichnis im Sinne der Alten und doch auf neue Weise: Gesang, Bildnis, Aufführung nicht der Götter, sondern nun des einen Gottes, dessen Leib in der einen Kirche, in ihrem traditionellen Ordnungs- und Hüteramte auf Erden lebt und wirkt.”1 Meidinger-Geise sah den katholischen Schriftsteller allein unter dem Aspekt, wie er - wenn auch künstlerisch überzeugend - zur Kirche hinführte. Das Künstlerische war also funktional einge- bunden; seine Bestimmung blieb daher ambivalent. Auch Alfred Döblin, der sich „an der Welt- weite der Gegenwartsliteratur schulen konnte“,2 diente im Grunde nur als Beleg für die Gleich- wertigkeit von deutschsprachig-katholischer und angelsächisch-katholischer Literatur. Wie sich an der mangelnden Rezeption von Meidinger-Geises Buch zeigt, war dieser prononciert katholi- sche Anspruch im literaturtheologischen Diskurs der späten fünfziger Jahre nicht mehr durch- setzbar. Katholische Autoren, solange sie jedenfalls nicht prominent waren, waren auf sich gestellt. Eine Organisation, die ihre Interessen gegenüber dem Klerus oder gar dem Episkopat vertreten hätte, existierte nicht, und die konkrete Förderung durch kirchenamtliche Stellen beschränkte sich im Wesentlichen darauf, vereinzelte Schriftstellertagungen auszurichten oder die Verbrei- tung von inkriminierten Büchern zu unterbinden. Ein katholischer Schriftsteller stand im Zwie- spalt zwischen den lehramtlichen Vorgaben und seinem eigenen Anspruch; dieser konnte sich mehr an der lehrhaften katholischen Poetologie orientieren oder mehr am Gesamtdiskurs Litera- tur. Kaum notwendig zu betonen, dass ein katholischer Autor in erster Linie aber den stark aus- geprägten konfessionellen Rezeptionserwartungen entsprechen musste, um überhaupt veröf- fentlichen zu können. 1 Meidinger-Geise o.J., 5. 2 ebd., 59. - E.1.b - 323 Wie sich die hier umrissene Problematik des katholischen Schriftstellers nach 1945 ausprägte, soll in den folgenden Kapiteln am Beispiel von Erwin Karl Münz dargestellt werden, in dem sich prototypisch die Ansprüche von allgemeinen Literaturdiskurs und Genretraditionen der katholischen Milieuliteratur begegneten. Seine Novellen und Romane und ihre Rezeption sind ein besonders prägnantes Beispiel für die innerkatholischen Umbrüche Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, und sein Beispiel ist um so interessanter, als er im bisherigen litera- turtheologischen Diskurs praktisch nicht vorkommt. b) Biographischer Überblick Erwin Karl Münz wurde am 6.12.1912 in Mannheim als Sohn eines städtischen Arbeiters gebo- ren. Nach der Volksschule ging er zunächst zur Realschule, dann zur Oberrealschule. In dieser Zeit bereits zeigten sich literarische Neigungen: 1931 erschien das Gedichtbändchen ‘Kriegs- jugend’, zu dem Walter von Molo das Vorwort schrieb. Gegen Ende der zwanziger Jahre hatte die Weltkriegsthematik insofern eine Verschärfung erfah- ren, als sie durch den Massenerfolg von chauvinistisch-revanchistischen Kriegsromanen diskursiv besetzt war.3 In solcherart polarisierten Zeitumständen war ein Gedichtband wie ‘Kriegs-jugend’ sicher ein Nischenphänomen, das nur vom Titel her an der Weltkriegsthematik partizipierte, nicht vom Inhalt: In den Gedichten ging es um das Aufwachsen in der Nachkriegszeit und um die in Not und Nachkriegswirren verlorene Jugend. Das Weltanschaulich-Konfessorische war jedoch überformt durch eine Selbstkundgabe von bildungsbürgerlichem Zuschnitt; diese zeichnete sich durch eine stark betonte Innerlichkeit und einen fast preziösen Umgang mit sprachlichen und lite- rarischen Mustern aus. Die Sprache bedient sich ekstatischer Bilder, Paradoxien und anderer Stilmittel des Expressionismus, verbleibt aber in den Naturbetrachtungen in der Sphäre der Er- lebnislyrik klassischer Konvenienz; ein Gedicht ist in der ironisch-distanzierten Sprache der ‘Neuen Sachlichkeit’ gehalten. Damit gibt das Bändchen Aufschluss über den Lektürehorizont eines literarisch interessierten Oberschülers in der Endphase der Weimarer Republik. Nach dem Abitur arbeitete Münz für einige Zeit als Dramaturgieassistent am Nationaltheater Mannheim und schrieb sich im Sommersemester 1932 mit den Fächern Deutsche Sprache, Englisch und Französisch an der Universität Heidelberg ein. 1934 wechselte Münz an die Ludwig-Maximilians-Universität München; anstelle der Anglistik belegte er hier das Fach Ge- schichtswissenschaft. Nach dem ersten Teil der Lehramtsprüfung 1936 und einer Zusatzprüfung arbeitete Münz als Volksschullehrer, bis er 1938 den Vorbereitungsdienst an der ‘Deutschen Aufbauschule’ in Kaiserslautern antrat, wo er 1939 zum außerplanmäßigen Beamten und 1942 zum Studienrat ernannt wurde. 1940 wurde er eingezogen und zum Wehrmachtsdolmetscher ausgebildet; als solcher war er vorwiegend im besetzten Frankreich tätig. 3 Vgl. dazu ausführlicher Prümm 1974. - E.1.b - 324 Münz’ Verhalten in der Zeit des ‘3. Reichs’ lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Einzelne Unter- lagen, soweit sie überhaupt vollständig vorliegen,4 legen die Vermutung nahe, dass sich Münz dem System nicht offen verweigert haben dürfte, dass er sich darin aber auch nicht exponierte.5 Insgesamt sind die Befunde recht ambivalent: • Der in der katholischen Studentenseelsorge aktiv mitarbeitende Münz gab 1935 im Hueber- Verlag (München) eine Buchreihe mit Literatur katholischer Autoren heraus (‘Der große Kreis’). Ob diese Reihe, wie Münz später schrieb, verboten wurde, lässt sich mit dem heute noch greifbaren Material zweifelsfrei nicht mehr klären. Auch die Frage, ob die weltanschau- liche Uneindeutigkeit6 Programm oder Camouflage war, ist ex post nicht mehr zu beurteilen: In nationalsozialistischen Rezensionen nämlich wurde der katholische Charakter allenfalls gelinde moniert,7 und unter den Autoren waren auch solche vertreten, die bereits im rechts- konservativen Diskurs der zwanziger Jahre mit nationalistischen Schriften hervorgetreten wa- ren (Heinrich Zerkaulen, Josef Magnus Wehner). • Besonders augenfällig zeigte sich die erwähnte Ambivalenz in Münz’ Aufsatz über das ‘Märchen im Unterricht’, der 1938 in der nationalsozialistischen Lehrerzeitung ‘Die Neue Schule’ erschien. Zwar war darin mehrfach auf „das ungeheure Erziehungswerk des Füh- rers“ 8 hingewiesen, Münz enthielt sich aber einer expliziten Beurteilung nationalsozialisti- scher Pädagogik. Vielmehr entwickelte er ausführlich die Kategorie der Innerlichkeit, diese allerdings völkisch konnotiert, in scharfer Abgrenzung sowohl zum Judentum als auch - in ei- ner Reihe von Nebenbemerkungen - zur katholischen Kirche.9 • Aus der Reichsschrifttumskammer (RSK) wurde Münz 1938 nicht, wie er später stets andeu- tete, als Kritiker des Regimes ausgeschlossen. Der Ausschluss wurde vielmehr mittels eines Formbriefs vollzogen, weil Münz die schriftstellerische Tätigkeit nur nebenberuflich und in geringfügigem Umfange ausübte. Auch wurden ihm nach dem Ausschluss aus der RSK für einzelne Veröffentlichungen sog. ‘Befreiungsscheine’ gewährt. Belege für eine „Boykottierung meines gesamten schriftstellerischen Schaffens“ durch die Nationalsoziali- sten, von der Münz nach 1945 schrieb,10 lassen sich in dem noch verfügbaren Archivmaterial nicht finden. Bei Kriegsende kam Münz zuerst in amerikanische, dann in englische Kriegsgefangenschaft. Einige Wochen verbrachte er zur politischen Überprüfung in dem Lager, das die Engländer auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme errichtet hatten. 4 Zur Verfügung standen mir folgende Unterlagen: Bundesarchiv (Dahlwitz-Hoppegarten): ZA V 93, S. 116f.; Bun- desarchiv (früher Berlin Document Center) RKK 2101/0883/18; Akten der Spruchkammer Künzelsau (Staatsarchiv Ludwigsburg: EL 902/13 AZ. 28/19/208) sowie Auskünfte der Deutschen Dienststelle (WASt), Berlin, dazu auch die Belegbögen aus Münz’ Studienzeit (Universitätsarchive Heidelberg und München). Im Krankenbuchlager des Lan- desamtes für Gesundheit und Soziales (Berlin), in der Zentralnachweisstelle des Bundesarchivs (Aachen), im Staats- archiv Würzburg sowie im Studienkreis Deutscher Widerstand (Berlin) sind zu Münz keine Unterlagen vorhanden. Ich danke Klaus Wiegrefe, Hamburg, für seine Hilfe beim Finden möglicher relevanter Archive. 5 Beispiele für eine nichtfaschistische ‘junge Literatur’ während der nationalsozialistischen Jahre gibt Schäfer, H.D. 1976. 6 Die Rezension in der katholischen Zeitschrift ‘Seele’ (Wurm 1935) bemängelte, dass Münz in der von ihm verfass- ten Einführung in die ‘Briefe des Bonifatius’ den Bezug zur Gegenwart nicht deutlicher herausgearbeitet habe. 7 Ich beziehe mich hier auf die durchweg positive Rezension in der ‘Bücherkunde der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums’ (Bayreuth), im Literaturverzeichnis unter N.N. 1936; hier wurde die konfessionelle Ausrich- tung überhaupt nicht erwähnt. Die Rezension von Will Vesper (1935) hingegen, auf die Münz nach dem Krieg das Verbot der Reihe zurückführte, erging sich in gehässigen Andeutungen über Konfession und sog. ‘deutsches Ehrge- fühl’. Explizit aber beanstandete Vesper den konfessionellen Rahmen nur deshalb, weil dieser dazu missbraucht worden sei, einen „Feind des Deutschtums“ (ebd., 563) zu lancieren, nämlich Richard von Schaukal. 8 Münz 1938, 500. 9 Der Aufsatz erschien 1938 in drei Folgen in der NS-Zeitschrift ‘Die Neue Deutsche Schule’, und er ist, soweit mir ersichtlich, die einzige Publikation, die Münz nicht unter seinem üblichen Sigel ‘Erwin K. Münz’, sondern unter ‘Erwin Münz’ veröffentlichte. Aus verschiedenen Gründen bestehen aber an Münz’ Autorschaft keine Zweifel; unter anderem gab er die Publikation 1946 in seinem Spruchkammer-Fragebogen an, wenn auch nur mit Titel und Ver- lagsort. 10 So in einem Schriftsatz, den er am 28.4.1946 der Spruchkammer in Künzelsau einreichte. Ähnliche Formulierun- gen finden sich auch in späteren Briefen. - E.1.b - 325 Wegen einer schweren Erkrankung wurde er schließlich nach Hollenbach entlassen, wo seine Familie wohnte. Als Beamter und ehemaliges Mitglied der NSDAP wurde Münz im Oktober 1945 vom Dienst suspendiert und musste sich einem Spruchkammerverfahren unterziehen, das erst Anfang 1948 abgeschlossen war. Im November dieses Jahres trat er eine Stelle an der katholischen ‘Herz- Jesu-Oberrealschule’ in Illertissen an und wechselte 1953 in den baden-württembergischen Schuldienst an das Kreuzordensgymnasium nach Bad Mergentheim. Von 1963 an baute er als Institutsleiter das Goethe-Institut in Nancy auf, kehrte 1966 in den Schuldienst zurück und wur- de Gymnasialprofessor am Theodor-Heuss-Gymnasium in Heilbronn. 1972 ließ sich Münz vor- zeitig pensionieren und siedelte nach Konstanz über. Dort starb er im März 1978. Zu dem hier nur skizzierten beruflichen Weg trat - kurz nach der Entlassung aus der Kriegsge- fangenschaft - eine reichhaltige literarische und publizistische Tätigkeit, auf die ich in den fol- genden Kapiteln näher eingehe, weil sich in ihr der vorkonziliar-katholische ‘poeta minor’ par excellence ausprägte: Münz’ literarisches Werk ist nicht zu trennen von seinem kulturellen, pädagogischen und laienapostolischen Wirken nach 1945. - E.2.a - 326 2. Literarisch-kulturelles Wirken nach 1945 a) Beruf als Deutschlehrer Erwin Karl Münz war mit Hingabe Lehrer.1 Kurz nachdem er 1945 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war und seine Gelbsucht weitgehend auskuriert hatte, bewarb er sich bei der amerikanischen Militärregierung um eine Wiederanstellung im höheren Schuldienst. Die Be- werbung blieb indes zwiespältig. Einerseits wollte er wieder unterrichten, andererseits aber Zeit für seine schriftstellerischen Arbeiten zur Verfügung behalten. Auch hatte Münz mit seinen Lesungs- und Vortragsreisen ein Wirkungsfeld gefunden, das ihn ausfüllte. So bemühte er sich nach dem positiven Spruchkammerbescheid von 1948 um eine Anstellung mit halber Stunden- zahl, was von der bayerischen Kultusbehörde jedoch nicht bewilligt wurde. Eine Lösung fand sich, als Münz in einem beamtenähnlichen Dienstverhältnis in die Illertisse- ner Oberrealschule der ‘Christlichen Schulbrüder’, eine katholische Ordensschule, eintrat. Der Direktor, schrieb Münz, lasse ihm Zeit, weiterhin mit seinen Vorträgen und Lesungen in christ- lichem Geist zu wirken,2 da dies dem Auftrag der Schule entspreche. Auch in anderen briefli- chen Äußerungen Münz’ sind Hinweise darauf enthalten, in welch engem Zusammenhang er seine Vortrags- und seine schulische Tätigkeit als apostolisches Wirken sah.3 Das änderte sich auch nicht, als er von der katholischen Oberrealschule in Illertissen in den baden- württembergischen Schuldienst wechselte. Damit hatte sich Münz von den volkskundlichen Anfängen4 seiner Heidelberger Studienzeit ent- fernt; jedenfalls finden sich in seinen Briefen, in denen er über seine Lehrtätigkeit schrieb, keiner- lei Hinweise mehr auf einschlägige Denkmuster. Was allerdings gleich blieb, war die Ablehnung von moderner Technik, die den Menschen von sich selbst entfremde - aus nicht wenigen Briefen klingt ein gewisses Vergnügen, als altmodisch zu gelten und sich dem jeweils Neuen - ‘nur- Interessanten’ - ostentativ zu verweigern, zugunsten einer Betonung des innerlich Geistigen. Im ‘Märchen’-Aufsatz von 1938 noch war die Kategorie der ‘Innerlichkeit’ in den Dienst einer Volkstumsideologie gestellt, nach 1945 dann war sie ausschließlich christlich resp. katholisch konnotiert. In seinen Äußerungen, die er in Briefen an Freunde über sein schulisches Wirken machte, wer- den im Verlauf der fünfziger Jahre Klagen über die mit innerer Haltlosigkeit einhergehende Konsumorientiertheit der Schüler und ihrer Eltern häufiger. So schrieb er halb launig, halb 1 Als Ergänzung zu dem Folgenden kann die Zusammenstellung von Erinnerungen bayerischer Lehrerinnen und Lehrer an die Zeit von 1939 bis 1955 dienen, die in jüngster Zeit Albin Dannhäuser herausgegeben hat (Dannhäuser 1997). 2 Bf. vom 27.1.1949 an Franz Hoyer. 3 In seinem Gesuch um Wiedereinstellung in den höheren Schuldienst nach dem Krieg charakterisierte er seine Lehr- tätigkeit während des ‘3. Reichs’ folgendermaßen: „In der Schule eine materialistische, glaubensfeindliche Jugend. Deshalb Versuch, durch musikalische und literarische Einführungen in Opern, Schauspiele, Konzerte ein innerliches Leben in der Jugend zu erwecken.“ (enthalten in der Akte des Spruchkammerverfahrens in Künzelsau) 4 In seiner Heidelberger Studienzeit hörte Münz regelmäßig bei dem Ordinarius Friedrich Panzer und dem Privatdo- zenten Hans Teske, beides Vertreter einer volkskundlichen Germanistik nationalkonservativer Prägung. - E.2.a - 327 ernsthaft im Februar 1957 an Friedrich Schreyvogl, einen ihm befreundeten Dramaturgen am Wiener Burgtheater, er kämpfe gegen die zentrifugalen Kräfte der säkularisierten Gesellschaft: In seinem schulischen Unterricht gehe es ihm nicht in erster Linie um Wissensvermittlung, sondern um Seelsorge; bei seinen Schülern spüre er oft, dass die Sehnsucht nach der Mitte noch nicht verschüttet sei.5 Als Hinweis auf die festen Maßstäbe,6 die Münz in seinem Literaturunterricht vermitteln wollte, mag ein Brief dienen, den er im August 1956 an eine ehemalige Schülerin schrieb: Statt sich mit Sartre oder Camus zu beschäftigen, deren Zeit vorüber sei, solle sie lieber die Schriftsteller lesen, die nicht ‘ihre persönlichen Komplexe’ aussagten, sondern ein objektives Weltbild, nämlich Ca- rossa, le Fort, Bergengruen etc.. Diese Auffassung findet sich auch bestätigt in dem Frankreich- Buch, das Münz Ende der fünfziger Jahre schrieb: „[...] das Bürgertum insbesondere [ist] noch soweit herzensgebunden, daß es in den Dramen Anouilhs, Becketts, Audibertis, Jonescus [sic] u.a. nicht viel mehr als unnötiges Experimentiertheater zu sehen vermeint und nicht zu erkennen vermag, daß es sich hier um die Spiegelung einer Tragödie, der des ungebundenen Menschen, ‘handelt’, wenn man auch kaum mehr von Handlung sprechen kann. Vielleicht ergeht es diesen Autoren wie einem Sartre? Sie enden in einem Leerlauf, in einer Sackgasse, im Unproduktiven ...“. 7 Kurz nachdem Münz nach Bad Mergentheim gekommen war, wurde er zum Bezirksvorsitzen- den der ‘Katholischen Erziehergemeinschaft’ gewählt. Dieser Zusammenschluss katholischer Lehrer, als laienapostolische Organisation von der Kirche gefördert, vertrat das Programm, die schulische Arbeit aus katholischem Geist neu zu fundieren.8 Als engagierter Katholik nahm er es in Kauf, sich im Kollegium des weltanschaulich pluralistischen Gymnasiums in Bad Mer- gentheim mit seinem offenen Eintreten für den Glauben Gegner zu schaffen. In Briefen dieser Zeit schrieb er von großen und anfangs fast unüberwindlichen Schwierigkeiten an dieser Schu- le9 und davon, dass er bei seinem Direktor, selbst einem Katholiken, nicht den nötigen Rück- halt finde.10 Einer der Gründe dafür mag die Diaspora-Situation in Bad Mergentheim gewesen sein. In Brie- fen dieser Zeit betonte Münz jedoch stets auch seine entschiedene Ablehnung eines idealistischen Humanismus, als deren unchristliche Ausprägung er beispielsweise Albert Schweitzer benann- te.11 Inwieweit die Schulgermanistik jener Jahre christlich geprägt war, ist noch nicht unter- 5 Ein Jahr zuvor war es in Deutschland zu den ersten Jugendkrawallen nach dem Krieg gekommen (dazu ausführli- cher Bondy et al. 1957). Was Münz jedoch im Blick hatte, war nicht die Halbstarkenproblematik, sondern das säku- larisierte Bürgertum. Ähnlich äußerte sich 1958 auch Reinhold Schneider in seinem ‘Winter in Wien’: „Deprimierende Erfahrungen raten mir zur Flucht: der ‘Bruderzwist’ ist Trägern erster Namen eine Überraschung; nie hat ‘man’ etwas davon gehört; auch ist der Inhalt fast unverständlich; junge Leute sind (wie natürlich in West- deutschland auch) von unglaublicher Anmaßung ihrer Unwissenheit, // ohne jegliche Achtung vor Leistung. Was alles wird nicht gewußt, ist schon über Bord! (Wir, in meiner Jugend, haben uns wenigstens noch unserer miserablen Erziehung geschämt.)“ (Schneider, R. 1958/1978a, 281//282) Eine differenzierte Einschätzung solcher Klagen aus zeitgenössischer Sicht findet sich bei Heigert 1958/59. 6 Bf. vom 2.11.1953 an den Stadtpfarrer Anton Ulrich in Tauberbischofsheim. 7 Münz 1964, 345//346. 8 Bf. vom 16.12.1953 an Franz Johannes Weinrich. 9 Bf. vom 7.2.1955 an Erwin Rosner. 10 Seinem ehemaligen Schulleiter in Illertissen (Konradin Zähringer) berichtete Münz in einem Brief vom 8.6.1954 selbstironisch von einer Postkarte, die an ‘Den schwarzen Studienrat’ von Bad Mergentheim adressiert gewesen sei und ihren Empfänger, ihn selbst nämlich, ohne Verzögerung erreicht habe. 11 Bf. v. 31.3.1960 an den Geistlichen Rat Kaltenbrunn. - E.2.a - 328 sucht.12 Münz jedenfalls sah sich in den vom deutschen Idealismus geprägten pädagogischen Auffassungen seiner Kollegen in der weltanschaulichen Defensive.13 Die Briefwechsel, die Münz mit einigen seiner Schüler noch Jahre nach deren Abitur führte, zeugen von seinem pädagogischen Engagement und auch davon, dass er es verstand, literarisch interessierte Schüler als Mensch für sich zu gewinnen. In seinem Deutschunterricht versuchte er, die Schüler zu kritischem und eigenschöpferischem Umgang mit Literatur anzuregen. Fol- gende Übung, mit der er das Sprachgefühl schulen wollte, beschrieb Münz selbst: Abschnitte aus dichterischen Werken zu diktieren und dabei sinntragende Worte wie Adjektive und Verben auszulassen. Die Schüler sollten nun versuchen, passende Ausdrücke zu finden, Versuche, die anschließend mit der Klasse diskutiert werden sollten. „Welche Freude, wenn ein Schüler den Autor noch übertroffen hat, bei Hermann Hesse oder Thomas Mann eine Lässigkeit entdeckt hat! Oder eine - Manie!“14 Auch hier also die entschiedene Abwehr dichterischer Subjektivität, die Münz nicht anders als latent pathologisch bewerten mochte.15 Es zeigt sich aber zugleich ein souveräner Zugriff auf literarische Werke, der nicht auf eine verehrende Auslegung16 oder auf ein phänomenologi- sches ‘Begreifen, was uns ergreift’ (Staiger) zielte, sondern vor allem die handwerkliche Textur des jeweiligen Werkes zu entschlüsseln versuchte, wenn auch - wohl zeitbedingt und dem christlichen Impetus geschuldet - mit der mehr oder weniger offenen Absicht, dem Autor ‘auf die Schliche zu kommen’, nicht nur literarisch, sondern - der medizinische Terminus ‘Manie’ deutet es an - auch im Hinblick auf dessen moralische Integrität.17 Die Übung, so fuhr Münz fort, könne mit detaillierten Stiluntersuchungen in literarischen Wer- ken weitergeführt werden und in eigene Arbeiten münden: „Hier können ihm [dem Schüler] Aufgaben gegeben werden: etwa eine unheimliche Stimmung durch Weglassen oder Einsetzen des bestimmten bzw. unbestimmten Artikels zu schildern oder mit Hilfe zusammengesetzter Adjektive das ironische Bild eines ‘Salonlöwen’ zu vermitteln.“ Die Vermutung liegt nicht fern, dass sich in solchen Aufgaben der Schriftsteller zeigte, der die Schüler an seinem professionellen Wissen teilhaben ließ. Tatsächlich erscheint hier ‘in nuce’ eine ästhetische Auffassung, die sich durchaus auch im Œuvre des Schriftstellers Erwin K. 12 Eine Ausssage wie die von Robert Ulshöfer, rund ein Drittel der Deutschlehrer versähen ihren Beruf „von einer christlichen Grundhaltung“ her; „ihre Liebe zum Fach und ihre Sorge um das Fach erwachsen aus einer religiösen Grunderfahrung“ (Ulshöfer 1963, 5) war eine editorische Notiz zu einem Themenheft der Zeitschrift ‘Deutschunterricht’ über christliche Literatur, ist also nicht repräsentativ. Martin Doehlemann, der eine Studie zum Selbstverständnis der Schul- und Hochschulgermanistik nach 1945 erarbeitet hat (Doehlemann 1975), ließ die christliche Konnotierung der von ihm herausgearbeiteten Befunde unberücksichtigt. 13 Bf. v. 31.3.1960 an den Geistlichen Rat Kaltenbrunn. 14 In einem Aufsatz unter dem Titel „Die deutsche Lektüre als Charakter- und Lebenshilfe“, das als (nicht datierbares) Typoskript im Nachlass vorliegt. 15 Zur Dichotomie von Subjektivität und Objektivität, die für Münz’ Literaturästhetik zentral war, vgl. Kap. E.2.d. 16 Wie sie etwa Walter Nigg vertrat (Vgl. vor allem Nigg 1966). 17 Vgl. Zwischenresümee 1. - E.2.a - 329 Münz aufweisen lässt: die Technik des Sprachgebrauchs allein als Darstellungsproblem zu se- hen, also im Sinne einer handhabbaren Rezeptologie eine als gegeben erkannte Wirklichkeit möglichst effektvoll zu schildern. So schätzte er beispielsweise Hans Carossa als einen eher konventionellen Schriftsteller ein, weil dieser nur das Selbst-Erlebte glaubhaft nachgestalten könne.18 Dabei reklamierte Münz durchaus einen kindlich-assoziativen Gebrauch von Sprache. In seinem ‘Märchen-Aufsatz’ von 1938 hatte er geschrieben: „Wie ohnmächtig sind wir, sollen wir diesen [ständigen] Wandel der Natur mit Worten bezeich- nen! Sätze müssen wir bilden, umschreiben, möglichst originelle Adjektive hinzufügen, damit das Bild plastisch wird! Denn das Wort Baum oder Himmel oder Apfel ist ein vieldeutiger Begriff, Abstraktionsergebnis. Was sagt das, ob wir von einem Viertelmond oder von einem Halbmond sprechen? Das Kind sagt Schiffchen oder Horn oder Silbertaler je nach der Form und sieht so die Himmelserscheinung nicht für sich, sondern in der augenblicklichen Lage zum Gesamtfir- mament. Wie leicht est es doch, den Kindern zu zeigen, wo es überhaupt nötig ist, daß nach dem Schneefall der Baum einen weißen Pelz angelegt hat, das Haus sich aber eine Haube aufgesetzt hat; die Wiese, die hat sich schlafen gelegt und mit weißem Linnen zugedeckt. Und ist es schwer, den Kindern den Begriff der Nacht greifbar nahe zu bringen mit dem Bild eines ungeheuren Ra- chens, eines Untieres, das die Sonne, das Licht verschlingt? Sicher nicht. Denn es erlebt die Nacht bestimmt so und es sieht sie so, ganz aus der inneren Angst heraus.“19 Die von Münz verwendeten Beispiele machen deutlich, dass ein solch sprachapplizierendes Verfahren unweigerlich in die Nähe des vorgeprägten Klischees rückt. Das reduktionistische Verständnis von literarischer Technik, wie es sich in den zitierten Münz-Sätzen zeigt, lag auch der Literaturkonzeption von Carl Muth zugrunde, und es hatte die Auseinandersetzung mit der literarischen Moderne eher behindert. Inwieweit sich das gebrochene Verhältnis von Tradition und Moderne im schriftstellerischen Werk von Münz zeigte, wird noch darzustellen sein. Zum Bild des schriftstellernden Deutschlehrers gehört auch, dass Münz die Kontakte, die er zu anderen Autoren pflegte, für seine Schüler nutzbar zu machen versuchte, um den abstrakten Bereich der Literatur auf diese Weise an der Person des Autors zu veranschaulichen: • Einmal im Jahr wandte er sich an Schriftsteller, für eine Lesung ihrer Werke nach Bad Mer- gentheim zu kommen.20 Die Einladungen verband Münz mit der Bitte, auch vor seinen Schülern bzw. vor der ganzen Oberstufe zu lesen. Dass diese Veranstaltungen weniger dazu dienten, den Dichter ‘auf dem Sockel’ zu präsentieren, als vielmehr, den Schülern einen le- bendigen Kontakt zum zeitgenössischen Literaturbetrieb zu vermitteln, beweist die häufig mit ausgesprochene Anregung Münz’ an den Betreffenden, sich im Anschluss an die Lesung einer Diskussion mit den Schülern zur Verfügung zu stellen. • Münz ermunterte Schüler dazu, ihre in der Unterprima obligatorische Jahresarbeit über das Werk eines zeitgenössischen Schriftstellers zu schreiben, und schickte die fertigen Arbeiten an die Betreffenden, z.B. 1957 an Otto Heuschele, 1958 an Heinz Risse, 1958 an François Mauriac und 1961 an Manfred Hausmann. Gleichzeitig bat er die Schriftsteller, den Schülern einen kurzen anerkennenden Brief zu schreiben. Als Lehrer widmete Münz einen Teil seiner Zeit auch dem Theater und blieb damit seinen schriftstellerischen Anfängen treu. Er besuchte mit seinen Klassen einzelne Aufführungen, z.B. 18 Bf. vom 13.10.1956 an eine ehemalige Schülerin. 19 Münz 1938, 590. 20 Vgl. das folgende Kapitel. - E.2.a - 330 im April 1954 das ‘Theater am Torturm’ in Sommerhausen/Main, wo er für die Schüler ein Gespräch vor der Aufführung mit dem Intendanten und Gründer des Theaters, Luigi Malipie- ro,21 vermittelte. Daneben studierte Münz mit den Schülern Theaterstücke ein. So berichtet er im Juli 1956 von der Arbeit an der Schuloper ‘L’Horloge Miraculeuse’ von Eberhard Werdin,22 die zur Eröffnung der alljährlichen Internationalen Jugendmusikwochen 1956 unter der Leitung von Hermann Scherchen aufgeführt wurde.23 21 Eine lebendige Schilderung von der Persönlichkeit Malipieros und seiner Theaterarbeit in Sommmerburg gibt Flügel 1987, 112ff.. 22 Bf. vom 7.7.1956 an François Gspann. 23 Die Aufführungen fanden am 21.und 22. Juli 1956 in Bad Mergentheim statt. Welchen Anteil Münz an der Ein- studierung im Einzelnen hatte, geht aus der Korrespondenz nicht hervor. - E.2.b - 331 b) Lesungen Im September 1946 stellte Erwin K. Münz seine Übertragungen von Gedichten Paul Claudels fertig, die in einer Anthologie im Alfons-Bürger-Verlag erscheinen sollten.1 Zur Veröffentli- chung aber kam es nicht, da sich Münz wegen der Übersetzung mit dem Verleger Alfons Bür- ger überwarf. Wichtiger als die philologische Exaktheit der Übertragungen war für Münz das Nachgestalten der mitreißenden Wirkung, die die Dichtungen im französischen Original aus- strömten.2 Diese ließ sich am ehesten im Vortrag vermitteln. So sandte Münz die Übertragungen, auch die kurz darauf fertig gestellten von Gedichten des belgischen Dichters Emile Verhaeren, an den Südfunk Stuttgart, der eine Auswahl der Gedichte in seinem literarischen Programm in jeweils halbstündigen Sendungen ausstrahlte.3 Die Entwürfe zu diesen Sendungen hatte Münz selbst geschrieben. Seiner Anregung jedoch, die Claudel-Gedichte in den Tagen um Weihnachten auszustrahlen, da diese ja auch Claudels Konversion herbeigeführt hätten,4 war der zuständige Redakteur nicht gefolgt. Zu Anfang des Jahres 1947 begann Münz, die Gedichte Claudels, die er als exemplarisch für eine klassische katholische Literatur ansah,5 selbst vorzutragen. Als Wirkungsfeld boten sich ihm die seit Kriegsende entstandenen und im Wesentlichen von katholischer Seite getragenen6 christlichen Bildungswerke an, in geringerem Umfang auch Volkshochschulen. Kontakte mit katholischen Geistlichen führten Anfang 1947 zu einem ersten Vortragsabend in Stuttgart, im Laufe des Frühjahrs folgten weitere Lesungen in den Volksbildungswerken in Mannheim und Heidelberg.7 Bei diesen Abenden trug Münz neben einer Einführung in Leben und Werk Clau- dels8 eine Auswahl der Gedichte im französischen Original und anschließend in seiner eigenen Übertragung vor. 1 Angeregt zu einer näheren Beschäftigung mit dem französischen Renouveau catholique war Münz möglicherweise durch den Heidelberger Romanisten Helmut Hatzfeld. In der Zeit, in der Münz bei ihm Veranstaltungen belegt hatte (1933/1934), war dessen Studie ‘Religiöser Aufbruch im geistigen Frankreich’ erschienen.. 2 Bf. vom 16.6.1946 an Alfons Bürger. 3 Verhaeren am 7.12.1946, Claudel am 18.1.1947. 4 Vgl. seinen Bf. vom 21.11.1946 an den Südfunk Stuttgart. 5 Vgl. seinen Brief an Franz Johannes Weinrich vom 23.8.1946. 6 Vgl. Peuler 1946, 172f. 7 Anhalte hierzu in einem Brief vom 19.3.1947. Konkrete Angabe über Zeit, Räumlichkeiten und jeweiligen Veran- stalter einzelner Lesungen sind nicht mehr zu ermitteln, auch nicht über die näheren Umstände der Fahrten zu den Vortragsorten, die in der Nachkriegszeit recht beschwerlich gewesen sein dürften. 8 Münz schrieb am 21.11.1946 an Dr. Peter Kehm, dass man nach den letzten 12 Jahren nicht mehr viel voraussetzen könne (Kehm, geb. 1920, war von April 1946 bis Juni 1947 Leiter der literarischen Abteilung von Radio Stuttgart, später Sendeleiter, von 1949 bis 1984 Programmdirektor; lt. Brief des Südwestrundfunks vom 1.2.2001). - E.2.b - 332 Den Lesungen widmete sich Münz mit großer Hingabe. Bald verband er seine Vorträge in je- weils verschiedenen Städten oder Ortschaften zu mehrtägigen Reisen, die ihn zunächst durch die amerikanische Zone, etwa im Raum zwischen Würzburg, Heidelberg, Ludwigsburg und Nürnberg, und nach dem Wegfall der interzonalen Reisebeschränkungen durch den ganzen südwestdeutschen Raum führten. Seit Ende 1947 erhielt er bei dem Zusammenstellen von Vor- tragsreisen auch organisatorische Hilfe von zentralen Verbänden des katholischen Bildungswe- sens, wie der ‘Arbeitsgemeinschaft Katholischer Laienwerke’ in Frankfurt/M. oder dem Kon- stanzer ‘Katholischen Volksbüro’.9 Die Veranstalter bat Münz jeweils, eine kammermusikalische oder solistische (Klavier, Geige, Flöte, Orgel) Umrahmung zu organisieren. Die Musik sollte aus der Lesung eine ‘Feierstunde’ machen und den Inhalt der vorgetragenen Gedichte nachgestalten und ausdeuten. „Zur Ausgestaltung des Abends wünschte ich zu Beginn (vor irgendeiner Einleitung) ein Mu- sikstück, etwa einen Satz aus einer Beethovensonate (oder Brahms), worin das Ringen um Ord- nung im absoluten Sinn vorausgenommen würde. Dann folgte meine Einführung in Leben und Werk Claudels, in die ich zwangsmäßig [sc. der inneren Logik folgend] die Dichtungen einschal- te, die gerade für diesen Lebensabschnitt oder diese Enwicklungsstufe wesentlich sind. Den Ab- schluß des ersten Teils bildet ein Auszug aus dem ‘Magnificat’. Nun folgte wieder ein Musikstück als Überleitung zum ‘Kreuzweg’, hart, unerbittlich, doch im Ausklang versöhnend. [...] Nach dem Vortrag des ‘Kreuzweges’[10 ] darf keine Musik mehr erklingen, um nichts zu verwischen.“11 Das Leben und die innere Entwicklung des zum Katholizismus konvertierten Claudel waren besonders gut geeignet, das ‘Ringen um Ordnung’ im Sinne einer den Glauben verbindlich ma- chenden Religion darzustellen. Den eingeschobenen Dichtungen kam die Rolle zu, die Darstel- lung in ver-’dichteter’ sprachlicher Form zu intensivieren, die Wirkung auf die Zuhörer zu ver- stärken und im Vortrag eine Gemeinschaft zwischen Vortragendem und Hörendem zu erzeugen. Auch in dieser formalen Hinsicht stellte sich Münz ganz in die Tradition des literarischen Ka- tholizismus. Von einer Lesung im Juni 1947 berichtete Münz begeistert, er habe dort gespürt, wie sehr die Menschen nach der christlichen Dichtung verlangten und wie sie sich nach ‘Tatkraft in der Nachfolge Christi’ sehnten.12 Dass diese Einschätzung zutraf, dass Münz also nicht seine eigene Stimmung auf die Zuhörer projizierte, ist angesichts der mentalitätsgeschichtlichen Situation der Nachkriegszeit äußerst wahrscheinlich; sie findet sich - wenngleich nicht unumstritten13 - auch im literaturtheologi- 9 Münz sprach erstmals davon in einem Brief vom 3.11.1947 an Josef Thielmann. Vgl. auch die Briefe vom 17.8. und 20.8.1948. 10 Die dritte von Claudels ‘Cinq Grandes Odes’ von 1910. 11 Bf. vom 14.4.1947 an Pater H. Frühstorfer S.J., den Veranstalter einer bevorstehenden Lesung in Karlsruhe. 12 Vgl. seinen Bf. vom 1.7.1947 an Willy Oeser, einen ihm befreundeten Maler. 13 Christine Bourbeck etwa (vgl. Kap. C.1.c.i) äußerte sich kritisch über Lesungen mit christlicher Literatur, die allzuleicht „im Bereich des Intellektuellen stecken“ (Bourbeck 1947, 5) blieben: „Die Vortragsabende, an welchen in den letzten Jahren Theologen oder christliche Philologen Werke aus dem weiten Bereich der heutigen christlichen Dichtung einem größeren Menschenkreis näher bringen wollen, haben oft eine fatale Ähnlichkeit mit den apologeti- - E.2.b - 333 schen Diskurs jener Jahre. Wichtiger jedoch ist, dass Münz auf die beschriebene Wirkung von vornherein abzielte. Dabei ist die Verbindung mit dem Begriff der Sauberkeit nicht zufällig, an anderer Stelle wies Münz selbst darauf hin.14 Sie stellt seine eigenwillige Aneignung des aristo- telischen Katharsis-Begriffs dar: Reinigung, die bei ihm nicht auf Leidenschaften abzielt, son- dern auf die Philosophien eines Sartre oder Camus, deren Wirkung ihm symptomatisch erschien für eine gottabgewandte Gegenwart. In diesem Sinne sah er seine Dichterlesungen als Glau- bensverkündigung mit den Mitteln, die ihm zu Gebote standen, nämlich denen der Literatur.15 So traten neben die Lesungen aus Werken Claudels bald auch Lesungen anderer französischer christlicher Autoren, vor allem Henriette Charasson, Marie Noël und Robert Morel,16 aber auch François Mauriac. Münz begriff seine Lesungen als laienapostolisches Wirken; in Briefen sprach er von seiner ihm aufgetragenen Sendung. Aus diesem Grunde ließ er seine Gedichtübertragungen ungern von professionellen Rezitatoren oder Schauspielern sprechen: Zum einen wollte er nicht die Einheitlichkeit des Dargebotenen zerstören, zum anderen schienen ihm Berufsschauspieler nur selten zu einer echten religiösen Inbrunst fähig zu sein; diese Erfahrung machte er jedenfalls bei den Rundfunkübertragungen seiner Übersetzungen.17 Die Arbeit für den Rundfunk spielt in Münz’ Wirken eine nur untergeordnete Rolle: Nachdem er die Vorlizenz, die für eine Mitarbeit bei Rundfunksendern notwendig war, zugeteilt bekommen hatte, hatte er im Oktober 1946 einen Beitrag für das literarische Programm des süddeutschen Rundfunks in Stuttgart über das zeitgenössische französische Theater verfasst.18 Zu einer regel- mäßigen Mitarbeit am Stuttgarter Sender kam es in der Folgezeit nicht. Von den Sendeentwürfen, die Münz einsandte - einen Vortrag über die französische Romantik und Rezitationssendungen mit französischen Dichtern, die vom Aufbau her seinen Lesungen glichen -, wurden nur die Rezi- tationen mit Gedichten Paul Claudels und Emile Verhaerens gesendet.19 Durch seine Arbeiten für die ‘Aussaat’ kam Münz später mit Radio Bremen in Kontakt, dessen literarischer Redakteur C.W.Caro ihn bat, einen Beitrag für eine Sendung zu erarbeiten, in der Bühnenfachleute zum zeitgenössischen Theater befragt werden sollten. Münz verfasste hier eine Stellungnahme zum Thema ‘Zeitgebundenes oder zeitloses Theater’. Am 10.7.1947 wurde die schen Vorträgen der Jahrzehnte um die Jahrhundertwende. Problematische Hörer aus den Kreisen der ‘Gebildeten’ argwöhnen, daß ihnen durch das Mittel dichterischer Stimmung etwas nahegebracht werden soll, das sie ihrem geistigen Bestand nicht einordnen können, [...]. Die durchschnittlichen Predigthörer aber, die am Evangelium an- ders als geisteswissenschaftlich interessiert sind, schätzen diese literarische Bemühung gering und halten sich höch- stens an die emotionale Wirkung der vorgetragenen Gedichte.“ (ebd.,). Solche Bedenken dürften Münz zu prote- stantisch vorgekommen sein, denn auf die emotionale Wirkung zielte er qua Vortrag und musikalischer Umrahmung ja gerade ab. 14 Bf. vom 17.6.1947 an seinen ehemaligen Lehrer Walter Autenrieth. 15 Vgl. hierzu den Brief an Autenrieth vom 18.10.1947. 16 Geb. 1922; Bibliographie dazu bei Kranz 1961a, 580; in der 2. Auflage (Kranz 1968a) ausgeschieden. 17 Vgl. seinen Bf. vom 14.4.1947 an Pater H. Frühstorfer S.J. 18 Inwieweit dieser Vortrag inhaltlich mit dem oben dargestellten Artikel in der ‘Aussaat’ zusammenhing, lässt sich nicht belegen, da ein Entwurf der Radiosendung im Nachlass nicht vorliegt. Die Sendung wurde jedoch nicht im Kirchenfunk, sondern im literarischen Programm augestrahlt; Münz’ Briefpartner in Stuttgart, Dr. Peter Kehm, war Literaturredakteur. 19 Claudel am 18.1.1947 und Verhaeren am 7.12.1946. - E.2.b - 334 Sendung ausgestrahlt. In der Folgezeit kam es noch zu vereinzelten Beiträgen für den Rund- funk,20 die im Grunde nur eine Verlängerung seiner Vortrags- und Lesetätigkeit darstellten. Als ein wesentliches Anliegen seiner Lesungen sah Münz den Trost an, den Literatur dem Pu- blikum vermitteln könne. So erklären sich Lesungen aus den Werken eines nicht-christlichen Schriftstellers, des belgischen Symbolisten Emile Verhaeren, die er von 1948 an hielt. Diese Dichtungen setzte Münz den ‘trost’-losen Lebensbedingungen der Nachkriegsjahre entgegen;21 in einem Brief aus jener Zeit schrieb er: „Denn mehr denn je brauchen wir heute die Kraft zum Ja-Sagen und einen Glauben an den Sinn unseres technisierten Lebens.“22 Als Münz im November 1948 wieder zu unterrichten begann, musste er seine Vortragstätigkeit teilweise reduzieren, behielt sie jedoch bis in die späten fünfziger Jahre bei. Während des Schuljahres unternahm er nur noch an den Wochenenden zusammenhängende Vortragsreisen. Neben die Lesungen traten in diesen Jahren Übersetzungen französischer Erzählungen und Laienspiele.23 In dem kleinen Ort Illertissen fanden kulturelle Bemühungen wenig Resonanz - dieser Ort sei eine „kulturelle Antimetropole“, schrieb Münz später scherzhaft.24 Anders sah die Situation in der Kurstadt Bad Mergentheim aus. Hier wurde Münz Mitglied des städtischen Kulturausschusses und übernahm den Vorsitz der Hans-Heinrich-Ehrler-Gesellschaft, für die er 1955 ein Buch mit Gedichten des Bad Mergentheimer Dichters herausgab.25 Anfang 1955 begann Münz auch eine feste Veranstaltungsreihe mit Lesungen einzurichten, die er bis in die sechziger Jahre hinein alljährlich hielt, in vierzehntägigem Turnus jeweils von Januar bis März. In den ersten Jahren fanden diese Veranstaltungen in den Räumen einer Buch- handlung vor etwa dreißig Zuhörern statt. Im Lauf der Zeit wuchs der Zuhörerkreis, so dass Münz der Stadt und dem Kulturverein gegenüber seine Reihe als einen Faktor im kulturellen 20 Der Honorarkartei des Südwestfunks Stuttgart zufolge wurden in den Jahren 1949 bis 1950 vier Sendungen mit Buchvorstellungen und von 1954 bis 1958 drei Sendungen über religiöse Themen ausgestrahlt. Nach Münz’ Tod wurde 1976 noch ein Beitrag über ‘Mistral und die Provence’ gesendet (lt. Brief des Südwestrundfunks vom 1.2.2001). 21 In der Nachkriegszeit wurde eine Flut von Gedichten veröffentlicht, in denen eheliche Liebe und familiäre Gebor- genheit beschworen werden. Kapitulation und moralischer Bankrott der bisherigen gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung, Verlust einer ganzen Generation von Vätern (durch Tod, Kriegsgefangenschaft oder soziale Deklassierung) und gewaltige demographische Umschichtungen infolge der Flüchtlingsströme trugen bei zu einer Siuation, die Hel- mut Schelsky auf dem deutschen Soziologentag von 1950 in Detmold folgendermaßen zusammenfasste: „Der Zu- sammenhalt der Familie wurde als letzter Stabilitätsrest in einer offenkundig sich auflösenden Welt empfunden und wird jetzt mit Zähigkeit und Bewußtheit bejaht.“ (Helmut Schelsky: „Die Flüchtlingsfamilie“. In: Zeitschrift für Soziologie, Köln. 3. Jg. (1950/51), H. 2, S. 165, zit. nach Wurzbacher 1951, 123). 22 Bf. vom 26.11.1946 an F.J. Weinrich 23 1948 übersetzte Münz Henri Brochets Stück ‘Der Geizhals, der Soldat, der Stiefel und der Erzteufel’ (München: Buchner), 1949 das Laienspiel ‘Wie Rotkäppchen auferstand’ von Jozef Boon (München: Buchner) und 1950 Erzäh- lungen von Marie Noël unter dem Titel ‘Wir warten auf ein Licht’ (Freiburg/Br.: Caritasverlag). 24 Bf. vom 7.2.1955 an Dr. Engel. 25 Im Literaturverzeichnis unter Münz (...Ehrler) 1955. - E.2.b - 335 Leben der Stadt geltend machen konnte. Nach längeren Verhandlungen wurde ihm schließlich von 1957 an der Leseraum des Kursaales zur Verfügung gestellt.26 Als besonderen Abschluss eines Lesezyklus’ lud Münz alljährlich einen Schriftsteller ein, per- sönlich aus seinem Werk zu lesen.27 Er griff hierbei zunächst auf die Autoren zurück, mit denen er korrespondierte, konnte auf diese Weise aber auch Kontakte knüpfen: bei Stefan Andres, Frank Thiess oder Werner Bergengruen war es gerade seine Einladung, die eine kürzere oder längere Korrespondenzbeziehung einleitete. Im Laufe der Jahre kamen Franz Johannes Wein- rich (1955), Otto Heuschele (1956), Friedrich Schnack (1957), Otto Rombach (1958), Stefan Andres (1959), Werner Bergengruen (1960), Frank Thiess (1961) und Josef Martin Bauer (1962). Diese Abende zogen naturgemäß mehr Hörer an als die übrigen, einen besonderen Er- folg erzielte die Lesung mit Werner Bergengruen. Demgegenüber bildeten die Hörer, die re- gelmäßig kamen, einen relativ festen Kreis, der bis zum Beginn der sechziger Jahre auf etwa hundertfünfzig angewachsen war.28 Bei den Lesungen, die er selbst hielt, nahm Münz keinen Eintritt, lediglich am Ausgang wurde eine freiwillige Spende erbeten, die mithelfen sollte, die den Zyklus abschließende Veranstaltung zu finanzieren. Aus diesem Grunde erbat Münz für den Leseabend mit Frank Thiess, 150 ermäßige Eintrittskarten für ‘seine’ Hörer’, die ihren fi- nanziellen Beitrag für diesen Abend bereits erbracht hätten.29 In Bad Mergentheim las Münz ausschließlich deutschsprachige, vorwiegend christliche Auto- ren des zwanzigsten Jahrhunderts. Auf den Programmen finden sich dann aber auch Namen wie Wolfgang Borchert, Hugo von Hofmannsthal, Eugen Roth, Friedrich Georg Jünger, Wilhelm Schäfer oder Else Lasker-Schüler. Aus der Korrespondenz geht nicht hervor, was Münz im Einzelnen las, auch sind Entwürfe für den Verlauf der einzelnen Lesungen nicht enthalten. Nä- here Aufschlüsse über die Lesungen vermittelt hingegen der Titel, unter den Münz die Veran- staltungsreihe gestellt hatte: ‘Trost in der Dichtung’. 26 Jedoch musste Münz diesen Raum in jedem Jahr neu beantragen, was teilweise mit Schwierigkeiten verbunden gewesen sein muss. Warum der Abend mit Werner Bergengruen im Saal des katholischen Gemeindehauses stattfand, ließ sich nicht ermitteln. 27 Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass für Münz’ Lesungen gilt, was Braungart über den rituellen Charakter von Dichterlesungen insgesamt schreibt: „Dichterlesungen können die Gemeinde-Bindung [an einen Autor] fördern oder zur Gemeinde-Bildung führen. Sie sind vormoderne soziale Distributionsformen von Literatur. Sie entlassen das literarische Werk nicht unkontrolliert in den anonymen Markt und den Leser nicht in die individuelle Lektüre, die ihn wiederum frei machen könnte, sich der rituellen Lektüre zu verweigern, abzuschweifen, sich dem Spiel der Bedeu- tungen hinzugeben. Das gesprochene Wort ist erlebtes, gültiges Wort. Dichterlesungen zelebrieren das gesprochene Dichterwort.“ (Braungart 1996, 199) Die Lesungen wären also zu verstehen als Versuch, das Ritualisierungsdilem- ma des katholischen Literaturdiskurses (vgl. Kap. D.3.b.i) aufzuheben. 28 Bf. vom 7.2.1955 an Dr. Engel 29 Bf. an den Bad Mergentheimer Kulturverein vom 27.1.1961. Die Abende mit den Autoren übernahm, was die Abrechnung und Werbung betraf, der Kulturverein. - E.2.b - 336 Dieser programmatische Anspruch, den er, was die genannten Autoren belegen, offensichtlich nicht auf seinen christlichen Sinn reduzieren wollte, beruht auf einem Literaturverständnis, das nach 1945 vielfach verbreitet war und das die Literatur als autonomen Bereich der Innerlichkeit den Erfordernissen der alltäglichen, realen Welt gegenübersetzte.30 Darunter ließen sich sowohl die Autoren der klassischen Moderne - etwa Hofmannsthal - fassen als auch Autoren wie Frank Thiess, die nach 1945 bewusst traditionelle Dichtungsmuster wieder aufnahmen. Trotzdem wäre es falsch, den von Münz intendierten Trost allein auf dessen - zweifellos vorhandene - beschauliche Komponente zu verkürzen. Münz verstand, darin ganz Deutschlehrer, die Lesun- gen auch als einen Weg, seinen Hörern eine authentische Begegnung mit moderner Literatur zu ermöglichen. In den Briefen, mit denen er die Autoren einlud, fand sich stets der Satz, das Ver- ständnis seiner Hörer für moderne Literatur sei bereitet.31 Demgegenüber schien - vergleicht man die Korrespondenz der unmittelbaren Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre - der Gedan- ke einer Verkündigung durch das literarische Wort zurückgetreten zu sein. Auch lehnte Münz es ab, die Lesung etwa in kirchlichen Räumen zu halten. Dies dürfte damit zu tun haben, dass er bei Veranstaltungen in der Buchhandlung und später im Kursaal mit mehr Zuhörern rechnen konnte, wahrscheinlich auch damit, dass er sich nicht von vornherein in eine Nische gedrängt wissen wollte.32 Die musikalische Umrahmung hatte Münz bisher dem jeweiligen Veranstalter überlassen müs- sen. In Bad Mergentheim zog er hierfür eigene Schüler hinzu oder Schüler der örtlichen Musik- schule. Die Auswahl der Stücke überließ Münz zwar den Schülern und deren Instrumentalleh- rern, machte jedoch recht detaillierte Vorgaben: „Für Werfel denke ich mir Max Reger (Sonate) oder Hindemith (evtl. Mendelssohn, aber nicht ‘Lieder ohne Worte’!), für Schaper russische Musik (Borodin, Mussorgski (Nacht auf dem Kah- len Berge?) Glasunow), für Wilhelm Schäfer Flötenmusik (teils klassische, teils moderne), für Paul Ernst Debussy (Préludes), R. Strauss (Capriccio), für Hugo von Hofmannsthal Gabriel Fauré (etwa die A-Dur-Sonate f. Klavier und Geige?) oder César Franck (Sonate f. Klavier u. 30 Vgl. Schnell 1986, 214ff. Dem entspricht, dass in der gesamten Korrespondenz von 1945 bis in die sechziger Jahre hinein sich Hinweise auf aktuelle politische Ereignisse praktisch gar nicht und auf die zeitgenössische avantgardisti- sche Literatur nur vereinzelt finden. 31 Zum restaurativen Modernitätsbegriff der Nachkriegsliteratur vgl. näher Schäfer, H.D. 1982a, 63ff.. Eine zeitge- nössische Polemik gegen die Beschränkungen eines Modernitätsbegriff, wie er als typisch für die traditionelle Litera- turtheologie jener Zeit gelten kann, findet sich 1955 in einem Essay von Helmut Krapp und Karl Markus Michel, erschienen im 2. Jahrgang der ‘Akzente’: „In der Tat herrscht heute eine peinliche Gereiztheit gegen jede Art von esoterischer Isolierung vor, sei sie nun restaurativer oder revolutionärer Konvenienz; man schart sich zusammen zur Interessengemeinschaft der fortschrittlich Zurückgebliebenen, die nun gerade ihre Mäßigung in Konventionalismus wie Modernismus als Ausweis ihrer Verantwortung der heutigen Situation gegenüber lancieren; und man freut sich, in einem Zustand ohne Konventionen und ohne Programme, wo schlechterdings alles erlaubt und nichts mehr schockierend ist, mählich solider zu werden angesichts der Tatsache, daß die moderne Literatur doch wieder ein Abenteuer zu werden verspricht, das etwas einträgt. ‘Postrevolutionär’ nennt H. E. Holthusen diesen Zustand. [...] ‘Postrevolutionär - darin klingt mit: Gottseidank, wir haben das alles hinter uns! Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Situation steht unter dem Zeichen des Zu-spät [...].“ (Krapp/Michel 1955, 400) 32 Am 11.12.1956 schrieb er an den Kurdirektor von Bad Mergentheim: „Die mir gebotene Möglichkeit, die Veran- staltung in einen Schulsaal zu verlegen, muß ich ebenfalls grundsätzlich ablehnen. [...] Was ich hier bieten möchte, ist viel zu fern der Schule. Auch ein religiös schattierter Raum, einer der Gemeindesäle, kommt nicht in Frage.“ - E.2.b - 337 Geige, Vorspiel-Arie-Finale für Klavier), für Schnack Schumann oder Schubert (nichts Moder- nes!). Das sind unverbindliche Vorschläge.“33 Münz selbst spielte kein Instrument, hatte aber eine starke Affinität zu Musik. Der funktionale Gebrauch von untermalender, ausdeutender oder dramaturgisch strukturierender Musik war ihm zudem aus dem Gottesdienst bekannt, er selbst hatte sich des öfteren an der Gestaltung von Messfeiern beteiligt. Entsprechende Muster übernahm er für seine Lesungen, beispielsweise wenn er für Schaper russische Musik oder für Wilhelm Schäfer Flötenmusik vorschlug. Diente hier die Musik der assoziativen Untermalung, stellte die Verbindung von Werfel mit der als herb geltenden Musik von Brahms oder Hindemith bereits eine Interpretation dar. Bezeichnen- derweise lehnte Münz die ‘Lieder ohne Worte’ ab, denen in den fünfziger Jahren der Ruf von Salonmusik anhaftete. Moderne Musik (Bartók, Hindemith etc.) sollte dem Hörer zu denken geben; derartige Musik entsprach auch Münz’ Intention, moderne Literatur zu vermitteln. Dem traditionalistischen Moderne-Begriff, den Münz für die Literatur anwandte, entsprach ein ebensolcher für die Musik: Bartók und Hindemith galten nach 1945 als modern, weil sie Expo- nenten der Moderne in der vornationalsozialistischen Zeit gewesen waren. Zugleich entsprach ih- re Musik einem weit verbreiteten mentalen Bedürfnis, denn sie war semantisch weitgehend offen. Hans Egon Holthusen etwa verband mit ihr den Wunsch nach sinnhafter Ordnung („Sinn, ver- pflichtender Sinn ist in allen geistigen und künstlerischen Dokumenten von Rang, in denen unse- re Zeit sich ausgedrückt findet. Sinn ist in der strengen und gesunden Musik Hindemiths und in dem proteischen Formenreichtum Picassos [...]“34 ); in der katholischen Zeitschrift ‘Wort und Wahrheit’ hingegen wurde das Tröstliche betont: „Die Entstehung neuer musikalischer Struktu- ren und Ordnungen, die nicht einfach (wie auf Staatsbefehl in der Sowjetunion) die restaurative Kopierung alter Formen sind, hat etwas ungemein Tröstliches. [...] die Überwindung des Chaos durch die Rückkehr zum Maß des Menschen ist zumindest begonnen.“35 Insbesondere der Hinweis auf Mussorgskys ‘Nacht auf dem Kahlen Berg’ zeigt, dass Münz die Musik nicht als Zutat, sondern als integralen Bestandteil der Lesung verstand. In seinem Roman ‘Der Drache siegte nicht’ ließ er die Zarentochter Olga während ihrer Gefangenschaft berich- ten: „Ich hatte mir früher aus dem Gedächtnis einen Klavierauszug [von ‘Die Nacht auf dem Kahlen Berg’] erarbeitet, den ich aber nie zu Papier brachte; durch das häufige Spielen war daraus ei- ne immer mehr improvisierende Phantasie geworden. Bruchstücke davon verband ich nun mit meinem eigenen Bewußtsein von unserer Bedrohung, und so mag sich ein erschreckendes Ge- mälde vom herandrängenden Heer der bösen Geister, von der höllischen Besatzung des Kahlen Berges, dem Einzug Satans und der Huldigung seiner Untertanen, der Höllenmesse und dem Hexensabbat entwickelt haben, das sogar die einfachen Soldaten hier bewegte. [...] Die ferne Glocke einer Dorfkirche schlug an und verscheuchte die bösen Geister wie die wehenden Mäntel des über nackte Bergplatten dahinziehenden Nebels; friedsam klang die Nacht unter der blauen Klarheit des neuen Tages aus.“36 Der Wunsch jedoch, im Zusammenklang von Lesung und Musik die Zuhörer zu überwältigen, war in den fünfziger Jahren zugunsten der Fasslichkeit des Vorgetragenen zurückgenommen. 1956 schrieb Münz an den Veranstalter einer auswärtigen Lesung, er verbinde bei seinen Le- 33 Bf. vom 18.9.1956 an Alice Veith, eine Bad Mergentheimer Musiklehrerin. 34 Holthusen 1955, 7. 35 Montesi 1953, 374 (in einer Rezension von Hans Heinz Stuckenschmidts Buch ‘Neue Musik’). 36 Münz o.J. [1958], 442. - E.2.b - 338 sungen die einzelnen dichterischen Abschnitte auch deswegen durch erläuternde Zwischentex- te, weil dies der Entspannung diene.37 37 Bf. vom 12.11.1956. - E.2.c - 339 c) Vorträge Seine Lesungen mit Gedichten Paul Claudels, die er seit 1947 hielt, hatte Münz mit erläutern- den Anmerkungen versehen, um Leben und Werk Claudels nach den Jahren des Nationalsozia- lismus wieder bekannt zu machen. Sie dienten dem Verständnis der Gedichte, deren Rezitation im Vordergrund stand. Ähnlich aufgebaut wie die Lesungen war ein Vortrag, den Münz ebenfalls seit 1947 hielt, nur dass sich hier die Anteile von Rezitation und Erläuterungen verschoben. Thema war „Das Welt- und Menschenbild bei Paul Claudel“, das Münz an einigen Gedichten aufzeigte. Im Besonderen ging er ein auf Claudels Auffassung des Menschen und seiner Aufgaben in der Welt. Indem er den Dichter als exemplarischen Christen darstellte („Er hat sich aus der Masse derer erhoben, die nicht das geistige Kampfgewand des Christus Folgenden zu tragen wagen.“1 ), zog Münz im Laufe seines Vortrags auch Schlussfolgerungen für sich bzw. für die Zuhörer: „Aus all den bisherigen Offenbarungen lernen wir Christen unseren eindeutigen Weg abschreiten.“2 In ei- nem anderen Vortrag, dessen schriftliche Fassung nicht erhalten ist, stellte er französische ka- tholische Dichtung seit dem Beginn des ‘renouveau catholique’ in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis zur Gegenwart vor. Der Titel „Der Dichter in der Wüste der Zeiten“ bringt die Parallelen zum Ausdruck, die Münz zwischen der französischen Nachkriegssituation von 1871 und der deutschen von 1945 zog.3 Wie auch seine Lesungen hielt Münz die Vorträge in Kirchengemeinden, christlichen Bil- dungswerken und vereinzelt in Volkshochschulen. Je nach Zusammensetzung der Zuhörer- schaft, nach der er sich vor einem Vortrag erkundigte, wählte er die zu rezitierenden Gedichte. Einem rein katholischen Zuhörerkreis sei doch vieles ohne Erklären verständlich, schrieb er an den Veranstalter eines bevorstehenden Vortrags.4 Die ‘Verständlichkeit’ bezog sich auf die Bereitschaft der Hörer, sich den Visionen in den Ge- dichten Claudels hinzugeben, was Münz durch seine engagierte Vortragsweise zu unterstützen versuchte. In dem erwähnten Brief schrieb er weiter, es komme ihm nicht auf eine ‘kluge Dis- 1 Zitiert ist nach dem undatierten Typoskript [1946] „Das Welt- und Menschenbild bei Paul Claudel“ (S. 9), das im Nachlass vorliegt. Ob es sich um einen Entwurf oder um die endgültige Fassung handelte, ist nicht ersichtlich. Das Typoskript trägt keinerlei Markierungen, so dass es offensichtlich auch nicht als Leseexemplar gedient hat. 2 Ebd., S. 8. 3 Wie Münz zu diesen Themen gefunden hatte und welche Sekundärliteratur seiner Darstellung zugrundelag, ist nicht zu eruieren. Der Belegbogen aus der Heidelberger Studienzeit weist keine Veranstaltung auf, mit der Münz ein Inter- esse an religiösen oder religionsphilosophischen Themen, an christlicher Philosophie oder an literaturtheologisch bedeutsamen literarischen Epochen (Mittelalter, Barock, 18. Jahrhundert, Romantik) vertieft hätte. 4 Bf. vom 11.7.1947 an Winfried Fuchs. - E.2.c - 340 kussion’ an, sondern auf eine seelische und geistige Stärkung der katholischen Zuhörer, zu de- nen sich - ein entsprechendes Interesse vorausgesetzt - auch Protestanten gesellen könnten. Natürlich strebte Münz eine Wirksamkeit über den konfessionellen Rand hinaus an. So hielt er des öfteren auch Vorträge in Volkshochschulen. Über diese (nicht-konfessionell gebundenen) Stätten der Erwachsenenbildung hatte Wilhelm Peuler 1946 in der katholischen Kulturzeitschrift ‘Begegnung’ geschrieben: „Ohne uns auf die Frage der Opportunität dieses Typs [der Volks- hochschule] hier einzulassen, stellen wir fest, daß auch dort vielfach gerade Veranstaltungen aus christlicher und katholischer Haltung die stärksten Erfolge zeigten. (...[Es folgt ein Bericht über die neu gegründete Düsseldorfer Volkshochschule, mit dem Peuler seine Feststellung begründete] ...) Das möge nur ein kleiner Aufweis dafür sein, wie notwendig und fruchtbar ein aktiver Ein- satz katholischer Kräfte auch in den Kultur- und Bildungswerken ist, die keine ausdrückliche or- ganisatorische Bindung an die Kirche besitzen.“5 ‘Seelische und geistige Stärkung’ war indes nur ein Moment der Wirkung, die Münz mit seinen Vorträgen anstrebte. In gleicher Weise zielte er darauf ab, die Ernsthaftigkeit der Glaubens- überzeugung seiner Hörer zu erproben, die noch Zögernden „aufzuwecken“ und die „Lauen“ zu provozieren,6 den Einzelnen „zur Entscheidung zu zwingen, ob er weiterhin bindungslos oder in erneuerter, verstärkter re-ligio leben möchte.“7 „Claudel ist in erster Linie Verkünder, Bekenner. So interessant die Wirkung in größerem, nicht auf Katholiken beschränktem Kreis ist, wird meistens doch nur eine lebhafte Diskussion erregt (wie neulich in Tübingen), aber die Erschütterung bleibt aus.“8 In diesem Brief, in dem Münz mit dem Stadtpfarrer Bernhard Hanssler9 einen bevorstehenden Vortrag in Schwäbisch Hall besprach, schloss er nicht aus, falls in der Gemeinde keine anderen Räumlichkeiten zur Verfügung stünden, den Vortrag auch in der Kirche zu halten; unter Hin- zuziehung der Orgel würde dann aus der Lesung eine Feierstunde. Mehr als seine Lesungen verstand Münz seine Vorträge als laienapostolische Tätigkeit. Sich derart vorbehaltlos zur Verkündigung berufen zu erklären, war im streng hierarchisch verfass- ten Katholizismus jener Zeit möglich, aber keineswegs selbstverständlich. Tatsächlich war das Laienapostolat ohne organisatorische Bindung an die Kirche, wie Münz es mit seinen Vorträ- gen auf eigene Initiative hin ausübte, von Seiten der Amtskirche und der Geistlichkeit nicht unumstritten. In einem Brief an Franz Johannes Weinrich10 erwähnte Münz den Erzbischof von Freiburg, der dem Laienapostolat ablehnend gegenüberstehe. Auch erhielt er von vielen Geistli- chen auf briefliche Anfragen, ob sie in ihrer Gemeinde Interesse an Lesungen oder Vorträgen hätten, keine Antwort.11 5 Peuler 1946, 173. 6 Bf. vom 23.1.1948 an Friedrich Schreyvogl. 7 Bf. vom 31.3.1951 an F. Schülen, den Leiter der Volkshochschule Nördlingen. 8 Bf. an den Stadtpfarrer Bernhard Hanssler, Schwäbisch Hall, vom 11.7.1947. 9 Später als Prälat beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken tätig. 10 17.12.1947. 11 Vgl. den Brief vom 27.11.1947 an den Dekan Mager. - E.2.c - 341 Die Vortragsreisen konnte Münz, nachdem er 1948 in den Schuldienst zurückgekehrt war, in reduziertem Umfang nur noch an den Wochenenden unternehmen. Dafür begann er jetzt, eine regelmäßige Dozententätigkeit in Volkshochschulen auszuüben, zuerst in Augsburg und schließlich, nachdem er 1953 dorthin gezogen war, in Bad Mergentheim. Im Rahmen der Volkshochschulkurse weitete sich das Spektrum der Themen aus. Neu hinzu kamen jetzt Dia- Vorführungen und Vorträge über Frankreich, das Münz Ende der vierziger Jahre zum ersten Mal seit Kriegsende wieder besuchen konnte. Der Schwerpunkt der Vortragstätigkeit lag indes weiterhin auf literarischem Gebiet. In Vortragsreihen befasste sich Münz jeweils während eines Wintersemesters mit einem Thema: „Jean Paul Sartre“ (1953), „Goethe und die Frau“ (1954) und „Dantes ‘Göttliche Komödie’“ (1955). Daneben hielt er Gastvorträge an auswärtigen Volkshochschulen und christlichen Bildungswerken. Themen dieser Einzelvorträge waren bei- spielsweise der Marquis de Sade und die Figur des historischen und literarischen Don Juan (unter den Titeln ‘Was ist Sadismus? Das skandalöse Leben und Schreiben des Marquis de Sade’ und ‘War Don Juan ein Heiliger?’). Die Wahl der letztgenannten Vortragsthemen und ihre für damalige Verhältnisse doch recht provokante Aufmachung12 zeigen, dass Münz auch hier aufrütteln, erschüttern wollte, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Gegenüber den weltanschaulichen Gegnern müsse der katholi- sche Standpunkt offensiv vertreten werden, schrieb er im März 1954 an den Schriftsteller Jakob Kneip. Von Seiten der Amtskirche erhielt Münz nicht den Rückhalt, den er sich vermutlich gewünscht hätte. Das bischöfliche Ordinariat Rottenburg beantwortete seine oft emphatischen Briefe, die seine Vortragstätigkeit betrafen, sehr zurückhaltend. Immerhin erteilte sie ihm den gewünschten Dispens, indizierte Bücher zu lesen und die daraus entstandenen Vorträge vor Katholiken zu halten.13 12 Vgl. dazu auch Kap. D.2.c. 13 Vgl. den Brief des Ordinariats Rottenburg vom 20.8.1949. - E.2.d - 342 d) Kritik und Theorie der christlichen Literatur (i) ‘Der feste Standpunkt’ - Anfänge als Literaturkritiker Ein Beitrag, den die neu gegründete Kulturzeitschrift ‘Aussaat’ in ihrem Septemberheft 1946 veröffentlichte, war der Beginn von Münz’ publizistischer Tätigkeit nach dem Krieg. Die ‘Aussaat’ erschien seit dem Frühjahr 1946, dem ersten „Höhepunkt der Gründungswelle“1 katholischer Kulturzeitschriften, in Lorch bei Stuttgart. Lizenzträger war Alfons Bürger. Die ‘Aussaat’ vertrat ein elitär-geistesaristokratisches Programm ohne konfessionelle Festlegung und wandte sich vor allem an die jüngere Generation, „die ihr Welt- und Lebensbild im vielge- staltigen Bereich der christlichen Kultur“2 suche. Bereits zwei Jahre später stellte die ‘Aussaat’ ihr Erscheinen ohne Angabe von Gründen ein, vermutlich war sie wie viele andere Zeitschriften auch von der Währungsreform betroffen.3 Der Artikel von Münz behandelte das französische Theater, wobei der Schwerpunkt auf der Gegenwart lag. Münz beschränkte sich nicht auf eine Aufzählung, sondern hob die Autoren hervor, denen er auf deutschen Bühnen zu wenig Beachtung geschenkt sah. Von den in Deutschland erfolgreichen Bühnenautoren stellte er Jean Anouilh und Paul Claudel gegenein- ander. Anouilh sei „Symptom der Zeit“,4 er zeige die“Demaskierung des modernen Menschen in seiner gewissenlosen Kompromißhaltung“.5 Claudel dagegen gebe dem Menschen in eben dieser Zeit Orientierungshilfe: „An der dichterischen Sendung Claudels kann sich das erneuernde Deutschland entzünden: für ihn ist Kunst Gottesdienst.“6 Der Aufsatz in der ‘Aussaat’ - es folgten in dieser Zeitschrift noch Beiträge über die französi- sche Lyrik und den französischen Roman - war für Münz Anlass, eine regelmäßige Mitarbeit an den jetzt in großer Zahl erscheinenden Kulturzeitschriften ins Auge zu fassen. Zwar ordnete Münz seine ‘journalistische Arbeit’, wie er sie in Briefen dieser Zeit abschätzig nannte,7 den Lesungen und den schriftstellerischen Arbeiten unter. Jedoch sah er in dieser Tätigkeit eine Möglichkeit, als Autor an die Öffentlichkeit zu gelangen und seinen Namen bekannt zu ma- chen.8 So erklärt sich die Suche nach einer Zeitschrift, die sich seiner oder seines Werkes an- nahm, wie eine häufige Formulierung in Briefen an Freunde lautete.9 1 Brelie-Lewien 1986, 34. 2 ’Unseren Freunden’. In: Lücke, H. 1 (1946), S. 31; zit. nach Brelie-Lewien 1986, 75. 3 Vgl. dazu Brelie-Lewien 1986, 43ff. 4 Münz 1946, 31. 5 Ebd. 6 Ebd., 32. 7 Vgl. etwa den Brief vom 16.12.1947 an Franz Johannes Weinrich. 8 Das galt auch für andere jüngere Autoren in der Nachkriegszeit: „Da andere Kommunikationsmöglichkeiten und Handlungsspielräume verbaut waren und enorme publizistische Wirkungschancen gegeben waren, bot sich // die Arbeit an Nachkriegszeitschriften jedem potentiellen Autor geradezu als Wirkungsfeld an.“ (Brelie-Lewien 1986, 49//50) 9 Vgl. den Brief vom 23.7.1947 an Josef Magnus Wehner. - E.2.d - 343 Ende 1946 wandte sich Münz mit einem Brief an Alois Wurm, den Schriftleiter der in Regens- burg erscheinenden ‘Seele’.10 Der Untertitel der Zeitschrift, ‘Monatsschrift im Dienste christlicher Lebensgestaltung’, umriss ein Programm, das die theologische Behandlung von Zeitfragen auf laiengemäße Weise mit einer Literaturkritik aus katholischer Sicht verband. Daneben brachte die Zeitschrift erbauliche Erzäh- lungen, Gedichte und christliche Leitsätze, Aphorismen etc.. Die 1919 gegründete und 1939 verbotene ‘Seele’ hatte 1935 ein Gedicht des dreiundzwanzig- jährigen Studenten Münz veröffentlicht;11 auch hatte Wurm hier die Buchreihe ‘Der große Kreis’ eingehend besprochen.12 In seinem Brief erinnerte Münz daran, legte einige neuere Ge- dichte bei und bot sich als freier Mitarbeiter an, französische Neuerscheinungen zu besprechen und überblicksartige Darstellungen aus dem französischen Sprachraum zu liefern.13 Der Ant- wortbrief Wurms ist nicht erhalten, auch nicht der Brief, mit dem er im Mai 1947 eine von Münz eingereichte Arbeit über Claudel ablehnte.14 Jedenfalls kam es in der Folgezeit nicht zu einer regelmäßigen Mitarbeit.15 Im Januar 1947 wandte sich Münz mit einem ähnlichen Anlie- gen auch an Franz Josef Schöningh, den Herausgeber des ‘Hochland’.16 Dieser beschied ihn - im höflichem Tonfall einer Standardabsage - unter Hinweis auf den bereits vorhandenen, aus- reichend großen Mitarbeiterkreis abschlägig.17 Münz lernte Schöningh im September 1947 auf der Tagung deutscher und französischer katholi- scher Schriftsteller in Lahr persönlich kennen.18 Zwei Monate später - Alfred Döblin hatte mitt- lerweile einen Aufsatz über André Gide und Henri Ghéon zur Veröffentlichung im ‘Goldenen Tor’ angenommen (s.u.) - wandte sich Münz erneut an Schöningh: Weil Gide den Nobelpreis er- halten habe, sei es notwendig, dass man von katholischer intellektueller Seite zu dem Autor und seiner weltanschaulichen Position Stellung nehme; dies sei ein Akt „Aufklärung durch uns Ver- antwortliche.“19 Am 2.12.1947 nahm Schöningh den Aufsatz über Gide und Ghéon an, wies je- doch darauf hin, er werde einige Retuschen vornehmen,20 womit Münz einverstanden war.21 Der Aufsatz erschien in der Februarnummer 1949. Münz’ publizistisches Wirken in dieser Zeit blieb also sporadisch; es bestand zumeist aus Buchrezensionen oder behandelte Autoren der französischen Literatur. Einige Beiträge erschie- nen auch im Feuilleton der ‘Stuttgarter Zeitung’, der ‘Schwäbischen Post’ und der ‘Neuen Zei- tung’ (München), auch das eine oder andere Gedicht. Im Frühjahr 1947 schien sich für Münz 10 Bf. vom 30.12.1946. 11 17. Jg. (1935), H. 5, S. 138: ‘Abendgebet’. 12 17. Jg. (1935), H. 9, S. 287f. 13 Brief an Wurm vom 30.12.1946. 14 Siehe dazu Münz’ Briefe an Wurm vom 29.4. und 12.5.1947. 15 Im Doppelheft Oktober/November 1947 (S. 313-316) erschien ein Aufsatz über Franz Johannes Weinrich; im Juli/August-Heft des folgenden Jahres (S. 204) sein Gedicht ‘Landschaft der Liebe’. 16 Bf. vom 14.1.1947. Münz war während seiner Studentenzeit sporadisch publizistisch tätig gewesen. Aus dem vorliegenden Material geht jedoch eindeutig hervor, dass er keinen Kontakt zur Redaktion des ‘Hochland’ hatte, die sich in München befand. Genaueres lässt sich nicht mehr eruieren. 17 Bf. an Münz vom 17.1.1947. 18 Vgl. Kap. E.3.b. 19 Bf. vom 22.11.1947 an Schöningh. 20 Bf. an Münz vom 2.12.1947. 21 Bf. vom 16.12.1947 an Schöningh. - E.2.d - 344 eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Heinrich Bauer anzubahnen, der neuer Chefredakteur der in Heidelberg erscheinenden Zeitschrift ‘Die Lücke’ geworden war. Die ‘Lücke’ begann als christliche Kulturzeitschrift für die jüngere Generation. Unter Heinrich Bauer verlegte sie ihren Schwerpunkt auf politische Themen und trat für eine sozialistische Um- gestaltung der Nachkriegsgesellschaft ein - eine Hoffnung, von der spätestens der Jahresrückblick im Dezemberheft 1947 Abstand nahm. Nach dem Ergebnis einer Leserumfrage verlagerte die Zeitschrift 1949 ihren Programmschwerpunkt auf kulturelle Themen, bis sie 1950 ihr Erscheinen einstellte.22 Münz’ erster Beitrag darin erschien im Mai 1947; es war ein Artikel über Jean Anouilh, der mit seiner ‘Antigone’ im deutschen Theaterleben der Nachkriegszeit starke Resonanz gefunden hatte. In diesem Artikel zeigte sich bereits paradigmatisch Münz’ publizistisches Anliegen: Das weltanschaulich sichere Urteilen schloss nicht nur Forderungen an die Schriftsteller ein, es diente auch der Charakterisierung des eigenen literarischen Schaffens. „Man mache sich einmal die Mühe einer Statistik: man zähle in allen seinen Dramen die beiden so kleinen Wörter ‘sale’ (dreckig) und ‘petit’ (klein) zusammen. Da wird von dreckiger Hoff- nung, schmutzigen Lachsalven, von kleinen Chancen, von kleinen Konzessionen usw. gespro- chen. Liegt darin jene aufbauende Kraft, die wir, nicht nur in Deutschland, so bitter nötig ha- ben? Die Dichtung soll uns nicht noch mehr zerschlagen, als ohnehin schon zerschlagen worden ist. Wir wissen, daß wir eine schwere, abgründige Vergangenheit hinter uns haben, aber wir wollen die Gewißheit, daß es einen Sinn hat, sich davon abzuwenden, sie von uns abzuschütteln. Gerade die Dichter müssen uns hoffen heißen. Gerade sie müssen mehr wissen und mehr glau- ben als der im Alltag hängende Mensch.“23 Briefe aus dieser Zeit belegen, dass Münz froh war, in der ‘Lücke’ eine Plattform für sein schriftstellerisches Wirken gefunden zu haben.24 Aus seiner Feder erschienen hier weitere Arti- kel über literarische Themen,25 daneben regelmäßige Buchbesprechungen und vereinzelt Ge- dichte.26 Zu den etwa siebzehn Stammautoren, die Brelie-Lewien in ihrer Darstellung katholi- scher Nachkriegszeitschriften anführt,27 gehörte er allerdings nicht. Gründe dafür sind aus der Korrespondenz nicht zu ersehen. Im Novenber 1947 erhielt Münz von Alfred Döblin die Einladung zu einer Lesung in Baden- Baden, wo er den berühmten Autor der zwanziger Jahre kennenlernte, der nach dem Krieg als französischer Kulturoffizier fungierte. In Döblins Zeitschrift ‘Das goldene Tor’ erschienen in unregelmäßiger Folge einige von Münz’ Aufsätzen und Übersetzungen.28 Der Kontakt mit den ‘Frankfurter Heften’ dagegen blieb auf einen Brief an Walter Dirks vom November 1947 be- 22 Die Darstellung der Zeitschrift ist Brelie-Lewien 1986, 213 und 76 entnommen. 23 Münz 1947, 4. 24 Bf. vom 23.7.1947 an Josef Magnus Wehner. 25 In Heft 9 (1948) erschien ein Artikel über den ihm befreundeten Kirchenmaler Willy Oeser. 26 Die Übersetzung eines Gedichts von Verhaeren (‘Les ailes rouges de la guerre’, H. 6, 1947) und ein eigenes Ge- dicht (‘Trost in der Frühe’, H. 10, 1947). 27 Brelie-Lewien 1986, 76. 28 Aufgeführt im Literaturverzeichnis. - E.2.d - 345 schränkt, in dem Münz Gedichte von jüngeren katholischen französischen Autoren (Robert Morel, Lanza del Vesto u.a.) anbot.29 Ohnehin hatte sich im Verlauf der Nachkriegsjahre Münz’ geringschätzige Beurteilung seiner journalistischen Arbeit geändert, und er war zu der Überzeugung gelangt, dass eine Literatur- kritik aus katholischem Geist in der Gegenwart von eminent großer Bedeutung sei. Im Sommer 1948 schrieb er an den Rechtsanwalt Otto Gritschneder, der zu jener Zeit in München eine neue katholische Zeitschrift konzipierte: „Was machen [...] Ihre Zeitschriftenpläne? Ich bedaure es außerordentlich, daß Sie scheinbar auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen sind. Nach wie vor wäre eine große, kritische Wochenzeitung aus christlichem Geist unbedingt notwendig. Mit diesen hochgeistigen Artikel [sic] in unseren Zeitschriften greifen wir nicht in unsere Zeit und nicht in die Menschenherzen hinein. [...] Der Mensch wagt sich nicht mehr zu entscheiden, er hat kein absolutes Urteil mehr ... . Deshalb wäre eine kritische Zeitung so bitter nötig.“30 Ein Wirkungsfeld in diesem Sinne bot sich Münz erst 1948, als er zu einer verhältnismäßig kontinuierlichen Mitarbeit an zwei katholischen Publikationen fand, der ‘Tagespost’, die 1948 als erste überregionale katholische Tageszeitung im Nachkriegsdeutschland gegründet wurde,31 und der monatlich erscheinenden ‘Begegnung’. Zwar entsprach auch hier die Zusammenarbeit nicht ganz seinen Vorstellungen, denn noch 1951 stellte er resigniert fest, er fände keine Zeit- schrift oder Zeitung, die seine Beiträge nicht monatelang liegen ließe.32 Wirklich enthält sein Nachlass eine Reihe von Aufsätzen, die nie zur Veröffentlichung kamen. Doch das Jahr 1948 bedeutete insofern einen Einschnitt in Erwin K. Münz’ publizistisches Wirken, als die Suche nach einer ‘Plattform’ beendet war: die programmatische Ausrichtung der ‘Begegnung’ wie der ‘Deutschen Tagespost’ kam seinen eigenen Vorstellungen von der Aufgabe katholischer Publi- zistik recht nahe. 29 Bf. vom 27.11.1947 an Walter Dirks. 30 Bf. vom 8.8.1948. 31 Nach 1950 unter dem Titel ‘Deutsche Tagespost’. 32 Bf. an den Verleger Hugo Schnell vom 14.6.1951. Näher führte Münz diese Bemerkung nicht aus, auch nicht in anderen Briefen. - E.2.d - 346 (ii) ‘In die Menschenherzen hineingreifen’ - Katholische Literaturkritik Die Artikel, die Münz bis in die fünfziger Jahre für die ‘Begegnung’ schrieb, sind in ihrer Ge- samtheit prototypisch für seine Konzeption von wirksamer, aufrüttelnder, mitreißender katholi- scher Literaturkritik. Die ‘Begegnung’ war 1946 von Wilhelm Peuler in Koblenz mit französischer Lizenz gegründet worden. Anders als die meisten anderen Nachkriegszeitschriften begann sie mit einem von vorn- herein weit gefassten inhaltlichen Spektrum.33 Die Inhaltsübersicht über die ersten Jahrgänge weist Beiträge aus den Bereichen Kunst, Musik, Literatur, den Geistes-, Sozial-, Naturwissen- schaften und Technik aus, außerdem ‘Nachrichten aus der katholischen Welt’ und der Ökumene sowie Stellungnahmen zu aktuellen Ereignissen. Die Themenvielfalt entsprach dem Programm, das die Zeitschrift sich vorgegeben hatte, „aus ei- ner klaren, leuchtenden katholischen Haltung [...] die Dinge der Zeit [...] in allen Gebieten des geistigen und kulturellen Lebens“ zu deuten.34 Die Fülle der Themen wie der Autoren bedingte, so Gabriele von der Brelie-Lewien, eine gewisse Profillosigkeit. Diesem Umstand vor allem schreibt sie zu, dass die ‘Begegnung’ nicht im gewünschten Maße den Weg zum katholischen Le- ser gefunden habe und auch in der außerkatholischen Öffentlichkeit weitgehend ohne Resonanz geblieben sei.35 Münz’ erster Artikel in der ‘Begegnung’, der anlässlich Claudels achtzigsten Geburtstages am 6. August 1948 erschien, bezog sich im Wesentlichen auf den Gedanken der ‘christlichen Na- tion’. Claudel meine damit, so Münz, allein das Christentum sei fähig, „der Gesellschaft Geset- ze zu geben, aufzubauen, eine gültige und keine ‘relative’ Hierarchie der Werte zu schaffen“.36 Diesen Satz sah Münz auch als Hauptaussage von Claudels Tetralogie ‘Der seidene Schuh’37 und folgerte daraus, die Situation, in die der Protagonist Don Rodrigue mit dem Scheitern sei- ner Machtgier und Ehrsucht am Ende des Dramas gerate, sei die des besiegten Deutschlands: „So aller Äußerlichkeit beraubt, entdeckt Rodrigue erst die Schönheit des Himmels und - die Freiheit! [...] Diese Freiheit, die des seelischen Entschlusses, ungehemmt von Reichtum und Gelüsten, erneut, ganz unten, selbstlos am Stufenbau der Völker und Geschöpfe mitzuwirken, sie ist es, die Claudel von den Siegermächten für Deutschland fordert.“38 Zieht man das Programm der ‘Begegnung’ in Rechnung, aus katholischer Sicht zu Problemen der Zeit Stellung zu beziehen, so lesen sich diese Sätze wie ein Kommentar zu den gerade aktuellen Ereignissen des Sommers 1948, in dem sich die Spannungen zwischen der Sowjetunion und den westlichen Siegermächten derart zuspitzten, dass sich eine Zusammenführung der Westzonen und die Einbindung Deutschlands in den Westen abzuzeichnen begann.39 Die Utopie einer Freiheit 33 Vgl. Brelie-Lewien 1986, 66. 34 N.N.: „Geleitwort zum 6. Jahrgang“. In: Begegnung, 6. Jg. (1951), H. 1, 337. 35 Brelie-Lewien 1986, 66. 36 Münz 1948, 1. 37 Erstveröffentlichung 1930. Die Uraufführung der (gekürzten) Bühnenversion unter der Regie von Jean-Louis Barrault hatte im November 1943 an der Comédie Française stattgefunden. Eine von Hans Urs von Balthasar besorg- te deutsche Ausgabe war bereits 1939 erschienen und in mehreren Auflagen neu aufgelegt worden. Claudels ‘magnum opus’ war im Nachkriegsdeutschland also so bekannt, dass Münz darauf Bezug nehmen konnte. 38 Münz 1948, 2f. 39 Als wichtigste politische Ereignisse des Jahres 1948 seien hier nur aufgeführt: die allmähliche Konsolidierung des späteren ‘Ostblocks’ durch Freundschafts- und Beistandspakte, die Empfehlung der Londonder Sechs-Mächte- Konferenz hinsichtlich wirtschaftlicher Einbindung der Westzonen in Westeuropa, einer Verfassung und einer inter- nationalen Kontrolle des Ruhrgebiets, daraufhin der Rückzug der Sowjetunion aus dem Alliierten Kontrollrat; schließlich die Währungsreform vom Juni 1948 und als Reaktion unmittelbar darauf die Blockade Berlins. - E.2.d - 347 allerdings, ‘ungehemmt von Reichtum und Gelüsten’,40 wirkt wie eine indirekte Kommentierung der Währungsreform vom Juni 1948. Münz’ weitere Beiträge, die in den nächsten Jahrgängen in loser Folge erschienen und in denen er vor allem über Vertreter der zeitgenössischen französischen Literatur schrieb, waren in ähn- licher Weise Stellungnahmen zur Situation im Nachkriegsdeutschland an der Schwelle zu den fünfziger Jahren. Sie basierten auf Münz’ Auffassung vom Wesen der Kultur, die er im Okto- berheft 1949 mit dem Aufsatz „Gedanken über die sogenannten nationalen Kulturepochen“ darlegte: Die Kultur der gesamten Menschheit beschrieb er unter Berufung auf die ‘anima natu- raliter christiana’ als grundsätzlich einheitlich; jedoch drücke sich in der jeweiligen Kultur das Verhältnis des Menschen zu Gott aus. Die Entfernung von Gott fand Münz verkörpert vor allem in den Vertretern des französischen Existenzialismus, mit denen sich auseinanderzusetzen ihm um so wichtiger erschien, als sie im Nachkriegsdeutschland starke Resonanz fanden.41 Mit André Malraux befasste er sich einge- hend, als dieser 1949 mit ‘La création artistique’ den zweiten Teilband seiner ‘Psychologie de l’art’ veröffentlicht hatte. Dieses Werk, so Münz, bedeute den vorläufigen Endpunkt der inne- ren Entwicklung Malraux’, die sich in seinem Leben wie in seinem literarischen Schaffen zeige, und die als Flucht vor dem Ewigen, vor Gott, zu beurteilen sei. In Malraux’ Romanen spiegele sich diese Entwicklung; die von Unruhe getriebenen Revolutionäre42 seien Verkörperungen ihres Autors. Das „rastlose Tätigsein“ als Revolutionär, die „um ihrer selbst willen gepflegte Aktion“ habe „den Menschen Malraux aus der Bahn geworfen“ und ihn „erbarmungsreif und reif für die Gnade Gottes gemacht“.43 In dieser Situation sei die ‘Psychologie de l’art’ entstan- den. Die von Malraux darin geäußerten Gedanken, dass die Künstler andere Welten suchten als die sinnlich gegebene Welt, die ihnen zwangsweise auferlegt sei, dass der Mensch mehr sei als die Summe seiner Handlungen und dass die Sinne nicht die letzte Wahrheit gäben, bewertete Münz als authentische Zeugnisse einer Sehnsucht nach Gott, den Malraux zuvor so heftig be- kämpft habe. In ähnlicher Weise, indem er die innere Entwicklung eines Autors anhand des Werkes nach- zeichnete, behandelte Münz Albert Camus. Dessen geistige Entwicklung sei gekennzeichnet von qualvollem Ringen um Erkenntnis und Wahrheit. Indem er im Bühnenstück ‘État de Siège’ angesichts der Sinnlosigkeit und Absurdität der Welt die Kraft der Sittlichkeit herausstelle, 40 Im NT (etwa bei Matth 6, 19ff. oder Matth 19, 16ff.) findet sich deutlicher die Geringschätzung irdischen Reich- tums als im AT (vgl. allerdings Pred 5,9 oder Sir 5,1). Münz paraphrasiert hier folgenden Vers aus dem Markus- Evangelium (4,19): „aber die Sorgen der Welt und der Betrug des Reichtums und die Begierden nach allem anderen dringen ein und ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht.“ 41 Bf. vom 18.9.1951 an Franz Johannes Weinrich. 42 Garine aus dem Roman ‘Les conquérants’ und Kyo aus ‘La condition humaine’. 43 Münz 1949, 367. - E.2.d - 348 verwickle Camus sich in Widersprüche, im ‘État de Siège’ verneine sich der Verneiner (Nada) schließlich selbst und ende im Selbstmord.44 Die Rechtfertigung, sich in der katholischen Zeitschrift ‘Begegnung’ derart eingehend mit Mal- raux und Camus auseinanderzusetzen, zog Münz daraus, dass beide sich ernsthaft um Erkennt- nis bemühten und sich nicht scheuten, aus Widersprüchen zu neuen Denkansätzen zu gelangen. Anders Sartre, „der, nachdem er einmal ein System aufgebaut hat, kaum mehr Überraschungen zu bieten vermag.“45 Besonders bei Malraux schloss Münz nicht aus, dass dieser, ähnlich wie der 1945 zum Katholizismus konvertierte Döblin, aus seiner geistigen Entwicklung den Weg zu Gott noch finde. Camus und Malraux konnten damit als exemplarisch für das Ringen um Gott dargestellt werden.46 Der Blickpunkt, den Münz bei ihrer Darstellung einnahm, war der des katholischen Lesers, wenn er etwa über Camus schrieb: „Wie nahe ist er uns gerückt“.47 Hier wird deutlich, was Münz in dem oben zitierten Brief an Otto Gritschneder für eine christliche (sc. katholische) Publizistik gefordert hatte, nämlich nicht ‘hochgeistig’ zu theoretisieren, sondern ‘in die Men- schenherzen hineinzugreifen’. Genau dies erlaubte die Schilderung eines Einzelschicksals, mit dem sich der Leser identifizieren konnte. Indem sich Münz in der Wir-Darstellung gleichzeitig eines gemeinsamen Horizonts mit dem Leser versicherte, vermittelte er diesem den Standpunkt, von dem aus zu urteilen, Stellung zu beziehen war - ein Muster, das noch in der gegenwärtigen katholischen Literaturtheologie begegnet.48 Aus dieser Haltung heraus erklärt sich der fast leh- rerhafte Gestus der Rezensionen, der die Beurteilten danach beurteilt, inwieweit sie vorgegebe- nen Kriterien entsprechen, und ihnen geistige Entwicklungsfähigkeit entweder zubilligt oder abspricht. Vereinzelt zog Münz aus dem Dargestellten auch direkte Konsequenzen für den Le- ser, so am Ende seines Camus-Aufsatzes: „An diesem Tiefpunkt der Heilsgeschichte stehen wir. [...] wir wissen um unseren christlichen Auftrag: selbst Apostel in Gebet und Tat zu sein und damit den Sinn des Menschenlebens weithin aufleuchten zu lassen, auch im Herzen jener, die noch nicht den Mut zur Entscheidung gefunden haben.“49 44 Vgl. Münz 1950. 45 Ebd., 179. 46 In Münz’ Einschätzung drückt sich ein katholischer Standpunkt aus, den Wilhelm Grenzmann zehn Jahre später in ähnlicher Weise formulierte. Sartre vertrete „mit seinen 50 Jahren bereits den älteren Stil des Existenzialismus [...]. Seine Kenntnis des Menschen reicht nicht weit; seine Probleme sind - bei aller rationalistischen Schärfe - begrenzt und untief wie seine Lösungen. Jüngere gehen schon über ihn hinaus.“ (Grenzmann 1955, 225) Der Atheismus von Camus dagegen, zu dem dieser „sich entschlossen bekennt, erscheint trotz der Deutlichkeit der Aussage problemof- fen und nicht endgültig [...].“ (ebd., 271) Überhaupt figurierten Camus und Sartre als zwei Pole intellektueller Er- kenntnis: „Ihrer natürlichen Anlage und ihrem Denkstil nach sind Sartre und Camus voneinander sehr verschieden: dem kalten Intellekt des Älteren setzt Camus ein warmes Gefühl entgegen.“ (ebd.) 47 Münz 1950, 183. 48 Etwa bei Friedrich Kienecker oder bei Magda Motté (vgl. Kap. C.4.b.i). 49 Münz 1950, 183. - E.2.d - 349 In Sätzen wie diesem fügten sich Münz’ publizistische Arbeiten in sein von ihm als apostolisch verstandenes Wirken ein. Für den Rahmen einer katholischen Zeitschrift waren Malraux und Camus Negativbeispiele, die allenfalls als beispielhaft für (auch unbewusste) Sehnsucht nach Gott gezeigt werden konnten. Das hieß aber auch, das Abenteuerliche ihres Lebensweges, das besonders bei Malraux we- sentlich zu seiner Aura in der damaligen Zeit beitrug, vom katholischen Standpunkt her nicht als Faszinosum, sondern allenfalls als Durchgangsstadium darzustellen. Als Vorbild eignete sich ein solcher Lebensweg naturgemäß nicht. Jedoch behandelte Münz in anderen Beiträgen auch Schriftsteller, die sich bewusst für Gott entschieden hatten. Dies waren der Schriftsteller Luc Estang, den Münz als Vertreter des jungen, engagierten Nachkriegskatholizismus in Frank- reich porträtierte,50 und der französische Publizist Emmanuel Mounier, dessen Vorbildcharak- ter bereits der Titel des Aufsatzes (‘Das Leben eines vollendeten Christen’) herausstellte.51 Münz’ literaturkritisches Wirken, das sich bewusst an Katholiken und an die ‘noch Schwan- kenden’ richtete, kann insgesamt als repräsentativ für die klerikal-konservative Ausrichtung katholischer Literaturkritik in seiner Zeit gelten. Seinen katholischen Lesern waren die ‘klaren Maßstäbe’, zu denen sich Münz bekannte, vertraut. Dazu gehörte insbesondere die eindeutige Unterscheidung von ‘zu Gott gehörig’ und ‘von Gott abgewandt’ und die Auffassung, dass der Einzelne sich für sein Handeln vor Gott rechtfertigen müsse. Diese Rechtfertigungssituation jedoch war ins Hier und Jetzt verlagert, indem Münz als Rezensent - stellvertretend für ‘die Christen’ - die Beurteilung der weltanschaulichen Position des Autors vornahm. Diese war aus dem Werk erschlossen; häufig auf dem Wege einer nicht näher begründeten metonymischen Umdeutung: Äußerungen einer Romanfigur werden als Äußerung des realen Autors gelesen. Münz argumentierte also - dies ein geläufiges katholisches Muster52 - nicht mit dem Werk, sondern mit der Person des Autors. (iii) ‘Das Sprechen zu den Zeitgenossen’ - Theorie katholischer Literatur Ähnlich wie die ‘Begegnung’ war auch die ‘Augsburger Tagespost’, die Johann Wilhelm Nau- man im August 1948 gründete, eine prononciert katholische Zeitung. Ihre Beilage ‘Die Tagespost’ war die erste überregionale katholische Tageszeitung in Deutsch- land nach dem Krieg.53 Aus der ‘Tagespost’ ging 1950 die bis heute erscheinende ‘Deutsche Ta- 50 Vgl. Münz 1950a. Luc Estang (= Lucien Bastard) war 1911 geboren, also ein Jahr älter als Münz. Der Untertitel des Artikels (‘Luc Estang und das junge Frankreich’) mag eine Anspielung darauf sein, in welcher Situation Münz selbst sich sah. 51 Vgl. Münz 1951. Eine Bibliographie zu Mounier (1905-1949) gibt Kranz 1961a, 580; in der 2. Auflage (Kranz 1968a) ausgeschieden. 52 Vgl. dazu auch Paul Stöckleins Interpretation der ‘Wahlverwandtschaften’ (1. Teilband, Kap. B.1.a.i). 53 Die hier gegebene Darstellung und die folgenden Zitate sind Schmolke 1971, 268 entnommen. - E.2.d - 350 gespost’ hervor.54 In dieser Zeitung etablierte Naumann ein Forum für den „Kampf“ gegen die liberale und darin als anti-katholisch verstandene Presse. In der katholischen Publizistik nach 1945 recht isoliert,55 griff er auf Konzepte zurück, die seit den Zeiten des Kulturkampfes bis in die Weimarer Republik hinein in der „farblosen“ die „schlechte“ Presse gesehen hatten. Auf Le- serbedürfnisse Rücksicht zu nehmen, lehnte Naumann ab, was seine 1950 erschienene Broschüre ‘„Majestät“ Leser entscheidet!?’ in polemischer Form zum Ausdruck brachte.56 Bis in die fünfzi- ger Jahre hinein beschwor er in vielen Artikeln der ‘Deutschen Tagespost’ die Wichtigkeit eines bekennenden katholischen Standpunktes im säkularisierten Abendland. Insofern war ihm ein of- fenes Bekenntnis zum Christentum auch elitäre Herausforderung: „Wenn es [...] in der Welt so unchristlich aussieht, dann muß der Sauerteig entweder schlecht oder das Salz schal sein. Er [Christus] sprach aber auch von der Einsamkeit des Christen, von den Verfolgungen und ver- sprach zuletzt den Triumph seines Wortes [...]. Das soll für uns ein Trost sein, und zwar der Trost, den wir brauchen, um Mut und Spannkraft zu behalten, den letzten und wichtigsten Kampf um die Existenz des Christentums zu führen.“57 Mit diesem „profiliert katholischen Ansatz alten Stils“58 blieb die Ausstrahlung der Zeitung im deutschen Katholizismus beschränkt. Zwar stieg die Anzahl der Abonennten bis in die frühen sechziger Jahre auf rund 20.000 an, zum größten Teil Kleriker;59 mit einem dreimaligen Erschei- nen pro Woche blieb die ‘Deutsche Tagespost’ aber auf eine komplementäre Funktion im Markt der Tageszeitungen beschränkt.60 Münz war bereits Anfang August 1948, als sich die ‘Augsburger Tagespost’ noch in der Pla- nung befand, brieflich an Johann Wilhelm Naumann herangetreten.61 Von der ersten Ausgabe der Zeitung an befand er sich mit in unregelmäßiger Folge erscheinenden Artikeln und mit Re- zensionen unter ihren freien Mitarbeitern.62 Wie in der ‘Begegnung’ waren auch Münz’ Artikel in der ‘Deutschen Tagespost’ häufig literaturkritischer Art. Mehrere Beiträge erschienen in beiden Zeitungen. Daneben schrieb Münz für die ‘Tagespost’ auch eine Reihe von Artikeln grundsätzlicher Natur. Er selbst betrachtete sie nicht als systematisches, zusammenhängendes Ganzes; vielmehr er- wuchsen sie en passant aus seinen schriftstellerischen Arbeiten, und diese zeitliche Koinzidenz legt nahe, sie als deren Apologie zu lesen. In den Artikeln befasste sich Münz mit der Rolle und der Funktion der christlichen Literatur und des christlichen Schriftstellers, ohne indes seine Erörterungen explizit in die Zusammenhänge katholischer Poetologie einzustellen.63 Die Arti- 54 Zur Entwicklung der ‘Tagespost’ von 1948 bis heute vgl. näher Jestaedt 1998. 55 Dazu ausführlicher Brelie-Lewien 1986, 77ff. und Herr 1998, 29. 56 Vgl. Naumann, J.W. 1950. Die in dieser Kampfschrift vorgetragenen Gedanken teilte Münz. Jahre später begrün- dete er seine Ablehnung, die katholische Tageszeitung ‘Deutsches Volksblatt’ (Stuttgart) zu abonnieren, in einem Brief an die Redaktion mit dem „Kompromißcharakter, der mich unangenehm berührt“; die Zeitung scheine sich „von den Lesermassen [...] leiten zu lassen.“ (Bf. vom 3.9.1954). 57 Naumann, J.W. 1950/1958. 58 Schmolke 1969, 39. 59 Vgl. Baukloh 1966, 245. Die Entwicklung der Abonenntenzahlen ausführlicher bei Jestaedt 1995. 60 Zur blattinternen Diskussion über Vor- und Nachteile eines täglichen Erscheinens vgl. Herr 1998, 29. 61 Bf. an Naumann vom 3.8.1948. Die erste Ausgabe der ‘Tagespost’ erschien am 28.8.1948 und wurde den Abon- nenten mit Briefpost zugestellt. 62 Zum engeren Mitarbeiterkreis gehörte Münz nicht; in der Festschrift von 1998 ist sein Name jedenfalls nicht er- wähnt. Das Kulturressort wurde seit August 1948 betreut von dem damals neunundzwanzigjährigen Ferdinand Rö- mer, der nach dem Tode Naumanns (1956) Chefredakteur der Tagespost wurde. Neben Naumann war es vor allem Römer (gestorben im März 1986), der das Blatt prägte. (Angaben nach Jestaedt 1998, 43f.) 63 Das würde darauf hindeuten, dass Münz auf Adressatenseite ein entsprechendes Wissen voraussetzte, sich mit den Artikeln also nicht an den literarischen Laien wandte. - E.2.d - 351 kel geben auch Aufschluss über die zentrale Kategorie seines Literaturbegriffs, nämlich ihre Lehrhaftigkeit. Gebunden ist diese Kategorie an die Person des Autors. Aus dem Primat des ‘prodesse’ leitete Münz für diesen nämlich die Verpflichtung her, objektiv zu sein, gewisser- maßen das Objektive selbst sprechen zu lassen.64 In seinen ‘Tagespost’-Artikeln bestritt er, dass die moderne Literatur eine Weltanschauung vermitteln könne.65 Vielmehr habe die Säkularisie- rung dazu geführt, dass sich die Schriftsteller in ihren Werken nur noch mit sich selbst be- schäftigten. Was Autoren wie Sartre - ihn erwähnte er in diesem Zusammenhang namentlich - in ihren Werken darlegten, seien lediglich „ihre persönlichen Komplexe“.66 Mit den zitierten Einschätzungen griff Münz, ohne direkt darauf Bezug zu nehmen, eine in der katholischen Literaturkritik häufig anzutreffende Argumentationsfigur auf, nämlich das potentiell Häretische in den Bereich der Psychopathologie des Individuums zu verweisen. Die Rede von den ‘Komplexen’ bei Münz ist eine pathographische Zuschreibung, wie sie in der konfessionellen Literaturkritik der fünfziger und sechziger Jahre häufig vorkam.67 Im Gegensatz dazu spreche der christliche Dichter nicht von sich, sondern von der Welt und von Gottes Wirken in ihr. Hier bezog sich Münz explizit auf das Geschichtsverständnis des Augustinus: die Menschheitsgeschichte sei nur scheinbar von Menschen bewirkt, tatsächlich aber „Ausdruck einer heilsgeschichtlichen Auseinandersetzung“. Dies darzustellen, sei der christliche Dichter berufen. Streng ausgehend von historischen Fakten - hierin sei er der „disziplinierteste aller Dichter“ -, mache er das Geschehen transparent, enthülle seine trans- zendenten Bezüge. Die dichterische Intuition setzte Münz gleich mit der Fähigkeit, das Wirken Gottes und der „dämonischen Kräfte“ zu erkennen. Als künstlerische Aufgabe bleibe dem Au- tor, die Handlung so zu arrangieren, dass die Figuren in bestimmten Schlüsselsituationen vor die Entscheidung gestellt würden, den Weg des Heils oder den Weg der Sünde einzuschlagen.68 Zur Objektivität gehöre auch, darauf verwies Münz mehrfach, das Leben in all seinen Facetten darzustellen, in gleicher Weise die „Durchbrüche [...] göttlicher Gnade“ wie die „Absurdität 64 Augustinus hatte die Wahrheit als zentralen Maßstab von Literatur bestimmt. (Zur ‘Poetik der Wahrheit’ bei Au- gustinus vgl. Forman 1995, vor allem dessen 2. und 4. These, S. 2). Zur Kategorie der Objektivität vgl. auch Karl Adam: „Und überall da, wo grundsätzlich nicht die Überlieferung, nicht das Feststehen auf dem Boden der Ge- schichte, der urchristlichen Gegebenheiten, der fortlebenden Glaubensgemeinschaft, sondern das eigene enge Den- ken und das eigene kleine Erlebnis und das eigene arme Ich zum Träger der Christusbotschaft gemacht werden sollte, da sprach sie [sc. die römisch-katholische Kirche] umgehend ihr Verwerfungsurteil aus, und dieses Urteil würde sie fällen, selbst wenn ein Engel vom Himmel käme, der anders lehrte, als sie von den Aposteln überkommen [sic] hat.“ (Adam 1949, 36) 65 Auf poetologische Konzepte der literarischen Moderne, die Kunst und Leben verbinden wollten - zu jener Zeit etwa noch bei Alfred Döblin (vgl. Schmidt, S. 1994, 194ff.) oder bei Sartre (‘Was ist Literatur’, 1947) - sind Münz’ Äußerungen offenkundig nicht bezogen. Äußerungen wie die zitierte variieren vielmehr das Axiom katholischer Literaturkritik, dass es kein Werk gebe, das weltanschaulich neutral sei (vgl. Zwischenresümee 1). 66 Das Zitat, ebenso wie die folgenden, ist dem Artikel ‘Der christliche Dichter vor der Geschichte’ (Münz 1953b) entnommen, der im Zusammenhang mit der Arbeit am zweiten Novellenband entstand (‘Die Niederlage’; vgl. dazu Kapitel E.5.a). 67 Dass sich einige moderne Autoren mit ihren Komplexen nur selbst interessant zu machen versuchten, findet sich in ganz ähnlichen Formulierungen auch bei Pfleger 1959, 135 oder bei Nigg 1966, 126f.. Vgl. dazu auch Zwischenre- sümee 1. 68 Vgl. den Artikel ’Das christliche Drama’ (Münz 1951a). - E.2.d - 352 und den Schmutz des Lebens“69 zu beschreiben. Nur in dieser Offenheit spreche sie den moder- nen Menschen an und könne ihn packen: „Wer zu den Zeitgenossen sprechen will, muß ihre Zunge besitzen, sonst wird er nicht verstanden.“ Der in der christlichen Literatur noch vorhan- dene „Kitsch“ allzu betulicher Erbauung - von „religiöser Gartenlaubenromantik“ sprach Münz in einem Brief an Naumann70 - könne dies nicht leisten. Das ‘Sprechen zu den Zeitgenossen’ stellte die zentrale Kategorie in Münz’ Konzeption christ- licher Literatur dar, nämlich ihre Wirkungsbezogenheit. Diese beinhaltete zwei Momente, die Münz in seinen ‘Tagespost'-Artikeln vor allem am christlichen Drama darstellte, die er in ähnli- cher Weise aber auch als für die christliche Prosa gültig ansah:71 den Trost und die Lehrhaftig- keit. Beide waren nach Münz’ Auffassung eng miteinander verknüpft. Indem das christliche Drama die Situationen transparent mache, in denen sich die handelnden Personen „an der Grenze ihres bisher wahrnehmbaren Seins“ für oder gegen die Nachfolge Christi entschieden, diene es dem Zuschauer „zur Lehre und Warnung“. Auf diese Weise finde der Zuschauer auch sein eigenes Leben in einen größeren Zusammenhang gestellt und könne es deshalb „froh bejahen“. In das ‘frohe Bejahen’ mische sich allerdings das Erschrecken angesichts der von der Handlung be- rührten überirdischen Sphäre. Münz rückte damit das christliche Drama in die Nähe des Got- tesdienstes. Im Erschauern, im „Mitfühlen“ wüchsen Schauspieler und Zuschauer zu einer Ge- meinschaft zusammen.72 Aus seiner im Wesentlichen wirkungsästhetisch bestimmten Konzeption christlicher Literatur, die er in den Beiträgen für die ‘Deutsche Tagespost’ entwarf, entwickelte Münz Konsequenzen für den christlichen Dichter. Zwar müsse dieser alle literarischen Techniken und stilistischen Mittel verwenden, mit der die „heidnische“73 Literatur sich ihren Lesern interessant zu machen verstünde. Für den Roman zählte Münz in polemischer Pointierung auf: „Versuche [...], die abgeklapperte Thematik durch Surrealistik, Symbolik, Psychoanalytik, Montage, Ueberblendungen und Gags interessant zu machen. Man hielt das Publikum durch raffiniert aufgebaute Romanfolgen oder dickleibige Wälzer in Atem, man würzte sie mit prik- kelnder Erotik oder reportageähnlichen Stilmitteln, mit demaskierenden persönlichen Bekennt- nissen usw.“74 69 So Münz in seinem Artikel “Dichtung als Apostolat’ (Münz 1951b). Auch die beiden folgenden Zitate sind diesem Artikel entnommen. 70 Am 13.8.1951. 71 Vgl. Münz 1953b (‘Der christliche Dichter vor der Geschichte’). Auch die folgenden Zitate sind diesem Artikel entnommen. 72 Auf den besonderen Stellenwert, den Münz in diesem Zusammenhang dem Laienspiel zuwies, gehe ich in der Darstellung seines dramatischen Schaffens näher ein (Kapitel E.4.b). 73 So Münz in seinem Artikel „Liegt der Roman im Sterben?“ (Münz 1954) 74 Ebd. - E.2.d - 353 Letzendliche Bedeutung aber gewinne christliche Literatur nicht nach literaturimmanenten Kriterien, sondern allein dadurch, dass sie apostolisches Wirken ihres Autors sei: „Wenn wir wirklich in der Endzeit leben, werden wir eines Tages den Roman genau so wie alle anderen Kunstformen über Bord werfen müssen, da dann nicht mehr das gesprochene oder ge- schriebene Wort des Menschen gilt, sondern sein Einsatz mit Leib und Leben für das einst fleischgewordene Wort, dessen Allmacht die Toten aus den Gräbern zwingt.“75 Damit rückte er den Dichter in die Nähe des Geistlichen.76 Vor allem von der Gattung des christlichen Dramas sagte Münz ausdrücklich, es handele sich dabei um eine „dramatisierte Predigt“.77 Der christliche Dichter war damit zugleich an die katholische Kirche und ihre Überlieferungstradition gebunden. Konfessionsgrenzen konnte Münz zunächst übergehen, da er - in privaten Briefen - mehrfach die Überzeugung bekundete, jeder Christ sei im Grunde Ka- tholik.78 Allerdings verwies er in den ‘Tagespost’-Artikeln auf den hohen Anteil von Konverti- ten im Bereich der christlichen Literatur, die „alle [...] aus dem Gegenlager, zumindest aus religiöser Gleichgültigkeit, zerfahrenen Lebensbahnen“79 kämen. In diesem Zusammenhang sprach er von ‘unseren’ katholischen Dichtern.80 Wie Carl Muth orientierte sich auch Münz am französischen ‘renouveau catholique’ und dessen Überwindung der katholischen literarischen Inferiorität: ein wesentlicher Aspekt von Münz’ Literaturauffassung, der Gedanke nämlich des ‘dichterischen Apostolats’, war hier eingehend diskutiert worden.81 Im Ganzen lesen sich Münz’ literaturtheoretische Artikel jedoch wie eine Beschreibung seiner eigenen Person und seines literarischen Werks. Da er weder geeignete Verbindungen noch Protektion hatte und als unbekannter Autor seinen Weg alleine finden 75 Ebd. Ganz analog zu den hier geäußerten Gedanken ließ Münz in seinem Roman ‘Der Drache siegte nicht’ die Zarentochter Anastasia aus der Gefangenschaft berichten: „Mummi lenkte übrigens ihren Rollstuhl immer so, daß sie Papa ins Gesicht schauen konnte. Ich glaube, auch sie war glücklich. Und ich? Mein Gott, dem Dickerchen tat diese Arbeit [in dem von der Zarenfamilie angelegten Gemüsegarten] gut; mir war sie lieber als das langweilige Bücherle- sen. Der Dichter enttäuscht einen immer, die Arbeit aber nie. Zwar war Olga anderer Meinung. Mein Gott, sie hatte so was wie eine lyrisch besaitete Seele; das hast du [gemeint ist Gott] ihr aber sicher längst verziehen. Das hatte sie nämlich von Mummi.“ (Münz o.J. [1958], 182) 76 Vgl. hier vor allem Münz 1951b. 77 So im Artikel “Theater in der Kirche?“ (Münz 1954a) 78 Vgl. etwa die Briefe an Rolf Andrees vom 7.8.1947 oder an Franz Johannes Weinrich vom 18.6.1947. 79 Münz 1951b. 80 Die Katholizität wird interkonfessionell als gemeinsames Merkmal aller Christen des trinitarischen Glaubensbe- kenntnisses gesehen. Bei Calvin etwa heißt es: „Je croys la sainte église catholique“, und Martin Luther formuliert „Die vorige alte Kirche leuchtet wieder hervor, wie die Sonne nach den Wolken, hinter welchen Wolken doch diesel- be Sonne war, nur nicht hell sichtbar.“ (beides zit. nach Cleve 1958/1962, 9). Jedoch gibt es unterschiedliche Auf- fassungen über die Rechtmäßigkeit des jeweils gemeinten ‘Allumfassenden’, denn nach der Reformation wurde „katholisch zusehends zum konfessionalistischen Etikett“ (Baumann, U. 1988/1995, 598), das wechselseitig „ausschloß statt umschloß“ (ebd., 597). Auch Münz betonte in Briefen öfter seine Auffassung, dass bei den Christen gleich welcher Konfession das Gemeinsame überwiege. Allerdings, das geht aus dem Gesamtzusammenhang der Korrespondenz hervor, ist sein Begriff des ‘Katholischen’ doch als „die exklusive Identifikation von römisch- katholischer Kirche und Kirche Jesu Christi“ (Baumann, U. 1988/1995, 598) zu verstehen, die erst das 2. Vatica- num (in der Kirchenkonstitution ‘Lumen gentium’) ausdrücklich aufhob. Die hier zitierten Äußerungen geben Münz’ Auffassungen aus den vierziger Jahren wieder. Im Verlauf der fünfziger Jahre akzeptierte er dann den Protestantis- mus, aber eher nolens volens, nicht als konfessionelle Alternative, sondern als Verbündeten gegen Materialismus und religiöse Indifferenz. 81 Vgl. Weinert 1948, 59ff. - E.2.d - 354 musste, waren die Artikel in der ‘Deutschen Tagespost’ für Münz auch eine Möglichkeit, als belletristischer Autor an die (katholische) Öffentlichkeit zu gelangen; gleichzeitig begründeten sie sein Œuvre theoretisch und legitimierten es damit. Nicht zuletzt definierte sich Münz in ihnen als christlicher Autor selbst, wenn auch nur auf einer geistigen Ebene: Die Schriftstellerei als Brotberuf zu betrachten, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, und ökonomische Aspekte der Existenz als Schriftsteller thematisierte er in den Artikeln gar nicht und in seiner Korre- spondenz nur gelegentlich.82 Dagegen erscheinen in Briefen aus dieser Zeit häufiger Hinweise darauf, dass er mit seinen Artikeln nicht die gewünschte Resonanz finde.83 Möglicherweise stand dem frankophilen Ro- manisten Münz eine literarische Öffentlichkeit nach französischem Vorbild vor Augen; dies würden den häufig scharfen Tonfall der Artikel erklären.84 Im publizistischen Rahmen der ‘Deutschen Tagespost’ allerdings, die in ihrer überregionalen Bedeutung noch hinter den ka- tholischen kulturellen Zeitschriften rangierte,85 blieben Münz’ Beiträge im katholischen Litera- turdiskurs der fünfziger Jahre marginal. In der literaturtheologischen Diskussion jener Jahre waren sie überhaupt nicht präsent. 82 Zu seinen Versuchen, sich gemeinsam mit anderen christlichen Autoren zu organisieren, vgl. Kapitel E.3.b. 83 Vgl. etwa den Brief an einen ehemaligen Schüler vom 29.12.1956. 84 Vgl. etwa die Darstellung der Polemik Bernanos’ gegen Anatole France bei Weinert 1948, 94. Zur unterschiedli- chen gesellschaftlichen Entwicklung des deutschen und französischen Katholizismus vgl. Lönne 1986. 85 Nach Schmolke 1970, 321. - E.3.a - 355 3. Leben als Schriftsteller a) Erste Kontakte 1946 begann Erwin K. Münz, einige Kontakte aus der Zeit des ‘Großen Kreises’1 neu zu knüp- fen. Mit den meisten Autoren hatte er damals nur brieflich verkehrt. Eine regelmäßige Korre- spondenz entwickelte sich zunächst mit Josef Magnus Wehner und Franz Johannes Weinrich. Die Korrespondenz mit anderen katholischen Autoren dagegen, mit Juliane von Stockhausen, Jakob Kneip und Gertrud von le Fort, blieb auf wenige Briefe beschränkt. Mit Wehner endete sie 1947, mit Weinrich führte sie Münz bis in die späten fünfziger Jahre fort. Mit Weinrich und Wehner tauschte Münz Manuskripte aus, bat um Kritik und schrieb selbst seine Meinung zu den Arbeiten, die sie ihm übersandten. Dabei trat er in seinen Briefen den älteren, erfahreneren Autoren unverkennbar respektvoll und als Neuling gegenüber. Deutlich wird in diesen Briefwechseln sein Bestreben, sich als Dichter zu bestätigen. Dahinter stand sicher die Hochschätzung, die der soziale Aufsteiger Münz ganz im bürgerlichen Sinne für die schriftstellerische Tätigkeit empfand.2 Münz sah jedoch auch die Mission, zu der er beitragen wollte: An Franz Johannes Weinrich schrieb er enthusiastisch von dem Bewusstsein, in Europa sei die katholische Literatur im Aufbruch begriffen.3 Exkurs: Damit griff Münz einen Topos katholischer Literaturtheorie auf, den die katholischen Romantiker begründet hatten. Für Eichendorff beispielsweise war der Siegeszug katholischer Literatur unum- gänglich, weil in der Romantik „alle erdenklichen Irrtümer [der Subjektivität] erschöpft seien.“4 Bei Deutinger und Carl Muth war dann sogar die Rede von einem zukünftigen Dante.5 Nach 1945 sprach Ignaz Zangerle von „einer kommenden christlichen Literatur“, schränkte allerdings ein: „Hoffen wir, daß christliche Dichter aufstehen, die für ihren Bereich und auf ihre Weise den fragenden Menschen der Gegenwart die gerade sie angehende Antwort der Kirche geben kön- nen!“6 Optimistischer lautete die Einschätzung von Wilhelm Grenzmann einige Jahre später: „Die un- mittelbar nach dem Kriege vergeblich erwartete Flut von [literarischen] Erscheinungen hat mittlerweile eingesetzt und beschert uns eine täglich wachsende Fülle.“7 Noch Anfang der fünfziger Jahre beschrieb Grenzmann die Schwierigkeiten für die in der Tradi- tion fußenden älteren Autoren, „einen neuen Anfang zu setzen“, und fügte dann hinzu: „Aber die meisten befinden sich trotz allem in einem Aufbruch. Was man von André Gide gesagt hat, stimmt für fast alle: das Experiment des Schreibens bedeutet ihnen, auf besondere Weise, ein Experiment des Weges. ‘Connaître Dieu, c’est le chercher.’“8 und an anderer Stelle bekräftigte er: „Im Zeichen der Krisis treffen sich die Alten und die Jungen.“ 9 1 Vgl. Kap. E.1.b. 2 Vgl. dazu Schwenger 1979, dessen materialistischer Ansatz allerdings die mentalitätsgeschichtlichen Aspekte des ‘Dichterberufs’ in der bürgerlichen Gesellschaft unberücksichtigt lässt. 3 Bf. vom 23.8.1946. 4 ’Literaturgeschichte von 1857, 2. Teil; zit. nach Osinski 1993, 192. 5 Vgl. Ettlinger 1927, 76 und Osinski 1993, 126). 6 Zangerle 1946, 175; vgl. auch dort auch S. 144 und passim. 7 Grenzmann 1950, 30. 8 Grenzmann 1953, 23. 9 Grenzmann 1952, 10. - E.3.a - 356 Eine andere Facette des Topos’ lag folgender Einschätzung von Ida Friederike Görres vom An- fang der fünfziger Jahre zugrunde: „Die Zeichen mehren sich, daß im weithin versteppten christ- lichen Bereich aufs neue nach den uralten Brunnen gesucht wird, es wird gegraben und Schutt geräumt. Auch die Rutengänger finden sich, die tief im Grund das gefangene Wasser rauschen hören. Manches spricht dafür, daß neben der offensichtlichen und reißend in immer tiefere Gottferne abstürzenden Entwicklung bereits eine andere aufgebrochen ist, die, noch untergrün- dig und wenigen erkennbar, doch stetig und verheißungsvoll wächst. Im Werk von Werner Ber- gengruen ist uns bereits ein Entwurf und Zeugnis solcher Frömmigkeit geschenkt.“10 1957 dann wies der stets nüchtern formulierende Hohoff auf Hopkins, K. Weiß, den Expressionismus, die ‘Nouvelle Théologie’, Buber und die liturgischen Bewegungen hin: „Ob aus den vielen Keimen eine Blüte aufbricht?“11 Aus dem Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung wird deutlich, dass die zeitgenössi- schen Äußerungen von Münz, von Grenzmann und von Görres folgende Einschätzung zu relati- vieren vermögen, die Werner Ross rund vierzig Jahre nach Kriegsende über die damalige christ- liche Literatur vornahm: „Auf der anderen Seite konnte von kirchlichem oder geistlichem Trium- phalismus keine Rede sein. Dazu waren zu viele Fragezeichen, war zuviel Problembewußtsein da. Claudel wurde wie Urgestein bestaunt, Graham Greenes Zweifel und Zwielichtigkeiten tra- fen die Stimmung. Die Kirchen gaben sich fortschrittlich, förderten den modernen Kirchenbau und eine sich anpassende Liturgie; das Zweite Vatikanum kündigte // sich in einer allgemeinen Aufbruchsstimmung an.“12 Der Kontakt mit anderen Autoren diente Münz auch dazu, sich im Umfeld der professionellen Autoren selbst zu etablieren, indem er Netzwerke knüpfte und zu knüpfen half. So versuchte er die Kontakte, die er auf seinen Vortragsreisen geknüpft hatte, auch Weinrich und Wehner zu- gänglich zu machen.13 Umgekehrt vermittelte Franz Johannes Weinrich im Jahre 1950 die Verbindung zum Kanisius-Verlag, in dem dann Münz’ erster Novellenband erschien. In der Nachkriegszeit entwickelte sich auch eine rege Korrespondenz mit anderen, durchaus nicht nur konfessionell gebundenen Literaten, z.B. Gerhard Prager,14 Otto Harder, Rolf An- drees und Mathias Ludwig Schroeder.15 In den Briefen an sie diskutierte Münz - im selbstbe- wussten Tonfall des ‘poeta doctus’ - regelmäßig Fragen der literarischen Technik: Diesen Schriftstellerkollegen fühlte er sich keineswegs unterlegen, sondern ebenbürtig. Zu den Manu- skripten, die ihm geschickt wurden, äußerte er detaillierte Kritik, etwa bezüglich der Wortwahl, der Stilebenen, Zeichnung der Figuren oder metrischer Details bei Gedichten,16 was er in dieser Detailliertheit bei Wehner oder Weinrich nicht tat. 10 Görres 1952, 151. 11 Hohoff 1957, 132. 12 Ross 1984, 35//36. 13 Vgl. die Briefe vom 24.6.1946 an Wehner und vom 18.12.1946 an Weinrich. Diesem gab Münz am 31.5.1948 auch einen Hinweis auf das Laienspielprogramm des Matthias-Grünewald-Verlages. 14 Gerhard Prager arbeitete 1947 in Stuttgart im Hörspielbereich (Vgl. Ohde 1986, 474). Warum Münz sich, was nahegelegen hätte, nicht ernsthaft mit der Gattung des Hörspiels auseinandersetzte, konnte aus dem vorliegenden Material nicht geklärt werden. Zur Problematik der Transposition biblischer Stoffe in die Gattung des Hörspiels vgl. Aichinger 1950 sowie Kuschel 1978, 100-114. 15 Mathias Ludwig Schroeder (1904-1950) war von Beruf Handwerker und Rohrleger, arbeitete seit 1932 schriftstel- lerisch, befreundet mit Heinrich Lersch, schrieb aber nicht wie dieser pathetische Arbeiterdichtung, sondern vor allem „humoristische Werkmannsgeschichten u. Jugendbücher“ (Deutsches Biographisches Archiv II, 1186, Fiche 168). Einem Schreiben von Schroeder zufolge, das in Münz’ Spruchkammerakte enthalten ist, lernten sich die beiden 1939 kennen. 16 Ein Beispiel für ein solches privates ‘Lektorat’ gibt der Brief an Schroeder vom 18.3.1947. - E.3.a - 357 1951 stieß Münz zur ‘Gruppe 50’, die sich im Jahr zuvor in München gebildet hatte Den Kon- takt hatte Karl-Reinhold Doederlin angebahnt, der zum engeren Mitarbeiterkreis der ‘Tagespost' zählte17 und selbst Mitglied der Gruppe war. Münz wandte sich in einem Brief an ihn mit der Bitte, eigene Werke bei der Gruppe vorzutragen, um dadurch größere Publizität zu erlangen.18 Die ‘Gruppe 50’ war ein Zusammenschluss von Schriftstellern - unter anderem Rolf Seeliger, Helmut Goebel, Gerhard Riedel und Inge Pohlmann -, die sich ihren Namen bewusst in Abgren- zung zur ‘Gruppe 47’ um Hans Werner Richter gegeben hatten. Ihre „geistigen Ziele“19 umriss der Eröffnungsaufsatz in der ersten Ausgabe ihrer Zeitschrift ‘Die Gruppe: Blätter für junge Lite- ratur’. Darin wurde gegen den „Kolportagestil“ und „Seelenmief einer gewissen Nachkriegslite- ratur“ polemisiert. Ausdrücklich genannt waren neben der ‘Gruppe 47’ auch die Stuttgarter ‘gruppe junger autoren’ um Gerhard Prager und Johannes M. Hönscheid, denen in dem erwähn- ten programmatischen Aufsatz vorgeworfen wurde, auf ein „festumrissenes literarisches Pro- gramm“ zu verzichten und sich stattdessen um einen „avantgardistischen“ Anspruch zu bemü- hen. Dagegen setzte die ‘Gruppe 50’ die Rückbesinnung auf die Tradition: die Schönheit und Formstrenge der Dichtungen etwa eines Eichendorff oder Rilke vermittelten „Trost“. Der Vor- wurf der „Restauration einer billigen Romantik“ wurde vorsorglich abgewiesen - wohl gelte es, sich „mit allen geistigen und künstlerischen Problemen unserer Zeit“ auseinander zu setzen, aber mit einer von „frischem und sympathischem Geist“ bestimmten inneren „Haltung“. Die ‘Gruppe 50’ hatte den Dichter Hans Brandenburg, in dessen „bleibender Jugendfrische“ sie „eines ihrer Vorbilder erkannt“ hatte,20 zum Ehrenmitglied ernannt. War die Autorin des oben zitierten Aufsatzes, Inge Pohlmann, noch um einen halbwegs argumentierenden Stil be- müht, so interpretierte der fünfundsiebzigjährige Brandenburg in seinem Geleitwort Eichen- dorffs Gedicht ‘Trost’ in einem fast bärbeißigen Tonfall, bezog das „alte Haus der Helden“ ohne Umschweife auf die Trümmer der Gegenwart, setzte „alte Schönheit“ gegen „heutige Kunstparolen“ und sprach von dem „Morgen, der nur aus großer Überlieferung aufsteigen kann“.21 Die Lesung, um die Münz gebeten hatte, fand am 1. Juni 1951 in München statt.22 Inzwischen war er der Gruppe beigetreten.23 Offenbar jedoch hatte Münz die Öffentlichkeitswirkung der Gruppe überschätzt, auch wohl ihre Möglichkeiten, ihm für seine Dramen einen Bühnenverlag zu vermitteln.24 Zudem kritisierte er die Zeitschrift: Das Niveau der literarischen Beiträge, die die Mitglieder beisteuerten, schien ihm mehr und mehr zu sinken, wie er im darauffolgenden 17 Dazu näher Jestaedt 1998. 18 Bf. vom 1.5.1951. 19 Pohlmann 1951, 3. Alle Zitate des folgenden Abschnitts sind diesem Aufsatz entnommen. 20 Ebd. 21 Brandenburg 1951, 2. 22 In einem ‘Ärztekasino’ in der Brienner Straße. Ein Unkostenbeitrag von 50 Pfennig wurde erhoben. „Die Ausar- beitung des musikalischen Rahmens war bei Druck des Programmes noch nicht abgeschlossen.“ (hektographierte Ankündigung der Lesung; im Nachlass). Über den Erfolg der Lesung äußerte sich Münz in späteren Briefen nicht. 23 Die ‘Gruppe 50’ verstand sich auch darin als Kontrast (und offenbar impliziter Kommentar) zur ‘Gruppe 47’, dass sie eine feste Organisationsform hatte, mit Satzungen, schriftlicher Beitrittserklärung und einem Vierteljahresbeitrag vom DM 3,-. 24 Eine entsprechende Bitte äußerte Münz in dem Brief an Rolf Seeliger vom 8.5.1951. Zu einer Vermittlung kam es nicht. Jedoch schrieb Seeliger , einer der Gründer der Gruppe, einen Artikel über Münz, der in der ‘Deutschen Ta- gespost’ Nr. 61 (1951) erschien. - E.3.a - 358 Jahr in einem Brief an Rolf Seeliger monierte.25 Im Oktober 1952 schließlich trat Münz aus der ‘Gruppe 50’ aus. 25 Bf. vom 17.8.1952. - E.3.b - 359 b) Zusammenschluss katholischer Schriftsteller Als Romanist hatte Münz eine starke Affinität zu Frankreich und zum französischen Katholi- zismus; zudem hatte er eine Dolmetscherausbildung abgeschlossen und war während des Krie- ges in Paris stationiert gewesen. Französisch beherrschte er flüssig in Wort und Schrift und las regelmäßig französische Zeitschriften. Auf diesem Wege erfuhr er im Dezember 1946 von der Gründung der ‘Union Universelle des Poètes et Ecrivains Catholiques’ (U.U.P.E.C.) unter der Präsidentschaft Gabriel Marcels in Paris. Er schrieb daraufhin an ihren Vizepräsidenten Patrice de la Tour du Pin1 und stellte sich als katholischen Schriftsteller vor, bat um Berichte aus dem katholischen literarischen Leben Frankreichs und äußerte sein Interesse an Kontakten zu fran- zösischen Autoren.2 Mit Henriette Charasson, Maria Noël, Lanza del Vesto und anderen, deren Adressen er von Patrice de la Tour du Pin erhielt, begann Münz zu korrespondieren. In den Briefen wurden lite- rarische Neuigkeiten ausgetauscht und Verbindungen zu deutschen Verlagen und Zeitschriften vermittelt. Da Münz im Nachkriegsdeutschland nur schwer an französische Bücher kam, konnte er die Kontakte nach Frankreich auch für seine eigene Tätigkeit nutzbar machen. Die ihm über- sandten Gedichte trug er auf seinen Lesungen vor und besprach Neuerscheinungen, von denen ihm berichtet wurde, in kulturellen Zeitschriften.3 Mit Paul Claudel und Gabriel Marcel hinge- gen, an die sich Münz brieflich gewandt hatte, kam eine regelmäßige Korrespondenz nicht zu- stande.4 Auch die Hoffnung auf einen festen Rahmen der Zusammenarbeit, den die U.U.P.E.C. anzustreben schien, mit gemeinsamen Treffen, Austausch von Manuskripten und Arbeitserfah- rungen etc., erfüllte sich nicht.5 Zwar firmierte Münz in Briefen bis etwa in die Mitte der fünf- ziger Jahre als ‘korrespondierendes Mitglied der U.U.P.E.C.’; Kontakte mit französischen Schriftstellern, vor allem mit Luc Estang,6 waren aber im Wesentlichen privater Natur. Im September 1947 nahm Münz an der Tagung deutscher und französischer katholischer Schriftsteller in Lahr teil. Hier hielt er einen Vortrag über Paul Claudel, der Schwerpunkt des 1 Über diesen in Deutschland kaum rezipierten Autor geben die regelmäßig erscheinenden ‘Cahiers Patrice de La Tour du Pin’ (Paris 1983ff.) näheren Aufschluss. 2 Bf. vom 29.12.1946. 3 Buchbesprechungen schrieb Münz vor allem für die Zeitschrift ‘Die Lücke’. 4 Seinem Brief an Paul Claudel vom 31.3.1947, in dem Münz von seinen Lesungen berichtete („Je vous demande d’excuser ces récitations sans avoir eu votre autorisation“), legte er als Probe seines eigenen Schaffens ein Gedicht bei. Eine Antwort Claudels liegt im Nachlass nicht vor. Gabriel Marcel dagegen beantwortete Münz’ Brief. Warum sich eine regelmäßige Korrespondenz nicht entspann, geht aus dem vorliegenden Material nicht hervor. 5 Bf. vom 19.12.1955 an Dr. Ueberdick vom Otto-Walter-Verlag: Seines Wissens sei nach dem Lahrer Treffen Ähnli- ches nicht wieder veranstaltet worden, er habe jedenfalls keine Einladung mehr erhalten. 6 Vgl. Kap. E.2.d. - E.3.b - 360 Treffens lag allerdings auf publizistischem Gebiet.7 Jedoch konnte Münz auf der Tagung neue Kontakte knüpfen. Neben der Begegnung mit Franz-Josef Schöningh, die zu dem bereits er- wähnten ‘Hochland’-Artikel führte,8 lernte er auch Jean Dubois-Dumée kennen, den Schriftlei- ter der französischen Wochenzeitschrift ‘Témoignage Chrétien’. Ihm sandte Münz Ende 1947 eine Nummer der ‘Lücke’ zu, wobei er der Hoffnung Ausdruck gab, der gegenseitige Austausch von Manuskripten möge eine sprituelle Gemeinschaft zwischen beiden Zeitschriften begründen. Dubois-Dumée antwortete zustimmend und stellte einen Artikel über den französischen ‘renouveau catholique’ zur Verfügung, den Münz übersetzte und der in der ‘Lücke’ zur Veröf- fentlichung gelangte. Zu der Verbindung, die Münz angeregt hatte, kam es in der Folgezeit aber nicht. Da Dubois-Dumée es Münz freigestellt hatte, Artikel aus ‘Témoignage Chrétien’ für deutsche Zeitschriften zu übersetzen, liefen die Kontakte weiterhin über diesen. Die Hoffnung auf eine spirituelle Gemeinschaft war jedoch keine Worthülse. Das zeigte sich an der Vortragsreise, die dem Werk Henriette Charassons galt und die Münz zusammen mit der Dichterin vom 4. bis zum 15. November 1948 durch die Städte des Saargebietes unternahm.9 Bei diesen Lesungen wurden die Gedichte zweisprachig vorgetragen, zuerst rezitierte Münz seine Übertragung ins Deutsche, dann die Autorin das französische Original. Trotz der Vorbe- halte, schrieb Münz später, die man im Saarland aus politischen Gründen der französischen Sprache gegenüber hege, seien die Vorträge vom Publikum gut aufgenommen worden.10 Soweit aber aus dem Nachlass ersichtlich, blieb es bei dieser einen Vortragsreise. Unmittelbar danach trat Münz wieder in den Schuldienst ein. Seit Mitte des Jahres 1951 verfolgte Münz Pläne, die Arbeit der katholischen Autoren zumin- destens in seiner Diözese wirkungsvoller zu organisieren.11 Diese Pläne sind sicher im Zusam- menhang seiner Bemühungen zu sehen, sich über gelegentliche Tagungen hinaus als katholi- scher Autor zu etablieren,12 sie entstanden aber auch aus seinen ernüchternden Erfahrungen mit der Amtskirche, der er sich in unbedingter Loyalität verpflichtet fühlte, ohne dafür die Unter- stützung zu erhalten, die er sich gewünscht hätte. Unmittelbarer Anlass für den Wunsch nach 7 Zu dem Treffen vgl. Brelie-Lewien 1986, 53ff. Vermutlich hatte Münz eine Einladung zu dem Treffen von der U.U.P.E.C. erhalten. Nähere Aufschlüsse darüber gibt das vorliegende Material nicht her. 8 Vgl. Kap. E.2.d. 9 In Briefen schrieb Münz, diese Reise hätten Henritte Charasson und er im Auftrag der französischen Militärregie- rung und der christlichen Bildungswerke unternommen. Von welcher Seite die Initiative ausgegangen war, geht aus der Korrespondenz nicht hervor. 10 Bf. vom 15.11.1948 an Walter Weidner vom Glock-und-Lutz-Verlag. 11 Auch aus den Anfängen des Borromäusvereins im 19. Jahrhundert sind Pläne belegt, katholische Autoren in Verei- nen zu organisieren. Die Pläne erwiesen sich jedoch als nicht realisierbar. Vgl. dazu Spael 1950, 70ff. und Osinski 1993, 276, Anm. 121. 12 Im August/September 1951 war Münz auf einer Schriftstellertagung, an der u.a. auch Ina Seidel, Luise Rinser, Hans Baumann, Rüdiger Syberberg, Josef Magnus Wehner, Otto Brües, Marie Luise von Kaschnitz, Paula Schlier, Otto von Taube und Alfons von Szibulka teilnahmen. Typoskripte schickte Münz nach der Tagung an Paula Schlier (Gedichte für den ‘Brenner’, 14.9.1951) und Otto Brües (‘Meteor’, 14.9.1951); festere Kontakte entwickelten sich in der Folge daraus nicht. Über die Tagung selbst gibt der Nachlass keine näheren Aufschlüsse. - E.3.b - 361 besserer Organisation war gewesen, dass Münz sich in seinem laienapostolischen Anliegen missverstanden fühlte, als der Freiburger Erzbischof seinen ersten Novellenband verbot.13 Sich als katholischer Autor zu organisieren, bedeutete also nicht nur, im gemeinsamen Wirken stär- ker in die Öffentlichkeit auszustrahlen, sondern auch, das eigene Wirken vor der Amtskirche nachhaltiger zu vertreten und damit den eigenen Status aufzuwerten. Dass sich allerdings eine Standesvertretung katholischer Schriftsteller außerhalb der Kirche gebildet hätte, entsprach nicht dem Verständnis der Zeit, aber auch nicht Münz’ Intention: Nicht gegen die Amtskirche wollte er wirken, sondern ihre Arbeit unterstützen. In einem der Briefe an den Erzbischof, in denen Münz den inkriminierten Novellenband verteidigte, entwik- kelte er deshalb konkrete Vorstellungen für eine planvolle literarische Arbeit auf Diözesanebe- ne, die zum Ziel haben sollte, die katholischen Schriftsteller in ihrem laienapostolischen Rang aufzuwerten.14 Im Einzelnen regte Münz regelmäßige Tagungen an, auf denen die Autoren Gelegenheit zur Aussprache mit ihrem Bischof hätten. Der katholische Schriftsteller würde so „Einblick bekommen in die geistige Lage der Diözese und die Gesamtfragen, die heute das deutsche Episkopat bewegen.“ Daneben könne ein bischöfliches Lektorat die Arbeit von ka- tholischen Verlagen und katholischer Publizistik koordinieren und Vortrags- und Lesungsreisen der katholischen Schriftsteller in die Pfarrgemeinden der Diözese und ihre Untergliederungen („Müttervereine, Männerwerk, Jugendbünde, etc.“) organisieren. Dies käme dem Gemein- schaftsbewusstsein der Autoren zugute, fänden sie in diesem Kontakt mit ihrem Publikum doch den „Boden, auf dem sie wirken können und müssen.“ Wesentliches Moment der Unterstützung durch die Amtskirche sei, dass die Autoren zu einem Bewusstsein der „inneren und äußeren Umschlossenheit“ gelangten, das darüber hinaus im regelmäßigen gemeinsamen Messopfer und Gebet zu vertiefen wäre, „etwa monatlich in den größeren Städten“. Ob Münz mit diesen Vorschlägen den Bogen überspannt hatte - vor allem die Vorstellung, der Bischof hätte mit Schriftstellern von gleich zu gleich konferiert, muss im streng hierarchisch verfassten Katholizismus der Vorkonzilszeit geradezu provozierend gewirkt haben -, oder ob das Generalvikariat in Münz’ Vorschlägen nur das eigene Interesse an der Genehmigung des Novellenbandes sah, das diesen zweifellos zugrunde lag, lässt sich nicht mehr eruieren. Jeden- falls erhielt Münz auf seinen Brief keine Antwort.15 Allerdings hatte er Gelegenheit, die darin geäußerten Gedanken einige Zeit später in einem persönlichen Gespräch auch dem Bischof von Rottenburg vorzutragen, und in dessen Diözese nahmen die Pläne konkrete Gestalt an. 13 Dazu näher Kapitel E.5.a. 14 Bf. vom 12.11.1951. Die folgenden Zitate sind diesem Brief entnommen. 15 Ein Antwortschreiben liegt in der Korrespondenz nicht vor. Am 20.12.1951 schrieb Münz an Franz Johannes Weinrich, der Freiburger Erzbischof und der Kanisius-Verlag würden seine Briefe, die das Verbot des Novellenban- des beträfen, nicht mehr beantworten. - E.3.b - 362 Eine erste Tagung fand am 17. und 18. Mai 1952 in der Katholischen Akademie in Hohenheim bei Stuttgart statt. In Vorträgen wurden die Situation des Menschen in der Gegenwart erörtert und die Rolle, die der Literatur, insbesondere der katholischen Literatur, zukäme. Münz selbst hielt einen Vortrag über das ‘Wort als verpflichtende Gabe’. Auch lasen er, Clara Nordström und Agnes Herkomer aus eigenen Werken. Die Tagung war nur schwach besucht. Münz schrieb später, er habe die Zahl der „eigenschöpferischen Begabungen“16 im Diözesanrahmen offenbar überschätzt. Diese Einsicht und der Umstand, dass Münz im folgenden Jahr nach Bad Mergent- heim umzog, mögen Gründe dafür gewesen sein, dass es zu der von ihm angestrebten Zusam- menarbeit katholischer Autoren in der Diözese Rottenburg nicht kam. Einen erneuten Versuch unternahm Münz im Dezember 1955 in einem Brief an den Direktor der Stuttgarter Diözesana- kademie.17 Auch hier wurden die Pläne nicht weiter verfolgt. Eine letzte im Nachlass vermerkte Tagung der katholischen Dichter und Schriftsteller des Bis- tums Trier fand am 27. und 28. Mai 1960 im Priesterhaus St. Thomas (Eifel) statt. Die Initiative dazu ging von der Abteilung ‘Erwachsenenbildung’ des Bischöflichen Generalvikariats in Trier aus.18 Auf der Tagung hielt Münz einen Vortrag über katholische Dichtung, daneben las auch Alfred Petto19 (Saarbrücken) aus seinen Werken. 16 Bf. vom 23.12.1955 an den Direktor der Stuttgarter Diözesanakademie. 17 Ebd. 18 Vgl. Brief an Münz vom 15.6.1960. Münz hatte in diesem Bereich gelegentlich Vorträge über literarische Themen gehalten. 19 Petto, 1902-1962, Rechtspfleger und Schriftsteller (Deutsches Biographisches Archiv; Fiche II 997, 437-438). - E.3.c - 363 c) Bad Mergentheim Als Münz 1953 nach Bad Mergentheim gezogen war, begann er, zu einer Reihe von Schriftstel- lern Verbindungen anzuknüpfen. Er schrieb ihnen von seiner Vortragsreihe mit moderner Lite- ratur und lud sie ein, die Reihe mit einer Lesung aus eigenen Werken abzuschließen.1 Zunächst wandte er sich an Schriftsteller des fränkischen bzw. württembergischen Raumes, an Friedrich Schnack, Otto Heuschele, Albrecht Goes2 und Otto Rombach, später auch an Werner Bergen- gruen, Frank Thiess, Stefan Andres, Josef Martin Bauer und Manfred Hausmann. Die Autoren, die er für eine Lesung gewinnen konnte, beherbergte er in seinem Haus, das er sein ‘Tusculum’ nannte3 - hierin ganz Bildungsbürger, der sich im Rencontre mit seinesgleichen geistig anre- gende Muße und Geselligkeit verspricht. Mit einigen Autoren hielt Münz danach eine regel- mäßige Korrespondenz aufrecht. Die briefliche Verbindung diente ihm einerseits dazu, persön- lichen Anschluss an allgemein akzeptierte literarische Diskurse zu gewinnen und zu halten. Andererseits tauschte er sich mit den Autoren über Publikationsmöglichkeiten aus, und er erbat und erhielt Anregungen, an welche Verlage er sich wenden könne. Besonders ausgedehnt, ge- radezu freundschaftlich, wurde der Briefwechsel mit Friedrich Schnack, der von seinen Erfah- rungen mit Verlegern berichtete und Münz diesbezügliche Ratschläge gab.4 Schnacks Briefe waren von einem tiefen Kulturpessimismus geprägt; aus ihnen sprach die Verbitterung eines Autors, der im literarischen Betrieb seiner Zeit keine Chancen mehr für sich sah.5 Die Verlage, selbst die katholischen, seien nur noch am Gewinn orientiert, und seinem Eindruck nach bestimme nicht mehr der Verleger, sondern „der Reisevertreter und der Sorti- menter“, welche Bücher gedruckt würden.6 Er ermunterte Münz, seinen Anspruch nicht aufzu- geben und nicht nur nach katholischen Verlagen zu suchen; Schnack deutete enttäuschende Erfahrungen mit ihnen an. Er selbst sah sich am Rande des Literaturbetriebs, der nur noch von „Klischees und Phrasen“ bestimmt sei.7 Besonders enttäuscht zeigte er sich von seinem Wohnort Baden-Baden und dem mondänen, wenig geistvollen Gehabe der dortigen Kultur- 1 Vgl. Kapitel E.2.b. 2 Der Kontakt zu Albrecht Goes war zustande gekommen, als Münz vom Wolfgang-Rothe-Verlag gebeten wurde, für das Buch ‘Christliche Dichter im zwanzigsten Jahrhundert’ (hg. von Otto Mann, Heidelberg 1955; zitiert als Mann 1955) den Artikel über Goes zu schreiben. In der zweiten (veränderten und erweiterten) Auflage von 1968 (zitiert als Mann 1968) wurde dieser Artikel zusammen mit dem über Bruce Marshall und Dylan Thomas ausgeschieden. 3 Beispielsweise in einem Brief vom 10.12.1959 an den Verleger Josef Knecht. 4 In seinem Brief vom 2.2.1957 schrieb Schnack, der Insel-Verlag z.B. sei „geistig nach Westen orientiert“, weswe- gen es wenig Sinn habe, ihm den Roman ‘Der Drache siegte nicht’ anzubieten: „Schaper lag bei der Insel ungangbar wie Blei.“ 5 Anfang der sechziger Jahre reichten die ersten Veröffentlichungen des 1888 geborenen Schnack bereits weit in die Vergangenheit zurück (etwa der Roman ‘Sebastian im Walde’, 1926), von 1950 an war sogar bereits eine ‘Gesamtausgabe des poetischen Werkes’ erschienen, so dass Schnacks pessimistische Rückwärtsgewandtheit nicht ganz unverständlich ist (vgl. auch Bilke 1972, 399). 6 Bf. an Münz vom 11.5.1957. 7 Bf. vom 7.12.1961; vgl. auch Schnacks Brief vom 19.12.1959. - E.3.c - 364 prominenz. Maliziöse Andeutungen machte Schnack in dieser Hinsicht über den erfolgreiche- ren Bergengruen, der seinen Erfolg keineswegs nur seiner literarischen Substanz verdanke, ihn möglicherweise sogar bewusst kalkuliere, sich jedenfalls auf den Zeitgeschmack einlasse: Ber- gengruen treffe „den Ton der Bürgerlichen“.8 Auch mit Werner Bergengruen entspann sich eine mehrere Jahre andauernde Korrespondenz, in der Bergengruen Münz gegenüber die Rolle eines väterlichen Mentors übernahm. Über die Romane, die Münz ihm regelmäßig zusandte, äußerte Bergengruen - anders als Schnack - de- taillierte Kritik, aus der das durchaus ehrliche Bestreben spricht, Münz Anregungen zu geben. Dessen Stärke sah er in der Art, die Figuren zu zeichnen und eine Handlung erzählerisch zu gestalten,9 gab jedoch zu bedenken, dass sich Münz durch die formale Anlage der Romane im „Episch-Technischen“ selbst festlege.10 Solche Kritik, in der sich Münz in seinen schriftstellerischen Intentionen nicht hinreichend verstanden fühlte, berührte schließlich dessen schriftstellerisches Selbstverständnis so stark, dass es in der Auseinandersetzung um diese Fragen zum Bruch zwischen ihm und Bergengruen kam. Ein Briefwechsel, den Bergengruen und der Verleger Josef Knecht im Juli 1960 über Münz führten, erhellt den Hintergrund, der aus Münz’ Korrespondenz nur bruchstückhaft her- vorgeht:11 Bergengruen schrieb an Knecht,12 er habe das Gefühl, dass Münz mit der zwei- schichtigen Darstellungsweise der Handlung und seinem Anspruch, es dem Leser bewusst schwer zu machen, „nicht ganz auf dem richtigen Wege ist und daß man in seinem eigenen Interesse versuchen sollte, ihn in einer gewissen Hinsicht zu beeinflussen.“13 Josef Knecht gab Bergengruen Recht; er wolle Münz bei einem geplanten Besuch in Bad Mergentheim davon 8 Bf. vom 5.9.1962. Wenn Schnack sich so bissig über die Kulturprominenz von Baden-Baden äußerte, dann dürfte er damit auch Bergengruen gemeint haben, der ebenfalls dort lebte. 9 Bf. vom 10.9.1961, in dem Bergengruen sich über die Novelle ‘Die Frau in der roten Nacht“ äußerte. 10 Ebd. Detaillierte literarische Kritik Bergengruens an der ‘Frau in der roten Nacht’ enthält auch sein Brief vom 8.10.1961. 11 Die Briefe liegen im Archiv des Josef-Knecht-Verlages in Frankfurt/M. vor. Von dem Briefwechsel zwischen Bergengruen und Knecht wusste Münz nicht. 12 Bf. vom 21.7.1960. 13 Vgl. dazu folgende Sätze Bergengruens aus dem Jahre 1952: „Wie verhält man sich gegenüber den vielen Dilettan- ten und Stümpern, die einem ihre Gedichte vorlesen oder zuschicken und ein Urteil verlangen? Es gibt Dichter, die es fertig bringen, sich nie in diese heikle Situation setzen zu lassen; ich gehöre nicht zu ihnen. [...//...] Pfuscher und Schwärmerinnen haben auf Wahrheit keinen Anspruch, ja sie wollen sie nicht und so mögen sie denn mit Höflichkeit zufrieden sein. Nun gibt es jedoch außer Patzern und Dilettanten eine Art begabter, aber entwicklungsloser und entwicklungsunfähiger Dichter. Ich kenne deren mehrere. Ihnen sage ich nur das, von dem ich meine, sie könnten irgend einen Gewinn daraus ziehen; das ist nicht viel. Aber wo ich genau weiß, mein Urteil oder Rat kann es nicht zuwege bringen, daß der Betreffende von seinem Irrweg läßt - einem Irrweg, den er nur mit Preisgabe der eigenen Natur, also überhaupt nicht, preiszugeben vermöchte - , soll ich ihn da ohne Not und ohne Zweck entmutigen und traurig machen? Lieber sage ich ihm etwas Lobendes. Wer will, mag mich als einen Feigling verachten.“ (Bergengruen 1952, 115//116) Diese Äußerungen griff Theoderich Kampmanns in seinem Bergengruen-Aufsatz von 1973 in polemischer Zuspitzung auf (Kampmann 1973, 30). Die Ausführlichkeit, mit der sich Bergengruen Münz’ schriftstellerischer Arbeiten annahm, legt nahe, dass er ihn nicht zu den von ihm charakterisierten Autoren rechnete. - E.3.c - 365 überzeugen, dass er „seine Begabung zu schreiben in einer Form [anwende], die unkompliziert ist und deshalb besser aufgenommen wird.“14 In den letzten Briefen Bergengruens an Münz ist eine gewisse Ungeduld angesichts der Hart- näckigkeit zu spüren, mit der Münz auf seinen literarischen Vorstellungen beharrte. Bis zu Ber- gengruens Tod drei Jahre später besserte sich das Verhältnis zwischen Münz und ihm nicht mehr: Nachdem der Kontakt zum Knecht-Verlag abgebrochen war, führte Münz auch die Kor- respondenz mit Bergengruen, von dem er sich im Stich gelassen sah, nicht weiter. In der Auf- fassung hingegen, das Unzeitgemäße als das Wichtige zu betrachten, konnte er sich von Fried- rich Schnack bekräftigt sehen. Dieser schrieb ihm auf seinen zweiten Roman: „Ich sehe ein: Sie müssen Ihren Reichtum entfalten und ‘Die Pforten der Hölle’ zeigen es einem eindringlich. Es ist ein gewichtiges, gerechtes, starkes, universales Werk, rollend von Kraft und Sprachpotenz. Sie können für [sic] die Dauer nicht übersehen werden. Was die Belletristik mit Vordergrund auszeichnet, die im Augenblick gängig ist, ist weit weniger, aber der Welt gefällt es. [...] Das Bürgertum, wie es etwa Bergengruen trifft, werden Sie nicht erreichen, weil Sie dar- über hinausschauen zu anderen Kategorien und Weltkreisen.”15 In der Korrespondenz finden sich noch andere, ähnlich emphatische Reaktionen auf Münz’ literarisches Schaffen, die dieser auch den jeweiligen Verlegern gegenüber nicht verhehlte. Der Platz des literarischen Außenseiters allerdings, den Münz seinerzeit noch bewusst eingenom- men hatte und in dem er sich mit Schnack einig wusste,16 war nur so lange erstrebenswert, als er Gelegenheit hatte zu veröffentlichen, also bis ins erste Drittel der 1960er Jahre hinein. Zwar trat Münz auch später noch auf Lesungen im südwestdeutschen Raum als christlicher Schrift- steller auf, und als solcher konnte er auf immerhin drei anspruchsvolle historische Romane verweisen. Die schriftstellerische Korrespondenz jedoch war seit den frühen sechziger Jahren von eher resignativem Tonfall, was wohl nicht ganz zufällig koinzidierte mit dem literaturtheo- logischen Diskurs, in dem gerade zu dieser Zeit das „Unbehagen“17 nach dem Ende der ‘goldenen fünfziger Jahre’ thematisiert wurde. Auch der gesellige Optimismus des Bad Mer- gentheimer ‘Tusculums’ war nun Vergangenheit. 14 Bf. an Bergengruen vom 25.7.1960. 15 Bf. an Münz vom 23.12.1960. 16 Vgl. etwa den Brief an Friedrich Schnack vom Juni 1958, in dem Münz von einem Zusammentreffen mit Autoren in Nürnberg berichtete, das sein damaliger Verleger Josef Rast vermittelt hatte. Im April 1955 hatte er an Albrecht Goes von dem Gefühl der Ratlosigkeit, ja der Verzweiflung geschrieben, die die Lektüre des ‘Akzente’-Jahrgangs 1954 bei ihm hinterlassen habe. Bereits damals hatte er in der Abgrenzung zu der „sogenannten modernen Literatur“ eine Gemeinsamkeit der christlichen Autoren untereinander beschworen: „Das Wort scheint mir hier zersplittert zu sein. [...] Wir müssen gemeinsam gegen diese Verdunkelung und Vernebelung des Wortes kämpfen.“ 17 Ross 1963/64 (vgl. dazu ausführlicher Kap. C.2.b.i). - E.4.a - 366 4. Literarisches Œuvre (I) a) Gedichte und ‘Musikalische Miniaturen’ Zum Bild des katholischen Literaten Erwin K. Münz gehören auch Gedichte und kurze Prosaer- zählungen, die er ‘Musikalische Miniaturen’ nannte; sie entstanden von der Nachkriegszeit an bis in die fünfziger Jahre.1 Im Gesamtwerk nehmen diese Gattungen nur einen kleinen Raum ein, für Münz selbst waren sie - wenigstens nach 19452 - literarische Gelegenheitsarbeiten. Während in Briefen an andere Autoren oder an Freunde Äußerungen über seine Dramen, No- vellen und Romane breiten Raum einnehmen, äußerte sich Münz zu seinen Gedichten fast überhaupt nicht. Auch wandte er sich, soweit es aus der Korrespondenz hervorgeht, nicht an Verleger, um sie als Sammlung herausbringen zu lassen. Nur vereinzelt sandte er in den ersten Nachkriegsjahren Gedichte an die kulturellen Zeitschriften, für die er Beiträge schrieb.3 Zwei der Gedichte gelangten hier zur Veröffentlichung. Beide sind kurz, liedhaft gebaut und weisen ein regelmäßiges Reim- und Versschema auf. In der traditionellen Formauffassung sind sie typisch für Münz’ Gedichte insgesamt. Das Gedicht ‘Trost in der Frühe’, erschienen im Oktober 1947 in der ‘Lücke’, ist in gleicher Weise demütiges Bekenntnis der Geborgenheit in Gott wie erbauliche Belehrung des Lesers: „[...] Ach, des hingeschwundnen Tages Nöte Hatten Furcht mir eingeflößt. [...] Wisse, oft schenkt dir ein kühler Morgen Was du abends heiß verlangst.“ Das Gedicht ‘Landschaft der Liebe’, das die ‘Seele’ im Juli 1948 veröffentlichte,4 deutet die Liebe zu Gott aus dem Naturerlebnis. Dabei äußert sich eine enthusiastische Hochstimmung in der Parallelfügung der Strophen und einer Sprache, die die Metaphern, etwa in dem individua- lisierenden Beiwort ‘rehdurchzogen’, ästhetisierend zu überhöhen trachtet: „Meine Liebe ist des Himmels Sommerblau, Eine Wiese voller weißer Margueriten; Von den Hügeln meeresferne, trunkne Schau, Jubelndes Vergessen, was ich je gelitten. 1 Die Entstehungszeit der Gedichte ließ sich nicht genau bestimmen, sie dürften z.T. auch vor 1945 entstanden sein. 2 Aus dem im Bundesarchiv vorliegenden Material wird ersichtlich, dass sich Münz in seiner Studentenzeit eher als Lyriker sah, schon wegen des Gedichtbandes ‘Kriegsjugend’. Genaueres ließ sich nicht eruieren. 3 Für die Anthologie ‘Orgel und Harfe. Christliche Lyrik aus sechs Jahrhunderten’, an der Münz seit Dezember 1947 arbeitete, fand er keinen Verlag. Eine Zusammenstellung von Gedichten Claudels, deren Erscheinen beim Lambert- Schneider-Verlag geplant war, überkreuzte sich mit einer bereits erschienenen Auswahl von Hans Urs von Balthasar. 4 24. Jg. (1948), H. 7/8, S. 204. Die ‘Seele’ hatte bereits 1935 ein Gedicht von Münz veröffentlicht (17. Jg. (1935), H. 5, S. 138). - E.4.a - 367 Meine Liebe ist der Felder goldne Frucht Und der Wälder rehdurchzogne, grüne Stille. [...]“ Beide Gedichte sind in ihrer Innerlichkeit Bekenntnis des Einzelnen. In keiner Weise scheinen sie auf den Leser jene erschütternde Wirkung ausüben zu wollen, der Münz bei seinen Lesun- gen so hohes Gewicht beimaß. Tatsächlich blieben in den fünfziger Jahren die Gedichte litera- rische Äußerungen von eher privater Natur, etwa wenn Münz mit anderen Schriftstellern re- gelmäßig Gedichte austauschte5 oder einem Freund aus einem bestimmten Anlass ein Gedicht widmete. Ähnlich von Innerlichkeit bestimmt wie seine Gedichte waren die ‘Musikalischen Miniaturen’, die Münz in der Nachkriegszeit schrieb. Es sind kurze Geschichten von ungewöhnlichen oder geheimnisvollen Begebenheiten, häufig von einem personalen Erzähler vorgetragen; Hand- lungsträger sind nicht individuelle, sondern typenhafte Personen. Damit greifen sie formal und inhaltlich Elemente der Gattung ‘Kalendergeschichte’ auf.6 Münz selbst ordnete die ‘Miniaturen’ anders als seine übrigen Werke keiner Gattung zu.7 Den Begriff der ‘Musikalischen Miniatur’ wählte er, weil er die Erzählungen, meist spontan, unter dem Ein- druck musikalischer Werke geschrieben hatte, deren Stimmung er literarisch nachzugestalten versuchte. Den Stil der Miniaturen prägt ein erbaulicher Erzählton, häufiges Motiv ist eine wundersame Begegnung. Gestaltungselement der Miniaturen sind oft Traum oder Vision. Die ersten Miniaturen, die Münz seit Anfang 1946 schrieb, waren zunächst nicht zur Veröf- fentlichung vorgesehen. Münz vermutete, dass ein Leser die Stimmung, die er darzustellen ver- sucht hatte, nicht nachempfinden könne.8 Erst gegen Ende dieses Jahres begann er, einige ‘Miniaturen’ zusammen mit seinen Aufsätzen an verschiedene Zeitschriften zu schicken.9 In seinem literarischen Werk nach 1945 blieben sie jedoch eine Episode. 5 Beispielsweise mit Franz Johannes Weinrich alljährlich zum Jahreswechsel. 6 Vgl. Rohner 1978, 464ff. 7 Allerdings erscheint die Bezeichnung ‘Miniatur’ innerhalb der Gattung der Kalendergeschichte durchaus. Vgl. ebd., 433. 8 Bf. vom 14.8.1946 an Josef Magnus Wehner. 9 An die ‘Aussaat’ (Bf. vom 23.12.1946) und an die ‘Lücke’ (Bf. vom 23.7.1947). Hier erschienen keine Miniaturen. Andere Angaben aus der Korrespondenz (Abdruck von Miniaturen im ‘Jahrbuch schwäbischer Dichter’ 1948 oder Abdruck in den Pariser ‘Matines’ u.d.T. ‘Poèmes en Prose’) ließen sich bibliographisch nicht verifizieren. - E.4.b - 368 b) Dramen In der Nachkriegszeit begann Münz, sich eingehend mit der Gattung des christlichen Dramas zu beschäftigen; angeregt sicherlich auch durch die Erfahrungen, die er in seiner Schulzeit als Dramaturgieassistent in Mannheim gesammelt hatte. Bereits Anfang 1946 hatte er ein Drama fertiggestellt,1 vier weitere folgten bis 1948. In einem Brief an Friedrich Schreyvogl2 bezeich- nete Münz die christliche Tragödie als sein Ziel und nannte als seine Vorbilder Ilse von Stach und Franz Johannes Weinrich.3 Beide Autoren entstammten dem katholischen Expressionismus der zwanziger Jahre. Zentrales Moment des literarischen Œuvres von Ilse von Stach ist „die Schuld des Menschen“;4 Wilhelm Grenzmann zufolge vertrat sie ein katholisches Sendungsbewusstsein. In der Tradition des litera- rischen Katholizismus galt Franz Johannes Weinrich als „Hymniker, reiner Lyriker, kein Erzäh- ler, kein Berichter“, vielmehr „Ekstatiker des Wortes“: „Das Gebet wird für ihn Element der Dichtung. Die Menschen sprechen alle direkt zu Gott und werden zu bloßen Stimmen [...].“5 Mit dem Terminus der ‘christlichen Tragödie’ schloss Münz von den drei Formen, die das dra- matische Werk Weinrichs und von Stachs bestimmen,6 das dem expressionistischen Drama ver- wandte Mysterienspiel (z.B. Weinrichs ‘Der Kinderkreuzzug’) und die dramatisierte Legende (Ilse von Stachs ‘Genesius’) aus. Für sein eigenes Schaffen bediente er sich der Form des histori- schen Dramas. Formal lehnte sich Münz an die Traditionen des Jesuitendramas der Gegenreformationszeit an, und ohne diesen Hintergrund ist sein erstes Werk, ‘Meteor’, in dem er das Leben François Vil- lons behandelte, nicht adäquat zu verstehen. Der Einteilung des Dramas in fünf Akte kommt nämlich keine handlungsstrukturierende Funktion zu. Vielmehr wird die Entwicklung Villons in aneinandergereihten Bildern und Szenen dargestellt. Münz griff damit auf die ‘untragische’ Form des barocken Jesuitendramas zurück, stellte sich aber gleichzeitig in die Tradition des zeitgenössischen offenen Dramas, als dessen Merkmal Volker Klotz das „über sich Hinauswei- sen dessen, was unbegrenzt wirken will“,7 bestimmt hat. Die bewusste Markierung des Stücks als modern, also als antiklassisch, diente nach Münz’ eigenem Verständnis8 zugleich dessen Objektivierung. Zu Beginn des Dramas ist Villon ein Student, der des Lernens überdrüssig ist und sich schwär- merisch nach dem wirklichen Leben sehnt. Durch Freunde gerät er in einen Bund von Vagan- 1 Kosch 1956 führt ein Drama von Münz aus dem Jahre 1942 mit dem Titel ‘Das schwankende Schiff’ an. Das Dra- ma lag im Nachlass nicht vor. 2 28.7. 1947. 3 Diese Orientierung bezeugen auch andere Briefe. Mit Franz Johannes Weinrich selbst allerdings, mit dem Münz seit 1946 korrespondierte, erörterte er nur selten Fragen der dramatischen Gattung. 4 Grenzmann 1953, 462. 5 Ebd. 6 Vgl. Rall 1936, 95ff. 7 Klotz 1962, 231. 8 Dazu ausführlicher seine literaturtheoretischen Ansichten, die ich in Kap. E.2.d. darstelle. In der Form, wie sie Gustav Freytag (‘Die Technik des Dramas’) festgelegt hatte, hatte die antike Dramengliederung Eingang in die Deutschdidaktik gefunden, und als Deutschlehrer dürfte Münz mit Begriffen wie ‘Exposition, Peripetie, Katastrophe’ etc. gründlich vertraut gewesen sein. - E.4.b - 369 ten, und hier, inmitten der Ausschweifungen, erkennt er sein Talent zum Dichten. Aufgrund der Verbindungen seines Onkels wird Villon auch in höhere Kreise eingeführt, deren Oberfläch- lichkeit ihn aber abstößt. Das Leben als Vagant erscheint ihm als einzige Möglichkeit, seinem Schicksal nicht auszuweichen und seine „göttliche Bestimmung hier auf Erden“9 zu finden. Er versucht, als Dichter Ansehen und Beifall zu erlangen, bleibt aber mit seinem idealistischen Anspruch in beiden Lebenskreisen ein Einzelgänger. Im Laufe des Dramas erkennt er, dass sich hinter der Emphase, mit der die Vaganten sich zum sozialen Ausgleich und zu Gerechtigkeit bekennen, die bloße Lust am Marodieren verbirgt. Die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit findet Villon auch am Hofe des Herzogs Charles von Orléans; er sieht in der vermeintlich eleganten Etikette der höfischen Kreise die Sucht nach Ablenkung und Zerstreuung bemäntelt. Als Gegenfiguren zu diesen von Äußerlichkeiten be- stimmten Kreisen treten Villons tiefgläubige und bescheiden lebende Mutter und der heilige François de Paule auf.10 Ihre konsequente Glaubenshaltung bewundert Villon zwar insgeheim, will sie aber nicht übernehmen. Bei einem der Streifzüge der Vaganten wird Villon gefangen. Im Verhör erregt er durch seine Antworten, mit denen er absolute, kompromisslose Maßstäbe an sein und seiner Mitmenschen Verhalten und an das der Staatsgewalt anlegt, die Aufmerksamkeit des zufällig anwesenden Bischofs. Kurz darauf wird er durch einen allgemeinen Gnadenerlass des Herzogs aus der Haft entlassen. Er kehrt zu seiner Mutter zurück. Hier erscheinen ihm als allegorische Figuren die Völlerei, die Lüge, die Faulheit, die Gewalt und die Wolllust und erheben Anspruch auf ihn, den sie aus seinem Lebenswandel herleiten.11 Villons Mutter weist die Vorwürfe zurück und nimmt ihn mit ihrer alles verzeihenden Liebe in Schutz: ihr Sohn habe keine letzte Befriedigung erfahren, als er sich den Sünden hingab.12 Villon selbst aber erkennt jetzt den Zwiespalt seines Lebens, dem er nicht zu entgehen vermochte: Die von Gott auferlegte Bestimmung, als Dichter das „menschliche Elend“13 aufzuzeichnen, zwang ihn gleichermaßen, sich den Sünden zu erge- ben. Zwei Polizisten kommen, ihn erneut zu verhaften;14 widerspruchslos unterwirft er sich der irdischen Gerechtigkeit. 9 Münz o.J. [1946], 24. 10 Auch der Anspruch, die Welt als Ganzes abzubilden, bei Münz symbolisiert durch unterschiedliche soziale Sphä- ren, ist ein Merkmal des barocken Dramas. 11 Mit den handlungstragenden allegorischen Figuren griff Münz auf Traditionen des barocken Jesuitendramas zu- rück. 12 Eine Reverenz des Deutschlehrers Münz an Goethes ‘Faust’. 13 Münz o.J. [1946], 83. 14 Ihr Erscheinen ist nicht näher motiviert; es handelt sich gewissermaßen um negativ gewendete ‘dei ex machina’. Auch hier stellt sich Münz in die Tradition des Jesuitendramas, nämlich die folgerichtige Zwangsläufigkeit eines verfehlten Lebens darzustellen, ohne dass es im antiken Sinne tragisch wäre. - E.4.b - 370 Das Schlusstableau der letzten Szene, deren Pathos und deren Figurenzeichnung typisch ist für das ganze Drama, wird im Folgenden zitiert.15 Sie spielt auf dem ‘Galgenberg’ vor drei leeren Galgen. Der heilige François de Paule erscheint aus dem Nichts, er bittet Villon, dessen Sünden tragen und abbüßen zu dürfen. Vor dem Heiligen lassen die Vertreter der staatlichen Macht, der Henker und der Richter, von Villon ab und sinken auf die Knie. Verkörpert in Villons früherer Geliebter tritt der Tod auf: „(Von ferne Glockengeläute. Henker und Richter gehen langsam nach rechts ab.) TOD (seine knöcherne Rechte auf die linke Schulter Villons legend): Im Namen des Vaters ... FR.VILLON (glückselig): Endlich löschest du mich aus, Herr, ins Unendliche ... CAROLUS: ... et filii et spiritus sancti: Amen! (Die Ketten fallen von Villons Händen. François Villon sinkt vor dem mittleren Galgen zusam- men und stirbt.) 5. Auftritt (Der TOD schreitet langsam nach rechts ab. Der Heilige und Frater Carolus knien rechts und links neben Fr. Villon nieder und falten die Hände zum Gebet. DER HEILIGE: Requies in pacem ... CAROLUS: A m e n ! (Geläute schwillt an und verebbt.) (Vorhang fällt langsam)“16 Der Satz Villons, der die Bewertung der Szenerie durch den katholischen Interpreten vorweg- zunehmen scheint, entspricht der Ausdrucksweise, die den meisten Figuren des Dramas zu ei- gen ist und in der sie ihr Verhalten selbst reflektieren - eine alte Praxis des Jesuitendramas.17 Das Bestreben des Autors, die Interpretation in das Stück hineinzuschreiben, zeigt sich auch in den Regieanweisungen, die Ergriffenheit widerspiegeln. Der pastorale Anspruch erstreckte sich also auch auf den Prozess des Einstudierens, was Münz expressis verbis dann später als Quali- tät des Laienspiels hervorhob.18 Münz begriff sein Drama als Aussage über die Gültigkeit von Maßstäben, die ein irdisches Gericht anlegen könne. Dies sei - so schrieb er in einem Brief19 an seinen ehemaligen Studen- tenpfarrer Hugo Lang20 - eines der zentralen Probleme der Nachkriegszeit. Im Drama lässt er Villon mehrfach fordern, irdisches Gericht dürfe sich nicht auf Gott berufen und müsse vor allem Menschlichkeit walten lassen. Das Verhalten des Einzelnen angesichts unlösbarer Schuld ist im Lebensweg Villons exemplarisch vorgezeichnet: bedingungslose Glaubenshaltung und demütige Erwartung des göttlichen Richterspruchs. 15 Ebd., 85. 16 Die Hervorhebungen sind typographisch exakt übernommen. 17 Zur Tendenz in der katholischen Poetik, die handelnden Figuren ihr eigenes Verhalten kommentieren zu lassen, vgl. auch Schmidt, S. 1994, 143ff. 18 Vgl. das folgende Kapitel. 19 13.5.1946 20 (1892-1967), Benediktiner, Dr. theol., in den dreißiger Jahren Studentenpfarrer, 1941 von Kardinal Faulhaber zum Geistlichen Rat ernannt, seit 1946 Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Angaben nach dem Nachruf der Abtei St. Bonifaz München und Andechs; Universitätsarchiv der LMU, UAM, E-II-2200). - E.4.b - 371 Der staatlichen Gewalt wird im Drama ein nur vorläufiger Charakter zugestanden; die Formel vom ‘Größeres-Unheil-Vermeiden’ - zum Zeitpunkt der Entstehung des Dramas die Standard- entschuldigung all derer, die sich im NS-Staat exponiert hatten - lässt Münz den Polizeipräfek- ten von Paris gebrauchen. Als ‘größeres Unheil’ figuriert im Kontext des Dramas die Vagan- tenbande, deren Beschreibung in langen blasphemischen und obszönen Szenen einen verhält- nismäßig breiten Raum einnimmt. Dass die Vaganten ihr Plündern mit phrasenhaft vorgetrage- nen sozialutopischen Idealen zu bemänteln versuchen, ist für den Fortgang des Dramas nicht von Belang. Offensichtlich wird hier eine Charakterisierung des Kommunismus angestrebt. Tatsächlich belegen Äußerungen Münz’ in dem erwähnten Brief an Hugo Lang, dass er sein Drama auch als Lehrstück in diesem Sinne verstanden wissen wollte. Das Drama erschien im April 1946 im Leipziger Haessel-Bühnenverlag, dessen Inhaber W. R. Sorgenfrey mit Münz befreundet war. Auf Vermittlung von Franz Johannes Weinrich, dessen Bruder Carl M. Weinrich das in München neu gegründete ‘Theater der Jugend’ leitete, sollte der ‘Meteor’ dort 1947 aufgeführt werden. Zu der bereits geplanten Aufführung kam es jedoch nicht, weil Carl M. Weinrich das Theater verließ.21 Münz’ Versuche, sein Drama daraufhin an anderen Häusern unterzubringen, schlugen fehl.22 Von den nach dem ‘Meteor’ bis 1948 entstandenen vier weiteren Dramen liegen Typoskripte im Nachlass nicht mehr vor.23 Aus Münz’ Briefen dieser Zeit geht hervor, dass er auch in ihnen Probleme behandelte, die er für die Nachkriegssituation als dringlich ansah. Tenor war die Ge- ringschätzung irdischen Besitzes und irdischer Maßstäbe. Wie der ‘Meteor’ zeichneten die späteren Dramen die Lösung der Konflikte alleine in einer kompromisslosen und demütigen Glaubenshaltung.24 In formaler Hinsicht gingen sie über den ‘Meteor’ hinaus. Dieser spielte auf nur einer Bühne, was Umbaupausen zwischen den Akten notwendig machte. In den späteren Dramen suchte Münz Pausen dadurch zu vermeiden, dass er ein Spiel auf mehreren Bühnen vorsah. Wichtig war ihm, die Zuschauer mit dem Bühengeschehen mitzureißen, sie zu überwäl- tigen.25 21 Vgl. Briefe an C. M. Weinrich (19.3.1947) und Sorgenfrey (23.5.1947). 22 In dem Typoskript, das im Nachlass vorliegt, sind Änderungen von Münz’ Hand eingetragen. Diese Änderungen betreffen vermutlich eine geplante Aufführung des Stückes beim Österreichischen Katholikentag 1953. In einem Brief vom 3.1.1953 (an Pater Jakob Seubert) schrieb Münz, er habe das Stück vor allem sprachlich umgearbeitet. Ob es bei dem Katholikentag tatsächlich dann zu einer Aufführung kam, war nicht zu ermitteln. 23 Weder in Kosch 1956 noch in Kosch 1986 ist eines der Dramen aufgeführt, die Münz in der Nachkriegszeit schrieb; Kosch 1960 nennt lediglich das Drama ‘Der Meister’ mit der Jahresangabe 1947. 24 Kurze Skizzen des Inhalts gab Münz in einigen Briefen, z.B. über ‘Elisabeth Waldbronnen’ am 13.5.1946 und über den ‘Gefangenen’ am 14.8.1946. 25 Bf. vom 28.7.1947 an Friedrich Schreyvogl. Zur Kategorie des ‘Mitreißens’ vgl. Kapitel E2d. - E.4.b - 372 Für die nach dem ‘Meteor’ geschriebenen Dramen fand Münz keinen Bühnenverlag mehr.26 Der Haessel-Verlag war im Verlauf des Jahres 1946 unter Umständen, die Münz von der ame- rikanischen Zone aus nicht klären konnte, in Konflikte mit der sowjetischen Besatzungsmacht geraten, was die ursprünglich geplante weitere Zusammenarbeit unmöglich machte. In selbst getippten Abschriften schickte Münz seine Dramen an verschiedene Theater, jedoch auch hier erfolglos. Den Rücksendungen war stets eine kurz gefasste Ablehnung beigelegt; häufig auch bleiben die Typoskripte so lange liegen, dass Münz die Rücksendung anmahnen musste. 26 Vgl. die erfolglosen Briefe an den Nest-Verlag (Schloss Kuhlenfels b. Pegnitz/Ofr.) vom 23.7.1947, an den Drei- Fichten-Verlag (München) vom 31.7.1948 und an den Kurt-Desch-Verlag (München) vom 10.4.1948. - E.4.c - 373 c) Laienspiele Über die Schwierigkeiten verbittert, mit seinen Dramen an die Öffentlichkeit zu gelangen, re- sümierte Erwin Karl Münz im Juni 1948 in einem Brief an den belgischen Laienspieldichter Jozef Boon, das katholische Theater in Deutschland stehe noch an seinem „dornigen Anfang“.1 Die Laienspielgruppen seien hier den Berufstheatern voraus. Mitte 1948 hatte Münz begonnen, sich intensiver mit der Gattung des Laienspiels auseinander- zusetzen. Den Anstoß dazu gab das Jugendlaienspiel ‘L’Avare, le Soldat, la Botte et le Grand Diable’ von Henri Brochet, das er für eine Schullektüre-Ausgabe im Münchener Buchner- Verlag übersetzte. Kurz darauf schrieb Münz sein erstes eigenes Laienspiel, mit dem er sich an das altfranzösische ‘Adamsspiel’ anlehnte.2 Vom Umfang her hatte Münz es für eine Freilicht- bühne bzw. für die Aufführung in einer Kirche konzipiert. Der Buchner-Verlag, dem Münz das Stück anbot, lehnte es wegen der nicht überzeugenden formalen Gestaltung ab. Nach diesem neuerlichen Misserfolg wandte sich Münz zunächst sei- nen Novellen zu, die 1951 als Buch erschienen.3 Im Verlauf der fünfziger Jahre ist zu beobach- ten, dass sein dramatisches Schaffen gegenüber den Novellen und später den Romanen mehr und mehr zurücktrat. In dieser Zeit suchte Münz auch keine Kontakte mehr zu Berufstheatern. Er nutzte statt dessen die Möglichkeit, die ihm der Beruf des Lehrers bot, nämlich mit Schülern Theater zu spielen. Ein eigenes Stück, ein Mysterienspiel mit dem Titel ‘Klara’, schrieb Münz erst wieder 1954, im Auftrag des Franziskanerinnen-Konvents in Bad Mergentheim. Darin waren die meisten Rollen für Jugendliche geschrieben oder konnten leicht von Schülern übernommen werden. Dieses Mysterienspiel wurde am 18. und 19. September 1954 in Bad Mergentheim aufgeführt. Die Hauptrollen spielten Münz’ Schüler; er selbst, seine Frau und einige Eltern wirkten ebenfalls mit. In dem Spiel wird in vierzehn Stationen die Geschichte der heiligen Klara dargestellt, der Ge- fährtin des Franz von Assisi; aus einer reichen und angesehenen Familie stammend, widmet sie ihr Leben den Armen und stiftet den nach ihr benannten Orden der Klarissinnen. Die Legende, die Münz für sein Stück übernahm,4 transponierte er mit Mitteln des modernen Theaters in die heutige Zeit. Das Spiel baut die Handlung auf mehreren Illusionsebenen auf. Der Beginn des 1 Im Original: „au début épineux“; 1.6.1948. 2 Ein Typoskript des Spiels lag im Nachlass nicht vor; die Angaben darüber sind einem Brief an Franz Johannes Weinrich vom 13.9.1948 entnommen. 3 Vgl. Kapitel E.5.a. 4 Aus dem Nachlass ist nicht ermittelbar, auf welche literarische Fassung der Legende Münz zurückgriff. - E.4.c - 374 Stückes spielt in der Gegenwart: eine Theatergruppe diskutiert darüber, ob die alte Legende überhaupt noch zeitgemäß und damit spielbar sei. Die Figur des ‘Mannes von der Straße’ tritt auf und bestärkt die Jugendlichen darin, dass die Legende ganz und gar unzeitgemäß sei, gera- dezu „finsterstes Mittelalter“.5 Ihm tritt die Figur des Spielleiters entgegen. Durch die Art, wie er das Gespräch lenkt, erkennen die Jugendlichen allmählich, dass viele Umstände der histori- schen Begebenheiten auf die Gegenwart zu übertragen sind.6 Sie beschließen, die Geschichte in modernem Gewand zu spielen.7 Klara, in der Legende die Tochter eines Ritters, wird jetzt zur Tochter eines Fabrikanten. Im Folgenden wird jede Szene im Dreischritt entwickelt. Zuerst liest ein ‘Chronist’ aus der Legende, dann spielen die jugendlichen Darsteller die Geschichte nach und diskutieren schließlich das Gespielte. Langsam wächst die Zahl der Mitspieler, die von der unbeugsam christlichen Haltung der Klara beeindruckt sind. Gegen Ende des Spiels verliert auch der ‘Mann von der Straße’ seine zynische Haltung und bekennt sich zu den Idealen Klaras. Zentraler Gedanke des Mysterienspiels ist die Geringschätzung des irdischen Besitzes. Dem Fabrikanten, der als Symbolfigur der Wirtschaftswunderzeit mit dem Verhalten und den Attri- buten des neureichen Emporkömmlings charakterisiert wird, steht Klara mit ihrer asketischen, selbstlosen Lebensauffassung gegenüber. Im Verlauf der Handlung werden immer mehr Paral- lelen zwischen Geschichte und Gegenwart von den Jugendlichen ‘entdeckt’: „Chronist: [...] Als nämlich die von Assisi nach jahrelangem Fernsein heimkehrten, waren viele Paläste verwüstet; da der von Messire Favarone unversehrt befunden wurde, holte eines Abends dessen Tochter Klara die Obdachlosen herein, warf Stroh auf und pflegte sie. [...] 5. Junge: Sowas gibts doch heute nicht mehr, dass sich benachbarte Städte bekriegen. Das ist finsterstes Mittelalter. Spiell.: Ob sich Städte bekriegen oder Länder, die Ursachen sind immer die gleichen. Und die Folgen unterscheiden sich nur im Ausmass. 4. Mädchen: Ich kann mir gut vorstellen, wie es der Klara zumut war, als sie zurückkamen in das unversehrte Haus. Da hat sie sich geschämt. Uns ging es ganz ähnlich in Mannheim. Aber wir waren - stolz. Mein Vater musste gezwungen werden, Flüchtlinge aufzunehmen. Eine Schulka- meradin von mir hat mir das vorgehalten ...“8 Der didaktische Charakter, der dem Spiel insgesamt eignet, zeigt sich in dieser Szene in zweifa- cher Hinsicht. Der Spielleiter weist wie im Unterrichtsgespräch die Jugendlichen auf bestimmte Parallelen hin und macht Zusammenhänge deutlich, das Mädchen kommentiert in altklug- einsichtiger Weise das eigene Verhalten. 5 Münz 1956, 4. 6 Den Spielleiter in der Bad Mergentheimer Aufführung spielte nicht Münz. 7 Die unterschiedliche, dem jeweiligen Zeitempfinden angepasste Aneignung des Klara-Stoffes in der katholischen Literatur des 16. bis 19. Jahrhunderts ist ausführlich dargestellt in Reber 1992. 8 Ebd., 23. - E.4.c - 375 Das Spiel auf mehreren Illusionsebenen erlaubte Münz, ein Moment einzuführen, das integraler Teil der damaligen katholischen Religionserziehung war: die Vorstellung, dass die Seele jeder- zeit vor Gott offen liege, der Mensch deshalb sein Handeln jederzeit zu rechtfertigen habe.9 Das ‘christliche Urgefühl’ der Angst (Hans Urs von Balthasar)10 durchzieht das ganze Mysteri- enspiel, wenn auch - „Timor Dei initium sapientiae“11 - gewissermaßen didaktisch aufbereitet. Bereits zu Beginn der ersten Szene macht der ‘Spielleiter’ den Mitspielern klar, in welchem Rahmen das Spiel stattfindet: der abgedunkelte Zuschauerraum als Jenseits, vor dem die menschliche Seele - die Bühne - so offen darliege, dass es keinen Sinn habe, sich zu verstecken, sich vor der Wahrheit zu verschließen:12 „1. Mädchen: Herr ... (nennt den bürgerlichen Namen) Sie sind mir unheimlich. Sie reden von dieser Bühne, als wär’ das - wie sagten Sie? der Raum einer Seele ... und das da unten - der Zu- schauerraum - das Jenseits.“13 Das Lehrhafte spart auch die Zuschauer nicht aus. Von den jugendlichen Schauspielern und vom Spielleiter werden sie von der Bühne herab mit Geringschätzung bedacht: „6. Mädchen: Wär’s nicht besser, wir liessen endlich einmal eine Pause eintreten? Spielleiter: Damit die Frauen da unten ihre Garderobe spazieren tragen und die Männer sich die neuesten Stammtischwitze erzählen können? Ich sehe einige da unten, die warten schon eine Stunde darauf, Schokolade essen oder eine Zigarette rauchen zu können. Pause? So was gibt’s nicht für einen Christen. Die Spannung lässt erst nach, wenn der Vorhang fällt, aber nicht der, sondern der am Ende unseres Lebens, der Vorhang über die Erde ...“14 Im Verhältnis zu den Zuschauern erscheint gleichfalls das Moment der Angst. In der Mitte des Spiels tritt der Darsteller des Franz von Assisi mitten zwischen das Publikum und spricht dieses direkt an: „[...] Ich frage euch, aber keiner braucht mir zu antworten, da Gott eure Antworten kennt, ich frage dich, Bruder, dich, Schwester: Wo warst du gestern abend? Und du, hast du heute schon gedankt, dass du noch lebst? Und du, war dir heute nicht Gott im Wege? Was hast du mit dem letzten Sonntag angefangen? [...]“15 9 Vgl. auch Scholl, N. 1982, 81. 10 Angst wird in der katholischen Theologie gedeutet als wesensmäßige Bestimmung des Menschen; in der Angst drückt sich dessen Gottesferne aus. Vgl. auch folgenden Aphorismus von Werner Bergengruen: „[Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man gemerkt,] daß die Angst die wertvollste Mitgift des Menschen, ja der Grundpfeiler des Kosmos ist“ (Bergengruen: Geliebte Siebendinge, Zürich 1972; zit. nach Kampmann 1973, 40). Eine treffende Beurteilung dieses Euphemisierungsschemas gibt aus psychoanalytischer Sicht Pfister 1944/1975. 11 Grenzmann 1955, 143 (‘Die Furcht des Herrn ist der Beginn der Weisheit.’) 12 Ganz ähnlich ist die Metapher des Welttheaters, die Hans Urs von Balthasar zwanzig Jahre später in seiner ‘Theodramatik’ entwickelte. Balthasars theologisch umfassend ausgearbeitete Konzeption, die sich literarisch auf die Metapher vom Welttheater bei Calderón und auf Pirandellos Stück ‘Sechs Personen suchen einen Autor’ bezog, transzendierte natürlich den Rahmen von Münz’ Laienspiel. Dieses jedoch zeigt, dass Balthasars ‘Theodramatik’ im Kern keineswegs originell war, sondern auf bereits vorhandene Traditionen im literarischen Katholizismus zurück- griff. Zu Pirandello aus damaliger katholischer Sicht vgl. etwa den Essay von Karl-August Götz, der ähnlich wie Münz mit Artikeln und Volkshochschulvorträgen in katholischem Geist wirkte (Götz, K. 1954, 87-107). 13 Münz 1956, 1. 14 Ebd., 57. Münz bezog sich hier offensichtlich auf Claudel: „Wenn der Pfarrer das Credo gesungen hat und sagt: Dominus vobiscum, dann wendet er sich zur Gemeinde von Frauen und Männern und Kindern, an die eben, die gerade da sind, um mit ihm das Meßopfer zu feiern, seine kleine Herde. Der eine tut, als ob er im Buche lese, der andere weiß nicht recht, wohin mit seinem Hut. [...] Jeder weiß nur, daß er einfach da ist, um auszuharren, bis alles zu Ende ist.“ (aus: ‘Die Messe’, Paderborn: Schöningh; zit. nach Geschichten 1955a, 159) 15 Münz 1956, 40. - E.4.c - 376 Das Unbehagen, das Zuschauer unweigerlich befällt, wenn Schauspieler sie direkt ansprechen, wenn sie also ins Spiel einbezogen werden, war von Münz kalkuliert, denn er bezog es in das Spiel mit ein. Die Spieler kommentieren von der Bühne herab die Zuschauer, darin einge- schlossen ist eine moralische Beurteilung, die damals nicht weiter erklärt zu werden brauchte: „5. Junge: Den Leuten da unten ist es richtig angst geworden, sie könnten angesprochen wer- den. Spielleiter: Deshalb wagen es auch nicht mehr die Pfarrer von heute. 5. Junge: Und wenn, dann geifert man gegen ihn, als hätte der Pfarrer die 10 Gebote erfunden. 6. Mädchen: Um so mehr muss man diesen Franz bewundern.“16 Der Tonfall der hier zitierten Abschnitte ist typisch für bestimmte Ausprägungen des katholi- schen Tiefendiskurses, die Münz aus zeitgenössischen Publikationen sicherlich bekannt waren. Im ‘Scheidewege’ beispielsweise, einem Blättchen für die katholische Jungschar, wurde die Sau- berkeit, Vorbildhaftigkeit der Jungschar-Jungen hervorgehoben durch die Abwertung der ande- ren: „Warum stehen denn nicht alle Klassenkameraden in der Jungschar? Weile [sic] viele zu schlapp sind, Meckerer, Kinojüngelchen, Mädchenläufer, Zigarettenhalter und sogar Schmutz- finken sind. Aber all das ist am Ende nicht entscheidend. Du warst auch schon mal im Kino und hast geraucht und standest auch schon mal schlecht in der Klasse. Letztlich sind sie darum nicht bei uns, weil sie katholische Laumänner sind, die die Kirche schwänzen und sich an der Prozes- sion vorbeidrücken. Sie wollen Christus nicht dienen und sind zu feige, sich als katholische Jun- gen zu bekennen. Wie viele Jungen sind getauft und leben doch wie halbe Heiden. Ist das über- trieben? Schau dir die [sc. deine] Klasse daraufhin einmal ganz genau an.“17 Daraus wurde dann für die ‘Jungschärler’ die Folgerung abgeleitet: „Die Klasse ist unser Missionsland!“18 - eine Intention, die wohl auch hinter dem Klara-Spiel stand. Den in die Handlung eingefügten Abschnitten aus dem Alten und Neuen Testament kommt eine doppelte Funktion zu. Zunächst kommentieren sie das Geschehen. Als beispielsweise Klaras Schwester auf Veranlassung ihrer Familie mit Waffengewalt aus dem Kloster zurückgeholt werden soll, betet der ‘Evangelist’ während des Kampfgetümmels aus dem Psalm 17: „Herr, ich rufe dich! Beschirme mich wie einen Augenstern Vor den Gottlosen, die mich sehr bedrängen, ...“19 Es handelt sich hier um ein reziprokes Verhältnis von Handlung und Kommentar: Nicht nur kommentiert der Psalm die Handlung, er wird auch durch diese augenfällig illustriert und da- mit: verstehbar gemacht.20 Mit den Bibelpassagen und den liturgischen Gesängen rückte Münz 16 Ebd., 42f. Polemisch zugespitzt ist in diesen Worten das Theorem der traditionellen Literaturtheologie von der Verkündigungsfunktion christlicher Literatur, wie es 1959 etwa der katholische Dogmatiker Alois Winklhofer der Literatur formulierte: „Vielleicht aber hat Gott sich gerade in dieser unserer Welt und Zeit Dichter erweckt und in ihren Büchern sich neue Kanzeln errichtet, von denen aus seine Heilswirklichkeit und seine neue Schöpfung auf neue Weise verkündet werden soll, weil in dieser säkularisierten Welt das Wort der eigentlich berufenen Verkünder nicht mehr überall hindringt, ja in viele völlig des Glaubens entleerte und dafür echolos gewordene Räume und Massen überhaupt nicht mehr vordringt.“ (Vortrag November 1959 in der Katholischen Akademie in Bayern, abgedruckt in Winklhofer 1960, hier S. 160) Dass in dieser Hinsicht dem Theater besondere Bedeutung zukommt, hatte etwa Joachim Dachsel betont: „Der Gestellte, der durch Leugnen und Anschuldigungen freikommen wollte [sc. der Zu- schauer], muß ins Gericht. [...] Gelingt es, ihn zum Ja zu bringen, zu diesem Gericht, das hier über ihn ergeht, so hebt damit seine Aufrichtung an, so kann ihm die Frohe Botschaft ver-// kündet werden.“ (Dachsel 1950, 200//201) 17 Scheideweg 1950, H. 5, S. 6. 18 Ebd., 7. 19 Münz 1956, 62. 20 Die Bedrängnissituation ist ein zentrales Wahrnehmungsmuster des vorkonziliaren katholischen Diskurses (vgl. Kap. D.5.b.iii). Im Zusammenhang von religiöser Literatur kommt sicherlich hinzu, dass eine affekthaltige Szene die jeweils vermittelte christliche Lehre dem Gedächtnis der Zuhörer bzw. Leser nachhaltig einprägte (vgl. Schmidt, S. 1994, 148). - E.4.c - 377 das Spiel ohnehin in die Nähe des Gottesdienstes. In Briefen aus dieser Zeit betonte er mehr- fach, dass die Gemeinschaft, die sich im Verlauf der Proben heranbilde, das eigentliche Ziel des Stückes sei. In einem Brief an den Bischof von Rottenburg schien Münz geradezu das Ideal einer mittelalterlichen Bauhütte zu beschwören, wenn er schrieb: „Die Erfahrungen der bisherigen Aufführungen, [...] zeigten es, daß ein solches Spiel durch die Zusammenfassung und das Zusammenwirken der Geistlichen, der Orden, Schulen, Eltern und Handwerker während der Wochen und Monate der ‘Einstudierung’ die Gemeinde wieder zu- sammenfinden läßt. Und das ist ja die wichtigste Voraussetzung für eine Erschütterung durch Gott.“21 Zwei Monate nach der Bad Mergentheimer Aufführung äußerte sich Münz in seinem Artikel „Theater in der Kirche?“ in der 'Deutschen Tagespost' über die Gattung des Mysterienspiels: „Gewiß sind Versuche unternommen worden, das Drama wieder religiös zu unterbauen, ‘bindend’ zu machen, denken wir nur an Paul Claudel. Aber ist zu viel [sic] ‘Theater’, zu wenig Primitivität im Sinne von Kindlichkeit; es werden zuviel Probleme abgehandelt und Philosophie getrieben. Meistens nimmt sich auch der Autor zu wichtig, wo er doch die gleich demütige Auf- gabe zu erfüllen hätte wie der Priester.“22 Die Gleichsetzung von Dichter und Priester führt in dem Artikel zur Definition des Mysterien- spiels als einer „dramatisierten Predigt“, als „Hilfsmittel der Seelsorge“. In privaten Briefen bekundete Münz mehrfach die Überzeugung, der katholische Standpunkt müsse in der säkula- ren Welt offensiv vertreten werden, was viele Geistliche in ihren zu langen und trockenen Pre- digten nicht leisteten. In dem zitierten Artikel der 'Deutschen Tagespost' hob er deshalb hervor, das Mysterienspiel sei „ein ungewöhnliches Beispiel, Ansporn den einen, Aergernis den ande- ren.“ Das Mysterienspiel ‘Klara’ fand in katholischen Kreisen recht breite Beachtung. Von mehreren Konfessionsschulen und Klöstern erhielt Münz Briefe, in denen er um Aufführungsmaterial für dieses Spiel gebeten wurde.23 Der bischöfliche Pfeiler-Verlag in Rottenburg übernahm es 1956 in seine Reihe ‘Volksspiele für Stadt und Land’.24 21 Bf. vom 8.10.1956. In ähnlicher Weise äußerte sich Münz in seinem Brief vom 15.1.1955 an die Schulleiterin der Mädchenschule St. Maria Stern (vgl. unten Fußnote 20). Die Kategorie der Gemeinde, mit der Münz hier im Bereich der Laienspielbühne argumentierte, findet sich auch in der theologischen Literaturkritik jener Zeit, etwa - wenn auch weniger umgreifend wie bei Münz - bei dem Protestanten Otto Glüer. In einer Besprechung zweier Aufführungen von Rutenborns ‘Jonas’ forderte Glüer vom christlichen Drama eine nach außen wirkende „missionarische Kraft“; im Falle des ‘Jonas’ sei aber der christliche Gehalt des Stückes erst dann hervorgetreten, als die Schauspieler vor einer „mehr oder weniger reifen Gemeinde spielten und von ihr getragen wurden.“ (beide Zitate Glüer 1949, 351). 22 ’Deutsche Tagespost’ vom 24.11.1954. 23 Vgl. z.B. seine Briefe vom 10.1.1955 (an die Buchhandlung Sommer, Nördlingen, wegen der Anfrage eines nicht näher genannten Klosters), vom 15.1.1955 (an die Ehrwürdige Mutter Michaela, Mädchenmittelschule St. Maria Stern, ebenfalls in Nördlingen), vom 18.1.1955 (Ehrwürdige Schwester M. Palatina, Krankenhaus Rodalben, Kreis Pirmasens), vom 9.5.1955 (Ehrwürdige Schwester Oberin Edilberta O.S.Fr., Ehingen) und 16.5.1955 (P. Rhabanus Hackenholtz Ofm, Bochum). 24 Das ‘Klara’-Spiel hatte Münz mehreren katholischen Verlagen unterschiedlichen Formats angeboten, u.a. dem Glock-und-Lutz-Verlag, Nürnberg (17.11.1954) und dem Don-Bosco-Verlag, München (5.9.1955). Was die Aus- strahlung in die katholische Welt betraf, sah Münz den Pfeiler-Verlag, in dem schon sein zweiter Novellenband erschienen war, eher als Notlösung an. Das schrieb er in seinem Brief an den Glock-und-Lutz-Verlag. Dass er aus - E.4.c - 378 Noch während der Vorbereitungen zur Aufführung des ‘Klara’-Spiels nahmen Pläne für ein neues Laienspiel konkrete Gestalt an. Mit dem Stadtpfarrer Anton Ulrich aus Tauberbischofs- heim vereinbarte Münz, für die 1955 bevorstehende 1100-Jahr-Feier der Stadt ein Spiel über die heilige Lioba zu schreiben, die zur Zeit des Bonifatius als Äbtissin in Tauberbischofsheim gewirkt hatte.25 Anders als das erste Spiel sollte dieses in und vor der Kirche aufgeführt wer- den. Sämtliche Gemeindegruppen wie auch den Priester bezog Münz in das Stück ein. Im Auf- bau des ‘Lioba’-Spiels lehnte er sich an den Ablauf der Messfeier an.26 Ein ähnlicher Erfolg wie dem ‘Klara’-Spiel war dem ‘Lioba’-Spiel nicht beschieden. Im Okto- ber 1954 hatte Münz die letzten Szenen geschrieben und das Spiel an Pfarrer Ulrich geschickt. Im Januar 1955 jedoch erließ der Erzbischof von Freiburg ein generelles Verbot, in Kirchen seiner Diözese - zu der Tauberbischofsheim gehörte - Theater zu spielen, wovon auch Münz’ Spiel betroffen war. Eine Aufführung an einem anderen Ort wäre sinnlos gewesen; so blieb das ‘Lioba’-Spiel unaufgeführt und fand auch keinen Verlag. kirchlichen Kreisen und aus Konfessionsschulen des öfteren um Aufführungsmaterial ersucht wurde, lag, soweit aus der Korrespondenz zu ermitteln war, im Wesentlichen an Mund-zu-Mund-Propaganda. 25 Vgl. den Brief vom 2.11.1953 an Anton Ulrich. 26 Auch das ‘Lioba’-Spiel liegt im Nachlass nicht vor (Bf. von Maria Münz vom 20.2.1988). Die Angaben darüber sind Münz’ Briefen an Pfarrer Anton Ulrich entnommen, vor allem dem vom 11. Oktober 1954. - E.5.a - 379 5. Epische Arbeiten a) Novellen 1947 begann Erwin Karl Münz, Novellen zu schreiben. Thematisch blieb er damit bei der Dar- stellung ungewöhnlicher, ‘wundersamer’ Ereignisse, die schon für seine ‘Musikalischen Minia- turen’ kennzeichnend waren. Dass Münz ausdrücklich die Gattungsbezeichnung der Novelle wählte, legt nahe, dass das visionär entstandene quasi impressionistische Bild jetzt zu Gunsten des erzählerischen Elements zurücktrat, und wie aus der damaligen Korrespondenz hervorgeht, betonte Münz an seinen Novellen das Lehrhaft-Exemplarische, wobei die Thematik und die sprachliche Gestaltung der Novellen darauf hindeuten, dass sie sich nicht ausschließlich an Jugendliche richteten. Bis Ende der vierziger Jahre entstanden in rascher Folge etwa zwanzig Novellen. Siebzehn davon fasste Münz für einen Novellenband zusammen, der 1951 mit dem Titel ‘Abbé Choubert ist Zeuge ...’ und dem Untertitel ‘Unglaubliche Geschichten’ im Verlag der Kanisiusschwestern in Konstanz erscheinen sollte. Die Novellen waren hier, ohne aufeinander Bezug zu nehmen, chronologisch angeordnet: Sechs von ihnen behandelten Ereignisse vom 15. bis zum frühen 20. Jahrhundert, in den folgenden zehn Novellen ging es um den Zweiten Weltkrieg (teilweise aus der Rückschau der Nachkriegszeit), und in der abschließenden Novelle war die Grundlegung der römisch-katholischen Kirche behandelt, was die zentrale Thematik der vorangegangenen Novellen - der irrende Mensch und dessen Deutung am Maßstab katholischer Dogmatik - ge- wissermaßen zusammenfasste und abschließend resümierte. Die beiden Jünger Petrus und Thomas erleben eine Christus-Vision, die auch Thomas als solche erkennt, denn danach liegt ein Rosenduft in der Luft und das Gras ist verbrannt. Thomas’ notorische Ungläubigkeit, der Petrus geduldig, aber autoritativ mit Katechismusformeln begegnet, beispielsweise hinsichtlich der im Abendmahl vollzogenen Transsubstantiation, wird durch den Erzähler auch implizit kommentiert: „Thomas wagte keinen Schritt mehr aus Furcht, er fiele in einen glühenden Abgrund. Dieser Petrus! dachte er, da riß er seine Augen weit auf und ‘Petrus!’ rief er aus gepreßter Kehle, dann aber fiel er auf sein Angesicht und schluchzte.”1 Petrus versteht die Vision als Erneuerung des seinerzeit von ihm nur mit Ängsten aufgenomme- nen Auftrages, in Christi Geist die Kirche zu bilden. Die Novelle mündet in eine (von den Jün- gern vorher genau konzipierten) Eucharistiefeier,2 bei der Petrus einem alten Rabbiner, der sich 1 Münz 1951, 234. Ich zitiere nach dem im Nachlass befindlichen Andruckexemplar. 2 Bis in die fünfziger Jahre hinein war für den Katholiken der Empfang der Kommunion nur einmal jährlich Pflicht. Trotzdem hatte die Feier der Eucharistie als integraler Bestandteil der Messe im Katholizismus einen höheren Stel- lenwert als im Protestantismus; dort wurde sie überhaupt nur einmal jährlich gefeiert, und zwar am Karfreitag. - E.5.a - 380 am Tage des Pfingstwunders zu Christus bekehrt hatte, die Sterbesakramente spendet. Der No- vellenband endet mit dem im katholischen Diskurs häufigen Muster der Umpragmatisierung.3 In diesem Fall ist es ein Segensspruch von Petrus, der typologisch auf die Situation der Nach- kriegszeit zielte und den Leser direkt anspricht: „Als Petrus sie segnend entließ, sagte er - und seine Worte fielen wie Öl auf Wunden in die auf- gerissenen Herzen der Gläubigen: ‘Die neue Welt und der neue Mensch beginnen zu werden in Christus, der eben durch unsere Mitte geschritten. Fürchtet euch nicht! Er wird bei uns sein im Aufgang und Niedergang des Tages und der Zeiten bis in Ewigkeit. Amen.’“4 Hier machte Münz seinen laienapostolischen Impetus explizit, der strukturell auch schon in der Kontrastierung von Petrus (=Heilsangebot der katholischen Kirche) und Thomas (=ungläubiger Zeitgenosse) abgebildet ist. Als zentraler Gedanke liegt den Novellen zugrunde, dass jeder Mensch ständig im Gericht lebe bzw. im Zwang, sich für oder gegen den Glauben zu entscheiden.5 So entwickelte Münz Szen- arien, in denen den handelnden Figuren die Notwendigkeit einer solchen Entscheidung nach- drücklich vor Augen geführt wurde. Die Übertragung auf den Leser war vermittelt durch die kommunikative Struktur der Novellen: Situationen des Sich-Rechtfertigens sind entweder im Bericht des Ich-Erzählers vermittelt oder im Dialog zweier Figuren, bei der die eine in der Re- gel die Perspektive der (kirchengebundenen) katholischen Beurteilungsinstanz übernimmt; eine Novelle ist sogar ausdrücklich als Beichtgespräch gestaltet. Den historischen Vorgängen kommt keine spezifische Bedeutung zu, sie dienen vielmehr als verhältnismäßig neutrale, sc. austauschbare Folie. Diese Art der Personenkonstrastierung lässt sich als postfigurales Gestaltungsprinzip verstehen, in dem die einzelnen Personen als Antityp das in der Heilsgeschichte angelegte Modell in sich tragen; dargestellt ist also die Überzeitlichkeit des Heilsgeschehens; ein für die katholische Poe- tologie typisches Muster.6 Vor allem in sprachlicher Hinsicht lassen sich die Novellen auf den Erfahrungshorizont des religiös sozialisierten katholischen Lesers beziehen, der sich demzufolge als der intendierte Leser bestimmen lässt. Sprachlich rekurrieren die Novellen immer wieder auf Ausdrucksweisen spezifisch katholischer Frömmigkeitssprache („das Bildnis Unserer Lieben Frau“,7 „mater gloriosa“,8 „Der Bischof [...] sprach das Absolvo und segnete sie.“9 etc.), und einfühlsam ist die Feier der Eucharistie und die Ergriffenheit angesichts der Wandlung geschildert. Als der türkische Herrscher Osman von seinem christlichen Gefangenen allmählich zur Bekehrung 3 Vgl. Kap. C.3.c.ii. 4 Münz 1951, 237. 5 Vgl. den Bf. vom 4.4.1955 an einen Kollegen, den belgischen Germanisten J.M.Goissen. 6 Vgl. dazu auch Schmidt, S. 1994, 46. 7 Münz 1951, 200. 8 Ebd., 201. 9 Ebd., 67. - E.5.a - 381 geführt wird, rückt die Novelle sprachlich unversehens in die Nähe der lehrhaften katholischen Gebrauchsliteratur: Der Sultan fragt „wie ein Kind, das zur ersten heiligen Kommunion gehen will [und] von seiner Mutter alles noch Unbegreifliche vor dem Gang zum Tisch des Herrn erklärt haben möchte [...]“.10 In der Sprache verdichtet sich hier - entsprechende konfessionelle Prägung und Disposition vorausgesetzt11 - das Lesen zum Frömmigkeitsakt, und zugleich geht die Erzählerfunktion un- merklich in die Auktorfunktion über: Über seine Sprache weist sich der Auktor als Katholik aus und spricht Erfahrungsmuster an, die ihm und seinen Lesern gemeinsam vertraut sind. Die Thematik der Novellen lässt vermuten, dass sie sich nicht nur an Jugendliche, sondern auch an Erwachsene richteten; das geht auch aus Münz’ Korrespondenz hervor. Die Novellen zeigten aber bereits die Ambivalenz, die auch später für die Romane kennzeichnend war: Ein praktizie- render Katholik konnte seine konfessionell geprägten Erfahrungs- und Erklärungsmuster in den Novellen wiederfinden, allerdings in einer Zurichtung, die für gebildete Katholiken möglicher- weise zu ostentativ katechetisch war. Obwohl also die Novellen sowohl thematisch als auch darstellungstechnisch prononciert katho- lisch waren und von dem laienapostolischen Anliegen ihres Autores zeugten, fielen sie der kirchlichen Vorzensur zum Opfer. Dieser diskret ablaufende Vorgang, dessen Entwicklung Münz gegenüber dem amtskirchlichen Apparat in keiner Weise beeinflussen konnte, erhellt plastisch die Art, wie die literarische Sündenthematik - eines der zentralen Themen damaliger katholischer Literaturkritik - im Alltag des katholischen Milieus gehandhabt wurde:12 Als die ersten Andruckexemplare des Novellenbandes vorlagen, beschwerte sich die Oberin der Kani- siusschwestern bei dem Verlagsleiter (A. Cottier) wegen anzüglicher Passagen. Stein des An- stoßes war die Ende des 16. Jahrhunderts spielende Novelle ‘Eine Kapuzinerpredigt’, in der Angélique Arnaud, die Äbtissin von Port Royal, den Bischof Franz von Sales um Unterstützung bittet, das Kloster zu Buße und Enthaltsamkeit zurückzuführen. Als inakzeptabel für einen ka- tholischen Verlag wurde insbesondere die plastische Schilderung einer Kapuzinerpredigt emp- funden, auch wenn diese in der Novelle selbst durch das energische Einschreiten der Äbtissin beendet wird: „-Ich verstand zu erst [sic] nicht, fuhr der Kapuziner fort, wie sich Adam schämen konnte ob seiner Nacktheit. Ich fühlte mich herrlich frei, denn alles gehörte mir, ich brauchte nur zu grei- fen und ich besaß, wovon ich in hundert Nächten geträumt: Liebe, Lust, Lachen, Leben, Licht! [...] Und hui! als die Jäger hinter mir her waren, die ganze Meute der verschimmelten Pfaffen, da gab’s ein Halli und Hallo, daß die Röcke flogen, ein ‘Hättst du mich, denn hast du mich’, hei! und manches Jungfräulein nahm mich da in ihren Schoß und manches Äbtißchen verbarg mich in ihrem Kleiderschrank [...]. Wären nur Menschen hinter einem her, denen könnte man tausend Schnippchen schlagen, die einem das Blut wieder auffrischen. Aber des Nachts, denkt euch, da kamen wieder die Träume, und die waren schlimmer als die früheren. Denn mir wurde enthüllt, 10 Ebd., 42. 11 Darauf, dass sich prononciert konfessionelle Literatur durch die jeweilige Frömmigkeitssprache voneinander unter- scheidet, hat im literaturtheologischen Diskurs lediglich Meidinger-Geise o.J. hingewiesen; allerdings betonte sie den genetischen Aspekt: „Diese Worte [...] stecken das Feld ab, in dem die Sprache des katholischen Dichters kei- men kann (es gibt natürlich auch im evangelischen // Bereich [...] solche deutlich aufbrechenden Kernworte des Evangeliums und des ‘Gemeinde-Wir’).“ (ebd., 13//14) 12 Die Vorgänge zeichne ich anhand des Briefwechsels aus dem Nachlass nach. - E.5.a - 382 was ich besessen, was mir versprochen und was ich nicht erkannt hatte: das Paradies! Düfte erfüllten meine Träume, vor denen die der weiblichen Körper und der süffigsten Weine verweh- ten; Klänge umspielten mein Ohr, vor denen das Gelächter und Gekose meiner Freundinnen stumpf war wie Granit.“13 Münz stimmte zu, das Buch dem Freiburger Ordinariat zur Begutachtung vorzulegen. Der dor- tige Generalvikar Wilhelm Burger verweigerte nachträglich die kirchliche Druckerlaubnis und verbot damit faktisch den Vertrieb des Novellenbandes in seiner Diözese. Vergeblich wandte sich Münz an den Freiburger Erzbischof Wendelin Rauch und verwies auf sein Bestreben, als katholischer Schriftsteller laienapostolisch zu wirken.14 In seinem Antwortbrief stellte ihm der Erzbischof frei, das Buch ohne die beanstandete Novelle herausbringen zu lassen, und begrün- dete das Verbot mit seiner Verantwortung für die ihm unterstellten Gläubigen: „Nach Lektüre der ‘Kapuzinerpredigt’ kann ich mich keinesfalls von der Auffassung befreien, daß dieser Stoff und die Art der Behandlung ungeeignet ist zur Bildung und Höherführung unse- res katholischen Volkes. Sollte der katholische Schriftsteller sich und die Leser nicht mehr am Positiven, statt am Negativen orientieren? Haben Sie nicht selber das Empfinden, dass durch die Schilderung dieses Ordensmannes die Neigung bestärkt wird, solche Zustände zu verallgemei- nern und auch auf unsere Zeit zu übertragen? Ich kann die wohlerw. Frau Oberin in ihrer Be- fürchtung verstehen, daß dieser Abschnitt Ihrer Novelle dem Ansehen des klösterlichen Lebens schaden müsse.“15 Dem Vorschlag, die bereits gedruckten Bände ohne die beanstandete Novelle neu drucken zu lassen, wollte wiederum der Verleger A. Cottier in Fribourg, dem Schweizer Hauptsitz des Kanisius-Verlages, nicht folgen. Er bot Münz schließlich an, die bereits gedruckten Exemplare der ersten Auflage einem anderen Verlag zu überlassen, wenn dieser die bisher entstandenen Kosten trage. Darauf ging Münz ein; einen Verlag, der den Novellenband erneut herausbringen wollte, fand er aber trotz verschiedener Bemühungen nicht.16 Exkurs: In der katholischen Literaturtheologie bis in die fünfziger Jahre hinein spielte das Thema der lite- rarisch gestalteten Sünde eine dominierende Rolle. Münz’ Kapuziner-Novelle bildet ein erhellen- des Beispiel dafür, wie diese literarische Problematik innerhalb des katholischen Milieus prak- tisch gehandhabt wurde. Möglicherweise hatte Münz den Aufsatz Elisabeth Langgässers vor Au- gen, die 1949, also zwei Jahre vor seinem Novellenband, über die Welthaltigkeit christlicher Li- teratur geschrieben hatte: „Wo die ‘Welt’ und ihre eindeutige Fixierung durch die Ausdrücke der Schrift als: Fleischeslust, Sinnenlust und Hoffart des Lebens ausgelassen, verdrängt und subli- miert sind, wird zwangsläufig auch die Gnade ausgelassen, die furchtbare Tiefe des Sündefalls [sic] - und das Wort von der ‘felix culpa’, der glückseligen Schuld, die eines solchen Erlösers gewürdigt wurde, ist sinnlos geworden, gewichtlos und ohne Berechtigung.“17 13 Münz 1951, 64f. 14 Bf. vom 22.9.1951. Vgl. dazu auch Münz’ Ausführungen in seinem Aufsatz „Dichtung als Apostolat“ (‘Deutsche Tagespost’ vom 5.11.1951), mit denen er - ohne allerdings das Beanstandungsverfahren öffentlich zu machen - indi- rekt seine Novelle rechtfertigte: „Wer zu den Zeitgenossen sprechen will, muß ihre Zunge besitzen, sonst wird er nicht verstanden.“ (dazu ausführlicher Kap. E.2.d) 15 Bf. vom 17.10.1951. 16 U.a. schrieb er an den Schwaben-Verlag, Stuttgart (8.1.1951) und an den Kösel-Verlag, München (11.3.1952). 17 Langgässer 1949a, 512. - E.5.a - 383 Generalvikar und Erzbischof hingegen argumentierten mit der Lehrhaftigkeit, die Münz durch seine Erzählperspektivik ja auch evoziert hatte, bloß dass beide die strukturelle Dimension des Textes außer Acht ließen und sich auf im Literalsinn anstößige Stellen konzentrierten. Zu dieser Lesart bot sich die Novelle allerdings auch an, wenn auch nur aus katholischer Sicht: Das Verfah- ren, eine Situation visionär mit allen Sinnen aufzunehmen und plastisch zu schildern, verweist auf die Tradition ignatianischer Frömmigkeitspraxis, nämlich das ‘Beten in Bildern’, also Imaginati- onsübungen, die der Warnung vor der Hölle und dem Lobpreis Gottes dienen.18 Bei Münz war die Imagination inhaltlich völlig anders gewendet, vor allem fehlten natürlich der kontemplative und der gemeinschaftsbildende Aspekt. Der Umstand aber, dass die Tradition der sinnlichen Imagination in der katholischen Meditationspraxis bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein lebendig geblieben ist,19 mag mit dazu beigetragen haben, dass es zu der Beanstandung der Novelle durch das Freiburger Generalvikariat kam. Der Misserfolg hielt Münz nicht davon ab, weiter Novellen zu schreiben. 1953 gelang es ihm, eine neue Sammlung von historischen Novellen im bischöflichen Pfeiler-Verlag in Rotten- burg/Neckar unterzubringen. Das Bändchen erschien im Herbst 1953 unter dem Titel ‘Die Nie- derlage. Gestalten der Geschichte’, und Münz verband mit ihm einen höheren Anspruch als früher.20 Als Motto stellte er den Novellen ein Satz des französischen Literaturkritikers Charles du Bos voran: „Die Größe des Lebens besteht darin, eine Niederlage zu sein.“ Auf diesen ge- meinsamen Aspekt der Novellen wies das Nachwort des Bandes hin, in dem Münz die ‘Geschichtsschau’, die er in den Novellen gestaltet habe, darlegte, erläuterte und begründete.21 Der französische Schriftsteller und Literaturkritiker Du Bos hatte nach dem Krieg eine breite Re- zeption im katholischen Bereich erfahren, vor allem, nachdem der Herder-Verlag 1949 sein Buch über Literatur in deutscher Übersetzung herausbrachte. Der ausdrückliche Bezug auf du Bos könnte ein Hinweis darauf sein, dass Münz mit seinen Novellen einen höheren Anspruch ver- band, als der Verlag mit seiner auf Jugendliche zielenden Aufmachung einlösen mochte.22 Mit der Widmung bezog sich Münz indirekt auch auf Karl Pfleger, der in einem Aufsatz in ‘Wort und Wahrheit’ von 1949 die Gattung des Sündenromans durch 2. Kor 12, 9 legitimiert gesehen hat- te.23 Allerdings verstand Pfleger unter dem zeitgenössischen Sündenroman nichts Narrativ- Klassizistisches, sondern eine Darstellungsform wie die von Graham Greene, deren evokative Kraft er äußerst plastisch beschrieb. Dass alle Novellen im Mittelalter spielten, gab dem Band größere thematische Geschlossenheit als dem ersten, und anders als dort waren jetzt Könige oder Adelige die Protagonisten. Die Handlung hingegen spielte oft im klösterlichen Rahmen. Damit war die katholische Aussage des ersten Novellenbandes nicht mehr - wie im ersten Novellenband - in die Entscheidung des einzelnen gestellt, sondern durch den situativen Kontext stärker konditioniert: Es ging also nicht um die Beurteilung von zeitgenössischem Handeln, sondern Münz stellte - wie schon in 18 Eine leicht greifbare Einführung in die ignatianischen Übungen bietet aus jesuistischer Perspektive Guillermou 1962/1993, 65-107. Die Bedeutung der Übungen für die poetische Praxis bei Friedrich Spee und Clemens Brentano erörtert Schmidt, S. 1994, 69ff. (dort auch weitere Literaturangaben). 19 9. Auflage der ‘Geistlichen Übungen’ Freiburg, Basel, Wien 1989. 20 Bf. vom 5.11.1953 an Dr. Strübel, dem Münz eine Novelle zur Veröffentlichung im ‘Deutschen Volksblatt’ (Stuttgart) anbot. 21 Dieses Nachwort war eine zusammenfassende Paraphrasierung seines ‘Tagespost’-Artikels „Der christliche Dichter vor der Geschichte“ (vgl. Kapitel E.2.d). 22 Der Schutzumschlag zeigt einen Ritter in voller Rüstung auf einem sich aufbäumenden Pferd. 23 ‘Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.’ Vgl. dazu auch Kap. C.1.a. - E.5.a - 384 seinen Dramen - die demütige Beschränkung als die wahre Aufgabe des Christen dar.24 Auch die Auktorfunktion trat in diesen neuen Novellen nicht mehr so stark in Erscheinung. Insgesamt war damit eine größere Distanz zum Leser gestaltet. Inhaltlich waren die neuen gegenüber den früheren Novellen ausgeweitet. Münz stellte die Hauptpersonen jetzt in ihrer inneren Entwick- lung dar. Das Verfahren der Kontrastierung behielt er im Wesentlichen bei, größeren Anteil nahm aber die Schilderung historischer Zusammenhänge ein, und die Dialogstruktur, die die früheren Novellen bestimmt hatte, war jetzt ergänzt durch längere epische Passagen. Insgesamt war die Textur verdichtet, setzte also einen geübteren Leser voraus. Der Novellenband verkaufte sich nur zögernd. Münz schrieb es der mangelnden Öffentlich- keitsarbeit des Verlegers zu, dass der Band von der katholischen Presse nicht zur Kenntnis ge- nommen worden sei.25 Aus Briefen dieser Zeit spricht auch die resignative Einsicht, dass der Pfeiler-Verlag als bischöflicher Verlag, zudem in einer kleinen Diözese, eine zu geringe Aus- strahlung in die katholische Welt habe und sich zudem nur an bestimmte Kreise richte.26 Einen Teil der Auflage verkaufte Münz bei Lesungen, auf denen er eigene Novellen vortrug.27 Auch sonst sorgte er im Wesentlichen selbst für die Verbreitung der Novellen. Einige davon erschie- nen als Fortsetzungsdrucke in der ‘Deutschen Tagespost’ und in verschiedenen Sonntagsblät- tern.28 Im Januar 1955 sandte Münz auf Empfehlung Edzard Schapers29 eine neue Novelle an den Otto-Walter-Verlag im schweizerischen Olten und schlug vor, eine Novellensammlung zu ver- 24 Die in den fünfziger Jahren geläufige Ikonographie des Mönchtums gegenüber der der ‘Weltgeistlichkeit’ zeigt die im damaligen Katholizismus lebendige Hochschätzung des Ordensstandes; dieser galt auch als „der kraftvollste und reinste Ausdruck des den Leib Christi durchpulsenden Höhenstrebens“ (Adam 1949, 244). Solche Wahrnehmungs- mechanismen reichten durchaus über den katholischen Bereich hinaus. Roland Barthes etwa schrieb über die Er- scheinung des Abbé Pierre: „Die bartlosen Geistlichen gelten als weltlicher, die Bärtigen als missionarischer [...] hinter dem Bart gehört man ein bißchen weniger zu seinem Bischof, zur Hierarchie, zur politischen Kirche, man scheint freier, ein wenig Franc-Tireur, in einem Wort: primitiver; und dabei genießt man ein wenig das Prestige der ersten Einsiedler, verfügt über die rauhe Offenheit der Gründer des Mönchtums, Bewahrer des Geistes gegen den Buchstaben.“ (Barthes 1957/1981, 31). 25 Vgl. den Brief an Jakob Kneip vom 3.3.1954. 26 Diese Formulierung gebrauchte Münz in einem Bf. vom 9.3.1954 an den Verleger Hugo Schnell, führte die damit verbundene Andeutung jedoch nicht näher aus, auch nicht in anderen Briefen. Äußerungen, mit denen Münz die Rezeptionsbedingungen im Bereich der katholischen Literatur aus der Sicht eines betroffenen Schriftstellers charak- terisiert hätte, sind in seiner Korrespondenz kaum zu finden - vielleicht sogar aus der Sorge heraus, sich mit bitteren Äußerungen allzu sehr zu isolieren. 27 Nähere Angaben, in welchem Umfang er Lesungen von eigenen Werken hielt, sind aus dem Nachlass nicht zu ermitteln. 28 Allerdings geht aus brieflichen Äußerungen von Münz hervor, dass er die Veröffentlichung in Sonntagsblättern als ‘Notlösung’ empfand, denn solche Publikationsorte erschienen ihm zu betulich. Die ‘Deutsche Tagespost’ veröffent- lichte eine Novelle („Aber da krähte kein Hahn“) im Juli und August 1954. 29 Die Adresse Schapers hatte Münz von Karl Borromäus Glock erhalten, dem Verleger seiner Frankreich- Länderkunde. In dem Brief an Schaper, in dem Münz sich und sein literarisches Schaffen vorstellte, hatte er ihn auch angeregt, an der ‘Deutschen Tagespost’ mitzuarbeiten und in Bad Mergentheim eine Lesung aus seinen Werken zu halten. In der Folgezeit entwickelte sich zu Schaper jedoch kein näherer Kontakt. - E.5.a - 385 öffentlichen.30 In seinem Antwortbrief wies der Lektor des Verlages, Karl Ledergerber, den Vorschlag nicht rundweg ab. Im Hinblick jedoch darauf, dass Novellensammlungen nur schwer abzusetzen seien, schlug er vor, zunächst einzelne Novellen in der Schweiz in Zeitschriften erscheinen zu lassen, um die Chancen für einen Sammelband zu erkunden.31 Darüber hinaus regte er Münz an, einen Roman zu schreiben; diese Gattung verspreche größeren Erfolg als Novellen. Im Sommer 1955 folgte Münz seiner Einladung in die Schweiz zu einem persönlichen Ge- spräch mit ihm und dem Direktor des Verlages, Josef Rast. Bei diesem Zusammentreffen wurde schließlich doch vereinbart, einen Band mit drei Novellen herauszubringen, dessen themati- scher Schwerpunkt das Ende des Zarenreiches und die Oktoberrevolution sein sollte. Ein Vertrag über den geplanten Novellenband wurde schließlich im Februar des folgenden Jah- res unterzeichnet, und Münz erhielt einen ersten Vorschuss auf das Honorar in Höhe von 800 Schweizer Franken. Bald jedoch kamen dem Verlag Bedenken, den Band in der ursprünglich vorgesehenen Form absetzen zu können. Dem Vorschlag, von den drei Novellen eine wegzulas- sen, stimmte Münz notgedrungen zu.32 Im April 1956 wurden ihm die ersten Fahnenabzüge zugesandt mit der Bitte um stilistische Überarbeitung und inhaltliche Straffung, der er nach- kam. In der Folgezeit verzögerte sich die Arbeit an dem Band weiter. Erneute Bedenken des Verlegers hinsichtlich stilistischer Details33 konnte Münz auch bei einem zweiten Besuch in Olten im Sommer 1956 nicht entkräften. In Erwartung des Romans, den Münz im September 1956 abgeschlossen hatte, stellte der Ver- lag den Novellenband zunächst zurück.34 Das Lektoratsgutachten, das von dem Roman im No- vember dieses Jahres erstellt wurde, ließ schließlich keinen Zweifel mehr daran, dass der Ver- lag das Novellen-Projekt nicht weiter verfolgen würde: „Im ganzen wirkt der Stil [des Romans] wesentlich geschlossener, richtiger und besonders auch klarer als in den Erzählungen.“35 Neben dem gleichzeitig ergangenen Vorschlag, den Roman umzuarbeiten, war von den Novel- len keine Rede mehr. Unter welchen Umständen es dann im Januar 1957 zum endgültigen 30 Am 9. Januar. 31 Angaben darüber, ob und in welchen Zeitschriften Münz’ Novellen in diesen Jahren veröffentlicht wurden, waren der Korrespondenz nicht zu entnehmen. 32 Bf. an den Verlag vom 22.3.1956. 33 Vgl. dessen Brief vom 9. 6.1956. 34 Das rechtliche Verhältnis zum Otto-Walter-Verlag konnte ich nicht klären; offensichtlich beging der Verlag, indem er den Novellenband nicht veröffentlichte, einen Vertragsbruch. Darauf würde auch hinweisen, dass er den Vor- schuss später nicht zurückforderte. 35 16.11.1956. - E.5.a - 386 Bruch mit dem Otto-Walter-Verlag kam, ließ sich nicht eruieren.36 Von den Novellen, die in der Folgezeit entstanden, wurde nur noch die ‘Frau in der roten Nacht’ veröffentlicht.37 36 Siehe dazu das folgende Kapitel. 37 Vgl. Kap. E.5.c. Die Novelle ‘Meine Annette in Meersburg’, die Maria Münz 1979 aus dem Nachlass herausgab, berührt nicht mehr die Fragestellung der vorliegenden Arbeit. - E.5.b - 387 b) ‘Der Drache siegte nicht’ Die Anregung des Lektors vom Otto-Walter-Verlag, Karl Ledergerber, einen Roman zu schrei- ben,1 nahm Münz zunächst nur zögernd auf. Bisher hatte er - in Briefen, in denen er von seinen literarischen Arbeiten schrieb - es abgewehrt, einen Roman zu schreiben; der subjektive Cha- rakter dieser Gattung widerspreche seinen Vorstellungen von christlicher Literatur.2 Die Auf- fassung, dass die eigentliche Form des christlichen Romans noch ausstünde, vertrat er auch in seinem Aufsatz „Liegt der Roman im Sterben?“, der am 26. Mai 1954 in der ‘Deutschen Ta- gespost’ erschienen war. Jedoch betrachtete Münz die Anregung des Lektors als eine Anerken- nung seiner Arbeiten.3 Sie ermutigte ihn, eine seiner Novellen, deren Thema - die Ermordung Rasputins am Hofe Zar Nikolaus’ II. - ihn über die Niederschrift hinaus gefesselt hatte, inhalt- lich auszuweiten, „in einem mehrstufigen Fresko das Ende des zaristischen Regimes darzustel- len“.4 Erneut machte sich Münz an das Studium von Quellenwerken, Memoiren, Monographien zur russischen Geschichte, zu russischen Landschaften etc..5 Im Herbst 1955 war er sich darüber im Klaren, wie die Fülle des Stoffes formal zu organisieren und dabei eine subjektive Kompo- nente völlig auszuschließen sei. Die Struktur des Romans, so schrieb er im September des Jah- res einem Freund, sei ihm „beim Studium der Fakten offenbart worden“.6 Sie entspreche seiner Überzeugung, dass die Menschheit im Beginn der Endzeit lebe. Jeder Einzelne sei deshalb ver- pflichtet, sich ständig Rechenschaft über sein Tun abzulegen und die Zeugenschaft für das be- vorstehende Jüngste Gericht vorzubereiten. (i) Inhalt und formale Anlage Der Roman ist in vier große Abschnitte gegliedert. Der erste war aus der ursprünglichen Novel- le hervorgegangen und behandelt - nun ausführlicher - die letzten Tage Rasputins und dessen Ermordung, die übrigen drei beschreiben das Schicksal der Zarenfamilie jeweils anhand der Stationen ihrer Haft, Zarskoje-Selo, Tobolsk und Jekaterinenburg. Dem Roman vorangestellt ist die direkte Anrede des Lesers durch einen personalen Erzähler. Er sei „während des zweiten 1 Vgl. voriges Kapitel. 2 Vgl. etwa den Brief vom 8.6.1954 an Karl August Götz vom Dreibrücken-Verlag (Heidelberg). Zu Götz vgl. auch Kap. E.4.c, Anm. 12. 3 Bf. vom 20.6.1955 an seinen Freund François Gspann. 4 Brief an den Otto-Walter-Verlag vom 16.6.1955. Aus dem Zusammenhang des Briefes wie auch aus anderen dies- bezüglichen Äußerungen Münz’ geht hervor, dass die Bezeichnung ‘Regime’ nicht pejorativ gemeint war. 5 Welcher Werke er sich im Einzelnen bediente, lässt sich den im Nachlass erhaltenen Unterlagen nicht entnehmen. 6 Bf. vom 17.9.1955 an François Gspann. - E.5.b - 388 großen Weltkrieges“ der Familie des Zaren in den Erzählungen der Russen begegnet und habe sich später an das Studium der entsprechenden Quellen begeben: „Aussagen und Urkunden widersprachen sich oft. Doch im unhörbaren Gespräch mit den für diese Welt Toten, in jahrelangem Umgang mit ihnen klärte sich mir ihr Leben. Ich wurde gleich- sam in einen Gerichtssaal versetzt, dessen Vorgeladene, die Angeklagten wie die Zeugen, auf die Ankunft des Richters, Christus, warten.“7 Sodann führt der Erzähler in die Darstellungsebene ein, er entwirft anschaulich die Szene des metaphysischen Gerichts, in dem nicht nur die aufgerufenen Zeugen einander hören können, sondern in das auch der Leser einbezogen wird: „Die Stühle für das Jüngste Gericht sind schon hereingetragen. Bänke werden aufgestellt, ein sonnengoldner Thron wartet in den Wolken der Ungewißheit wie ein Blitz. Die Namen der Zeu- gen werden seit Jahrhunderten verlesen; die der Angeklagten brauchen nicht laut zu werden, denn die Schuld führt sie an der Hand in den unendlichen Gerichtssaal. [...] Die Helfer Gottes eilen hinab und holen herauf und schicken zurück, empfangen Worte, Taten und Versagen der Menschen, bereiten die Gräber und die Erde für den, der das Gericht vollziehen wird. Auch sie wissen nicht wann, aber ihre Bedrängnis wächst wie die Glut der Wüstensonne vor der Mittags- wende. Sie wuchs vom Prozeß Jesu bis heute, und wird weiterwachsen, bis sich die Menschheit auf den Bänken der Anklage und den Stühlen der Zeugen zusammenfinden wird. Diese Be- drängnis, das fühlen die Boten, kommt nicht vom Richter, sondern von den Vorgeladenen. Sie können die Last ihrer Schuld und ihres Mitwissens nicht mehr ertragen. Sie müssen sie in die Ewigkeit abwerfen.“8 In der so entworfenen Szene ruft die Stimme Gottes die toten und die noch lebenden Personen, die an den Ereignissen beteiligt waren, als Zeugen auf. Damit setzt der eigentliche Roman ein, der aus aneinandergereihten Zeugenaussagen und aus Gebeten besteht. Die Erzählfunktion wird also durch die Zeugenaussagen übernommen; der eingangs vorkommende Erzähler erscheint nicht mehr. Mit der Adaption der Dokumentarliteratur, wie sie in den 1920er Jahren entwickelt worden war, entsprach Münz’ Roman einer zentralen Forderung von Carl Muth, sich nämlich die Mo- derne über ihre Techniken zu erschließen. Dies ging umso leichter, als sich die literarische Technik des Dokumentarischen und der Wahrheitsanspruch der katholischen Lehre in der Ab- kehr vom bürgerlichen Autonomiebegriff begegnen konnten. Bei Münz allerdings unter katholi- schen Vorzeichen: Angesichts der Heilswahrheit ist die Wirklichkeit des Geschichtlichen be- 7 Zitiert nach der 1958 erschienenen Buchausgabe, S. 6. Die Buchausgabe entspricht im Text weitestgehend dem ursprünglichen Typoskript, von dem im Text die Rede ist. 8 a.a.O., 15 (Hervorhebung von mir). Eine anschauliche Schilderung des damaligen Verständnisses von der dogma- tisch fixierten Stufenlehre der ‘ecclesia militans’, ‘ecclesia patiens’ und ‘ecclesia triumphans’ gibt Adam 1949, 119ff. Für das Heil der verstorbenen Seelen im Purgatorium, der sog. ‘ecclesia patiens’, sollen die lebenden Gläubi- gen durch Fürbittengebete gewissermaßen Verantwortung übernehmen: „Weil in die Nacht eingetreten, ‘da niemand mehr wirken kann’, vermag die leidende Kirche nicht aus eigener gnadendurchwirkter Kraft, sondern allein durch fremde Hilfe ihrer endlichen Beseligung entgegenzureifen - durch die fürbittenden Gebete und Opfer (Suffragien) jener lebendigen Glieder des Leibes Christi, welche noch auf Erden wandeln und deshalb fähig sind, im Blut Christi Genugtuungswerte zu prägen.“ (ebd., 146) Der literarischen Darstellung der Gerichtsszenerie mitsamt der eigentüm- lichen Passivität der jeweils aufgerufenen Figuren eignete also ein (impliziter) Appell, den ein katholischer Leser offensichtlich auch als solchen erkennen sollte. - E.5.b - 389 deutungslos; was sich ereignet, ereignet sich sub specie aeternitatis immer und zu jeder Zeit. Deshalb schieben sich in Münz’ Roman beständig die Zeitebenenen ineinander. In mehrfacher Hinsicht jedoch hielt Münz den Anspruch des Dokumentarischen nicht durch: Zum einen war eine traditionelle Vorstellung von Literatur nicht aufgegeben, da das angeblich Dokumentarische sich nicht literarisch manifestierte, sondern lediglich als Authentizitätsmar- kierung diente. Deutlich wird das vor allem in der bereits zitierten Vorrede des Erzählers, die die Darstellung biographisch zu legitimieren trachtet: „Ich bin der Familie des letzten Zaren während des zweiten großen Weltkrieges fast Tag um Tag begegnet: in den Herzen der Russen, in ihrer Erinnerung, im Gespräch mit Bauern, Beamten, Ärzten, Geistlichen. Der Zar, seine Gattin, die Kinder lebten noch; sie schienen mir unsterblich wie eine Sehnsucht, sie sprachen zu mir. [...] Nach dem Kriege sammelte ich nun das Gehörte und Erlebte, suchte nach Dokumenten über die letzten Monate der Zarenfamilie, veröffentlichte [sic] und unveröffentlichte [sic], besonders in Paris, wo ja heute noch viele Emigranten leben. Aussagen und Urkunden widersprachen sich oft. Doch im unhörbaren Gespräch mit den für die- se Welt Toten, im jahrelangen Umgang mit ihnen klärte sich mir ihr Leben.“9 Mit dem Personalpronomen der 1. Person tritt die für die katholische Milieuliteratur so kenn- zeichnende Auktorfunktion in Erscheinung:10 Beschrieben war genau der Weg des spirituellen Einfühlens (‘Sehnsucht’), auf dem Münz zu seinem Gegenstand gefunden hatte11 und den er auch beim Leser seines Romans voraussetzte. Zum anderen sind die Zeugenaussagen in sich literarisch gestaltet: Die Zeugen schmücken ihre Darstellungen mit Bildern, Vergleichen und Metaphern, und einige der Zeugenaussagen chan- gieren zwischen Personenrede und auktorialer Erzählperspektive, die die Zeugen in den Zu- sammenhang einer erzählerisch evozierten Situation stellt: „Zeuge Wladimir Iljitsch Uljanow! - Genosse Wladimir Iljitsch, wir vom zentralen Exekutivkomitee der Partei verstehen nicht, war- um du zögerst, endlich die Briefe des Oberst Romanow und der Deutschen herauszugeben. Den immer noch geheimen Anhängern des Zarensystems werden die Augen geöffnet ... Lenin brachte durch einen jäh aufblitzenden Blick unter seinen dichten Augenbrauen, die sich unter dem Zug der nackten Schädeldecke zu einem stumpfen Winkel brachen, sein Gegenüber zum Schweigen. - Mein lieber Jakob Mowchowitsch, hast du die Briefe überhaupt gelesen? Der Präsident des zentralen Exekutivkomittes wollte nicken, fühlte aber immer noch den Blick Lenins auf den großen ovalen Gläsern seines Zwickers liegen. Jakob Mow-// chowitsch rieb sich wie immer, wenn er verlegen war, mit beiden Handflächen über den pechschwarzen Bartkranz vom Kinn zu den Ohren hinauf und herunter, als wolle er sich Blut in die wachsblasse Haut rei- ben. [...]“12 9 Münz o.J. [1958], 6. 10 Dazu ausführlicher Kap. D.3.b.ii. 11 Soweit ich feststellen konnte, war Münz der russischen Sprache nicht mächtig. Dass er im Gespräch mit der russi- schen Bevölkerung gestanden habe, war wohl im übertragenen Sinne gemeint. 12 Ebd., 72. - E.5.b - 390 Besonderes Merkmal des Romans ist die Behandlung von Ort und Zeit, die durch die Abfolge von Zeugenaussagen rasch wechseln und jeweils aus den Aussagen zu entschlüsseln sind.13 Die wenigsten Aussagen der lebenden Zeugen sind zeitlich eindeutig zu fixieren; sie finden in einer nicht näher zu bestimmenden Gegenwart statt. Der Erzählstrang hingegen wird kaum je verlas- sen. Ein neu aufgetretener Zeuge greift die Schilderung dort auf, wo sie mit der letzten Aussage geendet hat. Eindeutig einem Zeitraum zuzurechnen sind die Aussagen des Generals Ludendorff und des rus- sischen Monarchisten Gutschkow, weil sie Hinweise auf Hitler enthalten. Diese kleidete Münz in eine Form, die auf einen gemeinsamen, im ‘3. Reich’ erworbenen Erfahrungshorizont anspielten und für das deutsche Lesepublikum der fünfziger Jahre eindeutig zu entschlüsseln war. So spricht Gutschkow von „dem Gefreiten“,14 dem man in Paris „noch nicht hörig“15 sei, und Ludendorff entschuldigt sich einem Sendboten des in Landsberg inhaftierten Hitlers gegenüber dafür, dass er nach dem versuchten Putsch nicht verurteilt worden sei, indem er das im ‘3. Reich’ geläufige Akronym ‘Pg.’ (sc. Parteigenosse) mit ‘Persönliches Glück’ übersetzt. Als Zeugen aus dem Jenseits berichten vor allem die Mitglieder der zaristischen Familie. Aus ihrer Sicht beschreiben sie die Demütigungen, denen sie durch die Wachmannschaften ausge- setzt waren, ihre Hoffnungen während der Zeit der Internierung und die Ergebenheit in ihr Schicksal, zu der sie schließlich gelangen. Als letzter Zeuge tritt der Apostel Johannes auf. Sei- ne Aussage beschließt den Roman: die Vision des Antichrist und sein erneutes Wüten nach den tausend Jahren. Die Abschnitte aus der Offenbarung sind hier als Dialog zwischen Gott und Johannes umformuliert. Die letzten Worte des Romans sind - angesichts des Geoffenbarten - der Ruf Johannes’ nach Erbarmen. 13 In der veröffentlichten Fassung des Romans ist eine Liste der Zeugen abgedruckt, die in der Art eines ‘dramatis personae’ kurze Informationen zu den Figuren enthält. Die Liste trägt die euphemisierende Überschrift: „Die Zeugen im Himmel und auf Erden“, setzt zu ihrem Verständnis jedoch einige historische oder religiöse Kenntnisse voraus, wenn etwa Kerenskij als „Regierungschef nach der Märzrevolution“, Lawr Kornilow als „General, zuletzt in der Befreiungsarmee“, Gutschkow als „konstitutioneller Monarchist“ oder Karenow als „Starost“ bezeichnet wird (alle Zitate Münz o.J. [1958], 534). 14 Ebd., 99. 15 Ebd.. Vgl. auch das Gespräch, in dem der „Pg. Ludendorff“ einem inquisitorisch auftretenden Sendboten Hitlers Rechenschaft über seine Unterstützung der Oktoberrevolution abgeben muss. Hitler ist in diesem Gespräch nicht namentlich, sondern nur indirekt genannt: „Ich war in Landsberg. Es geht ihm gut, ausgezeichnet. Er muß sich die Besucher vom Hals halten, sonst kann er sein Buch nicht zu Ende diktieren. Aber - er hätte eigentlich erwartet, sagte er zu mir, daß sein alter Freund Ludendorff ihn einmal besuche.“ - E.5.b - 391 (ii) Das Motiv der Gewissenserforschung Die lebenden Zeugen werden zumeist in alltäglichen Situationen von der sie aufrufenden Stim- me Gottes überrascht, die sie zwingt, sich mit der Erinnerung und mit unbewältigten Schuld- und Versagensgefühlen auseinanderzusetzen. Die Stimme Gottes richtet nicht, sie beschränkt sich darauf, die Zeugen aufzurufen und Fragen zu stellen, worauf die Betroffenen - auch dies ein Hinweis auf die von Münz angestrebte Wirkung von Literatur - häufig selbst zur Einsicht ihrer Fehler gelangen bzw. trotzig auf den Fehlern beharren. Je nach Glaubensfestigkeit schil- dern die Zeugen die Stimme Gottes als väterlich gütig oder bedrohlich, in ihrer Unerbittlichkeit mitunter auch peinigend. Einige der toten Zeugen erreicht der Ruf Gottes in der Hölle, so den Sohn Rasputins, der in den Wirren vor der Oktoberrevolution eine herausragende Rolle gespielt hatte: „ZEUGE BORIS NIKOLAJEWITSCH SOLOWJOW! - Ja, ja, ich höre deine verhaßte Stimme. Meinst du, ich wäre hier unten taub geworden? Laß mich in Ruh; du hast mich auf Erden genug gequält. Und hier, mein Gott, läßt du mich an mei- ner eigenen Trockenheit fressen und saugen. [...] zeig dich wenigstens einmal, du Geheimnisvol- ler! Wag dich über den Abgrund, beug dich herüber!“16 Auch der Wachkommandant, der die Erschießung der Zarenfamilie geleitet hatte, widersetzt sich trotzig der Stimme Gottes und gibt eine blasphemische Schilderung der Ereignisse, die lustvoll jede grauenvolle Einzelheit aufführt. Dagegen veranschaulicht folgender Abschnitt aus der Un- terhaltung zwischen einem ehemaligen zaristischen Diener und einer Pariser Prostituierten, dass Münz auch die Situation des gläubigen Katholiken in einer materialistisch orientierten, fast ag- gressiv verständnislosen Gesellschaft verdeutlichen wollte - ein Topos, den er bereits im ‘Klara’- Spiel ausführlich entwickelt hatte, hier wie dort sich einer idealisierten Umgangssprache17 bedie- nend: „‘Du bist komisch heute abend, Iwanowitsch. Was ist denn los?’ ‘Mir ist dauernd, als riefe einer meinen Namen: Iwanowitsch! Iwanowitsch!’ ‘Das war ich! Iwanowitsch, Iwanowitsch!’ ‘Ich kann deine Stimme gut von der ... von der anderen unterscheiden. Nein, das ...’ ‘Du hast wohl zu viel getrunken. Also, willst du oder willst du nicht?’ ‘Ich kann nicht. Es sind zu viele Tote hinter mir her.’ ‘Vertreib sie mit was Lebendigem. Da!’ Iwanowitsch preßte mit der Faust die Decke am Laken fest. ‘Ich war Diener des Zarewitsch, und da hab ich gelernt zu kommen, wenn man mich rief. Maria Alexandrowna, meine eigene Frau, konnte mich nicht zurückhalten. Und so was wie du kann es erst recht nicht. Entschuldige, aber ... ich schicke dir einen anderen, einen armen Kerl, der sich’s sonst nicht leisten kann. Wirst dei- nen Spaß haben. Und dein Geld.’ Er warf eine Banknote auf die Wölbung des Deckbetts. ‘Komm wieder, chéri, ja? Ich bin dir nicht bös.’“18 Gegenstand der Gerichtsverhandlung ist das Verhalten gegenüber dem Zaren und seiner Fami- lie. Deren Leidensweg wird in mehrfacher Weise als postfigurale Variante der ‘passio Christi’ 16 Ebd., 211/213. 17 Das die von Münz verwendete Umgangssprache in sich uneinheitlich war und letztlich auf klischeehafter Verkür- zung beruhte, zeigen folgende Sätze, die er den Arbeiter Jakimow sagen lässt: „Na, nun trink schon, oller Kumpan! Standen wir nicht jahrelang an einer Werkbank und schluckten wir nicht das gleiche Azetylen? Mensch, Anatolij Alexandro-// witsch! Ist das nicht ein toller Wodka? Oder - trinkst du lieber Absinth?’“ (ebd., 449//450) 18 Ebd., 9. - E.5.b - 392 dargestellt wird, teils in expliziten Vergleichen,19 teils in wörtlichen Zitaten aus der Passions- geschichte20 und teils in Andeutungen, die erst aus der religiösen Überlieferung zu entschlüs- seln sind.21 So sehr damit die Gefangenschaft der Zarenfamilie konnotativ aufgeladen ist, so bleibt die Kraft der biblischen Szenerie stets verwiesen auf die Empfänglichkeit des Betrach- ters, exemplarisch vorgeführt beispielsweise in der Figur des Wachsoldaten, der über den ge- fangenen Zaren sagt: „Ich sah ihn zum ersten Male. Er schien die Nacht nicht gut geschlafen zu haben. ‘Laßt das, Kinder!’, sagte er. Er meinte wohl die Generale. Wie er so vor mir stand, dachte ich: Den möchte ich nicht zum Papa haben, ich nicht. Der haut nicht drauf, der schaut einem in die Au- gen. Direkt unangenehm.“22 Das Motiv des Sich-Rechtfertigens vor einer unangreifbaren Instanz ist denn auch über die eigentliche Gerichtsverhandlung hinaus strukturprägend. Einige der lebenden Zeugen nämlich machen ihre Ausage in Situationen, in denen sie gezwungen sind, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es sind ein Untersuchungsgericht in Omsk, das den Tod der Zarenfamilie untersucht, und eine Reihe von Interviews, die ein Reporter mit dem ehemaligen Ministerpräsi- denten Kerenski im amerikanischen Exil führt. In ähnlicher Weise wird der „Parteigenosse Ludendorff“23 von einem inquisitorisch auftretenden Sendboten des in Landsberg inhaftierten Hitler in spöttisch-ironischem Tonfall dazu aufgefordert, Rechenschaft über seine Unterstüt- zung der Oktoberrevolution abzugeben. Der Sendbote Hitlers bleibt ungenannt und tritt auch nur einmal auf. Untersuchungsrichter und Reporter dagegen nehmen im Ensemble der lebenden Personen eine herausgehobene Funktion ein, da sie nicht direkt als Zeugen fungieren, sondern das Geschehen von einem irdischen Standpunkt aus bewerten. Der Richter erkennt im Lauf der Verhandlung, die er schließlich auf - nicht näher bezeichneten - politischen Druck abbrechen muss, die Vergeblichkeit, sich im Diesseits ein vollständiges Bild der Ereignisse zu machen, und verweist mehrfach auf das Jüngste Gericht, das die Ermittlungen fortsetzen werde.24 Der Reporter hält Kerenski menschliches Versagen vor: Dieser sei vor bol- schewistischen Truppen geflohen, ohne den Zaren zu warnen. Mit deutlichem Ausdruck der Ver- achtung verlässt er ihn, während Kerenski verzweifelt versucht, sich zu rechtfertigen. 19 So sagt die Zarin über ihren bluterkranken Sohn: „Warum vergaß ich, daß er bluten mußte, wie dein Sohn geblutet hat?“ (Ebd., 80) und an anderer Stelle: „Es erging mir ein bißchen wie dir, der du in deinem Sohn Mensch geworden bist, und wie es dir noch heute ergeht.“ (Ebd., 116) 20 In dem Bericht des Lakaien Sjednew: “Und der Zar sagte, und was er da sagte, schien mir zunächst keinen Zu- sammenhang mit dem Vorgefallenen zu haben: ‘Stecke dein Schwert in die Scheide ...’, aber plötzlich brach der Berg der Jahrtausende wie ein Kartenhaus zusammen, und dahinter stieg der Berg Golgatha mit den drei ungleich hohen Kreuzen in einen schwefelgelben Himmel. Ich nickte, und [der anmaßend auftretende Kommissar] Awdjew rückte vom Zaren ab. (Ebd., 421). Und Lenin spricht über den Zaren: „Ich finde keine Schuld an ihm; er mußte sterben, darüber sind wir uns einig, sterben für unsere Sache, aber er liebte Rußland; sogar uns, seine Gegner, so sehr, daß er uns vertraute. Er hätte sich retten können.“ (Ebd., 74) 21 Beispielsweise in den Sätzen der Zarentochter Olga: „Mein Gott, du tatest gut, uns noch ein paar gemeinsame Wochen auf jener Welt zu schenken, denn unsere Familie war noch nicht vollkommen.“ (Ebd., 430) 22 Ebd., 108. 23 Ebd., 381. 24 Vgl. dazu auch Ebd., 15. - E.5.b - 393 Durch die Anordnung der Zeugenberichte erreicht Münz eine durchgehende Dialogizität, die noch dadurch verstärkt wird, dass einige Zeugen nicht nur berichten, sondern auch auf Gottes Einwände - die ausgespart bleiben - reagieren. Damit transponierte Münz einen religiösen Sprachgebrauch ins Medium des Literarischen, was auch erklärt, warum er später nicht epische Abschnitte, sondern Gebete einzufügen bereit war.25 Aus der fast durchgängig eingehaltenen Perspektive von wörtlicher Rede in der 1. Person Singular resultiert allerdings nur dann eine appellative Struktur, wenn dem Leser sowohl die Situation des Sich-Rechtfertigens vor einer unnachsichtig strengen Instanz als auch der dort zugrundgelegte Bewertungskodex vertraut sind. Dass genau hierin das Problem für die Rezeption des Romans lag, zeigt sich in den Reak- tionen, die das Typoskript in verschiedenen Verlage hervorrief, bis es schließlich zur Veröf- fentlichung gelangte. (iii) Vom Typoskript zum Buch Im September 1956 schickte Münz das fertig getippte Typoskript an den Otto-Walter-Verlag. Von dort erhielt er zwei Monate später eine ausführlich begründete Absage, den Roman in der vorgelegten Form zu verlegen. Zwar räumte das Lektoratsgutachten ein, das Thema sei „gewichtig“.26 Bislang existiere noch keine umfassende Darstellung über die letzten Tage der Zarenfamilie. Auch seien Entwurf und Anlage „von überragender Großartigkeit“. Jedoch stellte das Gutachten folgende Mängel heraus: − Die über dreihundertfünfzig Seiten durchgehaltene Form der Zeugenaussage ermüde den Le- ser. − Viele der Fakten seien zu subjektiv dargestellt, „verzeichnet“. − Dem Redestil der auftretenden Personen ermangele es an sprachlicher Differenzierung. − Die Schilderung des Jenseits sei, „gemessen an dem Anspruch, den das Werk stellt, nicht ernst zu nehmen; eine Hölle mit den bekannten mittelalterlichen Attributen kann sich der moderne Leser schlechterdings nicht vorstellen.“ Auch wirkten die Dialogreden Gottes zu amtlich. Der Verlag bot Münz an, das Werk mit Bilddokumenten versehen herauszugeben, aber erst nach eingehender fachlicher Überarbeitung durch einen Slawisten. So könne die Form der durchgehenden Zeugenaussagen beibehalten werde. Allerdings dürfe dann beim Leser nicht die Annahme geweckt werden, er werde „erzählerisch unterhalten“, sondern im Untertitel müsse das Buch als geschichtlicher Bericht firmieren. In seinem Antwortschreiben gestand Münz ein, mit der Gattungsbezeichnung ‘Roman’ nicht glücklich zu sein.27 Er sei sich bewusst, „etwas Neues geschaffen zu haben, das allen bisheri- 25 S. das folgende Kapitel ‘Vom Typoskript zum Buch’. 26 16.11.1956. Auch die folgenden Zitate sind dem Gutachten entnommen. 27 Bf. vom 19.11.1956. Auch das folgende Zitat entstammt diesem Brief. - E.5.b - 394 gen literarischen Begriffen entgegensteht“. Er erklärte sich dazu bereit, das Typoskript mit einem Slawisten zu überarbeiten, verteidigte jedoch seinen Stil: „Die Dialogreden Gottes sollen amtlich wirken, da sie Gott in seinem Richteramt spricht. Wenn papierne Ausdrücke unterlaufen sind, so sind sie natürlich zu korrigieren.“ Seine Schilderung des Jenseits mochte Münz jedoch nicht ändern. Er verwies auf einen neuen Roman des Dichters Alfons Rosenberg, ‘Michael und der Drache’, von dem er Druckfahnen zugeschickt bekommen hatte. Dieser Roman bestätige ihm, dass die „mythischen und oft derb sinnlichen Vorstellungen der jenseitigen Wirklichkeit in vorchristli- chen Zeiten, im frühen Christentum und im Mittelalter von tieferem Wissen künden als moderne Versuche der Darstellung.“28 Ein Antwortbrief des Verlages liegt in der Korrespondenz nicht vor.29 Friedrich Schnack, dem Münz von dem Bruch mit dem Otto-Walter-Verlag schrieb, riet ihm, das Typoskript an den Kindler-Verlag zu schicken und sich auf ihn zu berufen. Münz folgte der Anregung. Nach ei- nem Zwischenbescheid kam von dort im März 1957 die Absage: der Roman passe nicht in das Verlagsprogramm.30 Im April 1957 sandte Münz das Typoskript an den Verleger Jakob Hegner in Lugano und gleichzeitig an den mit dem Hegner-Verlag zusammenhängenden Bachem-Verlag in Köln.31 Auch hier erhielt er Absagen.32 Hegner schrieb ihm eine kurze Stellungnahme: „Erlauben Sie mir eine aufrichtige Antwort. Ihr Werk ist literarisch ein genialisches Ungetüm. Vor lauter Wald sieht man keinen Baum mehr. Es gelingen Ihnen grossartige Scenen, das Ganze bleibt aber ein Chaos. Die Technik Ihrer ‘Bekenntnisse’ reicht vorzüglich für eine Kostbarkeit wie für Marcel Schwobs ‘Kinderkreuzzug’ und vielleicht etwas darüber hinaus, kurz, ich glaube nicht, dass Sie für diese grossartige aber verfehlte Arbeit werden Leser finden können. [...] Ich nehme an, dass Sie auch rein Erzählerisches in Ihrer Schublade haben. Vielleicht lässt sich mit diesem verlegerisch etwas anfangen. [...]“ Schließlich bot Münz das Typoskript dem Glock-und-Lutz-Verlag an, in dem 1953 seine Frank- reich-Länderkunde erschienen war.33 Der Verlagsdirektor Karl Borromäus Glock äußerte sich 28 Die Polemik gegen die Aufklärung hatte sich verschiedener Metaphern bedient, die im frühen neunzehnten Jahr- hundert noch aus dem ikonographischen Fundus der Bibel schöpften: der Drache aus der Apokalypse figurierte als Versinnbildlichung der Aufklärung. Vgl. dazu ausführlicher Schmidt, S. 1994, 19f. 29 Am 22. Januar 1957 schrieb Münz an Friedrich Schnack, er habe „nach langem Schweigen“ vom Otto-Walter- Verlag die „endgültige Absage“ erhalten. Ein derartiger Brief liegt jedoch in der entsprechenden Mappe eingegange- ner Briefe nicht vor. Vermutlich war es Münz gewesen, der die Verbindung abgebrochen hatte: vom 13. August des Jahres datiert ein Schreiben des Verlages, mit dem die Typoskripte an Münz zurückgingen - dieser habe „leider auf unseren letzten Brief nie geantwortet“. 30 Bf. des Kindler-Verlages vom 27.3.1957. 31 Am 8. April. 32 Briefe vom 26.4. und 3.5.1957. Das persönliche Schreiben Hegners datiert vom 21.4.1957. 33 Die folgende Darstellung greift auf die Korrespondenz zurück, die in Münz’ Nachlass vorliegt. Die noch überlie- ferten Archivbestände des Verlages, die im April 1986 in bescheidenem Umfang an die Universitätsbibliothek Eich- stätt übergeben wurden, enthalten keine Materialien über Münz’ Roman. Andere Archivalien aus Nachkriegszeit und fünfziger Jahren existierten nicht mehr, als der Verlag 1987 an Lothar Johannes (Sigmaringendorf) überging, der ihn Mitte der neunziger Jahre an Thomas Bleicher (Gerlingen) weiterverkaufte. (Lt. telefonischer Auskunft von Herrn Büchle, Universitätsbibliothek Eichstätt, 30.10.2000). Auch die Lebenserinnerungen des Verlegers (Glock 1975) geben über Münz’ Roman keinen näheren Aufschluss (vgl. ebd., 119). - E.5.b - 395 nicht ganz so ablehnend wie Hegner. Zwar schickte auch er das Typoskript zurück, bemängelte aber im wesentlichen Form und Umfang, die den Leser vermutlich ermüdeten. Von dem Stoff und dessen Darstellung seien dagegen sowohl er als auch seine Frau gepackt. Glock schlug vor, das Werk zu straffen und durch eingeschobene epische Abschnitte zu strukturieren.34 Diesen Vorschlag wies Münz in seinem Antwortbrief zurück: Für ihn seien epische Abschnitte „künstlerische Fiktion“,35 die Zeugenverhöre dagegen „Wirklichkeit“. Um die Darstellungs- form aufzulockern, könne er sich aber vorstellen, in die Abfolge der Zeugenaussagen Gebete einzufügen, die „im Jenseits empfangen“ werden. In einem persönlichen Gespräch mit Karl Borromäus Glock, das im Juli 1957 in Nürnberg stattfand, gelang es Münz dann, den Verleger von seiner Auffassung zu überzeugen. Glock entschloss sich, auf Kürzungen zu verzichten und den Roman in einer durch Gebete erweiterten Form herauszubringen. Der Roman erschien zur Frankfurter Buchmesse im September 1958. Der Schutzumschlag des über fünfhundertseitigen Buches spielte auf ein vordergründiges Leserinteresse an, indem es nicht Rasputin oder den Zaren, sondern die Zarentochter Anastasia hervorhob, die im Roman selbst keine besondere Rolle spielt:36 „Lebt Anastasia Romanow noch? So sicher, wie Rasputin, der Zar, seine Familie, Lenin, leben: in einer Welt, in der für uns unsichtbar das letzte Gericht durch Aufruf und Verhör der Zeugen vorbereitet wird. Himmel und Hölle sind mitten unter uns. Seit Dante hat kein Dichter mehr sol- chen Mut zu gestaltgewordener Offenbarung bewiesen. Ein erster Roman, aber ‘ein genialer Wurf’, wie einer der größten deutschen Verleger sagte.“ Trotz des geschickt gewählten Zeitpunkts und obwohl der Glock-und-Lutz-Verlag zu den gro- ßen renommierten katholischen Verlagen gehörte, verlief der Verkauf des Romans von Anfang an schleppend. Auch das Weihnachtsgeschäft 1958 änderte daran nichts. In den Feuilletons der größeren ‘liberalen’ Zeitungen fand der Roman nur geringe Beachtung.37 Als ihm der Verlag eine Mitteilung über die ersten Verkaufszahlen schickte,38 antwortete Münz: „Starkes Echo kommt von den Kirchenzeitungen - nur daß unser liebes katholisches Volk, das seinerseits ungenierter zugreift als die Liberalen, etwas vor dem Preis zurückschreckt.“39 Mit dem Gegensatz zwischen ‘katholischem Volk’ und ‘Liberalen’ war die Rezeptionssituation wohl richtig beschrieben. Zu seinem Leidwesen jedoch sah sich Münz auch in einer größeren katholischen Öffentlichkeit vom Verlag nicht richtig lanciert: Noch im Juni 1959 monierte er bei Karl Borromäus Glock, dass im ‘Hochland’ keine Rezension erschienen sei. 34 Bf. vom 18.5.1957. 35 Bf. vom 27.5.1957. Diesem Brief sind auch die folgenden Zitate entnommen. 36 Münz verwies in seiner Korrespondenz des öfteren auf die Frau, die sich als überlebende Tochter des letzten Zaren ausgab: Das Thema sei gerade aktuell, es würden darüber gerade Filme gedreht, es läge überhaupt „an der Luft“: „Es wäre leicht, aus der Sensation die Ewigkeitswerte bewußt werden zu lassen.“ (Brief vom 3.9.1956 an Josef Rast, den Direktor des Verlages). Offenbar drang er mit diesen Vorstellungen nicht durch. 37 Vgl. Münz’ Brief an den Verlag vom 19.11. 38 Vgl. die Postkarte des Verlags vom 4.12.1958. 39 Karte vom 11.12.1958 an Karl Borromäus Glock. - E.5.b - 396 Auch in der Folgezeit verkaufte sich der Roman schlecht. Karl Borromäus Glock war deshalb nicht bereit, den zweiten Roman, den Münz mittlerweile geschrieben und bei ihm eingereicht hatte, ebenfalls zu verlegen. - E.5.c - 397 c) ‘Die Pforten der Hölle’ (i) Inhalt und formale Anlage Als Thema seines zweiten Romans wählte Münz das Leben Jean-Baptiste Gobels, der als kon- stitutioneller Bischof von Paris zur Zeit der Französischen Revolution herausragender Vertreter der von Rom unabhängigen französischen Nationalkirche war.1 Der Inhalt des Romans ist im Folgenden kurz umrissen: Jean-Baptiste Gobel wird 1772 Suffragan für die französischen Gemeindes des Fürstbischofs von Basel. Damit scheint sein Aufstieg in der geistlichen Hierarchie zunächst abgeschlossen zu sein, denn nach dem Tod des Fürstbischofs bemüht sich Gobel vergeblich darum, dessen Nach- folge anzutreten. Seinem Ehrgeiz eröffnet sich ein neues Feld, als er 1798 als Abgeordneter des Fürstbistums Basel in der Nationalversammlung nach Paris geht. Bald beginnt er, sich an den Diskussionen zu beteiligen, und knüpft insgeheim Kontakte zum Jakobinerclub Robespierres. Bei Ausbruch der Revolution meint Gobel, zwischen revolutionärer Bewegung und der Amts- kirche vermitteln zu können, und als einziger Kleriker in der Nationalversammlung leistet er 1790 den Eid auf die republikanische Verfassung. 1791, als der Erzbischof von Paris vor der Revolution flieht, wählt der Konvent Gobel als seinen Nachfolger. Zunächst fühlt sich Gobel in dieser Stellung durchaus im Einklang mit der Amtskirche. Ohne kanonische Bestätigung jedoch verliert er die Anerkennung der romtreuen Geistlichen und Gläubigen, bis schließlich der Papst sein Handeln öffentlich als gotteslästerlich verurteilt. Der Konvent demgegenüber behandelt Gobel als einen Beamten des Staates und zwingt ihn, immer gröbere Übergriffe gegen kirchliche Güter zu sanktionieren. Nachdem er unter diesen Umstän- den das Bischofsamt zwei Jahre lang ausgeübt hat, schafft die Nationalversammlung per Be- schluss das Priestertum ab, und Gobel muss zurücktreten. Er erkennt seinen Irrtum und beginnt die im Untergrund arbeitenden romtreuen Geistlichen zu unterstützen. Daraufhin wird er gefan- gennommen und im April 1794 unter dem Vorwurf der Verschwörung gegen das Volk guillo- tiniert. Das von Münz gewählte Sujet der revolutionären Kirchenpolitik im Frankreich der 1790er Jahre war nicht nur eine Anspielung auf das Schicksal der katholischen Geistlichkeit im damaligen Ostblock,2 sondern blieb auch einer Tradition treu, das sich in der katholischen Milieuliteratur des frühen 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte.3 Im kollektiven katholischen Gedächtnis blieb die Revolution von 1789 bis weit ins 20. Jahrhundert als identitätsstiftendes Totalereignis leben- 1 Eine umfassende Studie über den historischen Gobel liegt nicht vor. Einige Hinweise gibt der Artikel ‘Gobel, Jean Baptiste’, im Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Bd. 4, S. 812f. (geschrieben von Stephan Skalweit). 2 Seinerzeit prominentestes Beispiel war Kardinal Joseph Mindszenty, der als Fürstprimas von Ungarn 1949 zu le- benslänglicher Haft verurteilt worden war und 1956, nach Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes, Asyl in der US- amerikanischen Botschaft in Budapest fand. 3 Vgl. dazu Schneider, B. 1998, 177f. - E.5.c - 398 dig, nicht nur in der katholischen Jugendliteratur,4 sondern auch im katholischen Höhendiskurs, etwa bei Hans Urs von Balthasar: Die christliche Angst habe „ihren geistigen Platz [...] in der Französischen Revolution, im Zusammenbruch der ganzen alten Weltordnung vor dem herauf- ziehenden Chaos der Freiheit, das als chaotische Offenheit und Allmöglichkeit, von der christli- chen Offenheit zu Gott aus, nur als die teuflische Kontrafaktur der Wahrheit gewertet werden kann.“ 5 Analog dazu die Einschätzung von Gisbert Kranz, die kleinere christliche Literatur der Aufklärungszeit habe trotz „ihrer etwas verengten Spiritualität“6 mit dazu beigetragen, „daß nach dem Chaos der Französischen Revolution die christ-//liche Literatur - Dichtung, Theologie und Philosophie - zu neuer Größe wieder auferstehen konnte“7 - die französische Revolution interpretiert also als die Signatur des Widernatürlichen, des Nicht-Vernunftgemäßen schlechthin: nicht ‘bancarotta’, sondern ‘tabula rasa’. Wie schon in Münz’ erstem Roman begründet ein Prolog eine anschauliche Szenerie, von der aus die Darstellung der Handlung erfolgt. Der gerade gestorbene Voltaire - im Jenseits trägt er wieder den Taufnamen François-Marie Arouet - wird vom Erzengel Michael8 mit der Aufgabe betraut, das Lebensbuch Gobels zu führen. In dieser Konstruktion ist poetologisch ein auktoria- ler Erzähler als solcher legitimiert; dem jenseitigen Berichterstatter Voltaire nämlich liegen sowohl das irdische Geschehen als auch die Gedanken der handelnden Personen in jedem Au- genblick offen. Ferner erscheinen - in der Sprache des Romans als ‘Protokollführer’ - neben Voltaire die Engel Eloah, Abdiel und Ithuriel, der Schutzengel Gobels, auf der anderen Seite Luzifer und sein Sendbote Asa-Sel, deren Berichte Voltaire in das ‘Lebensbuch’ aufnimmt. Mit zusätzlich eingefügten irdischen Dokumenten erhält der Roman die Form einer Chronik. Er folgt in seiner Aufteilung in fünf Bände der Fiktionalisierung als ‘Lebensbuch’, dessen Sei- ten nach und nach gefüllt werden. Der Inhalt des ersten Bandes, in dem in zusammengeraffter Darstellung das Leben Gobels bis zum Todesjahr Voltaires, 1778, dargestellt ist, wird dem Leser durch den inneren Monolog des lesenden Voltaire mitgeteilt. Infolge der gewählten Darstellungsweise kommt der Roman fast ohne eine übergeordnete Er- zählinstanz aus. Lediglich zum Ende des Prologs und in der Mitte des ersten Bandes ist eine neue Erzählebene eingefügt; ein auktorialer Erzähler berichtet von Voltaire, der die jenseitige Welt betrachtet bzw., nachdem er das Lebensbuch gelesen hat, selbst die Darstellung über- nimmt. 4 In Kap. D.5.b.i. gehe ich ausführlicher auf den katholischen Longseller ‘Die Herrgottsschanze’ von Wilhelm Hü- nermann ein. Bei Hünermann war das von Münz ausführlich entwickelte Sujet durch die Vermutung angedeutet, dass die von Rom abgefallenen Christen vermutlich unglücklich seien: „Der Unglücklichsten einer ist ohne Zweifel Jo- hann Baptist Gobel, den die Rebellen zum Erzbischof von // Paris erhoben.“ (Hünermann 1950, 55//56) Gobel spielt in Hünermanns Roman dann keine Rolle mehr. Münz selbst hatte im Oktober 1953 eine Novelle über Gobel beendet (‘Aber da krähte kein Hahn’; 43 Schreibmaschinenseiten), die aber nicht veröffentlicht wurde. 5 Balthasar 1953/1976, 64. 6 Kranz 1978, 71. 7 Ebd., 71//72. Aus dem Kontext geht hervor, dass damit die europäische Literatur gemeint ist. 8 Der Erzengel Michael wird in der katholischen Bildertradition als Bezwinger des Drachens der Apokalypse darge- stellt, und dort (Offb 12, 9) ist der Widersacher Gottes näher bezeichnet als „der große Drachen, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt“ - im Roman von Münz ist also der ‘Drachen der Aufklä- rung’ gemeint. Vgl. zu diesem Motiv die Ausführungen bei Schmidt, S. 1994, 19ff. und 126. - E.5.c - 399 Als Protokollführer sind Engel und Teufel in der irdischen Handlung unmittelbar präsent, in- dem sie die Gedanken der Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen suchen. Ein direktes Ein- wirken in deren Entscheidungen ist ihnen versagt, allein der Aufruhr der Volksmassen ist von Luzifer hervorgerufen und gesteuert.9 (ii) Kommentierungsebenen Im Roman führen die himmlischen und teuflischen Kräfte den Kampf um die Seelen der han- delnden Personen. Sie kommentieren jeweils in den Protokollen ihr Wirken sowie das der geg- nerischen Seite. Diese Art der Kommentierung nimmt eine Interpretation durch den Leser vor- aus, indem sie ihm deutlich macht, in welcher Situation die Personen Entscheidungen treffen und wo sie sich anders hätten entscheiden können. Auch Voltaire kommentiert in dieser Art. Als eine entfesselte Menschenmenge in den Palast eindringt, berichtet er von dem Verhalten des Königs: „Der König von Frankreich hat den Bischof von Paris beschämt. Gewiß, Ludwig hat sich gede- mütigt, aber er gab der Forderung der Masse nicht nach. Vielleicht bedeutet das seinen Tod. Aber ich fürchte nicht um ihn, wenn er im Widerstand gegen das Chaos stirbt.“10 Das Verhalten Gobels erscheint von zwei Charakterzügen bestimmt: der Unfähigkeit, einen festen Standpunkt zu beziehen, und dem Ehrgeiz, der ihm eingibt, als Einzelner die katholische Kirche in Frankreich vor der Revolution bewahren zu können. Beide Charakterzüge werden in gleicher Weise auf einer anderen, dem Leser nur mittelbar zu erschließenden Ebene, gleichwohl ebenso eindeutig, kommentiert: Gobel gelingt es nicht, sich bei den Gläubigen Achtung zu ver- schaffen, da er als Bischof von Paris keine kanonische Bestätigung erhalten hat. Die Instanz, an der Gobels Verhalten gemessen wird, ist die Autorität der Amtskirche. Ausnahmslos sind ihre Vertreter, soweit sie romtreu geblieben sind, Gobel gegenüber von einer kühlen Gemessenheit, die sich in ihrer Sprache spiegelt. Demgegenüber wird das Verhalten Gobels immer unsicherer, was sich wiederum auch erzählerisch niederschlägt. Als Beispiel für die sprachliche Gestaltung einer derartigen Situation sei die Stelle zitiert, in der Gobel und sein Vikar Priqueler in einem Nonnenkloster um Verständnis für ihren Standpunkt werben. Dargestellt ist die Szene in einem Bericht Voltaires: „Die Äbtissin faltete das Zeitungsblatt, steckte es in die Außentasche des Habits zurück und er- hob sich so rasch, daß die Kerzenflammen hin- und herflatterten. Zögernd stand auch der Bi- schof [Gobel] auf, [sein Vikar] Priqueler drückte sich mit beiden Armen aus dem Sessel hoch. ‘Exzellenz, das wäre alles. Pater Barruel hat für mich gesprochen, Chaumette für Sie. Da ist kein Verstehen möglich, eine Anerkennung ist ausgeschlossen. - Interessant, sehr interessant! sagte Priqueler und legte den Kopf auf die linke Schulter; verehr- te Äbtissin, Ihr Widerstand wird sinnlos, wenn Ihr Konvent den bürgerlichen Eid geschworen hat. Denn davon wird jetzt die weitere Existenz Ihres Konvents abhängen. Entweder anerkennen 9 Münz 1960, 138. 10 Ebd., 467. - E.5.c - 400 Sie sofort Bischof Gobel als rechtmäßigen Metropoliten von Paris oder Sie werden sich gezwun- gen sehen ... - Erpressung, Abbé Sowieso? Verlassen Sie sofort mit diesem Herrn [sc. Gobel] unser Kloster! Wir verbieten [sic] uns jeglichen weiteren Besuch, jeden Versuch ... - Madame, ich bitte um Entschuldigung, wenn mein Vikar...stammelte Gobel und wich aus dem Lichtkreis zurück an die Wand. - Ich danke für die unklugen Worte Ihres Vikars, denn nun sind wir vorbereitet. Bitte! Schwester Marguerite, Schwester Constance! Geleiten Sie die Herren hinaus!’ Stumm ließen sie sich durch die langen, hallenden Gänge, an den geschlossenen Türen vorbei ins Freie führen. Geduckt unter dem strömenden Regen eilten sie wie Gehetzte, wie Ausgestoße- ne über die glatten, kugeligen Pflastersteine des Hofes hinweg zur Kutsche.“11 Da die Äbtissin den angemaßten Bischof (‘diesen Herrn’) nicht als solchen anerkennt, stellt sie gewissermaßen die Kollektivpersönlichkeit des romtreuen ‘corpus catholicorum’ dar, das - ganz wie die römische Amtskirche - die Bischofsweihe nur dann anerkennt, wenn sie kanonisch rechtmäßig ist. Eine weitere Ebene der Kommentierung bezieht sich auf die Bewertung der Revolution und der Ereignisse, die zu ihr geführt haben. Diese Bewertung durch die himmlischen und teuflischen ‘Protokollführer’ erfolgt von einem jeweils festen Standpunkt aus und lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, vollzieht sich jedoch vielfach in Anspielungen auf einzelne Begriffe oder Jahreszahlen, deren Kenntnis beim Leser stillschweigend vorausgesetzt wird. Beispiels- weise erfährt Voltaire vom Erzengel Michael, Luzifer habe „1648 gute Arbeit“ geleistet: „[...] keiner weiß besser als er, wie politische Zerstückelung und Unsicherheit Aussaat und Wachsen des göttlichen Wortes erschweren.“12 Die Eindeutigkeit dieser Anspielungen gerät bisweilen zu einer überhöhten Bildhaftigkeit. Im Gebet der Mystikerin Marguerite-Marie Alacoque heißt es: „Damals in Paray-le-Monial ließest du mich, Herr, in das künftige Geschick der Menschheit blicken, in Bilder des Grauens, die ich der Welt verschwieg. Ich sah eine Kette, die spannte sich von Wittenberg über Paris nach Moskau; und daran hingen blutende Herzen.“13 Münz stattet seine Romanfigur hier mit dem Attribut des ‘blutenden Herzens’ aus,14 das in zwei- facher Weise ihre historische Bedeutung unterstreicht: Auf die Visionen der Mystikerin Marie- Marguerite Alacoque (um 1674) ist die allgemeine Herz-Jesu-Verehrung im Katholizismus zu- rückzuführen.15 Die Verwendung des Bildes im Roman beteuert also die Aktualität von Alaco- ques Visionen für die Gegenwart des Romans und damit für die Gegenwart des Lesers.16 Zu- gleich rekurriert das Bild auf Diskussionen im europäischen Katholizismus des 19. und noch des 11 Ebd., 322. 12 Ebd., 11. 13 Ebd., 529. 14 Ein in ähnlicher Weise metonymisch verkürztes Bild enthält die Streitschrift ‘Athanasius’ von Joseph Görres, einer der zentralen Marksteine im katholischen Diskurs des 19. Jahrhunderts: „Ihr habt jetzt, ohne ihn [sc. Gott] zu ken- nen, sein würdig ernstes Angesicht geschaut; sorgt, daß ihr es nicht einmal im Zorne seht. Alle die damal [sic] von vorne ihm in’s zürnende Auge geblickt, als ihr, in Sicherheit geborgen, hinter ihm hergezogen, sind Kinder des To- des worden; ihre Gebeine liegen zu beiden Seiten der Leichenstraße verscharrt, die sich von der Moscowa bis zur Seine hinüberzieht.“ (Görres-Ausgabe 1998, 119) Mit der Leichenstraße ist der Rückzugsweg von Napoleons Russlandkrieg (1812/1813) gemeint. 15 Die Tradition der Herz-Jesu-Symbolik reicht bis in die mittelalterliche Mystik zurück.Vgl. dazu Lurker 1990, 163ff. 16 Auf die Symbolik der blutenden Herzen nahm die weiter unten erwähnte Rezension in der ‘Frankfurter Allgemei- nen Zeitung’ Bezug, ohne allerdings die Verbindung mit der katholischen Herz-Jesu-Verehrung herzustellen. - E.5.c - 401 20. Jahrhunderts, die Reformation als Vorläuferin bzw. als kausale Ursache der Französischen Revolution zu betrachten.17 Zu der Kommentierungsebene, die auf Anspielungen beruht, gehören auch die Reflexionen Voltaires über sein Werk, über nachträgliche Versuche, seine Bekehrung auf dem Totenbett anzuzweifeln, und über die Entwicklung des 18. Jahrhunderts bis zur Revolution. (iii) Vom Typoskript zum Buch Die Arbeiten an dem Roman zogen sich über zwei Jahre hin.18 Im Frühjahr 1958 sandte Münz das fertige Typoskript an den Glock-und-Lutz-Verlag. Dieser ließ es zunächst liegen, um den Verkaufserfolg des ersten Romans abzuwarten. Als Münz schließlich auf eine Entscheidung drängte, stellte es ihm der Verleger frei, das Typoskript auch anderen Verlagen anzubieten.19 Von der Deutschen Verlagsanstalt wurde der Roman abgelehnt, weil er nicht in das Verlags- programm passe. Der Lektor verwies zwar auf die anderen christlichen Autoren, die der Verlag betreue,20 Münz’ Roman jedoch habe in einem „ausgesprochen katholischen“21 Verlag größere Erfolgschancen. Münz wandte sich daraufhin an den Josef-Knecht-Verlag. Dort erklärten sich der Verleger Josef Knecht und der Lektor Heinrich Scharp bereit, den Ro- man zu verlegen, erhoben jedoch Bedenken wegen des Umfangs. Nachdem Münz den Roman um etwa dreißig Seiten gekürzt hatte, entschlossen sich Scharp und Knecht, ein verlegerisches Risiko einzugehen und den Roman ohne weitere Kürzungen zu veröffentlichen.22 Als Werner Bergengruen im April 1960 zu einer Lesung nach Bad Mergentheim kam, konnte ihn Münz dafür gewinnen, eine Einführung zu schreiben, um den Start des Romans in der Öf- fentlichkeit zu erleichtern. Diese kurze ‘Rezension’ leitete Münz im Mai 1960 dem Verlag zu. Bergengruen betonte darin die eigenwillige Erzähltechnik, die konsequent durchgehalten wer- de, und die Fülle der Gestalten, Gedanken und prägnanten Szenen, die aus diesem „Kolossalgemälde einer Zeit“ nicht „staubige Historie“ werden ließen. Auch verwies er auf den Gleichnischarakter des dargestellten Geschehens, der an den Mitläufertypus im National- sozialismus erinnere, und auf die letztlich versöhnende Botschaft des Romans, dass nämlich der 17 Dazu ausführlicher Schneider, B. 1998, 353-376. 18 Eine erste Ankündigung des Projekts findet sich in einem Brief vom 7.11.1956 an Dr. Josef Rast vom Otto-Walter- Verlag. Münz hatte zu dieser Zeit einen einwöchigen Studienaufenthalt in Paris hinter sich. 19 Karte vom 15.4.1959. 20 Ina Seidel und Jochen Klepper. 21 Bf. vom 19.6.1959. 22 Bf. vom 9.12.1959. In einer Aktennotiz vom 25.10.1959 (Verlagsarchiv Josef-Knecht-Verlag) vermerkte der Lek- tor, mit Münz vereinbarte Kürzungen beträfen u.a. die Bekehrung Voltaires und die „Gesamtbeurteilung“ der fran- zösischen Revolution. Da der Roman in seiner schließlich veröffentlichten Fassung jedoch über beide Punkte keinen Zweifel lässt und da das ursprüngliche Typoskript im Nachlass nicht mehr vorliegt, war nicht festzustellen, was im Einzelnen von der Kürzung betroffen war. - E.5.c - 402 Mensch bei aller „Schwäche, Angefochtenheit und Verstrickung“ in seinem Gewissen einen festen Orientierungspunkt besitze.23 Im August 1960 erschien der Roman mit einem Umfang von 679 Seiten. Als Klappentext des Schutzumschlages war die Stellungnahme Bergengruens vollständig abgedruckt. Auf einem Einlegeblättchen wurden die wichtigsten Personen und die Protokollführer der Hölle und des Himmels aufgeführt.24 Der Verkauf des Romans blieb hinter den Erwartungen des Verlages zurück.25 Im Februar 1961 schrieb der Verleger Josef Knecht von der „Mühe, das Buch weiter zu verkaufen, und zwar im ordentlichen Verkauf.“26 Ende 1962, als die Verwertungszeit für den Buchhandel abgelaufen war, überließ der Verlag das nicht verkaufte Viertel der ersten Auflage der Herder- Buchgemeinde. Von einer zweiten Auflage sah er ab. Was den Verleger bewogen hatte, den Roman anzunehmen, geht aus Aktennotizen im Archiv des Josef-Knecht-Verlages hervor. Er schätzte Münz als „starkes erzählerisches Talent“ ein, das „packend“ zu schreiben verstehe. Den mangelnden Erfolg führten er und der Lektor auf die Darstellungsweise zurück, die die Handlung gleichzeitig auf der himmlischen und irdischen Ebene spielen lasse und im häufigen Wechsel dem Leser das Verständnis erschwere.27 In Rezensionen fand der Roman eine gemischte Aufnahme. Vilma Sturm in der ‘Frankfurter Allgemeinen Zeitung’, die hier stellvertretend für die Rezensionen der von Münz als „liberal“28 eingeschätzten Presse angeführt ist, bemängelte die krasse Bildhaftigkeit, die sprachliche Gestaltung, die dem angestrebten Format nicht gerecht werde, und die einseitige Geschichtsdeutung, die sich im Roman manifestiere.29 Eine wohlwollendere Beurteilung erfuhr 23 Die Stellungnahme Bergengruens ist zitiert nach dem Klappentext der Buchausgabe. 24 Von wem der Titel des Buches (‘Die Pforten der Hölle’) stammte, ließ sich nicht eruieren. Er weist unmissver- ständlich auf das zentrale Thema des Romans, nämlich die Legitimität der von Christus eingesetzten Institution Kir- che. So heißt es in Mt 16, 18: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; [...] Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ (dazu aus zeitgenössischer protestantisch-kontroverstheologischer Sicht Cleve 1958/1962, 29ff.) Einen ähnlichen Titel trägt Béla Justs Roman ‘An den Pforten der Hölle’ (frz. Originaltitel: ‘Allegro barbaro’), Düsseldorf: Bastion-Verlag, 1951, die ‘passio’ eines unpolitischen Jesuitenpaters im Ungarn des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit. Herrn Kohl (Deutsche Bischofskonferenz, Bonn) danke ich für folgende Anekdote: In seiner Schulzeit zum Ende der fünfziger Jahre pflegte der (katholische) Religionslehrer seine Stunden mit den markigen Worten ‘Et portae inferi non praevalebunt - Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden’ einzuleiten. 25 Vgl. den Brief des Verlegers vom 21.12.1960. Münz’ Honorarabrechnungen zufolge waren bis Ende 1960, also inklusive des Weihnachtsgeschäftes, von der ersten Auflage von 5.500 Exemplaren erst 2.297 an die Sortiments- buchhändler abgesetzt, dazu kamen 200 unentgeltlich verteilte Leseexemplare und 685 Rezensionsexemplare. 26 Bf. vom 1.2.1961. 27 Bf. an Münz vom 22.9.1961. 28 Bf. vom 13.7.1961 an Josef Knecht. 29 Vilma Sturm: “Gobel, der Mitläufer und Bischof“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.12.1960. Fünf Jahre zuvor hatte Sturm eine erbauliche Kurzgeschichte zur Geschichtensammlung Ottilie Moßhamers beigesteuert (Geschichten 1955, 60f.). - E.5.c - 403 der Roman in den Besprechungen, die in Fachblättern für die konfessionelle Bibliotheksarbeit erschienen. Sie stellten das Exemplarische im Leben Gobels heraus und empfahlen durchweg das Buch für „Jugend- und Pfarrbibliotheken“,30 wenn auch mit dem Hinweis, dass die Fülle des historischen Materials und die Darstellungsweise dem weniger gebildeten Leser das Ver- ständnis nicht leicht mache.31 Der ‘Evangelische Buchberater’, ein Fachblatt für die evangeli- schen Gemeindebüchereien, sah in der Figur des Bischofs Gobel den „Menschen schlechthin [...] in seiner armseligen Menschlichkeit“. Er empfahl den Roman, „auch wenn es - natürlich! - ein Buch aus dem katholischen Raum ist.“32 In anderen Zeitungen wurde das Vorbildhafte stärker auf kirchliche Bezüge ausgerichtet. So schrieb der ‘Wiesbadener Kurier’ von dem Engagement, das dem Roman anzumerken sei. Bei manchmal überzogenem Pathos handele es sich doch um ein Buch, das „die Müden gleichsam mit Posaunenstößen wecken und die Verzagten mit entschlosse- nem Glaubenseifer wieder zu einer ecclesia militans vereinen möchte“.33 Den Verweis auf die Aktualität leisteten mehrere katholische Zeitungen, wobei sie jedoch offen ließen, ob mit der „Macht der Gottlosigkeit“, die „über Gotteshäuser, Priester und Seelen herniederfällt“,34 das Dritte Reich oder die Gegenwart gemeint seien.35 Eindeutiger formulierte die katholische ‘Herder-Korrespondenz’, die die im Roman dargestellte Lebensordnung auch auf die „Bedrohung christlicher Lebensordnung in der heutigen Welt“36 bezog. Die Kirche sei dann in Gefahr, wenn gesellschaftliche Gemeinschaft nicht mehr durch göttliches Ord- nungsprinzip, sondern durch menschliche Werte wie das Mehrheits- oder das Vernunftsprinzip begründet werden solle: „Die Bedrohung christlicher Lebensordnung und Weltvorstellung in unserer Zeit fordert dazu heraus, in der Geschichte nach Vergleichbarem zu suchen, zu erforschen, wo und in welcher Gestalt das Satanische in das menschliche Leben einbrechen und geschichtswirksam werden kann und welche Rolle ihm im göttlichen Heilsplan zufällt.“ 37 30 Alfred Doppler (Rez.): „Die Pforten der Hölle“. In: Die Zeit im Buch, Nov./Dez. 1960, S. 7. In den ‘Buchprofilen’, dem Rezensionsorgan des St. Michaelsbundes, war das Buch „angelegentlichst empfohlen“, allerdings nur für größe- re Büchereien und für „besser geschulte Leser“ (Heft 4, 1961, S. 2611). 31 N.N. (Rez.): „Die Pforten der Hölle“. In: Das Neue Buch, N.F., Jg. 6 (1960), Nr. 2, S. 23: „[...] anspruchsvoller Roman [...], der sich allerdings so schwer lesen läßt, daß er nur für reife, gebildete Leser in Frage kommt.“ 32 Januar/April 1961, S. 47. 33 Nr. 299 vom 22.12.1960. 34 N.N. (Rez.): „Die Pforten der Hölle“. In: Die Allgemeine Sonntagszeitung (Würzburg) vom 27.11.1960. 35 Auch Münz scheint diesen Zusammenhang hergestellt zu haben, wenn er in seinem Frankreich-Buch das Schicksal gerade der deportierten Priester in den französischen Revolutionswirren durch eine Ellipse hervorhebt: „Der erzwun- gene Staatseid der Priester veranlaßte viele zu emigrieren: 10.000 flüchteten nach England, 6.000 in die Schweiz, 8.000 nach Spanien, 6.000 nach Italien, hunderte nach Deutschland; 141 Priester wurden in Nantes ertränkt, 14 in Laval hingerichtet, 860 deportiert ...; eine zweite Verfolgungswelle brachte der Staatsstreich vom 4.9.1797; wieder mußten Priester auf die Guillotine steigen, 1657 Widerspenstige wurden deportiert, zumeist nach Cayenne.“ (Münz 1964, 406) 36 Die Welt der Bücher: Literarische Beihefte zur Herder-Korrespondenz, 2. Folge (1960), H. 4, S. 222. 37 Ebd. - E.5.c - 404 An den Rezensionen zeigt sich, dass Münz mit seinem Roman durchaus den Vorstellungen damaliger konfessioneller Literaturkritik entsprach, dass aber diese Literaturkritik, die die Ar- beit der kirchlichen Bibliothekare unterstützen sollte,38 sich nur geringfügig auf die Marktchan- cen neuer christlicher Autoren auswirkte. (iv) ‘Die Frau in der roten Nacht’ Um den Verkaufserfolg des Romans ‘Die Pforten der Hölle’ zu fördern, legte der Josef-Knecht- Verlag 1961 eine der Novellen auf, die Münz einige Jahre zuvor geschrieben hatte. Unter dem Titel ‘Die Frau in der roten Nacht’ behandelte sie den Aufstand auf dem Panzerkreuzer Potem- kin im Jahre 1905. Im Mittelpunkt steht der Anführer der aufständischen Matrosen, Matu- schenko. Er macht eine seelische Entwicklung durch, die sich in der Novelle in selbstquäleri- schen inneren Monologen vollzieht. Sie führt Matuschenko zu der Einsicht, seine Ziele auf dem falschen Weg verfolgt zu haben. Am Ende der Novelle übergibt er sich der staatlichen Ge- richtsbarkeit. Wie die ‘Pforten der Hölle’ fand auch die Novelle nur mäßigen Absatz. 1965 verkaufte der Verlag den Rest der Auflage an ein Großantiquariat. 1960 hatte Münz dem Verlag einen Roman über Arthur Rimbaud zugesandt. Darin zeichnete er das Leben des französischen Dichters in ähnlicher Weise wie das Gobels in ‘Die Pforten der Hölle’. Der Lektor Heinrich Scharp lehnte das Typoskript ab. Er begründete dies damit, dass Münz’ bisherige Romane offenbar wegen ihres formalen Aufbaus vom Publikum nicht ange- nommen worden seien.39 Zudem werde im Rimbaud-Roman die Entwicklung der Hauptfigur nicht aus der Handlung begründet, sondern alleine aus der „metaphysischen Interpretation“,40 was vermutlich nur ein katholischer Leser nachvollziehen könne. Zudem stelle der Roman zu hohe Anforderungen an den Bildungshorizont des Lesers. In den ‘Pforten der Hölle’ habe auch der weniger gebildete Leser die Handlung verstehen können, da die Figur des Bischofs Gobel exemplarischen Charakter habe. Im Rimbaud-Roman hingegen könne er ihr ohne entsprechen- des Vorwissen nicht folgen. Ähnlich äußerte sich auch der Verleger Josef Knecht in einem Brief an Werner Bergengruen: „Die Simplifizierung, daß alles Irdische sich in den Protokollen der Engel und Teufel widerspie- gelt und die Fassung des Urteils aus dem Transzendenten, das ist das, was mich besorgt ge- macht hat, und ich habe deshalb auch den zweiten Roman über Rimbaud abgelehnt; ich glaube nicht, daß die Leser diese Art über seelische Entwicklung und Lebensabschnitte zu berichten auf die Dauer ertragen würden. [...] Ich werde ihm [sc. Münz] dann [bei einem geplanten Besuch in 38 Vgl. Kap. D.4.b. 39 Bf. vom 24.2.1961. 40 Ebd. - E.5.c - 405 Bad Mergentheim] gut zureden, daß er seine Begabung zu schreiben in einer Form anwendet, die unkompliziert ist und deshalb besser aufgenommen wird.“ 41 Nachdem der Verlag mit der gleichen Begründung auch noch einen Roman über Friedrich Nietzsche abgelehnt hatte,42 endete im Mai 1962 wegen der unvermittelbaren gegensätzlichen Standpunkte die Verbindung zu Münz.43 41 Bf. an Bergengruen vom 25.7.1960 (Verlagsarchiv des Josef-Knecht-Verlags). Zu dem Briefwechsel zwischen Knecht und Bergengruen über Münz’ poetologische Vorstellungen vgl. auch Kap. E.3.c. 42 Bf. vom 30.11.1961 43 Vgl. den Brief des Verlages vom 10.5.1962. - E.5.d - 406 d) ‘Prozeß Medusa’ In seinem dritten Roman, ‘Prozeß Medusa’, blieb Münz der Darstellung eines Gerichts treu, transponierte es jedoch in einen realen Rahmen. Hugues Duroy de Chaumareys, ehemaliger Kommandant der 1816 gestrandeten französischen Fregatte ‘Medusa’,1 spielt mit Strohpuppen das Kriegsgericht nach, das ihn damals degradiert und zu einer Zuchthausstrafe verurteilt hatte. Vor diesem imaginierten Gerichtshof trägt er seine Rechtfertigungsgründe vor, die damals, vor zwanzig Jahren, nicht akzeptiert worden waren. Das seit Jahren alltäglich wiederholte Ritual ist längst zur Obsession geworden, ohne dass Chaumareys jedoch hier eine Rechtfertigung gelän- ge. Vielmehr konfrontieren ihn die simulierten Verhandlungen zunehmend mit einer inneren Stimme, die - rezeptionsästhetisch gesehen - in das Erzählte dessen ideale Rezeption ein- schreibt: ein spezifisch katholisches Element, dessen konnotative Ausdeutbarkeit noch darzu- stellen ist. Im Rahmen des Erzählten jedenfalls ist es diese Beurteilungsinstanz, die den gläubi- gen Christen Chaumareys im Verlauf des ‘Verfahrens’ nicht mehr auf Freispruch, sondern auf Verschärfung der Strafe „zugunsten meines zu erhoffenden ewigen Lebens“2 plädieren lässt. Der von der Dorfbevölkerung Geschnittene und Verachtete findet schließlich seinen Frieden, als er sich dem neuen Ortspriester anvertraut, der mutig genug ist, sich gegen den Hass und die Verachtung der Dorfbewohner zu stellen und Chaumareys Beichte abzunehmen; der Priester entpuppt sich später als jener Laienbruder, der seinerzeit zu den Überlebenden gehört hatte. In der gemeinsamen Beschäftigung mit dem äußerst detaillierten Material, das Chaumareys im Laufe der Jahre zusammengetragen hat, klären sich Schuld und Versagen, wobei der Priester allzu vehement vorgetragene Selbstbezichtigungen mäßigend korrigiert: eine gängige pastorale Praxis, deren Darstellung im Roman nicht nur an den Erfahrungshorizont des beichterfahrenen katholischen Lesers appelliert, sondern darüber hinaus eine Art von interdiskursivem Kommen- tar zur Konfessionsproblematik darstellt. Die Ereignisse um die Fregatte ‘Medusa’ werden durchweg in Zeugenberichten, Briefen und Erinnerungen wiedergegeben. Der Perspektivenwechsel, mit dem Münz bereits in seinen frühe- ren Romanen gearbeitet hatte, ist hier weniger stark ausgeprägt. Im Erzählertext herrscht die auktoriale Perspektive vor. Nur zweimal wird kurz aus der Ich-Perspektive von Chaumareys oder dem Priester erzählt.3 Weit öfter erscheint die bereits erwähnte innere Stimme; erzähl- technisch gesehen eine weitere Ich-Instanz, die Chaumareys Berichtete kommentiert. Im Roman stellt sie zunächst eine Mischung aus Stimme des Schutzengels und Stimme des (religiös ge- 1 Ins kulturelle Gedächtnis eingegangen ist die Schiffstragödie durch Géricaults berühmtes Gemälde ‘Das Floß der Medusa’, das Münz zu seinem Roman anregte und das auch im Roman selbst beschrieben wird (Münz 1964, 29). 2 Ebd., 67. 3 Chaumareys S. 119; Priester S. 106. - E.5.d - 407 schulten) Gewissens dar. Anders formuliert: ein Art von Über-Ich, das - wie schon in den zwei vorhergehenden Romanen - die skrupulösen Selbstbeobachtungssmechanismen einer vorkonzi- liaren katholischen Erziehung in den Bereich der Literatur hineinholt.4 Aus diesem Anknüpfen an sozialisationshaft vermittelte Vorerfahrungen, die Münz als katholischer Autor ja durchaus voraussetzte, resultiert eine nicht unbeträchtliche Appellhaltigkeit: „[Chaumareys:] Was hätte ich auch tun können? Wenn man nicht im richtigen Augenblick han- delt, richtig handelt, reißt der Teufel des Menschen Wille an sich. Er ist immer da, ein blinder Passagier ... [Kommentierung:] Ich hätte ihn dir zeigen können, Hugues Duroy, wäre ich nicht selbst den Menschen unsichtbar. [...] Du hast die letzte Bresche um die Festung deiner Seele wieder ge- schlossen; nur die Heiligen, die Engel und Gott vermögen sie noch zu überfallen. Sei bereit! [Ch.:] Mein Gott, ich weiß nicht, wer da mit mir spricht. Ich liege in Dornen und kann mich nicht bewegen, sonst griffe ich mit beiden Händen in den Raum dieser Stimme, um endlich eine Schulter zu fassen, an der ich mich hochziehen könnte - zu dir, in dein fernstes Licht. Sage mir, mein Gott, mein Engel, Stimme, wer du auch seist, sage mir: wo ist mein Sohn? Charles! Verzeih, schon wieder will ich über mich hinaus. Sage mir nur noch, was ich tun soll, um ... [K.:] B ü ß e ! [sic] [Ch.:] Ja, ja, ja ... ich will beginnen, obgleich ich noch nicht die ganze Kette des Unheils kenne, welche meine Schuld aus dem Urgrund deines Willens gerissen hat. [...] Herr, laß mich nicht hindurchfallen in das Gejammer der Hölle! [K.:] Ich sagte dir schon, Hugues Duroy, du bist frei - zur Buße.”5 Bereits gegen Ende des zitierten Abschnitts verschiebt sich die Funktion der kommentierenden Instanz, weg vom Engel/Über-Ich hin zum Auktor, der sich - das dürfte Münz jedenfalls vor- ausgesetzt haben - im Horizont des Beurteilens mit dem Leser einig weiß: Die Kommentierung paraphrasiert das, was auch der katechismusfeste katholische Leser dem Protagonisten zurufen könnte. Am Schluss des Romans dann erscheint die Ich-Instanz in einer wiederum anderen Funktion: Als Chronist - ein Muster aus den beiden vorangegangenen Romanen - setzt sie sich nun auch explizit in eine Beziehung zum Leser: „Am Nachmittag steht Graf Hugues Duroy de Chaumareys in der Reihe der Gläubigen hinter dem Beichtstuhl. [...] Ich bin Zeuge seiner Beichte. Père François-Marie spricht zum ihm von der Güte Gottes, der selbst einen Schächer in das Paradies aufnahm, und dann von der Freude, auch unwissentlich, noch im Versagen an Gottes Willen, noch im Unheil am Heil teilzuhaben.“6 und: „Nicht mehr viel ist zu berichten, denn was nun noch an Wesentlichem geschieht, vollzieht sich im Unsichtbaren; ich gewahre nur die Unruhe, Fieberwellen der Angst vor dem Einblick Gottes. Sie treibt Chaumareys weit über den Bereich seines Dorfes, in das Elend der anderen.“7 Trotz seiner katholischen Prägung, die sich auch noch an den eingeschobenen Gebeten von Chaumareys zeigt, erschien der Roman im Wiener Paul-Zsolnay-Verlag: Die Thematik also und deren Darstellungsform überwogen das Konfessionell-Weltanschauliche. Damit war Münz aus dem Umkreis des katholischen Verlagswesens hinausgewachsen. Jedoch verkaufte sich der Roman schlecht, so dass der Verlag nicht bereit war, einen weiteren Roman über das Leben von 4 In ähnlicher Funktion findet sich die erwähnte Ich-Instanz auf den Seiten 29 und 221. 5 Ebd., 100. 6 Ebd., 255. 7 Ebd., 257. - E.5.d - 408 Arthur Rimbaud anzunehmen. Zwar erschienen der ‘Prozeß Medusa’ und die ‘Frau in der roten Nacht’ noch in einem Doppelband im ‘Buchklub der Großen Welt’ (Zürich, Innsbruck, Paris, Brüssel), ebenso wie der Roman ‘Der Drache siegte nicht’. Für die historischen Romane je- doch, die Münz in den folgenden Jahren schrieb, fand er keine Verleger mehr. Der ‘Prozeß Medusa’ blieb sein letztes veröffentlichtes Buch zu Lebzeiten.8 1969 übernahm der Rowohlt-Verlag den Roman in sein Taschenbuchprogramm. Im Jahr zuvor war die Hamburger Uraufführung von Hans Werner Henzes Oratorium ‘Das Floß der Medusa’ unter spektakulären Umständen gescheitert;9 ein Ereignis, auf das der einführende Text des Büchleins hinwies. Rezipiert wurde der Roman hier also in einer Weise, die Münz zwar als Bestätigung seiner literarischen Darstellungsform nehmen konnte, die aber kaum seiner laien- apostolischen Absicht entsprach. Das zeigte sich noch stärker, als wenige Jahre später der Ro- man für einen Fernsehfilm umgearbeitet wurde.10 Das Drehbuch griff die filmischen Elemente des Romans heraus, nämlich seine starke Bildhaftigkeit, die Drastik der Ereignisse, die den Gestrandeten an der afrikanischen Küste widerfahren, sowie den szenischen Einfall des mit menschengroßen kostümierten Puppen bestückten Gerichtshofs. Indem der spätere Film sich aber auf die äußerlichen Ereignisse beschränkte, stellte er gerade das dar, was im Roman als das Unwesentliche bezeichnet worden war. Das Beispiel dieser beiden Fehlrezeptionen - als solche empfand Münz inbesondere den Film11 - zeigt, dass die Pragmatik einer katholischen Literatur, wie er sie vertrat, allenfalls in einem katholischen Verlagsumfeld funktionieren konnte. In einem säkularen Verlagsumfeld war der laienapostolische Anspruch des Romans offensichtlich gar nicht als solcher erkennbar. 8 1979 erschien aus dem Nachlass eine Novelle, herausgegeben von seiner Witwe Maria Münz (im Literaturver- zeichnis unter Münz 1979). 9 Die Auseinandersetzungen sind dokumentiert in Hopf 1986. 10 Ausstrahlung am 1. November 1976 im Zweiten Deutschen Fernsehen; Regie: Wolfgang Staudte; Drehbuch: Gerd Angermann; ca. 88 Minuten (lt. E-Mail des ZDF vom 18.9.2001). 11 Einem Gespräch zufolge, dass ich mit Maria Münz (vgl. Fußnote 8 in diesem Kapitel) im Juli 1987 führte. Eine ähnliche Auffassung drückt sich auch bei Lange 1977 aus, einer offenkundig in enger Fühlungnahme mit Münz geschriebenen Hommage zu dessen 65. Geburtstag, abgedruckt in der ‘Deutschen Tagespost’. - E.6.a - 409 6. Erwin K. Münz als katholischer Autor a) Münz’ schriftstellerisches Selbstverständnis Münz war ein schnell schreibender Autor, seine Werke entstanden passagenweise in einem Zug. In brieflichen Äußerungen, die er über den Schaffensprozess machte, findet sich seit der frühen Nachkriegszeit oft das Bild der dichterischen Inspiration als einer Vision, als Schau einer ihm offenbarten Wirklichkeit;1 nicht ohne Grund nannte er als seine literarischen Vorbil- der Franz Werfel und Paul Claudel;2 daneben auch Alfons Rosenbergs ‘Michael und der Dra- che’. Bereits Mitte der fünfziger Jahre hatte Münz an Friedrich Schreyvogl geschrieben, er denke immer noch daran, für die Bühne zu arbeiten. Die dramatische Form erlaube ihm jedoch nicht, seine Schau in ihrer ganzen Fülle darzustellen.3 Die Bezeichnung ‘Roman’ gebrauchte er indes nicht ganz unbefangen; eher sprach er von seinen „sogenannten Romanen“.4 In solchen Wendungen konvergierte die Tradition des literarischen Katholizismus, der die Gattung des Romans stets nur unter Vorbehalten hatte integrieren können, mit Münz’ Anspruch, literarisch auf der Höhe der Zeit zu sein.5 Zum anderen drückt sich in solcher Selbsteinschätzung ein ge- wisser koketter Stolz auf das von ihm Geschaffene aus: Münz betrachtete die Wahl der Gat- tungsbezeichnung als Zugeständnis an die Kommerzialität des literarischen Betriebs, der eben Etikettierungen brauche. Eichendorff etwa hatte die Gattung des Romans, vor allem des historischen Romans, zu der von ihm perhorreszierten „Verstandespoesie“6 gerechnet. Mit der demonstrativen Geringschätzung der Gattung partizipierte Münz auch an einer in der damaligen traditionellen Literaturtheologie geläufigen Vorstellung, die christliche Literatur eröffne neue Wege, indem sie die bürgerliche Literatur überwinde. Paradigmatisch in dieser Hinsicht ist Hoffmann-Langgässer 1959: „Das ‘Unauslöschliche Siegel’ und die ‘Märkische Argonautenfahrt’ sind in dem traditionellen Sinn der bürgerlichen Epoche kein Roman, weil die in ihnen wirksame Vorstellung vom Menschen allein dem christlichen Glauben entspringt und weil das Licht des Glaubens die Spaltung der Welt in das Reich Christi und das des Antichrist offenbar gemacht hat. Eine andere Frage ist es, 1 Vgl. etwa den Brief vom 14.8.1946 an Josef Magnus Wehner. Vgl. dazu Wilhelm Grenzmanns Sätze über Paul Claudel: „Das Ziel der Dichtung ist nicht, wie Baudelaire sagt, ‘auf den Grund des Unendlichen zu tauchen, um Neues zu finden’, sondern auf den Grund des Endlichen, ‘um dort die Unerschöpflichkeiten zu entdecken...’“ (Grenzmann 1955, 24) und über Dante: „Der rätselvolle Dichter, den Dante schildert, ist ‘nicht jener, der erfindet, sondern der zusammenfügt, und der, indem er alles // aneinanderrückt, uns die Dinge begreifen lehrt.’“ (ebd., 24//25) 2 Im Brief vom 8.4.1957 an Jakob Hegner. 3 Bf. vom 21.12.1956. Die Bindung an eine ‘dramatische Form’ erklärt auch, warum Münz nicht den Weg zum Do- kumentartheater fand, was literaturästhetisch nahegelegen hätte. 4 Bf. vom 18.10.1957 an Franz Johannes Weinrich. 5 Das erklärt sich auch aus seiner schriftstellerischen Entwicklung, bei der die Romane aus den Novellen erwuchsen. Für das historische Jugendbuch hatte sich in den fünfziger Jahren die Forderung durchgesetzt, es müsse historisch wahr sein (vgl. Heinrichs 1958, 33f.), eine Kritik, der ein Gutteil des katholischen Jugendschrifttums verfiel. Wenn Münz also immer betonte, er habe für seine Romane in Archiven recherchiert, dann lässt sich dies auch als präsump- tive Absicherung vor solchen Vorwürfen verstehen. 6 Eichendorff-Ausgabe 1970, 476 und 479f. - E.6.a - 410 ob die aus der gläubigen Welt sehende künstlerische Gestaltung nicht in einem neuen Sinn Ro- man genannt werden kann.“7 Ganz ähnlich formulierte Münz in seinen Briefen. Vom ersten ‘Roman’ an empfand Münz, er habe mit der literarischen Umsetzung des Weltge- richts etwas Neues geschaffen, vergleichbar allenfalls noch mit Dantes ‘Komödie’.8 Unüber- hörbar klang hier Friedrich Schlegel nach, der über Dantes Werk geschrieben hatte, es sei „schlechthin einzig in seiner Art“ und füge sich „unter den Begriff keiner Gattung“.9 Das Neue bestand für Münz darin, dass er den Inhalt seiner Romane nicht als Fiktion, sondern als Realität empfand, weil darin, am Beispiel einzelner Personen, die irdische Geschichte eschato- logisch gespiegelt sei. Aus diesem Verständnis heraus wies er beispielsweise den Vorschlag des Verlegers Karl Borromäus Glock ab, zwischen die Aussagen epische Passagen einzufügen, was er als nicht angemessene Vermischung von Realem und Fiktionalem bezeichnete. Nun spielte in Münz’ ästhetischen Vorstellungen die Technik des Sprachgebrauchs eine große Rolle, und es war des öfteren gerade die nicht stimmige Komposition unterschiedlicher sprachlicher Materi- alstände, die in den Rezensionen der Romane bemängelt wurde. Nur vordergründig schlägt in dem Beharren auf der Dichotomie Subjektivität vs. Realität ein Muster katholischer Poetologie durch. Im Gegenteil argumentierten die zeitgenössischen ka- tholischen Begründungen von Literatur, die Münz gekannt haben dürfte, eher mit dem Divina- tionstheorem, das die Wahrheit von Literatur an die künstlerische Wahrhaftigkeit ihres Autors band: „Die große Dichtung ist der Ausdruck von etwas, dem die menschliche Seele antwortet, dem sie anhängt.“10 Die Darstellungsfunktion von Literatur hingegen wurde betont vor allem in den literaturkritischen und literaturwissenschaftlichen Ausprägungen damaliger Literaturtheo- logie. Offenbart sich in Münz’ Selbstbeschreibungen also der Autor ‘calamitate doctus’, dessen Stärke mehr im konzipierenden Entwurf lag als in dessen Ausführung und der das Deduktive durch die Form der Darstellung zu legitimieren versuchte? Die Entschiedenheit, mit der Münz den Status des von ihm Geschriebenen ontologisch begrün- den wollte, deutet darauf hin, dass hier eine Statusfrage ins Spiel kam. Die formale Gestaltung, also die spezifische Aneinanderreihung der Aussagen bzw. - im zweiten Roman - der Chroni- stenberichte war ihm als ein Prozess des dichterischen Gestaltens nämlich durchaus bewusst. Beispielsweise schrieb er an den Verleger Josef Rast: „[...] ebenso wenig wie ich es meinen Schülern leicht mache, mache ich es dem Leser leicht; nur so, an den Schwierigkeiten, wächst der Mensch.“11 Es ‘leichter zu machen’ betrachtete er als Konzession an den Publikumsge- 7 Hoffmann-Langgässer 1959, 187. 8 Vgl. etwa die Briefe an den Verleger Karl Borromäus Glock (18.1.1957) und an den Kindler-Verlag (8.2.1957). 9 Beide Zitate nach der Schlegel-Ausgabe 1961, 210. Bei Carl Muth fungierte Dante sogar als Bezugspunkt der kommenden katholischen Hochliteratur (vgl. Ettlinger 1927, 76). 10 So der katholische Literaturtheoretiker Charles du Bos (1949, 21). 11 Bf. vom 3.9.1956. - E.6.a - 411 schmack, was er für sich mit dem Hinweis ablehnte, dann nur noch „ein vielleicht besserer Unterhaltungsschriftsteller zu werden, der gehobene Literatur schreibt“.12 Und diverse Briefe bekräftigen die Orientierung am Ideal ‘hoher’ Literatur, mit der Münz - das geht aus einer Viel- zahl seiner Briefe hervor - auch seinen Status als Autor, als Schriftsteller, als ‘Dichter’ verband. In solchen Zusammenhängen deutete Münz - einen Künstlertopos des 19. Jahrhunderts aufgrei- fend - des öfteren an, seine Zeitgenossen seien noch nicht reif für sein Werk, und erst die Nachwelt werde ihn recht würdigen können.13 Entscheidender aber ist ein anderer Aspekt: Die beiden Zitate bezeugen den Zusammenhang, in den Münz das Amt des Schriftstellers und das Amt des Lehrers rückte. In der Nachkriegszeit hatte er insbesondere als katholischer Dichter die Verantwortung empfunden, den orientie- rungslos gewordenen Zeitgenossen feste Maßstäbe aufzuzeigen.14 Ein Bedürfnis danach meinte Münz bei seinen Lesungen christlicher Literatur gespürt zu haben: Hier lerne er sein zukünfti- ges Publikum kennen, hatte er 1947 geschrieben.15 In brieflichen Äußerungen im Verlauf der fünfziger Jahre wurde das Moment des Lehrhaften zunehmend anders, nämlich ‘intra muros’, akzentuiert: Das Wissen, das der Dichter vermittle, diene auch der Abwehr gegen die säkulari- sierte und materialistisch orientierte, darin als feindlich empfundene Umwelt. Münz bediente sich jetzt häufiger des Begriffs der ‘christlichen Phalanx’, die er mit seiner Literatur stärken wolle.16 Diese Haltung bestimmte sein Bild von der literarischen Öffentlichkeit. Ähnlich wie mit seinen publizistischen strebte Münz auch mit seinen literarischen Arbeiten an, polemische Repliken gegen seine Sujets und seine Darstellungsweise auszulösen - das literarische Werk als Medium des weltanschaulichen Kampfes. Dies um so mehr, als er sich von immer wieder geäußerten Postulaten in der katholischen Literaturkritik durchaus bekräftigt sehen konnte, nicht nur was die prospektive christliche Literatur betraf, sondern auch im Hinblick auf das Weltanschauli- che. Im ‘Hochland’ beispielsweise hieß es noch 1964: „Es ist gewiß kein Zufall, dass die bewegendsten Beispiele radikalen religiösen Fragens und Antwortens im modernen Roman aus Ländern kommen, in denen das Christentum verfolgt wird oder seine Stellung als Staatsreligion eingebüßt hat.“17 Die Frage war allerdings, in welche Richtung das ‘radikale Fragen und Antworten’ gehen soll- te. Dass jedoch seine Romane unbeachtet blieben, schrieb Münz nicht seinem Verständnis von religiöser Radikalität zu, sondern der mangelnden Öffentlichkeitsarbeit der Verlage: In seinem 12 Bf. vom 20.12.1961 an den Josef-Knecht-Verlag. 13 Dazu würde passen, dass im Nachlass keine Vorstudien oder Entwürfe der Romane oder Novellen enthalten sind, die das veröffentlichte (im Sinne von endgültige) literarische Werk als erarbeitet zu entschlüsseln erlaubten. 14 Vgl. etwa den Bf. vom 18.12.1946 an Franz Johannes Weinrich. 15 Bf. vom 18.10.1947 an seinen ehemaligen Lehrer Walter Autenrieth. 16 Etwa im Bf. vom 26.9.1956 an Konradin Zähringer. 17 Grözinger, W. 1963/64, 355. - E.6.a - 412 Anspruch, die katholische Sache in der Öffentlichkeit offensiv darzustellen, sah er sich von den (katholischen) Verlagen und der katholischen Presse nicht hinreichend unterstützt.18 18 Bf. vom 31.3.1957 an Konradin Zähringer. Diese Einschätzung ist jedoch zu relativieren: Auf der Arbeitstagung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken 1960 hielt Josef Knecht ein Referat, auf dem er sich darüber beklagte, die katholische Bucharbeit nehme zu wenig Rücksicht auf das verlegerische Wagnis (vgl. Knecht 1960, 240). - E.6.b - 413 b) Wirken und Wirkung im Kontext Münz gehörte zu der Generation, die im letzten Jahrzehnt der Kaiserzeit geboren wurde und die zwar lebensgeschichtlich geprägt war durch die Nachkriegserfahrungen der zwanziger Jahre,1 die sich aber erst im ‘3. Reich’ beruflich etabliert hatte. Diese Generation, die nach 1945 als ‘mittlere’,2 ‘jüngere’3 oder ‘verlorene’4 Generation bzw. als ‘Zwischengeneration’ bezeichnet wurde, erlebte sich unter den Bedingungen der Nachkriegssituation selbst in einer Art „Reservestellung“.5 Der 1913 geborene Heinrich Bauer schrieb 1947 in der ‘Lücke’: „Wir sind nun in einem Alter, in welchem wir im wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politi- schen Bereich in die führenden Stellungen einrücken sollten - und wieder sind die Tore verram- melt, wieder stehen Hindernisse formaler, politischer oder weltanschaulicher Natur unserer Ar- beit im Wege.”6 Eine ähnliche Erfahrung machte auch Münz, als er sich nach 1945 als Neuling im christlichen Literaturdiskurs zu positionieren suchte. Warum ihm dies, anders als manchem anderen seiner Generation,7 nicht vollends gelang, lässt sich nur mutmaßen. Obwohl er eine außerordentlich breit gestreute Korrespondenz pflegte, gelang es ihm nicht, seine Beziehungen zu Autoren und zu anderen Publizisten in dem Maße zu aktivieren, wie er es sich erhoffte. Auch hatte er, anders als beispielsweise Hagelstange, von Heiseler, Hohoff, Holthusen, Kramp oder Baden, vor 1945 nur geringfügig veröffentlicht. Andere Autoren, deren eigentliches publizistisches oder literarisches Wirken zwar auch erst nach 1945 ansetzte, die aber im litera- turtheologischen Diskurs Resonanz fanden, also beispielsweise Werner Ross, hatten vor dem Krieg zumindestens promoviert, oder sie fanden nach 1945 einen beruflichen Einstieg in die christliche Publizistik.8 Erschwert war Münz’ publizistische Wirksamkeit allerdings auch durch die kämpferisch katholische Position, die er bezog und die selbst innerhalb des katholischen Dis- kurses umstritten war.9 1 Diese thematisierte Münz in dem Gedichtband, den er als Schüler 1932 veröffentlichte. 2 Holthusen 1955, 261 (genannt ist Rudolf Hagelstange, geb. 1912). 3 Wiederum Holthusen 1955, genannt sind hier der 1915 geborene Karl Schwedhelm (S. 261) ) und die 1911 gebo- rene Luise Rinser (S. 273). 4 Dazu ausführlicher Brelie-Lewien 1986, 119ff., auf deren Erörterung der historiographischen Auswertbarkeit der Generationenproblematik nach 1945(ebd., 111ff.) ich mich im Folgenden beziehe. 5 Hohoff 1951, 177. 6 Zit. nach Brelie-Lewien 1986, 120. 7 Geordnet nach Geburtsdaten: 1907: Heinz Beckmann, Bernt von Heiseler // 1908: Albrecht Goes, Edzard Schaper // 1909: Willy Kramp // 1911: Hans Jürgen Baden, Luise Rinser // 1912: Gertrud Fussenegger, Rudolf Hagelstan- ge, Erwin K. Münz, Werner Ross, Günter Rutenborn // 1913: Curt Hohoff, Hans Egon Holthusen // 1915: Christine Busta, Christine Lavant //1917: Heinrich Böll 8 Die biographischen Notizen in Seeberg/Zahrnt 1964, 281ff. zeigen, dass die erwähnte ‘Zwischengeneration’ spä- testens zu Beginn der sechziger Jahre publizistisch etabliert war: Wolfgang Berkefeld (*1910; Dr. phil.; ‘Sonntagsblatt’); Geno Hartlaub (*1915, 1945-47 Lektorin bei der Monatszeitschrift ‘Die Wandlung’ Heidelberg, seit 1958 Redakteurin beim ‘Sonntagsblatt’ Hamburg); Werner Hess (*1914; ‘Hessischer Rundfunk’); Gerd Heinz- Mohr (*1913; Dr. phil.; Evangelische Akademie Loccum); Eberhard Stammler (*1915; ‘Sonntagsblatt’, ‘Junge Stimme’ Stuttgart, ‘Christ und Welt’ Stuttgart); Kurt Lothar Tank (*1910, Dr. phil., Kulturredakteur beim ‘Sonntagsblatt’, seit 1963 Herausgeber des ‘Eckart-Jahrbuchs’); Hans Hermann Walz (*1914; Dr. theol.; verschie- dene Funktionen bei Evangelischen Akademien, bei der Studiengemeinschaft für Evgl. Akademien, im Ökumeni- schen Rat der Kirchen in Genf, beim Deutschen Evangelischen Kirchentag); Heinz Zahrnt (*1915; Dr. theol.; ‘Sonntagsblatt’ Hamburg). 9 Insofern wäre von der Brelie-Lewiens These zu modifizieren, der reichhaltige Zeitschriftenmarkt nach dem Krieg hätte auch für Anfänger ein reichhaltiges Betätigungsfeld geboten: Für jemanden wie Münz war nicht entscheidend, um jeden Preis zu publizieren, sondern Anschluss an den Diskurs katholischer Publizistik zu gewinnen. - E.6.b - 414 Münz’ Entwicklung als katholischer Autor stellt gewissermaßen eine ontogenetische Paraphra- se des katholischen Literaturdiskurses dar: Am Beginn standen Genres, die eine individuelle Frömmigkeitspraxis literarisch nachzeichnen, also Gedichte und ‘Musikalische Miniaturen’. Es folgten die historischen Erzählungen, die - dem germanistisch und romanistisch gebildeten Autor schien es so - durch die Gattungspoetik der Novellen überformt werden, die aber in ihrer Struktur idealtypisch die traditionelle Kinder- und Jugendliteratur nachvollzogen; nicht zufällig erschienen sie in kirchlichen Verlagen. Als idealtypische Adressaten dieser Novellen mag der engagierte Lehrer Münz seine Schüler im Blick gehabt haben. Bis hierhin verblieb das Œuvre im Rahmen einer Milieuliteratur, die das katholische Leben begleitet, nachvollzieht und spie- gelt. Erst die Romane, die aus den Novellen herauswuchsen, stellten eine qualitative Verände- rung dar. Zwar trugen sie, auch dies typisch für die katholische Literatur, noch Spuren ihrer Herkunft in sich:10 die dichotomische Geschichtsauffassung, die katholische Bildlichkeit, die Perspektivierung auf den Horizont einer katholischen Sozialisation etc.. Jedoch verwirklichten sie formale Experimente, die den Bereich der Milieuliteratur hinter sich ließen. Auf diese Weise prononciert katholisch, blieb Münz’ Œuvre in der Umbruchzeit der Vorkon- zilsjahre ohne nennenswerten Widerhall. Die Erfolglosigkeit ist, versteht man Literatur „als symbolische Selbstinterpretation eines Individuums in der Gesellschaft“,11 auf zweifache Wei- se zu entschlüsseln. Zunächst in formaler Hinsicht: In ihrer spezifisch katholischen Perspekti- vierung aktualisierten die Romane einerseits ein in damaliger ‘hoher’ christlicher Literatur un- vertrautes ästhetisches Formular,12 das den literarisch gebildeten katholischen Leser, den sie in ihrer avancierten Geformtheit andererseits voraussetzten, irritieren musste. Hinzu kommt auch das in den Romanen evozierte Bild des Katholischen: In der ‘Bilanz des deutschen Katholizis- mus’ von 1966 sprach Karl Ledergerber von den zwei Konzeptionen von Kirche, die im deut- schen Katholizismus dominierten: die Kirche als ‘Sakralstaat’, als eine „Art Überbau über der profanen Welt“13 einerseits, das Christlich-Spirituelle als Sauerteig der Welt andererseits, das „das gewöhnliche Leben im Geist des ganz in die Welt hineingestorbenen Stifters der Kirche führt“. 14 In neuerer Zeit hat Thomas Ruster dieses dichotomische Spannungsverhältnis auf Romano Guardinis Arbeiten aus den zwanziger Jahren zurückgeführt:15 „Es läßt sich m.E. zeigen, wie für Guardini ab Mitte der zwanziger Jahre im Zusammenhang mit seiner intensiven Bibellektüre und seiner Beschäftigung mit den großen Gestalten der Philosophie und Literatur die personale Di- 10 Auf den strukturellen Zusammenhang von „den der geistlichen Restauration entstammenden Legendensammlun- gen über die weit verbreitete Jugend- und Volksliteratur zu den ersten katholischen Romanen“ im 19. Jahrhundert weist auch Susanna Schmidt (1994, 131) hin. Auch die katholischen Literaturgeschichten des 19. und 20. Jahrhun- derts führen Volks- und Jugendschriftsteller nebeneinander auf. Bei Schomerus-Wagner 1950 und Meidinger-Geise o.J. sind neben der katholischen Kanonliteratur nur noch die katholischen Volksschriftsteller aufgeführt. 11 Braungart 1996, 24. 12 Zum Begriff des ästhetischen Formulars vgl. ebd., 27. 13 Ledergerber 1966, 443. 14 Ebd., 444. 15 Vgl. Ruster 1994, 110ff. - E.6.b - 415 mension des Glaubens immer wichtiger wird und gleichzeitig sein Interesse an der Kirche und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung abnimmt.“16 Es scheint, als habe Münz in seinem literarischen Werk beide Dimensionen zu vereinen ver- sucht, wenn auch - aus heutiger Sicht - auf Kosten des Personal-Spirituellen. Im Zuge katholi- scher Deinstitutionalisierungsprozesse waren die Romane zum Zeitpunkt ihres Erscheinens bereits auf eine kontroverse Rezeption hin angelegt, was sich ja auch an Münz’ Selbsteinschät- zung zeigt: Die strukturell dominierenden Gerichtssszenarien und ihre Perspektivierung auf den Entscheidungsprozess des Einzelnen - auch des Lesers - waren einem kirchentreuen Katholiken jener Zeit zwar nicht unbekannt, sie verabsolutierten jedoch religiöse Deutungsschemata, deren Bindekraft sich gerade in dieser Zeit zu lösen begann.17 Das Konzept des ‘Sakralstaats’,18 das erst in den späten sechziger Jahren in katholische Sonder- Milieus abwanderte, war also bereits zehn Jahre früher in den von Münz gewählten Formen, die erkennbar den literarisch gebildeten Leser ansprachen, nicht mehr vermittelbar. Das heißt al- lerdings nicht, dass es literarisch nicht möglich gewesen wäre. Münz’ Romane gehörten in ihrer Verschränkung von antimodernem Inhalt und formal modernen Gestaltungstechniken zu den vielen Facetten des damaligen Katholizismus, deren Anachronismus sich zu jener Zeit erst all- mählich abzuzeichnen begann. Immerhin fand er renommierte katholische Verleger, die eine Verbreitung der Romane für möglich hielten und - auch dies bleibt festzuhalten - Münz jeweils nur deshalb nicht weiterbetreuten, weil sich seine Bücher selbst auf dem katholischen Markt als nicht durchsetzbar erwiesen. Münz’ Anachronismus ist also nur in Relation zu sehen vor den anachronistischen Zügen des katholischen Milieus seiner Zeit: Nicht auszuschließen ist, dass er in dem literarischen Umkreis, dem er sich in Nachkriegszeit und frühen fünfziger Jahren selbst zurechnete (Stach, Weinrich, Wehner etc.), zwanzig bis dreißig Jahre früher reüssiert hätte. Als sich im Zuge des Zweiten Vatikanums die katholische Literatur, soweit sie als solche zu identi- fizieren war,19 zunehmend mit der „Wirklichkeit der gegenwärtigen katholischen Kirche“20 auseinandersetzte, verfielen Werke wie die von Münz auch dem katholischen kulturellen Ge- dächtnis. Jedoch war Münz kein Einzelfall. Viele der in der vorliegenden Arbeit behandelten Litera- turtheologen schrieben Romane, Erzählungen, Hörspiele, Gedichte etc. (Hohoff, Holthusen, Meidinger-Geise, Risse etc.). Unter ihnen nahm Münz mit seiner explizit klerikal-dogmatischen 16 Ebd., 112. 17 Vgl. Kap. D.2. Dass Münz das prononciert Katholische gerade in seinem provokativen Gehalt im Auge hatte - die Literatur als Unterstützung der Priester, die gegen den Zeitgeist anzupredigen sich nicht mehr trauten -, belegt sein ‘Klara’-Spiel von 1956. Allerdings verschätzte er sich in der Wirkung, die seine Romane im Bereich der katholischen Rezeption erfuhren. 18 Vgl. dazu auch Ebertz 1996. 19 Dazu ausführlicher Langenhorst 1998a. 20 Ebd., 132. - E.6.b - 416 Ausrichtung sicherlich eine Sonderstellung ein. Aber auch die Werke der anderen Litera- turtheologen fanden im literaturtheologischen Diskurs selbst oder auch in den einschlägigen Literaturgeschichten nur transitorische Resonanz; vielleicht am stärksten noch Holt-husen als Lyriker. Als christlicher Autor der fünfziger Jahre war Münz also durchaus exemplarisch. - E.6.c - 417 c) Münz und die Literaturtheologie Warum Münz im literaturtheologischen Diskurs nicht wahrgenommen wurde, lässt sich nur hypothetisch rekonstruieren. Verhältnismäßig stichhaltige Indizien dafür ergeben sich aus dem Briefwechsel, den Münz Anfang der sechziger Jahre mit Wilhelm Grenzmann führte. In der Hoffnung, dadurch in die literarische Öffentlichkeit durchzudringen, hatte er diesem seine Ro- mane zukommen lassen,1 er schilderte - nach dem Misserfolg seines zweiten Romans - seine Schwierigkeiten mit den Verlegern und bat um Hinweise, welche Verlage für ihn in Frage kä- men. Auf diese letzte Frage antwortete Grenzmann 1962: „Ich kann Ihnen heute beim besten Willen keinen Verleger nennen, der das Wagnis übernimmt. Ein Verleger, der katholischem und theologischem Denken nahesteht, müßte es doch wohl sein, und allzu sehr auf Rosen gebettet, ist wohl niemand.“2 Bereits ein Jahr zuvor - in seinem Brief, der der Übersendung des zweiten Romans gefolgt war, hatte Grenzmann darauf hingewiesen, „daß die weltanschaulichen Grundlagen geteilt wer- den“3 müssten, um die „Erzählform“4 zu akzeptieren: „Ich kann nicht leugnen, daß ich Ihrem Verfahren zunächst mit tiefer Skespis [sic] begegnet bin, erst im Verlaufe der Lektüre des zweiten Romans haben sich die [handschriftlich eingefügt: Zweifel] gelichtet, ja in Bewunderung umgewandelt. Was Sie unternehmen, steht der augen- blicklichen Romankunst [vollständig]5 entgegen (weswegen Sie auch u.U. mit ablehnenden Kri- tiken rechnen müssen), nimmt jedoch die Bewegungen der heutigen Kräfte m.E. auf: nämlich das Metaphysische und Transcendente zurückzugewinnen und die Formen der Darstellung zu finden. Sie sind dabei in der Art Ihrer Darstellung außerordentlich kühn, indem Sie die Transcendenz zu Mitspielern machen. Ich will dabei unterscheiden: die Auflösung des Erzählflusses in Korre- spondenzen, schriftlicher oder mündlicher Art, ist für die Gegenwart nicht neu. [...] Daß aber jemand es wagt, die Welt der Toten und Hölle und Himmel mitspielen zu lassen, habe ich noch nicht erlebt.“6 Der Darstellungsweise allerdings stand Grenzmann eher kritisch gegenüber, was sich nicht nur in folgendem zweideutigen Lob ausdrückt: „Sie haben, das war von jeher meine Überzeugung, grandiose Absichten, die unabhängig von allen epischen Verwirklichungen ganze [sic] eigene Wege gehen.“7 Grenzmann fuhr fort: „Ich habe immer darüber gestaunt, welche Erfindungsgabe, Darstellungskunst und welche Wis- senschaft Sie beherrschen, um das zu schreiben, was Sie der Öffentlichkeit vorlegen. Daß die Le- serschaft Ihnen nicht immer Beifall spendet, liegt zweifellos an der Ungewohntheit dieser Kunst - und zudem, es ist ja auch ein gewaltiges Experiment, dem nun ein großer Teil Ihrer Lebens- und 1 Den ersten Roman gab er ihm persönlich in Bad Mergentheim. Bei welcher Gelegenheit dieses Treffen angebahnt wurde, war nicht mehr zu eruieren. Als einzige Quelle liegen die Briefe vor, und der briefliche Kontakt war - in Abständen von einem bis anderhalb Jahren - eher sporadisch. 2 Bf. an Münz vom 3.6.1962. Zum Zitieren der maschinenschriftlichen Quellen: Typographische Auffälligkeiten, die offensichtlich auf den Vorgang des Tippens zurückzuführen sind (übereinandergetippte oder direkt nebeneinander- stehende Buchstaben, handschriftliche Einfügungen und Korrekturen etc.) sind ohne Nachweis korrigiert, auffallende Wortschreibungen dagegen übernehme ich wörtlich, ebenso die Zeichensetzung. 3 Bf. an Münz vom 15.1.1961. 4 Ebd. 5 Das getippte Wort ist von Hand durchgestrichen. 6 Bf. an Münz vom 15.1.1961. 7 Bf. an Münz vom 3.6.1962. - E.6.c - 418 Arbeitskraft gilt. Was Sie in die Erzählung einzuführen beabsichtigen, sind ja im Grunde drama- tische Kräfte, die sich der Erzählung bemächtigen, Grundvorgänge zwischen Erde, Himmel und Hölle, gesteigerte Gespräche, die die Dialogform unter den Menschen verlassen. Man muß sich daran gewöhnen und sich den erforderlichen Anstrengungen unterwerfen. Ob Sie damit eine neue Darstellungskunst begründen, die Wege in die Zukunft weist - wer kann das sagen? Aber Ihnen möchte ich Gelingen wünschen.”8 Grenzmann schlug vor, die Schwierigkeiten mit den Verlegern als „Krise“ zu nehmen, „die dazu führen kann, den endgültigen Weg zu finden“,9 und sich an traditionellen Mustern zu ori- entieren: „Da Ihnen die Gabe der Erzählung ohne Zweifel eignet, wäre zu fragen, ob Sie nicht doch auf den Rat des Verlegers eingehen und zeigen, daß Sie auch in der Weise der Tradition schreiben können - oder ein Buch weit kleineren Umfangs als die sind, die ich kenne; [...] Es gibt doch auch Möglichkeiten epischer Auflockerung, wie viele Beispiele der großartigsten Form bewei- sen: eingebaute Gespräche, eingebaute Briefe, Tagebuchnotizen u. Ähnliches mehr. Soeben habe ich - zum wievielten Male - den ganzen Meister-Roman gelesen, von der Theatralischen Sendung bis zu den Wanderjahren - haben wir darin nicht ein ganz großes Muster? Seien Sie herzlich ge- grüßt in der Hoffnung, daß Ihnen der Mut nicht ausgeht. Finde ich jemanden, [der Ihre Manu- skripte verlegt], so schreibe ich Ihnen. Ihr [handschriftlich: W Grenzmann]“10 Schon die Anrede im Brief vom 3.6.1962 („Sehr verehrter, lieber Herr Kollege Münch“) deu- tet darauf hin, dass Münz nicht der einzige Autor war, mit dem Grenzmann in dieser Weise korrespondierte. Auch verschiedene floskelartige Wendungen erwecken diesen Eindruck, in denen Grenzmann Bewunderung, Staunen etc. ausdrückt und Münz Mut zuspricht; er könne sich - so Grenzmann in seinem Brief vom 15.1.1961 - „vorstellen, daß Ihnen viel Zustimmung entgegengebracht wird“, und der Brief endet mit der lapidaren Formel: „Ich wünsche Ihnen in allen Ihren Arbeiten Freude und Erfolg. Ihr [handschriftlich: W. Grenz- mann]“. Mithin gelang es Münz nicht, über den Kontakt mit Grenzmann eine höhere Publizität zu ge- winnen. Dieser war allenfalls mündlich bereit auf Münz hinzuweisen: „Ich selbst habe neulich in einem Vortrag über Erzählkunst in großer Öffentlichkeit auf diese [Ihre] Darstellungsformen hingewiesen und werde es künftig öfter tun.“ In Grenzmanns Büchern über christliche Literatur fand Münz keine Erwähnung. Zwar enthielt die vierte Auflage des Buches ‘Dichtung und Glaube’ einen „Rundblick“11 über die damalige Literatur, in dem es für Grenzmann möglich gewesen wäre, Münz zu nennen. Dort aber waren - über die im Hauptteil ausführlicher behandelten Bergengruen, Schaper, le Fort hinaus - für den Bereich der Epik nach 1945 nur aufgeführt: Ina Seidel, Bernt von Heiseler, Wolfgang Borchert, Plivier, Anna Seghers, Gerd Gaiser, Heinrich Böll, Paul Schallück, Marie Luise Kaschnitz, 8 Ebd. 9 Ebd. 10 Ebd.. Ganz im Sinne des neuthomistischen Widerspiegelungstheorems verstand Grenzmann moderne literarische Formen als „Merkmale einer bis auf den Grund reichenden Gefährdung des Geistes“ (Grenzmann 1952/53, 352). 11 Grenzmann 1960, 394. - E.6.c - 419 Franz Tumler und Heimito von Doderer. Die Auswahl der Namen begründete Grenzmann in seinem Schlusswort mit deren Bedeutung: „Eine Arbeit, die sich darum bemüht, durch die Dichtung und ihre Formen zum Verständnis der Gegenwart vorzudringen, ist nur mit Autoren von Rang beschäftigt, so unterschiedlich dieser auch sein mag.“12 Und über andere, gleichwohl nicht namentlich genannte Autoren „der jungen Generation“13 führte er aus: „Die Gefahr des Jargons, ja einer - meist bewußt - nachlässigen Sprachbehandlung ist immer gegeben, wenn die Wirklichkeit dichterisch nicht gebändigt wird und das bloß Stoffliche zur poetischen Gestaltung entweder nicht ausreicht oder die Grenzen übersteigt. Beides findet sich in der gegenwärtigen Literatur an vielen Stellen. Wo der Ausgleich wirklich gelingt, lassen sich die Kriterien der Dichtung um so leichter erkennen.“14 Ob die zitierten Sätze aus der vierten Auflage auch Münz meinten, ist nicht sicher, aber zumin- destens möglich. Jedenfalls fiel der Rundblick in der fünften Auflage von 1964 weg,15 während der Zeit also, in der Grenzmann und Münz korrespondierten. Im Oktober 1964, auf einer Fort- bildungsveranstaltung des Borromäusvereins, hielt Grenzmann ein Plädoyer für die volkstümli- che katholische Literatur à la Federer und Dörfler.16 In diesem Zusammenhang klang an, was er möglicherweise wirklich über Autoren wie Münz dachte: „Worin besteht der Charakter volkstümlichen Schrifttums? Ich möchte sagen: in der künstleri- schen, jedoch verhältnismäßig einfachen Bauform. Es gibt [in der heutigen Literatur] ungemein komplizierte Formen mit artistisch ausgebildeten Rückblenden, Montagen, inneren Monologen, erlebten Reden und dergl., die einesteils manchmal den schriftstellerischen Ehrgeiz des Autors verraten und andererseits an den Kunstverstand des Lesers hohe Ansprüche stellen. Dem Volks- tümlichen stehen solche Stilexperimente durchaus im Wege.“17 Münz saß damit, um es volkstümlich auszudrücken, zwischen allen Stühlen. Seine Romane verstand er als Gegengewicht zu einer leisetreterischen christlichen Literatur als auch zu einer gegenchristlichen Öffentlichkeit. Damit griff er ein gängiges literaturtheologisches Deutungs- schema der Nachkriegszeit auf: das Unzeitgemäße des christlichen Autors als dessen besondere Qualität.18 In der Selbstvergewisserungsphase der Literaturtheologie seit Mitte der fünfziger 12 Ebd., 413. 13 Ebd., 410. 14 Ebd. 15 Vgl. Kap. C.1.c.iii. 16 Zum Volkstümlichen rechnete Grenzmann in diesem Vortrag auch Bergengruen, Andres, Schaper und Reinhold Schneider - im Kontext der Fortbildungstagung also eine Apologie der konfessionell-katholischen Literatur; prote- stantische Autoren (wie Goes und Heiseler) sind dagegen nur kurz namentlich erwähnt. 17 Grenzmann 1965, 36. Bereits 1956 hatte Inge Meidinger-Geise über die Erzählung ‘Der Fall’ von Wolfgang Müller (*1907) Ähnliches konstatiert.: „Der Roman als Prosaform ist die Klippe der jüngeren Autoren, weil sie hier meinen, unbedingt müßte kompositorisches Spiel, müßten Zeitraffer, Rückblenden, müßten jähe Ausdrucksschwülste und -sparsamkeiten modernisieren, was gerade im vorliegenden Thema [sc. Schuld und Gnade], wenn nicht die gespenstische Traumfertigkeit surrealistischer Schilderung gekonnt geboten wird, an logischen Ablauf gebunden bleibt und an eine Sprache, die Bericht und Deutung in gelassener Durchdringung kennt.“ (Meidinger-Geise [1956], 73). Was also Grenzmann das Volkstümliche nannte, war bei Meidinger-Geise die Durchdringung der The- matik aus katholischem Geist, die den Leser nicht „beunruhigen“, sondern „befriedigen“ solle (ebd.). 18 Vgl. Zwischenresümee 1. - E.6.c - 420 Jahre verlor jedoch dieses Deutungsschema zunehmend an Plausibilität. 1959 schrieb Beda Allemann, der Autor dürfe sich „nicht anmaßen, über die göttliche Gnade zu verfügen und sie seinen Figuren zur Belohnung für ihre Drangsale schließlich zukommen zu lassen. [...] Ein modernes Romanwerk oder ein Büh- nenstück, das gegen diese Regel verstößt, entspricht nicht der zeitgenössischen Bewußtseinslage und wirkt anachronistisch.“19 Ausformuliert war damit eine Einschätzung, die für die phänomenologische Literaturtheologie fortan nicht mehr hintergehbar war, und sie betraf insbesondere die christliche Literatur mit historischer Thematik: „Der Glaube wandert in die Historie ab. Er wird dadurch nicht unwirklich, aber es wird uns implicite - ob mit oder gegen den Willen des Autors - zu verstehen gegeben, daß er in dieser Form heute nicht mehr exemplarisch gelebt werden kann.“20 Jedoch auch in den apologetischen Ausprägungen traditioneller Literaturtheologie fanden Münz’ Romane keinen Widerhall, obwohl sie dem dort vertretenen Konzept von unzeitgemäßer christlicher Literatur doch idealtypisch entsprachen, wenigstens der Autorintention nach. Es war allerdings auch Beckmann gewesen, der auf die interkonfessionellen Unterströmungen in der christlichen Kanonliteratur hingewiesen hatte.21 Münz’ Novellen und Romane waren dem- gegenüber zu stark an den idealtypischen Sozialisationshorizont des vorkonziliaren Katholizis- mus gebunden, als dass sie seit der literaturtheologischen Selbstvergewisserungsphase noch interkonfessionell hätten vermittelt werden können. Ihrer Rezeption im Katholizismus dagegen - das erhellt aus Grenzmanns Einschätzung - stand nicht der Inhalt entgegen, sondern die man- gelnde Fasslichkeit.22 Dass Münz von der Literaturtheologie nicht wahrgenommen wurde, lag jedoch nicht nur an den Rezeptionserwartungen, sondern hatte auch strukturelle Gründe: Für Werke wie die von Münz hat die Literaturtheologie - damals wie heute - keine Kategorien. Weder handelt es sich um „christliche Erbauungs- und Traktat-Literatur“23 noch um ‘christliche Bestseller’, also um Unterhaltungsliteratur à la Henry Morton Robinson oder Bruce Marshall. Es sind aber auch nicht Werke, die wegen ihres christlichen Gehalts „auf dichterischen Rang keinen Anspruch erheben“.24 Die in der Literaturtheologie manchmal verwendete Kategorie der ‘christlichen Problemdichtung’ hingegen, die passend wäre, dient lediglich der Bezeichnung der christlichen 19 Allemann 1959, 33. Die Sätze bezogen sich auf Paul Claudel. Allemann griff hier auf eine Beurteilung aus Rein- hold Schneiders ‘Winter in Wien’ zurück. 20 Ebd., 36. 21 Vgl. Beckmann 1960. 22 Wilhelm Hünermanns ‘Herrgottsschanze’ beispielsweise - nicht weniger an den katholischen Sozialisationshori- zont gebunden als Münz’ Romane, jedoch aus der kleinen Szene heraus entwickelt und auch einem weniger geübten Leser leicht zugänglich - wurde bei Herder bis in die siebziger Jahre hinein aufgelegt. 23 Linnerz 1965, 4. 24 Heiseler 1952, 560. - E.6.c - 421 Kanonliteratur.25 Am ehesten noch wären die Novellen und Romane einer Literatur zuzurech- nen, die - so formulierte es Heinz Linnerz 1965 - aufgrund ihres Rezeptionsrahmens von vorn- herein „mit dem Etikett christlich versehen“26 wird. Dies jedoch ist ein Bereich, den die Litera- turtheologie lediglich als defizitär zu begreifen vermag und der - das hat die Untersuchung des katholischen vorkonziliaren Literaturdiskurses gezeigt - weithin eine ‘terra incognita’ geblieben ist. Als literaturwissenschaftliche Beschreibungskategorie ist der Begriff ‘christliche Literatur’ also noch zu entwickeln. 25 So etwa bei Hohoff 1955, 7: Man habe den „Eindruck, als ob das Christliche in den Werken dieser Autoren [sc. Mauriac, Langgässer, Waugh, Goes, Schaper, Holthusen] am wenigsten bewältigt ist. Woran liegt das? Bei den Problemdichtern tritt das Christliche in ein gespanntes Verhältnis zur Welt, als sei die Welt Sünde, und nimmt viel- fach einen moralischen Eifer an.“ 26 Linnerz 1965, 31. - F.1.a - 422 F ‘Christliche Literatur’ unter literaturwissenschaftlichen Aspekten 1. Zur Tauglichkeit des Begriffs ‘christliche Literatur’ a) Zur Diskussion um die Validität Mit dem Ende der christlichen Kanonliteratur scheint auch der Begriff ‘christliche Literatur’ zweifelhaft geworden zu sein. Die Auseinandersetzungen der siebziger und achtziger Jahre, in denen die Revaluierung des Begriffs (Kuschel) gegen dessen Apologie (Kranz) stand, sind hi- storisch, und in den drei gegenwärtig dominierenden literaturtheologischen Konzepten (‘Theopoesie’, ‘Spurensuche’ und ‘Buchpastoral’) erscheint er nur noch beiläufig. Durchgesetzt hat sich der Vorschlag, den Paul Konrad Kurz 1975 äußerte: „Wer mit dem Begriff ‘Christliche Dichtung’ arbeiten kann und mag, soll es tun - mit einiger Vorsicht, wenn möglich.“1 Bis heute allerdings ist die Diskussion um die Validität des Begriffs ‘christliche Literatur’ eines der zen- tralen Probleme der Literaturtheologie und zudem ein meist uneingestandenes: Noch dort, wo der Sachverhalt ‘christliche Literatur’ als historisch abgegolten betrachtet2 oder dort, wo der Begriff als solcher als untauglich betrachtet wird, ist sein theoretischer Status nicht hinreichend geklärt. (1) Ursula Baltz hielt den Begriff ‘christliche Literatur’ für eine historisch obsolete „Weise, die Be- ziehung zwischen Glaube und Literatur für eingelöst zu halten“:3 Zunächst ist diese auf Mieth und Kuschel zurückgehende Charakterisierung traditioneller christlicher Literatur und Litera- turtheologie nachvollziehbar. Baltz fährt jedoch fort: „Der Begriff, der weniger in der Wissen- schaft als in der literarischen Kritik verwandt wird, ist wissenschaftstheoretisch betrachtet rela- tiv verschwommen.“4 Damit näherte sich Baltz der eigentlichen Problematik des Begriffs, ohne sie als solche zu erken- nen. Dass Baltz auf den marginalen Stellenwert des Begriffs ‘christliche Literatur’ in der Litera- turwissenschaft zwar hinwies, ihn aber nicht begründen konnte, liegt daran, dass sie den Diskurs über christliche Literatur nur äußerlich erfasste. Bereits Curt Hohoff hatte darauf hingewiesen, dass das Reden über christliche Literatur zugleich eine Forderung und Abgrenzung beinhaltet. Es ist also weniger die ‘Verschwommenheit’ des Begriffs, die ihn für eine wissenschaftliche Ver- wendung disqualifiziert, als vielmehr seine Pragmatik, soweit sie unabgegolten bleibt. Ursula Baltz nun zieht aus ihrer Beobachtung den Schluss, den Begriff insgesamt für untauglich zu hal- ten: „Der Begriff [...] orientiert sich meistens an bestimmten Inhalten, die man für christlich hält, und bleibt von vornherein zu stoffbezogen, als daß er einer ernsthaften ästhetischen Be- trachtungsweise, die die Form in den Mittelpunkt des Interesses rückt, standhalten könnte. Es 1 Kurz 1975a, 60 (Hervorhebung im Original). 2 Hierzu aus theologiegeschichtlicher Sicht Mieth 1976 , 19f. 3 Baltz 1983, 270. 4 Ebd. - F.1.a - 423 lassen sich zwar in einer Dichtung christliche Elemente feststellen, wie z.B. Themen, Motive oder biblische Sprachanklänge, aber ob man deswegen von christlicher Dichtung sprechen kann, muß aus methodischen Gründen bezweifelt werden.“5 Dass damit die einschlägigen Diskussionen erheblich verkürzt sind, dürfte aus dem Gang der bis- herigen Untersuchung deutlich werden.6 Der Grund dafür ist, dass sich Baltz mit den zitierten Abschnitten sowohl von der traditionellen Literaturtheologie wie auch von allzu engen theologi- schen Interpretationsmodi abgrenzen wollte: Den Begriff einer christlichen Literatur erklärte sie deshalb für untauglich, weil er eine überwundene - oder besser: zu überwindende - Stufe der Lite- raturgeschichte repräsentiere und für die heutige Theologie bzw. Religionsdidaktik nicht mehr fruchtbar zu machen sei. Eine solche Argumentation ist inkonsistent: Zwar wird der Begriff auf der semantischen Ebene als historisch abgegolten erklärt, auf der pragmatischen Ebene aber wird ihm weiterhin eine funktionale Relevanz eingeräumt, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen dient das mit ihm Bezeichnete - in seinen historischen Ausprägungen - als Negativfolie, zum an- deren geht aus dem letzten Satz des zitierten Abschnitts hervor, dass die Möglichkeit einer christlichen Dichtung bzw. einer christlichen Literatur nicht grundsätzlich bestritten ist - nur müs- se sie ‘aus methodischen Gründen’ anders definiert werden als bisher. (2) Magda Motté lehnte den Begriff ab, weil er den Blick auf das religiöse Potential von Literatur verstelle: „Es ist nahezu unmöglich zu entscheiden, was christliche Literatur ist. [...] Ohne tief- greifende Kenntnis von Biographie und Glaubenshaltung der Autoren ist [...] ein christliches Gedicht nicht zu bestimmen. Man sollte deshalb die Bezeichnung ‘christliche’ Literatur vermei- den, vielmehr in der allgemeinen Literatur nach Spuren des christlichen Glaubens suchen. Sie sind Brücken zu Gott. [...//...] Mit christlichen Inhalten, bekenntnishafter Deklamation oder theologischen Sprüchen - das gilt für viele wohlgemeinte christliche Lieder, Gedichte und Ge- betstexte - ist kaum ein zweifelnder, indifferenter Leser auf die Spur des Glaubens zu bringen.“7 Motté hält also eine ‘christliche Literatur’ für möglich, sogar für wünschenswert, lässt ihn aber nicht für eine ‘wohlgemeinte christliche Literatur’ gelten. Unschwer lässt sich hier ein apologeti- sches Interesse erkennen, das den Begriff ‘christliche Literatur’ auf seine Funktionalität hin be- fragt. Der Gebrauch des Begriffs verbleibt damit in einer methodischen Ambivalenz. Selbst die Preisgabe des Begriffs ‘christliche Literatur’ zugunsten des Begriffs der ’Theopoesie’8 ist unbefriedigend, weil dieser die alte Mehrdeutigkeit nicht aufhebt, sondern eher noch erweitert. Und die im Umkreis der ‘Lesepastoral’ gebräuchlichen Termini ‘religiöse Literatur oder gar ‘religiöses Buch’ bleiben vollends opak, wird doch in der Theologie und in der kirchlichen Schrifttumsarbeit die Kunstliteratur seit jeher nur als Teilbereich von ‘Schrifttum’ oder ‘Literatur’ verstanden. Die gegenwärtige Diskussion um eine zeitgenössische ‘Buchpastoral’ gibt den Begriff der christ- lichen Literatur zwar zugunsten des Begriffs einer „religiösen Lektüre“9 auf, aber die Begrün- dung dafür zeigt, dass - wie bei Motté - nicht die Sache neu bestimmt wird, sondern nur ein Vor- urteile evozierender Begriff, der den Zugang erschwere: „Junge Leute, Männer, Vertreter des sogenannten katholischen Bildungsbürgertums machen einen weiten // Bogen um Erbauungs- schriften, Glaubensbücher, Heiligenlegenden, christliche Erzählungen und fromme Kleinschrif- 5 Ebd. 6 Dazu ausführlicher Kap. F.2.a.i. Allerdings scheint sich diese Auffassung durchzusetzen. Josef Imbach beispiels- weise schreibt im ‘Wörterbuch des Christentums’ (1988/1995): „Die ‘traditionelle’ christliche Literatur der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wurde zu einem guten Teil von Schriftstellern geschrieben, die sich als Christen verstan- den und sich in ihrem Werk direkt oder indirekt mit den großen Themen des christlichen Glaubens auseinandersetz- ten. [...] Diese Art der ‘traditionellen’, vorwiegend von christlichen Inhalten und Themen und deren orthodoxer Darstellung bestimmten christlichen Literatur gehört inzwischen der Literaturgeschichte an.“ (ebd., S. 212) 7 Motté 1985, 411//412. 8 Dazu ausführlicher Kap. C.4.a. 9 Muth 1999, 182. - F.1.a - 424 ten. Gehemmt wird der Zugang zu diesem Literaturangebot noch durch massive Vorurteile, die nicht nur bei Kirchenfernen anzutreffen sind. Die ekklesiologischen Wurzeln dieser Vorurteile sind unverkennbar. Solche Hürden erschweren es dem geistlichen Schriftsteller und dem konfes- sionellen Verleger außerordentlich, aus dem Binnenraum auszubrechen und, wie es Carl Muth bereits 1898 gefordert hat, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, mitzuarbeiten, Ein- fluß zu gewinnen.“10 Dass im Kontext der hier zitierten Überlegungen von Ludwig Muth nicht die Sache, sondern der Begriff zur Disposition gestellt wird, zeigt nicht nur die Berufung auf Carl Muth, sondern auch darin, dass die (alte) Frage nach dem, was christliche Literatur ausmache, in ein neues Gewand gekleidet wird: Das Literarische ist nicht mehr produktions-, sondern rezeptionsästhetisch be- stimmt; der Interessensfokus richtet sich also nicht mehr auf das literarische Werk, sondern auf dessen Lektüre. Die Fragestellung indes bleibt die gleiche, wie sie in der traditionellen Litera- turtheologie seit den fünfziger Jahren erörtert worden war: Es stelle sich „die Frage, was eigent- lich das Religiöse an einer Lektüre ausmache. Läßt es sich überhaupt noch nach Literatursorten beschreiben und nach bibliothekarischen Merkmalen verorten oder entsteht es erst in der Gesin- nung, in der einer liest? Dann käme es mehr auf das Wie als auf das Was der Lektüre an, dann wäre die Entwicklung einer spirituellen Rezeptionsfähigkeit wichtiger als das beflissene Vorsor- tieren von Texten.“11 Zusammengefasst: Auf der einen Seite beschränkt sich die gegenwärtige Literaturtheologie auf Literatur, die theologisch von Bedeutung ist, auf der anderen Seite pflegt sie eine begriffliche Ungenauigkeit: Der Begriff wird zwar wegen seiner historischen Konnotationen als dysfunk- tional verworfen, nicht aber wegen seiner Semantik. Damit bleibt er im literaturtheologischen Diskurs präsent, und die Nachfolgekonzepte (Theopoesie, Lesepastoral etc.), die den Begriff ‘christliche Literatur’ fortführen bzw. ersetzen sollen, schreiben zugleich dessen ambivalenten theoretischen Status fort. Auch die Unterscheidung von implizit und explizit christlicher Litera- tur - ausführlich entwickelt von Hubertus Halbfas12 und im literaturtheologischen Diskurs viel- fach aufgegriffen - hebt die grundsätzliche Ambivalenz des Begriffs nicht auf: Sie tendiert zur Begriffsjonglage, die nur deshalb funktioniert, weil ‘die christliche Literatur’ in den fünfziger Jahren einen fest umrissenen Kanon bedeutete, also eine Etikettierung im literarischen Betrieb war. Die bisherige Untersuchung zeigt nämlich, dass auch die avancierte Literaturtheologie - bei aller Neubewertung der Profanität - ihr Augenmerk vornehmlich auf solche Autoren richte- te, die ihrerseits einer religiös relevanten Literatur das Wort reden oder aber eine religiöse Thematik entfalten.13 So liegt die Vermutung nicht fern, dass der Begriff der ‘implizit christli- 10 Ebd., 183. 11 Ebd.. Bezeichnend für den ambivalenten Status des Begriffs ist, dass er in der folgenden Voranzeige des Herder- Verlags zwar ausgelassen ist, aber (als historische Beschreibungskategorie) präsent bleibt: „Gerhard Kaiser inter- pretiert - als Literaturwissenschaftler - Dichtungen auf ihre Eigentümlichkeit und den innerliterarischen Stellenwert ihrer Christusbezüge hin. In dieser Hinsicht ist das Werk ein Beitrag zur Literaturwissenschaft. Interpretierend geht er jeweils bis an den Punkt, wo ihn - als Christen - auch nichtchristliche oder antichristliche Dichtungen provozie- rend in Anspruch nehmen. In dieser Hinsicht ist das Werk ein Appell an Christen, sich der Herausforderung der Moderne zu stellen.“ (Verlagsanzeige in Muth 1999. Interpretiert sind bei dem angezeigten Werk Bidermann, Lenz, Schiller, Hölderlin, Büchner, Keller, C.F.Meyer, Raabe, Trakl, Dürrenmatt, Borges, Celan und Dorst). 12 Halbfas 1984, hier insbesondere 230ff. Die Kategorien des ‘expliziten’ bzw. ‘impliziten theologischen Potentials von Literatur sind bereits bei Rousseau 1976 erörtert (vgl. dazu Kap. C.3.b.). 13 Bei Dorothee Sölle richtete sich das Interesse auf die Realisation christlichen Gedankenguts, und diese Realisation wurde im literaturtheologischen Diskurs zunehmend auf die Authentizität künstlerischen Schaffens bezogen. Vgl. etwa Focke 1976. - F.1.a - 425 chen Literatur’ - metatheoretisch ohnehin von geringer Prägnanz - lediglich die Option für eine zeitgemäßere christliche Literatur offenhalten soll und im übrigen dazu dient, die Klippen einer definitorischen Festschreibung zu umschiffen.14 Es handelt sich also, wenn ich die Diskussion um christliche Literatur hier erneut aufgreife, mit- nichten um ein - wie es Kuschel 1982 formulierte - „rührendes, wissenschaftsgeschichtlich wie erkenntnistheoretisch aber unfruchtbares und methodisch fragwürdiges Unternehmen“.15 Un- fruchtbar und fragwürdig ist diese Diskussion nur aus der Teilnehmerperspektive. Gerade Kuschel führt nämlich in dem zitierten Aufsatz von 1982 eine Dialektik vor, an der die argumentativen Beschränkungen einer literaturtheologischen Teilnehmerperspektive deutlich werden: Zum einen bestätigt er, dass es eine christliche Literatur gebe, die „ein sich als Christ bekennender Autor unter Verwendung signifikanter, vom Rezipienten auch als solche wahr- nehmbarer Kriterien des Christlichen“16 schreibe. Dann wieder heißt es, die Frage nach christli- cher Literatur könne nur als eine kriteriologische auf der Suche nach dem „authentisch Christli- chen“17 behandelt werden. Die Probleme, die sich aus einer solchen zweifachen, sowohl des- kriptiven als auch normativen Zuordnung ergeben, vermag Kuschel - unter Rekurs auf Küngs Bestimmung von ‘Person und Sache Jesu Christi’ - nur mit der Kategorie des ‘faktisch Christli- chen’ zu erfassen. Die Ambivalenz nun, die darin besteht, dass die Beschreibungskraft der Kate- gorie durch ihre Zweckbindung überformt wird, erklärt Kuschel - unter den Stichworten „Dialektik“18 und „Paradoxie“19 - zur besonderen Qualität seines Ansatzes. Völlig zu Recht hat Kranz auf die hermeneutische Haltlosigkeit von Kuschels Vorgehen hingewiesen und dessen Ge- neralisierung einer einzelnen theologischen Auffassung als „naiv“20 und ahistorisch kritisiert. Kuschel wiederum ging - in der Art eines ‘Contra principia negantem non est disputandum’ - auf Kranz’ grundlegende Kritik an seiner Prämisse allenfalls beiläufig ein.21 14 Vgl. Mieth 1976, 18: „Christliche Dichtung prinzipiell für unmöglich zu halten, ist kaum gestattet, wenn anders man marxistische, strukturalistische, existentialistische Dichtung für möglich hält. Deshalb ist nicht ausgeschlossen, daß explizite christliche Dichtung - implizit wird es sie ohnehin weiter geben - in anderer Gestalt wiederkehrt.“ Die Möglichkeiten einer zukünftigen christlichen Literatur erörterte auch Kurz 1971 (zu diesem katholischen Topos vgl. ausführlicher Kap. E.3.a). 15 Kuschel 1982, 739. Diesen Satz widerlegte Kuschel selbst schon dadurch, dass er die Existenz einer christlichen Literatur für prinzipiell möglich hielt. Ähnlich auch Ursula Baltz, die die Frage nach einer christlichen Dichtung als ein „Scheinproblem“ (Baltz 1983, 274) bezeichnete und diese Setzung folgendermaßen begründete: „Christliche Elemente können ohne expliziten Bezug auf die christliche Tradition literarisch erscheinen, ebenso kann das Christ- liche auch in einer nicht-religiösen Gestalt die Dichtung durchdringen, und die Aufgabe einer Theologie, der an einer nicht-religiösen Interpretation liegt, wäre die Entdeckung dieser Spuren.“ (Baltz 1983, 274) Es bleibt offen, warum diese Art von Literatur die Existenz einer christlichen Literatur widerlegen sollte. 16 Kuschel 1982, 740. 17 Ebd. 18 Ebd., 743. 19 Ebd. 20 Ebd., 282. 21 „Letztlich geht es also in der Debatte um die christophorische Literatur um einen Streit darüber, wie das genuin Christliche in unserer Zeit verstanden werden kann.“ (Kuschel 1982) - F.1.b - 426 b) Zum literaturwissenschaftlichen Gebrauch des Begriffs In der gegenwärtigen literaturwissenschaftlichen Diskussion dient der Begriff ‘christliche Lite- ratur’ (oder katholische/evangelische Literatur) zumeist als Synonym für die christliche Ka- nonliteratur, als systematisch beschreibender Begriff dagegen begegnet er, wie der Blick in die neueren germanistischen Fachbibliographien zeigt, eher selten. Dass er als Begriff literaturtheo- logischer oder gar literaturwissenschaftlicher Kategorienbildung nicht mehr hinlänglich zu funktionieren scheint, erweist beispielsweise die methodische wie inhaltliche Bandbreite der Beiträge in dem neueren Sammelband ‘Die Bibel in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts’.1 Allerdings scheint der Bedeutungsverlust des Terminus’ in der säkularen Lite- raturwissenschaft aus der in den vorigen Kapiteln beschriebenen Theorieentwicklung der Lite- raturtheologie zu resultieren. Als hinreichendes Indiz dafür kann gelten, dass sämtliche Lexi- konartikel zu christlicher Literatur von Literaturtheologen geschrieben sind oder dass sie litera- turtheologische Theoreme übernehmen. Im neuen ‘Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft’ von 1997 dagegen, das „eine lexi- kalische Darstellung des Sprachgebrauchs der Wissenschaft, d.h. des Faches ‘Deutsche Litera- turwissenschaft’“2 anstrebt, fehlt der Begriff als Lemma völlig. Diese Auslassung mag von der lexikographischen Intention her zu begründen sein. Die literaturwissenschaftliche Marginalisie- rung des Begriffs, für den sie stellvertretend steht, zeitigt allerdings prekäre Folgen: Die Do- minanz literaturtheologischer Deutungsmuster führt dazu, dass literaturwissenschaftliche Arbei- ten über religiöse Literatur Deutungsmuster übernehmen, deren Problematik sie nicht reflektie- ren. Eine Ausnahme bildet hier die außerordentlich differenzierte Arbeit Elisabeth Grözingers über ‘Dichtung in der Predigtvorbereitung’.3 Der Slawist Wolfgang Schriek hingegen stellte 1987 seiner Untersuchung des russischen Autors Ivan Šmelëv eine kurzgefasste Definition von christlicher Literatur voran, die sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die diesbezüglichen Auffassungen der Literaturtheologen Gisbert Kranz und Walter Nigg zu kompilieren. Ein eher undistanziertes Verhältnis zu religiöser Literatur verrät schon der Satz, mit dem Schriek die erwähnte Kompilation einleitet: „Ein religiös geprägtes literarisches Werk [...] steht unabhängig vom kulturgeschichtlichen und religiösen Hintergrund den geistigen Gesetzen des Kosmos grundsätzlich positiv gegenüber, an- erkennt die reale Existenz einer überweltlichen, übergeordneten, göttlichen, numinosen, ge- heimnisvollen, wahren, offenbarenden, heiligen, sittlichen Kraft, weiß um die religiöse Erfah- rung und Einswerdung des Menschen mit dieser Kraft [...]“.4 1 Schmidinger et al. 1999. 2 Ebd., VII. 3 Grözinger, E. 1992, hier insbesondere S. 61ff. 4 Schriek 1987, 43. - F.1.b - 427 Für eine Betrachtungsweise, die - als Human- oder als Kulturwissenschaft - menschliche Kul- turpraxis in ihrer Komplexität begrifflich zu erfassen sucht und über die immanentistische Fo- kussierung auf religiöse Dimensionen des Einzeltextes hinaus auch die Umgangsweisen mit Literatur in den Blick nimmt, ist ein solcher Gebrauch des Begriffs ‘christliche Literatur’ pro- blematisch: Die theoriegeleitete Beschreibung gerät unter der Hand zur Akklamation, die be- stätigend auf die dem Werk angeblich innewohnende Heilsgerichtetheit hinweist. Es ist also an der Zeit, den theoretisch geleiteten Gebrauch des Begriffs ‘christliche Literatur’ zu klären. Dass er als erkenntnisleitende Interpretationskategorie nur bedingt taugt, hat der Dis- kurs der avancierten Literaturtheologie erwiesen. Wie nun wäre er als literaturwissenschaftliche Kategorie denkbar, mit deren Hilfe literarisches Handeln zu beschreiben wäre? Abschließende Gedanken dazu entwickle ich in den folgenden Kapiteln. - F.2.a - 428 2 Christliche Literatur systematisch a) Probleme literaturtheologischen Definierens An den Versuchen, christliche Literatur zu definieren, ist oft Kritik geäußert worden, vor allem von Autoren, die sich gegen ein entsprechendes Etikett wehrten.1 Diese Kritik greift jedoch zu kurz. Die Frage nach der Definition von christlicher Literatur ist nämlich keineswegs willkür- lich oder gar beliebig. Vielmehr steht, wie in den letzten Kapiteln gezeigt, die Literaturtheolo- gie in der Notwendigkeit, ihren Gegenstandsbereich gerade aus dem Grunde zu definieren, weil sie ihn abgrenzen muss,2 und natürlich impliziert die Frage, was christliche Literatur ist, auto- matisch, welcher Autor dazuzurechnen ist und welcher nicht. Folglich finden sich in entsprechenden Arbeiten öfter die Metapher eines ‘Bereichs’ christlicher Literatur, zu dem der ‘Kernbereich’ und ‘Randbereiche’ gehören.3 Diese Metaphorik, zu der auch das im literaturtheologischen Diskurs beliebte Bild des ‘Grenzgängers’ gehört,4 beruht auf dem eingangs dargestellten Konstrukt einer antagonistischen Entgegensetzung von Literatur und Glauben und ist, literaturwissenschaftlich gesehen, unergiebig, weil entsprechende Zuschrei- bungs- bzw. Zuordnungsakte allenfalls dogmatisch, aber nicht phänomenologisch begründet wer- den können. Die Metapher von Kernzone und Randbereich findet sich noch in den neueren diskurstheoreti- schen Arbeiten von Wolfgang Wiesmüller über ‘religiöse Intertextualität’. Zwar ist hier die je- weilige Zuordnung präziser begründbar als bei Kranz, der alleine mit theologischen Kriterien ar- gumentiert.5 Allerdings ließ auch der Diskurstheoretiker Wiesmüller die Frage unbeantwortet, welchem Zweck es dienen sollte, ein „Zentrum, in dem das Kriterium der ‘Referentialität’ ma- ximal, das der ‘Dialogizität’, minimal erfüllt ist“,6 von einer „Randzone“ zu unterscheiden, „in der beide Kriterien, also auch das der ‘Dialogizität’ hoch eingelöst sind.“7 Auch in seinem Aufsatz von 1995 benannte Wiesmüller lediglich drei entsprechende Kategorien: ‘Das Zentrum’, ‘Der Rand’ und ‘Jenseits des Glaubens’.8 Wiederum ließ er die Problematik der Metaphorik von ‘Rand’ und ‘Zone’ unerörtert: Ein ‘Rand’ als solcher ist zwar angenommen, aber nicht so genau spezifiziert, dass sich daraus ein übertragbares Zuordnungs- bzw. Abgrenzungs- schema ergäbe. Nun ließe sich einwenden, dass jegliches Interpretieren nicht nomothetisch, son- dern idiographisch vorgehen, dass also jedes literarische Werk nach den darin immanenten Kri- terien beurteilt werden müsse. Dann allerdings wäre die Rede von den ‘Rand-bereichen christli- cher Literatur’ widersinnig. Wiesmüller selbst sah den Ertrag seiner Untersuchungen darin, dass sie etwaige theologische oder religiöse Fehlinterpretationen verhindern helfen könnten. In der Tat geht das aus den Kate- gorien, die er entwickelt (‘affirmative’, ‘kritische’ und ‘indifferente Lyrik’), nachvollziehbar her- vor. Die Frage allerdings, warum es für die Abwehr von theologischen Fehlinterpretationen eine kritisch-qualifizierende Zuordnung braucht, reflektierte Wiesmüller nicht, möglichweise deshalb nicht, weil solches Zuordnen in einer längeren literaturtheologischen Tradition steht. Bereits 1 Vgl. etwa die Beiträge von Autoren in Linnerz 1960. 2 Insofern erfasst auch Susanna Schmidt die Problematik ihres Gegenstandes nicht, wenn sie schreibt: „[...] das Anliegen, die ‘christliche’ Literatur darstellen zu wollen, steht unter dem Zwang, eine Geschlossenheit und ein Kon- tinuum zu konstruieren, die sowohl dem modernen Autonomieanspruch von Kunst wie auch der Komplexität des einzelnen Werkes zuwiderlaufen“ (Schmidt, S. 1994, 13). Die Definition von christlicher Literatur ist nicht ‘Anliegen’, sondern immanentes Strukturproblem traditioneller Literaturtheologie. 3 Beispielsweise Bourbeck 1947, 7 oder Kranz 1987, 19. 4 Etwa Sichelschmidt 1976 oder Schäfer, J. 1996. 5 Kranz 1987. 6 Wiesmüller 1998, 285 (Zeichensetzung im Original). 7 Ebd. (Zeichensetzung im Original). 8 Vgl. Wiesmüller 1995. - F.2.a - 429 1960 hatte Karl Moritz aus der Sicht des Lehrers über die Möglichkeit reflektiert, „[...] inwieweit der Schüler im einzelnen Fall fähig ist, christliche Dichtung, auch wenn sie äußerlich nicht als solche auftritt, zu erkennen. Hier liegt eine der Hauptschwierigkeiten, aber auch zugleich die entscheidende Aufgabe für die Beschäftigung mit Fragen der christlichen Dichtung im Deutschunterricht der Höheren Schule.“9 Auch Moritz ließ die Frage unerörtert, warum es wichtig sein sollte, christliche Literatur als solche zu erkennen. Der Diskurs der traditionellen Literaturtheologie, die Erörterung des Wesens und der Funktion christlicher Literatur, beruht auf der grundlegenden Annahme, dass christliche Literatur als solche essentiell zu definieren sei. Wie ich jedoch im Folgenden aufzeige, laufen diese Defini- tionsversuche ins Leere, weil sie zwar ein Korpus existierender Literatur beschreiben, aber keine Kriterien enthalten, die eine zuverlässige Zuordnung zu diesem Korpus erlauben. Mit anderen Worten: Es handelt sich bei den Definitionsversuchen um Zuschreibungsphänomene, und diese sind wohl theologisch begründbar, nicht aber literaturwissenschaftlich.10 Ihre me- thodische Relevanz für ein literaturwissenschaftliches Interesse ist deshalb näher zu erörtern. (i) Das Christliche als literarischer Stoff Im literaturtheologischen Diskurs wird das Stoffliche weder als notwendiges noch als hinrei- chendes Kriterium christlicher Literatur gesehen.11 Kritisiert wird jedoch nicht der christliche Stoff als solcher, soweit er nicht „allzu bewußt zur Schau“12 getragen wird, sondern dessen Schwundformen, pejorativ bestimmt als ‘christliches Versatzstück’, „christliche Requisiten“13 etc.. Funktional sind solche Wertzuschreibungen auf zwei Ebenen zu betrachten. Zum einen grenzen sie sich gegenüber einer christlichen Milieuliteratur ab, für die ein christlicher Stoff in der Tat derart konstitutiv ist, dass sie in diesem geradezu aufgeht, sich in diesem formelhaft-iterativ er- schöpft.14 Zum anderen verweisen sie auf die Säkularisierung, die die Einheit des christlichen Deutungshorizontes preisgebe und das Christliche nur noch als bloßen Dekorwert verwende. Man könnte sagen: Der literarisch gestaltete christliche Stoff ist - in säkularen literarischen Zusam- menhängen - entpragmatisiert, setzt also seine Rezipienten nicht mehr in ein bestimmtes religiös kodifiziertes Bedingungsverhältnis. 9 Moritz 1960, 65. 10 Dass die Frage nach der christlichen Literatur „nicht etwas Objektives, sondern ein Modus deficiens, ein Wunsch“ ist, deutet auch Hohoff an (Hohoff 1966, 11), zieht daraus jedoch andere methodische Schlussfolgerungen als ich. 11 Jedenfalls für neuere christliche Literatur, nicht hingegen für die Unterscheidung von mittelalterlicher geistlicher und weltlicher Literatur. Vgl. dazu ausführlicher Kranz 1987, 72ff. 12 Nigg 1966, 11. 13 Kranz 1963a, 299. 14 Das Thematische steht hier pars pro toto für das Christliche. Vgl. dazu folgende zeitgenössische Einschätzung von Paul Wanner: „Der Lehrer, dem eine derartige Geschichte mit der Bitte um Beurteilung vorgelegt wird, kann dabei noch eine Erfahrung machen: wie groß der Kredit ist, den ein Teil unserer jungen Menschen Werken mit religiöser Thematik schenkt, und wie dornenvoll das Bemühen, ihnen die Spreu vom Weizen sondern zu helfen; ein Einwand gegen das Werk wird da fast immer als ein Einwand gegen den Glauben empfunden, wie man das ja auch in der Öffentlichkeit oft erleben kann.“ (Wanner 1955, 83) - F.2.a - 430 In zweierlei Hinsicht also dient geläufige Abwehr des rein Stofflichen für die Bestimmung christlicher Literatur der abgrenzenden Setzung. Allein aus sich heraus ist sie nämlich keines- wegs sinnfällig, geschweige denn begründbar.15 (1) Die ‘zur Darstellung gelangte geistige Haltung’ Wie die Untersuchung gezeigt hat, argumentiert die katholische Literaturtheologie vornehmlich mit der Darstellungsfunktion von Literatur. Otto Mann beispielsweise attestierte den katholi- schen Schriftstellern, sie verfielen „weniger dem privaten Fühlen, dem subjektiven Meinen und Wähnen. [...] Ihr Bild von der Welt ist sinnenhafter, weniger durch Philosophie und Lyrismus zersetzt“16 - eine in der traditionellen Literaturtheologie geläufige Vorstellung. Sie lässt aller- dings rezeptionsästhetische Gesichtspunkte außer Betracht, weil sie die Unterscheidbarkeit von Objektivität und Subjektivität voraussetzt. Tatsächlich handelt es sich hier nicht um eine onto- logische Werkqualität, sondern eine Zuschreibungskategorie. Unerörtert bleibt nämlich die Frage, ob sich eine literarisch dargestellte Weltdeutung adäquat von jemandem erfassen lässt, der - in anderer Weise religiös sozialisiert als der Autor oder der Interpret - diese Weltdeutung nicht teilt. Krzywons Kategorie der ‘literaturtheologischen Kompetenz’ läge hier nahe; sie ist jedoch, wie ich weiter oben gezeigt habe, wegen ihres implizit normativen Anspruchs als inter- subjektives Kriterium ungeeignet.17 (2) Die formale Struktur So sinnvoll es sein mag, christliche Versatzstücke als unterscheidendes Merkmal christlicher Literatur abzulehnen, so wenig lässt sich die Unterscheidung zwischen ‘christlichen Versatz- stücken’ und ‘christlicher Thematik’ interpretatorisch stichhaltig begründen, geschweige denn eine Unterscheidung von christlicher Literatur „im engeren und im weiteren Sinne“, und zwar je „ nach dem Maße, wie christliches Denken und Leben Grund und Bau der Dichtung be- stimmt“.18 Alle solche Zuschreibungen beruhen auf einer entsprechenden Intuition, und diese ist - wie sich etwa bei der theologischen Rezeption der ‘Blechtrommel’ gezeigt hat19 - von der Person des Interpreten und seinem erkenntnisleitenden Vorverständnis abhängig. Das gleiche gilt für Interpretationen, die einem Stoff eine implizite Christlichkeit bescheinigen. 15 Wenn man beispielsweise die Definition Wilperts zugrundelegt, der in seinen ästhetischen Auffassungen der tradi- tionellen Literaturtheologie durchaus nahesteht und das literarisch Dargestellte nicht von dessen Darstellungsform trennt. Stoff ist hier definiert als „der rein sachliche Vorwurf, die Fabel [...] als erzählbarer ‘Inhalt’, in dem die geistige Haltung durch die Form zur Darstellung gelangt und das Motiv seine einmalige, an Personen, Ort und Zeit und Begleitumstände gebundene Ausprägung erhält“ (Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, erweiterte 6. Auflage 1979, S. 791). 16 Mann 1968, 40. 17 Vgl. Kap. B.1.b. 18 Grenzmann 1963, 27. 19 Auf die gegensätzlichen Standpunkte von Regina Ammicht Quinn und Karl Josef Kuschel gehe ich in Kap. F.2.a.iii ausführlicher ein. - F.2.a - 431 Kranz beispielsweise zitierte C.S.Lewis mit den Worten, von „60 Kritikern hätten nur zwei ver- standen, daß ‘der Krumme’ in seiner Weltraumtrilogie der Teufel sei.“ und setzt hinzu: „Vorausgesetzt, der Autor verwendet nicht das übliche Vokabular, nehmen die Leser christliche Ideen und Vorstellungen auf, ohne sie als solche zu erkennen.“20 Führt man jedoch diesen Ge- danken weiter aus, dann wäre etwa der ‘Prolog in der Hölle’ in Ian Flemings Roman ‘Liebesgrüße aus Moskau’, den Eco als literaturgeschichtliches Zitat benannt hat,21 auch als re- ligiöse Metapher deutbar. Die (literaturtheologische) Rede von den Requisiten lässt zudem unberücksichtigt, dass ein christlicher Stoff nicht nur additiv, sondern auch strukturell funktional verwendet werden kann, über eine christliche Konnotierbarkeit von Figuren, Figurenensembles oder Handlungsschemata hinaus. So kann ein explizit christlicher Stoff - hier im Sinne von ‘kirchlicher Atmosphäre’, ‘kirchlichem Milieu’, ‘kirchlichen Handlungsträgern’22 - ein Kolorit schaffen oder verstärken23 oder den ‘plot’ motivieren.24 Zwar erlaubt eine solche ‘strukturelle Christlichkeit’ nicht, Litera- tur als christlich zu bestimmen.25 Richtig ist jedoch auch der Umkehrschluss: sie erweist auch nicht eo ipso ihre Nicht-Christlichkeit. Eine Setzung beispielsweise wie die von Paul Konrad Kurz, dass sich bei Ecos Roman ‘Der Na- me der Rose’ eine Entchristlichung zeige,26 ist nicht valide. Eine Falsifizierung bestünde darin, anzunehmen, dass sich der Roman auch als eine Aussage über das Christentum lesen lässt. Dann wäre Kurz’ Bestimmung lediglich die (christliche) Auffassung eines Lesers, die der Auffassung eines anderen (möglicherweise des Autors) entgegengesetzt ist. Ich komme also auf die Kategorie der Entpragmatisierung zurück: Ein christlicher Stoff wird erst dann zum unterscheidenden Merkmal christlicher Literatur, wenn die entsprechende Perlo- kution ‘funktioniert’. In diesem Zusammenhang - das hat die bisherige Untersuchung gezeigt - kommt der Autorintention eine zentrale Rolle zu. Das ist im nächsten Kapitel genauer zu unter- suchen. 20 Kranz 1987, 36. 21 Vgl. Eco 1984a, 306. 22 Ich greife hier einen Gedanken von Curt Hohoff auf, den dieser allerdings nur anreißt: „In den Erzählungen und Romanen unserer Gegenwart ist das Christliche ein diffuser, ungreifbarer Stoff geworden, eine Atmosphäre, ein Geruch, die ihre Reize haben, oder es ist Brauchtum, Name, Pathos, historische Kulisse und moralische Klamotte. [...] Das Christliche erscheint hier in seiner allgemeinsten, ja plattesten Form, niemals dynamisch, nie als Kern der Ereignisse, als Antrieb der Handlung, sondern in allgemeinen Betrachtungen, und diese sind fast immer wertend, mißtrauisch oder ironisch.“ (Hohoff 1966a, 397). Meine Aufgliederung zeigt, dass das Christliche als ‘Antrieb der Handlung’ noch nicht als Bestimmungsmerkmal von christlicher Literatur dienen kann, wie dies Hohoff unterstellt. 23 Sinnfälliges Beispiel wäre hier Robert Schneiders Roman ‘Schlafes Bruder’. 24 Die Beispiele sind hier zu mannigfach. Marginal im bisherigen literaturtheologischen Diskurs waren Panizzas ‘Liebeskonzil’ (1894) oder Ecos ‘Name der Rose’ (1982); gänzlich unerwähnt blieben die Romane ‘Ein Verrückter’ (Josef Ruederer, 1894) oder ‘Dein Sohn lässt grüßen’ (Ulrich Schamoni, 1962). 25 Das belegt schon die Prägekraft, die eine religiöse Erziehung auf künstlerisches Schaffen haben kann (vgl. dazu ausführlicher Schnedl-Bubenicek 1984, 242ff.). 26 Vgl. Kurz 1996, 119 (vgl. dazu auch Kap. C.4a.i). - F.2.a - 432 (ii) Christlicher Autor Nur scheinbar ist im literaturtheologischen Diskurs die Problematik, christlich Literatur anhand eines christlichen Stoffes zu bestimmen, aufgehoben in der Person des Autors als Christ. Ver- schiedene Ansätze in dieser Hinsicht sind immer wieder vorgeschlagen worden, ohne dass sie forschungspraktisch zu realisieren wären. Zu falsifizieren sind sie relativ leicht. 1. Der christliche Status eines Werks ist im Diskurs der traditionellen Literaturtheologie verschie- dentlich mit dem Sakrament der Taufe begründet worden.27 Diese Zuschreibung ist aus nicht- theologischer Sicht weder zu veri- noch zu falsifizieren. Dass allerdings eine Qualifizierung von Literatur mittels der Kategorie des Sakraments wenn nicht theologisch, so doch logisch heikel ist, erhellt aus der vorsichtigen und einschränkenden Wendungen, mit denen sich der Protestant Heinz Beckmann dem ‘Sakraments-Argument’ gewissermaßen in elliptischen Spira- len annähert: Es solle „nicht behauptet werden, daß jeder getaufte Christ, dem die Gabe des Schreibens anver- traut wurde, sozusagen ex natura nur christliche Literatur schreiben könne. Die möglichen Ge- genbeweise gegen eine solche Behauptung wären schlechthin erdrückend. Aber es hieße doch von der Taufe und vom Heiligen Abendmahl gering denken, wenn wir die Möglichkeit ausschlie- ßen wollten, daß sie auch in der Literatur wirk-// sam werden. Falls wir aber auf eine solche Wirkung, die uns im übrigen Bereich der menschlichen Existenz nicht zweifelhaft sein darf, auch innerhalb der Literatur gefaßt sein müssen, dann finden wir uns abermals zu der Feststellung genötigt, daß eine derartige Literatur sich, ohne jede Absicht oder Tendenz, von aller übrigen Literatur unterscheidet.“28 Genau betrachtet argumentierte Beckmann widersprüchlich: Dass Taufe und Abendmahl im menschlichen Handeln wirksam werden, bezeichnete er zunächst als notwendige Bedingung (‘wenn wir die Möglichkeit ausschließen wollten’), um dann aber diese von einem entsprechen- den Zuschreibungsakt abhängig zu machen (‘nicht zweifelhaft sein darf’). Eine Dichotomie von christlicher und nicht-christlicher Literatur lehnte Beckmann expressis verbis zwar ab, setzt sie aber trotzdem implizit voraus (‘daß eine derartige Literatur sich ... von aller übrigen Literatur unterscheidet’). Auch im katholischen Kontext, wo nicht mit der ‘Wirksamkeit’, sondern mit dem Gesetz argu- mentiert wird, ist die Begründungsinstanz des Sakraments diesseits einer dogmatischen Quali- fikation nicht valide. So lautet etwa Alois Winklhofers vielzitierter Satz:29 „Nie schreibt einer, der einmal Christ war und glaubte, wie einer, der es nie war; ich spreche hier als Theologe und lege das christliche Verständnis der Taufe und des Glaubens zugrunde. Auch wenn einer abgefallen und sein Glaube scheinbar ganz erstorben ist, bleibt er unter dem Gesetz, das ihn einmal durchdrungen hat.“30 27 Auf die in der literaturtheologischen Diskussion oft bemühte drastische Formulierung Rudolf Bultmanns, es sei „mißbräuchlich, von ‘christlicher’ (...) Kunst zu reden: denn eine ‘christliche’ Methode gibt es auf allen diesen Gebieten des Geisteslebens nicht. Es gibt wohl christliche Schuster, aber keine christliche Schuhmacherei.“ (Bultmann, Humanismus und Christentum, 1968, S. 137f.; zit. Baltz 1983; S. 271) brauche ich hier nicht einzuge- hen, sie ist, auch wenn sie in neueren Arbeiten verschiedentlich unkritisch reproduziert wird, längst hinlänglich wi- derlegt (etwa bei Krzywon 1973a, 674; jüngst auch bei Siller 1994, 65ff.). 28 Beckmann 1960, 16//17. 29 Vgl. dazu Kap. C.1.b.i. 30 Winklhofer 1960, 144. - F.2.a - 433 Mit dem ‘Gesetz, das den Christen durchdringt’ ist das Taufsakrament gemeint, dessen Wirk- samkeit aber weniger auf kirchenrechtliche Sanktionierungsgewalt - auf die insbesondere der letzte Satz hinweist - zurückzuführen ist, sondern vor allem auf eine kirchlich gebundene reli- giöse Sozialisation. Diese allerdings ist als Kriterium nur bedingt gültig, war es doch in der Geschichte des Christentums gerade die vielfältige blasphemische Literatur, die ihre Genese einem intimen Vertrautsein religiöser Symbolik verdankt, wie man es nur mit einer entspre- chenden Sozialisation erwirbt - von der kritischen Auseinandersetzung mit einer solchen So- zialisation (exemplarisch etwa Thomas Bernhard31 ) ganz zu schweigen. Allenfalls die positive Qualifizierung als „Heimvorteil“, den „eine katholische Kindheit und Er- ziehung im ländlich-barocken Süden unserer mausgrauen Republik“32 darstelle, führt hier wei- ter. Jedoch lässt sich das scheinbar deskriptive Kriterium der „Differenz einer kulturellen Land- schaft“33 leicht ins Apologetische wenden, wenn nämlich „die lebensweltliche Einrichtung der Religion“34 als Verpflichtung für den einzelnen Gläubigen gedeutet wird, gegen eine gleichgülti- ge bis feindliche Gesellschaft prononciert für das kirchlich gebundene Lebensmodell einzuste- hen.35 2. Über das Argumentieren mit dem Sakrament tendieren viele Zuschreibungen einer religiösen Intention ins Beliebige. In der traditionellen Literaturtheologie nämlich zeigt sich die Tendenz, dem Autor die individuelle Konfessionsfähigkeit abzusprechen, wenn man den in Literatur aufweisbaren „nachwirkenden Katholizismus“36 lediglich als ein Apostatentum beschreibt, das die Rechenschaft über sich selbst verweigere. In unterschiedlicher Schärfe sind solche naiven Psychologismen im literaturtheologischen Dis- kurs geläufig, entweder als „forsche Aufgeklärtheit, die ständig zurückblickt in ein verlorenes Paradies“,37 oder als Kampf, zelotisch überspitzt und in schiefer Metaphorik38 etwa bei Al- brecht Schaeffer: „Ja, jeder weiß Gott, und nagelt er noch so grimmig den Deckel seines Be- wußtseins darüber, und bringt es bei jenem nur die Not oder Todesfurcht oder was es auch sei, und bringt es bei manchem keine Macht fertig, den Deckel zu sprengen: Gott ist drin.“39 Auch protestantische Autoren sind vor solchen Deutungsmustern nicht gefeit, wenn auch nicht auf den göttlichen Heilsplan bezogen, sondern - wie etwa Bahr bei Gottfried Benn konstatiert - auf die „Solidarität mit dem evangelischen Christen“ bezogen.40 31 Vgl. dazu ausführlicher Schnedl-Bubenicek 1984, 242ff. 32 Gerhard Köpf: Der Kühlmonarch, in: Rowohl LiteraturMagazin 29, S. 100; zit. nach Schmidt, S. 1994, 210. 33 Stock, A. 1997, 126. 34 Ebd. 35 Wiederum bei Alex Stock: „Ich kann nur die Weltlandschaft, in die ich durch Zufall geraten bin, entdecken, Ent- deckungen mitteilen, Schönheit gegen Mißbrauch und Verrottung verteidigen.“ (Stock, A. 1997, 126). 36 Ross 1968, 139. 37 Ebd.. Gemeint sind hier Mary McCarthy (‘Eine katholische Kindheit’) und Günter Grass (‘Katz und Maus’). 38 Schaeffer deutet ein altes literarisches Motiv um, dass nämlich das Böse vor der Welt verschlossen wird (‘Büchse der Pandora’, Gotthelfs ‘Schwarze Spinne’ etc.). 39 Albrecht Schaeffer, Dichterglaube. Stimmen religiösen Erlebens. Berlin: Eckart, 1931. Zit. nach Pfleger 1931/1951, 28. 40 Bahr 1961, 221. Soweit ich sehe, verzichtet nur Mieth explizit zwar nicht auf die Frage einer christlichen Aus- deutbarkeit, aber auf die Frage nach dem Christlichen eines Autors, indem er nämlich die säkulare Literatur lediglich auf ihre Traditionsgebundenheit hin befragt, etwa bei Thomas Mann: „Wenn man das Spirituelle als Gegensatz zum Institutionellen begreift, müßte man Thomas Manns christliche Humanität als ‘spiritualistisch’ bezeichnen. Christ- - F.2.a - 434 Die offenkundige Beliebigkeit solcher Zuschreibungen hat der Kunsttheoretiker Gustav Fried- rich Hartlaub bereits 1919 bündig resümiert: „Nicht was aus Gott fließt, nur was in ihn zu- rückfließen will, verdient den Namen Religion.“41 Dass dem Schriftsteller die Aufgabe zuge- wiesen wird, als Mensch von religiösen Tatbeständen Zeugnis zu geben, führt jedoch unwei- gerlich auch zu Zirkelschlüssen, vor allem dort, wo solche Aufgabenzuweisung mit dem Postu- lat autonomer Literatur kollidiert: • Friedrich Kienecker42 zitierte zunächst den Autor Hans Erich Nossack und dessen „ganz und gar nicht selbstverständliche (nämlich dem modernen Selbstbewußtsein selbstverständli- che) These [...], daß die ‘geheimsten und bewußt verheimlichten Entstehungsmotive’ der mo- dernen Literatur ‘religiöser Natur’ seien.“43 Die Generalisierung, die in dieser Formulierung liegt und über deren Berechtigung sich streiten ließe, übernahm Kienecker stillschweigend, weil er sie seiner Argumentation zugrundelegte: Das Merkmal zeitgenössischer religiöser Ly- rik wurde so unter der Hand zum Merkmal zeitgenössischer Lyrik schlechthin erklärt, und zwar unter Berufung auf ein Wort Benno von Wieses, dass nämlich der Dichter „oft der ge- borene Unruhestifter ist, nicht nur im gesellschaftlichen, auch im religiösen Bereich“.44 So gelangte Kienecker dazu, den ‘authentischen Dichter’ als Zeugen für die metaphysischen De- fizite der Gegenwart zu bestimmen: „jedes authentische dichterische Wort bezeugt das // Vorhandensein einer Hoffnung, die zwar oft namenlos ist, aber niemals verstummt!“45 • Ganz ähnlich hatte 1960 Heinz Flügel formuliert: Die Aufgabe christlicher Literatur sei es, „im Namen des Menschen, der sich selbst abhanden zu kommen droht und der insgeheim an seiner Gestaltlosigkeit leidet, Zeugnis abzulegen für das Verlangen nach Leibhaftigkeit, nach Fleischwerdung des Wortes, nach Inkarnation.“46 Flügel allerdings folgerte daraus die Funktion des christlichen Autors, vermochte diese aber nicht kohärent zu bestimmen. Soll sich der christliche Autor einerseits „zum Sprecher der Ungläubigen und der Verschlosse- nen“ 47 gegenüber der Institution Kirche machen, ist er andererseits „ausgesandt, kraft des Erbarmens den Zugang zu suchen zu den verschlossenen Seelen derer, die ohne Gott le- ben“.48 Der zeitgenössische, kirchenferne Mensch brauche nämlich „zuallererst die Gewiß- heit, daß seine Situation haargenau so, wie sie ist, wenigstens von einem Dichter begriffen wurde“,49 dass also der christliche Autor das leiste, was eigentlich die Kirche leisten solle. Christliche Literatur wäre demzufolge eine Avantgarde des Christentums, dürfe deswegen aber nicht christliche „Gedanken und [...] Beispiele“50 propagieren oder „zu früh eine christliche Lösung“51 anbieten. ‘Funktionieren’ könne sie vielmehr nur, wenn sich der Nicht- Gläubige in seinen Zweifeln und seiner Ungewissheit in ihr wiederfinde. Gleichwohl beharrte Flügel darauf, dass christliche Literatur eine Funktion habe: zwar nicht die Glaubenswahrhei- ten zu verkünden, aber doch aufzuzeigen, dass „das Elend, die Verzweiflung, die Gleichgül- tigkeit, die krasse Diesseitigkeit, die Qual der Unerlösten, die sich hinter geschlossenen Tü- ren zerfleischen oder vergeblich auf ‘Herrn Godot’ warten, eine Begebenheit zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf ist.“52 Genau genommen forderte Flügel von der christlichen Literatur eine ‘coincidentia oppositorum’: „Die Aufgabe der christlichen Dichtung spiegelt die Paradoxie des christlichen Seins, indem sie den Unglauben mit den lich ist diese Humanität insofern, als sie sich den spezifisch christliche [sic] geprägten humanen Traditionen ver- pflichtet weiß.“ (Mieth 1976a, 190, Fußnote 1) 41 Hartlaub 1919, 3. 42 Kienecker behandelt in dem hier behandelten Aufsatz Probleme zeitgenössischer religiöser Lyrik. 43 Kienecker 1986, 189//190. Das Binnenzitat ist dort nachgewiesen unter: Hans Erich Nossack: Die schwache Posi- tion der Literatur. Frankfurt/M.. 1966 (=ed. suhrkamp, 156), S. 67. 44 Wiese 1984, 14, zit. nach Kienecker 1986, 195. 45 Kienecker 1986, 192//193. 46 Flügel 1960, 29. 47 Ebd., 27. 48 Ebd. 49 Ebd. 50 Ebd., 24. 51 Ebd., 27. 52 Ebd., 28. - F.2.a - 435 Augen des Gläubigen und den Glauben mit den Augen des Ungläubigen zu sehen bestimmt ist.“53 Ein Beispiel, wie eine solche Forderung konkret literarisch zu gestalten wäre, gab Flü- gel nicht.54 • Unaufgelöst blieb auch der Spagat, mit dem Hans-Eckehard Bahr den Standort von christli- cher Kunst und von Kunst überhaupt bestimmte. Zwar wies er dem Künstler - hierin sich u.a. auf Flügel berufend - einen Ort außerhalb der kirchlich institutionalisierten Glaubensgewiss- heit zu, fordert aber zugleich, Kunst müsse den Bereich des Subjektivischen transzendieren, weil die glaubensferne Selbstbezogenheit des Künstlers zur Bedrohung des Künstlertums „in seiner Substanz“55 führe: „Die ‘Nutzlosigkeit’ seines [sc. des Künstlers] Unterfangens be- ginnt immer stärker, seine Regungen zu lähmen. Vor dieser Kräfteauszehrung rettet er sich oft in die Grundstimmung der Melancholie und in den Monolog. Die Gefahr wächst, in ein Eiferertum zu verfallen, das entweder ideologisch engagiert ist oder moralistisch er- scheint.“56 Gegen eine solche Degeneration des substantiell Künstlerischen proklamierte Bahr zugleich die Möglichkeiten einer Kunst, in der sich christliche Gemeinde genuin ver- wirkliche - oder anders formuliert: in der christliche Gemeinde erst zu sich selbst finde: „Im Ruhm des Schöpfers und seiner Schöpfung kommt die Kunst zu ihrer eigentlichen Fülle. [...] Als Preisung des Schöpfers ist dieses Lob dem Zufälligen der subjektiv glücklichen Stimmung enthoben, denn jetzt mündet es ein in den gewaltigen Lobgesang, der seit jeher die christliche Gemeinde begleitet.“57 Zwar schränkte Bahr diese Aussagen sofort ein: In der heutigen Zeit könne nicht mehr unbefangen das Lob der Schöpfung gesungen werden, aber es „wäre ein Akt befreiender Wahrhaftigkeit, wenn die christliche Gemeinde wenigstens das, ihre Ver- schlossenheit und Armut in ihren Gottesdiensten zum Ausdruck brächte.“58 Aus den genann- ten Argumenten folgert, dass Bahr die Möglichkeit von authentischer Kunst allein im Bereich des Glaubens und gleichzeitig an dessen Rändern verortete, jedenfalls ‘extra muros eccle- siae’. 3. In seiner Studie von 1987 belebte Gisbert Kranz die literaturtheologische Tradition, vom Werk auf seinen Autor rückzuschließen, ohne jedoch genauer zu reflektieren, ob eine solche Bestimmung inhaltlich oder sprachlich zu vollziehen sei: „So kann man, wenn ein christusgläu- // biger Dichter seinen Glauben in seine Dichtung einflie- ßen ließ, das im Text dieser Dichtung erkennen und vom Nichtchristlichen in demselben Text und in den Texten nichtchristlicher Autoren einigermaßen unterscheiden.“59 Die Legitimation eines entsprechenden Qualifizierens war bei Kranz einer nicht näher bestimm- ten Evidenzqualität überantwortet, die er dem christlichen Kunstwerk zusprach. Dem wäre ent- gegenzuhalten, dass der literarische Text eine Logik entfaltet, an die er gebunden ist, anders formuliert: dass er nur den Gesetzen des jeweils entfalteten Materialstandes gehorcht, zumal solchen, die nicht dem realen Autor zurechenbar sind.60 Die Frage, inwieweit der reale Autor 53 Ebd. 54 Um nicht missverstanden zu werden: Es geht hier um den Begriff der christlichen Literatur bei Flügel, nicht um ein Interpretieren von Literatur im christlichen Sinne, das Flügel in seinem literaturkritischen Werk ja sehr ausführlich vorgenommen hat. 55 Bahr 1961, 292. 56 Ebd. 57 Ebd., 294. 58 Ebd. 59 Kranz 1987, 18//19. 60 Umberto Ecos ‘Nachschrift zum ‘Namen der Rose’’ zeigt, wie ein Text sich allmählich vom Autor ablöst. Unter anderem berichtet Eco, wie er beim Korrigieren der Druckfahnen einen Wortwechsel zwischen Adson und William über die Eile einfügte, der einem Satz über die Eile, der im ursprünglichen Manuskript einige Absätze später folgt, eklatant widersprach - was zuerst einem Leser auffiel und nicht ihm, dem Autor. Ecos nonchalantes Resümee: „man - F.2.a - 436 aus seinem Text erschließbar sei, ist analytisch also immer nur näherungsweise zu bestim- men.61 Eindeutiger mag da eine explizit gemachte christliche Autorintention sein, wie sie bei- spielsweise Curt Hohoff voraussetzte, der aus katholischer Tradition heraus vom „Willensakt des Künstlers“62 sprach und von „seiner Zustimmung zum christlichen Weltsystem“.63 Im lite- raturtheologischen Diskurs zeigt sich jedoch, dass auch die Berufung auf eine explizite Absicht eines Autors willkürliche Zuschreibungsakte nicht unbedingt verhindert hat: 1. So räumte etwa Edwin Maria Landau zwar, dass Reinhold Schneider sein Frühwerk (‘Camoes’, ‘Philipp II’, ‘Das Inselreich’) nicht als christliche Literatur verstanden wissen wolle, setzt sich aber nicht mit den möglichen Motivationen einer solchen Selbstaussage aus- einander, sondern konfrontiert sie mit eine von ihm selbst vorgenommenen Sinnzuschreibung: „Von was denn sonst zeugen diese Bücher, wenn nicht davon, daß er selbst dem Kreuz zu- strebte, auf das Philipp II. unverwandt seine Augen richtete und von dem er die Ausrichtung für sein Handeln erhielt? Ignatius von Loyola, Terese von Avila, Johannes vom Kreuz, kann man, ohne von // ihnen erfaßt zu sein, sie aus dem Unsäglichen ihrer Glaubensleidenschaft begreifen und Gestalt werden lassen? Nun war, gewiß auch unter ihrem Antrieb, für den Dichter seine Stunde der Erkenntnis und des Bekenntnisses gekommen.“64 2. Nur scheinbar konsequenter im theoretischen Zugriff war Werner Kohlschmidt, der zwar der Autorintention Rechnung trägt, sie aber nicht mit ihrem eigenen, sondern mit einem theologisch definierten Anspruch maß: „Ich sehe meine Aufgabe als Historiker hier so an, daß der Gottesbegriff bei einem Dichter, der davon Gebrauch macht, auch beim Wort ge- nommen werden muß, das heißt mit allen Ingredienzien, die ihn von Isaaks Opfer an bis zum christlichen Selbstverständnis und dem der vorher genannten Nicht-Schöpfungstheologie als das ganz Andere erscheinen ließ.“65 Das von Landau oder Kohlschmidt ganz unbefangen in Anspruch genommene Prärogativ theo- logisch-dogmatischer Deutungshoheit überspringt das intentionale Bewusstsein eines Autors. So nimmt es nicht wunder, dass im Diskurs zumindestens der traditionellen Literaturtheologie eine lebensgeschichtlich-existentielle religiöse Problematik zumeist dann außer Betracht blieb, wenn sie sich kritisch mit dem heilsgeschichtlichen Anspruch der positiven Kirche auseinan- steht jetzt vor einer Frage, einer mehrdeutigen Provokation, und ich selbst habe Schwierigkeiten, den Gegensatz zu interpretieren, obwohl ich begreife, daß er einen Sinn enthält (vielleicht viele).“ (Eco 1984b, 14; der erwähnte Ab- schnitt findet sich in der deutschen Ausgabe des Romans, 28. Auflage, München/Wien: Hanser, 1984, auf den Seiten 492 bis 493.) 61 Vgl. etwa die sehr schlüssige Erklärung der Epiphanie-Szenen in Werken Ionescos mit der Biographie des Autors bei Zaiser 1995. 62 Hohoff 1966, 15. 63 Ebd.. Hohoff fügt erklärend hinzu: „Der Ausdruck ‘Weltsystem’ hat seine Vorteile gegenüber einer christlichen Weltanschauung’, hält aber auch die Distanz zur definierenden Theologie. Der Dichter braucht nicht ‘orthodox’ zu sein, um ein christlicher Dichter zu sein.“ (ebd., Anm. 3) 64 Landau 1980, 284//285. Landau fährt fort mit Schneiders Erinnerungen an den ersten Besuch einer Messe seit 20 Jahren, etwa im Jahre 1937 oder 1938. Die kirchenferne Frühphase blieb in der Schneider-Literatur bis in die sechzi- ger Jahre hinein (Bruno Scherer 1963, Lothar Bossle 1965, Werner Beer 1966) geflissentlich unerwähnt. Vgl. dazu Steinle 1992, 9. 65 Kohlschmidt 1977, 71. Kohlschmidt bezieht sich insbesondere auf Rudolf Otto (‘Das Heilige’) und Karl Barth (‘Römerbrief’-Auslegung). Am Beispiel Rilkes weist Kohlschmidt nach, dass dieser den Begriff Gott „entschärft, jeder Verpflichtung bar“ (ebd., 84) gebrauche. Zu Rilke vgl. auch Kohlschmidt 1971 und den Aufsatz ‘Rilkes Reli- giosität’ in Kohlschmidt 1953. - F.2.a - 437 dersetzte oder mit den Verwerfungen, wie sie eine religiöse Sozialisation mit sich bringen kann (Gustav Regler, Barbara Frischmuth, Thomas Bernhard, Günter Herburger u.a.).66 (iii) Literatur als geformter Geist Den Schwierigkeiten, die sich ergeben, den Status einer christlichen Literatur aus der empiri- schen Person ihres Urhebers abzuleiten, scheinen sich Definitionsversuche zu entziehen, die nach dem im jeweiligen literarischen Werk gestalteten Geist fragen67 - man könnte auch sagen: nach der jeweiligen ‘intentio operis’. Da wäre zum einen die Kategorie der Heilsgewissheit, die insbesondere von Gisbert Kranz als konstitutiv angesehen wurde. Erschließbar ist diese Kategorie jedoch nicht qua Analyse,68 son- dern nur qua Einfühlung. Nicht zufällig lässt sich Kranz in den entsprechenden Passagen nicht auf eine genauere Bestimmung der Qualität des Christlichen ein, sondern weicht in metaphori- sche Sprache aus, die die Dichotomie von christlich vs. nicht-christlich immer wieder anders benennt, ohne indes ihre Problematik zu erörtern: Ein Dichter sei „vom Licht der Offenbarung getroffen“,69 sein Werk „atmet einen anderen Geist als die Dichtung, die von einem Ungläubi- gen stammt“.70 Nun versagen die Kriterien von ‘Heilsgewissheit’, ‘Gnade’ oder ‘Liebe’ bereits als einfache positive Zuordnungsgröße, weil sie - anders als beispielsweise literarisch bewusst gestaltete Theologumena71 - durch eine Interpretation nicht zweifelsfrei eruierbar sind. Von außen näm- lich lässt sich analytisch nicht angeben, unter welchen Bedingungen das Kriterium der Heils- gewissheit falsifizierbar wäre. Es bleibt an die Methode der Introspektion resp. der Einfühlung gebunden. Problematisch ist auch die Konsequenz, die aus der Kategorie des ‘Ergriffenseins’ folgert: Gängige Vorstellung des traditionellen literaturtheologischen Diskurses ist es, unter- schiedliche Grade von Christlichkeit bestimmen zu können und daraus Kriterien für die ästheti- 66 Vgl. hierzu auch Biser 1993, 46. 67 Vgl. Kranz 1987, 16. Der Antagonismus von Stoff und Geist liegt auch Wilperts Definition von christlicher Dichtung im ‘Sachwörterbuch der Literatur’ zugrunde. Es findet sich auch bei Richard Brinkmann, der - von einer dezidiert nicht-theologischen Warte aus - als unterscheidendes Merkmal christlicher Literatur ansieht, sie müsse „für die Wirklichkeit, von der sie spricht, den Horizont christlicher Heilsgeschichte, ihrer Verheißungen und Forderun- gen erkennen lassen, sei es auch noch so vermittelt und gebrochen und verdunkelt, für die Subjekte der fiktionalen Wirklichkeit vielleicht unerkennbar, wie in einigen Varianten dieses Dichtungstyps in neuerer Zeit.“ (Brinkmann, R. 1981, 115) 68 Das hat Kurz (1975a) sehr deutlich nachgewiesen. 69 Kranz 1987, 11. Die Metaphorik findet sich bereits bei Rang 1954, 286. 70 Ebd. 71 Darauf, dass in Literatur theologische Fragestellungen analytisch zu bestimmen sind, weist Kranz zu Recht hin (Kranz 1987, 19). - F.2.a - 438 sche und dogmatische Beurteilung von Literatur herzuleiten.72 Kranz ist allerdings insofern beizupflichten, als es tatsächlich Literatur gibt, in der Heilsgewissheit ausdrücklich thematisiert wird (etwa in den gängigen Schlussformeln der sog. kirchlichen Gebrauchsliteratur), und es gibt Literatur, in der sie ausdrücklich negiert ist. Das Gesamt einer Literatur jedoch, in der - in welcher Form auch immer - eine religiöse Problematik erörtert wird, ist zu vielgestaltig, als dass es mit dem Kriterium der ‘Heilgewissheit’ adäquat erfasst werden könnte. Untauglich ist das Kriterium insbesondere dort, wo christliche Tradition literarisch-produktiv verarbeitet wird (etwa Heines ‘Belsazar’; Kafkas ‘Heimkehr’), ebensowenig dort, wo - beispiels- weise parabelhaft auf gesellschaftliche Prozesse bezogen - die Problematik religiösen Verhaltens dargestellt ist (etwa Arthur Millers ‘Hexenjagd’, Ecos ‘Der Name der Rose’, Drewermanns ‘Giordano Bruno’ oder Neyrincks ‘Die letzten Tage des Vatikan) oder wie sich eine existentielle Auseinandersetzung mit der Kirche ausdrückt (Gustav Reglers ‘Der verlorene Sohn’). Ob man in diesen Texten heilsgeschichtliche Bezüge entdeckt oder ob man sie als Bekundungen von ‘Entchristlichung’ liest,73 bleibt einer individuellen interpretatorischen Zuschreibung vorbehal- ten. Dass sich das Kriterium der Heilsgewissheit noch nicht einmal bei der Analyse einer entspre- chenden Autorintention bewährt, zeigt das Beispiel Karl Mays - von der Literaturtheologie nicht als christlicher Autor wahrgenommen,74 obwohl die Glaubensgewissheit in seinen Werken ein wesentliches Strukturelement darstellt75 - wie immer man dieses Strukturelement theologisch bewerten mag. Festzuhalten ist also, dass die Kategorie der ‘Heilsgewissheit’ zwar theologisch plausibel ist, sich aber auf keiner Strukturebene eines literarischen Werkes nachweisen lässt. Metatheore- tisch gesehen kann sie der Kennzeichnung eines bestimmten interpretatorischen Erkenntnisin- teresses dienen, jedoch nicht zur qualifizierenden Bestimmung der Ontologie des Kunstwerks. Für Karl-Josef Kuschel hingegen ist das unterscheidende Merkmal von christlicher (christophorischer) Literatur der positive Bezug auf Person und Sache Jesu Christi. Allerdings obliegt auch dieses Kriterium einer individuellen interpretatorischen Entscheidung und verweist damit auf die Schwierigkeit einer essentialistischen Definition zurück. Das zeigt sich schon an Kuschels Formulierungen: „Unsere Arbeitsdefinition [christlicher Literatur] geht [...] nicht allein vom rezipierenden oder interpretierenden Subjekt des Lesers aus, weil damit die Gefahr des ‘Hineininterpretierens’ (‘Vereinnahmens’) zu groß wäre. Unsere Bestimmung eines modernen literarischen Textes als christliche Literatur geht und ging immer // von Anhaltspunkten im Text selber aus, der sich - manchmal direkt, manchmal verborgen - im Vollzug der Interpretation als christlicher er- wies.“76 72 Den in sich widersprüchlichen Gedanken übernimmt Kienecker, ohne jedoch dessen Problematik zu reflektieren. Kienecker übersetzt Maritains Conclusio demzufolge lapidar: „Daraus folgt, daß das Kunstwerk in dem Maße christlich ist, als die Liebe in ihm lebendig ist.“ (Jacques Maritain: L’Art et Scolastique. Paris 1927; zit. nach Kie- necker 1991, 165). 73 So etwa Paul Konrad Kurz zu Ecos ‘Name der Rose’ (vgl. Kap. C.4.a.i). 74 Vgl. dazu Koppen 1979 und Graf, A. 1995. 75 Vgl. dazu etwa Koppen 1979, 209 oder Ueding 1986, 176f. 76 Kuschel 1978, 305//306. - F.2.a - 439 Anders formuliert: Wenn ein Text nicht ‘direkt’, sondern ‘verborgen’ christlich ist, dann er- bringt erst der ‘Vollzug der Interpretation’ den christlichen Inhalt. Was das in praxi heißt, zeigt sich bei Kuschel an anderer Stelle: Bei Bölls ‘Ansichten eines Clowns’ hätten nur wenige Lite- raturkritiker „die Bedeutung des Christus-Motivs [...] gesehen.“77 Aus Kuschels Darstellung geht hervor, dass sie damit auch die Aussagen des Romans verfehlt hätten. An anderer Stelle präzisiert er seine Definition von christlicher Literatur: „Jesus Christus ist - verschlüsselt oft - in einem bestimmen literarischen Text zum Verständnis des Ganzen maßgebend, auf ihn kommt es hier letztlich an, von ihm her erschließt sich die entscheidende Tiefe der Interpretation.“78 Zu beurteilen, ab wann die ‘Tiefe der Interpretation’ entscheidend ist, würde damit allein dem li- teraturtheologischen Zugriff obliegen. Das lässt sich leicht bei Kuschel selbst belegen: Die Gips- figur des Jesus in der ‘Blechtrommel’ wertet er als „polemisch-satirische Verzerrung christlich- kirchlicher Tradition“,der keine „erkennbare, weitergehende literarisch-heuristische Funkti- on“ 79 zukomme. Demgegenüber weist die Theologin Regina Ammicht Quinn darauf hin, dass erst die Begegnung mit der Jesusfigur, in der Oskar sich widergespiegelt sieht, ihn zum ersten Mal mit einem religiös-unbedingten Anspruch konfrontiert: „Die Schuld, die Gott dem Menschen zurückläßt, ist zu schwer, so daß noch ein letztes Mal - im Fiebertraum - nach Gott geschrien wird - ein von vornherein hoffnungsloses Unterfangen. Die Theodizee, zur Rettung der geschei- terten Anthropodizee herbeigesehnt, ist schon gescheitert. Konsequenz aus dieser gescheiterten Theodizee ist die paradoxe Situation der Notwendigkeit und der gleichzeitig drohenden Sinnlo- sigkeit des menschlichen Handelns. [...] Grass’ Blechtrommel steht am Beginn einer literari- schen Reihe von Erinnerungsbüchern, in denen das Theodizeemotiv nötig und übermächtig wird, weil nur so in der destruktiven Erfahrung des 20. Jahrhunderts private und politische Geschichte erzählt und ein Lebenslauf konstruiert werden kann.“80 Was aber ist die ‘entscheidende Tiefe der Interpretation’ - die von Kuschel oder die ungleich subtilere81 von Quinn?82 Kuschels Unterscheidung von ‘Hineininterpretieren’ und dem Aufweis ‘verborgener Christlichkeit’ erweist sich in der hermeneutischen Praxis also als spitzfindig. Wie nun - um die Erörterung abzuschließen - wäre der Status einer theologischen Interpretation überhaupt zufriedenstellend zu klären? Ich greife hier auf Hans Küng zurück, der schlüssig begründet hat, dass die Frage nach der wahren Religion nicht intellektuell und auch nicht inter- subjektiv zu beantworten sei: Die Kriterien des Wahren und Guten, des Authentischen und Kanonischen (Maßgeblichen) sowie der eindeutige Bezug auf das Humane ließen sich in vielen Religionen aufzeigen, und ebenso manifestiere sich innerhalb einer Religion immer wieder auch das Unwahre.83 Welche Religion für den Einzelnen die wahre sei, sei demgegenüber nicht eine intellektuelle, sondern eine existentielle Entscheidung, gebunden an die Genese des eige- nen Ichs: „Auf der Suche nach der wahren Religion darf niemand von seiner eigenen Lebens- 77 Ebd., 263. 78 Ebd., 307. 79 Ebd., 203. 80 Quinn 1999, 603. Quinn bezieht sich auf die 8. Auflage der ‘Blechtrommel’. Darmstadt, Neuwied, 1974, S. 295ff.. 81 Zum Anspruch eines subtilen Interpretierens vgl. Quinn 1999, 596. 82 Wenn man denn nicht darauf verzichten mag, ein Plädoyer des Autors Grass für oder gegen das Christentum aus der ‘Blechtrommel’ herauslesen zu wollen. Eine in dieser Hinsicht unangestrengtere Entzifferung einschlägiger Be- züge in dem Roman hat Hans Bänziger (1992, 107-111) vorgelegt. 83 Vgl. Küng 1987, 302. - F.2.a - 440 und Erfahrungsgeschichte einfach abstrahieren.“84 Auf Kuschels Konzept von christlicher Literatur übertragen hieße das: Wo der theologische Leser85 seinen eigenen Glauben an den christlichen Gott oder an Jesus Christus in literarischer Gestaltung wiedererkennt, mag er von christlicher Literatur sprechen. Darüber auch kann und soll er sich mit anderen austauschen. Wovon er sich jedoch nicht dispensieren kann, ist das Problem der Übertragbarkeit seiner per- sönlichen Sinnzuschreibung: Über interpretatorische Sinnzuschreibungen ist zu reden; sie sind aber nicht apodiktisch als ‘Sinn des Textes’ zu verfügen. 84 Ebd., 300. 85 Mit diesem unmarkierten Begriff meine ich Theologen und Theologinnen. - F.2.b - 441 b) Christliche Literatur, prä-theologisch erörtert (i) Zur Problemlage Die bisherige Diskussion um ‘christliche Literatur’ hat ihr Interesse auf eine Definition gerich- tet, mit deren Hilfe anzugeben wäre, ob ein bestimmtes Werk unter diese Definition zu fassen ist oder nicht. Als Haken für eine intersubjektive Verständigung erweist sich dabei stets die Opakheit des Attributs ‘christlich’. Die Frage danach, was unter christlicher Literatur zu ver- stehen sei, führt also, soweit sie auf eine essentialistische Definition zielt, zu einer nicht auflös- baren Aporie: Es obliegt letztlich dem jeweiligen Interpreten zu entscheiden, wann die von ihm vorausgesetzten Bedingungen erfüllt sind. Das betrifft selbst weitgefasste Definitionen, wenn sie, wie beispielsweise Siegfried Schröer, aus der Teilnehmerperspektive argumentieren: In Verbindung mit Literatur solle das Attribut ‘christlich’ „jenseits aller etikettenhaften Verwendung eine geschichtliche Bewegung“ bezeich- nen, „die - ausgehend von dem als Christus bekannten und geglaubten Jesus von Nazareth und seinem als Christusereignis bezeichneten Leben und Sterben - ‘der unheimlichen Macht des Bö- sen den Kampf angesagt // hat’, getragen von der Überzeugung, daß dem Augenschein zum Trotz das Böse in der Welt nicht das letzte Wort hat.“1 Auch hier bleibt offen: Was ist eine eti- kettenhafte Verwendung des Attributs ‘christlich’? Und: Nach welchen Kriterien soll entschieden werden, ob ein literarisches Werk in Luthers Sinne2 den Kampf gegen das Böse vertritt? Schröer selbst räumt ein, Gott sei „keineswegs auf Anhieb und für jedermann erkennbar“ 3 und verweist auf ein entsprechendes Rezeptionsinteresse. Um nur ein Beispiel für die methodische Fallibilität seiner Kriterien zu geben: Legt man sie zugrunde, müsste konsequenterweise die Zuordnung von Reinhold Schneiders ‘Winter in Wien’ zum Bereich der christlichen Literatur zumindestens zwei- felhaft sein. Wenn dem so ist - und die Extensionsproblematik des Attributs ‘christlich’ weist darauf hin, dass das Problem nicht (oder jedenfalls nicht immer) am Reflexionsgrad einschlägiger Erörte- rungen, sondern in der Natur der Sache liegt -, dann ist die Frage falsch gestellt. Sie beruht nämlich auf der Vorstellung, dass sich in einem literarischen Werk etwas Christliches reprä- sentiere, das dann interpretierend zu erschließen sei.4 Betrachtet man jedoch christliche Litera- tur nicht als ein Medium der Repräsentation, sondern als ein Medium eines diskursiven Prozes- ses (ästhetischer und religiöser Natur), dann gelangt man zu einer umgreifenderen Fragestel- 1 Schröer, S. 2000, 239//240. 2 Vgl. ebd., 76. 3 Ebd., 79. 4 Exemplarisch sind hier etwa Dombai/Szabó 1995, die die einschlägigen Diskussionen bei dem in meinem Vorwort erwähnten Szegeder Symposium wiedergeben und für die Definition von religiöser Literatur folgendes Postulat auf- stellen: „Es muß ‘das Wesen der Sache’ durch gründliche Argumentation geklärt werden, und zwar, wie es von Strelka weiter ausdifferenziert wurde, von dem Gesichtspunkte des Literaturwissenschaftlers aus und nicht von dem des Lesers oder des Priesters. Die richtige Fragestellung, um das Paradoxon aufzulösen, müßte also lauten: Was ist der ontologische Status der religiösen Literatur für den Literaturwissenschaftler?“ (Dombai/Szabó 1995, 270) Ich meine in der vorliegenden Untersuchung gezeigt zu haben, dass eine ‘gründliche Argumentation’ das Wesen christli- cher bzw. religiöser Literatur nicht zu klären vermag, solange sie methodisch auf einer Ebene bleibt und ihre eigene Problematik nicht bedenkt. Die von Dombai/Szabó vorgeschlagene Fragestellung ist also nicht ‘die richtige’, sondern genauso unzureichend wie mehrere andere vor ihr. Es verwundert deshalb nicht, dass auch das Szegeder Symposium am Ende zu dem Schluss gelangte: „Was ist nun religiöse Literatur? Eine genaue Definition konnte das Symposium nicht geben, unser am Anfang erwähntes Paradoxon bleibt weiterhin bestehen.“ (ebd., 276) - F.2.b - 442 lung: Zu eruieren wäre dann das, was sich in christlicher Literatur und in deren Rezeption als „eine von widersprüchlichen Haltungen her geführte Auseinandersetzung um das Christen- tum“5 ausprägt. Für eine Metatheorie von christlicher Literatur folgert daraus: Was an dem Begriff fürderhin interessieren sollte, ist nicht seine Extension, sondern sein Gebrauch. Recht verstanden: Es geht hier allein um die theoriegeleitete Verwendung des Begriffs, also nicht um seine apologetische und/oder neokonservative Indienstnahme und auch nicht um seine Funk- tion in Bereich privater Literaturaneignung. Jeder mag unter christlicher Literatur das verstehen, was er darunter verstehen möchte. Dass jedoch gerade die damit verbundenen Distinktionslei- stungen von literaturwissenschaftlichem Interesse ist, liegt auf der Hand. Wenn ich im Folgenden also den Gebrauch des Begriffs ‘christliche Literatur’ erörtere, dann als Terminus technicus einer literaturwissenschaftlichen Beschreibungssprache, die nicht auf das Wesen einer Sache zielt, sondern auf den Umgang mit ihr,6 und die den eigenen Gebrauch des Begriffs dahingehend erör- tert, unter welchen Voraussetzungen er sinnvoll ist oder nicht. Eine ebensolche Funktion hätte er idealerweise auch in der Theologie. (Über dieses Postulat hinaus soll für den theologischen Ge- brauch des Begriffs hier nichts weiter beigesteuert werden.) In dem im Folgenden entwickelten ‘prä-theologischen’ Gedanken zum Gebrauch des Begriffs christliche Literatur sind theologische Aspekte zunächst ausgeklammert, um sie später - ent- sprechend der jeweiligen Fragestellung - integrieren zu können. Allerdings nicht im Sinne einer ‘großen Theorie’: Vorausgesetzt bleibt stets, dass die hier behandelten diskursiven Zusammen- hänge an den Horizont und an den Wahrheitsbegriff der jeweils beteiligten Individuen gebun- den sind. Den Begriff der ‘christlichen Literatur’ verstehe ich also als einen Terminus, dessen literaturwissenschaftliche Implikationen vor einem theologischen Zugriff zu klären sind. Dieser ist - im Falle eines literarischen Werkes und seiner kommunikativen Dimensionen - nicht weni- ger partiell als ein literaturwissenschaftlicher.7 Die ‘großen Theorien’ von christlicher Literatur, wie sie in der Literaturtheologie verschie- dentlich vorausgesetzt wurden und wie sie Krzywon als letzter zu entwickeln versucht hat, sind im frommen Wunsch stecken geblieben, weil sie die Begrenzungen der verschiedenen fachin- tern entwickelten Wertdichotomien - Krzywons Kategorie der akkumulierbaren ‘literatur- theologischen Kompetenz’ - nicht zu überwinden vermochten. Der bisherige literaturtheologi- sche Diskurs nämlich hat christliche Literatur fast ausschließlich unter Wertmaßstäben behan- delt: Literatur vs. Nicht-Literatur, theologische Bedeutsamkeit vs. theologische Bedeutungslo- sigkeit. Dieses theologische Interesse, das seinen theoretisch begründbaren Ort haben mag, verleitet - wie die Untersuchung des literaturtheologischen Diskurses nach 1945 gezeigt hat - 5 Methlagl 1981, 527. Methlagl meint damit die in der Innsbrucker Zeitschrift ‘Der Brenner’ geführten Diskussionen. Mir scheint der Begriff durchaus geeignet, den gesamten christlichen Traditionszusammenhang zu bezeichnen. 6 Die Befürchtung, durch den Begriff werde eine ‘Geschlossenheit’ suggeriert (Schmidt, S. 1994, 13), halte ich nur dort für stichhaltig, wo mit seinem Gebrauch apologetische Interessen verknüpft werden. 7 Dass sich gerade in der Formulierung solcher Sätze der beschränkte Horizont eines Nicht-Theologen manifestiert, will ich gerne zugeben. Zur Aufgabenverteilung von Literaturwissenschaft und Theologie vgl. ausführlicher Kap. F.4. - F.2.b - 443 beim Umgang mit Literatur nicht selten zum Abqualifizieren von Werken, Genres, Rezeptions- weisen, manchmal auch von Menschen.8 Natürlich geschieht der Gebrauch von Literatur nicht voraussetzungslos, denn er ist eine sozial determinierte und sozial erworbene Fähigkeit. Ich halte es jedoch für ein Gebot methodischer Nüchternheit, dass die Frage, welchen (kulturellen, kirchlichen etc.) Instanzen sich der Einzelne unterwirft (resp. nicht unterwirft), wenn er Literatur gebraucht, nicht zu religiös motivierten Bewertungen führen darf. Bei der folgenden Untersuchung ist also immer die Frage vorausge- setzt, welche Rolle Literatur für den Einzelnen spielen könnte, um die Dignität des je eigenen Lebens zu behaupten.9 Erst allmählich geraten solche Überlegungen auch in den Fokus des literaturtheologischen Interesses.10 (ii) Grundannahmen Wie sich auch am erwähnten hermeneutischen Konzept zeigt, konzentriert sich der litera- turtheologische Diskurs darauf, wie sich im Medium der christlichen Literatur ein bestimmtes Verhältnis zur Welt manifestiert, welches durch die Person des Künstlers gewissermaßen be- glaubigt wird. Letzterer fungiert damit letztlich als eine Hilfskonstruktion, die zwar für den literaturtheologischen Binnendiskurs von eminenter Bedeutung, im Grunde aber von sekundä- rem Rang ist.11 Mein Ansatz zielt hingegen auf die Kunst als eine anthropologische Konstante. Im Sinne Jean-Louis Barraults sehe ich in der künstlerischen Tätigkeit eine konzentrierte und intensivierte Form menschlichen Sich-Äußerns, die ihre Wurzeln in religiös-magischen Hand- lungen hat.12 Deren Zweck besteht darin, eine anders nicht zu bewältigende metaphysische Angst zu bannen; hierin zeigt sich aber zugleich eine spezifisch menschliche Fähigkeit. Es han- delte sich also nicht nur um umfassendes Weltwissen im Sinne Schlaffers,13 sondern um eine tätige Aneignung von Welt: „Die ganze ‘Kunst’ bestand in der technischen Vervollkommnung dieser magischen Handlun- gen. Die menschlichen Verhaltensarten, die sich aus Bewegungen, Schreien, Gesängen, Tänzen, 8 Die Fülle von pathographischen Qualifizierungen verschiedener moderner Autoren, wie sie im literaturtheolo- gischen Diskurs begegnen, mitunter sogar bis heute, wäre eine eigene Untersuchung wert. Kurz gehe ich darauf im Zwischenresümee 1 ein. 9 Vgl. hier Braungart 1996, 28f. 10 Etwa Kurz 1994a (historiographisch), Sölle/Mautner 1996 (individualbiographisch), Thiede/Frühwald/Kuschel 1998 (literaturgeschichtlich). 11 Eine Ausnahme im literaturtheologischen Diskurs bildet Hans Egon Holthusen, der zwar in diversen Essays die Frage nach der Wahrheit von Literatur stellt, in der Situation der unmittelbaren Nachkriegszeit aber das künstlerische Handeln und dessen Rezeption als elementare Bedürfnisse beschreibt (‘Der Mensch und die Katastrophe’, geschrie- ben 1947, abgedruckt in Holthusen 1955, hier vor allem S. 135ff.). 12 Vgl. auch Detering 1995. 13 Schlaffer 1990, 91ff. - F.2.b - 444 Zeichnungen, Masken, Skulpturen, hervorgebrachten Tönen und Geräuschen zusammensetzen, hatten mit Literatur nichts zu tun, sie betrafen den Menschen.“14 Das (produktive, rezipierende) Umgehen mit Literatur wäre also als menschliche Praxis zu be- stimmen, die gewissermaßen isomorph all jenen Verhaltensweisen ist, die einer religiösen Tradition - in diesem Fall der jüdisch-christlichen - zuzurechnen sind, und wie diese bewahrt sie Erinnerungen an jene Tradition in sich auf.15 Das sagt zunächst nichts über das Wesen die- ser Handlungen aus, berührt also - im agnostischen Sinne - nicht das ‘Numinosum des Glau- bens’.16 Ich teile Nordhofens Einwände gegen Versuche, das Reden von der Erfahrung eines wie immer gearteten Göttlichen in der Gleichartigkeit von Diskursen, Zeichen, symbolischen Formen oder funktionalistischen Bezügen aufgehen zu lassen. Auch pflichte ich ihm in der Auffassung bei, dass „Handlungssprechen [...] in Sprachhandeln übersetzt werden [könne] und umgekehrt“, und dass es sich dabei um “ verlustreiche Bereicherungen“ handele.17 Auch scheint mir der Begriff einer „Wirklichkeitsexzentrizität“18 glücklich gewählt: „Unser Platz ist zwischen den Hörnern eines Dilemmas: Wir können über dieses spezielle Weltverhältnis nicht in den Üblichkeiten der zweistelligen Bedeutungsrelation reden und - wir können nicht schweigen.“19 Was mit meinem Ansatz hingegen nicht vermittelbar ist, ist die theologische Voraussetzung Nordhofens, dass ein Sprechen von Gott notwendig sei, insofern es sich auf den ‘Jesus von Naza- reth’ beziehe. Die (nicht näher begründete) Prämisse des Katholiken Nordhofen lautet nämlich, es sei notwendig, „den Begriff der basileia tou theou bzw. ton ouranon (Königsherrschaft Gottes bzw. der Himmel) operational zu halten, ihn gleichsam als einen notwendigen Sprechakt zu ver- stehen, mit dem Jesus von Nazareth sein Wirklichkeits- und Weltverständnis verdeutlicht.“20 Bei der Darstellung des „Purgatorium[s], durch das dieser Begriff (Basileia tou theou) muß“21 - womit Nordhofen die „Reinigung von überschießendem Jenseitswissen“22 meint - sieht er je- doch von historisch-kritischen Denkwegen ab und lässt auch die theologisch-dogmatischen Im- plikationen des eigenen Ansatzes unerörtert. Damit bleibt seine Argumentation im Unhistori- schen befangen. Funktional betrachtet ist Literatur - neben dem Bereich der Medien, der Werbung, der Schule und Hochschule, des politischen Diskurses, des religiösen Diskurses etc. - einer der Orte, an denen sich eine Gesellschaft über sich selbst verständigt und an denen sie ihr Selbstverständnis 14 Barrault 1962, 12. Im einleitenden Essay zu seinen ‘Betrachtungen über das Theater’, aus dem ich hier zitiere, finden sich kunsttheoretische Theoreme unterschiedlicher Provenienz, etwa wenn Barrault die Spieltheorie Schillers unter existentialistischen Aspekten deutet. Zurückgebunden bleiben seine Thesen - das macht ihre Stringenz aus - auf die Ausformulierung des Mimesis-Gedankens: „Das Theater ist [...] ursprünglich eine Kunst der Gleichzeitigkeit [...//...]. Es ist die eigentliche Kunst der Empfindung. Es ist die Kunst der Gegenwart, das heißt der Wirklichkeit, aber auch die Kunst aller Schichten dieser Wirklichkeit; von der Hölle bis zum Himmel, hätte man im Mittelalter gesagt. Es ist die Kunst der Wirklichkeit im eigentlichen Sinne.“ (Barrault 1962, 17//18) 15 Vgl. Schlaffer 1990, 91ff. 16 Das ich als solches hier voraussetze. Damit nähere ich mich einer protestantischen Bestimmung von christlicher Kunst: „Die pneumatische Gegenwart Christi bleibt ausschließlich an seine Bezeugung im Medium der Sprache und im Sakrament gebunden. In Bild, Musik und anderer künstlerischer Figuration antworten wir darauf. Im Prozeß der Verkündigung (sensu strictu) haben Wort und Sakrament exklusive Alleingeltung. Zur Antwort auf diese Selbstver- gegenwärtigung des Heilsereignisses sind jedoch alle Gestaltmöglichkeiten menschlicher Kunst aufgerufen.“ (Bahr 1961, 321). Ich füge hinzu: alle Gestaltmöglichkeiten des auf die Religion bezogenen menschlichen Handelns. 17 Nordhofen 1994, 77. 18 Ebd., 83. 19 Ebd. 20 Ebd., 69. 21 Ebd. 22 Ebd. - F.2.b - 445 ausbildet:23 Literatur fasst das Selbstbild, die Mentalität, die Projektionen, Utopien, Wünsche, Fragen,24 historischen Erfahrungen, Wissensschemata25 etc. einer Gesellschaft in Worte und kann dabei auch darüber hinausweisen26 - eben im Sinne des erwähnten metaphysischen Echos -, muss es aber nicht. Diese Verständigung ist nicht notwendig diskursiv, vor allem dann nicht, wenn der Anspielungs- horizont eines Werkes den jeweiligen Materialstand betrifft. Besonders deutlich lässt sich das am Beispiel der Musik aufzeigen: In der klassisch-romantischen Epoche gestaltet sich im Gefolge der idealistischen Ästhetik ein Werkbegriff, der bestimmte Rezeptionsweisen präformiert, zu- gleich aber die Spuren des künstlerischen Schaffens aus dem Werk zu eliminieren trachtet. Nun muss das Werk, damit es als solches besteht, stets von neuem aktualisiert werden. Das führt be- greiflicherweise zu einem Dilemma für den Interpreten, der zwar bei jeder Aufführung die eine ideale Interpretation anstreben muss; diese jedoch konkurriert zwangsläufig mit den idealen In- terpretationen anderer Interpreten. Das Nebeneinander von verschiedenen Interpretationen nun wird gemeinhin nicht als Manko, sondern als Bereicherung verstanden, gab (und gibt) es doch musikhistorische Phasen, beispielsweise die Generalbasszeit oder, in der heutigen Zeit, den Jazz, die den Primat des extemporierten Musizierens behaupten, demgegenüber das musikalische Werk der klassisch-romantischen Tradition nur dessen jeweils idealtypische Verfestigung darstellt. Die in die Gegenwart überlieferten Kompositionsnotate vergangener Zeiten lassen sich also als schriftlich niedergelegte musikalische Gedanken verstehen, deren Horizont - um nun diesen Ex- kurs zu beenden - einschlägige Kenntnisse voraussetzt: In allen Musikstücken erklingen Details, die nur der Kenner in ihrem Anspielungsreichtum versteht und die vom Laien überhört werden.27 In ähnlicher Weise ist auch das Ästhetische an Literatur nur dem Kenner erschließbar: Begriffe wie ‘Welttiefe’,28 künstlerische Notwendigkeit’ oder ‘künstlerische Wahrheit’ sind Kategorien, deren Kenntnis erworben werden muss und die nur näherungsweise in Worten wiederzugeben sind. Denkbar wäre nun, einzelne literarische Werke als Träger eines Kommunikationsangebotes (ausgehend vom jeweiligen Autor, entweder bewusst intendiert oder nicht) zu beschreiben, das eine ästhetische, diskursive, wissenschaftlich-theologische, privat-religiöse und/oder existen- tielle Auseinandersetzung mit einer bestimmten christlichen Auffassung, Thematik oder Pro- blematik anstrebt; denkbar wäre auch, dass sie diese zumindestens ermöglicht.29 In ihr muss 23 In dem Sinne, in dem Geoffrey Hartman die Literatur als ein Reflexionsmedium der Gesellschaft versteht (Hartman, G. 2000). 24 Gerhard Kaiser ist beizupflichten, wenn er die Aufgabe der Literatur im „Öffnen von Möglichkeitsräumen und Feldern des Experiments“ (Kaiser, G. 1996, 101) sieht. Allerdings stehen diese Möglichkeitsräume immer in einem Bedingungsverhältnis mit dem jeweiligen gesellschaftlich vermittelten Horizont von Welterfahrung und -deutung. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Auch der Schriftsteller ist ein Kind seiner Zeit. Als Einfallstor eines metaphysischen Anspruchs ist die Kunst überfordert. 25 Vgl. hierzu den vorzüglichen Artikel von Károly Csúri (1995), der die ‘poetische Religiosität in Trakls Dichtung’ als literarisches Arrangement von Wissens- und Sinnschemata erklärt. 26 Dieses Kriterium verwende ich nicht als Wertungskriterium. 27 Wie immer man diese Anspielungen theoretisch verorten mag. In der Kunstsoziologie Bourdieus fungieren sie als Markierungen, anhand derer der Künstler seinen Status im jeweiligen Feld behauptet (vgl. dazu ausführlicher Pinto 1997, 20, der allerdings nur das Werkganze berücksichtigt). 28 Hans Eckehard Bahr, der das Künstlerische phänomenologisch bestimmt, formuliert: „Die Wirkkraft seines [sc. des wahrhaften Künstlers] Werkes wird ja davon abhängen, ob er seine Lage, seine Daseinssituation unvermittelt erfuhr, ob sich ihm die Tiefe des Verhältnisses von Leben und Welt wirklich aufgetan hat. In dieser Bereitschaft zu ur- sprünglicher Hinnahme des Begegnenden liegt die mögliche Wahrhaftigkeit des Künstlers.“ (Bahr 1961, 143) Es bleibt die Frage, nach welchen Maßstäben eine solche Wahrhaftigkeit zu erkennen bzw. zu qualifizieren sei, wenn nicht - auf Seiten des Kunstrezipienten - ebenfalls mittels einer phänomenologischen Schau - und diese muss erlernt werden. 29 Die folgenden Überlegungen basieren auf der Definition von Kranz 1978. Sie klärt den Begriff und hält ihn dabei offen, ohne seine alltagssprachliche Semantik völlig aufzugeben. Ihr Defizit allerdings liegt in dem durchgehaltenen apologetischen Interesse: Fragen von Literarizität und literarischer Wertung spart Kranz aus und postuliert in apolo- - F.2.b - 446 eine Thematik (Problematik, Weltvorstellung, Weltkonzept etc.) aktualisiert werden, die nach überwiegendem Verständnis der christlichen Tradition zugerechnet werden kann.30 Als Kriteri- um einer solchen Zurechnung ‘nach überwiegendem Verständnis’ kann deren Beständigkeit dienen, sowohl diachron als auch synchron. In diesem Zusammenhang liegt der Begriff des ‘christlichen Gedächtnisses’ nahe, der in der jün- geren literaturtheologischen Diskussion unter kommunikationstheoretischen Aspekten eine zu- nehmend große Rolle spielt, so etwa bei Werner Post:31 „Das religiöse Gedächtnis sprengt [...] den Rahmen der idealen Kommunikationsgemeinschaft, wie immer auch deren Status näherhin bestimmt werden mag. Es insistiert auf Versöhnung, nicht nur Verständigung und zwanglosem Konsens. In gleicher Weise kann es den kritischen Punkt des Verständigungshandelns, das Dissensrisiko, für sich relativieren. [...//...] Die theologische Kritik [an kommunikationspragmati- schen Ansätzen] moniert nun nicht das kommunikative Verfahren überhaupt, sondern seine aus- geklammerten, auf 'Kontingenz' geschobenen Brüche.“32 Kritisch einzuwenden wäre hier allerdings, ob die Annahme eines religiösen Gedächtnisses, das ‘Kommunikationsbrüche’ potentiell versöhnend in sich aufheben soll, für das Gebiet der Literatur nicht zu optimistisch gedacht ist. In Rechnung stellen müssen wird man immer die Gefahr einer „Aneignung des Leidensprestiges",33 das dem jeweils fiktiv gestalteten Gegenstand innewohnt, und als Korrektiv eines allzu emphatischen Gedächtnisbegriffs wären sicher auch die lebensge- schichtlichen Brüche in Rechnung zu stellen, die die Religion selbst verursachen kann.34 Hinzu- weisen wäre schließlich auf die Vieldeutigkeit des Gedächtnisbegriffs. Godehard Schramm bei- spielsweise kennzeichnet christliche Literatur mit einem Wort Ernest Hellos über die römisch- katholische Kirche: „Ihr Gedächtnis ist ewig wach.’35 . Dafür, dass das ‘ewig wache Gedächtnis der Kirche’ auch der Drohung und Einschüchterung dienen kann, bieten die letzten zweitausend Jahre reiches Anschauungsmaterial. Zurück zur Aktualisierung des religiösen Potentials. Sie hängt nicht notwendigerweise mit der (theologischen und/oder) literarischen Bedeutsamkeit des jeweiligen Werkes zusammen36 und sie kann unterschiedliche Gestalt, Funktion und Reichweite haben: Sie kann - als individuelle Rezeption - den Text nehmen als Anlass zu einer nachvollziehenden, normalisierenden oder reflektierenden Aneignung, ihr Interesse kann mehr zum Religiösen oder mehr zum ästheti- getischer Hinsicht ein Idealbild von christlicher Literatur. Ungeklärt bleibt bei ihm vor allem der theoretische Status dessen, was er als 'Grenzfälle' betrachtet (ebd., 14: Blake, Strindberg, Barlach). Meine Ausführungen verstehen sich also als Ergänzung derjenigen Aspekte von Kranz’ Definition, die deren literaturwissenschaftliche Handhabbarkeit betreffen. 30 Im Bereich der traditionellen katholischen Literaturtheologie wird hier zumeist mit der (lehramtlich fixierbaren) Abgrenzbarkeit des Christlichen argumentiert (vgl. etwa Kranz 1987, 19 oder Kienecker 1978, 11), was aber un- weigerlich die Zuschreibung von Wertigkeiten nach sich zieht, also den Abgleich von christlichem und literarischem Wahrheitsanspruch. Die zweifach offene Bestimmung, die ich vorschlage, dient dazu, diese Zuschreibungszwänge - so theologisch sinnvoll sie sein mögen - für die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit christlicher Litera- tur zu übergehen. 31 Auch Kuschel 1978 (227 und 265f.) sprach von der Gedächtnisfunktion von christlicher Literatur; gemeint war allerdings das Gedächtnis an Person und Sache Christi, das Kuschel in den Begriff des ‘Christophorischen’ fasste. Kuschel lehnte sich an Walter Jens an, der unter Berufung auf Schlegel und Heine die Literatur als das „Gedächtnis der Menschheit“ (in: ‘Republikanische Reden’, S. 66) benannt hatte. Vgl. dazu ausführlicher Kap. C.3.b.ii. 32 Post 1994, 219//220. Post unternimmt eine theologische Kritik der marxistischen Religionskritik und diverser zeitgenössischer Moderne-Theorien (gestreift werden Weber, Horkheimer, Luhmann und Habermas). 33 Bachl 1999, 32. 34 Vgl. hier etwa Ix 1998. 35 Aus: ‘Heiligengestalten’; hier zit. nach Schramm 1998, 23. 36 Auch Kuschel (1978, 65) wies darauf hin, dass jeder Text im Leben des Gläubigen existentielle Bedeutung bekommen könne. Diese Auffassung hatte jedoch keinen Einfluss auf die Methodik seiner Arbeit. - F.2.b - 447 schen Rezipieren neigen; sie kann schließlich das, was sie aus dem Text erfahren hat, in unter- schiedlicher Weise in eigenes Handeln umsetzen.37 Im Falle von christlicher Prosaliteratur kann ‘Aktualisierung’ also eine Reflexion auf unter- schiedlichen theologischen, literarischen und/oder intellektuellen Niveauebenen sein, ebenso ein Glaubens-/Frömmigkeitsakt im engeren Sinne, möglicherweise also ein Erweckungserlebnis, das in christlichem Sinne zur Metanoia führt.38 Die unterschiedlichen Modi der Aneignung entspre- chen der breiten Auffächerung (und unterschiedlichen Reichweite) von Handlungen, die in der Religionspraxis möglich sind. Abzuweisen ist jedenfalls die in der Literaturtheologie weitverbreitete Vermutung, der einzig adäquate Rezeptionsmodus bestehe darin, sich „den Sinn von Literatur [...] zu eigen [...] zu machen“39 - ein Postulat, das auf der alten hermeneutischen Vorstellung beruht, einem Text sein Geheimnis zu entlocken (‘Sensus est efferendus’). Methodisch ergiebiger ist es, Interpre- tationen als individuelle (und trans-individuelle) Sinnzuschreibungen zu betrachten, die zwar vom Text gesteuert werden, die aber innerhalb gewisser Grenzen frei und - soweit sie verschie- dene logische Regeln nicht verletzen - in gleicher Weise Geltung beanspruchen können.40 Eine letzte Überlegung: Die Untersuchung des literaturtheologischen Diskurses hat ergeben, dass die Auffassung darüber, was adäquate Aktualisierung eines Textes ist, höchst unterschied- lich sein kann, je nachdem, welcher Begriff des Christlichen jeweils zugrundegelegt wird. Dar- aus könnte folgern, den Begriff ‘christliche Literatur’ als systematischen Begriff zu dispensie- ren und ihn sinnvollerweise durch den Begriff der ‘konfessionellen Literatur’ zu ersetzen. Dessen Semantik bewahrt die konfessionellen Kontroversen vergangener Jahrhunderte in sich auf, und in diesem Sinne dient der Begriff gemeinhin der Kennzeichnung der von Reformation und Gegenreformation geprägten Literaturepochen. Das jedoch, was heute ‘konfessionell’ ge- nannt wird, bemisst sich am jeweiligen Verständnis des Ökumenisch-Verbindenden, und es trägt in sich sowohl exkludierende als auch inkludierende Bestimmungsmerkmale. Das Attribut wäre also - zumindestens aus heutiger Sicht - semantisch offen genug für die beschreibende Kenn- zeichnung dessen, was aus der Teilnehmerperspektive als christliche Literatur verhandelt wird. Einen solchen Neologismus jedoch halte ich im literaturwissenschaftlichen Diskurs für nicht durchsetzbar: Zum einen verletzt er einige der Grice’schen Konversationsregeln, beispielsweise 37 Sicherlich werden die hier zusammengestellten Aktualisierungsmöglichkeiten auch im literaturtheologischen Diskurs unterschieden. Allerdings nur theoretisch, denn die Dichotomie von ‘Relevant-Nichtrelevant-Dichotomie’ bleibt als erkenntnisleitende und wertsetzende Kategorie stets vorausgesetzt. Ein gutes Beispiel dafür ist Peter Sänger, der zwar Literatur als Ort von christlicher Reflexion und Selbstverständigung verstand, zugleich aber auch als Ort gezielter (und theologisch kodifizierter) Traditionsbildung (Sänger 1983a, 10ff.; vgl. dazu auch den Abdruck eines seiner Lektoratsgutachten in Sänger 1983, 127-135). 38 Vgl. etwa Kranz 1987, 41. 39 Sedmak/Tschuggnall 1998, 174. 40 Wenn also ein literarisch hochgebildeter junger Jesuit (Hans Urs von Balthasar) in Claudels ‘Seidenem Schuh’ die „Sakristeiluft der aus der laisierten Moderne vornehm und beleidigt sich zurückziehenden französischen Kirche des 19. Jahrhunderts weggefegt“ (Balthasar: Mein Werk. Freiburg 1990, S. 31; zit. nach Krenski 1995, 86) sieht, dann wäre diese Deutung in ihren theologischen und lebens- und mentalitätsgeschichtlichen Bezügen zu vergleichen mit der beispielsweise von Erwin K. Münz (‘Freiheit, selbstlos am Stufenbau der Völker und Geschöpfe mitzuwirken’; vgl. Kap. E.2.d) oder von Reinhold Schneider (‘Gottes krumme Linien’), um nur bei diesen drei katholischen Deu- tungen des Stücks zu bleiben; jedenfalls ist keine dieser Deutungen gültiger als die anderen. - F.2.b - 448 die, Mehrdeutigkeiten zu vermeiden,41 zum anderen berührt er einen semantisch heiklen Be- reich. In den folgenden Kapiteln bleibt es also bei dem Begriff ‘christliche Literatur’. Um die Klippen interpretierender Zuschreibungen zu vermeiden, zielt die Erörterung dabei auf ledig- lich eine Frage: Unter welchen Bedingungen ist der Gebrauch des Begriffs sinnvoll, unter wel- chen Bedingungen ist er es nicht? (iii) Zum Begriff einer ‘christlichen Literatur’ Welche Werke rechne ich also zu der Literatur , die ich als Angebot zu einer religiösen Aktua- lisierung beschreibe und die ich mit dem Terminus ‘christliche Literatur’ bezeichne?42 Haupt- kriterium ist zunächst eine entsprechende Autormotivation, wobei der Begriff der Motivation den der Intention einschließt: Unter christlicher Literatur ist sinnvollerweise zunächst eine christlich motivierte Literatur zu verstehen.43 Die Autormotivation - nicht zu verwechseln mit dem „Aussagewillen des Autors“,44 den es qua Interpretation zu eruieren gelte, oder gar einer ‘intentio operis’,45 die einem neuthomistischen Universalzugriff Tür und Tor öffnet - kann unterschiedlich gestaltet sein, sie muss sich nur als solche manifestieren. Als Kriterium hierfür lediglich eine entsprechende biographische „Erfahrung“ anzuführen, „die eine Begegnung mit der sehr weit verstandenen Sphäre des Sacrum“46 bedeute, wie dies Katarzyna Dzikowska tut, eröffnet einschlägigen Spekulationen zu viel Raum. Ebensowenig ist es angängig, eine solche Motivation pauschal mit der Annahme einer katholisch gedeuteten ‘anima naturaliter christiana’ zu begründen, wobei nicht die Vorstellung als solche, sondern deren lehramtlich-dogmatische Fixierung indiskutabel ist. Es müsste sich also um Erfahrungen handeln, die vom Autor auch anders als literarisch mitgeteilt und unmissverständlich empirisch belegbar sind.47 Das Kriterium der Autormotivation scheint mir jedoch geeignet, eine Rekonstruktion von rein ideengeschichtlichem Interesse - wie etwa die, ob die Prager Literatur eher jüdisch oder eher christlich sei48 - nicht im Sinne einer kritisch-qualifizierenden und damit: ausgrenzenden Setzung zu beantworten. Das hieße, dass eine literarische Motivation, die sich nur auf „die Suche nach 41 Vgl. Grice 1979. 42 Einen wertfreien, lediglich heuristisch kennzeichnenden Gebrauch des Begriffs ‘christliche Literatur’, wie ich ihn vorschlage, macht auch Harold Bloom (1973/1995, 23). Allerdings beschränkt er sein Interesse auf einen literari- schen Kosmos ganz eigener Prägung: „Ich beschäftige mich nur mit starken Dichtern, bedeutenderen Gestalten, die genug Ausdauer haben, mit ihren starken Vorläufern sogar bis auf den Tod zu ringen. Schwächere Talente idealis- ieren; Persönlichkeiten mit angemessener Imaginationskraft eignen sich an.“ (ebd., 9). Dass die werthaltige Auf- ladung des interpretierten Gegenstandes zugleich auch der Aufwertung des Interpreten dient, ist bekannt - zumal Bloom es unternimmt, den erwähnten ‘starken Dichtern’ das nachzuweisen, was in der dekonstruktivistischen Litera- turkritik als ‘Fehllesen’ bezeichnet wird. Fraglos kommt Bloom zu erhellenden Einsichten, allerdings aus der Per- spektive des ‘Herrenlesers’ (vgl. Kap. A.2.a.). Es sollte aus dem Gang meiner Untersuchung ersichtlich geworden sein, dass solch heroisierende Pathetik, die - ihrerseits poetisierend in der Gestaltung - den Anschluss sucht an ihren Gegenstand und dessen kulturelles Kapital, mit meinem methodischen Ansatz nicht vermittelbar ist. 43 Hier greife ich auf einen Ausdruck Crimmanns zurück. Die Autorintention allerdings meint Crimmann anhand von „Anspielung[en] auf religiöse, bzw. biblisch-kirchliche Sprachhaltungen, Motive oder Inhalte“ (Crimmann 1978, 12; Zeichensetzung im Original) erschließen zu können, was als Kriterium weder notwendig noch hinreichend ist. 44 Kurz 1978a, 10. 45 Jens/Küng/Kuschel 1986, 7 (vgl. auch Kap. A.1). 46 Dzikowska 1995, 109. 47 Beispielhaft etwa die biographischen Nachweise bei Zaiser 1995. Zur historisch richtigen oder historisch stimmi- gen Auslegung hinsichtlich der Intention des realen Autors vgl. auch Strube 1993, 118. 48 Vgl. Reffet 1995; dort auch weitere diesbezügliche Literaturangaben zu Kafka und Werfel. - F.2.b - 449 der eigenen Religiosität“49 macht, noch nicht als Autormotivation im vorstehenden Sinne zu be- zeichnen sein dürfte: Die Frage, ob beispielsweise Franz Werfel als Nicht-Christ christliche Lite- ratur geschrieben habe, halte ich nicht nur für obsolet, sondern auch für überflüssig. Sie gründet sich auf die Annahme, Werfel habe zwar nicht de jure, aber de facto eine Konversion vollzogen - eine ebenso waghalsige wie irrelevante Spekulation, die das Verständnis des werfelschen Werks nicht erleichtert, sondern es durch ein sachfremdes, auf die eigene Intention rückbezogenes Re- zeptionsinteresse erschwert. Wie sich literaturgeschichtlich leicht belegen lässt, korrespondiert eine christliche Autormoti- vation oft mit einer entsprechenden Aneignung: Was als christliche Literatur geschrieben und distribuiert wird, wird als solche auch rezipiert. Die Beschreibung einer Literatur, die ein reli- giöses Kommunikationsangebot bereithält, wäre also zu ergänzen: Sie muss auf Fähigkeiten zu ihrer Aktualisierung und auf entsprechende Bedürfnisse bei ihren Rezipienten treffen - mit Maßgabe jedoch der erwähnten unterschiedlichen Aneignungsmodi. Ob und inwieweit also die im jeweiligen Werk angelegten Rezeptionsvorgaben eingelöst werden, hängt von den Fähigkei- ten, den Kenntnissen, dem Lebenshorizont etc. des jeweiligen Rezipienten ab. Das wäre jeweils rezeptionsgeschichtlich zu beschreiben, natürlich unter Berücksichtigung theologischer und/oder frömmigkeitsgeschichtlicher Aspekte. Dass nicht nur das katholische Konzept der ‘anima naturaliter christiana’, sondern der litera- turtheologische Diskurs in toto dazu neigt, sämtliche Literatur als christlich ausdeutbar zu sub- sumieren und innerhalb dieser Ausdeutbarkeit recht bereitwillig die Markierung ‘christlich’ bzw. ‘christlich relevant’ verleiht, hat die Untersuchung gezeigt. Wäre es also sinnvoll, zur christlichen Literatur auch solche Literatur zu rechnen, die unter christlichen Auspizien rezi- piert wurde oder wird? Grundsätzlich ja, allerdings mit drei Einschränkungen. Der Gebrauch des Begriffs ‘christliche Literatur’ ist nicht sinnvoll, − wenn die entsprechende Interpretation logisch eindeutig widerlegbar ist, im Sinne von Ecos Regeln der Interpretationsökonomie („Wenn schon keine Regeln verbür- gen, welche Interpretationen die ‘besten’ sind, dann läßt sich doch zumindest ent- scheiden, was ‘schlecht’ ist.“50 ), − wenn eine eindeutig andere Autorintention vorliegt oder eine Autorintention, die ei- ne Zurechnung als zweifelhaft erscheinen lässt,51 − oder wenn die Zuordnung als 'christliche Literatur' (diachron) unbeständig52 oder (synchron) marginal ist.53 49 Nikics 1995, 164 (über die frühe Prosa Franz Werfels). 50 Eco 1996, 59. 51 Zur Problematik der expliziten Autorintention vgl. Kranz 1978, 15f. 52 Das Kriterium der Beständigkeit erlaubt zudem, die christliche Literatur von den ‘religiösen Wellen’ abzugrenzen, auf die Dietmar Mieth hingewiesen hat (Mieth 1986a, 165: 20er Jahre „von Werfel bis Thomas Mann“, achtziger Jahre „von Peter Handke bis Botho Strauß“). 53 Schillers ‘Maria Stuart’ beispielsweise bezeichnet Otto Mann (1968) als christlich, Gisbert Kranz (1978) als nicht-christlich. Im Kontext der bisherigen Rezeptionsgeschichte gesehen ist Kranz’ Deutung die beständigere; Otto Manns Deutung ist - aufs Ganze gesehen - sowohl unbeständig als auch marginal. - F.2.b - 450 Nur vordergründig ähneln meine Vorschläge der Definition von Kranz: „wenn der christliche Glaube für eine Dichtung so konstitutiv ist, daß ich sie ohne Verständnis ihres Christlichen nicht zu erfassen vermag.“54 Die Vagheit dieser Formulierung liegt im Begriff des ‘Konstitutiven’. Als Beispiel kann Kafkas kurzer Text ‘Die Heimkehr’ dienen, in dem eine Adaption des Gleich- nisses vom verlorenen Sohn dargestellt und als ‘Deus-absconditus-Erfahrung’ umgedeutet ist. Worin nun liegt das Konstitutive des Textes, in dem zugrundeliegenden Gleichnis, dessen Kenntnis für ein Verständnis des Textes unumgänglich ist, oder in der Umdeutung? Selbst eine Adaption wie die von André Gide, die doch das Gleichnis als solches weitgehend unverändert lässt und nur durch einen Zusatz kommentiert, ist mit Kranz’ Definition nicht zu fassen. Ich hingegen verstehe das Christliche nicht als ein Element einer wie auch immer gearteten Werkontologie, der sich der Interpret nur in rechter Weise nähern müsse, sondern als eine Pro- duktions- und Rezeptionskategorie, deren Aufweis nicht auf intuitives Erfassen bzw. auf Evi- denz angewiesen ist, sondern die - unter Rückgriff auf rezeptionsästhetische Ansätze - hinsicht- lich ihrer Präsuppositionen und Leerstellen analytisch bestimmbar und damit intersubjektiv mitteilbar ist.55 Christliche Literatur geht - mutatis mutandis - auf in dem Gesamt dessen, was ich als ‘religiöse Literatur’ bezeichne,56 wie immer man den Religionsbegriff auch definieren mag.57 Entschei- dend bleibt eine entsprechende Autormotivation. Auf diese muss sich eine entsprechende Un- tersuchung richten, nicht auf das, was als religiöse Dimension dem Text - oder seiner Rezepti- on58 - unterstellt wird. Dass eine solche Untersuchung für theologische Fragestellungen sinn- voll sein kann, ist damit nicht bestritten. Nur kann sie nicht zum Nachweis dafür dienen, dass man es jeweils mit einer religiösen Literatur sui generis zu tun habe. Die Implikationen des Begriffs ‘religiöse Literatur’ entsprechen denen, die ich in der vorliegen- den Untersuchung für den der ‘christlichen Literatur’ nachgewiesen habe. Demzufolge ist es irre- führend, das Attribut ‘religiös’ in eine Reihe mit den Attributen ‘mythologisch’ oder gar ‘folkloristisch’ zu stellen.59 Wenig sinnvoll ist es auch, die Reihe zu erweitern, wie dies etwa 54 Kranz 1963a, 304. 55 Es versteht sich, dass eine solche Bestimmung die bei Kranz getrennten Aktualisierungsmodi ‘Analyse’ und ‘Rezeption’ einschließt. 56 Vgl. Auckenthaler 1995a, 14. Am Beispiel von Günter Grass (‘Die Rättin’) legt Gajek 1986 eine plausible Bes- timmung des Begriffs ‘gegenreligiöse Literatur’ vor (s. dort insbesondere S. 91). 57 Vgl. dazu aus neuerer Sicht Motté 1991. 58 Widersinnig erscheint es mir, die Begriffe ‘religiöse Literatur’ und ‘areligiöse Literatur’ zu konfundieren, wie dies Wolfgang Wiesmüller tut: „Aus rezeptionsästhetischer Perspektive muß nämlich durchaus zugestanden werden, daß religiöse Intertextualität, auch wenn sie in einem nicht-religiösen Problemkontext erscheint, religiöse Reflexionen auslösen kann. Von daher könnte Rühms ‘gebet’ durchaus als religiöse Provokation empfunden und damit eben doch als religiöses, wenngleich areligiöses Gedicht verstanden werden.“ (Wiesmüller 1995, 263) Wenn Literatur allein schon dann, wenn sie entsprechende Reaktionen auslöst, als religiöse und zugleich als areligiöse Literatur zu bezeichnen wäre, dann ergibt eine entsprechende Zuschreibung keinen Sinn und bleibt bloße Begriffsspielerei. Daran ändert auch nicht die Modifikation, die Wiesmüller in der anschließenden Diskussion seiner Thesen auf dem Szeg- eder Symposium vornahm und in der er das Ineinander von ‘religiös’ und ‘areligiös’ noch einmal bekräftigte: „Wiesmüller verfeinerte seinen Standpunkt, indem er innerhalb der dritten Kategorie eine Unterteilung vornahm: die Dichtung, die die bereits ‘beschrittene Grenze zwischen religiöser und nicht religiöser Lyrik thematisiere, müsse innerhalb der religiösen Lyrik als ‘areligiöse Lyrik’ bezeichnet werden, weil sie die Glaubensposition nicht nur als fragwürdig, sondern bereits als verlassen ausweise.“ (Dombai/Szabó 1995, 271) 59 So unterteilt Csúri (s. Dombai/Szabó 1995, 269). - F.2.b - 451 Katarzyna Dzikowska vorgeschlagen hat: „Spuren der Erfahrung eines heiligen Geheimnisses - wenn wir uns darauf einigen könnten, statt ‘heiliges Geheimnis’, ‘Transzendenz’ zu sagen, sind wir bei den ‘Spuren der Transzendenz’. Katholisch, christlich, religiös, heilig, transzendent - so erweitert sich der Horizont ... Transzendent: die Grenzen der Erfahrung und der sinnlichen Wahrnehmung überschreitend; und doch Spuren der Erfahrung.“60 Das Attribut ‘heilig’ ist, das wird aus dem Zitat deutlich, keine attributive Zuschreibung einer bestimmten Qualität an ein literarisches Werk, sondern beschreibt vielmehr eine bestimmte Her- angehensweise an Literatur bzw. ein bestimmtes Vorverständnis von dem, was man unter Litera- tur verstehen möchte.61 Es bringt demzufolge keinen Zuwachs an Klärung. Zweierlei folgt aus den vorstehenden Überlegungen für den Gebrauch des Begriffs 'christliche Literatur'. 1. Die hier diskutierte Bestimmung von christlicher Literatur hat ihren Vorzug zunächst darin, dass sie den Begriff für literaturwissenschaftliche Zwecke handhabbar macht, ohne dass seine theologische Reichweite definiert sein müsste. In literaturhistorischer Hinsicht wäre also zu untersuchen, was zu bestimmten Zeiten in bestimmten literarischen, literaturkritischen, litera- turwissenschaftlichen oder literaturtheologischen Zusammenhängen unter christlicher Literatur verstanden wurde und mit welchen Interessen dies geschah. Das natürlich macht es notwendig, auch diejenige Literatur in den Blick zu nehmen, die jeweils - ausdrücklich oder stillschwei- gend - je nach Interesse jeweils nicht fokussiert wurde. 2. Meine Bestimmung von ‘christlicher Literatur erlaubt es ferner, Kriterien für die Kategorie des ‘theologischen Vereinnahmens’ zu entwickeln. Wegen seiner schwammigen Semantik eignet sich dieser bisher umstrittene Begriff nicht nur trefflich zur - effektvollen, aber fruchtlosen - Abqualifizierung anderer literaturtheologischer Meinungen.62 Die Bemerkung, man beabsichti- ge kein theologisches Vereinnahmen, ist mittlerweile sogar zur fast obligatorischen Formel in den Einleitungsabschnitten literaturtheologischer Beiträge degeneriert. Als solche verliert sie an methodischer Relevanz. Möglicherweise wäre der Begriff des ‘Vereinnahmens’, der konnotativ auch das ‘Einnehmen/Besetzen eines Terrains‘ in sich fasst, besser durch den des Kolonisierens zu erset- zen. Zum einen in systematischer Hinsicht: Das Kolonisieren marginalisiert das Kolonisierte dort, 60 Dzikowska 1995, 102. 61 Dzikowska bezieht sich auf einen Aufsatz von Jerzy Kaczorowski ‘Literatur als Mystik’ (1980), in dem die Ge- meinsamkeiten von Mystik und Literatur erörtert werden, bis schließlich diese in jener aufgeht. Eine solche Sichtweise erfordert bestimmte Eigenschaften, anhand derer Literatur von Nicht-Literatur abzugrenzen ist: un- abschließbare Auslegungsmöglichkeit, „Unbewußtheit und Unwillkürlichkeit“ (ebd., 103) beim Schreiben, eine spezifische Gestimmtheit auf Seiten des Lesers sowie schließlich die Möglichkeit, einen Text in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen stets neu zu aktualisieren. Ich frage mich, ob damit die Möglichkeiten von Literatur ausgeschöpft sind oder ob nicht vielmehr eine bestimmte Vorstellung von Literatur die Wahrnehmung präformiert. [Mangels polnischer Sprachkenntnisse war mir Kaczorowskis Aufsatz nur in der abschnittsweisen Über- setzung bei Dzikowska 1995 zugänglich.] 62 Exemplarisch in dieser Hinsicht etwa die Kritik in Kranz 1982 und die Replik von Kuschel 1982. - F.2.b - 452 wo es unverfügbar fremd ist, lässt es aber in seiner Fremdheit unverändert; die Adaption bleibt also beschränkt auf das, was sich überhaupt adaptieren lässt. Zum anderen in historischer Hin- sicht: Das Kolonisieren unterzieht das Kolonisierte einer ihm heteronomen Tauschwertlogik und neigt dabei zu einer breitflächigen monokulturellen Nutzung. Wie jedoch ließe sich eine theologische Vereinnahmung (sc. Kolonisierung) als solche erken- nen? Ich ziehe hier eine Unterscheidung von Karl-Josef Kuschel heran: Eine ‘Vereinnahmung’ literarischer Texte bestehe darin, sie „zur Bestätigung von Sinnangeboten zu mißbrauchen, die außerhalb ihrer liegen“.63 Legitim dagegen erscheint es Kuschel, Texte zu „funktionalisieren“,64 sie sich also mit seinem jeweils individuellen - theologisch und lebens- geschichtlich motivierten - Leseinteresse zu eigen zu machen. Nun halte ich es für irreführend, einen Sinn ‘innerhalb bzw. außerhalb von Texten’ anzunehmen. Das würde die Entscheidung darüber, wann eine Vereinnahmung vorliegt, einer interpretatorischen Übereinkunft überant- worten, und diese wiederum ließe sich - hier ziehe ich das oben Erörterte heran - allenfalls fal- sifizieren, nicht aber verifizieren. Brauchbar hingegen ist Kuschels Unterscheidung von ‘vereinnahmen’ und ‘funktionalisieren’, weil sie auf den Akt des je individuellen Aneignens verweist. Zwar folgern daraus noch keine Kriterien, um die Legitimität einer Textaneignung zu beurteilen, wohl aber die Möglichkeit, eine theologische Vereinnahmung methodisch recht unaufwendig zu bestimmen - wiederum nicht verifikatorisch, sondern falsifikatorisch: Eine Vereinnahmung liegt grundsätzlich nicht vor, wenn der betreffende Interpret (1) die christliche Rezeption eines Werkes hinsichtlich sei- ner Historizität reflektiert und wenn er (2) die eigene Interpretation als eine solche ausdrücklich markiert. 63 Kuschel 1997, 2. 64 Ebd. - F.2.c - 453 c) Aspekte vertikaler Aufgliederung In der bisherigen Literaturtheologie ist christliche Literatur bisher vor allem theologisch auf- gegliedert worden: In der älteren traditionellen Literaturtheologie, die zwar die Wertungsfrage stellt, sie aber dadurch behandelt, dass sie von vornherein nur die Kanonautoren behandelt, ist das Problem einer vertikalen Differenzierung nur angedeutet. Christliche Literatur habe - so beispielsweise Wilhelm Grenzmann - „eine sehr feste, eindeutige, unveränderliche Grundla- ge“,1 jedoch gebe es hinsichtlich ihrer Christlichkeit Abstufungen „nach dem Maße, wie christliches Denken und Leben Grund und Bau der Dichtung bestimmt.“2 Dominierend ist hier lediglich ein Unterteilungsschema - bei Grenzmann lediglich angedeutet -, das den Diskurs der traditionellen Literaturtheologie bis heute bestimmt: die Unterscheidung in ‚De-profundis-‚ und ‚Laudamus-te-Literatur‘.3 Die avancierte Literaturtheologie kennt dann die Unterscheidung von affirmativer christlicher Literatur, die das theologisch bereits Gewusste lediglich bestätige, und Literatur, von der die Theologie lernen könne. Jedoch bleibt der Begriff des Affirmativen - ein Erbe aus der Autonomieästhetik - im (negativ) Fetischhaften stecken, und unreflektiert bleibt das Moment des Affirmativen, das dem eigenen Diskurs eignet: Wie der bisherige Gang der Untersuchung ergeben hat, neigt der avancierte literaturtheologische Diskurs dazu, sich die eigenen Thesen, Auffassungen und Methoden in topischer Redundanz gegenseitig zu bestäti- gen. Beide Unterteilungsansätze, so sinnvoll sie für eine theologische Interpretation sein mögen, verfehlen die phänomenologische Vielfältigkeit von christlicher Literatur und ihre unterschied- lichen Funktionen.4 Rein produktionsästhetisch kann christliche Literatur5 unterteilt werden im Hinblick darauf, inwiefern sie einen Reflex auf religiöse, im engeren Sinne auch kirchliche Praxis darstellt.6 Sie kann zunächst als Initiierung, Fortschreibung7 oder Bestätigung kirchli- 1 Grenzmann 1963, 27. Hier bezieht sich Grenzmann ausdrücklich auf Elisabeth Langgässers Satz von der ‘ungeheuren Einförmigkeit’ der Realität aus christlicher Sicht. (Vgl. Kap. B.2.b.ii). 2 Ebd. 3 Vgl. Grenzmann 1963, 28. Das Begriffspaar erscheint bei Grenzmann nicht. In einem Essay von 1951 hatte Holthusen den Unterschied formuliert: „Goethes Frömmigkeit ist eine Religion des ‘Te deum laudamus’, nicht des ‘De profundis’.“ (Holthusen 1955, 235), und Friedrich Kienecker (1978) verwendete diese Unterscheidung für eine Typologie christlicher Literatur. 4 Die im Folgenden genannten Aspekte verschränkten sich gegenseitig und dienen nicht als einander exkludierende Beschreibungen. 5 Ich meine hier Literatur im engeren Sinne, also nicht das ‘religiöse Buch’ nach dem Verständnis des Buchpastoral- Diskurses. 6 Solche Versuche sind auch bereits in der Literaturtheologie gemacht worden, etwa im Buchpastoral-Diskurs oder auch bei Kranz 1978. Von diesen zielorientiert vorgenommenen Versuchen unterscheidet sich mein Vorschlag, dass er ein breiteres Spektrum von religiös motivierten Verhaltensweisen einschließt. Was ich anstrebe, ist eine literatur- wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik, nicht eine Handreichung für buchpastorales Arbeiten. 7 Vgl. etwa Altmann 1964, 5: Christliche Literatur könne „innerhalb der Liturgie oder in den religiösen Übungen des einzelnen Christen, in Gebet und Betrachtung ihren Ort finden“. Frühwald (1986, 21f.) bezeichnet Brentanos ‘Bittere Leiden’ als „handlungsorientierten Meditationstext“. Die Reihe von entsprechenden Belegstellen ließe sich fortsetzen. - F.2.c - 454 cher Praxis fungieren, indem sie - in welchen Ausschnitten auch immer - die ‘große Erzählung‘ der christlichen Tradition in vereinfachter oder in artifiziell und/oder reflexiv überhöhter oder gebrochener Form zu vermitteln sucht und auf diese Weise - qua stillem Leseprozess (sowie ggf. dem Austausch darüber) - einen Nachvollzug religiöser Betätigung und/oder religiöser Reflexion anbietet oder schlicht ein Abbild christlich geprägten Lebens. Sie kann also, kurz gesagt, religiöse Auffassungen und/oder religiöse Praxis initiieren, bestätigen oder nicht sy- stemkonforme religiöse Auffassungen im Sinne kirchlicher Dogmatik zu widerlegen versuchen. Zudem kann christliche Literatur in konkludenter Weise eine religiöse Problematik darstellen und zur Beschäftigung mit ihr anregen oder eine solche Problematik überhaupt erst initiieren. Diese Darstellung kann sich auf Glaubensinhalte und/oder auf deren Tradierung erstrecken oder aber auf einen bestimmten Sprachstand religiöser bzw. kirchlicher Praxis.8 Wenn christliche Literatur also als eine Art Kristallisationspunkt des Austauschs über religiöse - oder religiös ausgedeutete - Probleme fungiert, dann wäre zu untersuchen, wie stark jeweils das ausgesprägt ist, was man Problem-Deixis nennen könnte: Bei den christlichen ‘litterae minores’ ist ein Genre vorherrschend, in dem das literarische Werk eine Funktion der dahinterliegenden Problemstellung darstellt. Exemplarisch hier etwa Kurt Ziesels in den letzten Jahrzehnten mehr- fach aufgelegter Roman ‘Daniel in der Löwengrube’, in dem ein deutscher Schauspieler irrtüm- lich in die Vernichtungsmaschinerie des ‘3. Reiches’ gerät: Was Ziesel in diesem Roman darge- stellt wissen wollte, war „das Antlitz der Menschheit, das Ebenbild Gottes.“9 Ziesel arbeitet mit den herkömmlichen Prinzipien des Dramatischen (Fallhöhe, Katharsis etc.) und setzt damit auf unmittelbare Empathie durch den Leser, der allerdings spätestens am Ende narrativ ‘zur Einsicht’ gebracht wird.10 Strukturell anders ausgeprägt ist die Problem-Deixis beispielsweise in Robert Heinrich Oehningers Roman ‘Die Bestattung des Oskar Lieberherr’ (1966). Hier bilden das Ge- schehen und seine narrative Darbietung eine fortwährende Reflexion des Problemkreises ‘Kirche vs. moderne Welt’ ab. Diese Reflexion jedoch ist so eng an den Horizont der handelnden Perso- nen gebunden, dass sie ein ähnlich gelagertes Probleminteresse auf Seiten des Lesers zwingend voraussetzt, ohne ihm dafür imaginative Freiräume zu lassen. Auch das erzählerische Œuvre von Erwin Karl Münz, in dem sich Problem-Deixis und katechetisch-ästhetische Darstellungsform ineinander verschränken, rechne ich zu diesem Subgenre christlicher Literatur - ein literarischer Bereich im Übrigen, der auch für die Erforschung der neueren christlichen Mentalitätsgeschichte lohnend sein dürfte. Welchen Sinn hat eine Unterteilung, wie ich sie vorschlage? Sie stellt den Interessen- und Ver- ständnishorizont in Rechnung, innerhalb dessen sich die Rezeption von christlicher Literatur vollzog (bzw. vollzieht), und erlaubt damit, Querbezüge innerhalb der christlichen Literatur herzustellen: Der Versuch beispielsweise, sich die literarische Moderne produktiv anzueignen, verband das Werk Elisabeth Langgässers mit dem von Erwin Karl Münz, und beiden ist ge- meinsam der Rekurs auf Genretraditionen, die einem katholischen Leser der damaligen Zeit vertraut waren. Christliche Literatur wäre demzufolge als Kontinuum zu beschreiben, das in- nerhalb eines lebensgeschichtlich gesetzten religiösen Rahmens bestimmten Bedürfnissen dient 8 Dass die Intention solcher Versuche argumentativ stets schwer zu fassen ist, zeigt sich etwa an dem Blasphemiepro- zess 1895 gegen Oskar Panizzas ‘Liebeskonzil’ (Schriftsätze daraus sind abgedruckt bei Panizza 1988, 12-22). 9 Lt. dem vorderen Klappentext von Ziesel 1963. 10 Aus theologischer Sicht mag man den Roman lediglich als ‘Annäherung an eine christliche Fragestellung’ betrach- ten (so etwa Glaser 1952/53, 727f.). - F.2.c - 455 und innerhalb dessen der einzelne Leser - im Sinne Helmut Kreuzers11 - die Kriterien für Lite- rarizität und religiöse Relevanz verhältnismäßig variabel setzt. 11 Vgl. Kreuzer 1967/1975, 15. - F.3 - 456 3. Resümee: Zur Ausdifferenzierung des Forschungsgebietes ‘christliche Literatur’ Im Verlauf der bisherigen Untersuchung, die den Zuständigkeitsbereich der Literaturwissen- schaft von dem der Theologie abgrenzte, habe ich das literaturwissenschaftliche und das litera- turgeschichtliche Interesse weitgehend als gleichgerichtet betrachtet. Um nun das Forschungs- gebiet ‘christliche Literatur’ neu aufzureißen, ist es erforderlich, genauer zu differenzieren. Eine komparatistische Herangehensweise, wie sie sich in der neueren Diskussion herauszubil- den scheint, ist dem Gegenstand nur dann angemessen, wenn man den Nexus von Literatur und Glauben allein und ausschließlich in der Bibel sieht. So führte etwa Peter Tschuggnall das For- schungsgebiet der ‘Vergleichenden Literaturwissenschaft’ auf Johann Gottfried Herder zurück, der seinerseits von Robert Lowth angeregt wurde: „Die Bibel als Ganzes ist ‘Literatur’, ist ‘Kunst’, in ihr finden - teils motivierend, teils mahnend - Künste wie ‘Gesang’ (z.B. Psalmen, Hohelied), ‘Tanz’ (z.B. Salome) und ‘Architektur’ (z.B. Salomo) einen für das Menschsein wesenhaften Ausdruck. // Die Bibel steht im Mittelpunkt der Beziehungen zwischen Dichtung und (westlichem) Glauben, d.h. literarischer Fortschreibungen und künstlerischer Auseinandersetzungen sowie in der wissenschaftlichen Analyse des Ver- gleichs von Religion, Literatur und den Künsten. Als ein religiöses Werk göttlicher Offenbarung, das zusätzlich einen gesellschaftsbildenden Aspekt in sich trägt, wird sie spätestens seit dem amerikanischen Bischof Robert Lowth auch als ein literarisches Dokument angesehen.1 Tschuggnall berief sich auf Henry Remak, der 1961 das Arbeitsgebiet der Komparatistik auf die Beziehungen „zwischen der Literatur einerseits und anderen Wissens- und Glaubensberei- chen andererseits“2 ausgedehnt hatte. Tschuggnalls Sichtweise allerdings ist problematisch, weil sie nicht nur eine historisch kontingente Auffassung von Literatur als allgemeingültig fest- schreibt, sondern weil sie in ihrer Fixierung auf den Text der Bibel von literarischen Rezepti- onszusammenhängen absieht: „Für eine Bewertung der Künste scheint nicht entscheidend, ob die jeweiligen ästhetischen Aus- weise von Lesern, Sehern oder Zuhörern oder von einer etwaigen wissenschaftlichen Analyse als ‘religiös’ oder als ‘weltlich’ beurteilt werden.[...] Der biblische bzw. religiöse, jedenfalls theo- logie-beachtete Standpunkt geht Hand in Hand mit ästhetischen Spiegelungen sowie einem lite- raturwissenschaftlichen Interesse an Religion. Für diesen derart angezeigten, mit anthropologi- schen Vorstellungen gekoppelten Zusammenhang erinnere ich an Michail M. Bachtin, den Vor- bereiter und Mitgestalter moderner Literaturanalysen, im besonderen, wenn er darauf hinweist, daß das ‘äußere’ Milieu, das ‘mechanisch’ auf die Persönlichkeit ‘Mensch’ einwirkt, zum Spre- chen zu bringen ist. Das hat zur Folge: ‘Dinge’ müssen ‘Wort’ werden, um in ‘Sinn’ sich wan- 1 Tschuggnall 1998a, 550//551. Ähnlich formulierte Tschuggnall auch in seiner Gemeinschaftspublikation mit Cle- mens Sedmak: „Im Mittelpunkt der Beziehungen zwischen Dichtung und (westlichem) Glauben steht seit jeher die Bibel in ihrer Eigenschaft, ein religiöses Werk göttlicher Offenbarung zu sein, das zusätzlich einen gesellschaftsbil- denden Aspekt in sich trägt und spätestens seit Johann Gottfried Herder zunehmend auch als ein literarisches Do- kument angesehen wird.“ (Sedmak/Tschuggnall 1998, 172) 2 Henry Remak: „Definition und Funktion der Vergleichenden Literaturwissenschaft“. In: Komparatististik. Aufgabe und Methoden. Hg. von H. Rüdiger. Stuttgart 1973, S. 11; zit. nach Tschuggnall 1998a, 555. - F.3 - 457 deln zu können. Authentisches Verständnis in Literatur und Kunst ist deshalb stets historisch und personifiziert.“3 Der bisherige Gang der Untersuchung hat gezeigt, dass sich das Interesse an christlicher Litera- tur oder an den darin sich manifestierenden Erfahrungen nicht auf eine ‘lektüre-immanente’, privatistische Auffassung wie die von Tschuggnall zu beschränken braucht. Er zeigt auch, dass der Bereich der religiösen, im engeren Sinne christlichen Literatur in toto nicht auf eine kompa- ratistische Fragestellung zu reduzieren ist. Sinnvoller erscheint es vielmehr, beim wissenschaft- lichen - sc. theoriegeleiteten, selbstreflexiven, institutionell abgesicherten - Umgang mit christ- licher Literatur verschiedene Zugriffe zu unterscheiden, wobei jeder dieser Zugriffe seinerseits die beiden anderen sich zum Gegenstand machen kann. Hier eine ‘prima inter pares’ anzuneh- men, widerspräche der Logik des Gegenstandsbereichs und seiner bisherigen Aneignung. Um dreierlei geht es beim Gegenstand einer christlichen Literatur: • Um die Diskurszusammenhänge, innerhalb derer christliche Literatur produziert, distribuiert und rezipiert wird; dazu gehört auch die Reflexion über das eigene interpretatorische Han- deln. Hier verschränken sich literatur- und theologiegeschichtliche Perspektiven. • Um das einzelne literarische Werk hinsichtlich der in ihm sich manifestierenden ‘Logik des Produziertseins’ (Szondi); hierunter fielen sowohl literarästhetische als auch theologiege- schichtliche Untersuchungen.4 • Um das einzelne literarische Werk hinsichtlich seines Kommunikationspotentials, bezogen auf darin reflektierte Probleme, Fragestellungen, Erfahrungen, Utopien etc.. Hier fände die Theologie ihren Platz, die ja - wie die Untersuchung gezeigt hat - nach der gegenwärtigen Wirksamkeit von Literatur fragt. Unumgänglich wäre aber für alle Beteiligten, das eigene (fachliche oder persönliche) Erkennt- nisinteresse nicht nur zu reflektieren, sondern auch dessen jeweilige Begrenztheit mitzudenken. Nur in dieser Hinsicht könnte ein interdisziplinärer Austausch produktiv sein, würde also nicht lediglich der gegenseitigen Vergewisserung und Bestätigung dienen. In den letzten zwanzig Jahren wird - um diesen Aspekt abschließend zu erörtern - der Theologie von literaturwissenschaftlicher Seite zunehmend eine kompensatorische Funktion zugewiesen. 1995 beklagte etwa Albrecht Schöne, dass die schwindende Bibelkenntnis zur Folge habe, dass ein gemeinsames kulturelles Repertoire mehr und mehr verschwinde.5 Bettina Knauer, die die- sen Gedanken aufgriff, folgerte daraus die Notwendigkeit einer theologischen Betrachtung am Beispiel Gotthelfs: „Für das Verständnis von Werken, die mit dem biblischen Bild- und Vorstellungsrepertoire auch am Offenbarungscharakter der Heiligen Schrift, an der spirituellen Kraft des Bibelwortes und einer lebendig erfahrenen Orthopraxis festhalten, spitzt sich diese [von Schöne benannte] Pro- blematik zu. Mit dem Bruch im kulturellen Gedächtnis werden dann auch die Defizite im Religi- onsunterricht und der Schulung im Katechismus, das Ausbleiben regelmäßiger Kirchgänger und der gesellschaftliche Vitalitätsverlust der Predigt spürbar. Vor diesem aktuellen Hintergrund re- zeptionsgeschichtlicher Umbrüche stellt Jeremias Gotthelfs religiöser Roman Geld und Geist 3 Tschuggnall 1998a, 552. 4 Wie beispielsweise Hurth 1993. 5 In: Die Zeit, Nr. 34 (18.8.1995), S. 36; zit. nach Knauer 1997a, 69. - F.3 - 458 oder Die Versöhnung von 1843/44 ein Probestück dar. Die Lebendigkeit der Bibel, die christli- che Religion und ihre Traditionen im Berner Bauerntum sind in einer Weise thematisiert, zu der allein der historisch-philologische Kommentar keinen Brückenschlag bilden kann. Hilfestellung muß hier die Theologie leisten, da sie wissenschaftlich einholt, was als Religion unmittelbar sich vollziehendes Leben war.“6 Knauer unterliegt hier einem Zirkelschluss, der aus der eingenommenen Teilnehmerperspektive resultiert: Zunächst erklärt sie die Säkularisation allein aus einer innerkirchlichen Sicht, näm- lich - salopp formuliert - als Folge eines Nachlassens von spirituell-religiöser Anstrengung. Folgerichtig weist sie der Theologie die Funktion zu, einen umgreifenden religiösen Lebensho- rizont ‘einzuholen’, sprich: dessen Schwinden zu kompensieren. Unter der Voraussetzung, dass der Befund einer zunehmend entchristlichten Gesellschaft richtig ist, bleibt die Frage offen, warum ausgerechnet die Wissenschaft der christlichen Theologie - gewissermaßen die Philolo- gie der Offenbarungswahrheit - in der Lage sein sollte, die Möglichkeit einer kulturellen Ver- ständigung zu garantieren. Natürlich ist der Hinweis darauf, dass christliches Orientierungswissen mehr und mehr abhan- den zu kommen droht, nicht falsch. Ich sehe aber gerade darin, dieses Wissen im kulturellen Gedächtnis zu erhalten, eine literaturwissenschaftliche und literaturdidaktische Aufgabe.7 Man wird sich hier vor zu pessimistischen Projektionen hüten müssen, die auch ihrerseits ja ihre Tradition haben. Alles in allem scheinen mir die Diskurse des christlichen Überlieferungsrau- mes noch recht lebendig zu sein. Die kirchlich oder gar theologisch verbürgte christlich- kulturelle Einheit allerdings, wenn es sie denn überhaupt je gab,8 ist heute nicht mehr zu haben, und sie ist - angesichts des zunehmend aggressiveren Fundamentalismus’ gleichwelcher Pro- venienz - auch gar nicht wünschenswert. Vielleicht sollte man es eher so sehen: Neben den Kirchen ist es vor allem die (vermeintlich entchristlichte) Kultur, die die religiösen Überschüs- se einzelner Teildiskurse produktiv im Zaum zu halten vermag. Das nun steht auf einem ande- ren Blatt. 6 Knauer 1997a, 69. 7 Einen interdisziplinär erprobten Weg schlägt Riemenschneider 1996, 11ff. vor. 8 Vgl. beispielsweise Tammen 1993. ‘Christliche Literatur’ und ihre Kanonisierung seit 1945 1. Teilband: Literaturkonzepte und Argumentationsmuster in der deutschsprachigen Literaturtheo- logie von 1945 bis heute 2. Teilband: ‘Christliche Literatur’ als literaturwissenschaftlicher Gegenstand (erörtert am Beispiel eines apokryphen katholischen Schriftstellers in der Bundesrepublik der 1950er Jahre) 3. Teilband: Literaturverzeichnis Dissertation im Fach Literaturwissenschaft vorgelegt an der Universität Dortmund / Fakultät Kulturwissenschaften von Dietrich Schlüter aus Recklinghausen Erstgutachter: Prof. Dr. Hartmut Riemenschneider Zweitgutachter: Prof. Dr. Dr. h. c. Albert Klein Oktober 2001 459 ABEGG 1957 Abegg, Lily: Im neuen China. Zürich, Freiburg/Br.: Atlantis, 1957. 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