Thematisierungsstragie in den Massenmedien und ihre Auswirkung auf die Bevölkerung und die politischen Entscheidungsträger Thematisierung und Deutung des Problems „Waldsterben“ in den achtziger Jahren Dem Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften, Journalistik und Geschichte der Universität Dortmund zur Erlangung des akademischen Grades Dr. phil. vorgelegte Dissertation von Kim Otto aus Essen Tag der Einreichung: 23.02.2001 2 Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die fertige Schrift meines Dissertationsprojektes „Thematisierungsstrategien in den Massenmedien und ihre Auswirkung auf die Bevölkerung und die politischen Entscheidungsträger. Die Thematisierung und Deutung des Problems ‚Waldsterben’ in den achtziger Jahren“. An dieser Stelle möchte ich einige Danksagungen loswerden, an erster Stelle an meinen Erstgutachter Prof. Dr. Güther Rager, der die Arbeit mit besonders großem Wohlwollen betreute und mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand; an den Zweitgutachter Prof. Dr. Horst Pöttker, der sich trotz starker zeitlicher Belastung bereit erklärt hat, das Korreferat zu übernehmen. Dank gilt auch meinen akademischen Lehrern Prof. Dr. Heribert Schatz, bei dem ich viel über das Themenfeld „Massenkommunikation und Politik“ gelernt habe, sowie insbesondere habil. Dr. Frank Marcinkowski, der mich zu dieser Arbeit angeregt hat und diese mit konstruktiv- kritischem Rat, von Lichtenstein aus, begleitete. An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei Herrn Casper Mühlen (Abteilungsleiter im Bundespresseamt), welcher mir ganz „unkonventionell“ Umfragedaten aus dem Bundespresseamt zur Verfügung gestellt hat, bedanken. Zahlreiche Hilfe erhielt ich bei den sich dehnenden Arbeitsschritten, welche mit einer solchen Arbeit verbunden sind, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls für Politikwissenschaft der Universität Duisburg und dem Rhein-Ruhr- Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP): Nur wenigen kann an dieser Stelle explizit Dank ausgesprochen werden und es sei mir verziehen, wenn ich stellvertretend Dr. Thomas Bruns für die Beratung in Methodenfragen sowie Dipl. Soz. Wiss. Volker Greger und Dipl. Soz. Wiss. Wolfgang Hüning für die kritische Durchsicht des Manuskriptes erwähne. Für das sorgfältige Lektorat ist Muckie Miksch, Linde Schmidt, Elke Schwarz sowie Martina Wesselmann-Lang zu danken. Last not least sei allen jenen gedankt, die mich während der Erstellung der Arbeit persönlich begleitete haben; allen voran meinen Eltern, Marlen, Renate und Holger sowie meinen beiden Geschwistern Nina und Daniel. Außerdem allen Freunden, die lange Zeit geduldig auf das Ergebnis meiner selbstbezüglichen Verschlossenheit gewartet haben. Nicht zuletzt das Bemühen, sie nicht zu enttäuschen, hat dazu beigetragen, diese Arbeit fertig zu stellen. Essen, im Februar 2001 Kim Otto 3 Inhalt Teil I Einleitung 1. Einführung in das Thema ..........7 2. Zur kommunikationswissenschaftlichen Relevanz und Konkretisierung der Fragestellung ..........9 3. Zum Aufbau der Arbeit .........14 Teil II Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaften 4. Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaften 4.1 Forschung zum Agenda-Setting .........19 4.2 Forschung zur Agenda-Bildung .........27 4.3 Forschung zum Policy-Agenda-Setting .........38 4.4 Forschung zur Policy-Agenda-Bildung .........57 4.5 Zusammenfassung der Agenda-Forschung .......60 Teil III Massenmedien und politische Agenda-Bildung: vorliegende Modellvorstellung zur Rolle der Massenmedien im politischen Agenda-Bildungs-Prozess 5. Vorliegende Modellvorstellung .......67 4 5.1 Massenmedien und der „Aufmerksamkeitszyklus“ von Downs ....... ..........67 5.2 Massenmedien und politische Agenda-Bildung ..........74 5.3 Massenmedien und das „Modell der öffentlichen Arenen“ ..........87 5.4 Massenmedien und das „Garbage-can-Modell“ ..........99 5.5 Zusammenfassung der Teile II und III: Massenmedien und politische Agenda-Bildung ein vorläufiges Analysemodell .......165 Teil IV Das Problem „Waldsterben“ auf der Bewegungs-, der Bevölkerungs-, der massenmedialen und parlamentarischen Agenda im System der Bundesrepublik Deutschland: Themenkarriere und Problemdeutung in den achtziger Jahren 6. Allgemeines Design und Methodik der empirischen Untersuchungsteile 6.1 Methodisches Design .......220 6.2 Materialbasis, Auswahlverfahren und Untersuchungsmodell .......222 6.3 Operationalisierung der Konstrukte und Erhebungsverfahren .......230 6.4 Auswertungsmethode und Präsentation der Befunde .......241 7. Die politische Themenkarriere des Themas „Waldsterben“ in der Zeitungsberichterstattung, in der Bevölkerung, in der Ökologiebewegung und im Deutschen Bundestag von 1980 bis 1990 5 7.1 Die politische Themenkarriere des „Waldsterbens“ in der Zeitungsberichterstattung, in der Bevölkerung, in der Ökologiebewegung und im Deutschen Bundestag 1980 bis 1990. Eine deskriptive Analyse .......249 7.2 Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Januar 1980 bis Dezember 1990 .......262 7.3 Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Januar 1980 bis Oktober 1983 .......288 7.4 Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Oktober 1983 bis Mai 1986 .......297 7.5 Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Mai 1986 bis Dezember 1990 .......303 7.6 Zusammenfassung Massenmedien und Agenda-Bildung: „Waldsterben“ eine Themenkarriere in den 80er Jahren .......310 8. Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen zu dem Problem „Waldsterben“ in den 80er Jahren in der Zeitungsberichterstattung, in der Ökologiebewegung und im Deutschen Bundestag .......314 8.1 Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen in der Ökologiebewegung. .......321 8.2 Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen in der Zeitungsberichterstattung. .......344 8.3 Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen im Deutschen Bundestag. .......363 8.4 Zusammenfassung Massenmedien und Problemdeutung: „Waldsterben“ Problemdeutung in den 80 er Jahren .......379 6 9. Massenmedien im Deutungsprozeß: Wechselseitige Einflüsse von Deutungsmustern und Policy-Optionen zwischen Zeitungsberichterstattung, den Bewegungsorganisationen und dem Deutschen Bundestag .......384 9.1. Wechselseitige Einflüsse von Deutungsmustern zum Thema „Waldsterben“ zwischen Zeitungsberichterstattung und Bewegungsorganisationen und dem Deutschen Bundestag .......385 9.2. Wechselseitige Einflüsse von Policy-Optionen bei dem Thema „Waldsterben“ zwischen Zeitungsberichterstattung und Bewegungsorganisationen und dem Deutschen Bundestag .......400 10. Zusammenfassung der empirischen Befunde .......411 Teil VI Schlussbetrachtung Teil VII Anhänge Anhang A: Methodendokumentation und statistischer Anhang .......424 Anhang B: Literatur .......445 Anhang C: Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen .......471 7 Teil I Einleitung ”The phrase `an idea whose time has come` captures a fundamental reality about an irresistible movement that sweeps over our politics and our society, pushing aside everything movement that might stand in it’s path. (...) But what makes an ideas`s time come? That question is actually part of a larger puzzle: What makes people in and out of government attend, at any given time, to some subjects and not to others?” (Kingdon 1994, 1) 1. Einführung in das Thema Anfang der 80er Jahre hat ein Thema Karriere gemacht, das längst verdrängt schien: Der deutsche Wald geriet in den Blickpunkt der Öffentlichkeit - oder besser: sein Ableben. So erschien im SPIEGEL im November 1981 eine dreiteilige Artikelserie mit dem Titel: „Das stille Sterben - Säureregen: es liegt was in der Luft.“ (Der Spiegel vom 16. November 1981). Im Lead des Artikels ist zu lesen: „In Westdeutschlands Wäldern, warnen Forstexperten, ‘Tickt eine Zeitbombe‘: Ein großflächiges Tannen- und Fichtensterben ist, wie Fachleute befürchten, erstes Vorzeichen einer weltweiten ‘Umweltkatastrophe‘ von unvorstellbarem Ausmaß“ (Der Spiegel, Nr. 47, 1981, 96). Spätestens diese Reihe war der Auftakt „zu einer der grandiosesten und gigantischsten Kampagnen, welche die deutsche Öffentlichkeit je erlebt hat” (Müller-Ullrich 1996, 24). Denn in der Folgezeit wurde eine Art „ökologisches Hiroshima“ heraufbeschworen: Der saure Regen, so hieß es, werde schwefelhaltige Abgase von Kraftwerken, Industrie und Verkehr überall hintragen, kein Baum bleibe verschont, so dass letztlich der gesamte deutsche Wald bald seinen Abschied nehmen werde (Müller-Ullrich, 1996, 25). So wurde das Thema „Waldsterben“ zu einer „Münze der Kommunikation“ (Holzberger 1995, 7), die den journalistischen Diskurs prägte und ein enormes Echo in der öffentlichen Diskussion bewirkte. Dass der deutsche Wald stirbt, war zwischen Umweltbewegung und den Massenmedien fest ausgemacht. Die eigentliche Kontroverse wurde nicht darum geführt, ob der Wald sterbe, sondern wann: DIE ZEIT gab dem deutschen Wald noch zwanzig, der Stern ein Jahr weniger, also bis zum Jahr 2002. Aber dann, so orakelten beide, „existiert praktisch kein Wald mehr“ (Die Zeit, Nr. 2, 1983; Der Stern Nr. 11, 1983). Die Süddeutsche Zeitung steigerte die Dramaturgie des Abgesangs sogar auf fünf Jahre „Rest(Wald)laufzeit“ (Süddeutsche Zeitung vom 23.12.1982). Dies war Anfang der achtziger Jahre auch die einhellige Meinung der Umweltschutzverbände. Der BUND titelte bereits im Frühjahr 1981 „Tannensterben - Anfang vom Ende?!“ (Natur/Umwelt, 4/80, 4). Der BBU folgte im November 1982 „Walddrama: So sah es doch in Vietnam aus....“ und im gleichen Monat kam es zu ersten Aktionen der Ökologiebewegung (Umweltmagazin, 6/82, 12): Anlässlich 8 einer Anhörung über die Großfeuerungsanlagenverordnung schenkten der BBU und der BUND am 29.11.1982 Innenminister Zimmermann und seinen Beamten eine kranke Kiefer aus dem Vorgebirge von Bonn. Bereits einen Tag später, am 30.11.1982 fand die erste Demonstration gegen das „Waldsterben“ in Bonn statt (BBU Info, 11/82, 8). In den folgenden Jahren wurden weitere zahlreiche Demonstrationen organisiert, an denen sich u. a. auch Greenpeace beteiligte (GREENPEACE-Nachrichten, 4/84, 10f.). In Folge der massiven Berichterstattung ließ das „Waldsterben“ auch die deutsche Bevölkerung nicht unberührt: Im Laufe des Jahres 1983 avancierte das „Waldsterben“ in der Wahrnehmung der (West-)Deutschen zum wichtigsten gesellschaftlichen Problem. Nach einer Umfrage des Politikbarometers im Oktober und Dezember 1983 ging ein Drittel der bundesrepublikanischen Bevölkerung, also immerhin jede dritte Person, davon aus, dass das „Waldsterben“ nicht mehr aufzuhalten sei (Politikbarometer: Umfrage Oktober/Dezember 1983). Ehe diese Issue-Bildung auf eine derart weitreichende Problemwahrnehmung fußen konnte, blieb das Problem auf der Regierungsagenda ein Tabuthema. Edda Müller berichtet zum Beispiel, dass eine wegen des Ferntransportes von Schadstoffen drohende Schadensersatzverpflichtung von Seiten der Schweden gegen die Verschmutzungsländer im Jahre 1979 per Kabinettsbeschluss zu einem „Nicht-Thema“ in der politischen Diskussion gemacht wurde: „(...) die Drohung der Schweden, Schadensersatzansprüche gegen die Verschmutzungsländer anmelden zu wollen, [hatte] einen Kabinettsbeschluß bewirkt, der den Ferntransport zu einem ‚Nichtthema’ in der politischen Auseinandersetzung machte. Die Verwaltung war angewiesen, den Schweden keine Vorwände und Argumente für die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen an die Bundesrepublik zu liefern“ (Müller 1986, 224). Erst im Frühjahr 1983 schließlich, als die bundesdeutschen Medien längst groß auf das Thema eingestiegen waren, besetzten auch die Politiker des Deutschen Bundestages das Thema entschlossener. „Wenn es um die Bäume geht, da kriegen wir eine Volksbewegung“ wird Hans-Jochen Vogel (SPD) zitiert, sein CDU-Kollege Walter Walmann entdeckte „die nationale Identität im Wald“ und Bundesinnenminister Zimmermann wollte „nicht warten, bis der letzte Baum verreckt“ (Holzberger 1995, 8.). In den folgenden Jahren gehörte das Thema „Waldsterben“ nicht nur zum wesentlichen Bestandteil der umweltpolitischen Debatte in der Bundesrepublik Deutschland, sondern es war auch der Problemgegenstand einer Reihe politischer Entscheidungen: So wurde im Juni 1983 die Großfeuerungsanlagenverordnung für Kraftwerke erlassen, es folgte im März 1985 die Entscheidung über die steuerliche Begünstigung von unverbleiten Kraftstoffen und im Oktober 1985 wurde schließlich das Bundes-Immissionsschutzgesetz in Bezug auf die „Technische Anleitung Luft“ erneut novelliert, um nur die wesentlichen Entscheidungen zu nennen. Fünfzehn Jahre später stellen wir erleichtert fest, dass die Rufer im Walde erstens leiser geworden sind und zweitens immer noch im selbigen stehen: Denn ein großes „Waldsterben“ ist in der Bundesrepublik Deutschland bisher ausgeblieben. So wurden im Oktober 1996 die Ergebnisse einer vom Europäischen Forstinstitut koordinierten Studie mit dem Titel: „Growth Trends in European Forest“ vorgestellt (Spiedler/Mielekämen/Köhl/Skovsgaard 1996). An diesem Projekt waren 43 Wissenschaftler aus 12 Ländern in Europa beteiligt, welche in ganz Europa 22 Einzeluntersuchungen durchgeführt haben. Die Ergebnisse sind eindeutig: In Europa 9 nehmen die Waldbestände zu und nicht ab. Die Bäume werden älter und wachsen immer schneller. Im Zeitraum von 1950 bis 1990 ist das Gesamtholzvolumen der europäischen Forste um geschätzte 43 Prozent angestiegen. Insbesondere in Deutschland wuchern die Wälder. Sie gehören mit 300 Festmetern pro Hektar zu den holzreichsten Europas. An der Seriosität der Studie dürfte wenig Zweifel bestehen: Das Europäische Forstinstitut mit Sitz in Joensuu (Finnland) wurde 1993 gegründet und ist eine unabhängige Körperschaft. Die 65 Mitgliederorganisationen sind über 33 Länder verteilt, unter ihnen vor allem Hochschuleinrichtungen und staatliche Forschungsämter. Über die Hälfte des Budgets bezahlt die finnische Regierung, unter den übrigen Geldgebern ist die Europäische Kommission der Wichtigste. Zwanzig Jahre nach dem der Wald in Deutschland schon abgeschrieben war, steht damit fest: Das zu Anfang der achtziger Jahre befürchtete großflächige Absterben der Wälder hat nicht stattgefunden und es ist nicht anzunehmen, dass der Wald in den nächsten Jahren das Zeitliche segnen wird. Allerdings ist der derzeitige Zustand des Forstes und seine künftige Entwicklung für diese Arbeit wenig interessant. Hier soll vielmehr der Frage nachgegangen werden, wie das Thema „Waldsterben“ in wenigen Jahren zu einem Schlüsselthema in der öffentlichen und politischen Diskussion wurde. Für die öffentliche Meinung steht fest, dass nur der Druck der (zivilgesellschaftlichen) Basis von Medien, Bevölkerung sowie Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbänden den politisch administrativen Apparat in Bewegung gebracht hat. Welche Rolle insbesondere die Massenmedien für die Issue-Bildung beim Thema „Waldsterben“ tatsächlich gespielt haben, soll hier geklärt werden. In der allgemeinsten Formulierung fragt die vorliegende Arbeit also danach, welche Rolle den Massenmedien bei der Agenda-Gestaltung des öffentlichen und politischen Problemhaushaltes zukommt. Wie verlaufen Thematisierungsprozesse in den Massenmedien? Haben sie unter bestimmten Umständen einen Einfluss auf die gewählten politischen Entscheidungsträger? Kurz: unter welchen Umständen kann massenmediale Kommunikation tatsächlich entscheidungsrelevant werden? 2. Zur kommunikationswissenschaftlichen Relevanz und Konkretisierung der Fragestellung Über die kommunikationswissenschaftliche Relevanz der Fragestellung dürfte allgemein Einigkeit herrschen: Für die Kommunikationswissenschaft, welche sich im Bezug auf den politischen Prozess mit der Frage nach allen Formen der direkten und vermittelten Kommunikation beschäftigt, bietet der Prozess der Agenda-Gestaltung deutliche Anknüpfungspunkte. Genauso wenig Dissens dürfte ferner darüber bestehen, dass, wenn Kommunikationsprozesse im Vorfeld der politischen Entscheidung in den Blickpunkt rücken, die Massenmedien moderner Gesellschaften zu einer zentralen Beobachtungskategorie werden. Denn wenn den Medien ein policy-spezifischer Einfluss zugeschrieben werden kann, dann wird er sich vermutlich, dank ihrer enormen Thematisierungskapazität, genau auf diese Prozesse beziehen; schließlich vermitteln sie diese Kommunikationsprozesse gesellschaftsweit und fungieren so als Transformationsmedium für politische Probleme: „Medien thematisieren ständig neue politische Probleme. Darin liegt der Schwerpunkt ihrer Leistung. Sie sorgen für ein Auf und 10 Ab der Themen und Probleme, der Dringlichkeiten und Notwendigkeiten in der politischen Kommunikation“ (Jarren 1993a, 24). Diese Überlegung hat aber in der Kommunikationswissenschaft nicht zu der Frage geführt, ob massenmediale Berichterstattung auch entscheidungsrelevant werden kann. Der dargestellten zentralen Problemstellung für die Kommunikationswissenschaft steht eine völlig unterentwickelte, empirische Forschung gegenüber. Über die Bedingungen, Strukturen und Prozesse, unter denen massenmediale Berichterstattung in Richtung bestimmter Problemlösung politischen Entscheidungsdruck entfaltet, ist in der Bundesrepublik Deutschland wenig bekannt. Das gilt für die Modellbildung wie auch für die empirische Forschung (zum Stand der Forschung Jarren 1993; Jarren, Sarcinelli 1998; Saxer 1998; Schönbach 1998; Schulz 1997). Die Kommunikationswissenschaft hat sich, wenn es sich um den Gegenstandsbereich Politik und Medien handelt, ihrerseits hauptsächlich mit der Rolle der Massenmedien in der Polity- und Politics-Dimension von Politik beschäftigt, während die Policy-Dimension unterbeleuchtet, wenn nicht gar gänzlich ignoriert wurde. In der Polity-Dimension wurde untersucht, wie die Massenmedien in das System der demokratischen Institution eingebettet sind. Insbesondere stand in diesem Forschungsfeld die Rückwirkung von Veränderung im Mediensystem auf die Institutionen des politischen Systems im Vordergrund (Schatz 1981; Marcinkowski 1993). In den letzten Jahren beschäftigte sich die „Science community“ vor allem mit der Frage, welche Auswirkung die Expansion von Institutionen der politischen Öffentlichkeitsarbeit innerhalb des politischen Institutionengefüges für das demokratische System hat (Sarcinelli 1997; 1998; 1999). In der Politics-Dimension von Politik steht bekanntlich die Frage nach der Rolle der Massenmedien für Auseinandersetzung politischer Akteure, etwa die Kandidatenimages, oder die Wirkung auf das Wahlverhalten im Blickpunkt. Sicherlich sind in diesem Forschungsfeld die meisten kommunikationswissenschaftlichen Studien im Kontext des Gegenstandes Politik und Medien angesiedelt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Wahlforschung im engeren Sinne wurden die Massenmedien intensiv analysiert (zum Stand der Forschung Holtz-Bacha, 1996, Saxer 2000). Einen anderen Schwerpunkt in der Forschung bildet die mediale „Politikvermittlung“, welche die Rolle der Massenmedien bei der Informationsabgabe der Politik, der so genannten „symbolischen Politik“ beleuchtet (Sarcinelli 1987). In der Policy-Dimension wäre schließlich zu fragen, welche Bedeutung die Massenmedien für konkrete Politikinhalte haben. In diesem Bereich sind die empirischen Ergebnisse wohl am geringsten (zum Stand der Forschung siehe oben). Dabei sind die meisten Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler auf Grund neuerer Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit Wahlkämpfen inzwischen von der Macht der Massenmedien und insbesondere von deren Einfluss beim Agenda-Setting und Policy- Agenda-Setting überzeugt (zum Stand der Forschung McCombs 1993; 1996; Rogers/Dearing 1988; Rogers/Dearing/Bregman 1993). Dies hat aber noch nicht dazu geführt, diese Forschungszweige auch für den Interaktionszusammenhang zwischen Massenmedien, Publikum und Politikinhalten - im Sinne von policy - fruchtbar zu machen (Brettschneider 1994; Schönbach 1998). In der Literatur finden sich nur einige impressionistisch begründete Vermutungen: Sie laufen auf die These hinaus, dass die Medien bei der politischen Problemwahrnehmung zwar mitwirken, im Bereich der Politikformulierung und -durchführung jedoch relativ unbedeutend sind (Jarren 1993; Saxer 11 1998; von Beyme/Weßler 1998).Von Beyme schätzt, dass der Einfluss der Medien auf die Politik in der wissenschaftlichen Literatur vielfach übertrieben dargestellt wird, da er vorwiegend im Bereich der symbolischen Politik und bei der Entlarvung von Skandalen untersucht werde (von Beyme 1994, 320f.; Beyme 1997, 73f.). Im Bereich der Entscheidungspolitik sei die Funktion des Agenda-Setting eher bei anderen Akteuren zu finden: „Je nachdem, welches Issues man herausgreift, kann man Parteien, neue soziale Bewegungen, Interessengruppen oder die Europäische Union als Motor der Problemdefinition ansehen. Aber es fällt schwer, die Medien als Allein-Initiator im Agenda- Setting zu bewerten, so wichtig sie als intervenierende Kraft auch sind“ (von Beyme 1994, 330). Fallstudien, die dies auch empirisch zeigen könnten, fehlen weitgehend. „Forgetting about the communications aspects of policy options is no accident” (Linsky 1986, 125). Diese These aus der amerikanischen Forschung hat allerdings leider nicht dazu geführt, den Massenmedien im Bezug auf Entscheidungskommunikation mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Aus dieser Schieflage der Forschung ergibt sich ein weiteres Forschungsdesiderat, dem die hier vorliegende Fragestellung begegnen kann: In der Kommunikationswissenschaft gibt es einen starken Überhang an Mikroansätzen auf Kosten von Meso- und Makroansätzen (von Beyme 1994; Schönbach 1998; Saxer 1998). Auf der Mikroebene steht vor allem die Frage im Blickpunkt, unter welchen Kontext Bedingungen - etwa Medium, Thema, Bildung, politisches Interesse etc. - der massenmedialen Kommunikation der stärkste Einfluss auf die Rezipienten zukommt (zum Stand der Forschung vgl. Eichhorn 1997; Rössler 1998). Auf Grund der Ergebnisse dieses Forschungszweiges, die zumeist aus der Wahlkampfkommunikation stammen und damit der Politics-Dimension zuzurechnen sind, neigt man in Deutschland sowohl im politischen System als auch in der Wissenschaft recht schnell dazu, den publizistischen Massenmedien einen starken Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger zuzubilligen. Allerdings lässt sich der Einfluss der publizistischen Massenmedien auf die politischen Akteure letztlich nur auf der Meso- oder Makroebene des politischen Entscheidungssystems handlungsrelevant studieren, da Rezipienten einerseits nach der Medienbeeinflussung nicht notwendigerweise agieren und dies andererseits in der Regel über intermediäre Instanzen tun (Beyme 1994, 321). Zu einer realistischen und umfassenderen Einschätzung der politischen Macht der publizistischen Massenmedien wird man nur gelangen, wenn ihre Rolle auf der Meso- und Makroebene des politischen Systems empirisch beleuchtet wird. Dazu will die vorliegende Arbeit einige methodische Anregungen geben und diese Lücke empirisch angehen. Im Folgenden sei noch auf eine Einschränkung dieser Arbeit verwiesen: Der Policy-Begriff lässt sich seinerseits in drei Dimensionen differenzieren: nämlich in eine sachliche, eine zeitliche und eine soziale Dimension. In einer sachlichen Dimension lassen sich Politikfelder unterscheiden, z. B. Umweltpolitik, Gesundheitspolitik usw. In einer sozialen Dimension lassen sich Akteurskonfigurationen unterscheiden, die sich zu politischen Entscheidungen verfestigen. In der zeitlichen Dimension lassen sich einzelne Komponenten politischer Programme unterscheiden. Solche Komponenten des „Politik-Zyklus“ sind Problemartikulation (Thematisierung/Agenda-Bildung), Politikformulierung (z. B. Programme und Gesetze), Politikdurchführung (Implementation) und Politikwirkung (Evaluation) (Anderson 1990; Brewer/De Leon 1983; Jones 1984). Die Arbeit wird sich insbesondere mit den ersten Phasen des Politikzyklus der Problemwahrnehmung und 12 Agenda-Bildung als Grundlage des politischen Prozesses beschäftigen. Daraus ergeben sich für das geplante Projekt die folgenden Fragestellungen: • Welche Rolle spielen die Massenmedien bei der Problemwahrnehmung im politischen System? Können sie unter bestimmten Umständen einen eigenständigen Einfluss auf die politische Tagesordnung geltend machen? Variiert der Einfluss im Hinblick auf bestimmte Themen oder Politikfelder oder etwa in Abhängigkeit von bestimmten Phasen einer Themenkarriere oder bestimmten Akteurskonstellationen in einem Politikfeld? Die oben benannte Fragestellung lässt sich nur an einem konkreten Fallbeispiel analysieren, weil die Rolle der Massenmedien - das kann vorab gesagt werden - je nach Thema und Politikfeld anders zu beurteilen ist. In Bezug auf das Problem „Waldsterben“ steht für die öffentliche Meinung fest, dass nur der Druck der Basis von Medien, Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbänden den politisch administrativen Apparat in Bewegung gebracht hat (Holzberger 1995). Welche Rolle die genannten Akteure, aber insbesondere die massenmediale Berichterstattung bei dem Thema gespielt haben, soll im empirischen Teil dieser Arbeit geklärt werden. Daraus ergeben sich für den empirischen Teil der Arbeit folgende Fragestellungen: • Nach welchen Mustern verlief der Prozess der Etablierung des Themas „Waldsterben“ auf der „massenmedialen Agenda“? Wie hat sich die publizistische Themenkarriere des Themas „Waldsterben“ in den 80er Jahren empirisch entwickelt? • Nach welchem Muster verlief der Prozess der Etablierung des Themas auf der „Bewegungs-Agenda“? Wie hat sich die Themenkarriere des Themas „Waldsterben“ in der Ökologiebewegung in den 80er Jahren empirisch entwickelt? • Nach welchem Muster verlief der Prozess der Etablierung des Themas auf der „Bevölkerungs-Agenda“? Wie hat sich die „öffentliche Meinung“ des Themas „Waldsterben“ in den 80er Jahren empirisch entwickelt? • Nach welchen Mustern verlief der Prozess der Etablierung des Themas „Waldsterben“ als Policy-Problem auf der „parlamentarischen Agenda“ des Regierungssystems der BRD? Wie hat sich die politische Themenkarriere des „Waldsterbens“ in den 80er Jahren empirisch entwickelt? • In welchem Wechselverhältnis stehen die massenmediale und die anderen genannten Agenden in Bezug auf das Thema „Waldsterben“ zueinander? 13 3. Zum Aufbau der Arbeit Wenn man nach der Rolle der Massenmedien in der Policy-Dimension von Politik - genauer im politischen Agenda-Bildungs-Prozess - fragt und diesen empirisch fassen möchte, dann bedarf es zur Beschreibung zunächst einer Modellvorstellung, welche die massenmediale Berichterstattung in ihrer Agenda-Bildungs-Funktion für Politik spezifiziert. Der Grundgedanke dieses Schrittes ist, dass man empirische Tatbestände überhaupt erst erzeugen und dann interpretieren kann, wenn man einen Bezugsrahmen hat, welches eben ein Modell sein kann. Wie bereits dargelegt, fehlen in der bundesrepublikanischen Forschung bisher Modelle, welche die Bedingungen spezifizieren, unter denen die Massenmedien als einflussreiche Faktoren im Prozess der Politikentstehung und -gestaltung anzusehen sind. Daher gilt es zunächst, ein solches Modell zu erarbeiten. Zur Modellentwicklung werden im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit Anleihen aus unterschiedlichen kommunikations- und politikwissenschaftlichen Theorien gemacht, welche dann Schritt für Schritt in ein Modell öffentlicher Kommunikation integriert werden, welches die Funktion der Massenmedien im politischen Agenda-Bildungs-Prozess genauer beleuchten soll. Der Weg dorthin führt über die Sichtung und selektive Rekombination von empirischen Befunden und Hypothesen aus unterschiedlichen Forschungsbereichen. Als Ausgangspunkt kann dabei einer der wenigen etablierten Verknüpfungspunkte zwischen Policy-Forschung und Kommunikationswissenschaft dienen, nämlich die so genannte Agenda-Setting-These. Daher wird im Teil zwei der Arbeit zunächst die kommunikationswissenschaftliche Agenda-Forschung dargestellt. Dieser Forschungsstrang beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle den Medien bei der Strukturierung der „Themenwelt“ der öffentlichen Kommunikation zukommt. Dieses Forschungsfeld lässt sich wiederum in vier Teilbereiche gliedern: Die „Agenda-Setting-Hypothese“ untersucht den Zusammenhang zwischen der Themenstruktur der Massenmedien und der Themenwahrnehmung in der Bevölkerung (McCombs/Shaw 1972). Bei dem kommunikationswissenschaftlichen Forschungszweig „Agenda-Bildung“ steht generell die Frage im Vordergrund, wie politische Akteure mit den vielfältigen Instrumenten der gezielten Informationspolitik, der politischen Öffentlichkeitsarbeit und dem strategischen Ereignismanagement Einfluss auf die Berichterstattung ausüben, und damit die Themenprioritäten in Massenmedien beeinflussen können (Nissen/Menningen 1977; Grossenbacher 1986; Baerns 1987). Der Forschungszweig „Policy-Agenda-Setting“ beschäftigt sich mit der Frage, welche Rückwirkung die Medienberichterstattung auf den Meinungsbildungsprozess im politischen System hat und schließlich die „Responsivitätsforschung“, welche sich auf die Rolle des Handelns politischer Eliten in Bezug auf die Bevölkerungsmeinung richtet (Brettschneider 1995), wofür sich in der amerikanischen Agenda-Forschung die Bezeichnung „Policy- Agenda-Bildung“ eingebürgert hat. Jeder dieser Forschungszweige wird in einem eigenen Kapitel ausführlich gewürdigt und im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit ausgewertet. Zum Abschluss werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst, aus welchen sich erste Annahmen über die Rolle der Massenmedien im Prozess der Politikentstehung und -gestaltung ergeben. 14 Im Teil drei der Arbeit soll dann das Blickfeld schrittweise um einige korrespondierende Ansätze aus der Forschung zur Genese von sozialen Problemen und zur politischen Agenda-Bildung erweitert werden. Alle diese Theorieansätze - das führt zurück zu den Massenmedien - legen unverkennbar ein Schwergewicht auf den Kommunikationsprozess in der Gesellschaft im Vorfeld politischer Entscheidungen. Sie fragen danach, wie öffentliche Aufmerksamkeit für ein Problem in Handlung politischer Akteure umgesetzt wird. Daher können die Ansätze -wegen ihrer analytischen Nähe zum Begriff der Kommunikation - zum Anlass genommen werden, die Funktion der Massenmedien bei der Politikentstehung zu beleuchten. Allerdings verlaufen die theoretischen Diskussionen in diesen Bereichen trotz der sehr ähnlichen Fragestellungen weitgehend unvermittelt nebeneinander. Daher fehlen bislang einheitliche Konzepte und Modelle, welche über die spezifischen Aspekte der öffentlichen Aufmerksamkeit für ein Problem und der politischen Agenda-Bildung zu einem allgemeinen Modell der öffentlichen politischen Kommunikation kommen, welches die Medienprodukte in ihrer Inputfunktion für Politik beleuchtet. Aus diesem Grund ist das Design der Studie explorativ-hypothesengenerierend angelegt. In diesem Sinne dient die Bestandsaufnahme in Teil drei zunächst dazu, das Spektrum vorliegender Ansätze und Befunde der Forschung zur Genese von sozialen Problemen und zur politischen Agenda-Bildung - vor allem solche mit kommunikationswissenschaftlich interessanten Aspekten - auszubreiten. Dabei muss weitgehend auf amerikanische Modelle zurückgegriffen werden, die das präsidentielle System der USA zu Grunde legen, da in der Bundesrepublik in diesem Bereich, wie im ersten Teil dieser Arbeit dargelegt, ein Forschungsdefizit zu verzeichnen ist. Inwieweit diese Modelle auch auf das bundesrepublikanische System zu übertragen sind, bleibt dabei natürlich eine empirische offene Frage. Dies wird im empirischen Teil dieser Arbeit zu beantworten versucht. Ein Schwerpunkt dieser Überlegungen besteht darin, das empirische und theoretische Wissen der Kommunikationswissenschaft mit der politikwissenschaftlichen Analyse des (politischen) Agende-Bildungsprozesses zu verbinden. In der Schlussbetrachtung dieses Kapitels werden die wesentlichen Erkenntnisse aus Teil zwei und drei noch einmal zusammengefasst und eine konzeptionelle Synthese aus den vorher diskutierten Forschungssträngen präsentiert. Ziel ist es hier, auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse ein kategorielles Rahmenmodell zu entwerfen, welches ermöglicht, die Rolle der Massenmedien in ihrer Input-Funktion für Politik zu beleuchten und der folgenden empirischen Arbeit als Orientierungsrahmen dient. Außerdem sollte die kritische Bestandsaufnahme der genannten Forschungsbereiche genügend Anregungen und Material hervorgebracht haben, um den folgerichtig nächsten Forschungsschritt zu unternehmen und in generalisierender und systematischer Absicht die politikfeld- und/oder problemspezifischen Bedingungen zu fixieren, unter denen Massenmedien als einflussreiche Faktoren im Prozess der Politikentstehung und -gestaltung anzusehen sind. In dem entworfenen Modell wird deutlich, dass der Zusammenhang zwischen Berichterstattung und Politikinhalten als interdependenter Prozess zu verstehen ist, auf den vielfältige Akteure Einfluss nehmen. Im Rahmen einer solchen Arbeit kann nicht allen Akteuren in einem Politikfeld Rechnung getragen werden. Fragt man danach, welcher Akteur bei dem Thema „Waldsterben“ an dem Thematisierungsprozess in den Massenmedien beteiligt war, dann ist sicher an erster Stelle an die Ökologiebewegung zu denken. Im vierten Teil dieser Arbeit wird das vorläufige Analysemodell für die empirische 15 Analyse weiter konkretisiert. Das erfolgt im Kapitel 6.1. Aus dem analytischen Modell ergeben sich die Untersuchungsfragen für die empirische Analyse. Diese sind abschließend im Kapitel 6.2 aufgeführt. Im fünften Teil dieser Arbeit beginnt die empirische Analyse, welche in drei Abschnitte eingeteilt ist. Zunächst werden in Kapitel 7 das methodische Design, die Datenbasis und die Logik der in Kapitel sechs bis acht vorgestellten Auswertung dargelegt. Dabei werden die zentralen statistischen Analysemethoden ausführlich erläutert. Die empirische Analyse gliedert sich grob in zwei Blöcke: Im ersten Block wird die Entwicklung des Thematisierungsprozesses des Problems „Waldsterben“ über die Zeit von 11 Jahren (1980- 1990) auf den Agenden der Massenmedien, der Bevölkerung, dem Deutschen Bundestag und der Ökologiebewegung untersucht. Um mögliche Interaktion zwischen den Agenden aufzuzeigen, wird das statistische Verfahren der Zeitreihenanalyse mittels multivariater „ARIMA-Modelle“ genutzt (Box/Jenkins 1976). Zur Offenlegung möglicher Kausalbeziehungen zwischen den Zeitreihen wird auf das Konzept der „Granger- Kausalität“ zurückgegriffen (Granger 1969, 1980a). Im zweiten Block der empirischen Analyse wird beabsichtigt, die inhaltliche Diskussion um das Problem „Waldsterben“ auf den Agenden der Ökologiebewegung, der Massenmedien und des Deutschen Bundestages abzubilden. Auf Grund der dünnen Datenlage muss in diesem Abschnitt auf eine Analyse der Bevölkerungsmeinung zum Thema „Waldsterben“ verzichtet werden. Nach der deskriptiven Analyse dieser inhaltlichen Diskussion auf den einzelnen Agenden werden mit der Hilfe bivariater und multivariater Analyseverfahren die dominanten Deutungsmuster in den jeweiligen Arenen ermittelt werden. In einem letzten Schritt werden mit Hilfe der Methode der „Cross-lagged- Correlation“ mögliche dynamische Zusammenhänge und Einflussbeziehungen zwischen den Diskursen auf den Agenden überprüft (Heise 1970; Rössler 1997). An dieser Stelle sei Folgendes schon vorweg genommen: Auch bei einer zurückhaltenden Interpretation kann man die Massenmedien beim politischen Agenda-Bildungs-Prozess des Themas „Waldsterben“ im parlamentarischen System der BRD als intervenierende Kraft bezeichnen. Die massenmediale Berichterstattung hat sowohl einen starken Policy-Agenda- Setting-Effekt auf die Diskussion im Deutschen Bundestag als auch einen starken Agenda- Setting-Effekt auf die Bevölkerung, welcher wiederum die parlamentarische Behandlung des Themas beeinflusst. In diesem Prozess wirken die Massenmedien aber nicht als „Alleininitiator“, vielmehr kommt ihnen eine „Verstärkerfunktion“ zu. Die Bewegungsorganisationen der Ökologiebewegung können die Berichterstattung zum Thema anregen und sind damit Auslöser des Agende-Bildungsprozesses. Insgesamt kann für das Thema „Waldsterben“ festgestellt werden, dass sowohl die Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände als auch die Presse einen signifikanten Einfluss auf den Thematisierungsprozess hatten und dadurch den politisch administrativen Apparat in Handlungsdruck versetzt haben. Dies gilt aber nur eingeschränkt: Der Thematisierungsverlauf der Policy Optionen zu dem Problem „Waldsterben“ scheint einen anderen Verlauf zu nehmen und von anderen Akteuren geprägt zu sein. Im sechsten Teil sollen einige generalisierte Überlegungen zu Faktoren angestellt werden, die auf den Thematisierungsprozess des Problems „Waldsterben“ in den 16 Massenmedien Einfluss haben. Dabei wird die Rolle der Massenmedien im Prozess der politischen Agenda-Gestaltung - vor dem Hintergrund der genannten Ergebnisse - mit Hilfe einer kleinen Fallanalyse zur Themenkarriere des „Waldsterbens“ weiter aufgeschlüsselt werden. Teil II Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaften „The press may not be successful much of the time in telling the people what to think, but it is stunningly successful much of time in telling the people what to think about“ (Cohen 1963, 13). 4. Agenda Forschung der Kommunikationswissenschaften Fragt man nach der Funktion der massenmedialen Kommunikation bei der Problemwahrnehmung des politischen Systems, so ist es naheliegend, zunächst zu ermitteln, welche Stellung den publizistischen Massenmedien generell bei der Problemidentifizierung in der Gesellschaft zukommt, um darauf aufbauend die Betrachtungsweise langsam auf die Akteure des politischen Entscheidungsprozesses einzuengen. Die Forschung zum Konzept des Agenda-Setting, die im Folgenden skizziert wird, beschäftigt sich mit der Frage, welche Funktion den Massenmedien in der Gesellschaft bei der Herausbildung von Themen für die (politische) öffentliche Kommunikation zukommt. Die bereits erarbeiteten empirisch- analytischen Ergebnisse dieses Forschungszweiges können als eine Art Grundstock angesehen werden, um weiterführende Überlegungen über den Stellenwert massenmedialer Kommunikation für den Prozess der politischen Agenda-Bildung anzustellen. Von hier aus soll dann dementsprechend der Blickwinkel sukzessive für einige einschlägige Ansätze aus der Forschung zur politischen Agenda-Bildung und zur Genese von sozialen Problemen vergrößert werden, welche auf die Kommunikationsprozesse im „Vorfeld“ politischer Entscheidungen abheben. Die Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaften hat aber nicht nur weiterführende Erkenntnisse für die Fragestellung dieser Arbeit erbracht, sondern auch methodische Designs entwickelt, welche es ermöglichen, Thematisierungsprozesse in den publizistischen Massenmedien und im politischen System adäquat empirisch anzugehen, wie nachstehend gezeigt werden soll. Dem Forschungszweig zum Agenda-Setting der Massenmedien liegt zunächst die Annahme zugrunde, dass der massenmedialen Kommunikation bei der sozialen Wirklichkeitskonstruktion der Individuen und der Gesellschaft eine erhebliche Bedeutung zukommt. Angesichts der Tatsache, dass in funktional differenzierten Gesellschaften primär erfahrbare Wirklichkeitssphären immer geringer werden, steigt die Bedeutung von 17 sekundärer Erfahrung, welche zum größten Teil über die Massenmedien vermittelt wird. Grundlage dieses Forschungszweiges bildete zunächst die These des Agenda-Settings, welche postuliert: Die publizistischen Massenmedien können die Tagesordnung der öffentlich diskutierten, politischen Themen vorgeben, mithin seien sie als „mächtig“ einzustufen. Diese Bewertung resultiert nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Agenda- Setting-Forschung lange Zeit mit einem Black-Box-Modell operierte. Es wurde nur die Themenagenda der Massenmedien mit denen der Bevölkerung verglichen. Die Einschätzung hat sich im Laufe von mehr als fast 30 Jahren Forschungstätigkeit zunehmend differenziert und relativiert, als gefragt wurde, wer denn Einfluss auf die Realitätsentwürfe der massenmedialen Berichterstattung nimmt. In diesem Zusammenhang unterteilt McCombs - sozusagen der Vater dieses Forschungszweiges - die Entwicklung der Agenda- Forschung in vier Phasen, welche sich im Verlauf der Forschung nicht ablösten, sondern vielmehr ergänzten und sich gegenseitig erweiterten (McCombs 1994; McCombs/Shaw 1993). In der ersten Phase wurde das Konzept der Agenda-Setting-Hypothese auf seine allgemeine Verwendbarkeit überprüft. Im Zuge der Weiterentwicklung richtete sich das Augenmerk der Forschung in der zweiten Phase auf intervenierende Variablen, sowohl auf Rezipienten als auch auf der Kommunikatorseite, welche auf die kontingenten Bedingungen eines Agenda-Setting-Effektes verwies. In der dritten Phase wurde das Konzept der Agenda ausgeweitet; wurden bisher nur Themen auf der öffentlichen Tagesordnung betrachtet, so wurde diese ergänzt um Personen, Images und Deutungsmuster. In der vierten, der letzten Phase, wurde der Fokus des Forschungszweiges in makrotheoretischer Hinsicht um weitere Agenda-Beziehungen erweitert - so etwa um den Einfluss der politischen Tagesordnung auf die Medienagenda und um den Einfluss der Bevölkerungsagenda auf die politische Agenda. Die Forschung zum Agenda-Setting, welche entsprechende Effekte als einseitige Macht der Massenmedien - die öffentliche Tagesordnung zu bestimmen - interpretiert, wurde im Zuge dieser Entwicklung dabei insofern relativiert, als andere Akteure, welche auf den Prozess der Gestaltung der öffentlichen Tagesordnung Einfluss nehmen, in den Blickpunkt rücken. Inzwischen wird dieser Forschungszweig ansatzweise mit der Literatur zur politischen Agenda-Bildung verbunden und eröffnet so eine differenziertere Theorieperspektive, welche die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Themenprioritäten politischer Mesoakteure bei der Selektion bearbeitungswürdiger Probleme in den Blickpunkt nimmt (Shaw/Martin 1992; Eichhorn 1996). Um im weiteren Verlauf über eine einheitliche Terminologie zu verfügen und die Fragestellung im Zusammenhang mit dieser Arbeit zu identifizieren, soll mit der folgenden Übersicht zunächst das Forschungsfeld strukturiert werden (Berkowitz 1992; Marcinkowski 1999b; Rössler 1997; Rogers/Dearing 1988; 1991). Abbildung 4.1: Analytisches Modell zur Agenda-Setting-Forschung 18 Wie zu zeigen ist, liegen einerseits zum Gesamtzusammenhang der genannten Bereiche der politischen Akteure, der Medien und der Bevölkerung Untersuchungen vor, andererseits Untersuchungen zu den folgenden Teilausschnitten des Modells. Tabelle 4.1: Forschungsfelder Bezug zu Abb. 1 Richtung der Einwirkung Wiss. Bezeichnung des Vorgangs¹ 1 Medien ⇒ Bevölkerung Agenda-Setting 2 Politische Akteure ⇒ Medien Agenda-Bildung 3 Medien ⇒ Politische Akteure Policy-Agenda-Setting 4 Bevölkerung ⇒ Politische Akteure Policy-Agenda-Bildung 5 Bevölkerung ⇒ Medien Offen ¹zur Begriffswahl Berkowitz 1992 In den nachfolgenden Ausführungen wird der Forschungsstand zu diesen Themenfeldern vorgestellt und gefragt, was sie für die Fragestellung dieser Arbeit erbracht haben. 4.1. Forschung zum Agenda-Setting Wenn nach der Funktion der publizistischen Massenmedien im Prozess der Problemwahrnehmung der Akteure des politischen Systems gefragt wird, dann entscheidet sich diese Frage letztendlich an dem Potenzial der massenmedialen Berichterstattung, die Tagesordnung der öffentlichen diskutierter (politischen) Probleme festzulegen, welche die politischen Entscheidungsträger schon auf Grund des Machterhaltes nicht gänzlich ignorieren können. Ziel dieses Kapitels ist es, kurz auf den Forschungsstand zum Agenda- Setting einzugehen, welcher, wie bereits gesagt, genau diese Fragestellung behandelt und korporative Akteure/ einzelne Politiker Bevölkerung/ einzelne Rezipienten Massenmedien/ einzelne Journalisten 3 2 154 19 deren Relevanz für den politischen Prozess herauszuarbeiten. Jedoch wird der Forschungsstrang nicht in seiner gesamten Komplexität dargestellt, sondern es soll punktgenau gefragt werden, welche empirisch-analytischen Erkenntnisse die Forschung für die Fragestellung dieser Arbeit erbracht hat. Dabei wird insbesondere zu fragen sein, ob die Massenmedien, neben der Problemwahrnehmung, bestimmte Problemdefinitionen in der Bevölkerung determinieren und damit einen bestimmten Blickwinkel festlegen, aus dem heraus Probleme betrachtet werden. Unter dem Begriff Agenda-Setting wird seit der Veröffentlichung der Studie von McCombs und Shaw im Jahre 1972 das Verhältnis von Medienagenda und der Bevölkerungswahrnehmung untersucht. Die Medienwissenschafter Maxwell E. McCombs und Donald F. Shaw formulierten das Konzept wie folgt: "While the mass media may have little influence on the direction of intensity of attitudes, it is hypothesized that the mass media set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes toward the political issues" (McCombs/Shaw 1972, 177). Im Gegensatz zur älteren Medienwirkungsforschung wird also nicht mehr in den Mittelpunkt gerückt, wie und mit welcher Tendenz, sondern worüber Medien berichten. Dementsprechend bemerkte bereits Cohen 1963, auf welchen die beiden Autoren sich beziehen, dass die Presse ”(...) may not be successful much of the time in telling the people what to think, but it is stunningly successful much of the time in telling the people what to think about (...)” (Cohen 1963, 13). Es stehen also nicht mehr Einstellungen im Mittelpunkt der Medienwirkungsforschung, sondern Informationsübermittlung und Themenwahrnehmung. Demnach stellen die publizistischen Massenmedien im Zuge der redaktionellen Auswahl und Aufbereitung die wesentlichen politischen Informationen zur Verfügung. Die Rezipienten lernen jedoch nicht nur etwas über die Themen selbst, sondern vor allem, welche Bedeutung und welcher Rang einem Thema zukommt. Denn die Massenmedien lenken gemäß der Agenda-Setting-Hypothese die Aufmerksamkeit („Awareness“) auf Themen, machen deren Wichtigkeit („Salience“) klar und bestimmen somit die Struktur der Agenda („Priorities“) für die öffentliche Kommunikation. Damit wird den Medien die Fähigkeit zugeschrieben, über ihre Rangfolge an Themen einen Einfluss auf das Bild des Rezipienten von der Wirklichkeit auszuüben, indem diese der Ranghierarchie folgen. „’Agenda-Setting’ kann damit im Zusammenhang mit Prozessen der generellen ‚Herstellung von Bedeutung’, der Definition bedeutsamer Sachverhalte durch die Massenmedien betrachtet werden“ (Rössler 1997, 18). Dass die massenmediale Berichterstattung so zur Konstruktion der Realität der Bevölkerung bzw. der Rezipienten beiträgt, wurde in der Forschung vielfach belegt. Dazu wird die Berichterstattung mit den Themenprioritäten in der Bevölkerung und mit statistischen Realitätsindikatoren zum entsprechenden Problem verglichen (zuerst Funkhouser 1973; Beckett 1994; Beniger 1978; First 1997, Lang/Lang 1981). Das gilt insbesondere für solche Themen und Probleme, zu denen das Publikum keinen direkten Zugang hat, etwa durch die Primärerfahrung in seiner eigenen Umwelt, sondern die nur über die Massenmedien vermittelt werden. Diesen Gedanken hat bereits Zucker 1978 aufgegriffen und führte die Eigenschaft von Themen als erklärende Variable in die Agenda-Setting-Forschung ein. Zucker zeigt, „that the less direct experience people have with an issue area, and the less time that area has been prominent in the news, the greater is the news media`s influence on public opinion on the issue“ (Zucker 1978, 239). Es lassen sich zwei Arten von 20 Themen differenzieren: Einerseits „obtrusive issues“, d. h. „aufdringliche Themen“, die direkt erfahrbar sind und zu denen die einzelnen Rezipienten, auch ohne die Vermittlung durch die Massenmedien, Kontakt haben. Ein Beispiel für ein solches Thema ist die Inflation. Andererseits „nonobtrusive issues“, also „unaufdringliche Themen“, die außerhalb des direkten Erfahrungsbereichs des Einzelnen liegen. Daher sind sie für den Bürger nicht ohne Vermittlung der Massenmedien interpretierbar. „(...) In these cases, direct experience is not a clear guide, and the public derives many of it`s ideas about the importance; and implications of these types of issues form the news media” (Zucker 1978, 227). Lang/Lang knüpfen an den Überlegungen von Zucker an und führen die Gedanken weiter. Zunächst differenzieren sie drei Arten von Themen (Lang/Lang 1981). Erstens: Themen, die alle Gesellschaftsmitglieder angehen, wie die Inflation oder höhere Steuern. Zweitens: Themen, welche nur einen Teil der Gesellschaft betreffen. Hierzu zählen etwa Verkehrsstau, erhöhte Benzinpreise oder auch als klassisches Beispiel die Armut. Drittens gibt es Themen, die räumlich so weit von der Bevölkerung entfernt sind, dass diese Themen nur durch die Berichterstattung wahrgenommen werden können. Dazu zählt etwa die Situation von Entführten auf den Philippinen oder die Waldbrände in den USA. Diese drei Kategorien von Themen haben unterschiedliche Aufmerksamkeitsschwellen und dementsprechend variiert der Einfluss der publizistischen Massenmedien. Die Wirtschaftslage bewegt alle Teile der Gesellschaft und ist somit ein Thema mit einer minimalen Aufmerksamkeitsschwelle. Solche Probleme werden auch ohne die massenmediale Berichterstattung zu wichtigen Problemen in der Gesellschaft. Von einer anderen Substanz sind Themen, die nur einen Teil der Gesellschaft betreffen. Um zu einem wichtigen Problem in der Gesellschaft zu werden, müssen diese Themen schon wiederholt in der Berichterstattung genannt werden. Den größten Einfluss aber haben Massenmedien bei Themen, die von der Bevölkerung nicht unmittelbar, also durch die Primärerfahrung, wahrgenommen werden können. Diese Themen werden in der Gesellschaft eigentlich nur registriert, weil die Massenmedien darüber berichten. Nach mehr als 30-jähriger empirischer Forschungsarbeit und über 350 Studien kann es als erwiesen gelten, dass die Medienberichterstattung einen Einfluss auf die Rangordnung der Wichtigkeit von politischen Themen hat (Brettschneider 1994, Brosius 1994, Eichhorn 1996, McCombs/Shaw/Weaver 1997, Rössler 1997, Shaw/Martin1992). Dabei wurde inzwischen ganz erheblich eine Differenzierung der anfänglich recht einfachen Agenda- Setting-Hypothese nötig. Dies betrifft einerseits das Design der Studie: Es wurde vorgeschlagen, individuelle Faktoren auf Rezipientenseite einzubeziehen und bezüglich der Berichterstattung neben rein quantitativen, auch auf qualitative Merkmale zu beachten. Andererseits sind viele Studien im Hinblick auf die Auswertungsverfahren in die Kritik geraten (Brosius 1994, Eichhorn 1996, Gonzenbach 1997, Rössler 1997, Shaw/Martin, 1992). Insbesondere wurde dieser Forschungsbereich methodisch weiterentwickelt. Um sich nicht unnötig zu wiederholen, wird auf diesen Aspekt im Zusammenhang mit der Forschung zum Policy-Agenda-Setting eingegangen. Allerdings sei an dieser Stelle noch auf eine wesentliche Reflexion innerhalb der Forschung zum Agenda-Setting verwiesen, welche für die Anlage dieser Arbeit relevant ist: Es wurde insbesondere angeregt, den Forschungszweig in zwei unterschiedliche Konzepte, das Soziale- und das Individuelle- Agenda-Setting, welche unterschiedliche theoretische Aussagen implizieren, zu unterteilen (Eichhorn 1996; Lasorsa 1997; Rössler 1997). Während das Erstgenannte sich 21 auf das Publikum als aggregierte Einheit bezieht, untersucht das Zweitgenannte Effekte auf das einzelne Individuum (Rössler 1997, 389; Eichhorn 1996, 13; Lasorsa 1997, 156f.). Die Kernaussage der Agenda-Setting-Hypothese bezog sich zunächst auf die Wirkung auf das Individuum, denn die Konstruktion der Realität durch die publizistischen Massenmedien bildet die Grundlage für die Re-Rekonstruktionsprozesse in den Köpfen der Rezipienten, welche den empirischen Ort bilden, in welchem sich der Prozess manifestiert (Rössler 1997, 96). Allerdings basierte bereits die Originalstudie von McCombs & Shaw auf aggregiertem Datenniveau. Untersuchungen mit einem solchen Design lassen keine Schlussfolgerungen für individuelle Wirkungsprozesse zu, sondern nur über soziale Prozesse, weil man sonst einem Phänomen unterliegt, das als ökologischer Fehlschluss bezeichnet wird (Eichorn 1996, 13; Rössler 1997, 389). Damit ist der Sachverhalt bezeichnet, dass man nicht aus auf Gruppendurchschnitten errechneten Assoziationen auf Assoziationen zurückschließen darf, welche man aus individuellen Daten erhält (Selvin 1980). Insofern bewegt man sich bei Untersuchungen mit einer solchen Anlage theoretisch auf der meso- bzw. makrotheoretischen Ebene, weil man nicht mehr die Einflüsse auf das Individuum, sondern auf die Verteilung der Vorstellung von Themenprioritäten in einer ausgewählten Gruppe - etwa die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland oder Wähler - untersucht. Dies ist bei der Interpretation solcher Daten immer zu beachten. Angesichts dieser gravierenden Diskrepanzen zwischen den beiden Effekten wird vorgeschlagen, klare Unterscheidungen zwischen diesen beiden Ebenen zu treffen und von sozialem Agenda-Setting („social agenda-setting“) und individuellem Agenda-Designing („individual agenda-Setting“) zu sprechen (McLeod 1995, 59; Lasorsa 1997, 155; Rössler 1997, 389). Diese beiden Vorstellungen bedürfen erstens unterschiedlicher Forschungskonzepte und zweitens sind sie in unterschiedlichen theoretischen Rahmen zu verankern: Während das „Sozial-Agenda-Setting“ im Rahmen von meso- und makrotheoretischen Überlegungen eingebettet ist, wird das individuelle Agenda-Setting im Kontext psychologischer Überlegungen, etwa der Schemata-Theorie, behandelt (Eichhorn 1996; Lasorsa 1997, 155). Für die vorliegende Arbeit ist vor allem das soziale Agenda-Setting von Interesse, weil mögliche Auswirkungen der aggregierten Bevölkerungsmeinung auf die politischen Akteure untersucht wird, denen bekanntlich über die Demoskopie die Themenprioritäten der Bevölkerung zugänglich gemacht wird. Begreift man Agenda-Setting als einen sozialen Prozess, indem die Bevölkerung betrachtet wird, so bezieht diese Forschungsrichtung offensichtlich ihre Relevanz für die vorliegende Fragestellung daraus, dass man den Problempräferenzen der Bevölkerung in demokratischen Gesellschaften einen Einfluss auf das Handeln der politischen Eliten zugestehen muss. Folgt man der ökonomischen Theorie der Politik, dann sind die politischen Akteure daran interessiert, Entscheidungspositionen zu erlangen (Downs 1957, 127). Zwar muss die Maximierung der Wählerstimmen nicht die einzige Maxime der politischen Akteure sein, aber ohne Zweifel ist die Maximierung der Wählerstimmen zur Erreichung von Entscheidungspositionen eines der wichtigsten Handlungsziele. Nur mit der nötigen Anzahl an Wählerstimmen können in demokratischen Systemen Regierungspositionen erlangt werden, von denen aus dann kollektiv verbindliche Entscheidungen gefällt werden können. Insofern ist zu erwarten, dass die politischen Akteure sich in ihren Handlungen an den wahrgenommenen Problempräferenzen der Bürger orientieren. Die Agenda-Setting-Hypothese legt insofern einen indirekten Einfluss 22 auf die Problemwahrnehmung der Akteure des politischen Entscheidungssystems nahe, als dass in diesen Studien vermutet werden kann, dass der Einfluss der Massenmedien auf die Politik über die Bevölkerung verläuft. Die von den publizistischen Massenmedien vorstrukturierte Problemwahrnehmung der Bürger wird über verschiedene Formen politischer Partizipation an das politische System weitergegeben. Das heißt, es wird angenommen, dass die Massenmedien die Themenagenda der Bevölkerung beeinflussen und dass die politischen Akteure sich in ihren Handlungen an den von ihnen wahrgenommenen Themenpräferenzen in der Bevölkerung orientieren (Gerhards 1991). Insofern ist zu erwarten, dass die publizistischen Massenmedien bereits über ihre Agenda- Setting-Funktion die Problemwahrnehmung der politischen Elite in Parteien, Regierung und Parlament mitprägen und so bei der politischen Agenda-Gestaltung mittelbar mitwirken. Die Agenda-Setting-Hypothese ist in den letzten Jahren nicht nur im Hinblick auf das verwendete Forschungsdesign erheblich erweitert worden, sondern es lag die Versuchung nahe, von dem „Worüber“ des Denkens auch auf das „Was“ des Denkens zu schließen. Durch das ursprüngliche Design der Agenda-Setting-Hypothese, das Zählen von Themenbeiträgen, wird die Berichterstattung aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen. Denn Themen stehen nicht bezugslos in der Berichterstattung, sondern werden mit weiteren Attributen versehen, welche einen medialen Gesamtzusammenhang ergeben (vgl. die Beiträge in dem Sammelband von McCombs/Shaw/Weaver 1997 „Communication and Democracy“). Wenn die Massenmedien durch Publikationshäufigkeit, Platzierung und Aufmachung beeinflussen, welche Themen von Medienrezipienten als besonders wichtig angesehen werden, dann liegt auch die Frage nahe, welchen Einfluss die Publikationshäufigkeit von bestimmten Attributen in der Berichterstattung auf die Rezipienten hat. Themen werden in der massenmedialen Berichterstattung mit weiteren Attributen - etwa eine Ursache oder Verursacher für ein Problem etc. - verbunden. Je häufiger über solche Attribute berichtet wird, so die Vermutung, desto häufiger sind sie bei den Rezipienten verfügbar und desto wichtiger schätzt der Rezipient diese Attribute ein. In diesem Zusammenhang wurde von verschiedenen Autoren vorgeschlagen, von zwei Ebenen des Agenda-Setting-Effekts zu sprechen (McCombs 1994; McCombs/Evatt 1995; McCombs/Shaw/Weaver 1997; Ghanem 1996; 1997; King Pu-tsung 1997; Takeshita 1995; 1997). Auf der ersten Ebene wird zunächst die Wichtigkeit eines Themas in der Bevölkerung bewusst gemacht. Auf der zweiten Ebene werden bestimmte Attribute bei den Rezipienten verfügbar gemacht. „As certain perspectives and frames are employed in new coverage, they can draw public attention to certain attributes and away from others“ (King 1997, 29). Diese Agenda von Attributen wird als „second level“ des Agenda-Setting bezeichnet (McCombs 1998, 41). Aus dieser Annahme ergeben sich zwei weitere weitreichende Hypothesen (Ghanem 1997): Je mehr Aufmerksamkeit die Massenmedien (Beiträge) in einem gegebenen Zeitraum auf bestimmte Attribute eines „Objektes“ (Themen, Personen etc.) konzentrieren, desto wichtiger schätzt ein Rezipient diese Attribute ein. Die Wichtigkeit bestimmter Attribute beeinflusst wiederum die Wahrnehmung des Objektes. Die folgende Abbildung 4.2 illustriert das Gesagte (Ghanem 1997, 4). 23 Abbildung 4.2: Die zweite Ebene der Agenda-Setting-Funktion8 Die erste Ebene bezeichnet die klassische Agenda-Setting-Hypothese. Die zweite Ebene illustriert den Zusammenhang zwischen der Hervorhebung von Attributen in der Berichterstattung und der Wahrnehmung dieser Eigenschaft in der Bevölkerung. Dieser Einfluss der massenmedialen Berichterstattung setzt zeitlich später ein, weil zunächst Vorstellungen über die Wichtigkeit des Themas ausgebildet werden. Der diagonale Pfeil bezieht sich auf die zweite Hypothese: Wie ein Objekt dargestellt wird, beeinflusst die angenommene Wichtigkeit des Objektes bei den Rezipienten. Diesen Einfluss von „Attributen“ vom dem „second-level“ der Medienagenda auf die Wichtigkeit des „Objektes“ auf dem „first-level“ der öffentlichen Agenda bezeichnet McCombs als „compelling arguments“ (McCombs 1996). Mit dieser konzeptionellen Weiterentwicklung des Agenda-Setting-Ansatzes findet damit sozusagen auch die alte Frage nach dem Einstellungswandel durch Massenkommunikation durch die Hintertür Einlass. Denn diese Überlegungen haben weitreichende Konsequenzen. „As new research broadens our perspective, Bernard Cohens`s famous dictum must be revised. The media not only tell us what to think about, they also tell us how to think about it” (McCombs 1998, 41). Das heißt: Über Themenwahrnehmung und weitere Informationsübermittlung in Bezug auf spezifische Attribute werden dem Rezipienten „Interpretationsrahmen“ zur Verfügung gestellt, aus welchen er Themen interpretiert. Die publizistischen Massenmedien würden also nicht nur die Problempräferenzen in der Gesellschaft mit vorgeben, sondern auch bestimmte Sichtweisen, denn durch spezifische Problemdefinitionen werden entscheidende Weichen für eine mögliche anschließende Problemlösung gestellt, weil andere Sichtweisen nicht in Betracht gezogen werden. Beispielsweise kann das Problem „Waldsterben“ auf die Luftverschmutzung der Industrie oder aber auf die Bodenbelastung durch die Landwirtschaft zurückgeführt werden. Die jeweilige Problemdefinition hat natürlich unterschiedliche Konsequenzen für die Problembearbeitung. Auf eine Bodenbelastung durch die Landwirtschaft wird man nicht mit Filteranlagen für die Großindustrie reagieren. Damit haben Problemdefinitionen, also die Verbindung eines Problems mit weiteren Attributen, etwa eine Ursache und Verursacher, entscheidenden Einfluss auf die Art der 8 Das Schaubild folgt Ghanem 1997, 4. Erste Ebene Zweite Ebene Medien Agenda Objekte Attribute Öffentliche Agenda Objekte Attribute 24 Problembearbeitung durch die politischen Entscheidungsträger. Müsste den publizistischen Massenmedien die beschreibende Wirkung zugestanden werden, so werden die politischen Entscheidungsträger - annahmegemäß - nicht nur die Problempräferenzen, welche in der Bevölkerung für wichtig gehalten werden, aufgreifen, sondern auch bestimmte Problemdefinitionen. Dieser Effekt ist allerdings auch in der amerikanischen Forschung erst lückenhaft belegt (zum Stand der Forschung McCombs 1995; 1998; McCombs/Evatt 1995; McCombs/Shaw/Weaver 1997). So untersucht Takeshita (1995) die politische Kommunikation zu dem nationalen Wahlkampf 1993 in Japan und kann dabei Effekte auf der zweiten Ebene des Agenda- Setting anhand des Themas „politische Reformen“, dem dominierenden Thema des Wahlkampfes, belegen (Takeshita 1995). Die Inhaltsanalyse der Fernsehberichterstattung zeigt, dass die Debatte über die politischen Reformen in Japan von den Lösungsoptionen „Reform des Wahlsystems“ dominiert wurde, während die Attribute (Lösungen) „Mehr Disziplin unter den Politikern“ und eine „verstärkte Kontrolle der Einkünfte von Politikern“ nur am Rande gestreift wurden. Auch in der durchgeführten Bevölkerungsumfrage wurde die „Reform des Wahlsystems“ als wichtigste Lösungsoption genannt. Mit Hilfe von Rangkorrelationen über die Attribute des Themas kann der Autor einen starken bis mittelstarken Zusammenhang zwischen Bevölkerungsumfrage und Fernsehberichterstattung belegen. „This finding suggests an agenda-setting effect working at the sub issue level of main campaign issue“ (Takeshita 1997, 22). Auch Gottschlich (1985) belegt sowohl Effekte auf der Ebene von Subthemen als auch auf der Ebene von Attributen (Verursacher) anhand des Themas Umwelt in Österreich. Dazu wurden fünf „gefährdete Umweltbereiche“ (Luft, Wasser, Pflanzen, Tiere und Mensch) mit 45 möglichen „Verursachern“ erhoben (Gottschlich 1985, 314f.). Mit einem solchen Design war es möglich, neben den Subthemen durch Kombinationsmöglichkeiten von Ursache und Wirkung auch die Frage zu behandeln, in welchem Maße die Massenmedien neben den Subthemen mögliche Gründe (Verursacher) zum Thema machten und wie diese Strukturierungsleistung vom Rezipienten wahrgenommen wurde. Es zeigt sich, dass die fünf Subthemen des Problems „Umwelt“ sich in gleicher Rangfolge im Bewusstsein der Bevölkerung wiederspiegeln, wie sie in den Medien dargestellt werden. Mit Hilfe von Rangkorrelationen kann der Autor auch einen mittelstarken Zusammenhang zwischen der massenmedialen Agenda und der öffentlichen Agenda in Bezug auf die Verursacher belegen. Der Autor sieht damit seine These der Attribution als Phänomen massenkommunikativer Wirkung, d. h. die mögliche Übernahme journalistischer Darstellung von Kausalzusammenhängen, als belegt. Solche Effekte haben bereits Benton & Frazier 1976 untersucht (Benton/Frazier 1976). Sie differenzierten das Thema Wirtschaft in drei Ebenen: Auf der ersten Ebene wurde geprüft, wie das Thema Wirtschaft in seiner Gesamtheit durch die Berichterstattung in der Bevölkerung bewusst gemacht wurde. Auf der zweiten Ebene differenzierten die Autoren dieses breite Thema in einzelne Subthemen wie „Inflation“ und „Arbeitslosigkeit“ und auf der dritten Ebene untersuchten sie einzelne Attribute dieser Unterthemen, beispielsweise bestimmte Problemlösungen und Ursachen. Dabei konnten die Autoren zeigen, dass die Rezipienten neben der Wichtigkeit eines Themas bestimmte Subthemen sowie Attribute übernahmen. Sie führten den Begriff des „Information Holding“ in die Agenda-Setting- 25 Literatur ein. Demnach gibt es drei Ebenen der „Informiertheit“ über ein Problem: Auf der Ebene (1) wird das Bewusstsein über die Existenz eines Problems geschaffen, auf der Ebene (2) die Existenz von Subthemen für ein Problem gezeigt und auf der Ebene (3) schließlich das spezifische Wissen über Lösungen zu dem Problem verdeutlicht. Was hat dieser Forschungszweig zusammenfassend für die Fragestellung dieser Arbeit erbracht? Inzwischen zeigt die Forschung, dass die publizistischen Massenmedien, indem sie Themen durch Publikationshäufigkeit, Platzierung und Aufmachung hervorheben, beeinflussen, welche Themen in der Bevölkerung bzw. bei den Rezipienten in der Folge als wichtig angesehen werden. Nach fast dreißig Jahren empirischer Forschung zur Agenda- Setting Hypothese gibt es keinen Zweifel daran, dass den publizistischen Massenmedien genau diese Fähigkeit zugesprochen werden muss (Rogers/Dearing 1988; McCombs 1998; Rössler 1997). Dies insbesondere bei Themen, welche den Rezipienten nur bedingt durch eigene Primärerfahrung zugänglich sind. Das „Waldsterben“ ist im Kern ein solches Thema, weil es „nur“ auf Kausal-Interpretationen basiert und unsichtbar ist. Während die Inflation für den Einzelnen ein erfahrbares Problem ist, wird die Existenz des „Waldsterbens“ prinzipiell massenmedial vermittelt. Denn das „Waldsterben“ ist für die meisten nicht erkennbar und selbst dort, wo es scheinbar offen zutage tritt - im Wald - bedarf es der sozialen Konstruktion eines ausgewiesenen Expertenurteils. Daher ist das Problem „Waldsterben“ im besonderen Maße offen für den Agenda-Setting-Prozess über die Massenmedien. Die meisten Studien zur Agenda-Setting-Funktion wurden in Wahlkampfsituationen durchgeführt, also in der Politics-Dimension von Politik. Studien, welche diese Hypothese auch für die Policy-Dimension, genauer für den Agenda-Bildung-Prozess, nutzbar machen, sind selten anzutreffen. Methodisch hat sich der Forschungszweig im Laufe der letzten 30 Jahre kontinuierlich fortentwickelt, wobei inzwischen explizit zwischen Sozial- und Individual-Agenda-Setting unterschieden wird. Für die Fragestellung dieser Arbeit ist insbesondere der erstgenannte Forschungszweig von Interesse: Wenn die massenmediale Berichterstattung Einfluss auf die (aggregierte) Bevölkerungsagenda hat, dann sind solche Effekte für politische (auch korporative) Akteure von höchster Relevanz, denn von ihnen sind Rückwirkungen auf die entsprechenden Akteure zu erwarten: Bekanntlich wird die politische Elite in Parteien, Parlament und Regierung - folgt man der ökonomischen Theorie der Politik - schon aus partikularem Eigeninteresse des Machterwerbs bzw. der Machtsicherung die wahrgenommenen Themenpräferenzen in der Bevölkerung nicht gänzlich ignorieren. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass der massenmedialen Berichterstattung indirekt ein Einfluss auf die Problemwahrnehmung der Akteure im politischen System zukommt: die von den Massenmedien mitgeprägten Vorstellungen über die wichtigsten politischen Sachfragen werden über verschiedene Formen der politischen Partizipation an die politische Elite herangetragen. Des Weiteren wird in der neueren Forschungsliteratur zwischen verschiedenen Ebenen des Agenda-Setting - sowohl auf Sozial- als auch auf Individualebene - unterschieden: Auf der ersten Ebene steht die Thematisierung, in der die Massenmedien bestimmen, worüber die Rezipienten nachdenken. Auf der zweiten Ebene strukturieren sie Themen in Subthemen und verbinden diese mit weiteren Attributen. Dadurch geben die Massenmedien den Rahmen vor, der die Wahrnehmung, Einordnung sowie die Interpretation von 26 Ereignissen aus einer bestimmten Perspektive ermöglicht. Sie geben dann den Blickwinkel vor, aus dem das Thema in der Zukunft betrachtet wird. Inzwischen sehen die Protagonisten des Agenda-Setting-Ansatzes das Framing als eine Unterform des Agenda-Setting an. Folgende Abbildung 4.3 spezifiziert das Gesagte (Ghanem 1997, 11). Abbildung 4.3: Themen, Subthemen und Attribute in der Agenda-Setting-Forschung9 Ein Ereignis oder ein Thema, über das die Massenmedien berichten, hat durch seine verschiedenen Attribute einen Interpretationsrahmen in der Weise, als dass er bestimmte Interpretationen nahe legt und andere Interpretationen ausschließt. Aus diesen referierten Befunden heraus ist die Vermutung nicht ganz abwegig, dass, wenn ein Thema primär unter einem Deutungsmuster aufgearbeitet wird, diese Strukturierung von dem Publikum übernommen wird. Es würde nicht nur beeinflusst, worüber und wann die Rezipienten etwas denken, sondern in welchem Zusammenhang sie darüber denken. Welche Meinung die Rezipienten zu dem Rahmen haben, bleibt dahingestellt. Beispielsweise kann das Thema „Waldsterben“ unter einer Vielzahl von Problemdefinitionen aufbereitet werden: Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke, durch Autos, durch Schadstoff-Importe aus dem Ausland oder durch natürliche Faktoren. Gerade wenn Themen neu auf der öffentlichen Agenda stehen und sich noch keine Deutungsmuster herausgebildet haben oder verfestigen konnten, schafft die anfängliche Berichterstattung den Bezugsrahmen (Framing) für die weitere Diskussion. Vermutlich werden durch solche Strukturierungsleistungen politische Entscheidungen präjustiziert, denn durch die Problemdefinition wird der Blick auf eine spezifische, spätere Problemlösung gerichtet: Ein bestimmter Standpunkt wird präferiert, die an der Problemlösung mit wirkenden Akteure werden weitgehend fixiert und andere Möglichkeiten werden gar nicht mehr in die Debatte einbezogen. Man könnte aus dieser knappen Darstellung den Eindruck gewinnen, die Themenpräferenzen in der Bevölkerung seien nichts anderes als ein Resultat der Agenda- Setting-Funktion der publizistischen Massenmedien. Die Massenmedien prägen die Vorstellung über die wichtigsten politischen Sachfragen in der Bevölkerung, welche dann von den politischen Akteuren beachtet wird. Mithin hat die massenmediale Berichterstattung einen erheblichen Einfluss (Macht) auf die Politik, deren Problemwahrnehmung und Tagesordnung. 9 Das Schaubild folgt Ghanem 1997, 11. Erste Ebene Zweite Ebene Medien Agenda Themen 1.Subthemen 2. Attribute Öffentliche Agenda Themen 1. Subthemen 2. Attribute 27 Zwei Aspekte sind dem entgegenzuhalten. Einerseits werden Themenpräferenzen nicht nur durch die Massenmedien erzeugt, sondern auch durch vielfältige Organisationsöffentlichkeit oder interpersonale Kommunikation. Anderseits nehmen vielfältige gesellschaftliche Akteure mit ausgewählten Informationen Einfluss auf die „Themen-Realität“ der publizistischen Massenmedien. Um diesen Sachverhalt geht es im nächsten Kapitel; nämlich um die Frage, wie korporative Akteure Einfluss auf die massenmediale Berichterstattung nehmen, um ihre Themen und Problemdefinitionen in die öffentliche „Meinungswillensbildung“ einzuspeisen. Damit ist auch die leitende Fragestellung für das nächste Kapitel benannt. 4.2 Forschung zur Agenda-Bildung In einer breiten Fassung fragt der Forschungszweig Agenda-Bildung in der Kommunikationswissenschaft generell danach, wie die Medienagenda zustande kommt (Berkowitz 1992). In einer engeren Fassung dieses Forschungszweiges geht es um das Verhältnis zwischen politischen Akteuren und den Massenmedien. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie politische Akteure mit den vielfältigen Instrumenten der gezielten Informationspolitik, der politischen Öffentlichkeitsarbeit und dem strategischen Ereignismanagement Einfluss auf die Berichterstattung ausüben und damit die Themenprioritäten in den Massenmedien beeinflussen können. Ziel der politischen Akteure ist es dabei, die für sie günstigen und als wichtig erachteten Themen und Problemdefinitionen mittels der Massenmedien in der öffentlichen Diskussion zu platzieren. Die Erwartung, über die Gestaltung der Medienagenda jene der Bevölkerung zu bestimmen und damit die Chancen korporativer Akteure, ihre Themen - etwa neue soziale Bewegungen, Parteien und Verbände - in die öffentliche Diskussion einzubringen, macht diesen Ansatz auch außerhalb der Forschung so bedeutend, nämlich im politischen System selbst. Das Denken in den Kategorien des Themensetzens als zentrale Aufgabe ist für die Politiker typisch geworden (Ehlers 1983, 319f.; Hombach 1991, 34f.; Radunski 1980 und 1996, 33f.). Schulz bezeichnet diese Politik als Themenmanagement. Dazu zählen die Prägung und Umdeutung von Begriffen im Sinne einer bestimmten Wertladung, die Besetzung von Themen, das Lancieren neuer Themen oder die Veränderung der Themenrangfolge öffentlicher Kommunikation (Schulz 1987, 38 f.). So ist es eine der Hauptaufgaben der Öffentlichkeitsarbeit, bei den korporativen Akteuren Themensetzung zu betreiben (Pauli-Balleis 1987). Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Themen und Problemdefinitionen dieser Akteure in die Medienberichterstattung übernommen werden, denn die massenmediale Arena zeichnet sich durch ihre relative Abgeschlossenheit und Autonomie aus (Luhmann 1996; Marcinkowski 1993; Neidhardt/Gerhards 1990). Schon aus Kapazitätsgründen können die Massenmedien nicht alle Ereignisse in der Welt darstellen und sind daher zur Informationsreduktion gezwungen. „Aus der unendlichen Vielfalt der Ereignisse, Ideen und Tatsachen, die theoretisch als Information in den Prozess der politischen Meinungsbildung eingespeist werden können, destillieren die Massenmedien einen Extrakt heraus, der von ihnen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und so zur Diskussion der Gesellschaft mit sich selber angeboten wird” (Bergsdorf 1980, 14). Die so konstruierte Medienrealität ist nicht das Spiegelbild 28 einer objektiven Realität, sondern Selektionsentscheidung im Mediensystem, welches die es umgebenden Sachverhalte und Ereignisse nur zum Teil in den Blick bekommt. Nachrichten verkörpern spezifische Sinnorientierung bei den Journalisten, mit welcher sie aus dem Universum aller Ereignisse bestimmte Sachverhalte herausheben und ihnen damit eine gesellschaftliche Bedeutung verleihen, weil alle anderen Ereignisse, über die nicht berichtet wird, im Bereich des gesellschaftlichen Nichtwissens verbleiben. Ereignisse in der Umwelt der massenmedialen Kommunikation werden erst durch die Definition als Ereignis durch die Massenmedien existent. Dieser Sachverhalt wird als „Realitätskonstruktion“ durch die Massenmedien bezeichnet (Luhmann 1996; Marcinkowski 1993; Schulz 1976). Welche Faktoren lassen sich dafür bestimmen, dass bestimmte Ereignisse in die Medienrealität gelangen? In der Kommunikationswissenschaft lassen sich nach dem bisherigen Stand der Forschung vier Faktoren unterscheiden, die den Zugang zum Mediensystem beeinflussen (mit einer ähnlichen Übersicht Schmitt-Beck 1990b, 648f.): • Nachrichtenfaktoren • Inter-Media-Agenda-Setting • Gatekeeper • Produktionsbedingungen der Massenmedien Diese Faktoren sind durch taktisches und strategisches Handeln der Akteure zu beeinflussen: „Insofern ihre Selektionsregeln durchschaut werden, lassen sich die Medien politisch instrumentalisieren“ (Schulz 1987, 137). Nachfolgend werden diese Grenzsetzungen des Mediensystems erläutert und es wird gefragt, wie Akteure des politischen Systems durch taktisches und strategisches Handeln auf diese Grenzsetzung einwirken können, damit ihre Themen und Problemdefinitionen in die „konstruierte“ Medienrealität gelangen. Zugleich wird noch spezifischer auf die Konstruktion der Medienrealität eingegangen. Es wird zu fragen sein, welche Themen und Problemdefinitionen primär in das System aufgenommen werden. * Nachfolgend soll die Forschung zu den Nachrichtenfaktoren kurz dargestellt und die Relevanz für die Fragestellung dieser Arbeit herausgearbeitet werden. Die ersten Überlegungen zu Nachrichtenwertfaktoren stammen bereits von Walter Lippmann, welcher bereits 1922 vermutet, dass die Flut der tagtäglich anfallenden Informationen sowie die Komplexität der Welt Selektionen unumgänglich machen (Lippmann 1990, zuerst 1922). Aus diesem Grund schränken alle Individuen - sowohl Journalisten, als auch Rezipienten - die Realität auf Stereotypen ein, welche es ermöglichen, die Komplexität der Welt zu reduzieren und assimilierbar zu machen. Diese Selektion vollzieht sich nach bestimmten Regeln und impliziert eine bestimmte Interpretation der Realität. Welche Ereignisse von den Journalisten aufgegriffen und zu Nachrichten gemacht werden, darunter besteht unter Ihnen ein ausgeprägter Konsensus, denn bei der Nachrichtenproduktion greifen Journalisten, so Lippmann, auf individuelle und kulturelle Stereotypen zurück, welche verschiedenen Ereignisaspekten anhaften und die Aufmerksamkeit der Rezipienten wecken sollen. Anhand von Einzelbeispielen nennt er bereits Sensationalismus, Nähe, Relevanz, 29 Eindeutigkeit sowie Faktizität und legt damit die Basis für die Nachrichtenwertforschung (Lippmann 1990, 61f.). Im europäischen Forschungskontext wurden diese Überlegungen zunächst am Friedensforschungsinstitut in Oslo von Östgaard (1965) aufgegriffen und weiterentwickelt (Östgaard 1965). Östgaard macht für eine Verzerrung der Realität durch Nachrichten neben externen - etwa strategische Öffentlichkeitsarbeit unterschiedlicher Akteure - auch interne, nachrichteninhärente Faktoren verantwortlich. Diese internen Nachrichtenwertfaktoren werden, wie schon bei Lippmann, als einzelne Aspekte von Nachrichten definiert, welche diese für den Rezipienten interessanter und beachtenswert machen. Als Faktoren identifiziert er Simplifikation, Identifikation und Sensationalismus. Diese Faktoren werden noch im gleichen Jahr von seinen Kollegen Galtung und Ruge - ebenfalls vom Friedensforschungsinstitut - erheblich erweitert, indem sie einen Katalog von zwölf Nachrichtenfaktoren entwerfen (Galtung/Ruge 1965). Dieser Theorieentwurf wurde Anfang der 70er Jahre von Karl Erik Rosengreen methodisch kritisiert, weil in allen bisherigen Untersuchungen nur die Nachrichten und nicht die Ereignisse selbst analysiert werden. Daher müsste die Nachrichtenberichterstattung mit medienunabhängigen Daten, welche zuverlässig Auskunft über die Realität geben, wie etwa Statistiken oder Archive, abgeglichen werden (Rosengreen 1970). 1976 greift Schulz diese Debatte auf und kritisiert aus erkenntnistheoretischer Sicht, dass die Medienberichterstattung nicht mit der Realität abgeglichen werden könne, weil die „Welt an sich“ zwar vorhanden, aber nie empirisch ganz erfassbar sei. Jede Weltsicht sei auch Interpretation, daher könnten höchstens unterschiedliche Interpretationen - etwa eine wissenschaftliche und eine massenmediale - miteinander abgeglichen werden (Schulz 1976, 9). Mit diesem Konzept wendet sich Schulz von dem bisherigen Modell ab, welches die Nachrichtenfaktoren als intervenierende Variablen betrachtet, durch die eine realitätsgetreue Wiedergabe der Welt durch die Massenmedien verzerrt würde. Nachrichtenwertfaktoren sind daher vielmehr als journalistische Hypothese über die Realität zu verstehen (Schulz 1976, 30). Damit wird dem realistischen Ansatz der Nachrichtenwerttheorie, der Nachrichtenfaktoren als Merkmale von Ereignissen ansieht, die von den Journalisten wahrgenommen und zur Auswahlentscheidung herangezogen werden, ein konstruktivistischer Ansatz entgegengesetzt. Schulz überarbeitet den Faktorenkatalog von Galtung und Ruge, indem er seinen Geltungsbereich auf nationale und unpolitische Berichterstattung erweitert. Insgesamt unterscheidet er 16 Nachrichtenwertfaktoren, welche er in sechs Dimensionen - Zeit, Nähe, Status, Dynamik, Valenz und Identifikation - unterteilt (Schulz 1976, 14f.). Ob „realistische“ oder „konstruktivistische“ Perspektive, dass Nachrichtenwertfaktoren als Selektionskriterium dienen, kann als gesicherter empirischer Befund gelten (zuerst Galtung/Ruge 1965; Schulz 1976; Staab 1990; Eilders 1997; Bruns 1998). Folge dieser Nachrichtenwertfaktoren ist die Stereotypisierung der Medienberichterstattung, denn das reale Geschehen wird auf eine begrenzte Anzahl von Ereignissen reduziert, so dass viele Menschen eine gleiche Vorstellung von der Wichtigkeit bestimmter Themen und Problemdefinitionen haben (Schulz 1976, 120). Wobei in diesem Prozess auf eine doppelte Selektion zu verweisen ist; es werden Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert bevorzugt und auch in der darauf folgenden Darstellung werden die Problemdefinitionen bevorzugt, welche diesen Faktoren entsprechen. Dadurch wird das reale Geschehen auf wenige Merkmale reduziert und zugespitzt (Schulz 1976, 14). Issues, die in den Medien behandelt werden, verändern durch diese Strukturierung im Zeitverlauf oft ihren Charakter. Je mehr 30 Abstufungen eine Nachricht im Informationsprozess durchläuft, desto stärker sind die systematischen Verzerrungen. Die Medien stellen in ihrer Berichterstattung einzelne Problemdefinitionen in den Vorder- oder Hintergrund und stellen das Problem darüber hinaus in unterschiedlichen Zusammenhängen dar. Durch diese Strukturierung wurde die soziale Definition des Konfliktes beeinflusst, weil die Massenmedien die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf spezifische Realitätsausschnitte bündelten. Welche Ereignisse auf Grund der oben genannten Nachrichtenwertfaktoren zur Nachricht werden, darüber besteht unter den Berichterstattern eine ausgesprochene Einigkeit: Durch die genannten Faktoren werden „statushöhere und prominente Akteure überrepräsentiert sein, die nationalen Ereignisse werden vor internationalen Ereignissen rangieren, und diese wiederum werden, je nach Status des Landes, hierarchisiert sein. Ereignisse, die die Rezipienten direkt betreffen, werden präferiert, kontinuierliche Prozesse werden weniger Aufmerksamkeit erhalten als abrupte, überraschende Prozesse gleichzeitig werden Ereignisse, die stereotypen Erwartungen und Vorurteilen entsprechen, eher die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, gewaltsame, kontroverse, erfolgreiche und wertverletzende Ereignisse werden überbetont werden, komplexe Sachzusammenhänge werden seltner oder in personalisierter und emotionalisierter Form Eingang in die Medien finden“ (Gerhards 1991, 25). Nachrichtenwertfaktoren müssen den Ereignissen und Meldungen aber nicht selbst anhaften, sondern sie können erzeugt und instrumentalisiert werden. Kollektive Akteure (Parteien, Verbände, soziale Bewegungen) können Ereignisse mit vielen Nachrichtenwertfaktoren erzeugen, um ihre Themen und Problemdefinitionen in die Medien einzuschleusen, um damit unter Umständen auf die formelle Agenda des politischen Entscheidungssystems zu kommen. Je mehr Nachrichtenwertfaktoren bestimmte Informationen aufweisen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Medien die Information transportieren. Ein wichtiger Nachrichtenwertfaktor ist der Status von Akteuren, welcher von Schulz über persönlichen Einfluss oder Prominenz definiert wird (Schulz 1976, 116). Folge dieses Nachrichtenwertfaktors ist, dass Gruppen mit unterschiedlichem gesellschaftlichen Status entsprechend ungleich hohe Zugangsbarrieren zur massenmedialen Kommunikation haben. Eliten in der Politik und Gesellschaft bilden einen natürlichen Fokus für die Presseberichterstattung, d. h. gerade Themen und Problemdefinitionen von politischen Parteien, der Regierung oder anderen wichtigen gesellschaftlichen Institutionen werden in der Presse bevorzugt behandelt. Nicht etablierte Akteure wie kleine Verbände oder die neuen sozialen Bewegungen hingegen verfügen in der Regel nicht über solche Persönlichkeiten. Schon auf Grund ihrer diffusen Organisationsstruktur sind Sprecher der Bewegung nur schwer zu identifizieren. Das Gleiche gilt für den Nachrichtenwertfaktor Personalisierung; abstrakte Ereignisse werden von Presseorganen an dem Handeln von konkreten Personen festgemacht. Es werden vor allem Personen ausgewählt, die über Informationen sowie Sachkompetenz verfügen. Diesen strukturellen Nachteil müssen Bewegungsakteure und kleine Verbände über Protestereignisse kompensieren. Diese bestehen in medienwirksamen Aktionsformen, die sich aus unkonventionellen und spektakulären Protestvarianten zusammensetzen. Die Massenmedien sehen in diesen Aktionen mehrere Nachrichtenwertfaktoren vereint: das Neue, Überraschende, sowie der Konflikt werden angesprochen. Die Umweltorganisation Greenpeace ist dafür ein gutes Beispiel (Kunz 1989). Die Kampagnen sind bis ins Kleinste geplant und durchorganisiert und haben nur den Zweck, als „News“ in den Nachrichten zu landen. Hierbei stehen kleine 31 Verbände und soziale Bewegungen allerdings vor der Zwangslage, „dass nachrichtenwertträchtige Aktionen und insbesondere spektakuläre Regelverletzungen zwar starke Beachtung sichern, aber zugleich auch scharfe Ablehnung wahrscheinlich machen. Unter diesen Bedingungen besteht ein hohes Risiko, dass nicht Motive und Gründe des Protestes, sondern die Verwerflichkeit der Protestform zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit werden. Deshalb müssen Protestbewegungen darauf bedacht sein, ihre Aktionsformen und ihr Framing so abzustimmen, dass die Balance zwischen Appeal und Threat (Turner 1969, S. 820ff) gewahrt bleibt“ (Rucht 1994b, 348). Resümierend sind Nachrichtenwertfaktoren journalistische Kriterien, mit denen zwischen berichterstattenswerten und nichtberichterstattungswerten Ereignissen unterschieden wird. Aus vielen Arbeiten ergibt sich die weitgehende Gültigkeit der untersuchten Nachrichtenfaktoren als Dimension der Ereignisselektion (in Deutschland: Schulz 1976; Staab 1990; Eilders 1997; Bruns 1998). Korporative Akteure, die ihre Themen und Problemdefinitionen in die öffentliche Diskussion bringen wollen, können die Nachrichtenwertfaktoren für sich instrumentalisieren, um ihre Themen und Problemdefinitionen in den Massenmedien „salienter“ zu machen. Für die Fragestellung dieser Arbeit - der Einfluss massenmedialer Kommunikation auf die Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger - ist die Forschungsrichtung deswegen relevant, weil die Nachrichtenwertfaktoren und damit der Zugang zur massenmedialen Kommunikation selektiv, sowohl in der Sozial- wie in der Sachdimension, wirken: Akteure mit gehobenem gesellschaftlichen Status, wie etwa Arbeitgeberverband, große Parteien, Gewerkschaften, haben eine niedrigere Zugangsbarriere zur massenmedialen Kommunikation als Akteure, welche nicht in diesem Maße gesellschaftlich anerkannt sind, wie etwa kleine Verbände oder neue soziale Bewegungen. Damit werden die Themen und Problemdefinitionen dieser Akteure überwiegend in der Berichterstattung beachtet und können so relevant für die öffentliche - und unter weiter zu bestimmenden Bedingungen für die politische - Tagesordnung werden. In der Sachdimension werden Ereignisse bevorzugt, die das Neue oder Überraschende in sich bergen, Konflikte betonen und die Folgen dramatisieren, insbesondere wenn sie für das Publikum Schaden bedeuten könnten. Dabei ist auf eine doppelte Selektion zu verweisen: Einerseits werden Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert bevorzugt, andererseits werden auch in der darauf folgenden Berichterstattung die Problemdefinitionen bevorzugt, welche diesen Faktoren entsprechen. Die publizistischen Massenmedien werden daher über ihre Agenda-Setting-Funktion vor allem mit diesen Themen und Problemdefinitionen in den politischen Agenda-Bildung-Prozess eingreifen. Wenn bestimmte Ereignisse erst einmal die Selektionsfilter passiert haben, werden sie im weiteren Verlauf schnell zu einer Nachricht, selbst wenn die darauf folgenden Geschehnisse relativ bedeutungslos sind. Dadurch ist eine gewisse Dauer von Themenkarrieren in den publizistischen Massenmedien gewährleistet, welche für mögliche Agenda-Setting-Effekte von Bedeutung sind, da diese am ehesten bei Themen zu erwarten sind, die einen Schwellenwert der Berichterstattung überschritten haben. * 32 Die Thematisierung eines Issues wird u. a. durch die interne Struktur der Medienöffentlichkeit beeinflusst. Dabei ist zu beachten, dass das Mediensystem in der Bundesrepublik Deutschland kein einheitlicher Block ist, sondern eine komplexe Struktur hat und sich intern differenziert. Die großen Wochenblätter „Spiegel“, „Stern“, „Die Zeit“ und „Fokus“ sowie die vier großen Tageszeitungen „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Die Welt“, „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“ verfügen über einen erheblichen Einfluss auf das Setzen von Themen im Mediensystem. Dies ist vor allem auf ihre zentrale Position im Mediensystem zurückzuführen. Sie werden von anderen Journalisten als wichtige Informationsquelle genutzt und wirken dadurch als Multiplikator, da sie die Agenda der übrigen Medien vielfach mitbestimmen. Die Hauptaufmacher dieser Medien strahlen in der Regel auf andere Medien aus. Wenn ein Thema in diesen Medien erscheint, hat es eine zentrale Stelle des öffentlichen Diskurses besetzt und diffundiert von da aus in andere Teile des Mediensystems. Dieser Vorgang wird als Inter-Media-Agenda-Setting bezeichnet (Kepplinger 1994, 223; Weischenberg/Löffelholz/Scholl 1996). Die oben dargestellte Differenzierung ist nicht zuletzt nach redaktionellen Linien, z. B. nach linken und konservativen Medien, gegliedert. Diese Medien sprechen unterschiedliche Teilöffentlichkeiten an, die untereinander verbunden sind. Die überregionalen Tageszeitungen decken, wie Inhaltsanalysen ergaben, das politische Spektrum in Deutschland weitgehend ab. Hierbei bildet „Die Welt“ die rechte Seite des Links-Rechts- Spektrums und die „Frankfurter Rundschau“ die linke Seite des Spektrums. Dazwischen lassen sich von rechts nach links „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Süddeutsche Zeitung“ ansiedeln (Donsbach/Wolling/Blomberg 1996; Kepplinger 1985; Hagen 1992; Voltmer 1997; Reiser 1994). Bei der Lancierung von Themen werden in der Regel zuerst die Medien kontaktiert, welche der Linie des jeweiligen politischen Akteurs nahe stehen (Jarren et al. 1993b, 148). Es kann vermutet werden, dass das Thema Waldsterben zuerst von Medien aufgenommen wurde, die für das Thema besonders sensibel waren. Auf Grund der politischen links-liberalen Grundorientierung der Zeitschriften „Spiegel“, „Die Zeit“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Frankfurter Rundschau“ kann davon ausgegangen werden, dass diese Presseorgane auf das Thema Umweltschutz sehr sensitiv reagieren und die Themen aus diesem Themenfeld am ehesten aufgreifen. Schlussendlich sei erwähnt, dass eine besondere Rolle bei der Diffundierung von Themen im Mediensystem den Nachrichtenagenturen zukommt. Denn ein großer Teil der politischen Berichterstattung stammt aus Agenturmeldungen. Des Weiteren sind die meisten Presseorgane nur mit wenigen großen Agenturen, wie mit „AP“, „AFP“, „Reuters“ und in Deutschland vor allem mit „dpa“, in Kontakt. Diese liefern einen großen Teil der Meldungen und haben damit als Agenda-Setter in der Presselandschaft eine immanente Funktion. Resümierend entsteht die Medienagenda nicht nur in Wechselwirkungsprozessen zwischen den publizistischen Massenmedien und ihrer Umwelt, sondern es können im Verlauf von Themenkonjunkturen einige Massenmedien als Vorreiter auftreten, welche durch die Häufigkeit der Berichterstattung die Themenauswahl anderer Massenmedien beeinflussen. Das kann zu einer dramatischen Zunahme der Berichterstattung führen, weil Journalisten sich wechselseitig an der Berichterstattung anderer Medien orientieren und mit ihren Beiträgen ihrerseits das Interesse anderer Journalisten wecken. Insbesondere wenn Themen in so genannten Leitmedien erscheinen, haben sie eine zentrale Stelle des öffentlichen Diskurses besetzt und diffundieren von da aus in andere Teile des 33 Mediensystems. Die Relevanz im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist offensichtlich: Durch solche Wechselwirkungsprozesse können Themenkarrieren verstärkt und verlängert werden, was annahmegemäß nicht ohne Folge für die öffentliche und politische Tagesordnung bleiben dürfte. Außerdem können sich gesellschaftliche Akteure die dargestellte Differenzierung zu Nutze machen und zunächst die Medien anvisieren, mit denen diese Akteure sympathisieren, um ihre Themen und Problemdefinitionen auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen. * Während der Ansatz zu den Nachrichtenwertfaktoren den Blickwinkel auf die Eigenschaften richtet, die ein Thema haben muss, um in die Nachrichten zu gelangen, betont der Gatekeeperansatz die Person und die Rolle des Journalisten in der Nachrichtenauswahl (zuerst White 1950). Diese Forschungsrichtung betrachtet den Journalisten als Filter, welcher aus einer Flut von Ereignissen bestimmte Nachrichten für die Berichterstattung auswählt. „Dieser Schleusenwärter wird vielfach gesehen als eine autonome oder auch einseitig gesteuerte Entscheidungsinstanz, die in massenkommunikativen Prozessen mehrfach eingeschaltet und deren Aufgabe mit der eines Relais zur Weitergabe von Information, zu deren Unterdrückung oder Veränderung, vergleichbar ist“ (Kirsten 1972, 25). Aus dieser akteurszentrierten Perspektive entsteht die Nachrichtenauswahl als das Ergebnis individueller Einstellungen, professioneller Kriterien oder durch Rollenanforderung des Journalisten in der Medienorganisation. Das heißt, die Nachrichtenselektion ist teilweise abhängig von subjektiven, ganz persönlichen Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen des Journalisten. Die Medienpräsenz der Themen und Problemdefinitionen von politischen Akteuren kann erheblich gesteigert werden, wenn diese besonders enge Kontakte zu Journalisten pflegen. Vor allem zwischen Politikern und Journalisten gibt es vielfältige informelle Kontakte (Jarren/Grothe/Rybarczyk 1993, 23): Als inoffizielle Kommunikationskanäle zwischen Politikern und Journalisten haben sich so genannte Hintergrundgespräche etabliert. Hierzu werden Journalisten eingeladen, die eine besondere Vertrauensstellung bei den Politikern genießen (Böckelmann/Nahr 1979). Inzwischen haben diese Gesprächsrunden schon institutionellen Charakter angenommen und ihre Zahl ist erheblich gestiegen. Waren es bis in die achtziger Jahre noch etwa dreißig, so gab es bereits Mitte der neunziger Jahre fast hundert solcher Zirkel, in denen Politiker Journalisten zum vertraulichen Gespräch einladen (Lange 1981, 81; Leinemann 1995, 41). Für Journalisten sind diese Gespräch attraktiv, weil sich über informelle Kommunikationskanäle die Möglichkeit bietet, aktuelle, exklusive und zuverlässige Informationen zu erhalten und so einen Vorteil vor der Konkurrenz zu bekommen (Gallenkamp 1983). Für die politischen Akteure dienen diese Kontakte dazu, ihre Themen und Deutungen an die Medien weiterzugeben. Sie empfangen zu Hintergrundgesprächen, um künftige Themen und Entscheidungen zu erläutern und ihre Position offen zu legen. Hierbei können die Themen und Problemdefinitionen schon im Vorfeld auf Resonanz getestet werden, obendrein die Deutung durch die Journalisten 34 vorstrukturiert werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, wenn die vermittelte Information nicht zur Veröffentlichung freigegeben wird (Böckelmann/Nahr 1979, 84). Zusammenfassend stellt der Gatekeeperansatz den Journalisten, der entscheidet, welche Themen und Problemdefinitionen das „Tor“ der Massenmedien passieren dürfen, also zur Nachricht werden, in den Mittelpunkt. Wenn politische Akteure zu einzelnen Journalisten besonders enge Beziehungen pflegen, kann dies die Medienpräsenz der Themen und Problemdefinition dieser Akteure erheblich steigern. Dabei handelt es sich zumeist um ein Zweckbündnis, in dem das Interesse der Journalisten an Nachrichten (Information) mit dem Publizitätsinteresse der politischen Akteure (Publizität) einhergeht. Allerdings laden nur prominente Politiker zu Hintergrundgesprächen ein und nur etablierte Journalisten erhalten Zugang. Daher ist dieser Inputkanal zum publizistischen System der Massenmedien elitär und nur für wenige Personen gehbar. * Die Produktionseinheit des Systems der Massenkommunikation sind Organisationen, welche die Ereignisse in der Umwelt nach feststehenden Programmen zu der Ware „Nachrichten“ verarbeiten. Diese Verarbeitung erfolgt nicht willkürlich, sondern nach standardisierten Entscheidungs- und Verarbeitungsprogrammen, welche einerseits die redaktionelle Arbeit entlasten, andererseits aber zu einem stereotypen Erscheinungsbild der Nachrichten beitragen (Saxer 1986, 42f). Die Redaktionen stehen bei der Produktion unter dem ständigen Druck, ihr publizistisches Leistungspotenzial zu verbessern, wobei ihnen nur begrenzte Ressourcen, insbesondere Zeit, Kosten und Sachwissen, zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund greifen die Redaktionen gerne auf Nachrichtenrohstoffe und Vorprodukte zurück, die unter den Kostengesichtspunkten als relativ „preiswert“ erscheinen und gut in die Produktionsrhythmen passen. Dabei ist zu erwähnen, dass jedes Medium, sei es Fernsehen, Tageszeitung oder der Rundfunk, unterschiedliche Regeln und Präsentationsformen hat, an die sich die Nachrichtenstoffe und Vorprodukte anpassen müssen. Akteure, die Publizität für Themen und Problemdefinitionen suchen, können sich diese Zwänge des Mediensystems zunutze machen und sie für ihre eigenen Interessen funktionalisieren. Die Einrichtung von Pressestellen und organisierter Öffentlichkeitsarbeit ist Ausdruck dieses Bemühens. Etablierte Organisationen, wie Parteien, Verbände, Wirtschaftsunternehmen und Regierungsstellen, versuchen mit diesen Pressestellen erfolgreich Umgang zur Öffentlichkeit zu pflegen. Korporative Akteure, die selbst über ausdifferenzierte Presseabteilungen und entsprechende materielle und personelle Ressourcen verfügen, werden mehr und „bessere“ Informationen produzieren und die Medien damit bedienen. Durch Pressekonferenzen, Stellungnahmen etc., die so aufbereitet sind, dass sie direkt in die Berichterstattung übernommen werden können, legen diese Akteure als Primärkommunikatoren die „Themenstruktur“ der Medien fest. Auch hier ist auf einen strukturellen Nachteil für nicht etablierte politische Akteure - etwa neue soziale Bewegungen - zu verweisen. Die etablierten politischen Akteure verfügen über bessere finanzielle Ressourcen. Dies macht sich in einer ausdifferenzierten, spezialisierten und professionalisierten Öffentlichkeitsarbeit mit hauptamtlichen Personal bemerkbar (Wolz 35 1979; Jonscher 1991; Grimme 1990). Dass Primärkommunikatoren die Berichterstattung im hohen Maße determinieren, dürfte inzwischen allgemein anerkannt sein: Aus Platzgründen seien an dieser Stelle aus der großen Anzahl der Studien, welche diesen Sachverhalt aufzeigen, nur die häufig zitierten Befunde angeführt. Ein immer wieder angeführter Beleg ist die Studie von Barbara Baerns (1985). Sie verglich die landespolitischen Meldungen in den tagesaktuellen Medien in Nordrhein-Westfalen (Meldungen von Agenturen, Tageszeitungen, Beiträge in Nachrichten- und politischen Magazinsendungen) mit den entsprechenden Pressemitteilungen und Pressekonferenzen. Dabei belegt die Autorin, dass über 50 Prozent der untersuchten Agenturmeldungen als Quelle auf Pressemitteilungen und -konferenzen zurückgingen. Nur 8 Prozent wurden selbst recherchiert (Baerns 1985, 57). Bei den Tageszeitungen lag der Anteil, welcher durch Öffentlichkeitsarbeit vorgegeben war, noch höher. Zwei Drittel gingen auf eine Primärquelle zurück (Baerns 1985, 66). Auch in der Fernsehberichterstattung sind 64 bis 67 Prozent der Beiträge auf die politische Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen. Nur 10 Prozent der Beiträge gründeten auf eigene Recherchen (Baerns 1985, 80). Daneben wird die Nennung von Informationsquellen häufig vernachlässigt. Baerns fand heraus, dass Tageszeitungen diese Quelle nur noch zu 28 Prozent, das Fernsehen zu 17 und der Hörfunk zu 32,7 Prozent identifizieren (Baerns 1985, 85; auch Fröhlich 1992, 46). In anderen Studien geht es nicht nur um das „Ob“, sondern auch um das „Wie“ der Verarbeitung von Pressemitteilungen. So untersucht Lang (1980) die charakteristische Verarbeitungsform von Parteipressemitteilungen in Tageszeitungen. In der Regel wurden die Pressemitteilungen nur gekürzt, in Form einer Zusammenfassung, wobei der Originalwortlaut übernommen wurde (Lang 1980, 155). Dass auch nicht etablierte Akteure, wie etwa neue soziale Bewegungen, mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit Resonanz in den deutschen Medien erzeugen können, belegen drei Studien: So untersuchte Leonhardt über 15 Monate lang die Präsenz von Umweltschutzorganisationen in der lokalen und überregionalen Presse (Leonhardt 1986). Nach der Häufigkeit der Namensnennung dominierten Bürgerinitiativen und BBU in der Umweltberichterstattung, gefolgt von sonstigen primären Umweltschutzverbänden und dem BUND. Greenpeace spielte in den Jahren 1981/82 kaum eine Rolle. Das liegt daran, dass die deutsche Sektion der Organisation erst 1981 gegründet wurde und sich noch in der Etablierungsphase befand. Rossmann wiederum untersuchte die Resonanz der Öffentlichkeitsarbeit von Greenpeace in der nationalen Presse (Rossmann 1993, 85f.). Anzumerken ist, dass Greenpeace jährlich ca. 10,8 Mio. DM für Pressearbeit ausgibt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Öffentlichkeitsarbeit von Greenpeace die Berichterstattung in vier von fünf Fällen determiniert. In 84 Prozent sind Pressemitteilungen und Aktionen der Organisation Anlass für einen Artikel. Greenpeace bestimmt damit maßgeblich die Themen und Inhalte der Berichterstattung über sich und seine Arbeit. Barth/Donsbach schließlich untersuchten den Einfluss von Pressekonferenzen zu Umweltthemen auf die Berichterstattung (Barth/Donsbach 1992). Auch in diesem Fall beeinflusst die PR-Arbeit von Umweltschutzorganisationen die nachfolgenden Artikel im hohen Maße. Interessant ist, dass die Autoren davon ausgehen, dass der Einfluss der PR je nach Einstellung der Journalisten zu der Quelle variiert. Durch eine Pressekonferenz gelang es der Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF), dass die Artikel zu 98 Prozent ihre Themen zum Inhalt hatten. Die Autoren folgern daraus: „Die von uns vermuteten eher positiven Einstellungen gegenüber dem WWF verleiteten Journalisten zu 36 einer eher passiven Vermittlungsfunktion (...)“ (Barth/Donsbach 1992, 162). Das heißt, die Themen und Problemdefinitionen wurden von der Presse ohne weitere Bearbeitung übernommen. Leider gehen die behandelten Studien nicht auf die genaue inhaltliche Rekonstruktion der vorgetragenen Problemdefinitionen und Tendenzen in der Berichterstattung ein. Die zentrale Frage, inwieweit etwa die politischen Akteure in der Lage waren, neben der Präsenz ihrer Aktivitäten auch mit ihren Subthemen und ihren Problemdefinitionen die Presse zu durchdringen, bleibt leider offen. Dabei müssen die politischen Akteure in der Kommunikation nicht nur die Themenagenda beherrschen, sondern sie müssen ihre Themen auch durch ein „Framing“ in einer für sie günstigen Weise darstellen. Insoweit wäre es wichtig, nicht nur reine Themenanalysen zu betreiben, sondern ganze Deutungsmuster von Themen, so genannte Themen-Frames, zu untersuchen. Eine Studie im Zusammenhang mit dem Wahlkampf zeigt, dass nicht nur Themen, sondern auch spezifische Subthemen und bestimmte Problemdefinitionen etablierter politischer Akteure von den Medien übernommen werden. In dieser Art untersuchten Stefan Dahlem und Rainer Mathes die Kommunikationsstrategien der SPD und CDU im Bundestagswahlkampf 1982/83 (Dahlem/Mathes 1989). Die Regierung und die Opposition verfolgten in Bezug auf das Thema „Neues Mietrecht“ unterschiedliche Kommunikationsstrategien mit unterschiedlichen Problemdefinitionen. Die SPD-Opposition zielte darauf ab, das Thema so zu definieren, dass der CDU eine Politik gegen die sozial Schwachen angelastet wird. Diese Strategie war in der ersten Phase des Wahlkampfes sehr erfolgreich: Im Pressesystem überwogen eindeutig die Problemdefinitionen der SPD-Opposition zu diesem Thema. In der zweiten Phase gelang es der CDU-Regierung, den Konflikt um das „Neue Mietrecht“ in einen Konflikt um die Glaubwürdigkeit der SPD-Opposition umzudefinieren. Mathes und Freisen (1990) untersuchten wiederum, wie erfolgreich sich die einzelnen politischen Parteien im Bundestagswahlkampf 1987 neben ihren Themen und spezifischen Problemdefinitionen in den aktuellen Tageszeitungen bzw. in den Fernsehnachrichten durchsetzen konnten (Mathes/Freisens 1990). Den Regierungsparteien gelang es vor allem, die Themen und die jeweilige Problemdefinition zu den Themen zu bestimmen. Die Oppositionsparteien konnten hingegen ihre Themen und Problemdefinitionen nicht in diesem Maße durchsetzen. Beide Studien können belegen, dass nicht nur Themen von etablierten politischen Akteuren, in diesem Falle von Parteien, in das Mediensystem übernommen werden, sondern auch spezifische Problemdefinitionen zu einem Thema. Wie auch in der Forschung zur Agenda-Setting-Hypothese beziehen sich diese Ergebnisse wiederum nur auf Politics-Dimension von Politik - dem Wahlkampf. Fasst man die bisherigen Ergebnisse im Hinblick auf die leitende Fragestellung dieser Arbeit zusammen, so entscheiden die publizistischen Massenmedien mit darüber, welche Probleme in der Gesellschaft als besonders wichtig und daher lösungsbedürftig angesehen werden. Die politischen Entscheidungsträger werden aus Eigeninteresse die wahrgenommenen Themenpräferenzen der Gesellschaftsmitglieder nicht gänzlich umgehen, wollen sie - und das dürfte unstrittig sein - eine Beteiligung an der Regierungsmacht erreichen. Luhmann hat das prägnant folgendermaßen formuliert: „Politische Resonanz kommt vor allem dadurch zustande, dass die ‚öffentliche Meinung’ als der eigentliche Souverän differentielle Chancen der Wiederwahl suggeriert“ (Luhmann 1986, 175.). Aus diesem Grund ist berechtigt anzunehmen, dass die publizistischen Massenmedien die 37 Problemwahrnehmung der politischen Elite indirekt mitprägen und ihnen insofern, unter weiter zu spezifizierenden Umständen, einen Einfluss auf die politische Tagesordnung zugestanden werden muss. Aber gerade weil die massenmediale Berichterstattung die öffentliche Tagesordnung mitbestimmt, versuchen Regierungen, Parteien, Verbände und soziale Bewegungen mit unterschiedlichen Kommunikationsstrategien und Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit, die Massenmedien regelrecht zu bearbeiten. Ziel dieser Akteure ist es jeweils, ihre Themen und Problemdefinitionen im System der Massenmedien zu platzieren. Akteure, welche selbst über eine ausdifferenzierte Öffentlichkeitsabteilung verfügen, können mit dem Instrumentarium der strategischen Öffentlichkeitsarbeit die Berichterstattung im hohen Maße beeinflussen, sowohl im Hinblick auf ihre Themen als auch im Bezug auf ihre Problemdefinitionen. Um ihre Themen und Problemdefinitionen in den Massenmedien zu lancieren, versuchen Akteure daher: • Ereignisse zu inszenieren, die sich in erheblichem Umfang auf die Nachrichtenwertfaktoren der Massenmedien beziehen, d. h., sie müssen die Faktoren Prominenz, Personalisierung, Konflikt und Sensation beinhalten; • Nachrichtenrohstoffe und Vorprodukte zu liefern, welche den Verarbeitungsprogrammen in den Redaktionen in zeitlicher, technischer und ökonomischer Hinsicht entsprechen; • ein angemessenes „Portal“ zu dem ausdifferenzierten Mediensystem zu wählen, etwa über die überregionalen Tageszeitungen, um von dort durch Inter-Media-Agenda- Setting in das gesamte Mediensystem zu diffundieren; • Kontakte zu sympathisierenden Journalisten in den Redaktionen zu schaffen, welche dann als Gatekeeper den Weg zum Mediensystem öffnen. Das Forschungsfeld verweist darauf, dass die Massenmedien in der Praxis zum großen Teil als publizistischer Resonanzraum für Öffentlichkeitsarbeit dienen. Damit wird die, durch die Agenda-Setting-Hypothese, postulierte „Macht“ der Massenmedien über die Themenagenda der Gesellschaft insofern relativiert, als dass andere Akteure, welche auf die Realitätskonstruktion der Massenmedien Einfluss nehmen, in den Blickpunkt geraten. Bezogen auf das Agenda-Setting-Potenzial der publizistischen Massenmedien könnte man sagen „Der getarnte Elefant (Noelle) ist außengesteuert“ (Schatz 1982, 15 unter Bezug auf Noelle-Neumann 1980b, 18) durch die erfolgreichen Agende-Bildungs-Versuche politischer Akteure. Die Massenmedien bekommen zum großen Teil schon präparierte, auf die Bevölkerungsagenda hin ausgewählte Informationen. Demzufolge ist anzunehmen, dass an dem Agenda-Setting-Potenzial über die Themenpräferenzen der Bevölkerung - das führt zurück zum Ausgangspunkt der Argumentation und damit unter Umständen an der Problemwahrnehmung und Agenda-Gestaltung des politischen Systems - vielfältige interne und externe Akteure beteiligt sind. Medienberichterstattung ist stets ein Konglomerat aus Ereignissen, welche den Massenmedien von außen angeboten werden, und ihrer spezifischen Eigenleistung in Form von Selektion, welche im letzten Kapitel dargestellt wurde. Die Auswahl und Platzierung eines Themas und einer Problemdefinition in den Massenmedien hängt von den Nachrichtenwertfaktoren, den Zwängen der Arbeitsorganisation, der redaktionellen Linie, der individuellen Einstellung der Journalisten sowie von so genannten „Leitmedien“ ab. In dem massenmedialen Selektionsprozess lassen sich zwei Stufen analytisch unterscheiden: die Thematisierung, bei welcher über die Themen entschieden wird, und die Strukturierung, in welcher die Themen mit weiteren 38 Attributen versehen werden. Die Überlegungen dieser Forschungszweige korrespondieren offenkundig mit der Agenda-Setting-Forschung auf der ersten (Themen) und zweiten Ebene (Attribute). Die massenmediale Berichterstattung ist konstruiert und das im doppelten Sinne. Zunächst ist bereits die Selektion eines Ereignisses aus allen potenziellen Sachverhalten, welche in die Berichterstattung aufgenommen werden können, ein Konstruktionsprozess und diese Ereignisse werden mit weiteren Attributionen, etwa einer Kausalen, versehen, wie z. B.: Das „Waldsterben“ ist auf die Bodenbelastung zurückzuführen, diese auf die landwirtschaftliche Produktion. Oder: Die Versenkung der Ölplattform „Brent Spar“ belastet erheblich die Meere (was bekanntlich nicht der Fall war, aber auf Grund der Berichterstattung zu erheblich öffentlichen und politischen Reaktionen führte; hierzu Luhmann 1995, 27). Solche Interpretationsleistungen führen zu einer Vereinfachung der Weltsicht und - folgte man den Überlegungen zur zweiten Ebene des Agenda-Settings – es können sich Auswirkungen auf die Wahrnehmung und damit Bearbeitung unterschiedlicher, gesellschaftlicher Probleme ergeben: „Brent Spar“ darf nicht versenkt werden, die landwirtschaftliche Produktion soll keine Pestizide benutzten etc. Durch diese relativ stabilen Selektionsleistungen werden eine geringe Anzahl von thematisierten Ereignissen und dazu gehörige Attribute fokussiert, so dass die Bevölkerung eine kollektive Vorstellung davon entwickelt, welche Themen und Problemdefinitionen zur Zeit wichtig sind. Des Weiteren ergibt sich aus vielen einschlägigen Forschungsergebnissen, dass die Massenmedien selektiv sind, sowohl im Hinblick auf die Sozial- als auch in der Sachdimension. Der Input in die massenmediale Berichterstattung hängt von den Ressourcen der kollektiven Akteure sowie deren Status ab. Vor allem bekannte Persönlichkeiten bilden einen privilegierten Kristallisationspunkt für Selektion sowie Darstellung von Nachrichten. Ereignisse werden in der Regel so dargestellt, dass sie einer Dramaturgie gehorchen, welche auf Personen zurückgeführt werden können. Auch die Hintergrundgespräche als inoffizielle Kanäle bleiben nur wenigen privilegierten Akteuren vorbehalten. Der Zugang ist elitär und damit der Informationsaustausch auf dieser Ebene für nicht etablierte politische Akteure fast kaum möglich. Damit haben nicht etablierte Akteure - etwa neue soziale Bewegungen und kleine Verbände - einen Nachteil, mit ihren Themen und Problemdefinitionen auf die öffentliche Tagesordnung der Gesellschaft zu gelangen. Die Arena der publizistischen Massenmedien ist aber nicht nur selektiv im Hinblick auf die Sozialdimension, sondern auch in der Sachdimension. Es werden bevorzugt bestimmte Themen verarbeitet und auch die Art und Weise, wie die Themen gedeutet und abgearbeitet werden, ist durch die Inputkanäle der Massenmedien prädestiniert. Als Sehlektoren dienen beispielsweise Konflikte, Schäden, Ereignisse mit Krisensymptomen, insbesondere, wenn sie manifeste bzw. latente Werte oder die Ordnung des gesamten Systems bedrohen.10 Zusätzlich werden Themen, welche bereits eine Karriere gemacht haben, eher von den publizistischen Massenmedien behandelt. Sehlektoren dieser Art greifen ziemlich scharf und ziemlich direkt, so dass Themen, die im Gesamtsystem der Massenmedien diffundieren, den genannten Nachrichtenfaktoren entsprechen werden. Daher werden die publizistischen Massenmedien, insbesondere mit solchen Themen und Problemdefinitionen, über die bisher beschriebenen Mechanismen auf die Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger einwirken. 10 Insofern ist anzunehmen, dass diese Selektionskriterien - systemtheoretisch gesehen - stabilisierend wirken, weil so die zentralen Themen - oder konstruktivistisch gesprochen die „operative Fiktion“ solcher Themen - abgearbeitet werden (Luhmann 1971; Schulz 1976). 39 In diesem Kapitel wurde verdeutlicht, dass korporative Akteure mit Hilfe eines vielfältigen Arsenals der systematischen Informationspolitik und des strategischen Ereignismanagements nicht nur die Themenstruktur der Massenmedien determinieren können, sondern dass auch spezifische Problemdefinitionen bzw. Deutungsmuster in die Medienberichterstattung übernommen werden. Im Folgenden geht es um die Frage, ob von spezifischen Themen und Problemdefinitionen in der massenmedialen Berichterstattung unmittelbare Rückwirkungen auf die politischen Akteure in Regierung, Parlament und Parteien zu erwarten sind. 4.3 Forschung zum Policy-Agenda-Setting Neben der mittelbaren Wirkung über die Agenda der Bevölkerung haben die publizistischen Massenmedien vor allem auch unmittelbare Thematisierungs- und Themenstrukturierungsfunktion für das politische System. Dieser Aspekt wird durch die Forschung zum Policy-Agenda-Setting untersucht. Dabei geht es um das Verhältnis der Medienagenda zu den Agenden der politischen Akteure in Parteien, Parlament, Regierung und Interessensgruppen. Wird in den Studien zum Agenda-Setting vermutet, dass der Einfluss der Medien auf die Politik über die Bevölkerung verläuft, d. h. die von den Medien vorstrukturierte Problemwahrnehmung der Bürger wird dabei über die verschiedenen Formen politischer Partizipation an das politische System weitergegeben, so postuliert die Policy-Agenda-Setting-These einen direkten Zusammenhang zwischen der politischen Medienberichterstattung und der Problemwahrnehmung der politischen Akteure (Berkowitz 1992, 85). Danach beobachten die politischen Eliten die öffentliche Meinung nicht nur anhand von Demoskopieumfragen oder anhand der unmittelbaren Vota in politischen Wahlen, sondern vor allem anhand der veröffentlichten Meinung in den Massenmedien. Die Massenmedien sind ein wichtiger Indikator, welcher die direkte Umweltbeobachtung ersetzt. „The underlying notion is that policymakers may use the news-media agenda as a surrogate for the agendas of the public“ (Pritchard 1992, 105). Außerdem wissen die Akteure des politischen Systems, dass sich die Themen in der Bevölkerung nicht autonom bilden, sondern in der Regel ein Produkt massenmedial vermittelter Kommunikation sind, d. h. es liegt ein Agenda-Setting-Effekt vor. Wenn ein Einfluss der Medien auf die Themenwahrnehmung der Bevölkerung unterstellt wird, dann ist es für die Akteure des politischen Systems durchaus rational, die Massenmedien zu beobachten und gegebenenfalls zu beeinflussen. In der Einschätzung von Politikern nimmt die Medienberichterstattung bereits dann einen hohen Stellenwert ein, wenn nur die Möglichkeit besteht, dass die Massenmedien einen starken Einfluss auf die Bevölkerung haben könnten. Dadurch gewinnen die Massenmedien einen unmittelbaren Zugang zur Agenda des politischen Entscheidungssystems. Daneben sind selbstverständlich auch die politischen Akteure von der aktuellen Berichterstattung für die eigene Realitätskonstruktion abhängig, insbesondere bei solchen Themen, bei denen die primäre Erfahrung fehlt. Neben dem gesellschaftlichen wird insoweit ein politischer Themenstrukturierungseffekt der Massenmedien unterstellt. Die These lautet dann: Je mehr Aufmerksamkeit (Beiträge) die Massenmedien in einem gegebenen Zeitraum auf ein Thema konzentrieren, desto höher schätzt ein gegebener politischer Akteur dessen Bedeutung in der Bevölkerung ein und 40 desto wichtiger ist dieses Thema für einen politischen Akteur. Dieser Effekt der Massenmedien auf die politischen Akteure ist allerdings in der empirischen Forschungsliteratur erst lückenhaft belegt. Dies gilt nicht nur für den bundesrepublikanischen, sondern auch für den amerikanischen Forschungskontext. Angesichts des deutlichen Mangels empirischen und theoretischen Wissens erstaunt es nicht, dass dieser Forschungszweig bisher noch keine konsistenten Forschungsergebnisse erbracht hat. Dies ist wiederum ein Hinweis auf die schwach entwickelte Forschungstradition in diesem Bereich. Trotzdem erbrachten die Untersuchungen eine Reihe von methodischen Neuentwicklungen, deren Diskussion für die Anlage dieser Arbeit fruchtbar sein dürfte, weil mit ihnen Themenkarrieren zwischen der massenmedialen und politischen Agenda exakt nachgezeichnet und quantifiziert werden können. Aus diesem Grund werden im nachstehenden Kapitel nicht nur die empirisch-analytischen Erkenntnisse, sondern auch die methodischen Entwicklungen aufgezeigt, um im empirischen Teil dieser Arbeit adäquat den Einfluss der massenmedialen Kommunikation auf die Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger anhand des Themas „Waldsterben“ in der Bundesrepublik untersuchen zu können. Im nachstehenden Kapitel wird sich die Arbeit deshalb mit Policy-Agenda-Setting-Forschung befassen und einen Überblick über die verschiedenen Ansätze, Begrifflichkeiten und Resultate der empirischen Forschung geben. Hierbei muss die Arbeit weitgehend auf amerikanische Literatur zurückgreifen, da in der Bundesrepublik ein Forschungsdefizit zu verzeichnen ist. Wie auch in den anderen Abschnitten dieses Kapitels wird ein Schwerpunkt auf die Frage gelegt, ob die Akteure des politischen Systems neben den Themen auch spezifische Problemdefinitionen aus der massenmedialen Berichterstattung aufgreifen, also das, was in der Forschung zur Agenda-Setting-Hypothese, als „Second-Level-Effekt“, bezeichnet wurde. Eine der wichtigsten Fragen, die sich in der Forschung zum Policy-Agenda-Setting stellt, ist die nach dem vermuteten Wirkungsmechanismus. Denn, wenn die Frage diskutiert wird, ob die Massenmedien die Aufmerksamkeit der politischen Akteure auf bestimmte Themen lenken, können - wie auch bei Agenda-Setting-Hypothese - damit unterschiedliche Prozesse gemeint sein: Einerseits ein individueller, psychologischer Prozess, weil die politische Elite die Themenpräferenzen der von ihr genutzten Massenmedien übernimmt; andererseits ein sozialer Prozess, weil die Massenmedien die Themenstruktur des politischen Systems steuern (vgl. auch den Kapitel 4.1 Agenda-Setting). Zu beiden Forschungsansätzen lassen sich Arbeiten finden, wobei in der Regel die Frage nach der Ebene, der betrachteten Wirkung, nicht einmal thematisiert wird. Im Nachfolgenden stehen zuerst Studien im Mittelpunkt, die Policy-Agenda-Setting als einen individual- psychologischen Einflussprozess auffassen. Eine der wenigen Arbeiten, die sich in Deutschland mit dem Einfluss der Berichterstattung auf den politischen Prozess befasst, besteht aus zwei Fallstudien von Barbara Pfetsch zu den Themen „neue Sondermüllverbrennungsanlage“ und „Kürzungen im Theaterbereich“ als Folge von Ausgabekürzungen im Landeshaushalt in Baden- Württemberg (Barbara Pfetsch 1993, 47f). Die Arbeit setzt aus der Perspektive der Policy- Forschung in der Phase der Entscheidungsfindung an und untersucht noch die Phase der Lösungsimplementierung durch gesetzliche Initiativen (vgl. Kapitel 2.). Der Agenda- Bildungsprozess der beiden genannten Themen geht nicht in die Untersuchung ein. Allerdings wurden verschiedene Akteure auch nach der Rolle der Massenmedien in Bezug 41 auf die Phase der Problemidentifizierung befragt. Diese Ergebnisse sollen im Weiteren interessieren: Im Fallbeispiel „Sondermüllverbrennungsanlage“ wurden die Massenmedien in der Befragung bei allen Akteuren in der Phase der Thematisierung, d. h. in der Phase der Agenda-Bildung, als wichtig angesehen. Die Befragten gaben einhellig an, dass sie die Massenmedien generell bei der Thematisierung von Umweltproblemen als bedeutend einschätzten. Sie fungieren dabei als „Sprachrohr“ für die Ängste in der Bevölkerung und gelten gleichzeitig als Beobachtungssystem für die Durchsetzbarkeit von politischen Entscheidungen. Im Bezug auf den konkreten sachlichen Ablauf des politischen Entscheidungsprozesses sowie der Entwicklung von Problemlösungen wird den Massenmedien hingegen wenig Einfluss zugestanden. Annahmegemäß kommt bei der Generierung von Policy-Optionen in der Regel anderen Akteuren, etwa Wissenschaft und Politikberatung, ein stärkeres Gewicht zu. Allerdings hat die Berichterstattung „das Thema am Kochen gehalten“ und damit „Entscheidungsdruck gemacht“ und so den politischen Entscheidungsprozess erheblich in seinem zeitlichen Ablauf verkürzt (Pfetsch 1993, 78). Dass solche Ergebnisse nicht nur ein landespolitisches Spezifikum sind, zeigt eine Studie auf Bundesebene. Barbara Pfetsch & Dieter Fuchs analysieren in dieser Arbeit das Vorstellungsbild von politischen Akteuren über die „öffentliche Meinung“ (Fuchs/Pfetsch 1996, 103f). Die Erhebung wurde in den Öffentlichkeitsabteilungen des Regierungssystems auf Bundesebene vorgenommen. Die politischen Akteure verstehen demnach unter „öffentlicher Meinung“ zum einen die Meinung der Bürger und zum anderen die in den Massenmedien kommunizierte Meinung. Beide werden ständig vom Regierungssystem beobachtet, die Bevölkerungsmeinung durch demoskopische Erhebungen und die Medienmeinung durch Auswertung der Medienagenda, in Form eines Pressespiegels. 82 Prozent der Befragten gaben an, dass für die Entscheidungen im Regierungssystem die „öffentliche Meinung“ eine Rolle spielt, also das Regierungssystem responsiv ist. Wobei 50 Prozent der Politiker explizit die Medienmeinung erwähnten. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass sie unter „öffentlicher Meinung“ die Berichterstattung der Massenmedien verstehen. Sogar 100 Prozent der Befragten gaben an, die „öffentliche Meinung“ durch die Beobachtung der Medienberichterstattung zu ermitteln. 89 Prozent gingen von einem Einfluss vor allem von den Medienmeinungen auf die Bürgermeinungen aus. Schlussendlich antworteten alle Interviewten (100 Prozent) auf die Frage nach dem Verwendungszweck der Beobachtungsergebnisse von „öffentlicher Meinung“ mit dem Hinweis auf die „Politikgestaltung“ Resümierend deuten Umfragen im deutschen Forschungskontext auf einen Einfluss der Massenmedien, auf die frühe Phase des Politikprozesses, hin. Diese Befunde erscheinen zumindest in der generellen Tendenz recht eindeutig; danach müssten sich politische Akteure responsiv gegenüber den politischen Themen in den Massenmedien verhalten, welche die stärkste Medienaufmerksamkeit erfahren. Dies gilt sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene. Allerdings sind in der deutschen Forschungslandschaft noch viele Fragen offen; etwa, ob der Einfluss der Berichterstattung je nach Politikfeld oder etwa nach den beteiligten Akteuren variiert. Solche Fragen sind in der amerikanischen Forschung bereits behandelt worden. Daher sollen diese Ergebnisse im Folgenden referiert werden, um die Rolle der Massenmedien im Prozess der politischen Agenda-Bildung weiter aufzuschlüsseln. Eine amerikanische Studie, die zusätzlich Aufschluss über die Rolle der Massenmedien im politischen Prozess verspricht, ist die umfangreiche Arbeit von Linsky und seiner 42 Projektgruppe (Linsky 1986). Diese Forschungsgruppe untersuchte intensiv das Verhältnis zwischen Journalisten und politischen Akteuren auf Bundesebene über einen Zeitraum von 15 Jahren. Grundlegende These dieser Arbeit ist ein wachsender Einfluss der Journalisten auf das gesamte politische System, sowohl auf die politischen Institutionen (polity) als auch auf die politischen Auseinandersetzungen (politics) und nicht zuletzt auf den politischen Prozess selbst (policy). Linsky ging davon aus, dass sich Mitte der 60er Jahre das Verhältnis zwischen Politik und Medien in den USA entscheidend gewandelt hat. „We found from the survey, the interviews, and the cases that the spirit of cooperation which exemplified the way reporters and officials dealt with one another and understood one another twenty years ago has been replaced in langrage part by a spirit of competition between them which often produces tension and struggle“ (Linsky 1986, 41). Den entscheidenden Wendepunkt sah Linsky im Vietnamkrieg; hatten die publizistischen Massenmedien vorher die Presseerklärungen der Regierung praktisch ohne Kommentar abgedruckt, wurden sie seit dem Krieg skeptischer und kommentierten die Regierungspolitik zunehmend kritischer (Linsky 1986, 45). Es wurden 500 Politiker, welche zwischen den 60er und 80er Jahren eine führende Rolle in der Bundespolitik gespielt haben, schriftlich mit einem strukturierten Fragebogen interviewt. Zusätzlich wurden mit 20 Politikern und 16 Journalisten längere Leitfadengespräche geführt. 96 Prozent der befragten Politiker gaben an, dass die Medienberichterstattung einen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess hat (Linsky 1986, 69). 56 Prozent sagten aus, die Berichterstattung hätte einen starken, und über 10 Prozent sagten, die Massenmedien hätten einen sehr starken Einfluss auf den politischen Vorgang. Die politische Einstellung, d. h. die Ideologie der Politiker, hatte dabei keinen Einfluss auf die Einschätzung des Einflusspotenzials der Berichterstattung (Linsky 1986, 85). Generell hängt die Einschätzung der Wirkung der Medienberichterstattung auf den politischen Prozess von folgenden Faktoren ab (Linsky 1986, 119): • in welcher Entscheidungsphase sich das Thema befindet, • ob die Berichterstattung einen negativen oder positiven Tonfall hat, • welches Politikfeld betroffen ist, • in welcher Institution das Thema behandelt wird, • auf was sich die Berichterstattung konzentriert; auf Personen, Themen oder den politischen Prozess. Die Politiker teilten generell die Ansicht, dass die Medienberichterstattung den größten Einfluss in der frühen Phase des politischen Prozesses hat, wenn noch nicht klar ist, welche Themen behandelt werden, wer als Adressat in Frage kommt und welche Fragen entschieden werden müssen, also im Agenda-Bildungs-Prozess (Linsky 1986, 87). So hielten 40 Prozent aller Befragten in der Phase der Problemidentifikation die publizistischen Massenmedien für besonders einflussreich. Allerdings gab es zwischen den Akteuren unterschiedlicher Institutionen Differenzen in der Einschätzung: Der größte Teil der Abgeordneten glaubte, dass die Massenmedien in der Phase der Problemidentifikation den größten Einfluss auf den politischen Prozess haben. 60 Prozent der Abgeordneten hielten den Einfluss der Massenmedien in der Phase der Problemidentifikation sogar für sehr stark. Die Befragten der Exekutive hingegen glaubten mehrheitlich, dass die Medien vor allem einen starken Einfluss in der Phase der Evaluation haben: 43 Prozent sagten, die Berichterstattung hat in dieser Phase eine große oder sogar dominante Wirkung, mehr als in 43 den anderen Phasen. Es bestand unter allen Befragten ein Konsens hinsichtlich der Entscheidungsphase. Dort wurde den Massenmedien nur ein geringer Einfluss zugestanden. Im Agenda-Bildungs-Prozess glaubten die meisten Befragten, dass die Massenmedien besonders die Deutung von Problemen bei den Politikern, bei Vertretern der Interessengruppen und in der Bevölkerung beeinflussen. „The way the press frames the issue is as important as whether or not it is covered at all. If the press characterizes a policy option one way early on in the decision-making process, it is very difficult for officials to turn that image around to their preferred perspective“ (Linsky 1987, 92). Insbesondere wenn die anfängliche Berichterstattung über ein Thema bestimmte Deutungen fokussiert hat, ist es für die politischen Akteure schwierig, das Thema umzudeuten. Gerade bei neuen Problemen, bei denen sich noch kein Deutungsmuster etabliert hat, ist der Einfluss stark (Linsky 1987, 87f). Auch darüber, welche Art von Berichterstattung die größte Wirkung auf den politischen Entscheidungsprozess hat, sagte die Studie einiges aus. Mehr als 70 Prozent aller Befragten meinten, dass eine negative Berichterstattung sie veranlasse, ihre Politikziele zu ändern. Außerdem verlagert eine negative Berichterstattung die Aufmerksamkeit für das Problem auf eine höhere Entscheidungsebene. Den Entscheidungsprozess zu beschleunigen, wird generell von allen Befragten als einer der wichtigsten Einflüsse der Medienberichterstattung angesehen. Je intensiver die Berichterstattung und je kritischer, desto größer die Aufmerksamkeit im Bezug auf dieses Thema (Linsky 1986, 109). Bei den Politikfeldern gilt: Je höher das öffentliche Interesse an einem Politikfeld und je mehr die Massenmedien ihre Aufmerksamkeit einem Politikfeld widmen, umso größer ist auch ihr Einfluss auf diesem Politikfeld. Dabei wird den Massenmedien in der Außenpolitik der größte Einfluss zugestanden; der geringste in der Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Sozialpolitik, sowie in der Justiz (Linsky 1986, 129). Weiter spezifizierte Linsky vier Kategorien von Beiträgen: • Beiträge, in denen eine Person und ihre Reputation im Vordergrund stehen, • Beiträge über die Arbeit einzelner Institutionen und dem politischen Prozess, • Beiträge, in denen aktuelle politische Probleme behandelt werden, • Beiträge, in denen langfristige Probleme behandelt werden. Die Berichterstattung über aktuelle politische Probleme hat einen größeren Einfluss auf die Akteure als jede andere Art von Beiträgen. Fast die Hälfte der Befragten sagten, die Massenmedien haben mit diesen Produkten den größten Einfluss. Journalistische Beiträge über langfristige, nicht aktuelle Themen haben den geringsten Einfluss. Über 60 Prozent setzten diese Art von Artikeln an die letzte oder vorletzte Stelle. Die Berichterstattung hat den größten Einfluss, wenn sie negativ ist. Fasst man die vielfältigen Befunde im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit zusammen, so ergeben sich einige instruktive Anhaltspunkte: die komplexe Studie von Linsky liefert nicht nur reichlich Hinweise für einen Policy-Agenda-Setting-Effekt, sondern spezifiziert diese Wirkung. Insbesondere in der Phase der Problemidentifikation, wenn das Problem noch unklar ist, wird den Massenmedien ein großer Einfluss zugestanden. Wie auch schon die neueren Studien zum Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien verweisen diese Ergebnisse auf einen „Second-level-Policy-Agenda-Setting-Effekt“ (vgl. Kapitel 4.1 Agenda-Setting). Danach setzen die Massenmedien nicht nur Themenprioritäten bei den politischen Eliten, sondern sie geben, indem sie ein Problem mit weiteren Attributen verbinden, etwa eine Ursache des Problems oder eine Problemlösung, die Richtung vor, aus 44 der das Thema betrachtet wird. Des Weiteren scheint der Einfluss der Massenmedien je nach Thema, Tonalität der Beiträge, betroffenes Politikfeld, die inhaltliche Ausrichtung des journalistischen Beitrages sowie die betroffenen Institutionen zu variieren. Dabei ist zusammenfassend festzuhalten: je negativer die Berichterstattung ist, umso größer ist auch das öffentliche Interesse an einem Politikfeld und umso eher werden aktuelle politische Probleme in der Berichterstattung aufgegriffen. Wenn sich das entsprechende Problem in der Anfangsphase des politischen Problembearbeitungsprozesses befindet, umso eher kann die massenmediale Kommunikation Resonanz bei den politischen Akteuren auslösen. Die behandelten Studien geben, wie gesagt, vielfältige Anhaltspunkte für einen Policy- Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien, nicht nur im amerikanischen Forschungskontext, sondern auch im Deutschen. Diese Ergebnisse sind zunächst allerdings als Indizien zu verstehen, denn es wird der „wahrgenommene Einfluss“ der Berichterstattung bei den unterschiedlichsten politischen Akteuren erfragt und nicht der tatsächliche Prozess. Dazu müssten nicht nur die betroffenen Akteure befragt, sondern ergänzend die Berichterstattung erhoben werden. Zur Überprüfung der Policy-Agenda-Setting-Hypothese wird in der Regel die Methode der Befragung mit einer Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung am gleichen Ort sowie zum gleichen Zeitpunkt kombiniert. Aus den Ergebnissen - Häufigkeit der Nennung des Themas und Umfang der Berichterstattung zum Thema - wird jeweils eine Rangreihe der wichtigsten Themen konstruiert. Mittels Rangkorrelation wird zwischen den beiden Rangreihen ein statistischer Zusammenhang berechnet. Gromley ist der erste Autor, der ein solches Studiendesign verwendet, um den Policy- Agenda-Setting-Effekt zu testen (Gromley 1975). Von der Anlage der Untersuchung überträgt er das Design der Agenda-Setting-Hypothese von McCombs und Shaw auf die politische Elite und fragt entsprechend: „Does the press also set the agenda for political elites?“ (Gromley 1975, 304). Die Antwort auf diese Frage hängt nach seiner These davon ab, wie eine Agenda definiert wird: Ob es sich um eine Liste von wenigen Problemfeldern handelt, wie Sozialpolitik, Innenpolitik etc., oder ob es sich um spezifische einzelne Themen handelt, wie z. B. Schwangerschaftsabbruch, Kapitalverbrechen etc. Das Untersuchungsgebiet beschränkt sich auf Landesebene und umfasst den Bundesstaat North Carolina. Gromley fand seine These bestätigt: Bei einer Anzahl von 7 breiten Themenfeldern ist der Zusammenhang mit einem Korrelationskoeffizienten von .750 (Speaman`s rho) zwischen der Medienagenda und der Agenda der politischen Eliten sehr hoch. Werden hingegen die 7 Themenfelder in 25 einzelnen Themen disaggregiert, liegt die Korrelation nur noch bei .206, d. h. der Policy-Agenda-Setting-Effekt hängt - entsprechend der These von Gromley - von dem Umfang der jeweiligen Themen auf einer Agenda ab. Zusammenfassend fand Gromley auf der Ebene breiter Themenfelder einen Policy-Agenda- Setting-Effekt, wobei auf der Ebene spezifischer Issues lediglich eine schwache Beziehung zwischen den Massenmedien und den politischen Agenden besteht. Offensichtlich konkretisieren Subthemen unterschiedliche Aspekte der Realität. Offen bei der Abfrage von breiten Themenfeldern ist außerdem, ob nicht durch den sehr verallgemeinerten Themenbegriff ein wissenschaftliches Artefakt produziert wird und mit der Abfrage nicht Medieneffekte erfasst werden, sondern lediglich allgemeine Wertehaltungen. Daneben spricht ein allgemeiner Themenbegriff gegen die Tatsache, dass gerade Policy-Agenda- Setting-Effekte bei neuen spezifischen Themen zu erwarten sind (Protess et al. 1987 und Downs 1972). Der Definition des Themas, d. h. also den einzelnen Items auf den 45 untersuchten Agenden, kommt eine Schlüsselrolle bei der Untersuchung des Policy- Agenda-Setting-Effekts zu. Allerdings finden sich in der Forschungsliteratur sehr uneinheitliche Themenbegriffe. Zum Anfang des empirischen Teils dieser Arbeit wird diese Frage wieder aufgegriffen werden und eine Themendefinition erarbeitet, welche der Fragestellung dieser Arbeit und der weiteren theoretischen Entwicklung der Agenda- Setting- und Policy-Agenda-Setting-Forschung dienlich sein könnten. Ebenfalls mit den Instrumenten Inhaltsanalyse und Befragung arbeitet eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Cook und Protess im Institut „for Urban Affairs and Policy Research“ an der Northwestern Universität Evanstonden (zum Folgenden Cook et al. 1983; Protess et al. 1985; 1987). In vier Studien untersuchte dort eine interdisziplinäre Forschungsgruppe aus Kommunikationswissenschaftlern, Politikwissenschaftlern, Psychologen und Soziologen Agenda- und Policy-Agenda-Setting-Effekte der Berichterstattung im Rahmen des investigativen Journalismus. Dabei verwendeten die Forscher ein feldexperimentelles Design mit Vorher-Nachher-Test, welches die Prüfung von Kausalität sowie die Kontrolle von Drittvariablen gewährleistet. Sechs Monate bevor eine Reportage über den „Missbrauch öffentlicher Gesundheitsprogramme“ in den USA auf Sendung ging, wurden die Forscher über den Inhalt der Sendung, den Stand der Recherchen und den Sendetermin informiert. Die Sendung wurde schließlich unter dem Titel „Home Health Hustle“ in dem NBC News Magazine am 7. Mai 1981 gesendet. Dreihundert Personen wurden telefonisch vor der Sendung zu dem Thema interviewt. Außerdem wurden 57 Personen aus der politischen Elite in dem Politikfeld „Sozialpolitik“ eine Woche vor der Sendung zu dem Thema mit einem Leitfaden befragt. Etwa die Hälfte (N=27) gehörten dem engeren Regierungsapparat an. Die anderen Personen (N=24) waren Repräsentanten verschiedener Interessensverbände. Bei der ersten Interviewwelle handelte es sich um persönliche Interviews, die etwa ein bis zwei Stunden dauerten. Nach der Ausstrahlung der Sendung erfolgte eine telefonische Nachbefragung. Mit Hilfe einer multiplen Regression und T-Tests konnten die Forscher einen signifikanten Agenda-Setting-Effekt nachweisen. Diejenigen, welche die Sendung gesehen hatten, hielten das Gesundheitsprogramm, die Regierungsunterstützung für das Programm und die „Missbrauchsproblematik“ generell für wichtiger als vor der Sendung. Die Sendung hatte auch einen Policy-Agenda-Setting-Effekt, denn die Politiker hielten die „Missbrauchsproblematik“ im Gesundheitsprogramm nach der Reportage für signifikant wichtiger als vor der Sendung. Auch glaubten sie, dass die Bevölkerung nach der Sendung der Missbrauchsproblematik eine höhere Priorität beimisst, also sozusagen der eingeschätzte Agenda-Setting-Effekt. Schlussendlich gaben sie noch an, dem Problem in der nächsten Zeit mehr Aufmerksamkeit zu widmen und dass sie geneigt seien, politische Maßnahmen gegen die „Missbrauchsproblematik“ ins Feld zu führen. Die Vertreter der Interessensgruppen hingegen hielten das Problem weder für signifikant wichtiger als vor der Sendung, noch glaubten sie, dass die Bevölkerung dem Problem nach der Sendung eine höhere Priorität beimisst. Hingegen gaben auch die Vertreter der Interessensgruppen an, dass sie dem Problem in den nächsten Tagen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen wollten. Generell reagierte die politische Elite also sehr viel differenzierter als das allgemeine Publikum auf die Reportage. Diese Ergebnisse sollten durch eine Fallstudie weiter abgesichert werden. Zu diesem Zweck wurden 16 Personen aus der Verwaltung, die mit dem Monitoring des Programms beschäftigt waren, befragt sowie etliche Dokumente aus der Administration und Ausschusssitzungen ausgewertet. In dieser 46 tiefen Analyse stellte sich heraus, dass die Reporter vorher mit einigen Politikern zusammengearbeitet hatten und die Recherchen zu dem Thema schon eine Reaktion im Regierungsapparat ausgelöst hatten. Es war also nicht die Veröffentlichung der Reportage und die darauf folgende Änderung der öffentlichen Meinung, die zu einer Reaktion im Entscheidungssystem führte, sondern die Zusammenarbeit der Journalisten und Politiker im Vorfeld der Veröffentlichung. In der zweiten Studie stand nicht die Fernsehberichterstattung auf nationaler Ebene im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Presseberichterstattung auf lokaler Ebene. Wieder kam das Quasi-experimental Design mit Vorher-Nachher-Test zur Anwendung. Um sowohl den Agenda-Setting- als auch den Policy-Agenda-Setting-Effekt zu testen, arbeiteten die Forscher diesmal mit einer Gruppe von Journalisten der Chicago Sun-Times zusammen. Einige Monaten vor der Veröffentlichung einer Serie von Artikeln zu dem Thema „Sexualverbrechen“ wurden die Forscher erneut über den Stand der Recherchen sowie über den Zeitpunkt der Publikation informiert. Die Artikelserie wurde schließlich am 25. Juli 1982 zum ersten Mal veröffentlicht und dann täglich fortgeführt. Es konnte nur ein minimaler Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung nachgewiesen werden. In Bezug auf die politische Elite konnte hingegen ein deutlicher Policy-Agenda-Setting-Effekt nachgewiesen werden: die Politiker hielten das Problem signifikant für wichtiger als vor der Artikelserie. Allerdings glaubten sie nicht - wie auch das Ergebnis belegt - dass die Öffentlichkeit diesem Thema eine höhere Priorität beimisst. Die nachfolgende Analyse von Dokumenten aus Ausschusssitzungen und die Analyse des Haushaltes zeigten jedoch, dass es sich hierbei nur um einem „symbolischen“ Effekt handelte. Das Thema hat zwar die Politiker veranlasst, sich zu dem Thema zu äußern, aber eine materielle Politikveränderung war nicht zu verifizieren. In der dritten Untersuchung stand wiederum die lokale Berichterstattung, allerdings nicht die Presseberichterstattung, sondern der lokale Fernsehsender WMAQ-TV (Channel 5) in Chicago im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wiederum arbeiteten die Forscher mit den Journalisten zusammen und wurden 6 Monate vor der Ausstrahlung einer Serie zur Polizeibrutalität in Chicago über den Stand der Recherchen, den Verlauf sowie den Sendetermin informiert. Im Gegensatz zu den ersten beiden Befragungen sollte nicht nur getestet werden, ob die Rezipienten die Themenprioritäten der Berichterstattung übernehmen, sondern auch, ob Subthemen und Attribute im Zusammenhang mit dem Thema als wichtig wahrgenommen werden. Wie auch in den anderen Studien wurden politische Akteure aus dem Bereich der Inneren Sicherheit mit einem Leitfaden intensiv zum Thema interviewt. Die erste Fernsehsendung von insgesamt fünf wurde am 7. Februar 1983 ausgestrahlt. Die Ergebnisse verweisen auf einen deutlichen Agenda-Setting-Effekt. Die Gruppe, welche die Serie gesehen hatte, maß der „Polizeibrutalität“ eine signifikant höhere Priorität bei als die Kontrollgruppe, welche die Sendung nicht gesehen hatte. Auch in Bezug auf spezifische Subthemen und Attribute konnten Agenda-Setting-Effekte belegt werden, welche in der Kontrollgruppe ausblieben. Die politischen Akteure reagierten hingegen sehr viel differenzierter auf die Reportage: Zwar hielten sie das Thema nach der Sendung nicht für wichtiger, aber die Reportage beeinflusste die Attributierung der Politiker; sie konnten nach den Sendung bestimmte Gründe und Lösungsoptionen für das Problem benennen. Auch hatte die Reportage einen Einfluss auf die Einschätzung der Wichtigkeit des Themas in der Bevölkerung. Denn die Priorität in der Bevölkerung zu 47 diesem Thema wurde nach der Ausstrahlung signifikant höher eingeschätzt. Nach ihren Angaben verwendeten allerdings die Politiker nach der Serie nicht mehr Zeit für das Problem als vorher. Jedoch hatte die Reportage - wie eine Fallstudie zu dem Thema zeigt - einen materiellen Policy-Wandel zur Folge: Am 8. Mai 1983, einen Monat nach der Sendung, wurde ein Programm zur Identifizierung und Bekämpfung der Polizeiübergriffe aufgelegt. Zwei neue Stellen wurden geschaffen, die das Programm planen und implementieren sollten. In einer vierten Studie schließlich untersuchten die Forscher den Agenda-Setting- und den Policy-Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien im Rahmen einer Serie von Sendungen im Lokal-Fernsehen WMAQ-TV (Channel 5) über die Praxis der Universität von Chicago, „giftige Abfälle“ unangemessen zu lagern und zu entsorgen. Die Untersuchung kann keinen Agenda-Setting-Effekt der Serie auf die Bevölkerung nachweisen. Bei den befragten Politikern zeigte sich hingegen ein signifikanter Policy- Agenda-Setting-Effekt. Die befragten Politiker hielten das Problem für wichtiger als vor der Sendung. Dies deckte sich mit der Analyse der politischen Ereignisse nach der Übertragung: nachdem die Sendung ausgestrahlt wurde, reagierten alle Behörden, die in der Aufzeichnung genannt wurden - die Feuerwehr in Chicago, die amerikanische Umweltbehörde, der EPA, und OSHA - und überprüften, ob die Universität die rechtlichen Vorschriften einhielt. Die Fallanalyse zum Thema ergab, dass - wie bereits bei der ersten Untersuchung dieser Reihe - schon die Zusammenarbeit zwischen den Journalisten und der Feuerwehr im Vorfeld der Sendung eine Reaktion auslöste. „In fact, however, Channel 5 correspondent Peter Karl had discussed the possibility of an inspection in several telephone conversations with Fire Department of officials two days before the first art of the series was aired. The officials had agreed both that the inspection would occur and that it would not take place until the morning after the airing of the initial broadcast“ (Protess et al 1987, 181). Zieht man die Ergebnisse der vier Studien zusammen, ergibt sich folgendes Bild. Die Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen. Tabelle 4.2: Zusammenfassung der Ergebnisse der Forschungsgruppe unter der Leitung Cook/Protess im Institut „for Urban Affairs and Policy Research“ an der North-western Universität Evanstonden Thema Medium Format Beziehung zwischen Journalisten und Politiker Effekt auf die Bevölkerung Effekt auf die politische Elite Art der Reaktion Missbrauch des Gesundheitsprog ramms Bundes- Fernsehen Einzel Sendung Stark Ja Ja Ja, symbolisch Sexualverbreche n Lokale Presse Fünf Teile Minimal Nein Nein Ja, symbolisch Polizeiübergriffe Lokal Fernsehen Fünf Teile Minimal Ja Nein Ja, materiell Giftige Abfälle Lokal Fernsehen Drei Teile Stark Nein Ja Ja, individuell Quelle: Protess et al. 1987, 179 Die Forscher führen den starken Agenda-Setting-Effekt der ersten und dritten Studie auf das Medium zurück, weil in beiden Fällen eine Fernsehsendung die Wirkung auslöste. Dies deckt sich mit anderen Studien in den USA, die dem Fernsehen einen größeren Effekt beimessen als der Presse (McClure/Patterson 1976; Graber 1980). Daneben ist das Thema 48 selbst eine wichtige Variable, die einen unterschiedlichen Effekt auslöst. Je neuer das Thema und je interessierter das Publikum ist, desto stärker ist der Einfluss der Medienberichterstattung. Im Gegensatz zu „Sexualdelikten“ hatten die Rezipienten bei dem „Missbrauch des staatlichen Gesundheitsprogramms“ sowie den „Polizeiübergriffen“ bisher nur wenig über das Thema gehört, wie die Pre-Tests ergaben. Die Autoren vermuten, dass die Aufmerksamkeit für immer wiederkehrende Themen nicht so leicht von der massenmedialen Berichterstattung verändert werden kann, weil sich bei den Rezipienten ein „Sättigungseffekt der Aufmerksamkeit“ einstellt. In der dritten Studie zu den „Polizeiübergriffen“ in Chicago konnte neben einem Agenda-Setting-Effekt ein Einfluss auf das spezifische Faktenwissen in der Bevölkerung belegt werden. Also das, was im vorletzten Kapitel als second level Agenda-Setting-Effekt bezeichnet wurde (vgl. Kapitel 3.1. Agenda-Setting). Dies ergab sich nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den politischen Akteuren. Insofern bestätigte sich auch in diesen Studien, dass die Massenmedien, indem sie eine bestimmte Sichtweise vorgeben, mehr als nur Themenprioritäten determinieren. Insgesamt deuten auch diese vier Studien auf einige intervenierende Faktoren hin, welche einen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie die politischen Akteure auf die Berichterstattung reagieren. Diese Faktoren betreffen den Zeitpunkt der Veröffentlichung, die Zusammenarbeit zwischen den Journalisten und den verantwortlichen Politikern, das durch die massenmediale Berichterstattung produzierte öffentliche Interesse sowie die Existenz einer Problemlösung: In zwei Fällen - „giftiger Abfall“ und „Missbrauch des öffentlichen Gesundheitsprogramms“ - wurde die politische Reaktion bereits durch die Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Politikern im Vorfeld der Berichterstattung ausgelöst. Bei zwei Themen - „Missbrauch des Gesundheitsprogramms“ und „Polizeiübergriffe“ war das öffentliche Interesse stark, was sich jeweils in einem Agenda-Setting-Effekt bemerkbar machte. In diesen Fällen definierten die publizistischen Massenmedien die öffentliche Agenda, was die politischen Akteure veranlasste, das Thema auf die Tagesordnung zu nehmen. Schließlich bildet das Thema „Sexualverbrechen“ eine Plattform für diejenigen, welche das Thema auf die Tagesordnung der Legislative heben wollten, wie die Fallstudie zu dem Thema ergab. Politiker, die schon vor der Veröffentlichung Policy-Optionen zum Thema ausgearbeitet hatten, kündigten ihre Initiativen nach der Veröffentlichung an, weil Ihnen die öffentliche Aufmerksamkeit als günstige Gelegenheit erschien, ihr Thema und die entsprechenden Lösungsvorschläge auf die politische Tagesordnung zu setzen. Insgesamt zeigten die Daten einen starken Einfluss der Medienberichterstattung auf die politische Elite, denn in allen Fällen konnte eine Reaktion der politischen Akteure auf die Medienberichterstattung nachgewiesen werden. Hierbei muss allerdings zwischen rein symbolischer und materieller Reaktion unterschieden werden, denn in nur zwei Fällen konnte eine materielle Politikveränderung („Polizeiübergriffe“, „giftige Abfälle“) belegt werden, wobei eine dieser Reaktionen als individuell bezeichnet werden muss, weil sich die Reaktion nur auf den berichteten Fall bezog („giftige Abfälle“). Eine weitere Detailfrage ist, ob Policy-Agenda-Setting auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems unterschiedlich erfolgreich ist. Auf der lokalen Ebene müsste der Policy-Agenda-Setting-Effekt erwartungsgemäß geringer sein, weil den Politikern auf lokaler Ebene die Probleme durch direkte Umweltbeobachtung oder durch interpersonale Kommunikation zugänglicher sind als auf nationaler Ebene und damit weniger Raum für den Einfluss der Medienberichterstattung verbleibt. Gleichwohl zeigen 49 die Studien in einem Fall einen relativ starken Einfluss auf lokaler Ebene (zum Agenda- Setting Palmgreen/Clarke 1977). Resümierend verweisen die behandelten Studien auf einen Policy-Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien. Wie aber schon bei den letzten vier Studien deutlich wurde, muss man sich die Frage stellen, woraus eigentlich die politische Agenda besteht. In diesem Zusammenhang hat Swanson in seiner grundlegenden Kritik an der Policy-Agenda-Setting- Forschung beklagt, dass keine eindeutige Operationalisierung des Konzepts der Agenda zu finden ist (Swanson 1988, 612f.). Die oben genannten Studien beinhalten zwei Teilprojekte: die Ermittlung von Themenprioritäten der politischen Elite durch eine Befragung und eine Inhaltsanalyse von Medieninhalten. Demnach steht der Einfluss auf die Kognitionen von politischen Akteuren im Mittelpunkt der Betrachtung. Dementsprechend ist es bei den oben behandelten Studien gut möglich, dass nur private Einstellungen der politischen Elite abgefragt werden und es ist durchaus fraglich, ob diese Einstellungen sich auf den politischen Prozess auswirken. Empirische Evidenz erhält diese Überlegung durch die Untersuchungen von Cook & Protess, welche in ihren Arbeiten Inkonsistenz im Antwortverhalten der befragten Politiker belegen. Auch bei den Themen, denen die politischen Akteure - laut Auskunft - nicht mehr Aufmerksamkeit und Zeit schenkten, waren materielle Policy-Wandel festzustellen (Protest et al. 1985). Swanson differenziert den Einfluss danach, ob • er aus privater Ansicht, • aus öffentlichen Äußerungen oder • aus politischen Handlungen besteht (Swanson 1988, 612). Nur im letzten Fall könne von einem wirklichen Medieneinfluss gesprochen werden. Saxer drückt das folgendermaßen aus: „Als veröffentlichte Meinung (...) üben so die Massenmedien in den höheren Entscheidungsmilieus Thematisierungs- und Themenstrukturierungsfunktionen aus, die noch unmittelbar den institutionellen politischen Prozess, das Geschehen in und um das Parlament so wie das Verwaltungshandeln mitprägen. Komplementär zum allgemeinen Agenda-Setting der Medien kann also ein institutionelles erkannt werden“ (Saxer 1986, 25). Also geht es darum, solche institutionellen Entscheidungsstrukturen und die Handlungen in diesen Strukturen zu untersuchen, wenn man die Medienwirkung auf die Politik untersuchen will. Dazu muss aber ein anderes methodisches Design zugrunde gelegt werden. Es müssten die Themenprioritäten der Medienberichterstattung mit Handlungen der politischen Akteure verglichen werden. Die Studien, welche nachfolgend dargestellt werden, untersuchen den Einfluss der Berichterstattung auf die Handlungen in den politischen Institutionen. Hierbei bewegt man sich theoretisch aber nicht mehr auf der mikro-, sondern auf der mesotheoretischen Ebene. Es werden also die Einflussbeziehungen unterschiedlicher korporativer Akteure untersucht und insofern gesellschaftliche Thematisierungsprozesse betrachtet. Auch in diesem Bereich werden unterschiedliche Methoden mit spezifischen Vor- und Nachteilen genutzt. Nachfolgend sollen die verschiedenen Ansätze dargestellt und gezeigt werden, welche Erkenntnisse die Forschung in Bezug auf den Meso-Effekt der Massenmedien gewonnen hat. Eine der wenigen deutschen Studien zu dem Thema, welche sich mit Policy-Agenda- Setting-Effekte auf die Handlungen in den politischen Institutionen auf Bundesebene beschäftigt, ist eine Studie von Frank Marcinkowski. Auf breiter empirischer Basis verglich 50 der Autor 1996 in der Studie „Presseberichterstattung, Parteiprogramme und Staatstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland“ die Medienagenda mit den Agenden der politischen Parteien (CDU, SPD, FDP und Die Grünen), der Parlamentarischen Agenda sowie mit der Regierungsagenda über den Zeitraum von 1983 bis 1987 (Marcinkowski 1996). Um mögliche Einflüsse auf die Handlungen der politischen Akteure zu belegen, wurden die Agenden nicht über Umfragen erhoben, sondern wie folgt operationalisiert: die Parteienagenden durch die Wahlprogramme der jeweiligen Parteien, die Medienagenda über die Titelseite der vier großen überregionalen Tageszeitungen, „die Welt“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“ und „Süddeutsche Zeitung“, die Parlamentsagenda durch alle Bundesdrucksachen der Jahre 1985 und 1986, die Regierungsagenda schließlich durch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Helmut Kohl vom 4. Mai 1983 und durch die Ausgabenstruktur im Bundeshaushalt. Der Autor vermutet, dass die Themenstruktur der Massenmedien sowohl die Wahlprogramme der Parteien als auch die inhaltlichen Prioritäten des Parlaments und der Regierung im großen Maße prägen (Marcinkowski 1996, 7). Mit Hilfe von Rangkorrelationen nach Spearman`s rho werden die Agenden in Beziehung gesetzt. Für beide Bundestagswahlen in den '80er Jahren lässt sich durch die ganze Parteienlandschaft ein starker bis mittelstarker und hochsignifikanter Zusammenhang zwischen der politischen Schwerpunktsetzung der Parteien in ihren Wahlprogrammen und der Politikberichterstattung in den Massenmedien nachweisen. Nur das Wahlprogramm der GRÜNEN zeigt keinen Zusammenhang mit der Medienberichterstattung. Der Autor führt dies auf das geringe Themenspektrum zurück, welches von den GRÜNEN in der Anfangsphase vertreten wurde. Auch die parlamentarischen Handlungen und die Medienberichterstattung korrelierten positiv, stark und hoch signifikant. Bezieht man die Befunde auf die Responsivitätsthese des Bundestages, dann verhält sich das Parlament nicht nur responsiv gegenüber der Bevölkerungsmeinung (Brettschneider 1995), sondern auch gegenüber den Themen, die in der Medienberichterstattung einen gewissen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit besitzen. Auch zwischen den Regierungserklärungen von 1983, 1984, 1985, 1986 und der Themenstruktur in der Medienberichterstattung zeigten sich mittelstarke und hoch signifikante Zusammenhänge. Allerdings kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass zwischen der Medienberichterstattung und den ressourcenträchtigen Ergebnissen der Regierungspolitik praktisch kein Zusammenhang nachweisbar ist. In vielen Fällen ist der Zusammenhang sogar negativ. Die Studie ist bemerkenswert, weil sie eine vollwertige Themenstrukturanalyse im deutschen Sprachraum durchgeführt hat und die Koorientierungsmechanismen zwischen verschiedenen Politikagenden und der Medienberichterstattung beschreibt. Methodisch ist es der Studie nicht gelungen, gerichtet Kausalhypothesen zu formulieren und empirisch zu testen. So muss leider offen bleiben, ob die politischen Programme und Handlungen tatsächlich von der Medienberichterstattung beeinflusst wurden oder ob es nicht umgekehrt ist. Die Programme und Handlungen der politischen Akteure finden sich in der Presseberichterstattung wieder, weil Korrelationsmaße keinen Aufschluss über die Richtung des Zusammenhangs geben. Gerade theoretisch ist ein Umkehreffekt der Politikinhalte auf die Medieninhalte höchst plausibel, weil es ja die Aufgabe der Massenmedien ist, über Politikinhalte zu diskutieren. Diese Kritik an dem methodischen Design gilt selbstverständlich auch für die anderen zuletzt behandelten Studien, welche mit Korrelationsmaßen arbeiten. Auf deren Grundlage kann 51 bekanntlich keine Aussage über die Wirkungsrichtung formuliert werden. Das heißt, es können keine eindeutigen Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Variable die abhängige und welche die unabhängige ist. Korrelationen zwischen den beiden Agenden können auf Grund von vier Prozessen zustande gekommen sein: • Die Medienagenda hat die politische Agenda beeinflusst. • Die politische Agenda hat die Medienagenda beeinflusst. • Es können Wechselwirkungen zwischen den Agenden stattgefunden haben. • Externe Faktoren wirken sowohl auf die Medien- als auch auf die politische Agenda. Auf Grund des Untersuchungsdesigns muss im Prinzip offen bleiben, ob die Medienberichterstattung die Themenwichtigkeit der Politiker beeinflusst hat oder ob vielmehr die Politiker die Medienberichterstattung beeinflusst haben. Die ersten drei der oben genannten Faktoren lassen sich ansatzweise kontrollieren, wenn man von einem statischen zu einem dynamischen Analysemodell wechselt. Dabei werden zu mehreren Zeitpunkten Stichproben vom Inhalt der Medienberichterstattung und den Einstellungen der politischen Akteure erhoben. Weil Kausal-Prozesse nur von einem früheren zu einem späteren Ereignis verlaufen können, lassen sich die Kausalbeziehungen zwischen den Agenden kontrollieren. In dieser Weise arbeiten Gilbert et al. (1980) quasi mit einem dynamischen Design und erhoben Stichproben der Berichterstattung zu mehreren Zeitpunkten (Gilbert et al 1980). Die Autoren interessieren sich zunächst nicht für einen Effekt der Medienberichterstattung auf die politischen Akteure, sondern fragten stattdessen, wer die Medienagenda determinieren kann. Wenn ein Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien auf die Bevölkerung unterstellt werden kann, so ist die Frage nach den Determinanten der Medienagenda von höchster Relevanz, so Gilbert. Der Untersuchungsgegenstand fällt auf den amerikanischen Präsidenten, welcher als gewichtiger Agenda-Bilder angesehen werden muss: Zum einen steht der Präsident schon auf Grund seiner Person im Mittelpunkt der Massenmedien und zum anderen hat er die Möglichkeit, die Berichterstattung durch Pressekonferenzen oder direkte Ansprachen an die Bevölkerung zu beeinflussen. Sein wichtigstes Agenda-Bildung-Potenzial liegt aber nach Gilbert in seiner jährlichen Erklärung zur Regierungspolitik vor dem Kongress („State of the Union Address“). Diese Ansprache wird regelmäßig zur Prime-Time in der Fernsehberichterstattung gesendet und stößt generell auf großes öffentliches Interesse. Der Autor nimmt an, dass der Präsident mit seiner Ansprache vor dem Kongress die darauf folgenden Themen in der Medienberichterstattung beeinflussen kann. Die Hypothese lautet dementsprechend „(...) that the agenda of issues presented by the president in his State of the union address will influence the subsequent agenda of the national press“ (Gilbert 1980, 586). Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde die zweite „State of the Union address“ von Präsident Carter am 18. Januar 1978 inhaltsanalytisch ausgewertet und in acht Themenbereiche (Jobs, Energie, Verteidigung, Frieden, Menschenrechte, Mittlerer Osten, Panama-Kanal, Steuern) eingeteilt. In die Analyse der Medienberichterstattung gingen die Washington Post, die New York Times und die Abendnachrichten der Sender ABC, CBS und NBC ein. Der Zeitraum der Untersuchung erstreckte sich über 8 Wochen und wurde in drei Zeiträume eingeteilt: 28 Tage vor der Rede des Präsidenten, drei Tage davor und danach sowie 28 Tage nach seiner Rede. Die vier Wochen vor der Rede des Präsidenten waren als Kontrollzeitraum gedacht, um einen möglichen Effekt des Präsidenten belegen zu können. Der Zusammenhang der 52 verschiedenen Agenden (Präsident, Washington Post, New York Times, TV-Sender) wurde in einer Linearen-Regression berechnet. Gilbert et al. fanden ihre Hypothese nicht bestätigt. Bei allen Massenmedien war der Zusammenhang zwischen Berichterstattung und Präsidentenrede im ersten Zeitraum, also vor der Rede, größer als nach der Rede. Dieses Ergebnis veranlasste Gilbert dazu, eine neue Hypothese aufzustellen: Nicht der Präsident habe die Massenmedien beeinflusst, sondern die Massenmedien den Präsidenten. Mit Hilfe einer partiellen Korrelation konnten die Autoren tatsächlich belegen, dass nicht der Präsident die nachfolgende Berichterstattung beeinflusst hat, sondern die Medienberichterstattung vorher die Präsidentenrede. Der relativ starke Zusammenhang zwischen der Rede des Präsidenten und der darauf folgenden Berichterstattung stellte sich als eine Scheinkorrelation heraus. Mit anderen Worten: Die Medienberichterstattung vor der Rede hat die Präsidentenrede wie auch die darauf folgende Medienberichterstattung beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen B und C beruhte auf einer gemeinsamen Ursache A (A-----> B -----> C). Wenn diese Variable herausgerechnet wurde, reduzierte sich der Zusammenhang auf Null. Dieses Ergebnis deutete auf einen klaren Policy-Agenda-Setting- Effekt hin. Daneben verdeutlicht diese Studie die Wichtigkeit, komplexere methodische Zugänge anzuwenden und insbesondere ein Untersuchungsdesign mit mehreren Messzeitpunkten zu wählen, weil nur durch die Einbeziehung des Zeitverlaufes eine notwendige - wenn auch nicht hinreichende - Bedingung der Überprüfung von Kausalität zwischen den Agenden, die zeitliche Abfolge von Ursache und Wirkung, gegeben ist. Mit ebenfalls zwei Messzeitpunkten arbeiteten Brewer/McCombs in einer Studie, welche den Einfluss einer Medienkampagne auf die politische Agenda der Stadt San Antonio im Bundesstaat Texas (USA) untersuchte (Brewer/McCombs 1996): Die texanische Tageszeitung „The San Antonio Light“ startete am ersten Sonntag des Jahres 1992 eine einjährige Medienkampagne unter dem Titel „The Light`s 1992 - For the Children“, in welcher auf die Probleme der nachfolgenden Generationen hingewiesen werden sollte. Über das gesamte Jahr 1992 wurden insgesamt ganze 2669 Artikel zu zehn Problembereichen - Armut, Gesundheit, Bildung, Kinderfürsorge, junge Mütter, sexueller Missbrauch/Verwahrlosung/Drogen/Gewalt und die zukünftige Arbeitswelt - im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Angesichts dieser enormen Medienkampagne interessierten sich die Autoren für die Frage, ob und wenn ja, in welcher Form Resonanz auf der staatlichen Agenda der Hauptstadt von Texas „San Antonio“ ausgelöst wurde. Neben einem Policy-Agenda-Setting-Effekt untersuchten die Autoren auch die Frage, ob sich ein Effekt auf der Ebene von spezifischen Subthemen nachweisen lässt. Wie die Inhaltsanalyse ergab, fokussierten die Journalisten in der Berichterstattung die Subthemen Bildung und Kriminalität. Fast 40 Prozent der Artikel der gesamten Berichterstattung beschäftigten sich mit diesen beiden Themen. Wie die Analyse der Haushaltsmittel des Staates Texas zeigte, wurden für den Bereich „Kinder und Jugendliche“ 1992-1993 fast 6 Millionen Dollar mehr ausgegeben als in dem Haushaltsjahr 1990-1991. Es wurde nicht nur generell mehr Geld in diesem Bereich ausgegeben, sondern die Ausgabenstruktur spiegelte in etwa die Unterthemen der Berichterstattung wieder: In den beiden Themenbereichen, welche 40 Prozent der Berichterstattung eingenommen haben - Bildung und Gewaltkriminalität - war auch der größte Haushaltszuwachs zu verzeichnen. Neben einem Policy-Agenda-Setting-Effekt verwiesen die Autoren damit auf einen Einfluss 53 von Subthemen auf die staatliche Agenda, also das, was im Kapitel 4.1. dieser Arbeit als „Second-level“ des Agenda-Setting bezeichnet wurde. Methodisch sind die letztgenannten Studien ein Fortschritt, weil sie mehrere Messzeitpunkte in die Analyse einführen und damit vom statischen zum dynamischen Modell übergehen. Mit solchem Design lässt sich ansatzweise die Einflussrichtung spezifizieren. Allerdings ist die zeitliche Abfolge von Ursache und Wirkung lediglich eine notwendige, allerdings keine hinreichende Bedingung von Kausalität: Um gerichtet Zusammenhangshypothesen zu formulieren und zu testen, muss das entsprechend statistische Verfahren angewendet werden, denn auch die Einbeziehung des Zeitverlaufs, die in den letzten Studien durch wiederholte Messungen in aufeinander folgenden Jahren umgesetzt worden ist, führt allein zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Das Problem einer solchen dynamischen Analyse ist, dass der kumulative Effekt einer Agenda auf sich selbst nicht berechnet wird. Zum Beispiel auf die Berichterstattung bezogen, heißt das: Die aktuelle Berichterstattung zu einem Problem kann zu weiterer Berichterstattung führen. Liegen solche Wirkungen vor, lässt sich die Berichterstattung zum Zeitpunkt t nicht als Funktion der Medienberichterstattung zum Zeitpunkt t-1 darstellen. Solche Effekte können durch die Nutzung multivariater Analyseverfahren einigermaßen kontrolliert werden, zum Beispiel mit der Anwendung von multiplen Regressionsanalysen. Mit einem solchen Analyseverfahren arbeiten Pritchard/Berkowitz (Pritchard/Berkowitz 1993). Nach der Durchsicht einer Reihe von Studien zum Policy-Agenda-Setting-Effekt verweisen die Autoren auf eine unterschiedliche Operationalisierung der politischen Agenda in der Forschung. Einige Arbeiten benutzen die Äußerungen der politischen Akteure zur Operationalisierung, etwa Reden oder Wahlprogramme, andere Studien die Umschichtung von Haushaltsmitteln. Im Rückgriff auf Edelmann (1977) führen die Autoren eine neue Differenzierung in die Policy-Agenda-Setting-Forschung ein (Edelmann 1977). Die politischen Akteure führen offensichtlich zwei Agenden: Erstens: die symbolische Agenda, welche aus einer Liste von Problemen besteht, die rhetorisch behandelt werden, aber keine Auswirkung auf den politischen Entscheidungsprozess haben. Zweitens: die Ressourcen-Agenda, die aus einer Liste von Problemen besteht, welche ernsthaft behandelt werden, und zu einer Allokation von Ressourcen führt. Diese beiden Agenden gehorchen unterschiedlichen Imperativen. Probleme, die hoch auf der symbolischen Agenda stehen, müssen keine Auswirkung auf die Ressourcen-Agenda haben und die Ressourcen-Agenda muss keine Konsequenz für die symbolische Agenda haben. Die Hypothese der Autoren ist, dass die symbolische Agenda sehr viel offener für Einflüsse der Berichterstattung ist als die materielle Agenda und daher viele Studien einen Effekt der massenmedialen Berichterstattung auf die politische Agenda belegen können. Im weiteren Verlauf versuchen die Autoren anhand des Fallbeispiels „Kriminalität“ auch Einflüsse der Berichterstattung und der öffentlichen Meinung auf die Ressourcen-Agenda verschiedener Städte zu belegen. Die Untersuchung umfasst 31 Jahre und bezieht sich auf sieben Städte in den USA (Atlanta, Boston, Houston, Minneapolis, Philadelphia, Phoenix und San Jose). Erhoben wurden die offizielle Kriminalitätsrate, die öffentliche Meinung, die Medienberichterstattung sowie der Haushalt für den genannten Politikbereich in den jeweiligen Städten. Dabei arbeiteten die Autoren methodisch mit Regressionsanalysen unter Annahme von Granger-Kausalität. Diese besagt, dass eine Zeitreihe (x) autokorreliert ist, das heißt, es lässt sich der jeweilige Zeitpunkt t der Reihe aus den bisherigen Zuständen (t-1...t-n) durch eine lineare Regression 54 vorhersagen. Wird eine zweite Zeitreihe (y) in die Analyse einbezogen, von welcher angenommen wird, dass sie die erste beeinflusst und lässt sich durch eine Regression der beiden Zeitreihen zusätzlich Varianz der ersten Zeitreihe erklären, dann ist x kausal zu y (vgl. umfassend Kapitel 7.4 dieser Arbeit). Mit Hilfe dieser multivariaten Zeitreihenanalyse unter Anwendung von multiplen Regressionsanalysen auf die Zeitreihen konnten die Autoren in nur zwei Städten - Atlanta und San Jose - einen Einfluss der Berichterstattung und der öffentlichen Meinung auf die entsprechenden Haushaltsansätze belegen. In fünf Städten - Atlanta, Boston, Houston, Philadelphia und Phoenix - war der vorhergehende Haushaltsansatz ein guter Prediktor für den nachfolgenden Haushalt. Mit Hilfe der lokalen Kriminalitätsrate ließen sich in vier Städten - Minneapolis, Atlanta, Boston, und Phönix - die Haushaltsmittel für den Bereich „innere Sicherheit“ gut vorhersagen. Die Wahrnehmung des Themas Kriminalität in der Bevölkerung hatte nur sehr wenig mit den politischen Entscheidungen zu tun. Abschließend resümierten die Autoren, dass konkretes politisches Handeln (in diesem Fall die Erhöhung der Haushaltsmittel) nur im geringen Maße von den Medien bzw. der öffentlichen Meinung beeinflusst wird. Allerdings vermuteten die Autoren, dass symbolisches Handeln - Pressekonferenzen, Kampagnen zur Aufklärung usw. - deutlich offener sind für Medieneinflüsse. Die Studie verweist aber auf die Notwendigkeit, über den ursprünglichen Policy-Agenda-Setting-Ansatz hinauszugehen und danach zu fragen, ob sich aus der Medienberichterstattung bestimmte Handlungskonsequenzen für die politischen Akteure ergeben. Vor allem scheint die Differenzierung zwischen symbolischer Agenda und tatsächlicher Problembewältigung durch die politischen Akteure ein vielversprechender Ansatz zu sein. Allerdings ist dazu ein komplexeres, methodisches Design als das hier vorliegende notwendig, denn um zu vergleichenden Aussagen zu kommen, müssten sowohl die symbolische als auch die materielle Agenda in einer Studie erhoben werden. In Bezug auf die Methode wurde angemerkt, dass die Überprüfung von Kausalzusammenhängen zwischen Zeitreihen mittels Regressionsanalysen unter Annahme der Granger-Kausalität zu progressiven Schätzungen führt (Kirchgässner 1983). Statistisch ausgedrückt: Die Nullhypothese wird eher angenommen als abgelehnt (vgl. ausführlich dazu Kapitel 8.2). Im Gegensatz dazu produziert das Verfahren der Zeitreihenanalyse mittels multivariater ARIMA-Modelle konservative Schätzungen für Kausalzusammenhänge (Kirchgässner 1983, Thome 1988). Welches Verfahren eher geeignet ist, um kausale Zusammenhänge zu prüfen, ist nach wie vor umstritten. Allerdings determiniert die Methodenwahl offensichtlich, ob ein signifikantes Ergebnis vorliegt oder nicht (Eichhorn 1996, 60). Die folgende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen Zeitreihen mittels Anwendung von Transferfunktionsanalysen in ARIMA-Modellen und liefert also konservative Schätzungen der Ergebnisse (Box/Jenkins 1976). Mit einem solchen Verfahren untersuchte Gonzenbach (1992) die Einflussbeziehungen der Agenden des Präsidenten, der öffentlichen Meinung und der Medienberichterstattung beim Thematisierungsprozess des „Drogenproblems“ von Juli 1984 bis Dezember 1990 (Gonzenbach 1992). Dazu bildete der Autor Zeitreihen für die genannten Agenden, welche auf Monatsbasis aggregiert wurden und unterzieht diese einer Zeitreihenanalyse, die zunächst eine univariate Beschreibung der Entwicklungsdynamik durch die Anpassung eines ARIMA-Modells umfasste (vgl. zum Verfahren ausführlich Kapitel 8.2). Rückschlüsse über Zusammenhänge wurden durch Kreuzkorrelationen zwischen den 55 Residuen der Zeitreihen gezogen. Gonzenbach fand dabei Hinweise auf eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung für das Drogenproblem durch die Medienberichterstattung, aber auch eine längerfristige Rückkopplung. Die Medienberichterstattung beeinflusste die öffentliche Meinung bei diesem Thematisierungsprozess zum Zeitpunkt null (B =.45), nach einem Monat (B =.24). Auf der anderen Seite orientierten sich die Journalisten offensichtlich an der Bevölkerungsmeinung. Die öffentliche Meinung beeinflusste die Berichterstattung nach vier Monaten (B =.33). Ein ähnliches Verhältnis bestand zwischen der Beachtung, die das Thema beim Präsidenten und in der Bevölkerung fand. Die öffentliche Meinung folgte dem PR-Material des Präsidenten nach einem Monat (B=.31). Dieser wurde aber wiederum von der öffentlichen Meinung nach 5 Monaten (B=.38) beeinflusst. Der Präsident wurde auch von der Presseberichterstattung nach null (B=.25), einem (B=.34) und fünf Monaten (B =.29) beeinflusst. Die Daten deuteten also darauf hin, dass die Presse für den Präsidenten als Meinungsführer fungierte. Gonzenbach folgerte daraus: „The results indicated that the president picked up the agenda of the press, thus suggesting that the presidential issue focus may be driven by political responsiveness and that he collaborated, intentionally or not, with the media to heighten public concern for the drug agenda“ (Gonzenbach 1992, 143). Die politischen Aktivitäten im symbolischen Bereich wurden also durch die Bevölkerungs- und die Medienagenda angestoßen. In seinem Fazit kritisiert Gonzenbach die Annahme eines einfachen, von den Medien zur Bevölkerung und den politischen Entscheidungsträger gerichteten Wirkungsmodells: Politischer Agenda- Bildungs-Prozess über die Massenmedien stellt sich als ein hoch komplexer Vorgang dar, in welchem zwischen den Agenden der beteiligten Akteure im Zeitverlauf vielfältige dynamische Feedback-Effekte zu erwarten sind. Die Massenmedien beeinflussen die Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger, welche schnell symbolisch reagieren, was wiederum von der Berichterstattung aufgegriffen wird, woran sich weitere Reaktionen in Bezug auf die Bevölkerungsagenda und politischer Agenda - etwa eine materiellen Politikveränderung - anschließen können. Generell, so der Autor, sind zwischen den Agenden, also im Zeitverlauf, dynamische Feedback-Effekte zu erwarten, welche nur mit entsprechenden Methoden zu erforschen sind. Wanta/Foote (1994) untersuchten solche dynamischen Feedback-Effekte zwischen den Themenprioritäten des amerikanischen Präsidenten und den Themenschwerpunkten in der massenmedialen Berichterstattung anhand von 16 verschiedenen Themen. Neben den dynamischen Zusammenhängen interessieren sich die Autoren für die Frage, ob der Policy- Agenda-Setting-Effekt der massenmedialen Berichterstattung möglicherweise von dem entsprechenden Konfliktpotenzial eines Themas abhängt (vgl. Kapitel 4.1 Agenda-Setting). Dazu greifen die Autoren - ohne darauf explizit zu verweisen - offenbar auf die Unterscheidung zwischen „valence issue“ und „position issue“ aus der Wahlforschung zurück (Nelson 1984, 27). „Valence issues“ zeichnen sich durch einen Konflikt über die Mittel aus. Über das Ziel besteht in der Gesellschaft allgemein ein Konsens. So wird man davon ausgehen können, dass die Kriminalitätsrate generell niedrig gehalten, die Umwelt geschützt, die Bildung verbessert und die Armut beseitigt werden soll. Strittig an solchen Themen ist nur, mit welchen Mitteln die Probleme gelöst werden sollen. Bei „position issues“ hingegen ist die Zielsetzung umstritten, daher sind sie höchst brisant und kontrovers. Zu diesen Kategorien von Themen zählen die Autoren etwa Abtreibung, Waffenkontrolle, Patriotismus etc. Entsprechend definieren Wanta & Foote „soziale 56 Probleme“ als Konflikt über die Mittel der Problembearbeitung. Bei „sozialen Streitthemen“ hingegen ist die Zielsetzung in der Gesellschaft höchst umstritten. Die Autoren vermuten, dass „soziale Probleme“ eher auf die Agenda des Präsidenten aufgenommen werden, weil sie in ihrer Zielsetzung nicht umstritten sind. Hingegen wird es der Präsident vermeiden, Themen aus der Kategorie „soziale Streitthemen“ auf seine Agenda zu setzen, weil bei solchen Themen größere gesellschaftliche Konflikte zu erwarten sind. Die Untersuchung erstreckte sich vom 21. Januar 1989 bis zum 1. August 1990, umfasste also 80 Wochen. Mit Hilfe von multivariaten ARIMA-Modellen (Transferfunktionsmodelle) konnten die Autoren für 10 von den 16 Themen Zusammenhänge zwischen den Agenden spezifizieren: Bei zwei Subthemen „Internationale Krisen“ und „Patriotismus“ schien der Präsident das Thema eher auf die Medienagenda zu setzen. Hingegen verwiesen die Daten bei den Themen „Ost-West-Beziehungen“, „Kriminalität“ und „Drogen“ auf einen Policy-Agenda-Setting-Effekt der massenmedialen Berichterstattung auf den Präsidenten. Bei den Themen „Wachstum“ und „Arbeitslosigkeit“ zeigten sich wechselseitige Einflussbeziehungen zwischen der Medien- und Präsidentenagenda. Einerseits beeinflusste die Berichterstattung die Verlautbarung des Präsidenten, anderseits hatten diese einen Einfluss auf die Berichterstattung. Die Daten deuteten auf einen komplexen Agenda-Bildungs-Prozess zwischen dem Präsidenten und der Medienberichterstattung hin. Insgesamt beeinflussten sich in 7 der 10 Fälle, in welchen statistisch signifikante Ergebnisse vorlagen, die Agenden zum Zeitpunkt null entweder bei einem Time-Lag von einer Woche oder von zwei Wochen. Mit anderen Worten, die Berichterstattung und der Präsident beeinflussten sich oft zum gleichen Zeitpunkt. Entweder hatte der Präsident einen unmittelbaren Einfluss auf die Berichterstattung oder umgekehrt. Insofern ist bei den meisten Themen von wechselseitigen Einflüssen auszugehen, welche möglicherweise in unterschiedlichen zeitlichen Abschnitten eines Thematisierungsprozesses unterschiedlich gelagert sind. Im Bezug auf die Ausgangsfrage verwiesen die Autoren darauf, dass der Präsident offensichtlich auf die massenmediale Berichterstattung, welche „soziale Konflikte“ aufgriff, nicht reagierte. Hingegen schien eine verstärkte Berichterstattung zu sozialen Problemen - in den hier untersuchten Fällen Kriminalität/Drogen und Umwelt - den Präsidenten zu bewegen, diese Themen auf die Tagesordnung zu setzen (Wanta/Foote 1994, 446). Zusammenfassend ist die Relevanz dieses Forschungszweiges für die vorliegende Arbeit offensichtlich. Folgt man der Policy-Agenda-Setting-Hypothese, so hat die massenmediale Berichterstattung unter Umständen einen direkten Einfluss auf die Problemwahrnehmung der Akteure des politischen Systems. Allerdings steht die Forschungslage zum Policy- Agenda-Setting noch am Anfang. Dies betrifft insbesondere den deutschsprachigen Raum. Es gibt in der Bundesrepublik lediglich zwei Studien zu diesen Themen. In diesen Studien fallen erstens die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus und zweitens sind sie methodisch sehr einfach gehalten. Im amerikanischen Raum sind die Resultate ebenfalls sehr widersprüchlich; vielfach hängen die signifikanten Ergebnisse vom methodischen Design sowie von den Erhebungs- und Auswertungsmethoden ab. Was die statistischen Auswertungsmethoden angeht, hat sich die Forschung, auch auf Grund der Adaption aus dem Forschungsfeld „Agenda-Setting“, kontinuierlich weiterentwickelt. Wurden am Anfang noch vereinfachte statistische Auswertungsverfahren gewählt, die nur wenig Kausal-Interpretationen zulassen, so ist mit dem unterschiedlichen Verfahren der 57 Zeitreihenanalyse - hinter denen sehr ausgereifte, komplexe statistische-Modelle stehen - ein statistisches Verfahren gegeben, welches den Test von Kausalhypothesen zulässt. Mit den Resultaten aus solchen Verfahren lassen sich aus der Analyse der Literatur zum Policy- Agenda-Setting für die vorliegende Arbeit zwei Schlussfolgerungen ziehen: Die Medienagenda scheint einen direkten, manchmal einen starken Einfluss auf die politische Agenda der Entscheidungsträger zu haben und in einigen Fällen auch auf die Umsetzung in konkretes, politisches Handeln - dies sowohl im Hinblick auf bestimmte Probleme als auch in Bezug auf bestimmte Attributionen. Die politische Agenda scheint einen direkten, manchmal starken Einfluss auf die Themen und Attribute der Medienagenda zu haben (auch Rogers/Dearing 1988, 579). Einerseits benutzen die Akteure des politischen Systems die massenmediale Berichterstattung, um sich ein Bild von den Themenprioritäten der Öffentlichkeit zu machen, anderseits beobachten die Massenmedien die Themenprioritäten auf der politischen Agenda, um ihrem Informationsauftrag gerecht zu werden. Außerdem versuchen die politischen Akteure ihre Themenprioritäten und ihre Problemdefinitionen in die massenmediale Berichterstattung zu lancieren. Generell ist also von wechselseitigen Einflussbeziehungen auszugehen, welche vermutlich im Hinblick auf bestimmte Themen, Politikfelder und Akteure variieren werden. Gerichtete Effekte sind insofern nur in bestimmten Teilphasen eines dynamischen Thematisierungsprozesses zu erwarten. Sollen in so einem Prozess der wechselseitigen Beeinflussung echte Medieneffekte - und damit die Rolle der publizistischen Massenmedien bei der Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger - spezifiziert werden, so müsste zunächst die Aufmerksamkeit für ein Problem und bestimmte Attribute auf der Medienagenda ansteigen, dann auf der politischen Agenda und darauf folgend wiederum auf der Medienagenda. Hinsichtlich der konzeptionellen Anlage der Forschungen empfiehlt es sich, wie auch bei der Forschung zur Agenda-Setting-Hypothese, aus inhaltlichen Gründen zwischen „individual“ und „sozialem“ Policy-Agenda-Setting zu unterscheiden. Beide Konzepte sollten wiederum in unterschiedlichen theoretischen Konzepten verankert werden. Da bei dem erstgenannten die Kognition politischer Akteure in Parteien, Parlament und Regierung im Mittelpunkt steht, würde sich die Forschung zu den „Belief systems“ der politischen Elite anbieten (Converse 1964, 207; Vowe 1994). Das zweitgenannte Konzept sollte im Rahmen von meso- und makrotheoretischen Überlegungen behandelt werden. Die korporativen Akteure des politischen Systems richten ihre Themenprioritäten danach aus, welche Themen in den Massenmedien am häufigsten diskutiert werden. Wie bereits hinreichend erläutert, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, welchen Einfluss massenmediale Kommunikation auf die Problemwahrnehmung des politischen Systems hat. Dabei stehen nicht mehr die Kognitionen politischer Akteure - bei denen noch durchaus offen ist, ob sie sich in politischen Handlungen sedimentieren - im Blickpunkt des Interesses, sondern institutionelle Entscheidungsstrukturen und die Handlungen in diesen Strukturen. Untersucht man gesellschaftspolitische Prozesse, sind diese Fragen sicher wichtiger als diejenigen der individuellen Wirkung. Dies führt allerdings zu weitreichenden Konsequenzen: „The major difference is that policy-agenda-setting is essentially a behavioral, rather than a cognitive, process, what matters is not what policymakers think about given issues, but rather what they actually do with respect to those issues“ (Pritchard 1992, 108). Des Weiteren sollte in der zukünftigen Forschung sicherlich unterschieden werden, mit welcher Ernsthaftigkeit die Entscheidungsträger die „Probleme“ in den 58 Institutionen behandeln, also die Frage nach den Handlungskonsequenzen: Die Akteure des politischen Systems können auf die Themenprioritäten der massenmedialen Berichterstattung entweder mit kurzfristigen Aktionen, in Form von symbolischer Politik reagieren, oder in Form von materieller Politikgestaltung. In diesem Zusammenhang differenziert Pritchard das Konzept der Policy-Agenda in symbolische Agenda und materielle Agenda. Die symbolische Agenda, wie z. B. die Regierungserklärung oder eine Pressemitteilung, besteht aus einer Liste von Problemen, die beachtet werden, aber nicht unbedingt zu einer politischen Entscheidung im Sinne einer substanziellen Politik führen müssen. Hingegen besteht die materielle Agenda, z. B. der Haushalt oder das Gesetzesblatt, aus einer Liste von Problemen, über die eine ernsthafte materielle Entscheidung gefällt wird. Es ist anzunehmen, dass die materielle Agenda sehr viel resistenter gegenüber Medieneinflüssen ist als die symbolische Agenda. Insofern ist diese Unterscheidung im Hinblick auf die weitere Forschung sicherlich zu beachten. Als weiteren Aspekt gilt es noch, die zweite Ebene des Policy-Agenda-Setting anzusprechen; analog zur Forschung zur Agenda-Setting-Hypothese verweisen die dargestellten Studien auf einen „Second-level“ Policy-Agenda-Setting-Effekt der massenmedialen Berichterstattung auf die politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung (vgl. Kapitel 4.1 Agenda-Setting). Folgt man diesen noch sehr vagen Ergebnissen, müssten die Massenmedien, unter näher zu spezifizierenden Umständen, nicht nur Themenprioritäten bei den politischen Eliten determinieren, sondern, indem sie das Problem mit weiteren Attributen verbinden, auch die Richtung, aus der das Thema betrachtet wird. In der massenmedialen Berichterstattung werden bestimmte Unterthemen und Aspekte einer themeninternen Relevanzstruktur bezüglich der Ursachen, Verursacher, Lösungen und politischer Zuständigkeit akzentuiert. Diese Hervorhebung von Unterthemen bzw. die Akzentuierung von Attributen verweist auf bestimmte Interpretationen und Deutungsmuster und damit auf den Sachverhalt, der unter dem Stichwort „Framing“ oben behandelt wurde. Die publizistischen Massenmedien geben dann im Sinne des Framing- Ansatzes einen spezifischen Interpretationsrahmen für politische Issues und konkrete Policy-Optionen vor, die von den Akteuren im politischen Entscheidungssystem zur Begründung ihres Handelns herangezogen werden. Die Massenmedien lenken dann die Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Probleme, die im Hinblick auf deren Ursachen, Verursacher, Lösung und politischer Zuständigkeit behandelt werden. Würden sich solche Effekte der massenmedialen Kommunikation auf die politischen Entscheidungsträger zeigen, so würden die Massenmedien nicht nur die Problemwahrnehmung, sondern auch bestimmte Problemdeutungen vorgeben, welche natürlich Konsequenzen für die entsprechende Problembearbeitung des politischen Systems hätte. In diesem Abschnitt wurde erörtert, welche Rückwirkung die Medienberichterstattung auf den Agenda-Bildungs-Prozess im politischen System hat. Im folgenden Abschnitt wird gefragt, welche Rückwirkung die von den publizistischen Massenmedien gesetzte öffentliche Meinung auf die politischen Eliten in Parteien, Regierung und Parlament hat. Die politischen Akteure beobachten die „öffentliche“ Meinung nicht nur anhand der massenmedialen Berichterstattung, sondern selbstverständlich auch anhand demoskopischer Erhebungen. Daher sind von diesen Umfragedaten Reaktionen auf die Themenprioritäten der politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung zu erwarten. 59 4.4 Forschung zum Policy-Agenda-Bildung Der Forschungszweig Policy-Agenda-Bildung beschäftigt sich mit der Frage, welchen Einfluss die „öffentliche Meinung“ auf die politischen Eliten hat. Dass in demokratischen Gesellschaften den Politikpräferenzen der Bevölkerung einen Einfluss auf das Handeln der politischen Elite unterstellt werden kann, ergibt sich aus dem Grundsatz der Herrschaft auf Zeit durch allgemeine, gleiche und freie Wahlen: Um wieder gewählt zu werden und Entscheidungspositionen besetzen zu können, muss die politische Elite bekanntlich die Interessen und Präferenzen der Bürger aufgreifen und in Entscheidungshandeln von Parlament und Regierung transformieren (Sartori 1992). Folgt man der ökonomischen Theorie der Politik, so entstehen politische Inhalte nicht aus dem Streben nach dem Gemeinwohl, sondern vielmehr sind sie ein Instrument der Maximierung von Wählerstimmen, um Entscheidungspositionen besetzen zu können (Downs 1957, 27). Insofern ist zu erwarten, dass die politische Elite schon aus Eigeninteresse die Politikpräferenzen der Bürger aufgreift und sich an diesen orientiert. Daher benötigen die politischen Akteure zur Planung ihrer Kommunikation genauere Informationen über die Meinungen und Präferenzen der Bürger. Zur Beobachtung der öffentlichen Meinung und zu kurzfristigen Veränderungen des Meinungsklimas stützt sich die politische Elite vor allem auch auf Bevölkerungsumfragen. Die Demoskopie nimmt die Themenprioritäten sowie die Einstellung zu Themen in der Bevölkerung wahr und gibt diese an die politischen Akteure in Parteien und Regierung weiter. Die Demoskopie besitzt als Seismograph der öffentlichen Meinung einen festen Platz bei den politischen Akteuren. Umfragen sind bei den meisten politischen Akteuren inzwischen ein selbstverständliches Element der politischen Kommunikation geworden (Radunski 1980). Allerdings gibt es in Deutschland wenig Studien zu der Frage, wie die Ergebnisse der Meinungsumfragen auf politische Akteure als die wichtigsten Auftraggeber und Rezipienten von Meinungsumfragen zurückwirkt. Trotz der wachsenden Zentralität demoskopischer Daten im Raum politischer Auseinandersetzung, ist über tatsächliche Wahrnehmungen und Nutzungsmuster wenig bekannt. Die zunehmende Bedeutung der Markt- und Meinungsforschung in Deutschland lässt sich mit Hilfe zweier Entwicklungen verdeutlichen. Erstens ist die Branche der Markt- und Meinungsforschung seit der Gründung der BRD kontinuierlich gewachsen. Als Indikator sollen nachfolgend die Zahl der Unternehmen in der Branche, der Umsatz sowie die festen und freien Mitarbeiter dienen: Gab es 1949 in der Bundesrepublik Deutschland lediglich 9 Institute in dieser Branche, so lagen sie 1959 bei 23, 1969 bei 48, 1979 bei 87, 1989 bereits bei 157 und 1996 schließlich bei 239 (Wack 1998). Zweitens lassen sich diese Befunde durch eine weitere Analyse noch erhärten. Ein weiterer guter Indikator hierfür ist der Stellenwert, den das Bundespresseamt regelmäßigen Umfragen zumisst. Seit 1983 haben sich die Ausgaben für demoskopische Umfragen fast verfünffacht: von 1.365.000 DM im Jahre 1983 auf 6.000.000 DM im Jahre 1995 (Gellner 1996, 176). Auch die oben bereits erwähnte Untersuchung der Öffentlichkeitsabteilungen von Regierungsapparat und Parlamentsfraktion von Fuchs und Pfetsch verdeutlicht, dass die politischen Akteure die öffentliche Meinung anhand von Umfragen ermitteln: So gaben fast alle der Befragten an, 60 dass die demoskopischen Erhebungen im Regierungssystem zur Ermittlung der öffentlichen Meinung tatsächlich angewendet werden (Fuchs/Pfetsch 1996, 125). Dass sich die politischen Akteure in ihren Handlungen tatsächlich an der öffentlichen Meinung orientieren, zeigen auch Untersuchungen zur „Responsivität“ parlamentarischer Institutionen. Für den Deutschen Bundestag hat Brettschneider (1995) eine Studie vorgelegt, welche die „Responsivität“ dieser Institution gegenüber der „öffentlichen Meinung“ zwischen 1949 und 1990 untersucht (Brettschneider 1995). Im Vordergrund der Untersuchung steht die Frage, inwieweit das parlamentarische Handeln von Fraktion, Abgeordneten und Regierungen bei politischen Sachfragen mit den Bevölkerungspräferenzen übereinstimmt. Dazu korreliert der Autor Einstellungsfragen aus repräsentativen Bevölkerungsumfragen mit Aggregatdaten parlamentarischer Handlungen zu politischen Sachfragen im Parlament für den Zeitraum von 1949 bis 1990. Die Untersuchung konnte eine wechselseitige Beeinflussung von parlamentarischem Handeln und öffentlicher Meinung feststellen (Brettschneider 1995, 203f): 58,3 Prozent der parlamentarischen Handlungen verhalten sich kongruent zur Einstellung der Bürger in diesen politischen Sachfragen. In 59,3 Prozent von 91 Fällen, in welchen ein Meinungswandel zu beobachten ist, gab es mehr kongruente als inkongruente parlamentarische Handlungen im deutschen Bundestag. In 26,4 Prozent der Fälle befinden sich sogar alle parlamentarischen Handlungen in Übereinstimmung mit der Richtung des Meinungswandels. Sieht man den Durchschnitt aller Fälle, so stimmen 54,4 Prozent der parlamentarischen Handlungen mit dem Meinungswandel der Bevölkerung überein. Zum Entscheidungszeitpunkt stimmen sogar 69 Prozent der parlamentarischen Handlungen mit der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung überein. Insgesamt betrachtet, reagieren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nachweislich hoch signifikant auf die „öffentliche Meinung“. Brettschneider sieht die Demokratie theoretisch geforderte Responsivitätsvermutung bestätigt (Brettschneider 1995, 203f). Brettschneider, welcher jüngst den Stand der amerikanischen, empirischen Forschung zum Thema Responsivität systematisch aufgearbeitet hat, hält folgende zentrale Ergebnisse fest (Brettschneider 1995, 96f.): • Alles in allem betrachtet, besteht ein substantieller Nexus zwischen öffentlicher Meinung sowie politischen Handlungen und ihren materiellen Ergebnissen in verschiedenen parlamentarischen Institutionen. • Der Grad der Responsivität variiert mit der Wichtigkeit eines Themas für die Bevölkerung. Die Übereinstimmung von öffentlicher Meinung und politischen Handlungen ist in der Regel dann am größten, wenn es sich um ein bedeutendes Thema handelt. • Den Politikern fällt die Wahrnehmung der Bevölkerungspräferenzen einfacher, wenn diese apodiktisch ist, d. h. wenn es sich um vergleichsweise große Mehrheiten für oder gegen eine bestimmte politische Maßnahme handelt. • Bei redistributiven Themen ist die Responsivität niedriger als bei nicht-redistributiven Themen. Er führt dies auf den Einfluss von Interessenverbänden zurück. Die Regierungszusammensetzung wirkt sich vor allem hinsichtlich redistributiver Themen aus. Bei ihnen verhalten sich sozialdemokratisch geführte Regierungen responsiver als konservative Regierungen. • Abgeordnete verhalten sich um so responsiver, je näher ihr Wahltermin rückt. 61 • Studien mit dynamischen Design zeigen, dass sich häufig erst die öffentliche Meinung und dann die Politik verändert. Aber Politiker formen auch Bevölkerungspräferenzen und politische Handlungen rufen Reaktionen der Bevölkerung hervor Zusammenfassend zeigen empirische Befunde zur „Responsivität“ parlamentarischer Institutionen in Amerika, dass sich die politischen Akteure tatsächlich in ihren Handlungen an der durch demoskopische Umfragen ermittelten „öffentlichen Meinung“ orientieren. Dabei verwendet die Responsivitätsforschung Einstellungsfragen zu bestimmten policy in der Bevölkerung und korreliert diese mit Handlungen in den parlamentarischen Institutionen bezüglich derselben Sachfragen. Wenn man nach der Entwicklung von Meinungen zu politischen Sachfragen in Parlament und Bevölkerung fragt, drängt sich die Frage nach den Bestimmungsgründen - also die Frage nach den Ursprüngen der Probleme - der politischen Agenda-Gestaltung unmittelbar auf. Bevor sich Einstellungen zu einem Thema bilden können, muss dieses selbstverständlich in der Bevölkerung verfügbar sein und als wichtig angesehen werden. In diesem Zusammenhang verweist die Agenda- Forschung auf einen Agenda- und Policy-Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien. Die Agenda-Forschung unterscheidet sich von der Responsivitätsforschung insbesondere dadurch, dass nicht Einstellungsfragen ausgewertet werden, sondern Einschätzungsfragen zu der Wichtigkeit einzelner Issues oder Fragen nach dem Kenntnisstand derselben. Gerade wenn, wie Brettschneider darlegt, die Responsivität am größten ist, wenn es sich um für wichtig gehaltene Themen handelt, dann ist anzunehmen, dass gerade bei solchen Themen zunächst Agenda- und Policy-Agenda-Setting-Prozesse verlaufen. Empirische Evidenz erhält diese These in Deutschland beispielsweise durch die Umfrage von Fuchs & Pfetsch, in der fast 70 Prozent der Befragten sagten, sie würden unter „öffentlicher Meinung“ nicht eine Meinungskonsonanz verstehen, sondern jede Meinungsverteilungen zu einem Thema (Fuchs/Pfetsch 1996, 123). Mithin Themen beachten, die nicht eine Mehrheitsmeinung, sondern viel mehr einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit beanspruchen. Auch die Agenda-Forschung kann einen Zusammenhang zwischen den Themenprioritäten auf der Bevölkerungsagenda und der politischen Agenda belegen, wie die oben bereits behandelten Studien belegen: So beschreibt Gonzenbach die Beziehung zwischen öffentlicher Meinung und den amerikanischen Präsidenten bei dem Thematisierungsprozess „Drogenproblem“ als zweiseitig. Einerseits kann der Präsident mit seinen öffentlichen Äußerungen eine größere Resonanz auf den Themenhaushalt der „öffentlichen Meinung“ ausüben; andererseits gibt es auch einen Effekt der öffentlichen Meinung, übermittelt durch die Demoskopie, auf die Themenpriorität des Präsidenten (Gonzenbach 1992, 141, ausführlich in dem Kapitel 4.3 Policy-Agenda-Setting). Ebenfalls einen Effekt der Themenprioritäten in der Bevölkerung auf die Politikprioritäten im Haushaltsansatz der Städte Atlanta und San Jose belegten Pritchard/Berkowitz anhand des Themas „Kriminalität“ (Pritchard/Berkowitz, 1993). Zusammenfassend ist auch in der amerikanischen Forschung das Verhältnis zwischen den, durch Umfragen ermittelten, Themenprioritäten der Bevölkerung und den Politikpräferenzen der politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung relativ unerforscht. Allerdings verweisen Studien aus der Responsivitätsforschung auf einen Zusammenhang zwischen der öffentlichen Meinung - verstanden als Einstellung zu politischen Sachfragen - und der Behandlung von politischen Sachfragen (Policies) in vielfältige parlamentarische Institutionen. Insofern ist auch ein Zusammenhang zwischen 62 Policy-Prioritäten in der Bevölkerung und den Politikpräferenzen unterschiedlicher politischer Akteure zu erwarten. 4.5 Zusammenfassung der Agenda-Forschung Die Kommunikationswissenschaftliche Agenda-Forschung wurde unter der Fragestellung behandelt, welchen Einfluss die massenmediale Kommunikation auf die Problemwahrnehmung der Gesellschaft im Allgemeinen und auf die Akteure des politischen Systems im Besonderen hat. Ziel war es, einen ersten Bezugsrahmen für eine spätere Modellbildung zu erarbeiten, welche die Funktion der publizistischen Massenmedien beim Agenda-Bildungs-Prozess des politischen Systems beleuchtet. Der „Ertrag“ dieses Forschungszweiges soll als Fundament angesehen werden, um im nachfolgenden Teil der Arbeit diese Überlegungen mit der Forschung zur politischen Agenda-Bildung und zur Genese von sozialen Problemen zu verbinden, von denen sich weitere Aufklärung im Hinblick auf die Funktion der publizistischen Massenmedien bei der Problemwahrnehmung der Akteure im politischen Entscheidungszentrum erwarten lässt, weil diese Ansätze die Frage in den Mittelpunkt rücken, über welche „Transformationsmedien“ sich der Austausch von neuen Problemen und Problemlösungen zwischen Gesellschaft und Politik vollzieht und welche Auswirkung diese Kommunikationsprozesse auf die Problemwahrnehmung und Agenda-Gestaltung des politischen Systems haben. Fragt man nach solchen Transformationsmedien, dann ist in moderneren Gesellschaften auch an die Massenmedien zu denken. Die zentralen Ergebnisse der Agenda-Forschung sollen im Folgenden noch einmal zusammengebracht werden. Dieser Forschungszweig verweist bei (Problem-) Thematisierungsprozessen in der Gesellschaft auf ein Geflecht von Wechselwirkungen zwischen Medien-, öffentlicher und politischer Agenda, welche anhand der folgenden Graphik noch einmal verdeutlicht werden sollen. Abbildung 4.4: Das Modell zur Agenda-Setting-Forschung11 Die dargestellte kommunikationswissenschaftliche Agenda-Forschung beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle der massenmedialen Kommunikation bei der Realitätskonstruktion der Gesellschaft zukommt: Die Konstruktion des Bildes, das sich der 11 Das Schaubild folgt Rogers et al 1988. Medien Agenda persönliche Erfahrung und interpersonale Kommunikation unter Eliten und anderen Individuen öffentliche Agenda Indikatoren aus der Realität für die Bedeutung eines Themas oder Ereignisse auf einer Agenda politische Agenda Gatekeeper, einflußreiche Medien und spektakuläre Ereignisse 63 Einzelne (oder aggregiert die Bevölkerung) von der Wirklichkeit macht, setzt sich aus seiner Primärerfahrung, aus dem Erfahrungsaustausch innerhalb des eigenen Umfeldes, sowie aus einer Sekundärerfahrung, die es dem Einzelnen erlaubt, sich über die begrenzte Welt direkter eigener Kontakte hinaus zu orientieren, zusammen. Bei der Vermittlung dieser Sekundärerfahrung sind vor allem die Massenmedien bedeutsam. Wie die regelmäßigen Umfragen der Massenkommunikationsforschung zum Mediennutzungsverhalten der Bevölkerung zeigen, informieren sich diese über Politik und das Geschehen in modernen Gesellschaften primär über die publizistischen Massenmedien (für Deutschland siehe Berg/Kiefer 1995). Je weniger eigene Erfahrungen man auf einem Gebiet hat, desto mehr wird das „Bild im Kopf“ von der massenmedialen Berichterstattung dominiert. Die Massenmedien tragen demnach zu einem wesentlichen Teil zur Realitätskonstruktion der Individuen (bzw. deren Aggregat Bevölkerung) bei. Grundlage dieses Forschungszweiges bildete zunächst die „Agenda-Setting-Hypothese“, welche einen direkten Zusammenhang zwischen der Themenstruktur der Massenmedien und der Themenwahrnehmung der Bevölkerung postuliert. Die Wirkung der Massenmedien (die Agenda unterschiedlicher Medienorgane bzw. deren Aggregate) liegt demnach nicht in der Veränderung von Meinungen und Einstellungen der Rezipienten, sondern in ihrer Fähigkeit, die Problempräferenzen der breiten Öffentlichkeit zu formen, indem sie durch Häufigkeit und Umfang der Berichterstattung die Rezipienten dazu veranlassen, bestimmte politische Probleme für wichtiger zu halten als andere. Damit schreibt die Agenda-Setting-Hypothese den publizistischen Massenmedien die Fähigkeit zu, einen Einfluss auf die Wirklichkeitskonstruktion der Bevölkerung zu nehmen, weil diese der Rangfolge der hervorgehobenen Themen in der massenmedialen Berichterstattung folgen und diese für wichtig halten. Die Priorität für ein Problem ergibt sich dann nicht aus dem direkten Zugang der Bevölkerung zum Problem, etwa aus der alltäglichen Erfahrung in Familie, Schule und Peer-group etc., sondern aus der Berichterstattung über das Problem. Die Medienrealität spiegelt die Ereignisse in der Welt andererseits nicht in einem „eins zu eins Verhältnis“, sondern die Themen und Problemdefinitionen, welche in den Massenmedien zu beobachten sind, durchlaufen einen spezifischen Selektionsprozess; den aus dem Überfluss an Sachverhalten, die Potenzial zu einem Thema gemacht werden können, muss selektiert werden. Die Definitionen von Realität, wie sie von den Massenmedien angeboten werden, richten sich dabei überwiegend an bestimmten Selektionsmeachnismen aus. Die Nachrichtenselektion ist abhängig von den subjektiven Einstellungen des Journalisten, von den organisatorische Zwängen sowie von Nachrichtenwertfaktoren. Diese Nachrichtenwertfaktoren der Presse reduzieren komplexe Diskussionslagen auf einfache Stereotypen, welche die Ereignisse in der Welt assimilierbar machen. In diesem Prozess der Stereotypisierung ist auf eine doppelte Selektion zu verweisen. Einerseits dominieren Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert, andererseits sind die berichteten Ereignisse zugunsten der Nachrichtenwertfaktoren verzerrt. Dementsprechend ist die Berichterstattung über bestimmte Probleme von Negativismus, d. h. von Konflikten und Kontroversen, geprägt. Darüber hinaus werden Probleme und Problemdefinitionen präferiert, die Aktuelles oder Abruptes in sich bergen, die aufsehenerregende, abweichende Fälle überbetonen und die Folgen dramatisieren, insbesondere wenn sie für das Publikum eine Beeinträchtigung bedeuten könnten. Nachrichtenproduktion ist damit als Konstruktions-Prozess zu verstehen, denn Nachrichten 64 werden durch die beschriebenen Prozesse nicht transformiert und vermittelt, sondern es wird eine Realität unter vielen denkbaren konstruiert. Die Nachrichtenwertforschung richtet das Augenmerk auf die Eigenschaft von Nachrichten. Die Gatekeeper-Forschung hingegen richtet ihren Blick auf den Journalisten. Was sind die Parameter, die diesen „Schleusenwärter“ bestimmen? Zu nennen sind vor allem Rollenanforderung und die individuelle Einstellung des Journalisten. Mit dem zuletzt genannten Faktor beschäftigt sich die Theorie der „Instrumentellen Aktualisierung“. Demnach ist es im Fall publizistischer Konflikte typisch, dass Journalisten die Ereignisse auswählen und hochspielen, die ihrer persönlichen Konfliktsicht entsprechen. Ein weiterer Faktor, der die Nachrichtenauswahl in den Redaktionen beeinflusst, sind die standardisierten Entscheidungs- und Verarbeitungsprogramme der Presseorganisationen. Nachrichtenrohstoffe und Vorprodukte, die gut in diesen Produktionsrhythmus passen, haben eine größere Chance, in die Massenmedien aufgenommen zu werden. Die Thematisierung von Problemen wird aber auch durch die interne Struktur des Mediensystems beeinflusst. Andere Journalisten nutzen andere Presseorgane als Informationsquelle: Dadurch kann ein Thema innerhalb des Pressesystems diffundieren. Dieser Prozess wird als intermediäres Agenda-Setting bezeichnet. Diese relativ stabilen Selektionsmechanismen führen dazu, dass die Bevölkerung und die politischen Akteure eine relativ übereinstimmende Nachrichtenkenntnis haben und gemeinsame Vorstellungen über die zur Zeit wichtigsten Probleme. Generell lassen sich in dem massenmedialen Selektionsprozess zwei Stufen analytisch unterscheiden: • die Thematisierung, bei welcher über die Themen und Subthemen entschieden wird und • die Strukturierung bzw. Fokussierung, bei welcher bestimmte Attribute, etwa eine Ursache, ein Verursacher oder eine Lösungsoption in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt werden. Durch diese Strukturierung wird die soziale Definition des Themas beeinflusst, da die massenmediale Realität die Aufmerksamkeit der Rezipienten (bzw. deren Aggregat Bevölkerung/Politiker) zunächst auf ein Problem und dann auf bestimmte Problemdefinitionen lenkt. Hierdurch wird die Wahrnehmung, Einordnung sowie die Interpretation von Ereignissen und Sachverhalten aus einer bestimmten Perspektive möglich. In diesem Sinne überziehen die Massenmedien Ereignisse und Sachverhalte mit ihrem „Deutungsmuster“. Die Massenmedien konstruieren durch ihre Thematisierungsleistung also eine Realität - und dies in doppelter Hinsicht. Einerseits ist ja bereits jede Selektionsentscheidung eine Interpretation der Wirklichkeit und anderseits werden Sachverhalte mit weiteren Interpretations-„Attributen“ versehen. Publizistische Massenmedien selektieren also nicht nur, sondern sie werden, wie das Bundesverfassungsgericht formuliert, als „Medium und Faktor“ tätig, d. h. sie konstruieren aktiv Medienrealität. Allerdings sind die Medien dabei nicht ganz unabhängig: Externe Akteure versuchen ihre Themen mit ihren Problemdefinitionen in den Massenmedien zu etablieren. Unter den Bedingungen moderner Flächenstaaten betreiben die politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung - schon aus Effektivitäts- wie aus Effizienzgründen - die Kommunikation mit den Bürgern hauptsächlich über die Kanäle der Massenmedien statt über direkte personale Kontakte - beispielsweise via Parteiapparat (bereits McCombs/Shaw 1972, 18). Für die politische Elite sind die Massenmedien zum wichtigsten Bindeglied zu den Bürgern geworden. Aus diesem Grund versuchen die 65 politischen Akteure, ihre Themen und „Problemdefinitionen“ in die Massenmedien zu lancieren (Agenda-Bildung in den Massenmedien). Dabei sind uns zwei Grenzüberschreitungen begegnet: politische Akteure versuchen über ihre Öffentlichkeitsabteilung, Einfluss auf die Redaktionen zu nehmen (Produktionsbedingungen der Massenmedien) und ebenso kann eine Verbindung auf der individuellen Ebene (Gatekeeperansatz) von Bedeutung sein. Beide Verbindungen können dazu führen, dass, wenn ein Problem hoch auf der Tagesordnung eines politischen Akteurs steht, es sich signifikant in der Medienberichterstattung niederschlägt. Empirische Studien können zeigen, dass die Akteure nicht nur die Themen und den Zeitpunkt der Aufnahme auf die Agenda der Massenmedien bestimmen können, sondern dass auch bestimmte Subthemen und Problemdefinitionen der Akteure auf die Tagesordnung der Medien aufgenommen werden. Beim Verhältnis von politischen Akteuren auf der einen Seite und den Massenmedien auf der anderen Seite ist somit von einer Wechselbeziehung auszugehen: Politische Akteure versuchen, die Massenmedien durch geschicktes Ereignismanagement, Themensetzung und andere Maßnahmen zu instrumentalisieren. Die Rolle der Massenmedien wiederum reduziert sich nicht auf die Übermittlungen von Kommunikationsinhalten der politischen Akteure. Massenmedien besitzen die Möglichkeit, durch Selektion und Hervorhebung die Aktivitäten der besagten Akteure zu filtern, d. h. selektiv zu verstärken bzw. abzuschwächen. Dadurch verändern sie die Inhalte und setzen zum Teil neue Inhalte. Medienberichterstattung ist stets ein Gemenge aus Ereignissen, welche den Massenmedien von außen angeboten werden und ihrer spezifischen Eigenleistung in Form von Selektion, und Attributierung. Durch diese genannten Aspekte wird die Konstruktion der Medienagenda ein „kollektives Produkt“ (Eichhorn 1996, 164), an dem sowohl interne als auch externe Akteure beteiligt sind. Ist die Medienagenda gesetzt, hat diese wiederum Auswirkung auf die Bevölkerung und auf die politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung mit ihren jeweiligen Agenden. Gemäß dem „Agenda-“ und „Policy-Agenda-Setting-Ansatz“ wird die Rangordnung der in den Medien behandelten Themen von den politischen Akteuren und der Bevölkerung übernommen. Dabei lassen sich analytisch zwei Ebenen unterscheiden: • die Thematisierung, in der die Medien bestimmen, welche Themen und Subthemen für die politischen Akteure und die Bevölkerung wichtig sind und • die Strukturierung, in welcher die Massenmedien die Attribute über die nachgedacht werden, und damit bestimmte Problemdefinitionen, vorgeben. Die „Agenda-Setting-Hypothese“ postuliert einen indirekten Einfluss auf die politische Elite. Die von den Medien vorstrukturierte Problemwahrnehmung der Bürger wird über verschiedene Muster der politischen Beteiligung an das politische System weitergegeben. Außerdem wird die Bevölkerungsmeinung durch Umfragedaten von den politischen Akteuren ständig evaluiert (Policy-Agenda-Bildung). Dass sich die politischen Akteure an den Politikpräferenzen der Bevölkerung orientieren, legt die ökonomische Theorie der Politik nahe (Downs 1957). Folgt man diesem „realistischen“ Konzept, so werden sich die politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung schon aus partikularen Eigeninteressen des Machterwerbs bzw. der Machtsicherung an den Problempräferenzen der Bevölkerung orientieren. Aus diesem Grund wird auch ein direkter Zusammenhang zwischen den Themenprioritäten der politischen Akteure in Parteien, Regierung und Parlament und der Medienberichterstattung postuliert (einerseits als Agenda von 66 individuellen politischen Akteuren oder Organen bzw. deren Aggregat) (Rogers/Dearing 1988, 582f.). Danach beobachten die politischen Eliten die öffentliche Meinung nicht nur anhand der Demoskopie und der direkten Umweltbeobachtung, sondern vor allem anhand der veröffentlichten Meinung in den Massenmedien, welche als guter Indikator für die Problempräferenzen der Bevölkerung angesehen wird. Außerdem wissen die Akteure des politischen Systems, dass sich die Themen in der Bevölkerung nicht autonom bilden, sondern in der Regel ein Produkt massenmedial vermittelter Kommunikation sind, d. h. es liegt ein „Agenda-Setting-Effekt“ vor. Wenn ein Einfluss der Medien auf die Themenwahrnehmung der Bevölkerung unterstellt wird, dann ist es für die Akteure des politischen Systems durchaus rational, die Massenmedien zu beobachten. Des Weiteren ist selbstverständlich auch die politische Elite angesichts abnehmender Primär-Erfahrung auf die massenmediale Berichterstattung für die eigene Realitätskonstruktion angewiesen. Durch die genannten Gründe gewinnt die massenmediale Berichterstattung einen unmittelbaren Einfluss auf die Agenden der politischen Akteure in Parteien, Regierung und Parlament (Policy-Agenda-Setting). Neben dem gesellschaftlichen wird insoweit ein politischer Themenstrukturierungseffekt der Massenmedien unterstellt. Thematisierungsprozesse folgen also keinem linearen Modell. Generell sind die massenmediale, die Bevölkerungs- und die politische Arena also miteinander verflochten. Die Akteure bilden ihre Agenden nicht auf Grund simpler Kausalbeziehungen heraus, sondern in einem Netzwerk gegenseitiger Rückkopplung. Die Entstehung der Medienagenda ist sowohl ein Kommunikationsprozess als auch eine Kommunikations- Wirkung. Die Medien werden von den politischen Akteuren und der Bevölkerung beeinflusst und bestimmen wiederum deren Agenda (Wanta/Foote 1994; Gonzenbach 1992). Für den Versuch, die Beziehung zwischen den drei Akteuren zu beschreiben, erscheint eine Perspektive angebracht, welche die Kooperation von publizistischen Massenmedien sowie politischen Akteuren und Bevölkerung als gegenseitige Abhängigkeit beschreibt. Aus diesen Abhängigkeiten resultiert ein Geflecht aus Wechselwirkungen zwischen der Problemwahrnehmung (Wirklichkeitskonstruktion) der Massenmedien, der Bevölkerung und verschiedener politischer Akteure in Parteien, Parlament und Regierung, wobei sich aus der Forschung drei Schlussfolgerungen ziehen lassen (auch Rogers/Dearing 1988, 579 ff.). Die öffentliche Agenda kann zum einen von der Medienagenda im Hinblick auf Themen, Subthemen und Attributen gesetzt werden. Dieser Effekt wird als Agenda- Setting-Effekt auf der ersten und zweiten Ebene bezeichnet. Die Gegenthese (Reflexionsthese) besagt, dass die Massenmedien, die auf Resonanz beim Publikum angewiesen sind, sich mit ihrer Themenselektion an den vermeintlichen Erwartungen der Rezipienten orientieren (bereits Maletzke 1963, 67). Dementsprechend reflektiert die Medienagenda bei bestimmten Themen, Subthemen und Attributen auch die öffentliche Agenda. Diese Bevölkerungsagenda, einmal von der Medienagenda gesetzt, beeinflusst unter Umständen die symbolische oder die materielle Agenda der politischen Entscheidungsträger im Hinblick auf Themen, Subthemen und Attributen. Die Medienagenda hat bei bestimmten Themen, Subthemen und Attributen manchmal einen starken Einfluss sowohl auf die symbolische als auch auf die materielle Agenda der politischen Entscheidungsträger. Für bestimmte Themen, Subthemen und Attribute scheint die politische Agenda einen direkten, manchmal starken Einfluss auf die Medienagenda zu haben. Um bei einem solchen Beziehungsgeflecht von richtigen Medieneffekten ausgehen 67 zu können und so die Rolle der massenmedialen Kommunikation bei der Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger spezifizieren zu können, müssten sich Effekte nach folgendem Muster zeigen: Zunächst steigt die Aufmerksamkeit für ein Thema und einer Problemdefinition auf der Medienagenda, dann auf der politischen Agenda und auf der Bevölkerungsagenda, darauf folgend wieder auf der Medienagenda. Solche „Windungen“ lassen sich natürlich nur über größere Zeitabschnitte und mit den entsprechenden statistischen Methoden - welche inzwischen von diesem Forschungszweiges zur Verfügung gestellt werden - beobachten. Versucht man die Ergebnisse im Hinblick auf die hier avisierte Aufgabenstellung, der Spezifikation eines Kategorieellen Rahmenmodells, das die Funktion der Massenmedien bei der Problemwahrnehmung der Akteure des politischen Entscheidungssystems spezifiziert, zunächst „grob“ zu strukturieren, so sind bei der Modellbildung drei Faktoren zu beachten: Die Zeitdimension, die Sozialdimension und die Sachdimension. In der Zeitdimension muss eine Untersuchung in einer Längsschnittperspektive angelegt sein, weil die Position der Massenmedien augenscheinlich in unterschiedlichen Zeitphasen eines politischen Agenda- Bildungs-Prozesses grundsätzlich anders zu beurteilen ist. In der Sozialdimension sind vielfältige Akteure an der Kommunikation über die Massenmedien beteiligt und in der Sachdimension schließlich wirken die Massenmedien mit bestimmten Themen und Problemdefinitionen auf die Problemwahrnehmung der politischen Akteure ein. Diese Faktoren gilt es in dem nachfolgenden Teil der Arbeit genauer zu bestimmen. In diesem Kapitel wurde die Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaften dargestellt und erläutert, welcher Stellenwert den Massenmedien bei der Realitätskonstruktion der Gesellschaft zukommt. Von hier aus soll das Blickfeld schrittweise für einige korrespondierende Ansätze aus den Bereichen der Forschung zur Genese sozialer Probleme und der Forschung zur politischen Agenda-Bildung erweitert werden, welche meist mehr implizit als explizit auf - zum Teil über die Massenmedien vermittelte - Kommunikationsprozesse im Vorfeld politischer Entscheidungen abheben. Daher können an diese Forschungszweige weiterführende Überlegungen zum Stellenwert massenmedialer Kommunikation angestellt werden. Ein Schwerpunkt dieser Überlegungen wird darauf verwendet, das empirische und theoretische Wissen der Kommunikationswissenschaft mit der politikwissenschaftlichen Analyse des politischen Agenda-Bildungs-Prozesses zu verbinden. Ein daraus zu knüpfendes Netz von aufeinander bezogenen Vermutungen zum Zusammenhang von Kommunikation und Politikentstehung soll zum Ausgangspunkt einer entsprechenden Modellentwicklung genommen werden, welche die Medienprodukte in ihrer Inputfunktion für Politik beleuchtet. 68 Teil III Massenmedien und Politikinhalte: vorliegende Modellvorstellung zur Rolle der Massenmedien im politischen Agenda-Bildungs-Prozess „The definition of alternatives is the supreme instrument of power“ (E. E. Schattschneider 1960, 68). 5. Vorliegende Modellvorstellung Dieses Kapitel verfolgt zwei Ziele: Erstens sollen die zentralen Modellvorstellungen aus der Forschung zur politischen Agenda-Bildung und zur Genese von sozialen Problemen 69 (insbesondere solche mit kommunikationswissenschaftlich interessanten Aspekten) dargestellt werden. Darauf aufbauend werden wesentliche empirische Studien zu den entsprechenden Modellen vorgestellt und gefragt, welche Befunde die Forschung in dem hier diskutierten Problemfeld erbracht hat. Dabei wird deutlich, dass die behandelten Ausführungen ganz unterschiedliche Faktoren berücksichtigen, denen bei einem analytischen Modell, dass die Funktion der Massenmedien bei der Problemwahrnehmung und Agenda-Bildung des politischen Systems illuminiert, Rechnung getragen werden muß, wenn man sich nicht mit dem Vorwurf der Fehlspezifikation konfrontieren will. Diese Faktoren ergänzen die bisher gemachten Befunde der Agenda-Forschung, weil sie die Forschung in der Zeitdimension, Sozialdimension und die Sachdimension spezifizieren: In der Zeitdimension wird die Frage beantwortet, wie Thematisierungsverläufe in den publizistischen Massenmedien strukturiert sind. In der Sozialdimension wird erläutert, welche Akteure an diesem Prozess beteiligt sind und in der Sachdimension wird schließlich erörtert, mit welchen Attributen ein Thema in der Regel in der politischen Kommunikation verbunden wird. Ein Schwerpunkt dieser Überlegungen wird darauf verwendet, das empirische und theoretische Wissen der Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaft mit der politikwissenschaftlichen Analyse des Agenda- Bildungprozesses und den Überlegungen zur Genese von sozialen Problemen zu verbinden. Aus dieser Bestandsaufnahme ergeben sich weitere Annahmen zur Rolle der massenmedialen Kommunikation bei der Problemwahrnehmung im politischen System. Diese Annahmen werden im letzten Abschnittes dieses Kapitels in einem Modell zusammengefasst, welches die Medienprodukte in ihrer Inputfunktion für Politik beleuchtet. Zunächst soll der Aufmerksamkeitszyklus von Downs (1972) dargestellt werden, weil die öffentliche Aufmerksamkeit als entscheidende strategische Variable angesehen wird, ein Thema auf die Tagesordnung des politischen Systems zu befördern, und folgt man dem Modell Themenkarrieren auf der öffentlichen Agenda in der Zeitdimension zyklisch strukturiert sind. Diese „Zeitzyklen“ können nach Downs einer Rekonstruktion von politischen Agenda-Bildungsprozessen über die Massenmedien dienen. Daher können an diesem Modell weiterführende Überlegungen im Hinblick auf die Fragestellung der Arbeit angestellt werden. 5.1 Massenmedien und der „Aufmerksamkeitszyklus“ von Downs Downs veröffentlichte im Jahre 1972 in der Zeitschrift „The Public Interest“ eine Studie mit dem Titel „Up and Down with Ecology“ (siehe zum Folgenden Downs 1972, 28ff.). In dieser Arbeit entwirft Downs eine allgemeine Theorie zur Karriere von politischen Problemen, nach der politische Probleme verschiedene Phasen des „Problem- Aufmerksamkeitszyklus“ durchlaufen. Verschiedene Studien zu diesem Zyklus könnten nach Downs Aufschluss darüber geben, wie lange ein Problem in der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen muss, damit genügend Druck auf das politische System entsteht, dieses Problem aufzugreifen und einer Problembearbeitung zuzuführen (Downs 1972, 28). In der Zeitdimension besteht das Modell von Downs aus fünf Phasen, die in der Dauer variieren, und zwar in Abhängigkeit von dem behandelten Problem. Abbildung 5.1:Aufmerksamkeitszyklus 70 1. In der „Vor-Problem-Phase“ wird das Problem zwar von einigen Experten oder gesellschaftlichen Gruppen wahrgenommen, erlangt aber noch keine öffentliche Aufmerksamkeit. Für gewöhnlich sind die „objektiven“ Missstände in dieser Phase schlimmer als in den nachfolgenden Phasen, in denen das Problem öffentliche Aufmerksamkeit erhält. 2. Es folgt die Phase „Beängstigende Entdeckung und euphorischer Enthusiasmus“: Auf Grund einer Serie von dramatischen Ereignissen erlangt das Problem öffentliche Aufmerksamkeit. Diese „Entdeckung“ des Problems geht mit einem euphorischen Enthusiasmus der Gesellschaft einher. Es besteht das Bedürfnis, das Problem zu lösen. Dieser Optimismus wurzelt im amerikanischen Pragmatismus, in „(...) great american tradition of optimistically viewing most obstacles to social progress as external to the structure of society itself“ (Downs 1972, 29). 3. In der Phase „Erkennung der Kosten für eine wirkungsvolle Lösung“ wird erkannt, dass für die Bewältigung des Problems erhebliche Aufwendungen und Anstrengungen nötig sind. Dies impliziert, dass ein großer Teil der Bevölkerung große Opfer bringen muss, um das Problem zu lösen. Gleichzeitig wird der Öffentlichkeit klar, dass das Problem auf Grund gesellschaftlicher Bedingungen produziert wird, welche für einen großen Teil der Bevölkerung oder für eine einflussreiche Minderheit von großem Nutzen sind. Die steigende Einsicht, dass zwischen dem Problem und den Kosten für die Problemlösung eine Beziehung besteht, bildet die Schlüsselerkenntnis dieser Phase. 4. In der folgenden Phase „Gradueller Rückgang des intensiven öffentlichen Interesses“ lässt die öffentliche Aufmerksamkeit an dem Problem langsam nach. Je mehr Individuen erkennen, wie schwierig und kostenintensiv eine Problemlösung für sie ist, desto mehr wenden sie sich von dem Problem ab. Es sind drei Reaktionen der Bevölkerung zu erwarten: Einige werden entmutigt, einige fühlen sich bedroht, wenn sie an das Problem denken, andere wiederum fühlen sich gelangweilt. Bei den meisten Individuen kommt es zu einer Kombination dieser Gefühle. Außerdem kann in der zweiten Phase des Aufmerksamkeitszyklus bereits ein neues Problem auftreten, welches die Aufmerksamkeit der Bevölkerung an sich bindet. 5. In der „Nach-Problem-Phase“ befindet sich das Problem in einer „verlängerten Schwebe“. Bei einigen Problemen, für die in der zweiten bis vierten Phase Institutionen, Aufmerksamkeitszyklus 1 2 3 4 5 Zeit Phasen 71 Programme etc. geschaffen wurden, kann es zu einer Problemlösung bzw. partiellen Revision kommen. Vor allem haben Probleme dadurch einen höheren Aufmerksamkeitswert als Probleme, die den Zyklus nicht durchlaufen haben. Das Problem oder bestimmte Aspekte des Problems können sporadisch wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Downs schränkt sein Modell insofern ein, als dass nicht alle Probleme solche Themenkarrieren durchlaufen, sondern nur, wenn sie drei spezifische Eigenschaften haben: Erstens darf nicht die Mehrheit der Bevölkerung unter dem Problem leiden. Folglich wird der große Teil der Bevölkerung nicht ständig mit dem Problem konfrontiert und kann es dementsprechend verdrängen. Damit sind solche Probleme offen für „Aufmerksamkeitsschwankungen“. Zweitens wird das Problem auf Grund sozialer Bedingungen produziert, die entweder für die Mehrheit der Bevölkerung von Vorteil sind oder für eine Minderheit, die aber sehr einflussreich ist. Deswegen wird durch dieses Problem nicht anerkannte Herrschaftsstruktur attackiert. Drittens muss die „dramatische Struktur“ des Problems mit der Zeit abnehmen, damit im Verlauf der Themenkarriere die Öffentlichkeit ihre Aufmerksamkeit von dem Thema abwendet. Die drei Charakteristiken eines Problems sind die notwendigen Bedingungen für die Aufnahme in den „Aufmerksamkeitszyklus“. Daneben werden Probleme bevorzugt, die mit der Wert- und Normenstruktur einer Gesellschaft kompatibel sind. So führt Downs die Aufmerksamkeit für Umweltthemen in den USA auf einen Wertewandel in der amerikanischen Gesellschaft zurück. Dieser Wertewandel ist wiederum auf ein hohes Niveau wohlfahrtsstaatlicher Versorgung zurückzuführen (auch Inglehart 1977). Des Weiteren sollte das Problem deutlich zu identifizieren sein: „The greater the apparent threat from visible forms (...) and the more this can be dramatic, the more public support (...) improvement will receive and the longer it will sustain public interest“ (Downs 1972, 39). Wenn ein Problem diese Charakteristika aufweist, hat es nach Downs eine gute Chance, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und den Aufmerksamkeitszyklus zu durchlaufen. Fragt man daran anschließend, welche Rolle den Massenmedien in diesem Modell annahmegemäß zukommt, so ist nach Downs für die Verbreitung von Themen ausschlaggebend, in welchem Maß sie bestimmte inhaltliche Merkmale aufweisen. Diese Merkmale betreffen die Sichtbarkeit des Themas, dessen geringe Reichweite und seinen dramatisierenden Aspekt. Mit Sichtbarkeit sind diejenigen gemeint, denen das Thema bekannt ist. Die Chance, unterschwellige, latente Betroffenheit bei möglichst vielen Menschen in bewusste und manifeste zu verwandeln, steigt, je mehr Menschen ein Thema bekannt ist. Die Sichtbarkeit eines Themas, d. h. die Anzahl der erreichten Bürger, ist bedeutsam für seinen Erfolg, schließlich auf die institutionelle Entscheidungsagenda des politischen Systems aufgenommen zu werden. Die allgemeine öffentliche Wahrnehmung eines Themas durch ein potenzielles Publikum kann nur über die Massenmedien erfolgen, denn diesen kommt in modernen Gesellschaften eine besondere Bedeutung zu, da sie eine Vielzahl an Themen (sachlich) dauerhaft (zeitlich) an ein Massenpublikum verbreiten (sozial). Insofern konstituiert sich ein Thema, das sowohl in der Öffentlichkeit als auch im politischen System wahrgenommen werden kann, in erster Linie durch die massenmediale Berichterstattung (Gerhards/Neidhardt 1990, 24; Marcinkowski 1993; Luhmann 1996). Daher kommt den Massenmedien die entscheidende Rolle in der Steuerung der öffentlichen Kommunikation zu. Nur über die Massenmedien kann ein Thema in die Gesellschaft 72 diffundieren. Massenmedien bilden sozusagen das „Forum“ für Themenkarrieren in der Gesellschaft. Daher hängen laut Downs politische Themenkarrieren in der Gesellschaft von dem Wechselspiel zwischen öffentlicher Verbreitung in den Massenmedien und Betroffenheit der Rezipienten ab. Offenkundig sind diese Überlegungen anschlussfähig an die Agenda-Setting-Hypothese, welche ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Themenprioritäten in den Massenmedien und der Bevölkerung postuliert (Kapitel Agenda- Setting). Der Ausdruck Reichweite bezieht sich auf die Zahl der direkt Betroffenen, welche gering sein muss. Nur an solchen Themen lässt das öffentliche Interesse im Verlauf seiner Karriere nach. Damit verweist Downs darauf, dass Themen, welche alle Bürger berühren - etwa Steuern und Inflation - keiner besonderen Anstrengung der Massenmedien bedürfen, um die Bürger zu bewegen. Dies sind offensichtlich Themen, welche permanent einen gewissen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit beanspruchen können. Somit sind Themenkarrieren, im Sinne eines nachlassenden öffentlichen Interesses, nur bei bestimmten Themen zu erwarten. Dies sind Überlegungen, welche auch in der Forschung zum Agenda- Setting in den Blickpunkt geraten sind. Denn insbesondere bei Themen, welche nur einen Teil der Gesellschaft betreffen oder welche ausserhalb der eigenen Primärerfahrung liegen, werden Agenda-Setting-Effekte erwartet (Kapitel Agenda-Setting). Ebenfalls ist nach Downs Modell der Neuigkeitswert eines Problems sowie die darin enthaltene Dramatik und Bedrohung wichtig, denn nur dadurch lässt sich die leicht ermüdende Aufmerksamkeit der Journalisten und der Rezipienten immer wieder nachhaltig wecken. Aus diesem Grund muss man für ein Thema und Problemdefinitionen zuerst Aufmerksamkeit erzeugen. Themen - so ist zu vermuten - müssen gewisse Eigenschaften haben bzw. attributiert werden, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich Journalisten und Rezipienten dem entsprechenden Thema zuwenden. Solche Attribute wurden in der Forschung zu der Nachrichtenwerttheorie intensiv behandelt, etwa unter den Merkmalen „Negativismus“ und „Überraschung“ etc. (Kapitel Agenda-Bildung). Themen, welche einen negativen Charakter haben - etwa Gewalt gegen Ausländer, Tötung von Kindern durch Kampfhunde oder der Absturz einer Concorde - haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für sich. Das Gleiche gilt für neue Ereignisse: die ersten Brände aus Amerika oder Griechenland können mit Aufmersamkeit der Öffentlichkeit rechnen. Des Weiteren verweist Downs auf kulturelle Resonanz von Problemen: Themen müssen in die sozio-politische Kultur einer Gesellschaft passen, um Resonanz auslösen zu können. Sollte ein Problem signalisieren, dass die innere Sicherheit gefährdet oder der Frieden bedroht ist, dann erhöht sich die Chance, dass solche Probleme sowohl bei Journalisten als auch bei den Rezipienten Aufmerksamkeit generieren können. Wenn ein Thema auf geringe kulturelle Resonanz stößt, wird es, wenn überhaupt, nur begrenzte Zeit öffentliche Aufmerksamkeit beanspruchen, selbst wenn es die Medien permanent aufgreifen würden. Schon aus ökonomischen Gründen wird das Thema dann irgendwann von der massenmedialen Agenda verschwinden. Grundlegend für Downs Modell ist aber offensichtlich die zeitliche Dimension, d. h. der zyklische Verlauf und die Dauer der Themenkarriere in den Massenmedien bzw. in der Bevölkerung. Wenn Themen erst einmal einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit auf der massenmedialen und auf der Bevölkerungagenda erreicht haben, durchlaufen sie gewissermaßen einen schicksalhaften Werdegang, der zyklisch in verschiedenen Phasen verläuft. Außerdem entsteht nur bei einer gewissen Persistenz, d. h. der zeitlichen Stabilität an Aufmerksamkeit, genug Druck auf das politische System, das entsprechende Thema auf die Tagesordnung aufzunehmen und einer 73 Problembearbeitung zuzuführen. Folgt man Downs, so kann sich das politische System gegen Themen, die eine solche Karriere durchlaufen, nicht wehren. Sie werden automatisch in die politische Programmatik aufgenommen. Auch diese Überlegungen spiegeln sich in der Forschung zur Policy-Agenda-Setting-Hypothese der Massenmedien wieder. Steigende Aufmerksamkeit für ein Problem in der massenmedialen Kommunikation führt zur steigenden Aufmerksamkeit eben dieses Problems auf den Agenden der politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung (Kapitel Policy-Agenda-Setting). Der Aufmerksamkeitszyklus von Downs ist insbesondere in der amerikanischen, aber auch in der bundesdeutschen Forschung inzwischen vielfach adaptiert worden. Wobei die Öffentlichkeit auch in diesen Studien in der Regel auf massenmediale Öffentlichkeit reduziert wird. Dabei können einige empirische Studien inzwischen für eine Reihe von Themen aufzeigen, dass die Thematisierung nach dem Muster des „Issue-Attention-Cycle“ abläuft (Nelson 1984; Neidhardt 1996; 1998: Peters 1990; Pfetsch 1986; Weßler 1998; Russ-Mohl 1981; Rager et. al. 1993; Rogers/Dearing/Soonbum 1991; Sharp 1994; Zimmermann 1991). Die Zahl der Studien ist zu groß, um mehr als einige zentrale Befunde der Forschung zu nennen. Dabei sind vier Ergebnisse dieser Studien für die Fragestellung dieser Arbeit von Interesse. Erstens verlaufen Themenkarrieren oft in dem beschriebenen Muster und folgen einem „zyklischen Verfall“. Dabei belegen diese Arbeiten, dass es offensichtlich einen Zusammenhang zwischen dem Aufmerksamkeitszyklus der massenmedialen Berichterstattung und den politischen Entscheidungen zu diesem Thema gibt. So gingen beispielweise den politischen Entscheidungen zum Abtreibungskonflikt in den Jahren 1973/74 und 1991/92 jeweils mehrjährige Aufmerksamkeitszyklen in den Massenmedien voraus (Neidhardt 1996, 58). Nach den jeweiligen Entscheidungsphasen der Politik konnte ein Abschwung der öffentlichen Aufmerksamkeit für das Thema beobachtet werden. Das gleiche Muster belegt Zimmermann für das Thema „Waldsterben“ in der Schweiz: Den wesentlichen politischen Entscheidungen zu dem Thema im Frühjahr 1984 ging seit 1980 eine wachsende öffentliche Aufmerksamkeit voraus, welche nach den Entscheidungen abrupt verfiel (Zimmermann 1991, 22f.). Insofern scheint es bei Themen, welche einen solchen Zyklus durchlaufen, tatsächlich Interdependenzen zwischen medialer Aufmerksamkeit und politischen Entscheidungsprozessen zu geben. Damit verweisen die Studien darauf, dass die Massenmedien eine wichtige Quelle für die Erzeugung und Beschleunigung von Aufmerksamkeitszyklen in der Politik sein können, auch wenn in den genannten Studien versäumt wurde, die Daten zur Medienberichterstattung und Bevölkerung einerseits und zum politischen Handeln andererseits systematisch miteinander in Verbindung zu bringen (vgl. beispielweise Pfetsch 1986, Sharp 1994; Russ-Mohl 1981; Rager et. al. 1993). Zweitens deuten die Studien darauf hin, dass Themenkarrieren in der Konjunkturphase einen größeren Einfluss auf das politische System haben als in der Ermüdungsphase: Die meisten Untersuchungen verweisen auf Zusammenhänge in der Anfangs- und Modephase, hingegen sind zum Ende der Themenkarriere kaum noch Parallelen zwischen massenmedialer und politischer Aufmerksamkeit zu beobachten (vgl. beispielweise Neidhardt 1996; Sharp 1994; Zimmermann 1991). Drittens scheinen die einzelnen Phasen relevant für die Deutung des Problems zu sein. Dahingehend zeigen sich bei unterschiedlichen Themenkarrieren in den jeweiligen Phasen einer Problemkarriere differierende Deutungsmuster zum Thema (Pfetsch 1986; Sharp 1994; Suda/Krämer 1987). So können beispielsweise Suda und Krämer in einer Inhaltsanalyse zu dem Problem 74 „Waldsterben“ belegen, dass in den ersten Phasen die „Kraftwerksbetreiber“ als Verursacher im Mittelpunkt der Berichterstattung standen, es folgte in der nächsten Phase der „Verkehr“ (Suda/Krämer 1987, 1293). Viertens zeigt die empirische Forschung, dass der Aufmerksamkeitszyklus unterbrochen werden kann, wenn das Thema den Medien von außen immer wieder angeboten und umgedeutet wird. An dieser Stelle sei auf zwei Studien zur Themenkarriere „Drogen“ auf der massenmedialen und der politischen Agenda in den Vereinigten Staaten verwiesen: Sowohl Gonzenbach (1992) als auch Sharp (1994) erklären die lange Lebensdauer dieses Themas in der amerikanischen Gesellschaft einerseits mit dem Sachverhalt, dass das Thema den Massenmedien von etablierten, politischen Akteuren immer wieder angeboten wird und anderseits, dass das Thema dazu tendiert, permanente Neuigkeiten - etwa neue Drogen - zu produzieren (Gonzenbach 1992; Sharp 1994). Dadurch steht das Problem nicht nur immer wieder in der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern auch fast kontinuierlich auf der politischen Agenda der Vereinigten Staaten, ohne dass sich hinsichtlich einer Lösung Fortschritte ergeben hätten. Selbst an Downs Thema, dem „Umweltschutz“, darf man bezweifeln, ob die Themenkarriere nach dem prophezeiten Muster verlief: Downs sagte auf Grund seiner allgemeinen Theorie zur Karriere von politischen Themen den gesicherten Niedergang des Themas Umweltschutz voraus. Dieser Bedeutungsverlust werde sich stockender vollziehen als bei anderen Themen, was aus den spezifischen Problemcharakteristika zu erklären sei, er werde aber nicht abwendbar sein. Die einmal bestehenden institutionellen Strukturen bleiben unangetastet, der erlangte Status Quo werde in der Folge unter Bedingungen geringer öffentlicher Aufmerksamkeit gewährt, kurzfristiges Auflammen öffentlicher Interessen sei nicht ganz auszuschließen. Aus der Perspektive des Jahres 2000 kann gesagt werden, dass die Karriere des Themas „Umweltschutz“ längst nicht zu Ende ist. Das gilt zum einen für die Öffentlichkeit des Themas. Glaubt man den Meinungsumfragen, so ist die Sorge um die natürliche Umwelt in der Bevölkerung erheblich gestiegen (Sachverständigenrat für Umweltfragen) und nach wie vor kann das Thema größere Aufmerksamkeit in der massenmedialen Berichterstattung für sich beanspruchen. Auf der anderen Seite haben Umweltinteressen, Ökologiebewegung und nicht zuletzt die Partei der „Grünen“ an politischer Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung hat sich auf der politischen Tagesordnung, in den institutionellen Strukturen und im politischen Handeln niedergeschlagen, was wiederum auf die Themenkarriere gewirkt hat. Damit ist ein problematischer Aspekt an dem Modell des „Aufmerksamkeitszyklus“ aufgeworfen: Das Modell lässt die Entstehung öffentlicher Themenkarrieren und in der Folge den Einfluss auf die politische Tagesordnung gleichsam als selbstgängigen Prozess erscheinen. Wie das Thema auf die massenmediale Tagesordnung kommt und wer an diesem Vorgang auf welche Weise beteiligt ist, wird im Dunkeln gelassen. Dabei sind annahmegemäß, schon auf Grund ihrer Relevanz für die Gesellschaft an solchen Prozessen, vielfältige Gruppen mit Thematisierungs- und De-Thematisierungsversuchen beteiligt, wie bereits die Agenda-Forschung zeigte. Außerdem ist anzunehmen, dass institutionelle Strukturen, wie bereits gesagt, auf die Themenkarrieren zurückwirken. Weiter ist kritisch anzumerken, dass nach Downs Probleme mit den besagten Charaktereigenschaften gleichsam „objektiv“ vorliegen und „nur“ noch entdeckt werden müssen. Eine solche Modellvorstellung kann nicht erklären, warum einige Probleme wahrgenommen und über die öffentliche Agenda auf die Tagesordnung der Politik gesetzt werden und andere nicht. 75 Auch die genannten drei Prämissen - die Mehrheit darf nicht darunter leiden, es muss für bedeutende Gruppen einen Vorteil bringen und es muss dramatisch sein - können diesen Sachverhalt nicht gänzlich klären, weil auch Probleme mit diesen Aspekten unterschiedliche Aufmerksamkeitswerte in der Gesellschaft haben. Warum werden (gefährliche) Hunde zu einem öffentlichen und politischen Thema, aber gefährliche, chemische Stoffe an den Arbeitsplätzen nicht? Die These ist, dass nicht nur objektive Problemeigenschaften für eine Themenkarriere in den Massenmedien veranwortlich sind, sondern weitere Faktoren, welche es zu nuancieren gilt. Zusammenfassend weisen einige Überlegungen zum Aufmerksamkeitszyklus erkennbar Parallelen zur Agenda-Forschung auf, obwohl Downs den Zyklus bereits 1972, also in dem gleichen Jahr der Veröffentlichung der Pionierstudie der Agenda-Setting-Forschung von McCombs und Shaw, entworfen hat: So verweisen inzwischen viele Studien darauf, dass Agenda-Setting-Effekte insbesondere bei Themen zu erwarten sind, welche nur einen Teil der Gesellschaft betreffen oder welche nicht in den primären Erfahrungsbereich der Gesellschaft fallen, d. h. mit denen die Öffentlichkeit nicht ständig konfrontiert wird. Hingegen sind Agenda-Setting-Effekte bei so genannten aufdringlichen Themen, wie beispielsweise Inflation oder Erhöhung der Mehrwertsteuer, nicht zu erwarten. An den Aufmerksamkeitszyklus von Downs lassen sich offensichtlich auch Überlegungen zu dem zeitlichen Verlauf einer Themenkarriere in den Massenmedien anschließen. So verweisen viele Studien darauf, dass Themen, welche relativ neu in der massenmedialen Berichterstattung behandelt werden, am Anfang einen größeren Agenda-Setting-Effekt auf die Rezipienten haben, welche im Zeitverlauf nachlassen, weil die Rezipienten sich dann eine Vorstellung über die persönliche Wichtigkeit des Themas gemacht haben und das Thema langweilig wirkt (Schönbach 1981; Weaver 1981; Protess 1985). In Bezug auf einen Policy-Agenda-Setting-Effekt ist anzunehmen, dass erst ab einem deutlichen Aufmerksamkeitswert für ein Thema, d. h. also, wenn die Themenkarriere eine gewisse zeitliche Stabilität besitzt, Resonanz bei der politische Elite ausgelöst wird. Auch setzt die Agenda- und Policy-Agenda-Setting-Hypothese implizit voraus, dass über einen bestimmten Zeitraum ein einheitliches mediales Bild angeboten wird, welches durch die stabilen Selektionskriterien der Journalisten zustande kommt. Dementsprechend sind nur bei Themen, welche auf die Nachrichtenwertfaktoren rekurrieren - etwa Negativismus oder Überraschung - Effekte der massenmedialen Kommunikation auf die Bevölkerung und die politischen Akteure in Parteien, Parlament und Regierung zu erwarten. Im Übrigen gilt die kulturelle Nähe ebenfalls als wichtiger Nachrichtenwertfaktor. Was ist aus diesen Betrachtungen als Fazit für die spätere Modellbildung zu ziehen? Folgt man den oben genannten Befunden, so sind Thematisierungsverläufe über die Massenmedien in der Zeitdimension nicht ganz unberechenbar, sondern weisen zyklische Verläufe aus. Diese Themenkarrieren können offensichtlich Aufmerksamkeitszyklen in der Politik erzeugen und beschleunigen, wenn sie eine gewisse Persistenz, d. h. eine zeitliche Stabilität aufweisen. Außerdem scheinen solche Aufmerksamkeitszyklen für die Ausdeutung des Themas in der Öffentlichkeit und im politischen System bedeutend zu sein. Daher können solche Phasen des „Aufmerksamkeitszyklus“ der empirischen Forschung zur präzisen Prozessrekonstruktion in der Zeitdimension dienen. Problematisch am „Aufmerksamkeitszyklus ist, dass er gleichsam mit einem ontologischen Problembegriff operiert. Es werden quasi objektiv vorliegende Probleme aufgegriffen und durchlaufen den 76 beschreibenden „Lebensweg“. Allerdings kann das Modell nicht erklären, warum einige Probleme aufgegriffen werden und über die massenmediale Kommunikation auf die politische Tagesordnung gesetzt werden und andere nicht. Weiter kritisch ist an dem Modell zu bemerken, dass Akteure, die auf diese Themenkarrieren einen Einfluss nehmen, nicht in dem Modell vorgesehen sind. Schon auf Grund ihrer Bedeutung für die Gesellschaft werden an solchen Themenkarrieren erwartungsgemäß vielfältige Akteure beteiligt sein. Damit sind wir in der Sozialdimension angelangt. Das nun darzustellende Modell der politischen Agenda-Bildung beschäftigt sich genau mit diesem Aspekt und fragt, welche Gruppen am Kommunikationsprozess im Vorfeld von politischen Entscheidungen beteiligt sind. Dieses Modell verspricht - schon auf Grund der analytischen Nähe zum Begriff der Kommunikation - weitere Aufklärung zur Frage der Massenmedien im politischen Agenda- Bildungs-Prozess. Daher soll das Modell im weiteren Verlauf intensiv dargestellt, diskutiert und weiterführende Überlegungen zur massenmedialen Berichterstattung angestellt werden. 5.2 Massenmedien und politische Agenda-Bildung Eine der wohl einflussreichsten Arbeiten zum politischen Agenda-Bildungprozess ist das von Cobb/Elder 1972 erschienene Buch „Participation in American Politics“, auf welche sich die meisten - nachfolgend darzustellenden - Modelle indirekt beziehen (zum folgenden Cobb/Elder 1972). Namentlich versuchen die Autoren einen system-, einen entscheidungs-, einen gruppen- sowie konflikttheoretischen Ansatz in einem Modell zu integrieren. Zunächst wird das Modell, welches die Autoren im weiteren Verlauf entwerfen, in einen systemtheoretischen Rahmen eingebettet und damit die Analyserichtung festgelegt. Danach konkurrieren in demokratischen Gesellschaftsordnungen verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Interessen um die öffentliche Aufmerksamkeit. Konfligierende Interessen drücken sich in der gesellschaftlichen Kommunikation in Form von Problemen aus. Im politischen Subsystem einer Gesellschaft werden allgemein verbindliche Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen richten sich jeweils nach der Problemlage einer Gesellschaft. Allerdings erreichen nicht alle gesellschaftlichen Probleme den politischen Prozess, denn die Aufnahmekapazität der Politik ist, wie die eines jeden Systems, beschränkt. Die Akteure des politischen Entscheidungssystems müssen unter allen theoretisch möglichen Ansprüchen, die in Form von Streitfragen an sie gerichtet werden, selektieren. Easton (Easton 1965, 128f) bezeichnet das als eine „demand reduction“ mit der Funktion eines „intrasystem gate keeping“ zur Verhinderung eines „demand overload“. Das heißt, das politische System kann nicht alle Probleme akzeptieren, da es seine eigene Funktion sonst paralysiert. Eine mögliche Strategie, um diese Komplexität zu reduzieren, besteht in der Aufstellung von Prioritäten, mit denen festgelegt wird, welche Ziele verfolgt werden, welchen Themen sich politische Entscheidungsträger zuwenden und welchen möglicherweise nicht. Streitfragen sind eine Teilmenge von Ansprüchen, die politische Akteure aufgreifen und dem politischen Problembearbeitungsprozess zuführen. Sie haben damit die Chance, im Prozess der Herstellung kollektiv bindender Entscheidungen berücksichtigt und verwirklicht zu werden (Easton 1965, 38 f). In dieser Hinsicht haben die Akteure im Zentrum des politischen Entscheidungssystems eine Ordnungsfunktion: sie 77 legen fest, welche Probleme behandelt, welche Konflikte diskutiert und welchen Interessen damit entsprochen wird. Sachlogisch liegt dieser Bereich vor der definitiven Entscheidung, denn diese beruht auf gegebenen Problemen und gegebenen Problemlösungen. Die Entscheidungssituationen der politischen Akteure sind, wie jede Form individuellen Handelns, durch Informationsrestriktionen bestimmt. Sollten Probleme oder deren Lösungen erst gar nicht auf die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger aufgenommen werden, fallen sie aus dem politischen Entscheidungsbereich heraus. Die Kontrolle über diese politische Agenda der zur Lösung anstehenden Probleme hat somit einen entscheidenden Einfluss auf die tatsächliche Entwicklung: „By deciding what they will decide about, legislators also establish the terms and the most prominent participants in debate and, ultimately, the distribution of power and influence in the society“ (Walker 1977, 423). Der Prozess, wie bestimmte Themen in die Tagesordnung der Politik aufgenommen werden, rückt deshalb in den Mittelpunkt der Betrachtung. Denn „(...) all forms of political organizations have a bias in favor of the exploitation of some kind of conflict and the suppression of others because organization is the mobilization of bias. Some issues are organized into politics while others are organized out“ (Schattschneider 1960, 71). Darauf folgend interessieren sich Cobb/Elder für die Frage, welche Akteure und Mechanismen an diesem so genannten politischen Agenda-Bildungsprozess beteiligt sind. Dazu unterscheiden die Autoren zunächst grundsätzlich zwei Tagesordnungen in der Gesellschaft, die Tagesordnung des Systems, diese „consists of issues, which have achieved a high level of public interest and visibility“ (Cobb et al. 1976, 126) und der engeren staatlichen formellen Agenda, welche: „(...) is the list of items which decision makers have formally accepted for serious consideration“ (Cobb et al. 1976, 126). Die erstgenannte ist sozusagen die „Problemtagesordnung“ der Gesellschaft mit allen potenziellen Streitfragen, welche der staatlichen Bearbeitung bedürfen (Cobb/Elder 1972, 86f.). Sie besteht aus allen Themen in der Gesellschaft, welche einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit beanspruchen, aber noch nicht auf die Tagesordnung der politischen Institutionen aufgenommen wurden. Solche Tagesordnungen finden sich auf allen Ebenen des Föderativen Systems wieder, wie etwa für die Gemeinde-, Länder- und Bundesebene. Die Autoren benennen drei Bedingungen, welche ein Thema erfüllen muss, um auf diese Problemtagesordnung der Gesellschaft aufgenommen zu werden. • Erstens muss ein Thema eine breite Aufmerksamkeit bzw. einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzen, • zweitens muss ein großer Teil der Gesellschaft überzeugt sein, dass es sich um ein Problem handelt • und drittens muss für die Problembearbeitung das politische System verantwortlich gemacht werden können. Die „Problemtagesordnung“ der Gesellschaft besteht in der Regel aus sehr abstrakten Themen. Sie beinhalten nur den groben Gegenstandsbereich. Noch ist ungeklärt, welche Lösungsoptionen sich anbieten und wie eine mögliche, staatliche Problembearbeitung aussehen soll. Um auf die staatliche Agenda aufgenommen zu werden, müssen diese Probleme weiter gedeutet werden, etwa eine Ursache und ein Verursacher benannt und eine Lösungsmöglichkeit aufgezeigt werden. Die zweite Tagesordnung bezeichnet den Entscheidungshaushalt der entsprechenden Instanzen des politischen Systems, etwa die parlamentarische oder die Regierungs-Agenda. Damit ist die Menge der Themen 78 umschrieben, welche die Grundlage für eine Entscheidungsfindung bilden. Sie wird einerseits definiert durch ihre Träger „decision makers“, also legitimierte Entscheidungsträger, und andererseits durch die Art und Weise der Befassung mit dem jeweiligen Thema, nämlich „formally accepted for serious consideration“. Damit werden die tatsächlichen formellen Tagesordnungspunkte von solchen unterschieden, welche nur auf der symbolischen, sozusagen auf der Pseudo-Agenda stehen. Eine solche symbolische Tagesordnung sind Probleme, welche zwar bis auf die Entscheidungsagenda gelangt sind, aber nicht in eine materielle Entscheidung einmünden, sondern durch vielfältige Spielarten symbolischer Politik abgespeist werden (Edelman 1976). Die engere Tagesordnung des Entscheidungssystems besteht entsprechend aus konkretisierten Problemen, für welche bereits Lösungsoptionen im Raume stehen, möglicherweise Policy-Optionen erarbeitet und Implementationsmöglichkeiten aufgezeigt wurden. Im Folgenden fragen Cobb & Elder danach, wie Themen gebildet werden und wie die Interaktionen zwischen beiden Tagesordnungen verlaufen (Cobb/Elder 1972, 84). Zunächst werden Themen, so die Annahme der Autoren, durch Auslösungsmechanismen („Triggering devices“ bzw. „Triggering mechanismen“) und Initiatoren gebildet. Die Auslösungsmechanismen werden in innenpolitische und außenpolitische Faktoren unterteilt, wobei letztere auf strategische und Bündnisfragen sowie internationale, vorwiegend militärische Konflikte beschränkt werden. Als innenpolitische Auslösungsmechanismen benennen die Autoren: Naturkatastrophen (Fluten, Erdbeben), unvorhergesehene menschliche Ereignisse (Flugzeugabsturz, Terroranschläge), technologischen Wandel, welcher neue Probleme aufwirft (Verkehrssicherheit, Datensicherheit) sowie Ungleichgewichte in der Verteilung von Ressourcen (Streik, soziale Unruhen). Als Initiatoren von Thematisierungsprozessen werden einzelne Personen, politische Parteien und soziale Gruppen identifiziert, wobei alle drei nach ihren Motiven klassifiziert werden. Mit diesem Schema benennen Cobb und Elder vier Wege, mittels derer ein „issue“ geschaffen oder definiert wird, und zwar: • durch beteiligte Konfliktparteien aus öffentlichem oder • persönlichen Interesse, • durch Unbeteiligte im Dienste des öffentlichen Interesses („Do-Gooders“) und • durch unerwartete Ereignisse als Auslöser. Während für die ersten drei Wege die künstliche Herstellung wichtig ist, um ein Thema zu definieren, entspricht letzterer dem mehr oder weniger natürlichen Lauf der Dinge. Der Erfolg der Gruppe, mit ihren Themen auf die enge politische Tagesordnung zu kommen, hängt von dem Organisationsgrad sowie ihrer Stellung innerhalb der sozialen und ökonomischen Struktur einer Gesellschaft ab. Eine wichtige Strategie, um einem Thema zur Expansion zu verhelfen, ist die Kopplung des partikularen Problems mit einem weitverbreiteten Symbol, das emotional aufgeladen und in der Gesellschaft positiv besetzt ist.12 Außerdem müssen Themen - dieses Argument haben wir bereits bei Downs - mit dem Wertesystem einer Gesellschaft kompatibel sein (Cobb/Elder 1972, 86). Daneben - und das ist ein wichtiger Aspekt - müssen nach Cobb/Elder Probleme, welche eine öffentliche Karriere durchlaufen sollen, in einer bestimmten Weise gedeutet werden. Wichtig sind 12 Krott hat 1990 die enorme Bedeutung des symbolhaft als „heile Welt“ betrachteten Waldes herausgearbeitet. Dies dürfte für den Thematisierungsprozess des Themas „Waldsterben“ eine nicht unbeachtliche Bedeutung gehabt haben (Krott 1990). 79 • eine mehrdeutige Definition, damit sich viele Personen mit dem Problem identifizieren können, • die Betonung der schwerwiegenden Konsequenzen und • die Beschreibung als ein einfaches Problem, dessen Lösung als realistisch erscheint (Cobb/Elder 1972, 112). Neben der Deutung eines Problems können Gruppen über die finanziellen, materiellen sowie personellen Ressourcen auf die Expansion einer Problemdefinition einwirken. Die Gestaltung der Problemdefinition und die darauf folgende Artikulation des Problems und seinen vielfältigen Aspekten wird von unterschiedlichen Akteuren geleistet. Hierbei handelt es sich zumeist um Interessengruppen/soziale Bewegungen (Gruppen der Interessenartikulation) oder Parteien (Akteure der Interessenaggregation). Für die Expansion eines Themas auf der Problemtagesordnung der Gesellschaft machen sich die Autoren Überlegungen zu eigen, welche bereits Schattschneider in seiner konflikttheoretischen Politikanalyse erarbeitet hat (Schattschneider 1960). Folgt man diesen Überlegungen, so ist die Kommunikations- und Definitionsmacht einzelner Gruppen das entscheidende Steuerungsinstrument im politischen Agenda-Bildungsprozess einer Gesellschaft. Probleme werden dabei als Aufgaben verstanden, deren Lösungen als problematisch im Sinne der Überwindung von Soll-Ist-Diskrepanzen empfunden werden. In die Beurteilung einer Soll-Ist-Diskrepanz fließen - wie bereits gesagt - Werturteile der einzelnen Individuen bzw. Gruppen oder Organisationen ein. Da in der Gesellschaft in der Regel verschiedene Werte konkurrieren, gehen mit politischen Problemen öffentlich ausgetragene Kontroversen einher, die sich auf substanzielle und/oder prozedurale Fragen des richtigen Umgangs mit dem Problem beziehen. Diese Kontroversen weisen häufig einen engen Bezug zur Verteilung von Ressourcen, wie die Zuweisung von Geld, Macht oder Rechten auf (Cobb/Elder 1972, 82). Konkurrieren mehrere Problemdefinitionen zu einem Thema, d. h. gibt es mehrere Problemfassungen oder Problemdeutungen, so entsteht aus dem Problem ein Streitthema, das die englischsprachigen Autoren als „Issue“ bezeichnen (Cobb/Elder 1972, 18). Cobb & Elder definieren „Issue“ wie folgt: „Ein Konflikt zwischen zwei oder mehr erkennbaren Gruppen über materielle oder Verfahrensangelegenheiten, die mit der Verteilung von Standpunkten oder Ressourcen zu tun haben“ (Cobb/Elder 1972, 82). „Issue“ wird in dieser Definition als Oberbegriff für Sachverhalte gesehen, über die gesellschaftliche Gruppen in Konflikt geraten und die einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit haben. Dabei ist diese Definition deutlich offen gehalten: es kann sich um Konflikte über materielle Aspekte handeln, d. h. es stehen Gewinn- und Verlusterwartungen im Vordergrund, oder um Sachverhalte, welche „lediglich“ Unzufriedenheit bei einem Teil der Bevölkerung hervorrufen und über die unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht werden. In Bezug auf die differierenden Standpunkte sehen die Autoren das Ausmaß der Beteiligung und die Charakteristik des „Issues“ als bedeutende Variablen an, die determinieren, welches Problem auf die politische Tagesordnung aufgenommen wird (Cobb/Elder 1972, 96f.). In Hinsicht auf die Beteiligten beziehen sich die Autoren auf Schattschneider, der die These vertritt: „At the nob of politics are, first, the way in which the public participates in the spread of conflict and, second, the processes by which the unstable relation of the public to the conflict is controlled“ (Schattschneider 1960, 9). Ob ein „Issue“ gesellschaftliche Bedeutung erlangt, hängt demnach davon ab, ob weitere Akteure mobilisiert werden können. Dies gelingt am besten, wenn die Reichweite eines 80 Konfliktes so gestaltet wird, dass sich ein Konflikt ausweitet. Dabei definiert sich die Reichweite eines Konfliktes - gemäß Schattschneider - nach der Intensität eines Konfliktes, dessen Sichtbarkeit sowie dessen Rangordnung in der Hierarchie der auszutragenden Konflikte. Die Sichtbarkeit bezeichnet die Ausdehnung eines Konfliktes auf die Zahl der beteiligten Personen oder Gruppen (Schattschneider 1960, 43). Die Intensität bezieht sich auf den Grad der Bindung der beteiligten Parteien an gegenseitig unvereinbare Positionen. Sie bezieht sich also auf die Wert- und Kostendimension eines Konfliktes, d. h. es wird die Frage beantwortet, welche „Ressourcen“ die beteiligten Parteien an einen Konflikt zu binden bereit sind und zwar in Form von finanziellen Mitteln, Mobilisierungsfähigkeit etc. Die Sichtbarkeit bezieht sich auf die Öffentlichkeit eines Konfliktes: Sie zeigt an, wie viele Personen oder Gruppen sich eines Konfliktes und seiner Folgen bewusst sind. Die Kommunikation entscheidet maßgeblich mit über die Sichbarkeit und die Reichweite des Konfliktes: „(...) the definition of the alternatives is the supreme instrument of power (...) because the definition of alternatives is the choice of conflicts, and the choice of conflicts allocates power“ (Schattschneider 1960, 68). Aus diesem Grund können die beteiligten Akteure unterschiedliche Aspekte an einem Problem hervorheben, die eine politische Konfliktverwerfung hervorbringen, die einem politischen Akteur in Bezug auf seine eigene Sache als positiv erscheinen (auch Rochefort/Cobb 1993; Rochefort/Cobb 1994). Daher versuchen politische Akteure, ein Problem in ihrem Sinne zu definieren. Aus dieser Perspektive sind soziale Konflikte ein Prozess aufeinander folgender, konkurrierender Problemdeutungen, in welchen verschiedene Seiten versuchen, einen Vorteil zu erlangen und ihr Streitthema auszuweiten. In einem späteren Aufsatz spezifizieren Cobb, Ross & Ross drei Modelle, welche unterschiedliche Thematisierungsverläufe zwischen Problemtagesordnung der Gesellschaft und der engeren staatlichen Agenda beschreiben (siehe zum Folgenden Cobb et al. 1976, 127ff.). Sie differenzieren zwischen dem „Outside-Initiative“-Modell, dem „Mobilization“-Modell und dem „Inside-Access“-Modell. Diese Modelle unterscheiden den Agenda-Bildungs-Prozess hinsichtlich des Zugangsweges zur politischen Agenda und beleuchten damit auch indirekt die massenmediale Kommunikation. Allerdings verweisen die Autoren darauf, dass die drei analytischen Modelle in der Realität meist nicht in ihrer reinen Form auftreten. Sie erlauben aber der empirischen Forschung, bestimmte Grundmuster des Agenda-Bildungs-Prozesses zu fassen. Im Outside-Initiative-Modell beginnt der Prozess der Problemwahrnehmung außerhalb des politischen Systems. Zuerst wird das Thema als Missstand in einer sehr allgemeinen Form von Gruppen oder Personen außerhalb des formellen Regierungssystems wahrgenommen. Darauf folgend wird die generelle Problemwahrnehmung konkretisiert, d. h. es wird dargestellt, welche Aspekte zu dem Problem gehören: etwa eine Ursache, ein Verursacher und welche Lösungsmöglichkeiten sich anbieten. Hierbei haben die Initiatoren des Problems zunächst eine große Freiheit in der Problemdeutung und können dadurch die Charakteristik mitbestimmen. Andere Akteure in der Gesellschaft nehmen das Thema nach und nach auf ihre Agenda auf, weil deren Interessenssphäre von dieser Problemdefinition betroffen ist, weil sie beispielsweise als Verursacher tituliert werden. Das Thema diffundiert nachfolgend in die Öffentlichkeit. Die Folge: Die Gruppe, die das Problem inszeniert hat, verliert oft die Kontrolle über die ursprüngliche Problemdeutung, weil die anderen Akteure mit neuen Problemdeutungen in den Prozess der Definition des Problems eingreifen. Zuletzt 81 wird das Massenpublikum erfasst: Zuerst beteiligt sich der aufmerksame Teil der Öffentlichkeit, der aus der Informationselite einer Gesellschaft, den gebildeten und höheren Einkommensschichten besteht, und es folgt das breite Publikum. Nachdem das Problem in die Gesellschaft diffundiert ist, versuchen die Akteure, das Problem auf die politische Tagesordnung zu setzen. Je nach Macht und Organisationsgrad werden die Gruppen unterschiedliche Mittel einsetzen, um ihr Problem auf die formelle Agenda des politischen Systems zu setzen. Eine Gruppe mit wenig Sanktionsmöglichkeiten wird über die Öffentlichkeit an das politische System herantreten. Cobb et al. differenzieren vier Strategien, um ein Thema auf die formelle Agenda zu bringen: • Gewalt oder die Androhung von Gewalt • Institutionelle Sanktionen wie die Verweigerung von Stimmen, Geld oder Arbeit • Zusammenarbeit mit politischen Parteien oder Interessengruppen • der direkte Zugang (Cobb et al. 1976, 131) Im Mobilization-Modell versuchen die politischen Akteure, ein Problem von der formellen Agenda auf die öffentliche Agenda zu setzen. Das Problem sowie eine entsprechende Problemdeutung steht also bereits auf der formellen Agenda, bevor es in der Öffentlichkeit diskutiert wird. In der Regel sind schon wichtige Vorentscheidungen zur politischen Bearbeitung des Problems gefallen. Die Quellen der Themeninitiative sind dementsprechend die politischen Entscheidungsträger oder Gruppen, die einen direkten Zugang zum politischen System haben. Trotzdem suchen diese Akteure den Weg in die Öffentlichkeit: Sie wollen sich legitimieren und für Unterstützung in der Öffentlichkeit werben. Mobilisierung der Öffentlichkeit ist vor allem bei Programmen und Gesetzen notwendig, für deren Implementation die Unterstützung der Bevölkerung benötigt wird. Insbesondere bei Problemen mit einer großen sozialen Tragweite ist die Unterstützung der Bevölkerung unverzichtbar. Daher muss das öffentliche Interesse mobilisiert werden. Der Agenda-Bildung-Prozess bezieht sich also auf die Öffentlichkeit, um eine politische Maßnahme implementieren zu können. Nach der Ankündigung werden konkrete Details des Programms ausgearbeitet. Die Entscheidungsträger oder ihre Organisationen spezifizieren, welche Unterstützung sie von der Öffentlichkeit benötigen, z. B. materielle Ressourcen, Arbeit oder Verhaltensänderungen. Auch in diesem Modell diffundiert das Problem langsam in die Öffentlichkeit: zuerst durch formelle und informelle Gespräche zwischen den Funktionseliten einer Gesellschaft, anschließend wird nach und nach die gesamte Öffentlichkeit mit dem Thema vertraut gemacht. Die Regierung benutzt die gleichen Strategien wie die Gruppen im Outside-Initiative-Modell. Im Vergleich zu Akteuren außerhalb des Regierungssystems besitzen die politischen Akteure einen strategischen Vorteil: Sie verfügen über die größeren materiellen Ressourcen und ihre etablierte Position im Entscheidungssystem begründet eine Überlegenheit bei der Themenwahl. Das Problem ist auf die öffentliche Agenda gesetzt, wenn ein signifikant großer Teil der Bevölkerung wahrnimmt, dass die Regierung mit einem wichtigen Problem beschäftigt ist. Solche politischen Thematisierungsprozesse sind vor allem in Gesellschaften zu beobachten, in denen nur eine geringe Rückkopplung zwischen Bevölkerung und Entscheidungsträgern vorhanden ist. Im Inside-Access-Modell geht die Themeninszenierung ebenfalls von den Entscheidungsträgern, der Bürokratie oder von Gruppen aus, die einen leichten Zugang zum politischen System haben. Es unterscheidet sich vom Mobilization-Modell dadurch, dass 82 die Themeninitiatoren kein Interesse daran haben, das Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Der selektive Druck verschiedener Gruppen auf die Regierung wird der öffentlichen Diskussion vorgezogen, weil in ihr die Kontrolle über die ursprüngliche Problemdefinition verloren gehen könnte. Eine Entscheidung in der „Stille des Ausschußberatungszimmers“ wird vorgezogen (von Beyme 1994, 330). Da die Themenkapazität des politischen Systems beschränkt ist, müssen auch regierungsnahe Gruppen für die Aufnahme ihrer Themen werben. Um die Dringlichkeit und die Wichtigkeit des Themas zu unterstreichen und um eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, versuchen die Themeninitiatoren, einen Teil der Funktionseliten einer Gesellschaft einzubeziehen. Dies geschieht wiederum nicht über die Öffentlichkeit, sondern eher durch formelle und informelle Kontakte. In einem parlamentarischen System kann z. B. ein Minister für ein Thema gewonnen werden. Dieser lässt seine Kontakte zur Bürokratie oder anderen Ministerien spielen und das Thema diffundiert im Regierungsapparat. Nach und nach etabliert sich das Thema auf der formellen Agenda. Dabei vollzieht sich der Thematisierungsprozess unspektakulär und unauffällig. Als Strategien kommen nicht die Androhung von Sanktionen oder Gewalt in Frage, sondern eher Gegenleistung und Anreize. Die Bürokratie arbeitet Lösungsvorschläge aus, spezifiziert also das Thema, und schließlich, als letzter Schritt, wird ein Gesetz oder Programm zur Problembewältigung verabschiedet. An keinem Punkt dieses Thematisierungsprozesses ist die Öffentlichkeit involviert. Dieser Weg der Agenda-Bildung wird von Akteuren gewählt, wenn sie befürchten müssen, dass in einer öffentlichen Diskussion die ursprüngliche Problemdeutung nicht akzeptiert wird. Die öffentliche Debatte könnte dann zu einer Umdefinition führen, welche den Interessen der Initiatoren nicht entsprechen. Gerade bei technologischen und militärischen Themen ist dies ein beliebter Weg, um ein Thema zur Entscheidungsreife zu bringen, weil gerade in diesen Bereichen die Bürokratie die weitverbreitete Ansicht vertritt, dass die Öffentlichkeit nicht in der Lage ist, ein solches Problem sachgerecht zu verstehen. Zusammenfassend setzt dieser Ansatz die Themenbildung als Grundlage für politische Entscheidungen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Agenda-Bildung kann aus dieser Perspektive auch als Meinungswillensbildungsprozess bezeichnet werden, welcher in einem zweiten Schritt zur verbindlichen Entscheidung von Regierung und Verwaltung über die Verteilung begehrter Güter und Interessenskonflikten führt, wobei die letztliche Umsetzung der Entscheidung zunächst aus dem Modell ausgeklammert wird. Dementsprechend wird über Themen (Issue) die Artikulation und Aktualisierung von Erwartungen und Problemlösungsansprüchen der Gesellschaftsmitglieder geregelt. Das heißt, über Thematisierungsprozesse werden politische Entscheidungen präjudiziert, denn wenn Sachverhalte nicht thematisiert werden, fallen sie aus dem politischen Entscheidungsprozess heraus. Der Ansatz legt damit unverkennbar den Schwerpunkt auf die politische Kommunikation im Vorfeld des Entscheidungsprozesses und schon auf Grund des Kommunikationsaspektes dieses Politikmodells können an dieser Stelle weiterführende Überlegungen im Hinblick auf die Rolle der Massenmedien angestellt werden: Zuvorderst unterscheiden sich die Modelle von dem Aufmerksamkeitszyklus von Downs dadurch, dass an Themenkarrieren auf der öffentlichen Agenda mannigfaltig Akteure beteiligt sind, welche mit Thematisierungs- und Deutungsstrategien auf solche Zyklen einwirken. Cobb/Elder sehen dabei die Ressourcen der Beteiligten und die Deutung des Issues als bedeutende Variable an, die determiniert, welche Probleme auf die öffentliche 83 und politische Tagesordnung aufgenommen werden. Mit dem letzten Aspekt der Deutung von Problemen verweisen die Autoren darauf, dass Probleme in der Gesellschaft nicht gleichsam objektiv vorliegen, sondern es bedarf vielfältiger Deutungsarbeiten, bevor ein solches Thema in der Gesellschaft Karriere macht. Der Prozess der Problemdefinition wird in diesem Politikmodell als zentrale strategische Variable angesehen, um einem Zugang zur öffentlichen und zur politischen Agenda zu erlangen und so einen Einfluss auf die nachfolgenden Politikinhalte zu erreichen. Dieser Kommunikationsprozess wird dabei im Vorfeld politischer Entscheidungen als Auseinandersetzung über verschiedene Deutungsrealitäten verstanden. Die beteiligten Akteure (auch korporative) beobachten ihre Umwelt und konstruieren jeweils eigene Realitätsbeschreibungen in Form von Problemdefinitionen, welche, folgt man Cobb/Elder, mit dem jeweiligen Wertesystem und den materiellen Interessen des Akteurs zusammenhängen. Gleiche soziale Sachverhalte werden auf Grund von divergierenden Wertvorstellungen unterschiedlich betrachtet und können dementsprechend unter ganz verschiedenen Beschreibungen aufgearbeitet werden. Das fängt bei der Problematisierung an und geht weiter mit Kausalattributierung: Für den einen sind hohe Benzinpreise ein Problem, für den anderen ein vernünftiges Mittel zur Schonung der Ressourcen und damit geradezu unproblematisch. Selbst wenn zwei Parteien die Benzinpreise als problematisch anerkennen, kann es immer noch divergierende Vorstellungen, beispielsweise über die Verursacher, geben: Ist es die Bundesregierung mit der Ökosteuer oder sind es die Ölkonzerne? Je nachdem, welche Problemdeutung akzeptiert wird, ergeben sich unterschiedliche Lösungsoptionen und selbst darüber kann es selbstverständlich unterschiedliche Auffassungen geben. Wenn die Ökosteuer als Ursache ausgemacht ist, soll man die Kilometerpauschale erhöhen oder einen Heizkostenzuschuss gewähren? So können unterschiedliche Sachverhalte mit Werten belegt und mit weiteren Annahmen verbunden werden - etwa mit unterschiedlichen Kausalanalysen sowie Verantwortungszuschreibungen - und führen dadurch zu unterschiedlichen Handlungsempfehlungen. Daher entscheiden diese Deutungen mit darüber, welche Ressourcen, Interessen und Akteure wichtig werden. Probleme sind aus dieser Perspektive nicht objektiv gegeben, sondern gesellschaftlich konstruiert. Die Autoren drücken das in einem späteren Aufsatz so aus: „Policy problems are not simply givens, nor are thea matters of the facts of a situation, thea are matters of interpretation and social definition“ (Cobb/Elder 1983, 172). Insofern hängen die Probleme, die in der Gesellschaft generiert werden, einerseits von den grundlegenden Wertevorstellungen der jeweiligen Gesellschaft und andererseits von divergierenden Wertmaßstäben, welche sich in Konflikten über Probleme manifestieren, ab. Fragt man daran anschließend, welche Rolle den Massenmedien in den genannten Modellen zukommt, so ist zunächst anzunehmen, dass die Massenmedien an der Problemwahrnehmung in der Gesellschaft schon sehr früh beteiligt sind: Neben anderen Institutionen, wie etwa Familie, Kirchen, Schulen, Peer-Groups, gehören die Massenmedien zur zentralen Vermittlungsinstanz für Lebensstile, Anschauungen und Wertorientierung. Wenn die Problemwahrnehmung anfänglich im Allgemeinen auf den Wertprämissen der Gesellschaft und im Besonderen der Individuen und korporativen Akteure beruht, dann prägt die massenmediale Berichterstattung die Problemwahrnehmung indirekt, weil sie sozio-kulturelle Deutungsmuster zur Verfügung stellt, mit welchen Probleme wahrgenommen und gedeutet werden können. Dass den Massenmedien eine solche 84 Funktion zukommt, belegt - wenn auch methodische und theoretische Defizite beklagt werden - die Kultivationsforschung (Gerbner/Gross 1976; Gerbner/Gross/Signorielli 1986; Holtz-Bacha 1990). Folgt man diesem Forschungszweig, dann besteht ein enger Zusammenhang zwischen der massenmedialen Berichterstattung der Formation und dem Wandel politischer Weltbilder, Denkweisen und insbesondere Wertorientierungen. Den Massenmedien kommt im Modell der politischen Agenda-Bildung aber auch eine sehr direkte Funktion zu, weil sie Probleme und Problemdefinitionen an die Akteure des politischen Entscheidungssystems herantragen. Dabei können die publizistischen Massenmedien zunächst als Vermittler von Problemen und Deutungen, die in den politischen Prozess integriert werden sollen, fungieren. Massenmedien beobachten ständig die soziopolitische Umwelt, können so Themen über die gesellschaftliche Entwicklung und die soziale Lage der Bevölkerung aufgreifen und unter gegebenen Umständen in den politischen Prozess integrieren. Dabei können sie zunächst selbst als Problemwahrnehmer und Problemdeuter auftreten, zum Beispiel im Fall des investigativen Journalismus. In diesem Fall handeln Journalisten in der Terminologie von Cobb & Elder sozusagen als Unbeteiligte im Dienste des öffentlichen Interesses („Do-Gooders“). Insofern kann man die Massenmedien als „Alleininitiator“ bezeichnen, wobei sie dann - neben Interessensgruppen, sozialen Bewegungen und Parteien - im intermediären Prozess der Themen- bzw. Interessensvermittlung selbst einen Akteursstatus erlangen würden, indem sie die Publizitätsmöglichkeit nutzen und ihre eigenen Themen und Deutungen an das politische System herantragen (Beyme 1997, 84). In diesem Fall könnte man von einem Initiatoren- Effekt der massenmedialen Berichterstattung sprechen. Daneben können die Massenmedien unerwartete Ereignisse, wie etwa Katastrophen oder Unglücke, als Auslöser gesellschaftsweit vermitteln und damit latente Akteure, wie Gruppen der Interessenvermittlung und Interessensaggregation, mit Informationen versorgen und zur Themenbildung anregen. In diesem Falle sind sie zwar keine Alleininitiatoren, aber ohne die Massenmedien würden solche Ereignisse, insbesondere wenn sie in fernen Ländern stattfinden, möglicherweise in der Gesellschaft gar nicht wahrgenommen werden und könnten damit auch keine Resonanz auslösen. Daneben ist anzunehmen, dass die Medien auf neue gesellschaftliche Impulse reagieren und gesellschaftliche und politische Wandlungsprozesse aufgreifen und in einer spezifischen Weise deuten, die dann andere Akteure zur Thematisierung anregen. In beiden Fällen hätte die massenmediale Berichterstattung einen Auslösungs-Effekt. Sowohl beim Initiatoren-Effekt als auch beim Auslösungs-Effekt hätten die Massenmedien in der Terminologie der Agenda-Forschung einen Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die formelle Agenda des politischen Entscheidungssystems und möglicherweise einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung, welche diese Themenkarrieren wahrnimmt und weiteren Themendruck auf die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger ausübt (Policy-Agenda-Bildung). Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass Journalisten Probleme und Problemdefinitionen etablierter Akteure aufgreifen. Insofern kann man von einem Verstärker-Effekt der Massenmedien sprechen (Beyme 1994, 320f.; 1997, 83f.). Nimmt die massenmediale Berichterstattung Themen und Problemdefinitionen von Advokaten - also Akteuren, welche ohne politische Vertretungsmacht sprechen, aber Interessen von Gruppierungen vertreten, etwa Alkoholiker - auf, dann könnte man von einem advokatischen-Effekt sprechen (bereits Gusfield 1989, 432f.) Der Einfluss der Massenmedien auf die politische Agenda beruht 85 dann in beiden Begebenheiten auf der Interaktion der Massenmedien mit den Akteuren der Interessensartikulation und der Interessenaggregation. Diese Akteure setzten ihre Themen und Problemdefinitionen erfolgreich auf die massenmediale Agenda (Agenda-Bildung in den Massenmedien), welche wiederum einen Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger und gegebenenfalls einen Agenda- Setting-Effekt auf die Bevölkerung hätten, welcher Tension auf die formelle Agenda des Entscheidungssystems ausüben würde (Policy-Agenda-Bildung). Dadurch können Kampagnen dieser organisierten Interessen verstärkt werden. Aber auch in Fällen, in denen die Massenmedien Themen anderer Akteure aufgreifen, werden andere mit Demobilisierungsstrategie einen Einfluss auf die Medienberichterstattung nehmen. Die Massenmedien reflektieren dann den Widerstand der Gegenkräfte. Wenn die Massenmedien Konflikte anderer Akteure aufgreifen, d. h. Interesse an einer Streitfrage finden, so werden sie annahmegemäß dabei mitwirken, eine vorherrschende Definition eines Konfliktes zu verstärken oder zu verändern (instrumentelle Aktualisierung). Sollten die Massenmedien über Konflikte zwischen verschiedenen Parteien berichten, so kann man auch vermuten, dass sich publizistische Massenmedien über ihr Mobilisierungspotenzial dazu eignen, die Akteurskonstellationen innerhalb des Konfliktes zu beeinflussen, indem sie die o. a. latenten Akteure mit Themen und Deutungen versorgen, die diese zur Bemühung um Beteiligung am Konflikt anregen könnten. Umgekehrt könnte man sich vorstellen, dass Medien nicht nur Inklusion, sondern auch Exclusion von Teilnehmern an Konflikten bewirken, etwa durch die Konstruktion von Feindbildern. Dadurch ließen sich die internen Ressourcen von Koalitionen - konkret die Zahl der beteiligten Unterstützer - verändern. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Massenmedien bei öffentlichen Konflikten sowie Katastrophen auf jeden Fall an dem Thematisierungsprozess beteiligt sind. Denn solche Sachverhalte, wie Katastrophen und Konflikte, sind ja auf Grund ihrer potenziellen hohen Umweltrelevanz geradezu prädestiniert, als journalistische Themen in die Berichterstattung aufgenommen zu werden. Die Berichterstattung über Themen hängt also wesentlich von ihrem Konfliktgehalt und ihrer (vermuteten) Relevanz für die Gesellschaft ab. Greifen die Massenmedien schließlich Themen und Deutungen auf, die bereits auf der Regierungsagenda stehen, haben sie einen so genannten Repräsentationseffekt. Dies ist deshalb plausibel, weil ja gerade eine spezifische Leistung der Massenmedien darin besteht, die Handlungen der politischen Akteure und deren Ergebnisse zu beobachten und darüber zu berichten. Daneben versuchen Akteure des politischen Entscheidungssystems, mit Hilfe eines vielfältigen Instrumentariums der systematischen Öffentlichkeitsarbeit und des strategischen Ereignismanagement einen Einfluss auf die politische Berichterstattung zu nehmen. Daher wandert das Thema und die entsprechende Problemdefinition von der formellen politischen Agenda in die Massenmedien (Agenda-Bildung in den Massenmedien) und von dort eventuell zur Bevölkerung (Agenda-Setting) und auf die Tagesordnung anderer politischer Akteure (Policy-Agenda-Setting). In der amerikanischen Forschung ist das Modell inzwischen vielfach für die empirische Forschung adaptiert worden. Dabei konnten für die verschiedensten Themen, wie etwa Drogen, Kriminalität, Umwelt, Kindesmisshandlung, sowohl Outside-Initiative-Modelle als auch Mobilisation-Modelle spezifiziert werden (Sharp 1992; 1994; Cracknell 1993; Reich 1984). Auch in der bundesrepublikanischen Forschung wurde das Modell von Cobb et. al. inzwischen ansatzweise aufgegriffen und in ein empirisches Forschungsvorhaben 86 umgesetzt. Die Untersuchung ist für die vorliegende Arbeit aus mehreren Gründen interessant. Erstens zeigt sie, dass die theoretischen Instrumentarien, mit welchen die amerikanische Forschung operiert, auf die bundesrepublikanischen Verhältnisse übertragen werden können: Denn trotz unterschiedlicher politischer, kultureller und sozialer Strukturen verlaufen Themenkarrieren in den Massenmedien und im politischen System offensichtlich nicht fundamental anders als in den USA. Zweitens belegt die Studie, dass Probleme in der (Deutschen) Gesellschaft nicht gleichsam „naturgegeben“ vorliegen, sondern konstruiert werden und drittens verdeutlicht die Studie nochmals, dass Themenkarrieren in den Massenmedien und im politischen System mit komplexen Methoden und verschiedenen Zeitabschnitten analysiert werden müssen. Anhand des öffentlichen Konfliktes um das Grundrecht auf politisches Asyl in den Jahren 1990 bis 1994 untersuchte Koopmans den Zusammenhang zwischen massenmedialer Kommunikation, Protest in Form von Gewaltanschlägen und Entscheidungen auf der politischen Agenda (zum Folgenden Koopmans 1996, 167 f.). Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob das Thema von der politischen Elite inszeniert wurde (Top-Down-Modell) oder aber, ob die Bevölkerung das Thema auf die politische Agenda gesetzt hat (Bottom-Up-Modell). Methodisch arbeitet der Autor mit aggregierten Daten zur Problemlage (operationalisiert über die monatliche Entwicklung der Asylbewerberzahlen), zur Debatte in den Massenmedien (Äußerungen zur Asylpolitik in der Presse), Protestereignisse (Gewalttaten gegen Asylbewerber) und politische Entscheidungen (Beschlüsse zur Asylproblematik). Nach einer rein deskriptiven Analyse ging Koopmans zunächst von einem Modell aus, in dem die politische Elite das Thema initiiert hat. Die öffentliche Debatte in den Massenmedien wurde im Untersuchungszeitraum merklich von der politischen Elite beherrscht. Über 70 Prozent aller Äußerungen zu dem Thema stammten von etablierten politischen Institutionen wie Parteien oder Regierung. Forderungen aus der Bevölkerung nach einer Einschränkung des Asylrechts wurden in den Massenmedien kaum thematisiert. Die Protestwellen gegen Ausländer, so hatte es den Anschein, gingen dem öffentlichen Diskurs in den Massenmedien nicht voran, sondern folgten der Medienberichterstattung. Die steigenden Asylbewerberzahlen wurden, so folgert Koopmans, vor allem von der politischen Elite zur Begründung der öffentlichen Debatte genommen. In der folgenden Zeitreihenanalyse mittels multivariater OLS-Regression konnte über den gesamten Zeitraum zunächst keines der Modelle bestätigt werden (siehe zu dem Verfahren Kapitel 8.1.). Erst als Koopmans den Prozess in zwei unterschiedliche Zeitphasen differenzierte, zeigte sich ein klares Ergebnis. In der Entstehungsphase beeinflusste die massenmediale Kommunikation sowohl den politischen Entscheidungsprozess (B=.81**) als auch die Gewalt gegen Asylbewerber (B.=72***). Auf Grund der deskriptiven Analyse folgert Koopmans daraus, dass in der Entstehungsphase die etablierten politischen Akteure den Anstoß zur Themenkarriere gaben, mithin ein Top- Down-Modell spezifiziert werden konnte. In der darauf folgenden Phase verlor die politische Elite hingegen die Kontrolle über die Thematisierung und die Protestereignisse bestimmten die Themenkarriere in den Massenmedien. Nicht nur die Debatte in den Massenmedien wurde von den Protestereignissen stark beeinflusst (B=.51**), sondern auch die asylpolitischen Entscheidungen (B=.62***), was auf ein Botton-Up-Modell schließen lässt. Denn erst die zunehmende Gewalttätigkeit gegen Asylbewerber führte zu einem hinreichenden Parteikonsens zugunsten restriktiver Grundgesetzbestimmungen. Diese 87 empirischen Ergebnisse verweisen darauf, dass für die Analyse von Thematisierungsprozessen solche Modelle weiter differenziert werden müssen. Offensichtlich wechseln sich die Top-Down- und Botton-Up-Prozesse innerhalb einer Themenkarriere ab. Insofern können solche abstrakten Modelle für die Forschung zunächst nur grobe Anhaltspunkte sein und müssen für die empirische Forschung konkretisiert und mit den entsprechenden Methoden untersucht werden. Außerdem ergab die Analyse, dass die öffentliche Debatte nicht mit der realen Entwicklung der Asylbewerberzahl zusammenhängt. Zwischen Asylbewerberzahl, massenmedialer Kommunikation, Protesten und politischen Entscheidungen konnte kein Zusammenhang gefunden werden. Auch verweist der Autor auf die Tatsache, dass bis zum Anfang des Untersuchungszeitraumes sehr viel mehr Aussiedler in die Bundesrepublik eingewandert sind, dies aber keine öffentliche Aufmerksamkeit erregen konnte (Koopmans 1996, 173). Koopmans folgert daraus: „Dieser Befund bestärkt die in der Literatur über soziale Probleme vertretene konstruktivistische Perspektive, die betont, daß soziale Probleme weitgehend im diskursiven Prozeß generiert werden und manchmal marginal auf die Entwicklung ‚objektiver’ Problemlagen zurückzuführen sind“ (Koopmans 1996, 188). Was hat die Forschung zusammenfassend für die Fragestellung dieser Arbeit - die Funktion der Massenmedien bei der Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger - erbracht? Zunächst verweist dieses Politikmodell darauf, dass Probleme nicht objektiv vorliegen, sondern offensichtlich in einem (gesellschaftlichen) Deutungungsprozess erarbeitet werden. Solche Deutungsprozesse sind von einer Konkurrenz zwischen verschiedenen Problemerklärungen geprägt, in welche die unterschiedlichen „Weltsichten“ der beteiligten Akteure eingehen, welche letztlich aus divergierenden Wertemustern zurückzuführen sind. Aus diesem Grund werden die publizistischen Massenmedien erwartungsgemäß bereits sehr früh an dem Prozess der Problemwahrnehmung beteiligt sein: Die Massenmedien sind eine - insbesondere angesichts des beschriebenen Bedeutungsverlustes tradierter Integrationsinstitutionen wie beispielweise die Gewerkschaften, die Kirche oder die Familie - wesentliche Vermittlungsinstanz für Weltbilder, Lebensanschauungen, Wertorientierungen und stellen so soziokulturelle Deutungsmuster zur Verfügung, mit denen dann Probleme wahrgenommen und gedeutet werden. Weiterhin hat die Forschung gezeigt, dass an dem Agenda-Bildungsprozess über die Massenmedien vielfältige Akteure (Sozialdimension) beteiligt sind, etwa soziale Bewegungen, Verbände, Parteien etc. Außerdem sind die beschriebenen Modelle, wie verdeutlich wurde, anschlussfähig an die Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaft und können diese ergänzen. Das Outside-Initiativ-Modell erläutert einen Prozess der Problemwahrnehmung, in dem Gruppen außerhalb des formellen Regierungssystems einen Missstand artikulieren und versuchen, das Problem an andere Gruppen in der Gesellschaft heranzutragen, damit es einen Platz auf der öffentlichen Agenda erhält. Der Zugriff auf die formelle Agenda erfolgt über die Erweckung öffentlicher Aufmerksamkeit in den Massenmedien. In einem solchen Modell können die Massenmedien zunächst als Vermittler der Problemwahrnehmung anderer Akteure fungieren. Dabei werden annahmegemäß diejenigen Gruppen mit ihrer Thematisierungsbemühung in den Medien zum Zuge kommen, welche die meisten Ressourcen zur Verfügung haben. Sollten die publizistischen Massenmedien ausschließlich die Probleme und Problemdefinitionen externer etablierter Akteure aufnehmen, haben sie 88 einen klassischen „Verstärkereffekt“. Wenn die Massenmedien Themen von Advokaten aufgreifen und diese an die Tagesordnung des formellen Entscheidungssystems herantragen, könnte man von einem „advokatischen Effekt“ sprechen. Die Wirkung der massenmedialen Berichterstattung auf die politische Tagesordnung resultiert dann in beiden Fällen aus den erfolgreichen Thematisierungsbemühungen externer Akteure: Diese Akteure setzen ihre Themen in die Berichterstattung (Agenda-Bildung in den Massenmedien), welche einen Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die formelle Agenda des Entscheidungssystems hat und unter Umständen einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung, welche den enstprechenden Themendruck auf die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger verstärken kann (Policy-Agenda-Bildung). Außerdem ist anzunehmen, dass die Massenmedien selbst ihre soziopolitische Umwelt beobachten und ständig nach Problemen absuchen. Von daher könnte den publizistischen Massenmedien auch ein „Initiator-Effekt“ zukommen, wenn sie selbst als Initiator von Thematisierung tätig werden. Dies wäre beispielweise im Bereich des investigativen Journalismus denkbar. In diesem Fall beginnt die entsprechende Themenkarriere in den Massenmedien, welche in der Folge einen Policy-Agenda-Setting auf die formelle Tagesordnung des politischen Entscheidungssystems produziert und eventuell von der Bevölkerung wahrgenommen wird, welche wiederum Druck auf die Agenda der politischen Entscheidungsträger ausüben (Policy-Agenda-Bildung). Massenmedien können schließlich noch einen „Auslösungseffekt“ besitzen, wenn sie unerwartete Ereignisse aufgreifen sowie gesellschaftliche und politische Wandlungsprozesse und damit externe Akteure zur Themenbildung anregen. In beiden Fällen würde das Thema zunächst hoch auf der massenmediale Agenda stehen, woraufhin ein Policy-Agenda-Setting auf andere politische Akteure und ein Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung beobachtet werden müsste, welche entsprechende Themen an die politischen Entscheidungsträger herantragen. Im Top-Down-Ansatz wird dagegen die Rolle der politischen Entscheidungsträger betont, die gesellschaftliche Tatsachen deuten und als politisches Problem begreifen. Dementsprechend charakterisiert das Mobilization- sowie das Inside-Access-Modell eine Situation, in der die politische Elite das Thema inszeniert hat. Im Mobilization-Modell wird für das Problem weitere Unterstützung aus Teilen der Öffentlichkeit benötigt. Deshalb wandert das Thema von der formellen auf die massenmediale Agenda. Da einerseits die publizistischen Massenmedien die Aktivitäten auf der formellen Tagesordnung beobachten und andererseits die politischen Akteure aus dem Zentrum des politischen Entscheidungssystems versuchen, ihre Themen in die massenmediale Berichterstattung zu lancieren, ergibt sich auch ein „Repräsentations-Effekt“, wenn die politischen Themenprioritäten der formellen Agenda in den Massenmedien repräsentiert werden (Agenda-Bildung in den Massenmedien) und darauf folgende auf der Tagesordnung der Bevölkerung steht (Agenda-Setting) und anderen gesellschaftlichen Gruppen stehen würde (Policy-Agenda-Setting). Das Inside-Access-Modell beschreibt ein Muster der „Agenda- Bildung“, in dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Vorschläge entstehen in der Regierung oder in Gruppen, die der Regierung nahe stehen. Wie die Forschung zeigt, dürften diese Modelle in der Realität nur selten in Reinform auftreten. Dennoch erlauben sie es, Grundmuster im Thematisierungsverlauf zu bestimmen und können so für die empirische Forschung im Zusammenhang von Massenmedien und Politikinhalten sehr nützlich sein. Allerdings können sich Top-Down- und Bottom-up- 89 Phasen in einer Themenkarriere ablösen. Daher sind solche Modelle für die empirische Forschung komplexer zu gestalten, müssen in unterschiedlichen Zeitabschnitten sowie mit den entsprechenden Methoden untersucht werden. Der Ansatz der politischen Agenda-Bildung geht über den Aufmerksamkeitszyklus von Downs hinaus, indem er konkrete Akteure benennt, welche auf solche Zyklen Einfluss nehmen. Offensichtlich wirken Akteure der Interessensartikulation und Interessensaggregation mit vielfältigen Thematisierungs- und De-Thematisierungs- sowie Deutungsbemühungen auf solche Aufmerksamkeitszyklen ein. Das erklärt auch, warum im Lauf einer Themenkarriere unterschiedliche Deutungen zu einem Thema produziert, Themenkarrieren in den Massenmedien unterbrochen und verlängert werden können. Denn politische Akteure versuchen, ihre Themen und Problemdefinitionen in die massenmediale Berichterstattung zu lancieren und auf andere in ihrem Sinne einzuwirken. In der (politischen) Agenda-Bildungs-Forschung wird die „Konstruktion“ von politischen Problemen folglich als strategische Aktivität von sozialen Akteuren angesehen. Entsprechend haben die politischen Probleme die größte Chance, auf die massenmediale und auf die formelle Agenda aufgenommen zu werden, welche die größten Machtressourcen hinter sich haben. Bei diesem Erklärungsmuster, welches letztlich auf ökonomische und soziale Bedingungen, Machtkonstellationen, Organisationsfähigkeit u. ä. abstellt, bleiben namhafte Teile von Agenda-Bildungs-Prozessen unerklärt, weil Probleme Politiken entstehen lassen können oder zumindest doch mitzugestalten vermögen, welche ganz unabhängig von etwaigen partiellen Interessen entwickelt werden. So sind an der politischen Kommunikation über die Massenmedien noch andere Akteure jenseits der Dimension Machterhalt/Machterwerb (Parteien) und interessensgeleiteter Kommunikation (Verbände, Soziale Bewegungen) auszumachen, welche nicht den Anspruch haben, Interessen zu verfolgen, wie etwa die Wissenschaft. Daneben bleibt noch zu fragen, ob nicht strukturelle-institutionelle Faktoren und nichtintentional wirkende Mechanismen eine Rolle bei solchen Thematisierungsprozessen über die Massenmedien spielen. Beispielsweise haftet Themenkarrieren ein hohes Ausmaß an Unsicherheit an, weil andere Themen, etwa durch unvorhersehbare Ereignisse, an Wichtigkeit gewinnen (Pfetsch 1994). Damit wird ein weiterer wichtiger Aspekt angesprochen. Themenkarrieren über die Massenmedien sind stets situations- und kontextabhängig. Mit den gerade genannten Aspekten beschäftigt sich das nachstehend darzustellende Modell der öffentlichen Arenen von Hilgartner/Bosk (Hilgartner/Bosk 1988, 35). 5.3 Massenmedien und das „Modell der öffentlichen Arenen“ Stephen Hilgartner und Charles Bosk setzen zunächst am Modell von Downs an und kritisieren zwei Punkte des Phasenmodells wie folgt: Es tendiere erstens zu einer hohen idealisierenden Beschreibung der geordneten Phasen. Da in der Wirklichkeit viele Probleme gleichzeitig existieren und das Schema des Verlaufes der verschiedenen Probleme von einer zur nächsten Phase stark variiert, könne man den Anspruch eines typischen Verlaufes nicht erheben. Zweitens verhindere der Blick auf den typischen Verlauf eines Problems eine Analyse, weil dabei die Interaktion zwischen den verschiedenen Problemen verdeckt wird. 90 Diese seien aber zentral für den Prozess der Definition von Problemen in der Gesellschaft, weil Probleme immer in Relation zu anderen Problemen gesehen werden müssen. Auf der Grundlage des symbolischen Interaktionismus entwerfen die Autoren ein Modell, das den zyklischen Verlauf von Problemen mit einschließt, in dem aber ”(...) a social problem exists primarily in terms of how it is defined and conceived in society (...)” (Blumer 1971, 300). In dieser interaktionistischen Sichtweise gibt es keine objektive Realität, sondern alle Versionen dieser Realität werden gesellschaftlich kreiert. Die Prozesse der Konstruktion und symbolischen Vermittlung von Realität spielen dabei eine zentrale Rolle. Blumer weist zu Recht darauf hin, dass potenziell eine unbegrenzte Zahl von Problemlagen angenommen werden kann. Tatsächlich wird aber nur ein Bruchteil dieser Sachverhalte als problematisch und bedeutungsvoll angesehen. Ob ein Sachverhalt als problematisch gekennzeichnet wird, bestimmt sich demnach nicht aus einer dem Problem inhärenten Qualität, sondern ausschließlich aus einem kollektiven Deutungsprozess: ”Der Prozeß der kollektiven Definition bestimmt den Verlauf und das Schicksal sozialer Probleme und zwar vom Beginn ihres Auftretens bis zu dem wie immer gearteten Endpunkt. Ihr Dasein liegt fundamental nicht in einem angeblichen Bereich sozialer Mißstände, sondern in diesem Prozeß der kollektiven Definition” (Blumer 1973, 155). Das Modell besteht aus sechs wichtigen Elementen, die nachfolgend kurz vorgestellt werden sollen. Erstens betont das Modell die Konkurrenz zwischen der großen Anzahl von Sachverhalten, die zu einem öffentlichen Problem werden könnten. Nur wenige dieser Sachverhalte erhalten einen gehobenen Status und treten in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Dabei hängt der Erfolg eines Problems, wie bereits oben erwähnt, nicht von seiner objektiven Voraussetzung ab, sondern von einem hoch selektiven Prozess, in welchem das Problem mit anderen Problemen um die öffentliche Aufmerksamkeit und um soziale Ressourcen konkurriert: Verschiedene Akteure versuchen, mit ihren spezifischen Ressourcen ihr jeweiliges Problem in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte zu tragen. Dabei handelt es sich um politische Akteure, z. B. soziale Bewegungen, Politiker und Interessensgruppen. Aber auch Akteure, denen keine politischen Absichten unterstellt werden können, sind an diesem Prozess beteiligt, beispielsweise Wissenschaftler oder Filmproduzenten (Hilgartner/Bosk 1988, 57). Da eine Problemwahrnehmung nur eine spezifische Interpretation der Realität aus einer Vielzahl von möglichen Interpretationen ist, konkurrieren diese Akteure um die jeweilige Anerkennung ihrer Problemdefinition. Eine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Problemen und Problemdefinitionen spielt sich deshalb auf zwei Ebenen ab: Erstens konkurrieren verschiedene Probleme um die öffentliche Aufmerksamkeit und zweitens gibt es eine Konkurrenz um verschiedene Problemdefinitionen zu einem Problem (Hilgartner/Bosk 1988, 57). Zweitens wird die Rivalität um Probleme und Problemdefinitionen in „institutional arenas“ ausgetragen. Unter Arena wird in diesem Modell ein relativ geschlossener institutioneller Kontext verstanden, in dem Probleme behandelt werden und Auseinandersetzungen über Problemdefinitionen ausgetragen werden. Diese Arenen können die Gerichte, die Massenmedien, die Verbände, Sozialbewegungen, die Wissenschaft oder religiöse Gruppen etc. sein (Hilgartner/Bosk 1988, 59). In diesen Arenen wird das Problem aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert, selektiert und definiert. Drittens haben diese „institutional arenas“ eine limitierte „Aufnahmekapazität“. Die Aufnahmekapazität der Arenen wird vor allem durch die institutionellen Organisationen 91 eingegrenzt. Bei den publizistischen Massenmedien z. B. durch die Größe der Kolumnen oder die begrenzte Sendezeit des Fernsehens. Aber nicht nur die Aufnahmekapazität der Institutionen ist begrenzt, sondern auch die Kapazität der die Probleme definierenden Akteure. Die sozialen Bewegungen z. B. haben nur ein begrenztes Mobilisierungspotenzial und die Mitglieder des Bundestages nur ein begrenztes Zeitbudget. Diese begrenzte Aufnahmekapazität der Institutionen und Akteure hat zwei weitreichende Konsequenzen: Erstens ist die Anzahl der zu behandelnden Probleme eingegrenzt. Das hat zur Folge, dass alle Probleme um einen Platz auf den öffentlichen Agenden konkurrieren. Zweitens können neue Probleme nur behandelt werden, wenn alte fallen gelassen werden. Das heißt, der Aufstieg eines Problems ist mit dem Verfall eines anderen Problems verbunden oder die Aufnahmekapazität der Agenden erweitert sich. Viertens haben alle Arenen bestimmte Selektionskriterien, nach denen bestimmte Probleme ausgewählt werden. Für die massenmediale Arena wurden beispielsweise im letzten Teil dieser Arbeit die persönlichen Vorstellungen der Journalisten, die Produktionsbedingungen der Massenmedien sowie die Nachrichtenwertfaktoren, welche die Selektionsentscheidungen steuern, spezifiziert. Der Erfolg von Akteuren und ihren Problemdefinitionen in der Öffentlichkeit hängt davon ab, ob sie sich diesen Spielregeln anpassen oder nicht. Generell haben soziale Probleme, die dramatisiert werden, eine größere Chance, die Selektionsfilter der Arenen zu passieren. Dementsprechend versuchen die Akteure, ihr jeweiliges Problem zu dramatisieren. Dies gelingt am besten durch Symbole, mit denen sich das Publikum identifizieren kann. Diese Symbole müssen ständig erneuert werden, weil das Publikum nach einiger Zeit gesättigt ist. Diese Sättigung ist auf zwei Ebenen anzutreffen. Zum einen, wenn die Akteure gleichzeitig zu einem Problem Material anbieten. In diesem Fall wird die Öffentlichkeit überschwemmt und der Wert des Dramas fällt. Zum anderen kann auch das „Bombardieren“ der Öffentlichkeit mit der gleichen Nachricht ein Problem dedramatisieren (Hilgartner/Bosk 1988, 63). Die Selektionskriterien aller institutionellen Arenen sind ebenfalls - dieses Argument wurde schon bei Downs und bei Cobb/Elder angeführt - durch die Wertemuster einer Gesellschaft bestimmt. Probleme, die mit diesem Wertemuster kompatibel sind, haben eine größere Chance, öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Vor allem gilt dies für Probleme, die sich mit einem tiefen mystischen Thema, das in der Gesellschaft verankert ist, verbinden lassen. Der politische „bias“ grenzt die Möglichkeit der Themenwahl in den Arenen ebenfalls ein: Probleme, die aus diesen akzeptierten Diskussionsgegenständen herausfallen, d. h. den politischen Ideenströmen nicht entsprechen, haben kaum eine Chance, öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Abgesehen von diesen generellen Selektionsprinzipien hat jede Arena ihre eigenen Selektionskriterien. Fünftens sind die Interaktionen zwischen den Arenen ein weiteres wichtiges Element des Modells: Soziale Netzwerke und institutionelle Verbindungen produzieren ein „Feed-back“ zwischen den öffentlichen Arenen. Von den vielfältigen Möglichkeiten wurden im Hinblick auf die publizistischen Massenmedien bereits einige Beispiele angeführt: So haben die Parteien und ihre Öffentlichkeitsabteilungen ein Interesse daran, ihre Themen und Problemdefinitionen in den Massenmedien zu platzieren. Diese sind wiederum auf Informationen der Öffentlichkeitsabteilungen angewiesen. Ebenso wirkungsvoll können aber auch Verknüpfungen auf der individuellen Ebene sein. Ein Politiker gibt zum Beispiel in einem Hintergrundgespräch Informationen an einen Journalisten weiter. Dadurch 92 wandert ein Thema von der politischen Arena in die Arena der Massenmedien. Auch die andere Richtung ist durchaus denkbar. Nämlich, dass ein Thema über die Medien auf die politische Agenda gelangt, da die Politiker und deren Pressestellen die Medien ständig beobachten: zum einen, weil die Medien als Ersatzindikator für die Bevölkerungsmeinung fungieren und zum anderen, weil sie über ihre Agenda-Setting-Funktion Themen in die Bevölkerung setzen kann, dadurch Bevölkerungsmeinung erzeugen und verändern kann. Auf der anderen Seite kann auch die Zusammenarbeit von investigativen Reportern und Politikern dazu führen, dass ein Thema auf die politische Agenda gelangt. Cook et al. (1983) können belegen, dass nicht ein veröffentlichter Bericht dazu führte, dass ein Thema auf die politische Agenda aufgenommen wurde, sondern dass die aktive Kooperation zwischen den Journalisten und Regierungsmitgliedern in der Phase vor der ersten Publikation dafür verantwortlich war. Dadurch haben Probleme, die in einer öffentlichen Arena verstärkt an Aufmerksamkeit gewinnen, eine starke Tendenz, sich auch in den anderen Arenen auszubreiten. Eine kleine Anzahl von sehr erfolgreichen sozialen Problemen tendiert so dazu, den meisten Platz in einem Großteil der Arenen einzunehmen. Sechstens sind schließlich das letzte zentrale Element des Modells - darauf haben bereits Cook/Skogan verwiesen - die entsprechenden Policy-Netzwerke, die sich um zentrale Politikfelder wie Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik, Außenpolitik etc. bilden. In diesem Netzwerk von staatlichen und nicht staatlichen Akteuren bilden sich formelle sowie informelle Kommunikationsstrukturen heraus, die ebenfalls einen starken Einfluss auf die Genese eines Problems haben. Als Beispiel führen die Autoren explizit das Politikfeld Umwelt an: In den Vereinigten Staaten ist der übliche Verhandlungsrahmen von Umweltschutzinhalten ein problemspezifisches Policy-Netzwerk aus Senat, Administration, Wissenschaft und Umweltverbänden. Themen diffundieren von dort in andere öffentliche Arenen, wodurch die Aufmerksamkeit für das Problem in der Gesellschaft selbstverständlich potenziert wird (Hilgartner/Bosk 1988, 69) „The departments and the professionals who work 'in’ them can come to ‘own’ their problem areas, acting as gatekeepers, who exert great control over the interpretation of situations and conditions demed to fall under their jurisdicition (...)“ (Hilgartner/Bosk 1988, 68). Wie auch schon das Modell zur politischen Agenda-Bildung wird in diesem Ansatz der Konstruktionsprozess, in welchem soziale Probleme durch Kommunikation relevant für die Gesellschaft werden und auf die öffentliche Tagesordnung gelangen, in den Mittelpunkt gestellt. Allerdings wird in der Agenda-Bildungs-Forschung die Konstruktion von sozialen Problemen primär als strategische Aktivität von politischen Akteuren angesehen. Der eigentliche Verlauf von (massenmedialen) Kommunikationsprozessen im Vorfeld politischer Entscheidungen wird auf der Basis von wohlbedachten Interessen der Akteure rekonstruiert, also als logisches Ergebnis strategisch-instrumenteller Absichten der Beteiligten. Dementsprechend haben die sozialen Probleme die größte Chance, öffentliche (massenmediale) Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und auf die politische Agenda aufgenommen zu werden, welche die größten Machtressourcen hinter sich haben. Die Selektivität für spezifische soziale Probleme ist in diesem Fall auf ein Muster ungleicher Teilnahme- bzw. Einflusschancen zurückzuführen. In der Blickrichtung des „Public Arena- Modell“ werden hingegen einerseits eher strukturelle und institutionelle Bedingungen sowie andererseits nichtintentional wirkende Mechanismen betont. Probleme werden, folgt man diesem Modell, in einem komplexen Prozess generiert, an dem unterschiedliche Arenen auf 93 mehreren Ebenen beteiligt sind, welche die Gestaltung der öffentlichen Tagesordnung als sehr „flüssig“ oft dem Zufall übertragen erscheinen lassen. Probleme konkurrieren mit anderen Problemen in unterschiedlichen Arenen, welche divergierende Selektionsmechanismen haben und durch soziale Netzwerke sowie institutionelle Verbindungen vielfältig miteinander verschmolzen sind. Modelle, welche die Rolle der massenmedialen Kommunikation in einem solchen Prozess bestimmen möchten, müssen beachten, dass die einzelnen Arenen durch ein Reihe von reflexiven Einflussbeziehungen auf unterschiedlichen Ebenen in einem komplexen, wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen: Der Kanzler spricht mit einem Journalisten, gleichzeitig gibt das Bundespresseamt eine Mitteilung heraus, um ein Thema auf die massenmediale Agenda zu setzen. Der Journalist mag schlecht geschlafen haben und nimmt ein anderes Thema wahr, das Fax der Redaktion hat kein Papier, die Pressemitteilung wurde vom Volontär verbummelt. Gleichzeitig hat der Chefredakteur in einem Gespräch mit dem Postboten ein neues Thema gefunden, welches am nächsten Tag den Kanzler zu einer Reaktion zwingt, wie etwa die Klärung des Sachverhaltes durch eine Expertenkommission, worauf die Opposition reagiert und mit einem Verband spricht und so weiter und so weiter. In einem solchen komplexen Prozess erlangen einige Probleme öffentliche Aufmerksamkeit und andere nicht. Dadurch sind Themenkarrieren auf der öffentlichen Agenda und ihre Auswirkungen auf die politischen Entscheidungsträger nicht exakt vorherzusagen. Eine kurze Meldung über die Tötung eines Kindes durch einen Kampfhund kann eine enorme Resonanz auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems auslösen, während eine lange Reportage über Kindesmissbrauch in Familien gleichsam im Sande versickert. Das mag daran liegen, dass die aktuelle Themenkonkurrenz günstig oder nicht günstig war, dass zufällig ein Politiker mit einem Journalisten gesprochen hat oder auch nicht, dass die Ehefrau des Kanzlers über den Sachverhalt empört war oder auch nicht. Offensichtlich ist nur, dass aus den genannten Gründen heraus Themenkarrieren in den Massenmedien und ihre Auswirkungen auf die politischen Entscheidungsträger nur schwer zu kalkulieren sind. Damit setzen die Autoren ihren Ansatz einerseits von Modellen, welche diesen Prozess linear und deterministisch erklären wollen, zum Beispiel der Aufmerksamkeitszyklus, ab. Das Modell bezieht einen „Lebenslauf“ von Problemen mit ein, geht aber davon aus, dass sich immer Faktoren spezifizieren lassen, die auf diesen Lebenslauf Einfluss nehmen. Das können andere Probleme mit ihrem Lebenslauf sein und Akteure, die versuchen, ihr Problem zu „framen“ oder die gegenwärtige Kapazität der Arenen etc. Andererseits von dem Modell der politischen Agenda-Bildung, indem die Generierung von öffentlichen Themen von ihrem engen Bezug auf Interessen abgelöst und strukturelle sowie institutionelle wirkende Mechanismen hervorgehoben werden: Die öffentliche Sphäre wird nicht als leerer Raum verstanden, welchen unterschiedliche Akteure zu besetzen versuchen, sondern als strukturiertes Feld aus Arenen mit gemeinsamen sowie eigenen Selektions- und Verarbeitungsmechanismen. So sind die Selektionskriterien aller institutionellen Arenen zunächst durch die grundlegenden Wertemuster einer Gesellschaft bestimmt, weil die unterschiedliche Arenen - Massenmedien, politische Parteien, Verbände etc. - selbstverständlich an dem Wertesystem einer Gesellschaft gebunden sind. Daneben haben alle Arenen ihre eigenen Selektionskriterien. Diese Selektoren der Arenen wirken sowohl auf die Sozial- als auch auf die Sachdimension. Bestimmten Akteuren wird in bestimmen Arenen Aufmerksamkeit gewidmet und spezielle Artikulationsmöglichkeiten eingeräumt. 94 Daneben gibt es strukturelle Einflüsse auf die Sachdimension: In bestimmten Arenen werden spezifische Themen abgearbeitet und auch die Art und Weise, wie die Themen gedeutet und abgearbeitet werden, ist durch die Struktur der jeweiligen Arena bestimmt. Diese „Arena Rules“ zwingen die beteiligten Akteure auf der einen Seite zum strategischen Handeln, um ihrem Thema und ihrer Themendefinition in verschiedenen Arenen Geltung zu verschaffen, und auf der anderen Seite wirken diese Selektoren strukturierend. Durch sie ensteht aus dem oben beschriebenen Chaos eine Ordnung, es entsteht ein Muster aus dem Zufälligen: Für die massenmediale Arena wurden die Nachrichtenwertfaktoren, die individuelle Einstellung der Journalisten sowie die Produktionsbedingungen nuanciert. Themen, die nicht auf die Nachrichtenwertfaktoren rekurrieren und nicht zu dem Medienformat passen, werden vermutlich nicht über die massenmediale Berichterstattung auf die politische Tagesordnung gesetzt. In den politischen Arenen werden beispielweise die technische Machbarkeit einer Problemlösung, der Haushaltszwang oder die öffentliche Akzeptanz als Selektoren dienen. Für die wissenschaftlichen Arenen schließlich werden - annahmegemäß - allein Theorien und Daten zählen. Trotz dieser Strukturierung ist der Prozess aber im hohen Maße durch Zufälle geprägt. Fragt man nach den hypothetischen Einflussmöglichkeiten der Massenmedien in einem solchen Modell, so ist anzunehmen, dass ihnen eine zentrale Stellung zukommt und dass publizistische Massenmedien an dem Konstruktionsprozess, in welchem soziale Probleme Relevanz in der Gesellschaft erhalten, maßgeblich beteiligt sind, weil offensichtlich der symbolischen Vermittlung in dem Modell eine zentrale Rolle zukommt. Da in komplexen Gesellschaften die Wahrnehmung - wie in der Forschung zum Agenda-Setting postuliert - aus Erfahrung aus naheliegenden Gründen sehr schwierig ist, wird die Wahrnehmung aus zweiter Hand beinahe schon unvermeidbar. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass viele Probleme und Deutungen über die massenmediale Kommunikation vermittelt werden. Diese These scheint plausibel, weil die Massenmedien schließlich die Vermittlung von Alltagswissen professionell betreiben und eine auf Kommunikation spezialisierte Organisation sind, welche ständig Themen bzw. Problemdefinitionen gesellschaftsweit verbreiten. Außerdem dürfte sich kaum ein Medium so gut zur Diffusion sozialer Probleme und Deutungen eignen, wie gerade die publizistischen Medien, weil sie alle anderen Arenen miteinander verbinden. Daher ist einerseits anzunehmen, dass durch die massenmediale Kommunikation andere Arenen für sie wichtige Informationen zur Verfügung stellen und so Vorschläge über Probleme und Problemdeutungen erhalten. Andererseits wird die massenmediale Arena die Themen und Problemdefinitionen aufgreifen, welche in anderen Arenen erarbeitet wurden und diese mit allgemeiner, gesellschaftlicher Aufmerksamkeit versehen. Wie bereits gesagt, konstituieren sich in modernen Gesellschaften Themen, welche von der Gesamtgesellschaft sowie vom politischen System wahrgenommen werden können, primär durch massenmediale Öffentlichkeit. Auch die in den anderen Arenen artikulierten Themen und Problemdefinitionen erreichen erst öffentliche Aufmerksamkeit, wenn sie von den Massenmedien aufgegriffen, berichtet und verstärkt werden. Daneben verweist das Modell darauf, dass die Massenmedien nicht nur Themen und Problemdefinitionen aufgreifen, welche von politischen Akteuren thematisiert werden, sondern die Massenmedien können nach diesem Modell relativ unpolitischen Akteuren ein Forum bieten, wie etwa wissenschaftlichen Zeitschriften, wissenschaftlichen Konferenzen 95 etc., und deren Themen an die Tagesordnung des politischen Entscheidungssystems herantragen. In der amerikanischen Forschung ist das Modell inzwischen vielfach aufgegriffen und für die empirische Forschung fruchtbar gemacht worden. Dabei wird insbesondere die Rolle der Massenmedien in einem solchen Arena-Modell beleuchet. Deshalb sollen die relevanten Arbeiten im Folgenden interessieren. Baumgartner und Jones (1989) (zum Folgenden Baumgartner/Jones 1989, 1994) untersuchen verschiedene Themenkarrieren - Kernkraft, Pestizide, Rauchen, Sicherheit der Autos und Sicherheit des Luftverkehrs - über einen Zeitraum von 80 Jahren in der amerikanischen Gesellschaft und beziehen sich dabei explizit auf das „Public-Arena-Modell“. Dabei geht es den Autoren insbesondere um das Zusammenspiel verschiedener politischer Arenen mit der massenmedialen Arena. Die Platzierung der Themen über den Zeitraum von 80 Jahren auf unterschiedlichen politischen Arenen wurde durch die Auswertung offizieller Protokolle, Drucksachen und Datenbanken gemessen. Die massenmedialen Arenen wurden über die inhaltsanalytische Auswertung des „Reader`s Guide“ bzw. des „New Yorker Times Index“ operationalisiert. Neben verschiedenen Problemdefinitionen zu den genannten Themen wurde noch die jeweilige Tonalität (positiv/negativ) der Dokumente festgehalten. Mit diesen Daten können die Autoren intensiv den Verlauf der genannten Themenkarrieren in der Medienberichterstattung und unterschiedlichen, politischen Arenen in den Vereinigten Staaten nachzeichnen. Dabei lässt sich für die einzelnen Themenkarrieren ein oft sehr rapider und nicht inkrementaler Wandel von Aufmerksamkeitswellen für das entsprechende Thema und für bestimmte Problemdefinitionen in verschiedenen politischen und der massenmedialen Arena aufzeigen. Als zentrale Annahmen halten die Autoren fest, dass Themenkarrieren in den Arenen und damit in der Gesellschaft durch ihre Definition und Re- Definition gesteuert werden. Der Deutungsprozess und mit ihm der Zugang zur massenmedialen und politischen Agenda der Gesellschaft werden als zentrale strategische Variable dieses Politikmodells angesehen. In diesem Deutungsprozess, das ist eine zentrale Erkenntnis, beziehen sich die unterschiedlichen Arenen mit ihren Problemdefinitionen nur selten aufeinander, vielmehr betonen die beteiligten Akteure immer nur bestimmte Aspekte eines Themas und greifen Problemdefinitionen anderer Arenen nicht auf. Eher neigen die Akteure dazu, andere „Sichtweisen“ eines Themas einfach zu ignorieren. So setzen sich in ihrem Fallbeispiel etwa die Kritiker der Tabakindustrie nicht mit dem Sachverhalt auseinander, dass dieser Industriezweig viele Arbeitsplätze zur Verfügung stellt und erheblich zum Bruttosozialprodukt der amerikanischen Wirtschaft beiträgt, vielmehr stellen sie die Gesundheitsgefährdung und damit die sozialen Kosten dieser Industrie in den Mittelpunkt. Bei den anderen behandelten Fallbeispielen - Kernkraft, Pestizide, Sicherheit der Autos und Sicherheit des Luftverkehrs - ließen sich ähnliche Mechanismen beobachten. Die Autoren folgern daraus, dass Themenkarrieren nicht etwa einem rationalen Diskurs folgen, wie es etwa normative Modelle von Öffentlichkeit postulieren, sondern durch Deutungen, welche eine breite Resonanz erzeugen können (zuerst Habermas 1962; Neidhardt 1994; 1996; 1997; Weßler 1999). In diesem Prozeß konkurrieren unterschiedliche Deutungen, welche ganz unterschiedliche Aspekte eines Themas behandeln, um die öffentliche Aufmerksamkeit. Unterschiedliche Deutungen zu einem Thema bilden so genannte Policy-Images aus. Die wichtigsten Bestandteile sind: 96 • die „Tonalität“ betrifft die Frage, ob ein Thema mit positiven oder negativen Aspekten assoziiert wird; • die Fokussierung einzelner Problemdefinitionen und die „Ausblendung“ anderer Problemdefinitionen etwa durch Kausalattributierung, d. h. die Benennung einer Ursache bzw. eines Verursachers; • die Frage, ob ein Problem auf die Verantwortung eines Einzelnen abgeschoben wird oder in den gesellschaftlichen und damit politischen Verantwortungsbereich fällt; • welche politische Institution (Arena) für die Problembearbeitung verantwortlich gemacht wird; • die Kombination von Problem und Lösungsvorschlag. Durch die Kombination der genannten Dimension in der Problemdeutung werden sogenannte „Policy-Images“ herausgebildet. Diese werden, wie bereits gesagt, als zentrale Variable angesehen: „Policy images play a critical role in the expansaion of issues to the previously apathetice“ (Baumgartner/Jones 1993, 25). Durch die Umbildung des „Policy- Images“ in den genannten Dimensionen können andere Problemaspekte in den Vordergrund gerückt, andere Zuständigkeitsvermutungen und Problemlösungen offeriert sowie die „Tonalität“ des Themas verändert werden. Den Massenmedien wird im Arena-Modell von den Autoren eine zentrale Stellung zugewiesen, weil sie quasi die Schnittstelle der Deutungsprozesse darstellen und alle anderen Arenen miteinander verbinden. „The media is also different from other arenas in that we come to know what happens in many societal via the media“ (Baumgartner/Jones 1993, 110). Dadurch, dass die massenmediale Arena die „Policy-Images“ gesellschaftsweit vermitteln, können sie die Empfänglichkeit solcher Images für unterschiedliche politische Arenen verstärken. Die Autoren zeigen an vier Fallbeispielen - Kernkraft, Pestizide, Rauchen, Sicherheit des Luftverkehrs - wie die Medien eine integrierende Rolle im politischen Prozess spielen, indem sie über eine längere Zeit unterschiedliche Problemdefinitionen in der Berichterstattung hervorheben. Die wichtigsten Befunde betreffen die Tatsache, dass die Massenmedien in einem bestimmten Zeitraum immer nur einzelne Aspekte eines komplexen Issues lancieren, aber nie verschiedene Problemdefinitionen gleichzeitig. Stattdessen lassen sich immer Aufmerksamkeitswellen für positive oder negative Aspekte eines Themas nachweisen, wobei solche Wechsel oft durch singuläre Ereignisse ausgelöst werden, völlig unabhängig vom Auftauchen neuerer Argumente oder Fakten zum entsprechenden Thema. Vier Fallbeispiele, welche die Autoren behandeln, verliefen in etwa nach dem gleichen Muster: Zuerst fokussierte die Berichterstattung die Arbeitsplätze, das Wachstum der Branche und danach sehr plötzlich die Gesundheitsrisiken, die ökologischen Schäden oder die öffentliche Sicherheit. So war Rauchen in der amerikanischen Gesellschaft lange mit einem positiven Image belegt: Rauchen wurde mit „Freiheit“, „Männlichkeit“, „Sex“ und „Lebensfreude“ in Verbindung gebracht. Zur gleichen Zeit wurden die vielen Arbeitsplätze, das Wachstum der Branche sowie das Steueraufkommen in der Berichterstattung hervorgehoben. Mitte der 60er Jahre verschob sich das Image des Rauchens ganz plötzlich. Die Berichterstattung bekam eine negative Tonalität und wurde mit der Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung in Verbindung gebracht. Mit der Veränderung des Policy-Images nahmen die staatlichen Aktivitäten schlagartig zu und es wurden andere politische Arenen in das Thema involviert. „Medien attention to government actions shifted from the USDA, Commerce Department, and trade representatives and toward the surgeon general, the Centers for Disease Control, 97 state health department officials, and other governmental officials critical of the industry“ (Baumgartner/Jones 1989, 117). Ein weiteres Beispiel ist das Thema „Luftverkehr“, welches anfangs ausschließlich unter dem Aspekt technischer Fortschritt diskutiert und mit einem positiven Image verbunden war. Ebenfalls ab den siebziger Jahren wurde das Thema mit technischen Mängeln verbunden und gleichzeitig unter ökonomischen Aspekten behandelt. Die Umdefinierung des Issues in der Medienberichterstattung hatte zur Folge, dass andere Politikinhalte zu dem Thema im Mittelpunkt des politischen Interesses standen. „As the story moved from the science pages to the business pages, governmental questions exhibited a dramatic change in focus. Whereas people expect the government to promote science, they want protection from big business“ (Baumgartner/Jones 1994, 64). Ohne an dieser Stelle weiter darauf einzugehen, ließen sich auch bei den Themen „Kernenergie“ und „Pestizide-Industrie“ dieselben Mechanismen beobachten. Die Autoren folgern daraus, dass die Medienberichterstattung vor allem durch die Betonung von bestimmten Problemdefinitionen (Ursache/Verursacher), durch die Zuweisung institutioneller Zuständigkeit sowie die Aufzeigung von Problemlösungen und nicht zuletzt durch die Veränderung des „Tonfalls“ ihrer Berichterstattung auf die Aufmerksamkeitszyklen unterschiedlicher politischer Arenen einwirkt (Sachdimension). Die Autoren sehen in den Massenmedien einen wichtigen Agenda-Setter für die politische Agenda. Die Agenda- Bildungs-Prozesse standen immer in einem engen Zusammenhang mit der Veränderung in der dominierenden Definition von „political issues“. Insofern scheinen die publizistischen Medien in diesem Prozess für eine Sonderrolle prädestiniert zu sein, weil sie solche Deutungsmuster gesellschaftsweit vermitteln. Allerdings bringen die Autoren die Daten zur Medienberichterstattung einerseits und zum politischen Handeln andererseits nicht systematisch miteinander in Verbindung (Baumgartner/Jones 1989, 103f.). Daher meiden die Autoren kausale Aussagen zwischen den Arenen. Nachfolgend soll eine Arbeit interessieren, welche auf Grund ihres methodischen Designs kausale Aussagen zwischen den Arenen zulässt. Rogers (1991) et al. sehen die Massenmedien ebenfalls als zentrale Arena des Public- Arena-Modells an (zum Folgenden Rogers et al 1991). Die zentrale Annahme gemäß dem Arena-Modell, dass die öffentliche Aufmerksamkeit eines Problems in der Gesellschaft von Interaktion der massenmedialen Arenen mit anderen Arenen sowie einer entsprechenden „Deutung“ des Themas abhängt, wollen die Autoren anhand des Thematisierungsprozesses des Problems AIDS, von Juni 1981 bis Dezember 1988, klären. Namentlich untersucht die Arbeit die Interaktionen zwischen wissenschaftlicher, politischer, medialer und öffentlicher Arena. Daneben geht in die Analyse noch das tatsächliche Ausmaß, der so genannte „Real- World-Indicator“ ein. Zunächst werten die Autoren die Berichterstattung rein deskriptiv aus, um mögliche Deutungs-Prozesse spezifizieren zu können. Als wichtigsten Befund halten die Autoren fest, dass sich die gesamte massenmediale Berichterstattung (Presse) in vier Phasen einteilen lässt, in denen die Journalisten immer nur eine Problemdeutung fokussieren, wobei dieser Deutungswandel immer auf externe Ereignisse in anderen Arenen zurückgeführt werden konnte. So wurde in der ersten Phase das Thema in der massenmedialen Berichterstattung ausschließlich unter medizinischem Aspekt aufgearbeitet. Der Auslöser dafür war offensichtlich ein Artikel in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift „Journal of the American Medicial“ im Jahr 1983, in welchem das erste Mal das Problemausmaß von AIDS ausführlich diskutiert wurde. In der 98 zweiten Phase der massenmedialen Berichterstattung ab Juli 1986 wurde das Thema plötzlich personalisiert und Menschen mit AIDS standen im Mittelpunkt der Berichterstattung. Wieder führten externe Ereignisse zum Deutungswandel in der massenmedialen Arena. Im Juli 1986 wurde bekannt, dass der prominente Filmschauspieler Rock Hudson an AIDS leidet und im August des gleichen Jahres wird öffentlich, dass ebenfalls ein 13-jähriger Schüler aus Indiana an Aids erkrankt ist. Während bis zu diesem Zeitpunkt AIDS als ein gesellschaftliches Randproblem von Homosexuellen angesehen wurde, standen nun die gesellschaftlichen Konsequenzen und Fragen nach den Rechten von AIDS-Kranken im Blickpunkt der massenmedialen Arena. Einen weiteren Deutungswandel in der Berichterstattung machen die Autoren ab Februar 1987 aus. Anlass ist diesmal offenbar eine Gesetzesinitiative des amerikanischen Präsidenten, in welcher ein AIDS-Test bei allen Patienten in Krankhäusern verpflichtend eingeführt werden soll. Diese Initiative wird von den Journalisten aufgegriffen und im Zusammenhang mit politischen Steuerungsmöglichkeiten von AIDS breit diskutiert. Auf Grund der deskriptiven Analyse vermuten die Autoren einen Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher, massenmedialer, politischer Debatte sowie der öffentlichen Meinung zum Thema AIDS. Um diese Annahme statistisch weiter abzusichern, führen die Autoren eine Zeitreihenanalyse mittels multivariater ARIMA-Modelle (Transferfunktionsmodelle) zwischen den Arenen durch und kommen dabei zu hoch interessanten Ergebnissen (zum Verfahren siehe Kapitel 8.2). Über den gesamten Zeitraum lassen sich Zusammenhänge zwischen allen Arenen nachweisen: So kann die massenmediale Arena sowohl 3,9 Prozent Varianz der wissenschaftlichen Agenda als auch 23 Prozent Varianz der öffentlichen Meinung in Form der Polling-Agenda erklären. Die Debatte in der wissenschaftlichen Arena beeinflusst die massenmediale Berichterstattung zu 16,8 Prozent und die öffentliche Meinung zu 14,3 Prozent. Die öffentliche Meinung erklärt 10,5 Prozent Varianz der Berichterstattung und 17,5 Prozent Varianz der Aufmerksamkeit, welche das Weiße Haus dem Thema zukommen lässt. Schlussendlich hat der „real world indicator“, die Zahl der gemeldeten AIDS-Fälle, noch einen erheblichen Einfluss auf die massenmediale Arena. Sie kann 28 Prozent Varianz der Berichterstattung zu dem Thema erklären. Zunächst verweisen die Ergebnisse auf ein großes Maß an Interaktion zwischen den genannten Arenen. Um möglicherweise einseitig gerichtete Effekte zwischen Arenen spezifizieren zu können, teilen die Autoren in der nun folgenden Analyse den gesamten Zeitraum, entsprechend der deskriptiven Analyse, in vier Phasen ein. Um es vorweg zu nehmen: Es lassen sich tatsächlich gerichtete Effekte belegen, wodurch der Weg des Themas zwischen den Arenen spezifiziert werden kann. In der ersten Phase (Initialphase) kann die wissenschaftliche Arena 37,5 Prozent Varianz der massenmedialen Berichterstattung erklären. Die Anzahl der gemeldeten AIDS-Fälle erklärt ihrerseits 19,5 Prozent Varianz der journalistischen Behandlung des Themas. Schlussendlich determiniert die Berichterstattung in dieser Phase noch 61 Prozent der gemeldeten AIDS-Fälle. Dieses Ergebnis mag zunächst überraschen, aber wenn man bedenkt, dass es sich zu diesem Zeitpunkt um ein neues Problem handelt, kann sich die Berichterstattung durchaus in dem beschriebenen Maße auf die Meldung von AIDS- Erkrankten auswirken. In dem zweiten Zeitabschnitt (wissenschaftliche Phase) kann die massenmediale Berichterstattung 45,9 Prozent Varianz der öffentlichen Meinung erklären, welche ihrerseits 7 Prozent der Berichterstattung erklären kann. Im folgenden Zeitabschnitt (personalisierte Phase) konnten wiederum nur Zusammenhänge zwischen massenmedialer 99 Arena und öffentlicher Meinung belegt werden: Die Berichterstattung erklärt 48 Prozent Varianz der öffentlichen Meinung, welche wiederum 17 Prozent der massenmedialen Berichterstattung erklären kann. In der letzten Phase (politische Phase) steht offensichtlich die politische Arena im Mittelpunkt der Kommunikationsprozesse: Die wissenschaftliche Debatte kann zu 7,5 Prozent und die journalistische Behandlung des Themas zu 6,4 Prozent Varianz der politischen Agenda erklären. Zusammenfassend sehen die Autoren die Ergebnisse als Beleg für ihre These, dass Thematisierungsprozesse durch unterschiedliche Deutungen und die Interaktion unterschiedlicher Arenen gesteuert werden. Dabei kommt auch beim Thema AIDS der massenmedialen Arena eine zentrale Bedeutung zu, da sie die anderen Arenen miteinander verbindet. In jeder der beschriebenen Phasen wurde überwiegend ein Deutungsmuster in den Massenmedien thematisiert und durch die jeweils neuen Informationen und neuen Interpretationen über das Thema konnte AIDS über einen so langen Zeitraum die öffentliche Aufmerksamkeit in der Gesellschaft für sich beanspruchen. Die neuen Interpretationen resultieren dabei aus der Interaktion zwischen der öffentlichen, der wissenschaftlichen, der politischen und der medialen Arena. Abschließend empfehlen die Autoren den Thematisierungsprozess anhand eines Themas über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Arenen und mit unterschiedlichen Phasen zu untersuchen, um zu einer differenzierten Betrachtung solcher Prozesse zu kommen. Wie auch schon Koopmans und die Agenda-Forschung der Kommunikationswissenschaft verweist die Studie darauf, dass Themenkarrieren in unterschiedlichen Zeiträumen und differierenden Teilöffentlichkeiten untersucht werden müssen, um die Rolle der massenmedialen Kommunikation für den politischen Agenda-Bildungsprozess aufzuschlüsseln, weil gerichtete Effekte zwischen unterschiedlichen Arenen und den Massenmedien immer nur in Teilphasen des dynamischen Prozesses zu erwarten sind. Inwieweit ist die dargestellte Forschung relevant für die Erarbeitung eines Modells, welches die Funktion der massenmedialen Kommunikation für die politischen Entscheidungsträger spezifizieren will? Hilgartner/Bosk betonen, dass nicht die „objektive“ Problemlage für den Aufmerksamkeitswert eines Problems in der Öffentlichkeit verantwortlich ist, sondern der kollektive Definitionsprozess zu dem Problem in einer Gesellschaft. Öffentlichkeit kann nach diesem Modell in mehreren Öffentlichkeitsarenen differenziert werden. Vielfältige Organisationen - etwa Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaft etc. - bilden über interne Organisations- und Mitgliederöffentlichkeiten eigene Segmente von Öffentlichkeit, welche unter gegebenen Umständen relevant für das politische System werden können. Der kollektive Definitionsprozess, durch den soziale Probleme für eine Gesellschaft relevant werden, wird durch die institutionellen Gegebenheiten dieser (Öffentlichkeits-)Arenen, in denen Themen definiert, ausgewählt und diskutiert werden, bestimmt. Die Arenen haben jeweils eigene Gesetzmäßigkeiten und Selektionskriterien, die den Zugang von Akteuren zur Arena steuern, deren Handlung reglementieren und über Zulässigkeit von Themen und die Form der Deutung entscheiden. Ein wichtiger Aspekt ist die Themenkonkurrenz, denn jede Arena hat eine begrenzte „Aufnahmekapazität“, welche die Anzahl der zu behandelnden Probleme in einer Periode begrenzt. Die Probleme konkurrieren auf zwei Ebenen: Zum einen gibt es eine Rivalität zwischen verschiedenen Problemen und zum anderen konkurrieren verschiedene Problemdefinitionen, d. h. verschiedene Deutungsmuster, zu einem Problem. Zwischen den Arenen lassen sich Interaktionsmuster auf zwei Ebenen beschreiben. Institutionen und 100 Organisationen sind auf vielfältige Art miteinander verknüpft. Darüber hinaus können ebenso Verknüpfungen auf der individuellen Ebene von Bedeutung sein. Diese Interaktionen zwischen den Arenen bewirken eine Rückkopplung. Durch die beschriebenen Mechanismen wird dieser Prozess offensichtlich höchst komplex, weil die Arenen auf unterschiedlichen Ebenen in einer wechselseitigen Einflussbeziehung stehen. Modelle, welche solche Prozesse fassen möchten, können aus diesem Grund nicht linear und deterministisch konzipiert sein, was bei der späteren Modellbildung zu beachten ist. In der empirischen Forschung, welche mit dem Modell arbeitet, wird den Massenmedien eine zentrale Stellung zugewiesen, weil sie quasi die Schnittstelle der Deutungsprozesse in der Gesellschaft darstellen. Die Forschung kann für einige Themen inzwischen einen Zusammenhang zwischen massenmedialer Berichterstattung und Resonanz im politischen System belegen. Dabei wirkt die Berichterstattung insbesondere durch die Fokussierung von Themen und Problemdefinitionen auf die Aufmerksamkeitszyklen unterschiedlicher politischer Arenen ein. Also das, was in der Agenda-Forschung als erste und zweite Ebene des Policy-Agenda-Setting bezeichnet worden ist. Inhaltlich sind dabei offensichtlich die Problemdimensionen „Problemursachen“ bzw. „Problemverursacher“, „Forderungsadressat“ und „Lösungsvorschlag“ sowie die „Tonalität“ der Berichterstattung von Bedeutung (vgl. auch Rochefort/Cobb 1993; 1994). Insofern wird der Agenda- Bildungs-Prozess über die massenmediale Kommunikation in der Sachdimension weiter konkretisiert. Dabei zeigen die empirischen Arbeiten, dass in der massenmedialen Berichterstattung immer nur wenige Problemdeutungen fokussiert werden. Insofern - und darauf wurde ebenfalls bei der Agenda-Forschung verwiesen - konstruieren die Massenmedien in ihrer Berichterstattung eine Medienrealität in zweifacher Beziehung: Zum einen selektieren sie Themen und zum anderem werden diese mit weiteren Interpretationen versehen. Gerade mit solchen Interpretationsleistungen bei Ausschluss anderer - so ist anzunehmen - tragen die Massenmedien zur Adaptivität des politischen Systems bei, weil sie eine bestimmte Sichtweise fokussieren und andere ausschließen. Hilgartner und Bosk haben ein komplexes Modell vorgestellt: Der Transformationsprozess vom Ursprung eines sozialen Problems bis hin zur öffentlichen Aufmerksamkeit ist nicht mit einem einfachen linearen Modell zu fassen. Das folgende „Garbage-Can“-Modell von Kingdon geht ebenfalls nicht von einem linearen Thematisierungsprozess aus (Kingdon 1994, 71ff.). Im Gegensatz zu Hilgartner und Bosk interessiert sich Kingdon nicht für die öffentliche Aufmerksamkeit eines Problems, sondern er geht der Frage nach, wie Probleme und Lösungsoptionen auf die Regierungsagenda aufgenommen werden. Da dies eine Frage dieser Arbeit betrifft, soll das Modell im Folgenden dargestellt werden. 5.4 Massenmedien und das „Garbage-Can-Modell“ Kingdons Forschung konzentriert sich auf die Gebiete „Gesundheit“ und „Transport“ in der Bundesregierung der USA (siehe zum Folgenden: Kingdon 1994). Als Ergebnis seiner Studie differenziert Kingdon vor dem Hintergrund eines Garbage-Can-Modells der Politik diese in drei unabhängige, ein Eigenleben führende „streams of processes“ (Problems, Policy, Politics). Komplementiert wird das Modell durch die Akteure. Diese, sei es der 101 Präsident, der Kongress, Bürokraten in der Exekutive und viele Kräfte außerhalb der Regierung (einschließlich Medien, Interessengruppen, Parteien, öffentliche Meinung und Wissenschaft), können als Quelle von Problemen oder Alternativen in Frage kommen. Diese beiden Kategorien, d.sh. die Akteure und die Prozesse, sind die Faktoren, die gemäß Kingdon auf die Aufstellung der Regierungsagenda Einfluss nehmen. Dabei unterscheidet er zwischen Themen, die ernsthaft von Akteuren in der und um die Regierung herum erwogen werden: „Governmental Agenda“ und solchen, die zu einer Entscheidung anstehen: „Decision Agenda“. So könnte das Erstellen einer Agenda, d. h. der Transfer von der Governmental-Agenda zu einer Decision-Agenda, teilweise durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit, durch einen Bericht der publizistischen Massenmedien oder durch einen Forschungsbericht usw. initiiert werden. Als mächtigsten Akteur bei der Festlegung der Agenda macht er den Präsidenten aus. Dies entspricht auch seiner verfassungsmäßigen Stellung in den USA. Ebenfalls einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Themenprioritäten der Regierung hat das Parlament. Den Einfluss von Interessengruppen sieht Kingdon überwiegend im Blockieren bestimmter Issues auf der Agenda. Jeder der oben genannten Akteure „(...) can in principle be involved in each process (problem recognition, proposal formation, and politics)“ (Kingdon 1994, 197). Im Strom der „Problems“ werden verschiedene Probleme diagnostiziert. Dies geschieht durch Indikatoren, die auf ein objektives Problem hinweisen, durch „crise“, „focusing events“, durch Rückkopplung von bestehenden Programmen oder einfach durch finanzielle Restriktionen im Budget einer Regierung. Durch diese Indikatoren werden Zustände vermittelt. Diese Zustände müssen aber darüber hinaus zu einem Problem definiert werden. Dies geschieht vor allem auf drei verschiedenen Wegen: • Zustände, die wichtige Werte verletzen, werden zu Problemen. • Zustände werden durch den Vergleich mit anderen Ländern oder anderen relevanten Einheiten zu Problemen. • Zustände werden in solche Kategorien klassifiziert, dass sie zu Problemen werden.13 Der zweite Strom besteht aus einer Gemeinschaft von Spezialisten, Bürokraten, Forschern, Interessengruppen etc., die sich auf die Erzeugung von Vorschlägen konzentrieren. Diese Akteure „have their pet ideas or axes to grind; They float their ideas up and the ideas bubble around in these policy communities“ (Kingdon 1994, 118). In einem Selektionsprozess werden dann einige Ideen oder Vorschläge ernst genommen und andere ausrangiert. Dies geschieht anhand von Kriterien wie technische Machbarkeit, Übereinstimmung mit der politischen Gemeinschaft, Akzeptanz der Öffentlichkeit oder die Situation der momentanen Haushaltslage. Diese beiden Ströme bilden also das „Universum“ der politisch relevanten Deutungsprozesse, d. h. der Diagnose von Problemen und der Problemlösung, der „Policy“-Vorschläge. Der dritte „Political“-Strom ist zusammengesetzt aus politischen Ereignissen, wie z. B. ein Wechsel in der Bevölker- ungsmeinung, Wahlergebnisse, ein Verwaltungswechsel. Die drei Prozessströme entwickeln sich und arbeiten weitestgehend unabhängig voneinander. Lösungen werden entwickelt, ob sie als Reaktion auf ein Problem erfolgen oder nicht. Der „Political“-Strom kann plötzlich wechseln, ob die Policy-Gemeinschaft bereit ist oder nicht, oder es haben sich die Probleme im Land geändert. Die Wirtschaft kann in eine Rezession verfallen, 102 wodurch der Haushalt der Regierung beeinflusst wird oder andere neue Probleme entstehen. Die Ströme sind jedoch nicht absolut unabhängig. Die Kriterien für das Sammeln von Ideen in dem „Policy“-Strom werden z. B. durch den Haushalt beeinflusst. Wahlergebnisse im „Political“-Strom können durch die Aufnahme von neuen Problemen auf die formelle Agenda beeinflusst werden, wodurch der „Political“- und der „Problem“-Strom bis zu einem gewissen Grad verbunden werden. Trotz dieser Andeutung von Verbindungen fließen die Ströme jedoch in hohem Maße separat voneinander und werden auch größtenteils von verschiedenen Kräften und auf verschiedene Art gelenkt. Der Schlüssel zum Verständnis des Agenda-Settings und der Politikformulierung ist die Verkopplung der Ströme. Die separaten Ströme kommen in entscheidenden Zeiten zusammen: Ein Problem wird erkannt, eine Lösung ist verfügbar, das politische Klima stimmt und die Haushaltslage lässt eine Lösung zu. Es hat sich ein „Policy-Window“ geöffnet: „Predictable or unpredictable, open windows are small and scare. Opportunities come, but they also pass. Windows do not stay open long. If a chance is missed, another must be awaited“ (Kingdon 1994, 204). Diese Policy-Windows sind kurze und seltene spezifische Handlungskonstellationen, die sich durch das Zusammentreffen mehrerer externer, von politischen Akteuren nicht steuerbarer Faktoren auszeichnen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Aufstellung der Regierungsagenda kein deterministischer Prozess ist. Ein solches Zusammentreffen von externen Faktoren schafft eine günstige Voraussetzung für Thematisierungsprozesse. Allerdings bleibt der Handlungsspielraum in Bezug auf diese Konstellation für die Akteure gewahrt. Ein Policy-Window ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Issue auf die Decision-Agenda. Politische Unternehmer sind Akteure, die Ressourcen investieren, um ein Issue oder einen Lösungsvorschlag zu fördern. Was die Probleme betrifft, versuchen diese Akteure die Indikatoren hervorzuheben, die ein Problem verdeutlichen, oder sie heben eine bestimmte Art von Problemdefinitionen in den Vordergrund. In Bezug auf die Lösungsvorschläge sind sie ebenfalls zentral für den Selektionsprozess. Sie schreiben wissenschaftliche Veröffentlichungen, führen Verhandlungen, versuchen, die Presse auf ihre Seite zu bekommen und führen formelle und informelle Gespräche mit Politikern. Diese politischen Unternehmer können dementsprechend Politiker, Beamte, Lobbyisten, Wissenschaftler oder Journalisten sein. Für die Nutzung einer günstigen Handlungskonstellation für einen Thematisierungsprozess sind diese Akteure entscheidend. Politische Unternehmer sind „(...) surfer waiting for his wave“ (Kingdon 1994, 204). Ob ein Policy-Window genutzt wird, ist stark davon abhängig, ob ein richtiger Akteur zur richtigen Zeit am rechten Ort ist und die Situation zu nutzen weiß. Kingdon belegt für die USA, dass die Ebene der Problemdefinition überwiegend von den „visible-participants“, d. h. dem Präsidenten und seinem Stab, den Parteien, den Medien und den Kongressmitgliedern, beherrscht wird. Die Policyebene wird hingegen von den „hidden- participants“ geprägt. Das sind vor allem Bürokraten, Policy-Forscher, Akademiker und Abgeordnetenassistenten. Die politische Agenda wird also überwiegend von den Deutungsmustern der politischen Entscheidungsträger beeinflusst. Die Wissenschaft und das angrenzende Feld der spezialisierten Politikberatung hingegen liefern die politischen Handlungsalternativen. Das heißt, dass die Problem- und Alternativenthematisierung faktisch getrennt ablaufende Prozesse sind. 103 Kingdon muss seine ursprüngliche Annahme, dass die Massenmedien ein wichtiger eigenständiger Akteur im Agenda-Bildungsprozess in den Politikfeldern „Gesundheit“ und „Transport“ sind, revidieren. In seinem Untersuchungszeitraum wurde der massenmedialen Berichterstattung kein wesentlicher autonomer Einfluss auf die Regierungsagenda zugeschrieben: In nur 26 Prozent der Interviews wurden die Massenmedien als wichtiger Agenda-Setter bezeichnet, viel weniger als etwa Interessengruppen (84 Prozent) und Wissenschaftler (66 Prozent). Sogar nur 4 Prozent der Befragten hielten die publizistischen Massenmedien in dem Agenda-Bildungsprozess für sehr bedeutend. Kingdon führt diese Ergebnisse primär auf das geringe öffentliche Interesse an den beiden Politikfeldern zurück. Außerdem steigen die Massenmedien auf Grund des Nachrichtenwerts „Aktualität“ meist erst am Ende eines Policy-Prozesses in die Berichterstattung ein, nicht aber weit im Vorfeld. Generell vermutet Kingdon, dass die Massenmedien eher die Themen der Regierung auf ihre Agenda aufnehmen, aber keinen unabhängigen Einfluss auf die Regierungsagenda haben. Obwohl die Massenmedien wenig eigenständigen Einfluss auf die Regierungsagenda haben, können sie unter gewissen Umständen auf andere Weise bedeutend sein (Kingdon 1984, 61): • Erstens kommt den Massenmedien ein Verstärkereffekt zu, indem sie Themen aufgreifen, welche von anderen Gruppen oder Institutionen initiiert werden. Dadurch können sie diese Themenkarrieren beschleunigen und vergrößern. Vor allem Akteure, welche keinen direkten Zugang zur Regierungsagenda haben, etwa Bürgeriniativen, wählen den Weg über die massenmediale Berichterstattung, um ihre Themen in die Diskussion zu bringen. Dabei können die Massenmedien ein Problem offensichtlich auch umdeuten, weitergestalten und strukturieren, aber nicht kreieren. • Zweitens wirken die Massenmedien, indem sie die öffentliche Meinung beeinflussen, indirekt auf die Regierungsagenda ein. In Fällen, in denen die Massenmedien die Agenda der öffentlichen Meinung beeinflussen, ist anzunehmen, dass die politischen Akteure, insbesondere die gewählten, ihre Aufmerksamkeit auf das entsprechende Thema richten. • Drittens können Massenmedien als „Medium“ innerhalb einer „Policy-Community“ dienen. Viele Befragte gaben an, dass sie oft über die Massenmedien miteinander kommunizieren. So können etwa über die Berichterstattung nicht nur Probleme, sondern auch Lösungsvorschläge eingebracht werden. Selbst Personen aus der gleichen Institution kommunizieren offensichtlich über die Massenmedien miteinander: So sagten Abgeordnete aus dem Kongress, dass sie Probleme und Lösungsmöglichkeit anderer Abgeordneten hauptsächlich nicht etwa durch interne Berichte wahrnehmen, davon gäbe es einfach zuviele, sondern über die Massenmedien, wobei hierbei der „Times“ und der „Post“ offensichtlich eine Sonderstellung zukommt (Kingdon 1984, 60). Daneben können einzelne Fachmedien als Medium innerhalb einer „Policy- Communitie“ fungieren. Hieran lassen sich weitere Überlegungen anschließen: Kingdon unterteilt die politisch relevanten Deutungsmuster in zwei Ströme: Auf der einen Seite den Strom der Problemdiagnose und auf der anderen Seite den Strom der Problemlösung. Beide sind von unterschiedlichen Akteuren bestimmt: Während die publizistischen Medien - neben Parteien, Verbänden, sozialen Bewegungen und Regierungen - am Prozess der Problemwahrnehmung beteiligt sind und damit hauptsächlich im „Problem“-Strom unter 104 weiter zu bestimmenden Umständen einen Einfluss auf die formelle Agenda des Entscheidungssystems haben, sind für die Generierung von Problemlösungen, gemäß Kingdon, eher die Experten-Gemeinschaften in Wissenschaft und Bürokratie zuständig. Entsprechend dürfte die massenmediale Berichterstattung in diesem Feld nur eine geringe Rolle spielen. So zeigt sich beispielsweise bei dem Issue „Abtreibungskonflikt“ in Deutschland, dass die Massenmedien verglichen mit einer großen Anzahl anderer Akteursgruppen - etwa Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Verwaltung etc. - die geringste Quote an Aussagen machten, welche konkrete Policy-Optionen beinhalten (Gerhards 1996, 90). Auch die Umfragen unter Politikern und Journalisten über die Policy-Agenda-Setting- Funktion der Massenmedien im zweiten Teil dieser Arbeit verwiesen auf diesen Punkt. Bei der Generierung von Problemlösung wurde den Massenmedien nur wenig Einfluss zugestanden (Linsky 1986, 87f; Pfetsch 1993, 47): Schon auf Grund der Nachrichtenwertfaktoren ist die Erörterung von komplexen Problemlösungsstrategien in den publizistischen Massenmedien nicht zu erwarten. Allerdings wäre auch vorstellbar, dass die Journalisten die Rolle eines „policy entrepreneurs“ übernehmen, welche neue Probleme und Lösungen in der Vordergrund rücken und die bei einer günstigen Gelegenheit - d. h. bei geöffneten „policy windows“ - für die Verbindung zwischen Problem, Problemlösungen und den erforderlichen Machtressourcen sorgen. Dass den Massenmedien in anderen Politikfeldern durchaus eine relevante Rolle zukommen kann, und dies insbesondere im Strom der Problemdiagnose, belegt in der deutschen Forschung Thomas Zittel anschaulich mit seiner Dissertation „Marktwirtschaftliche Instrumente in der Umweltpolitik“ (zum Folgenden Zittel 1996). In seiner empirischen Studie - für den Zeitraum von 1970 bis 1990 - knüpft der Autor an die Überlegung an, dass für die Durchsetzung politischer Lösungsstrategien erst einmal Thematisierungs- bzw. Agenda-Setting-Prozesse verlaufen müssen, weil bestimmte Policy- Optionen im politischen Entscheidungssystem einfach nicht verfügbar sind. Bereits im Verlauf der 70er und 80er Jahre wurden marktwirtschaftliche Instrumente intensiv diskutiert und bildeten die Grundlage konkreter Politikstrategien. Auf der Ebene der konkreten Gesetzgebung hingegen blieben diese Überlegungen von geringer Bedeutung. Methodisch untersucht der Autor den Agendastatus der Instrumente in den Parteien (operationalisiert über Parteiprogramm der CDU, der SPD, der FDP und der Grünen), des deutschen Bundestages (operationalisiert über die Bundesdrucksachen) sowie die Regierungsagenda (operationalisiert über die Umweltprogramme und -berichte der Bundesregierung) über zwanzig Jahre. Als Ergebnis hält der Autor fest, dass erst Mitte der 80er Jahre marktwirtschafliche Instrumente ernsthaft auf der Tagesordnung der Parteien, des deutschen Bundestages und der Regierung standen. Als Gründe für diesen späten Thematisierungsprozess verweist der Autor in Anlehnung an Kingdon auf drei, sich wechselseitig beeinflussende Entwicklungen: Erstens etablierte sich die Umweltökonomie als Befürworter ökonomischer Instrumente, als Lehrfach an den Universitäten. Zweitens fragte die politische Elite nach alternativen Lösungsstrategien in der Umweltpolitik und drittens lieferten, „dann mit dem Waldsterben, und später dem Phänomen des Klimawandels, Problemlagen, die Problemdruck erzeugten und sowohl die Nachfrage nach instrumentellen Alternativen intensivierten, als auch die konzeptionelle Arbeit von policy- Experten fokussierten“ (Zittel 1996, 206). Die Problemwahrnehmung im Policy-Stream wurde in dem von Zittel untersuchten Fall vor allem durch die Berichterstattung fokussiert. 105 Zittel verwies dabei explizit auf eine Artikelserie im SPIEGEL im November 1981 über das Ausmaß der zunehmenden Walderkrankung in der Bundesrepublik (Zittel 1996, 189). Dieses Thema wurde in der Folge in der Berichterstattung breit aufgenommen und lässt auf der politischen Agenda die beschriebenen Prozesse aus. Zusammenfassend verweist John Kingdon mit seinem „Garbage-Can“-Modell, wie auch schon das „Public-Arenas“-Modell, auf die Komplexität und die geringe Kalkulierbarkeit von Thematisierungsprozessen. Aus seiner Sicht fließen drei Ströme (Problems, Policies und Politics) relativ unabhängig nebeneinander. Der erste Strom enthält Probleme, die als drängend angesehen werden. Der zweite Strom besteht aus Lösungsvorschlägen und der dritte Strom schließlich aus politischen Ereignissen wie parlamentarische Konflikte, Wahlen oder eine Änderung in der Bevölkerungsmeinung. Unter bestimmten Bedingungen konvergieren die drei Ströme und bringen eine Entscheidung hervor. Der Prozess ist aber nicht grundsätzlich dem Zufall überlassen: Im Strom der Probleme müssen Zustände durch Indikatoren hervorgehoben und richtig bewertet und kategorisiert werden. In dem Policy- Strom müssen die Lösungsvorschläge der technischen Machbarkeit, der Übereinstimmung mit der politischen Gemeinschaft, der Akzeptanz in der Öffentlichkeit entsprechen. Im Politics-Strom gibt es unterschiedliche Ressourcen-Verteilungen zwischen den Gruppen etc. und schließlich fungieren Policy-Entrepreneurs als Vermittler zwischen den Strömen. Wenn sich ein „Policy-Window“ öffnet und die drei Ströme konvergieren, entstehen günstige Voraussetzungen für einen Thematisierungsprozess. Die Aufstellung der Regierungsagenda ist also kein deterministischer Prozess, sondern hängt von externen Bedingungen ab, die von den Akteuren nicht zu steuern sind. Policy-Windows sind eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Thematisierungsprozesse. „Politische Unternehmer“ müssen solche Policy-Windows zu nutzen wissen. Vor allem Kingdon kann in seinen Fallstudien für die USA belegen, dass die Problem- und Alternativenthematisierung im Grunde getrennte Ablauf-Prozesse sind. Dabei werden die Massenmedien erwartungsgemäß bei der Generierung von Problemen beteiligt sein, hingegen ist nicht zu erwarten, dass die Berichterstattung komplexe Policy-Optionen zur Verfügung stellt. Die Massenmedien haben in den beiden untersuchten Politikfeldern „Gesundheits- und Transportwesen“ nur einen geringen Einfluss auf den Agenda-Bildungsprozess. Allerdings dienen die Massenmedien offensichtlich als internes Medium einer etablierten Policy-Community und helfen damit, interne Aufmerksamkeitsschwellen zu überwinden. Des Weiteren können die Massenmedien gegebenenfalls noch einen Verstärkereffekt bei Issues haben, welche anderswo kreiert wurden. Daneben schreibt ihnen Kingdon noch einen indirekten Einfluss auf die Regierungsagenda zu, insoweit sie die Bevölkerungsagenda beeinflussen und sich die Politik gleichzeitig an der öffentlichen Meinung orientiert. Schließlich scheint in den untersuchten Politikfeldern die Wichtigkeit der Massenmedien im Prozess der Agenda- Bildung vom Typ der Teilnehmer abzuhängen. Akteure, die bereits eine Schlüsselstellung in der Regierung haben und so einen direkten Zugang zur politischen Agenda, sind nicht so auf die Massenmedien angewiesen wie so genannte „outsider“. Letztendlich beeinflussen die Massenmedien den Agenda-Bildungs-Prozess scheinbar im Zusammenspiel mit anderen politischen Akteuren, welche keinen direkten Zugang zur politischen Tagesordnung haben. 106 5.5 Zusammenfassung der Teile II und III: Massenmedien und politische Agenda- Bildung: ein vorläufiges Analysemodell Inzwischen gibt es in der Literatur eine Reihe von Modellen zum Karriereverlauf von Themen auf der öffentlichen und politischen Agenda der Gesellschaft. Allerdings verläuft die theoretische Diskussion in diesen Bereichen trotz der sehr ähnlichen Fragestellung weitgehend nebeneinander. Daher fehlen bislang einheitliche Konzepte und Modelle, welche über die spezifischen Aspekte der öffentlichen Aufmerksamkeit für ein Problem und der politischen Agenda-Bildung zu einem Modell gelangt, welches die massenmediale Öffentlichkeit in ihrer Funktion für den politischen Agenda- Bildungsprozess explizit thematisiert oder gar detailliert untersucht. Trotzdem bringt die kritische Bestandsaufnahme genügend Anregungen und Material hervor, um zum Abschluss den Versuch zu unternehmen, eine konzeptionelle Synthese aus den vorher diskutierten Forschungssträngen zu präsentieren. Ziel ist es, ein Modell zu entwickeln, welches die Rolle der Massenmedien in ihrer Input-Funktion für Akteure des politischen Entscheidungssystems beleuchtet. Die Bezugnahme auf die referierten Forschungsstränge ist jedoch notwendigerweise selektiv. Gleichwohl finden sich wesentliche Erkenntnisse aus den vorangegangenen Ausführungen im folgenden Modell wieder. Die obigen Darstellungen müssen die Erwartungen, die man an ein Modell, welches die massenmediale Öffentlichkeit für den Agenda-Bildungsprozess der Akteure des politischen Entscheidungssystems beleuchtet, zunächst einmal abschwächen. Denn der Transformationsprozess von den Ursprüngen eines Issues bis hin zur politischen Agenda ist ein äußerst komplexer Prozess, welcher mit einem linearen Modell kaum zu beschreiben ist. Sowohl das Garbage-Can-Modell von Kingdon als auch das Public-Arena-Modell von Hilgartner und Boske weisen darauf hin, dass Modelle, die diesen Prozess deterministisch oder quasi-deterministisch abbilden, den komplexen Prozess nicht fassen können (Kingdon 1994, Hilgartner/Boske 1988). Exakt sind die Einflussbeziehungen, welche die Thematisierungsprozesse in den Massenmedien determinieren, theoretisch nicht zu bestimmen. Die Interaktionskonstellationen verschiedener gesellschaftlicher Akteure sowie institutionelle Gegebenheiten wirken zwar annahmegemäß auf den Thematisierungsprozess in den Massenmedien, ob diese aber linearer, kurvenlinearer, exponentieller oder gar chaotischer Art sind, lässt sich nur an einem konkreten empirischen Fallbeispiel beobachten. Denn die Art und Weise der Einflussbeziehungen auf Themenkarrieren in den Massenmedien wird plausiblerweise von Fall zu Fall variieren und lässt sich daher nicht ein für alle Mal theoretisch ableiten. An diesem Punkt haben wir es mit einem generellen Problem der sozialwissenschaftlichen Analyse zu tun: Für die Analyse von Makrophänomen wie die Gesellschaft, erscheint die Logik der traditionellen Denkart in Ursache(n)- und Wirkungszusammenhängen obsolet zu sein. Gesellschaftliche Phänomene sind zu komplex und ausdifferenziert, als dass sie kausale und auch lineare Einflussbeziehungen zu beschreiben in der Lage sind. Dies liegt zum einen an dem hohen Grad an Autonomie der Akteure und zum anderen an einem hohen Maße an Interaktion zwischen den Akteuren. Dadurch wird die Möglichkeit nomologischer Aussagen begrenzt. „Die Regeln der analytischen Wissenschaftstheorie sind (...) sehr viel leichter und 107 fruchtbarer in einer Sozialforschung anzuwenden, die sich mit dem Verhalten von Individuen befasst, als bei der Untersuchung komplexer sozialer Aggregate, ob das nun Organisationen, Policy-Prozesse oder ganze Gesellschaften sind. Die Besonderheit dieser Makrophänomene ist nicht etwa, dass sie wie soziale Schichtung oder soziale Mobilität Aggregate von kleineren Einheiten oder Einzelereignissen sind, sondern dass es sich um in sich strukturierte größere Einheiten, um soziale Systeme oder Teilsysteme oder aber auch Prozesse handelt, die sich als differenzierter Zusammenhang von Handlungen über Zeit darstellen lassen“ (Mayntz 1983, 9). Einige Entwicklungen in der zeitgenössischen Theorienentwicklung über Muster in der Komplexität haben Parallelen zu dem „garbage can“-Modell. Beispielsweise Theorienentwicklungen in der Naturwissenschaft, namentlich die Chaos-Theorie, welche sich ebenfalls mit komplexen Prozessen beschäftigt. Die Prämissen dieser Theorie lassen sich wie folgt beschreiben (für die Kommunikationswissenschaften Ulrich Saxer 1993, 182; Bruns 1998): • Die Grundstruktur der Welt ist nicht Ordnung im Sinne deterministischer Vorstellungen, sondern Chaos. Daraus ergibt sich, dass naturwissenschaftliche Experimente nie exakt wiederholbar sind. Deshalb geben Chaostheoretiker die Vorstellung, gleiche Ursachen hätten gleiche Wirkung, auf und bezweifeln die Prognostizierbarkeit des Verhaltens von komplexen Systemen. • Je nach der Voraussagbarkeit ihrer Reaktion gibt es chaotische und weniger chaotische Systeme. • Sowohl Chaos als auch Ordnung werden durch die gleichen Gesetze determiniert. Das heißt, Ordnung hat immer auch Merkmale von Unordnung, Chaos von Nichtchaos. Der Übergang beider Systemzustände ist fließend. Zentrale Forschungsfelder der Chaostheoretiker sind die Ursachen des Umkippens von Systemen mit berechenbaren Reaktionen in chaotische, insbesondere das Zufalls-verhalten, das nach festen Regeln erzeugt wird, so genanntes deterministisches Chaos. Ziel ist es, „die Ordnung im Zufälligen zu entdecken und auf diesem Weg auch Einwirkungsmöglichkeiten auf solche Veränderungen des Ordnungszustandes von Systemen aber auch die mögliche Kreativität des Chaos zu prüfen“ (Ulrich Saxer 1993, 182). Neben der Chaos-Theorie gibt es auch in den Sozialwissenschaften inzwischen eine ganze Reihe von Modellen, welche versuchen, die gesellschaftliche Komplexität zu erfassen (Baumgartner/Jones 1993; Eldrege/Gould 1972; Luhmann 1984). John Holland sieht bei all diesen Modellen Gemeinsamkeiten (zum folgenden Holland 1975, 110ff.) In diesem „complex adaptice systems“, wie John Holland sie nennt, sind die Elemente untereinander in reflexiven Beziehungen verbunden, sie interagieren gegenseitig und sie passen sich ständig an die geänderte Umgebung an. Die Strukturen dieser Systeme sind entdifferenziert, mithin eine hierarchische Steuerung nicht möglich. Es findet ein fortwährender Selektionsprozess statt und es ist deshalb mit einem ständigen Wechsel zu rechnen. Diese Modelle haben alle die gleichen Eigenschaften: Sie haben alle Muster und eine Struktur in den dynamischen Prozessen. Man kann diese Struktur identifizieren, aber es bleibt immer ein Stück Zufälligkeit zurück, so dass eine Prognose schwer fällt. Thematisierungsprozesse in den Massenmedien weisen ihre Dynamik und Komplexität eher an typischen Kennzeichen „Chaotischer Systeme“ auf als Merkmale deterministisch-kausaler Modelle. Daher sind gerade Thematisierungsprozesse in den Massenmedien nur schwer zu prognostizieren. Die Ursache liegt, wie gesagt, in der Komplexität gesellschaftlicher Prozesse, welche auf die 108 Massenmedien wirken können. Die Forschung verdeutlicht die Bedeutung von Wertverhalten, Routinen, personalen Faktoren, die Interessenskonstellation, die Entwicklungsdynamik der Debatte, die politische Großwetterlage sowie spezifische Handlungskonstellationen, die auf dem zeitlichen Zusammentreffen weitergehender externer, unsteuerbarer Entwicklungen beruhen. Was impliziert das Gesagte für die Modellbildung? Erstens ist es unmittelbar einsichtig, dass nicht alle Einflussfaktoren, welche auf solche Prozesse einwirken, in einem Modell erfasst werden können. Daher gilt es, die Strukturen zu modellieren, in welchen solche dynamischen Prozesse verlaufen. Damit kann schon eine Menge zum Verständnis der Realität beigetragen werden. Dieses lässt sich wie folgt veranschaulichen: Innerhalb der Struktur können wir Prozesse in dem Modell bestimmen, welche aber eine gewisse Zufälligkeit behalten. Zweitens ergibt sich daraus, dass ein solches Modell nicht „en bloc“ empirisch getestet werden kann, es dient vielmehr der Generierung von Teilfragestellungen. Im Folgenden soll bestimmt werden, wie die Massenmedien strukturell in einem solchen Prozess eingebunden sind. Die Rolle der Massenmedien bei der Agenda-Gestaltung des politischen Systems wird im Rahmen eines Modells politischer Kommunikation analysiert. Dieses Modell unterscheidet sich vom klassischen, politischen Prozessmodell, welches Politik als das Ergebnis der Durchsetzung von Interessen ansieht, dadurch, dass es den Moment der Konstruktion von Bedeutung betont. Dies kann als „Erstes Axiom“ des Modells bezeichnet werden. Dieser leitende Gedanke wird in dem Maße unumgänglich, wie Sachverhalte der Thematisierung bedürfen, um als politisches Problem zu existieren. Wie in dem letzten Kapitel gezeigt, setzt die Einbringung von Interessen voraus, dass bestimmte Thematisierungsprozesse im Vorfeld der Entscheidung entstehen, damit überhaupt ein Sachverhalt als entscheidungsbedürftig angesehen wird. Am Anfang jedes Entscheidungsprozesses steht die Artikulation von „demands“, d. h. Ansprüche, Bedürfnisse und Forderungen der Bürger. Themen und Probleme sind für den politischen Entscheidungsprozess solche umformulierten „demands“. Über Themen werden Erwartungen und Problemlösungsansprüche der Gesellschaftsmitglieder geregelt. Aus diesem Grund werden über Thematisierungsprozesse politische Entscheidungen präjudiziert: Wenn Sachverhalte nicht thematisiert werden, fallen sie aus dem politischen Entscheidungsprozess heraus (Cobb/Elder 1972). Aus dieser Perspektive rückt die Thematisierung von Problemen und Problemdefinition als Entscheidungsgrundlage in den Mittelpunkt. Deshalb ist die politische Wahrnehmung, welche freilich eine entsprechende Definition des Themas voraussetzt, die Bedingung dafür, dass sich Interessen durchsetzen können. Was ist darunter zu verstehen? In der ersten Phase des Politikprozesses sind subjektive Wahrnehmungsprozesse beteiligt. Es mag bestimmte Krankheiten, Pflanzen oder Umstände geben, jedoch solange sie nicht in den Kommunikationsprozess eingebunden und mit einem Begriff umschrieben werden, haben sie für die Gesellschaft keine Bedeutung. Die Individuen und korporativen Akteure einer Gesellschaft beobachten die sie umgebende soziale Realität. Dabei wird immer nur ein bestimmter Ausschnitt an sozialen Sachverhalten, Tatbeständen und Ereignissen in der Welt als Thema realisiert. Schon auf Grund der großen Anzahl an Sachverhalten, welche potenziell zu einem Thema gemacht werden können, müssen Individuen und korporative Akteure auswählen, um die Welt assimilierbar zu machen. Damit ist jede Beobachtung zugleich Selektion und schon eine Interpretation der Realität. Sind Sachverhalte thematisiert - etwa Luft, Wasser, Boden - 109 bedarf es weiterer Wirklichkeitsinterpretationen, um diese Themen zu einem Problem zu transformieren. Denn ein Problem besteht immer dann, wenn der gegebene Ist-Zustand und der erwünschte Soll-Zustand auseinander fallen und zwischen den beiden Zuständen und dem gegebenen Mittel eine unüberbrückbare Barriere besteht (Cobb/Elder 1972). Es wird also eine Soll-Ist-Abweichung festgestellt, mit dem Wunsch, diese Abweichung zu beseitigen. Somit werden in ein Thema Wertvorstellungen hineinprojiziert, welche als nicht realisiert gelten. Damit konvergiert das Thema zu einem Problem, etwa als Luft-, Wasserverschmutzung oder Bodenbelastung. Um zu einem politischen Problem zu werden, bedarf es weiterer Interpretation: Politisch sind Probleme - darüber dürfte ein allgemeiner Konsens bestehen - wenn sie in allgemein bindenden Entscheidungen für die Gesamtgesellschaft einmünden können. Dazu muss der Staat für die Beseitigung verantwortlich gemacht werden, d. h. es muss eine kollektive Lösung eingefordert werden (Baumgartner 1993). Der Staat wird damit zum Adressaten der Problembeseitigung. Durch die genannte Interpretationsleistung werden zunächst unbestimmte Sachverhalte zu Themen, Themen zu Problemen, welche letztlich noch politisiert werden, indem der Staat für die Problembearbeitung verantwortlich gemacht wird. Folglich sind weder Themen noch politische Problemwahrnehmung eine Suche nach feststehenden Entitäten, sondern ein Konstruktionsprozess. Die Folge ist ein konstruktivistischer statt eines ontologischen Problembegriffs. Konstruktivistisch heißt in diesem Zusammenhang, dass Menschen oder korporative Akteure nicht auf Grund der direkten Erkenntnis ihrer Umwelt miteinander in Verbindung treten, sondern einzig und allein auf der Grundlage der Beobachtung der Umwelt. Mit dieser Beobachtung selektieren sie und bilden ihre jeweilige eigene Beschreibung der Realität. Dadurch entwerfen (konstruieren) Individuen und korporative Akteure jeweils ihre eigene Realität und Deutungen von Sachverhalten als Problem. Das heißt nicht, dass Probleme frei erfunden werden können, ohne dass es ein empirisches Phänomen dafür gibt. Probleme korrespondieren mit Fakten. Allerdings: Fakten für sich sind noch kein Problem. Beispielsweise waren in den fünfziger Jahren viele Fakten über mögliche Umweltbelastungen bekannt, aber nicht problematisiert. Die Sichtweise beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf das Wirtschaftswachstum, die Beseitigung der Kriegsfolgen und den Wohlstand der Bevölkerung. Dies entsprach auch dem dominanten Wertesystem der damaligen Gesellschaft. Somit - und das ist ein weiterer wichtiger Aspekt - hat die Wahrnehmung sozialer Probleme also erst einmal etwas mit dem Wertesystem der einzelnen Individuen und der Gesellschaft zu tun (Cobb/Elder 1972; Hilgartner/Boske 1988). Denn die Problemwahrnehmung beruht auf den Wertprämissen der Individuen, welche wiederum von den Werten einer Gesellschaft beeinflusst sind. Wenn man die Kultur einer Gesellschaft als die Gesamtheit der Verhaltenskonfigurationen einer Gesellschaft ansieht, die durch Sinnbilder über die Generationen hinweg übermittelt werden und in Wertvorstellungen, und Idealen bewusst sind, dann sind kulturelle Traditionen sozusagen die Ursache und gleichzeitig die Mittel zur Konstruktion von sozialen Problemen. Denn aus den Wertprämissen ergibt sich eine spezifische Wahrnehmung und Deutung von Themen, welche in eine Problemwahrnehmung mündet: „If problem definition hings on the social construction of reality, then culture, commonly held values, ideology, political socialisation, and ideas matter“ (Bosso 1994, 183). Insofern hängen die Probleme, die in der Gesellschaft generiert werden, von den grundlegenden Wertvorstellungen der jeweiligen Gesellschaft ab (bereits Gusfield 1981). Massenmedien, 110 Parteien, Verbände und soziale Bewegungen können Problemdefinitionen erarbeiten, die Schranken dieser Aktivitäten sind aber durch die grundlegenden Wertestrukturen einer Gesellschaft markiert. Bestimmte Problemdefinitionen lassen keine alternativen Deutungen zu. Der Grund: Institutionen, welche in diesem gesellschaftlichen Wertesystem verhaftet sind - etwa die Massenmedien - reagieren in solchen Fällen konservativ und setzen nicht etwa auf Wertewandel. Daher muss jeder Deutungsprozess kulturelle Resonanzen zugleich mit herstellen. Hierbei ist zu beachten, dass kulturelle Werte freilich sehr komplex, facettenreich und in stetem Wandel begriffen sind (Cobb/Elder 1972, 86). Die publizistischen Massenmedien haben an diesem kollektiven Definitionsprozess offensichtlich auf zwei Weisen maßgeblichen Anteil. Auf der einen Seite, so ist zu vermuten, wirken sie schon sehr früh an diesem Prozess mit, weil die Massenmedien an der Diffusion von Werten in der Gesellschaft beteiligt sind: Die klassischen Integrationsinstitutionen, wie etwa Kirche, Gewerkschaften, Familien, erleben einen Bedeutungsverlust. Die Massenmedien werden zunehmend zur Vermittlungsinstanz von Alltagskultur, Normen und Werten in der Gesellschaft. Sie übernehmen damit die klassische Integrationsleistungen tradierter Institutionen. Wenn, wie oben beschrieben, die Problemwahrnehmung zunächst etwa mit den Normen und Werten einer Gesellschaft zu tun hat und die Massenmedien eine derjenigen Institutionen sind, welche diese gesellschaftsweit vermitteln, dann prägt die massenmediale Berichterstattung indirekt die gesellschaftliche und politische Problemwahrnehmung. Auf der anderen Seite, folgt man der Agenda-Forschung, ist - insbesondere unter den Bedingungen funktional differenzierter Gesellschaften - davon auszugehen, dass die meisten Probleme nicht mehr unmittelbar an Alltagserfahrungen anschließen. Vielmehr werden sie in öffentlichen Diskursen - über die Massenmedien - hergestellt. Der Grund: die Bevölkerung kann sich selten einen Eindruck von Problemen in ihrer eigenen Erfahrungswelt machen. Damit muss der massenmedialen Kommunikation maßgeblicher Anteil an der Realitätskonstruktion der Bevölkerung sowie der politischen Elite zugeschrieben werden. Wie im zweiten Teil dieser Arbeit dargestellt, konstruieren die Massenmedien eine Beschreibung der Realität im doppelten Sinne. Einerseits entscheiden sie über Themen, andererseits werden diese Themen mit weiteren Interpretationen - „Deutungen“ - versehen. Die Bedeutung der so interpretierten Sachverhalte besteht in ihrer Auswirkung auf den Prozess der Policyformulierung: Folgt man der oben gemachten Überlegung, so müssen politische Sachverhalte nicht nur ausgewählt, sondern auch als Probleme identifiziert werden, um politisch relevant zu werden. Die Kontextdualisierung im Sinne der Problematisierung der ausgewählten Themenbereiche lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit und signalisiert das mit politischem Handlungsbedarf. Gerade mit solchen Interpretationsleistungen, so ist anzunehmen, tragen die Massenmedien zur Adaptivität in der Bevölkerung und im politischen System bei (so schon Luhmann 1970). Das zweite Axiom des Modells ist: Bestimmte Beschränkungen der Aufmerksamkeitsverteilung auf spezifische Themen sind in der Gesellschaft unumgänglich. Der Grund dafür ist simpel und allgemein bekannt, denn die moderne Gesellschaft ist zu komplex, ihre Probleme sind zu viele, die Debatten wären zu lang und das Leben zu kurz (Lippmann 1925, 24; Luhmann 1984). Insbesondere Herbert Simon hat auf die limitierte Kognitionen politischer Akteure verwiesen: „People are endowed with very large long- term memories, but with very narrow capacities for simultaneous attention to different 111 information (…) Of all the things we know, or can see or hear around us, only a tiny fraction influence our behavior over any short interval of times“ (Simon 1995, 301). Diesen Sachverhalt bezeichnet Herbert Simon als „bottleneck of attention“ und bezieht diese Charakteristik nicht nur auf individuelle Akteure, sondern ebenso auf korporative Akteure im politischen System als auch auf die Massenmedien. Die wichtigste Implikation des „bottleneck of attention“ ist, dass „only one or very few things can be attended to simultaneously. The limits can be broadened a bit, but only modestly, by time-sharing - switching attention periodically. The narrowness of the span of attention accounts for a great deal of human unreason that considers only one facet of a multifaceted matter before a decision is eached“ (Simon 1985, 302). Ähnlich schreibt McCombs für öffentliche Tagesordnung: „the public agenda seems to be an oligopoly limited to approximately a half-dozen major concerns at any particular moment“ (McCombs 1981, 122). Die Verarbeitungskapazität der Gesellschaft ist in Relation zu Zahl und Komplexität von Themen sehr beschränkt, die gemessen an den modernen kulturellen Standards potenziell relevant für die Gesellschaft werden können. Dies gilt sowohl für individualistische Kategorien als auch für soziale Systeme und schließlich für die gesamte Gesellschaft. Eine sehr restriktive Auswahl von Problemen ist unvermeidlich und der Auswahlprozess sehr folgenreich für die Gesellschaft. Darum muss es Mechanismen der Aufmerksamkeitslenkung geben, denn Agenda-Bildung hat zunächst etwas mit öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer bzw. institutioneller Aufmerksamkeit für den sozialen Zustand zu tun. Die Fragenperspektive richtet sich darauf, wie ein Thema soviel Aufmerksamkeit erlangen kann, dass es einen prominenten Platz auf der massenmedialen (je nach Untersuchungsrichtung: öffentlichen oder formellen) Agenda erreichen kann und in deren Folge auf der formellen Agenda des politischen Entscheidungssystems. Die These lautet, dass es nicht nur objektive Problemeigenschaften sind (Zahl der Arbeitslosen, Armutsrate etc.), sondern eine Reihe anderer Faktoren, wie Themenkonkurrenz, Salience, Offenheit der Agenda, Ressourcen, spezifische Deutung eines Themas etc. Wie kann nun dieser Prozess beschrieben werden? Offensichtlich beruht der Prozess der Themenselektion auf der Makroebene der Gesellschaft auf der Interaktion analytisch unterscheidbarer Arenen, welche auch als Teilöffentlichkeit bezeichnet werden können (Hilgartner/Boske 1988). In jeder Organisation, bei jedem kollektiven Akteur und in jeder Institution bilden sich eigene Öffentlichkeiten heraus, die im Folgenden als Arenen bezeichnet werden sollen. In diesen Arenen konkurrieren verschiedene Akteure um ihr jeweiliges Deutungsangebot, deshalb kann auch von Deutungsmärkten gesprochen werden. Eine gewisse gesellschaftliche Arbeitsteilung entsteht dadurch, dass es eine Vielzahl von Arenen mit ihren jeweiligen „publics“ gibt. Diese konzentrieren sich auf bestimmte Probleme und Problemdefinitionen. Dadurch wird zum einen die Gesamtkapazität für die Behandlung von Themen und zum anderen eine spezielle Kompetenzsteigerung, welche aus der intensiven Beschäftigung mit bestimmten Themengebieten resultiert, erhöht. Die Parteien, die Verbände und die Wissenschaft konzentrieren sich jeweils auf spezifische Probleme und Problemdefinitionen. Innerhalb dieser Arenen versuchen verschiedene Akteure ihre Probleme und Problemdefinitionen durchzusetzen. In den vergangenen Ausführungen ist immer wieder die Rolle politischer Unternehmer betont worden (Cobb/Elder 1972, Hilgartner/Boske 1988, Kingdon 1984). Diese Akteure haben zwei Faktoren, auf die sie Einfluss nehmen können: finanzielle/materielle und 112 personelle Ressourcen sowie die Charakteristik des Problems. Allerdings handeln die Akteure nicht im luftleeren Raum, sondern in einem institutionellen Kontext von Arenen. Solche Arenen sind die Umwelt, in der verschiedene Akteure versuchen, ihre Probleme und ihre Problemdefinitionen durchzusetzen. Diese Arenen haben jeweils eigene Selektionskriterien, nach denen Themen auf die jeweilige Agenda aufgenommen werden. Wie auch auf der Ebene der gesamten Gesellschaft ist die Aufnahmekapazität dieser Arenen begrenzt. Die Folge ist, dass verschiedene Themen miteinander konkurrieren (Hilgartner/Boske 1988). Dies geschieht auf zwei Ebenen: Einerseits gibt es eine Rivalität zwischen verschiedenen Problemen und andererseits konkurrieren verschiedene Problemdefinitionen zum Problem. Die Themenkarriere eines Problems oder einer Problemdefinition ist also immer abhängig von dem Aufmerksamkeitswert anderer Themen und Problemdefinitionen. Auf die Fragestellung dieser Arbeit bezogen, heißt das: Der Medieneffekt auf die politische Agenda hängt von der aktuellen Themenkonferenz auf der zuständigen Agenda ab. Selbstverständlich hängt auch die Aufnahme eines neuen Themas auf die massenmediale Agenda von der gegenwärtigen Themenlage ab. Wenn die Tötung eines Kindes durch einen Kampfhund breites Interesse hervorruft, dann wird über andere Themen nicht berichtet. Zwischen den Arenen lassen sich Interaktionsmuster beschreiben, die sowohl auf die Themenkarriere zurückwirken als auch auf die Deutung des Problems (Hilgartner/Boske 1988). Diese kann sowohl auf der Ebene von Institutionen, also auf der individuellen Ebene, beschrieben werden: Parteien, Verbände und soziale Bewegungen versuchen, die Selektionsschranken von Massenmedien zu überwinden, aber auch einzelne Politiker versuchen, durch die direkte Verbindung zu Journalisten ihr Thema in die öffentliche Diskussion zu bringen. So sind die Arenen - etwa Massenmedien, Wissenschaft, Parteien, Verbände - auf vielfältigen Ebenen miteinander verknüpft. Generell kann zwischen öffentlicher Agenda und politischer Agenda unterschieden werden (Cobb/Elder 1972). Die öffentliche Agenda konstituiert sich dementsprechend aus der Interaktion verschiedener Arenen - den Parteien, der Wissenschaft, den Verbänden etc. - mit ihren jeweiligen „publics“ und Agenden relevanter Probleme und Problemdefinitionen. Die öffentliche Agenda ist in den Ausführungen des Öfteren mit den publizistischen Massenmedien gleichgesetzt worden - zumindest scheinen die Massenmedien eine zentrale Arena zu sein. Den publizistischen Massenmedien kommt in einem solchen Modell eine bedeutende Rolle zu, weil sie alle anderen Arenen miteinander verbinden und ein Bindeglied zur Bevölkerung herstellen. Erst durch die Diffusion von Themen und Problemdefinitionen im System der Massenmedienkommunikation gewinnen diese an öffentlicher Relevanz. Daher sind die Massenmedien die kritische Variable: Sie ermöglichen den Zugang zur Öffentlichkeit, sind also Bedingungen für die öffentliche Wahrnehmung und gleichzeitig das Forum für Themenkarrieren. Ein Thema und eine Problemdefinition kann dementsprechend nur einen prominenten Platz auf der öffentlichen Agenda erreichen, wenn es von den massenmedialen Berichterstattungen aufgegriffen und an die Bevölkerung sowie andere Arenen herangetragen und verstärkt wird. Nur die massenmediale Kommunikation kann durch die Reichweite einen ausreichenden breiten Aufmerksamkeitszyklus produzieren, welcher eine gewisse Persistenz aufweist und einen ausreichend starken Themendruck im politischen System erzeugt. Als genuine staatliche formelle Agenda können die Arenen bezeichnet werden, in denen Entscheidungsträger Probleme ausdrücklich und ernsthaft in ihre Erwägungen mit einbeziehen (Cobb et al. 113 1976). Im demokratischen System dürften dieses die Legislative- und Exekutive-Arena sein. Ein Großteil der Probleme platzieren sich von selbst auf die Tagesordnung dieser formellen Agenda, etwa im Rahmen der jährlichen Haushaltsdebatte. Daher sind Effekte der massenmedialen Berichterstattung insbesondere bei „wahlfreien“ Themen zu erwarten (Cobb/Elder 1972; von Beyme 1994). Für neue Themen scheint es verschiedene Wege des politischen Thematisierungsprozesses zu geben. Grundsätzlich führen zwei Wege zur formellen Agenda des Entscheidungssystems: Der eine führt über die öffentliche Agenda, welche sich wiederum aus der Interaktion verschiedener Teilöffentlichkeiten konstituiert. Die massenmediale Arena bildet, wie bereits gesagt, dabei die Schnittstelle zwischen diesen Teilöffentlichkeiten und der Bevölkerung. Über die Problemwahrnehmung der Bevölkerung weiß man zumindest, dass es einen stark positiven Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit von Problemen für die Bürger gibt, also den Status eines Problems auf der individuellen Agenda, und der Aufmerksamkeit für das Problem in der Medienberichterstattung. Haben bestimmte Themen und Problemdefinitionen gegen die Konkurrenz anderer Themen und Problemdefinitionen einen prominenten Platz auf der öffentlich Agenda erreicht, d. h. werden sie im Allgemeinen in verschiedenen Arenen mit ihren Teilöffentlichkeiten und im Besonderen in der massenmedialen Arena an prominenter Stelle auf die Tagesordnung gehandelt, kann sich das politische System kaum gegen eine Aufnahme des Themas wehren (Downs 1972). Diese Themen werden schon fast zwangsläufig in die staatliche Programmatik aufgenommen und dem politischen Entscheidungsprozess zugeführt. Dies heißt freilich noch nicht, dass über diese Probleme autoritativ entschieden wird und Ressourcen gebunden werden. Auf diese Probleme kann selbstverständlich mit Nicht-Entscheidung und symbolischer Politik reagiert werden. Dieser Weg der Thematisierung kann in Anschluss an Cobb als „externer Thematisierungsprozess“ bezeichnet werden (Cobb/Elder 1972). Der andere Weg auf die politische Agenda führt nicht über die Öffentlichkeit, sondern über den inneren Zugang zur Ministerialbürokratie. In diesem „internen Thematisierungsprozess“ gelangt das Problem durch „das Schlüsselloch eines Ausschußberatungszimmers“ (von Beyme 1994, 331) auf die formelle Agenda des Entscheidungssystems. Daneben wandern Probleme selbstverständlich von der formellen Agenda des Entscheidungssystems auf die öffentliche Agenda mit ihren verschiedenen Teilöffentlichkeiten. Politische Entscheidungsträger mobilisieren mit diesen Themen und Problemdefinitionen Teilöffentlichkeit in anderen Arenen, um die Tätigkeit von Legislative und Exekutive zu legitimieren. Die folgende Darstellung soll illustrieren, in welcher Form die Massenmedien an der Auswahl von Themen für die politische und öffentlich Agenda beteiligt sind. Abbildung 5.2: Massenmedien und politische Agenda-Gestaltung 114 Im Gegensatz zu den anderen kollektiven Akteuren der Interessensartikulation und der Interessensaggregation sind die Massenmedien sowohl Medium als auch Faktor im politischen Agenda-Bildungsprozess. Im Zusammenhang mit dem Meinungswillensbildungsprozess hat auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder in seinen Rundfunkurteilen diese „Medium- und Faktorfunktion“ der Massenmedien im Kommunikationsprozess konstatiert. Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie die Massenmedien als Medium zwischen den Gruppen Interessensartikulation und Interessensaggregation aus dem vorpolitischen Raum und der formellen Agenda des politischen Entscheidungssystems vermittelt. Denn generell teilen sich die Medien ihre Macht zur Themensetzung und Definition mit anderen Akteuren und Institutionen, welche in genauer Kenntnis der Selektionsmechanismen innerhalb der Medien ihre Themen und Problemdefinitionen in die massenmediale Kommunikation einschleusen. Daher fungieren die publizistischen Massenmedien zunächst als Vermittler der Problemwahrnehmungen gesellschaftlicher Akteure. Sie berichten auf Grund spezifischer Selektionen über die Themen und Deutungen der Beteiligten am politischen Prozess. Auf Grund strukturell gegebener Einwirkungsmöglichkeiten haben die politischen Parteien und große Verbände traditionell die besten Chancen, mit ihren Thematisierungsbestrebungen in den Medien zum Zuge zu kommen. Zum einen rekurrieren diese auf den Nachrichtenfaktoren „Prominenz“ und zum anderen haben diese Akteure die meisten Ressourcen - etwa in Form von ausdifferenzierten Öffentlichkeitsabteilungen - zur Verfügung. Verbände werden zwar häufig den internen Zugang wählen, aber auch diese gehen unter gegebenen Umständen den Weg über die massenmediale Berichterstattung, um ihr Thema auf die formelle Agenda des Entscheidungssystems zu setzen. An dritter Stelle sind sicherlich die sozialen Bewegungen zu nennen, die auf Grund eines fehlenden etablierten Zugangs zu den Akteuren des politischen Entscheidungssystems den Weg über die massenmediale Öffentlichkeit wählen. Parteien soziale Bewegungen Verbände Wissen- schaft Bevölkerung Massen- medien fokussierende Ereignisse Parlament Regierung/ Verwaltung Vorpolitischer Raum Politisches Entscheidungssystem Verstärker- advokatische- Initiatoren- Effekt Repräsentation- Effekt Auslösungs- Effekte 115 Insoweit, als die publizistischen Medien ausschließlich die Problemsicht externer Akteure aufnehmen und im Medium der Publizität weitergeben, haben sie einen klassischen Verstärkereffekt. In Fällen, wo sie sich als Vermittler für die Probleme weniger artikulationsfähiger Interessen zur Verfügung stellen, würden wir von einem advokatorischen Effekt sprechen. In beiden Fällen würden externe Akteure zunächst das Thema und die entsprechenden Problemdefinitionen in der massenmedialen Berichterstattung lancieren (Agenda-Bildung in den Massenmedien). Anschließend hätte die Berichterstattung einen Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die politischen Entscheidungsträger und vermutlich einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bürger. Diese würden ihrerseits den Druck auf die formelle Agenda des politischen Entscheidungssystems intensivieren. Die Demoskopie nimmt die Politikpräferenzen der Bevölkerung wahr und gibt diese einerseits an ihre politischen Auftraggeber und anderseits an die Medien und das Publikum weiter. Dieser Prozess kann erwartungsgemäß wiederum Verstärkereffekte im Hinblick auf die Themenkarriere auslösen. Greifen die Massenmedien unerwartete Ereignisse oder gesellschaftliche und politische Wandlungsprozesse auf und regen damit latente Akteure an, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken, kann man von einem Auslösungseffekt sprechen. In diesem Fall hätte die massenmediale Berichterstattung anfänglich einen Policy-Agenda-Setting-Effekt auf verschiedene Akteure im vorpolitischen Raum und einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung. Über die Demoskopie bzw. deren Ergebnisse werden die Politikpräferenzen dem politischen Auftraggeber sowie - vermittelt über die Massenmedien - einem breiteren Bevölkerungskreis bekannt. All diese Faktoren lösen in der Folge politischen Entscheidungsdruck auf die formelle Agenda zu bestimmten Themen aus. Wenn die Massenmedien über Themen bestimmter Akteure berichten, werden andere Akteure, welche von den Themen und der Problemdefinition betroffen sind, versuchen, mit entsprechenden Strategien auf die Berichterstattung einzuwirken. Die Massenmedien reflektieren dann den Widerstand der Gegenkräfte. Dabei ist anzunehmen, dass die Massenmedien dabei mitwirken, die vorherrschende Definition eines Konfliktes zu verstärken oder zu verändern. In Fällen, in welchen die Expansion des Konfliktes ein zentraler Grundzug der Agenda-Bildung ist, kommt den Massenmedien eine bedeutende Rolle zu. Diese Praxis kommt den Journalisten sehr entgegen, weil sie an konflikthaftenden Themen, insbesondere wenn diese dramatisch sind, ein Interesse haben. Insofern wird „Information“ gegen „Publizität“ getauscht. Zwar ist anzunehmen, dass Massenmedien hauptsächlich als Medium der Vermittlung von Themen im Agenda- Bildungs-Prozess fungieren, aber denkbar ist auch eine Faktorfunktion, indem sie ihre eigenen Themen an die formelle Agenda des politischen Systems herantragen: Massenmedien betätigen sich auch selbst als Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen und sind insoweit auf Problemsuche. Es ist also nicht auszuschließen, dass Medien auch als Initiator von Thematisierung tätig werden. Mit aller Vorsicht ist das der Bereich des investigativen Journalismus. Insoweit haben Medien einen Initiator-Effekt. Aus dieser Perspektive erlangen die publizistischen Massenmedien neben den Parteien, Interessensgruppen und neuen sozialen Bewegungen selbst einen Akteursstatus, indem sie ihre Publizitätsmöglichkeiten nutzen. Dabei können sie unter bestimmten Bedingungen sowohl den politischen Agenda-Bildungs-Prozess im Hinblick auf die Thematisierung als auch im Bezug auf spezifische Deutungsmuster beeinflussen. So kann die Berichterstattung einen erheblichen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess ausüben. Denn wenn 116 sich eine Problemdefinition in den Massenmedien und in der Bevölkerung durchgesetzt hat, kann dies relevante Auswirkungen auf die Problembearbeitung haben. Durch die Problemdefinition werden entscheidende Weichen für eine mögliche anschließende Problemlösung gestellt: Eine bestimmte Sichtweise wird bevorzugt, die an der Problemlösung beteiligten Akteure werden weitgehend festgelegt. Dadurch werden manche Alternativen gar nicht mit in die Diskussion einbezogen. Politische Entscheidungsträger haben im Allgemeinen große Schwierigkeiten, über ihre nachträglichen Mitwirkungen eine Änderung einer bereits konstatierten Problemdefinition zu erreichen. In diesem Fall haben die publizistischen Massenmedien einen direkten Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die formelle Agenda des politischen Entscheidungssystems sowie annahmegemäß einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung. Diese verstärkt wiederum den Themendruck auf die politischen Entscheidungsträger. Die Massenmedien beobachten und berichten selbstverständlich über die Aktivitäten im politischen Entscheidungssystem, insofern ergibt sich auch ein „Repräsentations-Effekt“: die politisch-thematischen Prioritäten der formellen Agenda werden in den Medien repräsentiert. Dadurch werden sie an andere gesellschaftliche Akteure und an die Bevölkerung herangetragen. Generell ist anzunehmen, dass nur ab einem gewissen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit in den Massenmedien Probleme wahrgenommen werden und politische Resonanz auslösen können. Wenn ein Thema einen gewissen Grad an massenmedialer Aufmerksamkeit genießt, ist zu erwarten, dass sich latent betroffene Akteure am Thematisierungsprozess beteiligen. Die Massenmedien verbinden, wie bereits gesagt, selbstverständlich alle anderen Arenen, wie etwa die Wissenschaft, die Demoskopie, die Parteien, Verbände oder soziale Bewegungen, miteinander. Daher ist von wechselseitigen Einflüssen mit diesen anderen Arenen auszugehen. In einem solch vielschichtigen Prozess entsteht die formelle Agenda (nachweisbar, wenn man diverse inhaltsanalytisch gewonnene Daten miteinander korreliert). Um dennoch von echten Medieneffekten auszugehen, müssten sich Effekte nach dem Spiral- oder Verstärkermodell (Rössler 1997, 104) nachweisen lassen: Steigende Prioritäten für ein Thema auf der Medienagenda produzieren steigende Effekte auf der politischen Agenda, die wiederum ansteigende Prioritäten auf der ersteren produzieren. Solche Spiralen lassen sich natürlich nur über längere Zeiträume und mit den geeigneten Methoden nachweisen. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, diesen Prozess für die Thematisierung des Problems und der Thematisierung von Lösungsoptionen getrennt zu betrachten. Der Grund: es sind u. U. isoliert ablaufende Prozesse, die von unterschiedlichen Akteuren und Institutionen geprägt werden. Es ist anzunehmen, dass für die Erarbeitung der Policy-Optionen vor allem die Ministerialbürokratie und die Expertengemeinschaft infrage kommen (Kingdon 1994; Brewer/de Leon 1983). Hingegen wird, annahmegemäß, die massenmediale Berichterstattung vor allem durch die Problematisierung von Sachverhalten auf die formelle, politische Agenda einwirken. Denn die Massenmedien dienen im Hinblick auf die Problemwahrnehmung eher als professionelles „Frühwarnsystem“ denn als professioneller Problemlöser, von dem eindeutige und komplexe Policy-Optionen zu erwarten sind. Schon auf Grund der Nachrichtenwertfaktoren werden in den Massenmedien komplexe Ereignisse einfach vorgezogen und komplizierte Sachverhalte werden auf einfache Erklärungen heruntergebrochen. 117 Was hat die Agenda-Forschung bisher für Faktoren spezifiziert, unter denen die Massenmedien als einflussreicher Faktor im Prozess der Politikentstehung und - gestaltung angesehen werden muss? Generell lässt der Forschungszweig noch keine verallgemeinernden Aussagen hinsichtlich dieser Frage zu. Dennoch lassen sich einige vage Vermutungen anstellen: Der Einfluss der massenmedialen Kommunikation im politischen Agenda-Bildungs-Prozess wird wahrscheinlich im Hinblick auf die Politikebene, das Politikfeld, die beteiligten Akteure und die Phase der Themenkarriere divergieren. Außerdem müssen der Inhalt des journalistischen Beitrages sowie individuelle und situationale Faktoren auf (politischer) Rezipientenseite beachtet werden. Was die Politikebene angeht, so ist anzunehmen, dass auf nationaler und Landesebene stärkere Effekte zu erwarten sind als auf kommunaler Ebene, weil den Politkern Probleme durch direkte Umweltbeobachtung sowie interpersonale Kommunikation zugänglich sind. Von der Politikebene sind die Politikfelder zu unterscheiden. Policy-Agenda-Setting-Effekte sind vor allem bei Politikfeldern zu erwarten, welche sowieso größere öffentliche Aufmerksamkeit in der Bevölkerung beanspruchen und über welche die Massenmedien viel berichten. So kann man auf Grund von regelmäßigen, repräsentativen Bevölkerungsumfragen davon ausgehen, dass beispielsweise die „innere Sicherheit“ bzw. das Politikfeld „Umwelt“ zu wichtigen Anliegen in der deutschen Bevölkerung gehören. Von daher werden solche Politikfelder von Journalisten mehr beobachtet und lösen entsprechend rasch eine politikbezogene Berichterstattung aus. Dagegen ist etwa die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in Deutschland im großen Maße Expertenkommunikation. Sie findet in engen Zirkeln aus zuständigen Experten, Fachausschüssen der Regierung und des Deutschen Bundestages sowie den Parteien und der Bundeswehr statt (Prayon 1998, 525ff.). Gegenüber der massenmedialen Berichterstattung ist dieses Politikfeld weitgehend abgeschottet, wie Umfragen ergeben haben (Schatz 1970, 140). Sollte das Interesse der Journalisten zu groß werden, ziehen sich die politischen Akteure in informelle Runden zurück. Sicherheitspolitische Themen haben aber auch bei der Bevölkerung einen nachgeordneten Stellenwert (Hoffmann 1992, 34ff.). In diesem Politikfeld sind aus den genannten Gründen Agenda-Bildungsprozesse zum größten Teil im Sinne eines Top-Down-Modells - unter Ausschluss massenmedialer Kommunikation - zu erwarten. Von einem Politikfeld lässt sich wiederum das Thema selbst unterscheiden. Mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten wird in der Literatur immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass niemand die öffentliche und politische Aufmerksamkeit für jedes Thema in gleicher Weise erregen kann, auch die Massenmedien nicht. Insoweit gibt es Eigenschaften des Themas selbst („Salience“ oder „High-Threshold“ vs. „Low-Threshold-Issues“), die unterschiedliche Grade an Bemühungen erfordern. „High-Threshold-Issues“ benötigen weniger Berichterstattung, um zu einem wichtigen Problem zu werden, als so genannte „Low-Threshold-Issues“. Die Massenmedien sind also nicht bei allen Themen gleich relevant im Thematisierungsprozess. Des Weiteren werden die publizistischen Massenmedien vor allem Themen aufgreifen, welche im hohen Maße auf die Nachrichtenfaktoren der Medien rekurrieren. Wichtig sind die Faktoren Konflikt, Überraschung, Negativismus und Sensationalismus. Die publizistischen Massenmedien werden insbesondere mit solchen Themen Resonanz bei den politischen Akteuren auslösen. Daneben verweist eine Studie darauf, dass sehr konflikthafte Probleme – so genannte „Position Issues“ - messbar geringere Thematisierungseffekte auf die politische, 118 institutionelle Agenda erzielen als weniger konfliktbetonte - so genannte „Valence Issues“. Der Einfluss der publizistischen Massenmedien auf den politischen Agenda- Bildungsprozess wird auch von der entsprechenden Akteurskonstellation abhängen: Wo neue soziale Bewegungen agieren, welche öffentlichkeitswirksame Thematisierungsprozesse anstoßen können, werden die Massenmedien eine größere Rolle als Vermittler spielen als in Akteurskonstellationen, an denen hauptsächlich Verbände beteiligt sind. Diese verfügen über erhebliche Ressourcen - insbesondere Expertenwissen - und werden daher den internen Zugang zur politischen Agenda - einen massenmedial vermittelten - vorziehen. So ist beispielsweise der Gegenstandsbereich der Wirtschaftspolitik in hohem Maße konfliktträchtig, weil es sich in der Regel um Redistrubtiv-Maßnahmen handelt und - wie bei einem Nullsummenspiel - einem Gewinner ein Verlierer gegenübersteht. Aber selten werden diese Konflikte über die massenmediale Kommunikation ausgetragen, weil auf diesem Politikfeld viele große Verbände mit entsprechenden Ressourcen wirken, welche den internen Zugangsweg wählen (Heinrich 1998, 548f.). Hingegen hat sich in der Umweltpolitik die Ökologiebewegung etabliert und von daher birgt dieses Politikfeld ein hohes öffentliches Mobilisierungspotenzial (Pfetsch 1993, 52). Themen durchlaufen Aufmerksamkeitszyklen, aber nur bei einem gewissen Grad an Aufmerksamkeit in der massenmedialen Berichterstattung und in der Bevölkerung kann genügend Druck auf das Regierungssystem entstehen, um Probleme in die Regierungsprogrammatik aufzunehmen. Dabei wird die Chance des Einflusses der publizistischen Berichterstattung auf die formelle Agenda des Regierungssystems wahrscheinlich in der Konjunkturphase einer Themenkarriere größer sein als in der Ermüdungsphase (Downs 1972; Luhmann 1970). Hinsichtlich der Inhalte der Berichterstattung ist anzunehmen, dass, je negativer die Berichterstattung, je eher aktuelle politische Probleme in der Berichterstattung aufgegriffen werden, desto eher kann die massenmediale Kommunikation Resonanz bei den politischen Akteuren auslösen. Wenn es der Berichterstattung gelingt, politische Issues plausibel mit Ursachen, möglichen Verursachern sowie machbaren Lösungsvorschlägen zu verknüpfen, verbessert sich die Chance, Resonanz im Entscheidungssystem auszulösen. Das Gleiche gilt durch die Zuweisung politischer, institutioneller Zuständigkeiten sowie die Verbindung des Problems mit Symbolen der Kultur. Außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass massenmediale Kommunikation bei den politischen Akteuren Resonanz auslöst, wenn der Sachverhalt eine Auswirkung auf einen möglichst großen Teil der Bevölkerung hat und als gravierend für die Gesellschaft dargestellt wird, zum Beispiel durch spezifische Indikatoren. Letztlich muss die massenmediale Berichterstattung noch eine Problemdefinition fokussieren und so die Aufmerksamkeit der politischen Akteure und der Bevölkerung auf einen Punkt lenken. Solche intervenierenden Variablen würden die vereinfachende „Zählwerk“-Analogie vermeiden, wonach der politische Akteur die schlichte Häufigkeit von Thematisierungen gleichsam auszählt und in eine politische Agenda umrechnet. Zumindest sollte als offene Frage behandelt werden, ob das politische System, wenn überhaupt, eher auf Quantität als auf Qualität von publizistischer Berichterstattung reagiert. Teil IV Analytisches Modell und Untersuchungsfragen 119 6.1 Analytisches Modell Wie kann dieser Prozess nun gefasst werden? Greift man den Kapazitätsbegriff wieder auf, so kann man bildlich davon sprechen, dass jede Arena ihre spezifische Agenda hat. Die Massenmedien, die Parteien, die Regierung, die Wissenschaft etc. können nicht alle Probleme akzeptieren, weil sie ansonsten ihre eigene Funktion paralysieren würden. Die Folge ist, dass jeder Akteur seine Aufmerksamkeit nur auf eine bestimmte Anzahl von Themen konzentrieren kann. Dies fordert eine Reduktion der Themen, mit denen sich die jeweiligen Akteure beschäftigen. Eine mögliche Strategie, um diese Komplexität zu reduzieren, besteht in der Aufstellung von Prioritäten, mit denen festgelegt wird, welchen Themen sich die Akteure zuwenden und welchen möglicherweise nicht. Insofern müssen die beteiligten Akteure eine Agenda von Themen aufstellen, die zur Behandlung anstehen. Auf dieser Tagesordnung sind eine begrenzte Zahl von problematischen Sachverhalten hierarchisch angeordnet. Wobei mit der Rangfolge zum Ausdruck gebracht wird, wie bei begrenzten Kapazitäten die Prioritäten gesetzt werden. So kann man von der Agenda der Massenmedien, der Bevölkerung, des deutschen Bundestages und der Ökologiebewegung sprechen. Hierbei spiegeln sich die unterschiedlichen Agenden, letztlich auch die unterschiedlichen Bedürfnisse, Intentionen und Interessen wieder. Dabei ist anzunehmen, dass die Akteure nicht nur eine Agenda der zu lösenden Probleme aufstellen, sondern diese Probleme mit weiteren Attributen - beispielsweise eine Ursache, Verursacher, Lösungsoptionen - verbinden. Insofern kann man auch von einer Agenda der Problemdefinition sprechen, wobei mit der Rangfolge wiederum benannt wird, welche Problemdeutung an erster Stelle bei dem jeweiligen Akteur steht. Im Rahmen theoretischer Überlegungen sind der Zeitdimension von politischen Thematisierungsprozessen bisher am wenigsten Überlegungen zuteil geworden. Das mag daran liegen, dass die Verläufe politischer Kommunikation, wie oben dargestellt, zu wenig Konstanz und damit Berechenbarkeiten aufweisen und daher eine wissenschaftliche Analyse erschweren (so auch Weßler 1999). Wie oben erläutert, muss ein Agenda- Bildungs-Prozess in einzelnen Zeitabschnitten untersucht werden, um gerichtliche Effekte zwischen den Agenden spezifizieren zu können. Zur Phaseneinteilung kann auf den Aufmerksamkeitszyklus von Downs zurückgegriffen werden. Nach dem Modell von Downs sind Themenkarrieren nicht zufällig und bedeutungslos, sondern zyklisch strukturiert und folgenreich für die Politikgestaltung. Daraus ergibt sich wiederum, dass diese Zyklen relevant für die Ausdeutung des Themas in der politischen Diskussion sind. Die Analyse von Aufmerksamkeitszyklen in verschiedenen Arenen kann einer präzisen Prozessrekonstruktion der Themenkarriere „Waldsterben“ dienen. Dieser Zeithorizont muss aber noch mit einem Deutungsorientierten Analyseansatz verbunden werden, weil die Massenmedien unter Umständen über die Problemwahrnehmung hinaus bestimmte Problemdefinitionen bei den politischen Entscheidungsträgern verfügbar machen. Damit sind wir bei der Sachdimension des Modells. Problemdeutungen sind bestimmte Typen von Problemverständnis. Für die Arbeit folgt daraus, die Deutung von Themen in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei werden unter der Deutung eines Themas stabile Muster der Wahrnehmung von Ereignissen der Welt verstanden. Die in die Debatte des Themas „Waldsterben“ involvierten Akteure haben unterschiedliche Deutungen des Themas „Waldsterben“, welche mit ihren (kulturellen) 120 Vorstellungen und ihren materiellen Interessen zu tun haben. Diese Rahmungen legen Handlungsoptionen fest bzw. schränken diese ein. Dass Akteure Themen in spezifischen Deutungsmustern wahrnehmen, heißt, dass sie die Welt in einer spezifischen Weise sehen und sich in ihrer spezifischen Weise auf diese Welt handelnd beziehen. Hat sich ein Deutungsmuster in verschiedenen Arenen durchgesetzt, d. h. es steht an prominenter Stelle auf der öffentlichen Tagesordnung, gewinnt dieses gewissermaßen „objektive“ Kraft, der sich vor allem politische Akteure nur schwer entziehen können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Deutungsmuster in bereits vorhandene, gesellschaftliche Interpretationsmuster der Welt passen. Dadurch besitzen sie rhetorische Kraft und erlauben es den beteiligten Akteuren, dem Thema einen Sinn zu geben. In der Sachdimension setzt das Konzept, das in dieser Arbeit verwendet wird, an der Identifikation eines Sachverhaltes als Problem und der kausalen Erklärung dieses Problems als zentralen Bestandteil politischer Deutungsprozesse im Agenda-Bildungs-Prozess an. In das Zentrum des Modells rücken daher kausale Wahrnehmungen, d. h. Ursachenzuschreibung, Verursacherzuschreibungen, Lösungsoptionen und Adressanten für die jeweiligen Probleme. In der Sachdimension ist daher der zentrale Begriff des Modell sogenannte Deutungsmuster. Unter einem Deutungsmuster wird dabei ein zusammenhängender Aussagekomplex verstanden, der ein spezifisches Problemverständnis enthält, indem sie Auskunft darüber geben, was an einem Thema als problematisch angesehen wird (Problemdimension), welche Ursachen für dieses Problem angenommen werden (Ursachendimension), welcher Verursacher in Frage kommt (Verursacherdimension) und in welche Richtung eine Lösung des Problems gehen müsste (Zieldimension) (vgl. auch Jarren 1996). Im Bezug auf die Sozialdimension sind politische Thematisierungsprozesse in den Massenmedien durch die Konfiguration verschiedener Akteuren strukturiert. Das Modell setzt dabei nicht auf der Ebene von individuellen Akteuren an, sondern auf der Ebene von Arenen - den Massenmedien, dem Deutschen Bundestag, der Ökologiebewegung - mit ihren jeweiligen Teilöffentlichkeiten. Es ist zwar an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen worden, dass „politische Unternehmer“ versuchen, ihr Problem und ihre Problemdefinition zu beförden, aber diese können eben nur Bedeutung erlangen, wenn sie in diesen gesellschaftlichen Teilöffentlichkeiten diskutiert werden und langsam in andere Arenen diffundieren. Bezüglich der beteiligten Akteure ist in der Forschungsliteratur immer wieder auf Parteien, Verbände, Soziale Bewegungen, Massenmedien, Wissenschaft und die Ministerialbürokratie verwiesen worden. Im Rahmen einer solchen Arbeit kann nicht allen Akteuren Rechnung getragen werden. Hierbei muss diese Arbeit selektieren. Es ist nicht möglich, alle Einflussbeziehungen in einer solcher Arbeit zu erörtern. Fragt man, dem theoretischen Modell folgend, welche empirisch beobachtbaren Arenen den wahrscheinlichsten Einfluss auf den Thematisierungsprozess des „Waldsterbens“ in den Massenmedien hatten, dann rückt vor allem die Ökologiebewegung in den Blickpunkt. Als letzten Aspekt gilt es zu erörtern, wo der institutionelle Ort der formellen Tagesordnung im parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland ist. Oder anders gefragt: Wann ist ein Thema von der öffentlichen Agenda auf die formelle Regierungsagenda aufgenommen? Cobb et al. definieren die „formelle Agenda“ wie folgt: „(…) Eine Liste von Themen, welche die politische Elite ausdrücklich und ernsthaft in ihre Erwägungen mit einbeziehen“ (Cobb et al. 1976, 126). Die formelle Agenda wird in dieser 121 Definition erstens durch ihre Träger, die politischen Eliten, bestimmt und zweitens durch die Art der Zuwendung zu dem Thema, nämlich „ernsthaft“ (Zittel 1996, 103). Die Frage ist, ob dies die Differenz von öffentlichen Agenden und formeller Agenda trifft? Den öffentlichen Agenden können die Instanzen der Interessenvermittlung zugerechnet werden: Dies sind die Akteure der Interessenartikulation (Verbände, neue soziale Bewegungen) und die Akteure der Interessenaggregation (Parteien). Auch diese bestehen zum Teil aus der politischen Elite, die sich ernsthaft mit einem Thema beschäftigen kann. Diese Definition von formeller Agenda ist für die Untersuchung dieser Arbeit zu undifferenziert. Roger Cobb und Charles Elder (1972) unterscheiden in ihrer Studie „Participation in America“ zwischen „sytemic agendas“ und „institutional agendas“ (Zittel 1996, 103). Die zuerst genannte ist wie folgt definiert: „Sie besteht aus allen Streitthemen, die gemeinsam von allen Mitgliedern der politischen Gemeinschaft so wahrgenommen werden, als daß sie öffentliche Aufmerksamkeit verdienen und Angelegenheiten zum Inhalt haben, die im Aufgabenbereich, der an der Macht befindlichen Regierung liegen“ (Cobb/Elder 1972, 85). Innerhalb des politischen Systems existiert aber noch eine zweite Tagesordnung, die „institutional Agenda“, die „(...) besteht aus solchen Problemen, bei denen sich die Gesetzgeber verpflichtet sehen, sie ernsthaft zu behandeln“ (Cobb/Elder 1972, 86). Diese Definition ist wiederum durch die Träger bestimmt, durch die Gesetzgeber oder die Regierungsmitglieder und durch die Art der Befasstheit mit dem Thema und zwar „ernsthaft“ (Zittel 1996, 103). Dies trifft die Unterscheidung dieser Untersuchung. Ein Thema ist also von der öffentlichen Agenda auf die formelle Agenda aufgenommen, wenn sich die Gesetzgeber oder die Regierungsmitglieder verpflichtet sehen, diese Themen ernsthaft zu behandeln. Nachstehend ist also nach der institutionellen Verankerung der formellen Agenda zu fragen. Wo ist der Ort, an dem sich die Gesetzgeber oder die Regierungsmitglieder mit Problemen auf Bundesebene ernsthaft auseinander setzen? Theoretisch kommen hierfür im Rahmen des Grundgesetzes die Tagesordnung der Bundesrepublik Deutschland oder die Tagesordnung des Bundestags als einziges Bundesorgan, das eine unmittelbare demokratische Legitimation besitzt, infrage. Beide Institutionen einzubeziehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Welcher Institution Priorität geben? Nach dem Grundgesetz liegt die politische Führung sowohl beim Parlament als auch bei der Regierung. Allerdings primär beim Bundestag, da er die Regierung ins Amt bringt und über die letztendliche Entscheidungskompetenz bei der Gesetzgebung sowie bei der Aufstellung des Haushalts verfügt (Ismayr 1992, 29). Darüber hinaus verfügt der Bundestag über das Instrumentarium des so genannten konstruktiven Misstrauensvotum (Art. 63 GG). Durch die Wahl der Regierung und durch das Instrumentarium des konstruktiven Misstrauensvotums zeichnet sich der Bundestag als ein „parlamentarisches Parlament“ aus (Steffani 1988, 261). Im Gegensatz zur Legislatur, deren Macht im Wesentlichen auf der Gesetzgebungs- und Haushaltsbewilligungs-Kompetenz beruht, bestimmt ein parlamentarisches Parlament darüber hinaus, welche Regierung wie lange von der Mehrheit im Parlament getragen wird (Art. 63 GG). Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Arbeitsweise des Parlamentes: Parlamentsmehrheit und Regierung stehen sich nicht in einem Konkurrenzverhältnis gegenüber, sondern stellen einen Handlungsverbund dar. Denn eine Regierung, die jederzeit wieder abberufen werden kann, ist auf die kontinuierliche Unterstützung der Parlamentsmehrheit angewiesen. Die Folge ist eine vergleichsweise hohe politische Geschlossenheit der Regierungsmitglieder und der 122 Regierungsmehrheit im Parlament gegenüber der Opposition. Dementsprechend bezeichnet Steffani den Bundestag als „das Parlament eines parlamentarischen Regierungssystems, in dem die verfassungsrechtliche Gewalteinteilung zwischen Parlament und Regierung durch die verfassungspolitische Gewalteinteilung zwischen Regierungsmehrheit und Opposition überlagert wird“ (Steffani 1988, 262). Je nachdem, welchen Fokus man wählt, werden sich unterschiedliche Einschätzungen über das Gewicht des Bundestages als Gesetzgebungsorgan ergeben (Steffani 1988, 262). Betrachtet man den Bundestag aus der formalinstitutionellen Perspektive, d. h. schließt man die Regierung aus dem Parlament aus, so wird das Gewicht des Bundestages bei der Gesetzgebung als relativ gering zu veranschlagen sein. Geht man hingegen von einer faktischen Zugehörigkeit der Regierung zur Parlamentsmehrheit aus, die zusammen eine politische Aktionsgemeinschaft bilden, wird man zu ganz anderen Schlüssen kommen: „So betrachtet kann sich der Bundestag auch in seiner Eigenschaft als Gesetzgebungsorgan getrost neben dem Kongress sehen lassen“ (Steffani 1988, 262). Wolfgang Ismayr hat in seinem Standardwerk „Der Deutsche Bundestag“ deutlich gemacht, dass die parlamentarische Arbeit durch die enge Verknüpfung zwischen Regierungs- und Parlamentsmehrheit bestimmt ist (Ismayr 1992; vgl. auch von Beyme 1997): „Das Zusammenwirken von Regierungsfraktion und Bundesregierung und deren wechselseitige Beeinflussung, auf ein gemeinsames Ziel, ist für das parlamentarische Regierungssystem charakteristisch“ (Ismayr 1992, 334). Dies kommt unter anderem in der Tatsache zum Ausdruck, dass die Vorsitzenden regierungstragender Fraktionen an wichtigen Kabinettssitzungen teilnehmen. Auf der anderen Seite nehmen Regierungsmitglieder an wichtigen Fraktionssitzungen teil. Die Regierung wird aus diesem Grund nur effektiv von der Opposition kontrolliert, die sich als eine Alternative zur Regierung profilieren muss. Aus den oben genannten Aspekten heraus erscheint es dadurch plausibel, den Deutschen Bundestag als formelle Agenda zu definieren. Damit ist das in der Abbildung 5.2 dargestellte analytische Modell über die Rolle der Massenmedien bei der politischen Agenda-Gestaltung für die geplante Untersuchung wie folgt zu spezifizieren. Abbildung 6.1: Modell für die Analyse der Themenkarriere „Waldsterben“ auf der ökologischen, massenmedialen, parlamentarischen und Bevölkerungsagenda im bundesrepublikanischen System. 123 6.2. Untersuchungsfragen Aus dieser Struktur des empirisch zu überprüfenden Modells und dem referierten Forschungsstand können noch keine formulierten Hypothesen abgeleitet werden, weil es zunächst „nur“ ein Modell darstellt, an dem weitere Fragen generiert werden können. Eine notwendige Theorie, das müsste deutlich geworden sein, existiert noch nicht. Daher ist ein detailliertes Gerüst theoretisch abgeleiteter Zusammenhangsannahmen nicht zu erwarten. Die Untersuchung hat vielmehr Hypothesen generierende Funktion. Aus dem analytischen Modell ergeben sich folgende Untersuchungsfragen: • Hat das Thema „Waldsterben“ auf den vier Agenden einen Aufmerksamkeitszyklus durchlaufen? • Wie hat sich das Thema „Waldsterben“ auf der massenmedialen, bewegungs-, parlamentarischen und auf der Bevölkerungsagenda etabliert und entwickelt? • In welchem Wechselverhältnis stehen die massenmediale und die anderen genannten Agenden in Bezug auf das Thema „Waldsterben“ zueinander? • Wie ist die Rolle der publizistischen Massenmedien einzuschätzen? • Hatte die massenmediale Kommunikation im Hinblick auf die Themenkarriere einen „Verstärker-“, „Auslösungs-“, „Initiator-“ oder „Repräsentations-Effekt“? Wenn die publizistischen Massenmedien einen Einfluss auf die parlamentarische Agenda haben, können sie über die Problematisierung hinaus mit bestimmten Problemdefinitionen in den politischen Agenda-Bildungs-Prozess eingreifen? Oder gar über die Funktion eines „Frühwarnsystems“ hinaus mit bestimmten Policy-Optionen Resonanz im politischen System auslösen? Daraus ergeben sich die nachstehenden Fragen. soziale Bewegungen Bevölkerung Massen- medien fokussierende Ereignisse Parlament Vorpolitischer Raum Politisches Entscheidungssystem Verstärker- Initiatoren- Effekt Repräsentation- Effekt Auslösungs- Effekt Effek 124 • Wie wurde das Thema „Waldsterben“ in den 80er Jahren auf der bewegungs-, massenmedialen und parlamentarischen Agenda gedeutet? • Haben sich die Deutungsmuster im Verlauf der Themenkarriere auf den genannten Agenden geändert? • In welchem Wechselverhältnis stehen bewegungs-, massenmediale- und parlamentarische Agenden in Bezug auf die Deutung des Themas „Waldsterben“ zueinander? • Haben sich die Policy-Optionen im Verlauf der Themenkarriere auf den genannten Agenden verändert? • In welchem Wechselverhältnis stehen bewegungs-, massenmediale- und parlamentarische Agenden in Bezug auf die Policy-Optionen des Themas „Waldsterben“ zueinander? Teil V Das Problem „Waldsterben“ auf der Bewegungs-, der Bevölkerungs-, der massenmedialen und parlamentarischen 125 Agenda im System der Bundesrepublik Deutschland: Themenkarriere und Problemdeutung in den achtziger Jahren „Man kann mehr Zutrauen zu einer bestimmten Seite der Untersuchung haben als zu anderen, und demgemäß diese Teile ernster nehmen als die anderen. Letzten Endes sehen wir das als objektiv an, was wir als brauchbare Grundlage für weiteres Denken und Handeln ansehen, unter der Einschränkung, daß uns auf die Dauer unsere Kollegen über die Schulter sehen, und daß sich die Wahrheit durchsetzen wird. Dies meinen wir, wenn wir die Sozialwissenschaften als ein rationales empirisches Unternehmen bezeichnen.“ (Wilson 1982, 503) 7. Allgemeines Design und Methodik der empirischen Untersuchungsteile Dem folgenden Kapitel werden einige methodische Erläuterungen vorangestellt. Sie informieren zunächst über das Design der Untersuchung, die Auswahl des Untersuchungszeitraumes sowie die verwendeten Materialien. Es folgt ein Überblick über die Auswertungsschritte, den Stellenwert der einzelnen Ergebniskapitel innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens und zugleich werden die zentralen statistischen Analyseverfahren begründet. 7.1. Methodisches Design Der folgende empirische Teil der Untersuchung hat zum Ziel, die im Modell enthaltenen Strukturen und Beziehungen mit Daten anzureichern und einem ersten Test zu unterziehen. Auf Grund der im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit evident gewordenen Theorie- und Empiriedefizite der Forschung in der Bundesrepublik Deutschland kann es sich dabei nicht um eine streng Hypothesen testende Methode handeln. Auch der erarbeitete, theoretische Bezugsrahmen - das sollte deutlich geworden sein - hat nur einen vorläufigen Charakter. Entsprechend hat die empirische Analyse explorative Funktion: Die allgemeinen Bezugsrahmen dienen der Festlegung der analytischen Perspektive und nicht der Überprüfung von Hypothesen, vielmehr hat die empirische Analyse auch eine Hypothesen generierende Funktion. 126 Im empirischen Teil dieser Arbeit wird hauptsächlich auf die quantitative Sozialforschung zurückgegriffen, um Reproduzierbarkeit, intersubjektive Überprüfbarkeit und Systematik in der Verknüpfung zum theoretischen Modell zu gewährleisten (Schnell et al. 1992, 118). Dabei setzt die Analyse, wie auch in der theoretischen Ausarbeitung, auf der Ebene von korporativen Akteuren an. Untersucht werden soll also nicht der Einfluss der Massenmedien auf das Individuum, sondern es sollen Einflussbeziehungen zwischen Massenmedien auf der einen Seite und korporativen Akteuren sowie der Bevölkerung herausgearbeitet werden (zu einem solchen Vorgehen umfassend Marcinkowski 1999, 238 f.). Deshalb benutzt die folgende Analyse Aggregatdaten. Dieses Design mit aggregierten Daten beleuchtet also nur eine ganz bestimmte Variante der „Agenda-Effekte“ und muss bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden. Die Effekte sind nicht einzelnen Individuen zuzurechnen, es werden lediglich Korrelationen zwischen Agenden der Massenmedien, der Bevölkerung, der Ökologiebewegung und dem Deutschen Bundestag berechnet. Bei der Interpretation der Daten ist daher darauf zu achten, dass man nicht einem Phänomen zum Opfer fällt, welches als „ökologischer Fehlschluss“ bezeichnet wird. Das heißt, man darf nicht von aus Gruppeneigenschaften errechneten Assoziationen auf Assoziationen zurückschließen, welche man aus individuellen Daten erhält. Auf diese Arbeit bezogen besagt das, wenn Zusammenhänge zwischen den vier Agenden bestehen, heißt das nicht etwa, dass Politiker im Einzelnen die Zeitung gelesen haben oder ein Journalist eine Pressemitteilung. Dies mag in dem einen oder anderen Fall so sein oder auch nicht, aber mit Aggregatdaten kann nicht auf einzelne Handlungen oder Prozesse zurückgeschlossen werden. Aus diesem Grund sind Aggregatdaten als Indikator zu verstehen. Das heißt, sie zeigen manifeste Beziehungen an, welche im ersten Teil der Arbeit theoretisch begründet werden, welche aber selbst in dieser Arbeit empirisch nicht nachvollzogen werden. Hierbei bewegt man sich theoretisch aber nicht mehr auf der Mikro- , sondern auf der mesotheoretischen Ebene. Es werden also - um es noch einmal zu verdeutlichen - nicht die Interaktionen zwischen einzelnen Individuen untersucht, sondern „lediglich“ die Verteilung der Vorstellung über die Wichtigkeit von Themen in einer ausgewählten Gruppe. In diesem Fall alle Journalisten der untersuchten Medien, alle Akteure des deutschen Bundestages sowie die Verteilung der Vorstellungen über die Wichtigkeit des Themas „Waldsterben“ in der Ökologiebewegung und in der Bevölkerung. Dies ist der Nachteil dieses Verfahrens. Auf der anderen Seite hat dieses Verfahren auch seine spezifische Stärke, es deckt einen weitaus größeren Untersuchungsbereich ab und ermöglicht exakt quantifizierende Aussagen. Für eine Analyse über einen Zeitraum von 11 Jahren mit einer solch breiten empirischen Absicherung gibt es kein alternatives Verfahren. Des Weiteren haben Autoren, wie oben bereits erläutert, bei Studien zur Policy-Agenda- Setting-Forschung zu Recht die unzureichende Operationalisierung der politischen Agenda beklagt. Studien, welche Einstellungen auf individueller Ebene erheben, müssen sich zu Recht fragen lassen, ob die so gemessenen privaten Ansichten der Akteure tatsächlich einen Einfluss auf den politischen Prozess haben. Insofern scheint ein Vorgehen, welches direkt auf der institutionellen Ebene ansetzt und institutionelle Entscheidungsstrukturen und die Handlungen in diesen Strukturen nachprüft, akkurater zu sein als Untersuchungen auf Individual-Ebene (Swanson 1988, 612). Des Weiteren hat dieses verwendete Verfahren gegenüber qualitativen Fallstudien zu einzelnen Problemkarrieren - wie in der bearbeiteten Literatur gesehen - ebenfalls 127 spezifische Vor- und Nachteile: Man kann bei qualitativen Fallstudien die Einflussfaktoren und Wirkungszusammenhänge auf die einzelnen Problemkarrieren in einem „natürlichen“ Zusammenhang erfassen und tief in die interessierende Materie eindringen, Nuancierungen ausleuchten und Hintergründe erforschen. Außerdem zeichnet sich diese Methode durch ihre Offenheit aus. Es kann Zusammenhängen nachgegangen werden, die erst im Laufe der Untersuchung entdeckt werden. Auf der anderen Seite bleibt aber die Verallgemeinerbarkeit der Aussagen vage und es können kaum quantifizierende Aussagen gemacht werden. Daneben ist ein solches Verfahren für Untersuchungen mit breiter empirischer Basis, wie diese Arbeit, nur schwer zu praktizieren. Die genannten Nachteile gegenüber der qualitativen Fallanalyse können im Rahmen einer solcher Arbeit nicht aufgehoben werden. Allerdings wird in der Schlussbetrachtung dieser Arbeit im Rahmen einer kleinen Fallstudie auf einige weitere Faktoren eingegangen, welche die Rolle der Massenmedien im Thematisierungsprozess des Themas „Waldsterben“ weiter aufschlüsseln werden. 7.2. Materialbasis, Auswahlverfahren und Untersuchungsmodell Die hier interessierende Grundgesamtheit bezieht sich auf alle Thematisierungen bezüglich des Themas „Waldsterben“ auf den vier Agenden: der Ökologiebewegung, der Presse, der Bevölkerung und des Parlamentes in der Bundesrepublik Deutschland. Aus forschungsökonomischen Gründen musste eine Auswahl getroffen werden. Diese Auswahl bezieht sich hier vor allem auf eine zeitliche Dimension sowie auf die Auswahl des Untersuchungsmaterials. Da sich die Analyse der Thematisierungsverläufe auf den Agenden der Ökologiebewegung, der Presse, der Bevölkerung und des Parlamentes auf die originäre Karriere des Themas „Waldsterben“ beziehen sollte, konnte der Analysezeitraum relativ gut spezifiziert werden: Ein Blick in die Forschungsliteratur genügt, um festzustellen, dass das Thema seine publizistische Karriere in den 80er Jahren durchlaufen hat. Holzberger (1995), der die einzige, dem Verfasser bekannte, „Langzeituntersuchung“ zum Thema durchgeführt hat, beschränkte diesen Zeitraum auf 1982 bis 1988. Es kann allerdings festgehalten werden, dass das „Waldsterben“ auch vor diesem Zeitraum bzw. über diesen Zeitraum hinaus thematisiert wurde und immer noch wird. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass, wenn ein Thema auf einer Agenda erscheint und diese Agenda in einem wechselseitigen Verhältnis mit einer (oder mehreren) Agenda(en) steht, eine Art Einwirkungszeit einer unabhängigen Variable auf eine abhängige Variable existiert. Die Angaben in der Forschungsliteratur zur Karriere des Themas sowie die Annahme einer Wirkungsspanne wurden berücksichtigt und der Zeitraum von 1980 bis 1990 ausgewählt. Diese Spanne von 11 Jahren hat den Vorteil, einen Einblick in die originäre Karriere des Themas zu gewähren. Im Einzelnen wurde auf folgendes Untersuchungsmaterial zurückgegriffen: Hinter der Ökologiebewegung verbirgt sich ein heterogenes Geflecht aus verschiedensten Gruppen und Organisationen. Um die verschiedenen Ausrichtungen innerhalb der Umweltbewegung zu berücksichtigen, wurden für die empirische Untersuchung im Einzelnen folgende Akteure bestimmt: Auf der Ebene der dem politischen 128 Umweltschutz verpflichteten, bundesweit tätigen Umweltschutzorganisationen wurden der BBU, aus dem Bereich des pragmatischen, bundesweit tätigen Umweltschutzes der BUND und Greenpeace Deutschland ausgewählt. Um Thematisierungen über das „Waldsterben“ aktuell und kontinuierlich erfassen zu können, wurden die jeweiligen Zeitschriften und Magazine der Bewegungsakteure erhoben. Diese standen in mehreren Archiven zur Auswertung bereit. Für den BUND wurde das Mitglieder-Magazin „Natur und Umwelt“ erhoben. Dieses Magazin erschien regelmäßig mit vier Ausgaben pro Jahr, so dass insgesamt 44 Hefte in das Sample eingingen. Das bundesweit erschienene Magazin stand in der Ausgabe des größten und ältesten Landesverbandes, des Bund Naturschutz Bayern (BN), zur Verfügung. Der BBU veröffentlichte im Untersuchungszeitraum drei verschiedene Mitglieder- und Förderzeitschriften: Dies waren das „Umweltmagazin“ (bis Oktober 1984), der „Infodienst“ (ab 1984-1990 für Mitglieder und Förderer) und das „BBU-Magazin“ (insgesamt nur vier Ausgaben zwischen 1985 und 1986). Da alle Thematisierungen im Untersuchungszeitraum erhoben werden sollten, wurden auch alle diese Magazine des BBU in die Untersuchung aufgenommen. In den Jahren 1984 bis 1986 gab es deshalb Zeiträume, in denen mehr als ein Heft erschien. Alle drei Magazine des BBU erschienen in verschiedenen Zyklen: Das Umweltmagazin kam alle zwei Monate heraus, allerdings mit Unregelmäßigkeiten. Der Infodienst war als monatliches Nachrichtenmagazin geplant, welches die monatliche Veröffentlichung aber oft nicht einhalten konnte. Das BBU- Magazin erschien ebenfalls unregelmäßig. Insgesamt gingen somit 96 BBU-Ausgaben in die Untersuchung ein. Greenpeace veröffentlichte im Untersuchungszeitraum lediglich zwei verschiedene Magazine: Die „Greenpeace-Nachrichten“ von 1982 bis 1989 und ab 1990 das „Greenpeace-Magazin“. Greenpeace konnte erst ab 1982 in die Untersuchung eingehen, da die deutsche Sektion erst im Herbst 1981 gegründet wurde und die erste Mitgliederzeitschrift Anfang 1982 herauskam. Die Ausgaben erschienen vierteljährlich, allerdings gab es auch hier gewisse Unregelmäßigkeiten. Insgesamt konnten 36 Greenpeace-Magazine in die Untersuchung aufgenommen werden. Für alle drei Akteure der Ökologiebewegung gingen somit 176 Magazine in die Untersuchung ein. Damit liegt eine Vollerhebung aller erschienenen Mitglieder- und Förderzeitschriften von BUND, BBU und GREENPEACE zwischen 1980 und 1990 zum Thema „Waldsterben“ vor. Insgesamt wurden für die Ökologiebewegung 437 Texte ausgewählt, von denen 87 aus der Analyse herausgenommen werden mussten, da sie entweder den formalen oder den inhaltlichen Kriterien nicht gerecht wurden. Somit bleiben 350 Artikel und Berichte für die Ökologiebewegungsagenda in der Analyse. Als Untersuchungseinheit wurden, vor allem aus forschungsökonomischen Gründen, ganze Beiträge und Artikel zum Thema „Waldsterben/neuartige Waldschäden“ gewählt (Merten 1983, 147ff.). Kodiert wurde jeweils einmal die Nennung des Themas und die einmalige Nennung eines Problemaspektes oder einer Policy Option, die in dem Text vorkamen. Die Auswahl des Untersuchungsmaterials für die Presse erfolgte in einem Zwei-Stufen- Prozess: Zum einen wurden die vier überregionalen, täglich erscheinenden „Qualitätszeitungen“ ausgewählt, da sie ein breites, publizistisches Spektrum liefern (Schönbach 1977): „DIE WELT“, „SÜDDEUTSCHE ZEITUNG“, „FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG“ UND „FRANKFURTER RUNDSCHAU“. Darüber hinaus besitzen neben diesen 129 Tageszeitungen die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und das Wochenmagazin „DER SPIEGEL“ eine Meinungsführer-Position im bundesdeutschen Mediensystem. Die genannten Zeitungen sind so genannte Prestigemedien, d. h. ihr Einfluss ist nicht auf ihren relativ kleinen direkten Leserkreis beschränkt, sondern sie haben eine Sonderstellung in der Medienlandschaft inne (vgl. auch Kapitel 4.2. und Kapitel 4.3.): Sie werden fast von der gesamten politischen Elite gelesen. Daher ermöglicht sich eine Inter-Eliten-Beeinflussung (Gerhards 1990). Sie dienen als Leitmedien für andere Medien. Dadurch können sich Themen innerhalb des Mediensystems diffundieren (Kapitel 4.2.). Bezüglich der Untersuchungseinheiten für die vier Tageszeitungen und die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ musste auf Grund des langen Zeitraumes von 11 Jahren eine Auswahl getroffen werden. Es hätten sonst über 14000 Ausgaben dieser Zeitungen auf Artikel zum Thema untersucht werden müssen. In Bezug auf die Tageszeitungen WELT, SZ, FAZ, FR sowie für die ZEIT wurde eine bewusste Auswahl vorgenommen (Merten 1983, 284). Dazu wurde auf den Zeitungs-Index des Sauer-Verlages zurückgegriffen. Die Auswahl der Presseartikel erfolgte über die Inhalts- und Sachregister des Zeitungs-Index und des SPIEGEL. Maßgeblich waren die Stichwörter „Wald...“, „Baum...“ und „Forst...“ in allen sprachlichen Formen und Abkürzungen. Auch Querverweise auf andere Stichwörter wurden berücksichtigt und alle darunter stehenden Artikel in die Analyse genommen. Insgesamt konnten für die Agenda „Presse“ 419 Artikel ausgewählt werden. Auch hier hielten einige Artikel dem inhaltlichen Kriterium - Thematisierung „Waldsterben“ - nicht stand. Für die Analyse blieben dennoch 376 Untersuchungseinheiten (Artikel) übrig. Die Analyseeinheit war auch hier der gesamte Text. Die Codierung verlief nach der gleichen Vorgehensweise wie bei den Berichten der Ökologiebewegung. Die Parlamentsagenda wurde mittels der Inhaltsanalyse der Bundestagsdrucksachen des Untersuchungszeitraumes 1980-1990 operationalisiert (Brettschneider 1995; Marcinkowski 1996; 1999). Aus forschungsökonomischen Gründen mussten die Parlamentsprotokolle unberücksichtigt bleiben. Im Zentrum der Erhebung standen die parlamentarischen Handlungen (Brettschneider 1995, 133). Dazu gehören - wie bereits in Teil 3.3 erläutert - Gesetzentwürfe, Sachanträge, Entschließungs- und Änderungsanträge, Große und Kleine Anfragen, Anfragen einzelner Abgeordneter, Ausschussempfehlungen, Antworten und Berichte der Bundesregierung. Aktuelle Stunden, Annahmen oder Ablehnungen von Gesetzentwürfen oder Anträgen kamen in den Bundestagsdrucksachen nicht vor. Die Auswahl erfolgte über das Sachregister der Bundestagsdrucksachen. Dazu wurden die Stichwörter „Wald...“, „Baum...“, „Forst...“ herangezogen sowie alle Querverweise berücksichtigt. Falls von einem Abgeordneten mehrere Anfragen zum selben Themenkomplex gleichzeitig gestellt oder eingereicht wurden, ist dies als eine parlamentarische Handlung gewertet worden (Brettschneider 1995). Nach dieser Vorgehensweise konnten 364 parlamentarische Handlungen zum Thema gefunden werden. Hier fielen ebenfalls, wegen der fehlenden Thematisierung des Themas „Waldsterben“, Untersuchungseinheiten heraus. Immerhin konnten 303 parlamentarische Handlungen in die Analyse eingehen. Die Codierung der Textmerkmale wurde genauso vorgenommen, wie bei der Ökologiebewegung und der Presse. Unter öffentlicher Meinung wird in dieser Arbeit nicht die Verteilung der in Umfragen gemessenen individuellen Einstellungen zu politischen Sachfragen in einem repräsentativen Querschnitt in der Bevölkerung verstanden wie in der Responsivitätsforschung (Kapitel 130 4.4.), sondern Einschätzungsfragen zu der Wichtigkeit einzelner Issues. Die Operationalisierung der Bevölkerungsagenda erfolgte anhand repräsentativer Umfragedaten, die von Infas regelmäßig von 1980 bis 1990 für das Bundespresseamt erhoben wurden. Befragt wurden wöchentlich 1000 Wahlberechtigte in den alten Bundesländern. Gefragt wurde u. a. nach den derzeit wichtigsten, gesellschaftlichen und politischen Problemen in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Frage wurde jeweils offen erhoben. Für diese Arbeit wurden alle Antworten, welche sich explizit auf das „Waldsterben“ beziehen, herausgenommen und daraus eine Zeitreihe gebildet. Insgesamt standen für die Agenden „Ökologiebewegung“, „Presse“, „Bevölkerung“ und „Parlament“ 2728 Untersuchungseinheiten zur Verfügung. Die nachfolgenden Tabellen 7.1 geben eine Übersicht über die auf Agenda-Ebene aggregierten Quellen. Tabelle 7.1: Aggregierte Quellen der Agenden Agenda Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente Ökologiebewegung 350 12,8 12,8 12,8 Presse 376 13,8 13,8 26,6 Parlament 303 11,1 11,1 37,7 Bevölkerung 1699 62,3 62,3 100,0 Gesamt 2728 100,0 100,0 Mit Hilfe der so operationalisierten Variablen, die vier Agenden „Ökologiebewegung“, „Presse“, „Bevölkerung“, „Parlament“, lässt sich das theoretische Modell in ein empirisches Untersuchungsmodell übertragen, welches nachfolgend dargestellt ist. In der Abbildung 7.1 sind die theoretischen Konstrukte als Rechtecke dargestellt. Die dazu gehörigen Indikatoren sind als Sechsecke gestaltet. Abbildung-7.1.: Untersuchungsmodell der empirischen Analyse 131 Der so generierte Datensatz erlaubt die Anwendung vielfältiger statistischer Analyseverfahren. Die Thematisierungsprozesse zum Thema „Waldsterben“ können durch die Dokumentenanalyse für die einzelnen Agenden nachgezeichnet werden. Danach können sie miteinander verglichen und es können Interaktionen zwischen den Agenden überprüft werden. Gemäß dem skizzierten Modell im Teil II und III dieser Arbeit sind wechselseitige Beziehungen zwischen den Agenden zu prüfen. Dies beinhaltet, dass die Presse im Interaktionsprozess mit anderen Agenden mal als abhängige und mal als unabhängige Variable fungieren kann. Bevor jedoch die Interaktionen der Agenden bezüglich des Problems „Waldsterben“ untersucht werden können, müssen Thema, Deutungsmuster und Policy Optionen, die sich innerhalb der Themenkarriere „Waldsterben“ zeigen, aufgeschlüsselt und gefasst werden. 7.3. Operationalisierung der Konstrukte und Erhebungsverfahren Zur Rekonstruktion des Themenverlaufs und der Deutungsmuster greift die Arbeit auf die Inhaltsanalyse zurück. Dieses Erhebungsverfahren ist in der Wissenschaft an unterschiedlichstem Material und im Hinblick auf verschiedenste Fragestellungen angewandt worden. Für die vorliegende Analyse eignet es sich in besonderer Weise, weil ein zurückliegender Zeitraum untersucht wird und weil Kommunikationsprozesse korporativer Akteure im Vordergrund stehen. Als inhaltsanalytisches Verfahren wird dazu die Themenanalyse gewählt. Dieses Verfahren ist zum Standardverfahren für die Analyse von Massentexten geworden, da es den Vorteil hat, beliebige Inhalte in vergleichsweise wenige, vorab zu definierende, Kategorien einordnen zu können und somit eine erhebliche Reduktion von Information leistet. Aus diesem Grund stellt die Themenanalyse ein - im Vergleich zu anderen - außerordentlich ökonomisches Verfahren dar. Darüber hinaus wird Die Welt Süddeutsche Zeitung Frankfurter Allgemeine Franfurter Rundschau Die Zeit Der Spiegel Natur und Umwelt Umweltmagazin Infodienst BBU-Magazin Greenpeace-Magazin Greenpeace-Nachrichten Ökologie- bewegung Massen- medien Parlament Gesetzentwürfe Sachanträge Entschließungsanträge Ausschußempfehlungen Große & Kleine Anfragen Anfragen einzelner Abgeordneter Antworten der Bundesregierung Infas: Bevölkerungsumfragen Bevölkerung 132 in der vorliegenden Arbeit ein „Non-Frequency“-Ansatz gewählt (Rager et al. 1988, 7). Die Bedeutung eines Problemmerkmals bestimmt sich demnach lediglich durch seine An- oder Abwesenheit im zu erhebenden Text. Nicht die Häufigkeit, mit der dieses Merkmal auftritt, ist entscheidend, sondern die alleinige Thematisierung, die für das Setzen des Aspektes auf die Akteursagenda steht. Aus der Aggregation der Daten über die Zeit ergibt sich der (höhere oder niedrigere) Status des Problems, der Problemdefinitionen und der Problemlösungen auf der jeweiligen Agenda. Im Folgenden noch ein paar Anmerkungen zum verwendeten Themenbegriff: In der Forschung reicht die Kategorisierung von Themen auf die Konzentration von Einzelereignissen über relativ konkrete Themen bis hin zu relativ weiten Themenbereichen (Kapitel 3.1.). Will man eine konzeptionelle Bestimmung des Begriffes leisten, dann wäre es ratsam, einen hinreichend abstrakten Themenbegriff in die Forschung einzuführen. Einen solchen Themenbegriff stellt Niklas Luhmann zur Verfügung. Danach sind Themen unbestimmte und entwicklungsfähige Sinnkomplexe, welche als Grundstruktur jeder Kommunikation zugrunde liegen (Luhmann 1971, 28). Diese Sinnkomplexe zeichnen sich durch eine spezifische Kombination in zeitlicher, sachlicher und sozialer Sinndimension aus, zu denen man gleicher oder unterschiedlicher Meinung sein kann (Luhmann 1984, f. 113). Diese Definition hat zum einen den Vorteil, dass sie explizit zwischen Themen und Meinungen unterscheidet, insofern ist sie direkt an die Agenda-Setting-Forschung anschließbar. Zum anderen werden Themen nicht „ein für alle Male inhaltlich bestimmt, etwa durch diskrete, in Raum und Zeit beschränkte Vorkommnisse (sog. „Ereignisse“), sie definieren sich vielmehr über ihren Bedeutungsgehalt, über ihren aktuell gemeinten Sinn“ (Marcinkwoski 1999, 166). Insofern würde ein weitreichend offener Themenbegriff in die Agenda-Forschung eingeführt werden, welcher für unterschiedliche Studien anschlussfähig wäre. Analytisch lassen sich solche thematischen Sinnkomplexe in Einzelbestandteile zerlegen: Einerseits in Subthemen, andererseits werden sich zu jedem Thema spezifische Bedeutungskomponenten finden lassen, welche den aktuell gemeinten Sinn in zeitlicher, sachlicher und sozialer Dimension konkretisieren (sog. Deutungsmuster). Beispielsweise kann das Thema Wirtschaft in die Subthemen Inflation oder Arbeitslosigkeit unterteilt werden, welche das zunächst noch abstrakte Thema „Wirtschaft“ mit weiterem Sinn anfüllt und konkretisiert. Diese Subthemen werden in der politischen Kommunikation, wie in der Forschung zum Agenda-Setting dargelegt, nur selten einfach im Raum stehen, sondern mit spezifischen Attributen (Deutungskomponenten) wie etwa eine Ursache/Verursacher, eine Lösungsmöglichkeit etc. verbunden werden. Ein thematischer Sinnkomplex bildet insofern eine übergeordnete Kategorie, welcher sich eine Mehrzahl von Subthemen, von Ereignissen und Attributen zuordnen lassen. Generell ist es in der Forschung ratsam, ein Thema auf möglichst vielen Abstraktionsebenen abzubilden. Dies ist schon deshalb geboten, weil bei sehr abstrakten Themen, wie etwa Umwelt, Artefakte produziert werden könnten und die Themenprioritäten in der Bevölkerung oder auf der politischen Agenda nicht auf die Berichterstattung zurückzuführen sind, sondern nur allgemeine Werthaltung reproduziert (Rössler 1997, 75). Außerdem ist eine Disaggregation des Themenbegriffs schon auf Grund der Genauigkeit der Forschungsergebnisse wünschenswert. Während Studien mit einem so genannten „Cross-Sectional“ Design, welches die Entwicklung verschiedener Themen in verschiedenen Politikfeldern und ihr Verhältnis zueinander nachzeichnet, auf Grund des hohen Forschungsaufwandes mit relativ abstrakten Themen arbeiten müssen, können 133 Studien, die nur einzelne Themen behandeln, auf sehr konkretem Abstraktionsniveau arbeiten (Baumgartner/Jones 1992; Brosius 1994). Da es in dieser Arbeit nicht um die Erforschung einer kompletten Agenda (Themenstruktur) geht, sondern um die Karriere eines bestimmten Themas, eine so genannte „One-Issue-Studies“, kann daher auf sehr genauem Abstraktionsniveau gearbeitet werden, nämlich mit dem Subthema „Waldsterben“. Solche Subthemen werden, wie bereits gesagt, in der politischen Kommunikation mit weiteren Attributen, etwa eine Ursache/Verursacher, eine Lösungsmöglichkeit etc., verbunden, welche „zunächst noch Unbestimmte und entwicklungsfähige Sinnkomplexe“ weiter mit Sinn füllt (Luhmann 1974, 32). Neben der Bewegungsforschung, in welcher solche Deutungskomponenten inzwischen vielfach behandelt werden, hat auch die Forschung zur politischen Kommunikation inzwischen verschiedene Sinnkomponenten angewendet (für einen genauen Überblick der Amerikanischen Forschung siehe Rochefort/Cobb 1993 und 1994; in Deutschland wurden solche Deutungskomponenten inzwischen von Jarren 1996; Marcinkwoski 1999; Weßler 1998 angewendet). Fasst man auch hier die Forschung - insbesondere die amerikanische - zusammen, dann werden folgende Komponenten immer wieder genannt: • Problemdefinition • Problemursache • Problemverursacher • allgemeine Lösungsvorschläge • Adressaten • Policy Optionen Ein paar Anmerkungen zu diesen Dimensionen: Themen oder Probleme sind nicht für sich in der Welt, sondern müssen zu einem solchen definiert werden (Kapitel 5.5). Dazu muss ein anfangs noch unbestimmter Sachverhalt zu einem Thema gemacht, d. h. mit einem Begriff bezeichnet werden. Darüber hinaus muss ein Thema als problematisch gekennzeichnet werden, wobei Probleme als Kennzeichnung für eine Diskrepanz zwischen Ist- und Soll- Zuständen gesehen werden (Jones 1980): Man will einen gesunden Wald, aber der Wald stirbt. In der politischen Kommunikation ist zu erwarten, dass jeder Sachverhalt, der zu einem Problem definiert wird, auch kausal erklärt werden kann: Erklärungen müssen als plausibel und Folgerungen als notwendig und nützlich erscheinen. Die Frage nach den Ursachen und Verursachern eines Problems, d. h. eine „angemessene Kausaltheorie“, welche sich mit einer Schuldzuweisung verbinden lassen kann, ist daher eine zentrale Problemdimension. Die Problemdeutung muss die Frage beantworten, was die eigentliche Problemursache bzw. der Problemverursacher ist. Insbesondere Deborah Stone beschäftigt sich in ihrer Arbeit „Causal Stories“ mit der Frage nach dieser Deutungsdimension (Stone 1989). Sie analysiert, welche Ursachen und Verursacher angeführt werden müssen, damit bestimmte soziale Sachverhalte überhaupt zu einem Problem werden und politisch bearbeitet werden können. Dabei ist die zentrale Hypothese von Stone, dass politische Akteure bei der Bestimmung der Ursache nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen, sondern eigene Kausalannahmen in eine Problemdeutung einbringen, um so ihr politisches Interesse durchzusetzen. Sie entwirft eine Typologie der Ursacherdeutungen und führt aus, wie eine Umdeutung der Verursacherdimension zu unterschiedlichen politischen Reaktionen führt. 134 Tabelle 7.2: Typologie der Ursachenzuschreibung Art der Handlungsfolge Art des Handelns Nicht-intendierte Folgen Intendierte Folgen Ungesteuertes Handeln Zufällige/natürliche Verursachung Vermittelte Verursachung Zielgerichtetes Handeln Fahrlässige Verursachung Intentionale Verursachung Quelle: Stone 1989, 285 Nur Probleme, deren Ursachen als bearbeitbar gelten, können in den politischen Kommunikationsprozess eingebunden werden. Damit überhaupt ein für politisches Handeln relevantes Problem vorliegt, muss deshalb eine Deutung als Schicksal oder Zufall ausgeschlossen werden, da in diesem Fall weder eine Zurechnung auf verursachende Schädiger noch eine politische Verantwortungszuweisung möglich ist. Das Feld „Zufällige/natürliche Verursachung“ in der Typologie beschreibt einen solchen Sachverhalt. Damit ein Problem in die politische Tagesordnung aufgenommen werden kann, muss die Ursache in dem Handlungsbereich des Menschen liegen, um bearbeitbar zu sein. Die Problemdefinition muss also den Sachverhalt auf ein intentionales Handeln zurückführen, d. h. also eine bewusste Schädigung oder ein Fall von Unachtsamkeit - ein gezieltes Handeln mit ungewollten Folgen. Diese fahrlässige Verursachung beruht auf ein zielgerichtetes Handeln, aber mit nicht-intendierten Folgen. Dies mag auf Leichtfertigkeit oder auf ein Wissensdefizit bei den Handelnden zurückzuführen sein. Die dritte Möglichkeit, auf die Deborah Stone verweist, ist die vermittelte Verursachung, d. h. von Menschen produzierte Einrichtungen (Maschinen oder mechanische Prozesse) treten zwischen die Intention und das Ergebnis. In diesem Fall sind die Folgen zwar auf ein ungesteuertes Handeln zurückzuführen, die Folgen aber durchaus intendiert. In diese Kategorie gehört zum Beispiel geplanter Verschleiß von Produktionsanlagen oder die Verzögerung von Innovation im Bereich des Umweltschutzes. Die Wahrscheinlichkeit, dass Probleme auf die politische und öffentliche Agenda gelangen, ist dann am größten, wenn es gelingt, sie als Ergebnis absichtsvoller Handlungen und intendierter Konsequenzen zu bezeichnen. Eine weitere Dimension betrifft die Problemlösung. Damit überhaupt ein Problem als ein politisches Problem definiert werden kann, muss es mit einer sinnvollen Bearbeitungsstrategie verbunden werden, denn als politisches Problem kann es sich nur um ein solches handeln, was auch gelöst werden kann. „The availibility of solutions make problems possible“ (Elder und Cobb 1983). In der wissenschaftlichen Literatur wird dabei in der Regel zwischen Policy-Optionen und allgemeinen Problemlösungen unterschieden. Diese analytische Trennung macht auch Sinn, wie empirische Ergebnisse zeigen: Gerhards (1996) belegt in einer Studie beispielsweise, dass Akteure im Zentrum der Politik eher policy-orientierte Aussagen treffen und Akteure der Peripherie allgemeine Lösungsvorschläge thematisieren (Gerhards 1996). Auch ist zu erwarten, dass in der Berichterstattung - schon auf Grund der Nachrichtenfaktoren - eher allgemeine Lösungsvorschläge als konkrete und komplexe Policy-Optionen thematisiert werden. Insofern ist eine solche Trennung für die Analyse der politischen Kommunikation durchaus sinnvoll. Eine weitere Dimension der Problemdefinition betrifft die Frage, wer für die Problembearbeitung verantwortlich gemacht wird. Wer soll etwas gegen das Problem 135 unternehmen sowie die Lösungen oder die Policy Optionen umsetzen? Im Zentrum stehen demnach die Problembehandlung sowie die Umsetzung von Lösungen und Policy Optionen durch einen Akteur. Dafür kommen etwa die Wissenschaft, die Parteien, die Justiz oder auch der freie Markt in Betracht. Durch die Umdeutung dieser Dimension können Adressierungen verändert und so ein Problem an andere Institutionen herangetragen werden. Themen, im oben definierten Sinne, können also mit zusätzlichen Annahmen kombiniert werden. Die semantische Struktur wird konkretisiert, indem eine mögliche Ursache und Verursacher etikettiert, Maßnahmen zur Beseitigung vorgeschlagen und spezifische Forderungsadressanten benannt werden und in der Folge konkrete Policy-Options. So kann das Thema Umwelt in ein Subthema „Waldsterben“ klassifiziert werden. Dieses Subthema wird dann mit weiteren Deutungskomponenten verbunden. So kann etwa die Luftverschmutzung als Ursache benannt werden und als Verursacher die Kraftwerke. Ein Lösungsvorschlag wären Filteranlagen: Die Regierung sollte diese durchsetzen und in der weiteren Diskussion könnte als konkrete Policy die Verschärfung der TA-Luft eingebracht werden. Ein Aussagenkomplex mit mehreren dieser Komponenten soll im Folgenden als Deutungsmuster bezeichnet werden. Es müssen aber nicht alle diese Komponenten genannt werden. Die Überlegungen sind in der nachstehenden Abbildung 7.3 noch einmal veranschaulicht. Abbildung 7.2:Der Deutungsmusterbegriff Zusammenfassend bildet das Thema „Waldsterben“ den Gegenstand der Untersuchung. Dieser noch weitgehend unbestimmte Sinnkomplex kann mit weiterem Sinn gefüllt werden, indem es mit weiteren Sinndimensionen (Attributen) - etwa Ursacher, Verursacher, allgemeine Lösungsvorschläge, Adressanten und Policy-Optionen - verbunden wird. Mehrere dieser Sinndimensionen in Kombination mit dem Thema „Waldsterben“ sollen im Folgenden als Deutungsmuster bezeichnet werden. Zu dem Thema sowie zu den Deutungsmustern kann man gleicher oder unterschiedlicher Meinung sein (Luhmann 1984, 113 f.). Wie wurden diese Überlegungen nun in ein Kategoriensystem transformiert? Seine theoretische Orientierung bezieht das hier benutzte Kategoriensystem aus dem Konzept des „Framing“ aus der neueren Deutungsmusteranalyse in der politischen Kommunikation. Dies Problem- intensität Zunahme Ursache Luft- verschmutzung Verursacher Kraft- werke Subthema Waldsterben Adressat Politik/Staat/ Verwaltung Lösungs- vorschlag Luftrein- haltung Policy- Optionen Luftreinhalte- politik: Kraft- werke 136 beinhaltet, wie gezeigt, die Deutung eines Themas als Problem, die Definition der Ursache und der Verursacher sowie die Definition des Adressaten der öffentlichen Forderung. Dazu kommt der Aspekt der Ziel- und Erfolgsdeutung: Gemeint sind damit Lösungsvorschläge auf genereller Ebene. Dieses Deutungsmuster soll, wie bereits gesagt, als ein Aussagenkomplex verstanden werden, der aus mehreren der genannten Komponenten bestehen kann. Von den Deutungsmustern lassen sich analytisch „Policy Optionen“, also konkrete Problemlösungen, unterscheiden. Es kann, wie bereits gesagt, davon ausgegangen werden, dass Policy Optionen einen durchaus anderen Thematisierungsverlauf besitzen können als das Problem mit seinen Deutungsmustern. Auf der einen Seite kann ein Deutungsmuster mehrere Policy Optionen unterstützen, auf der anderen Seite kann sich eine Policy Option auf mehrere Deutungsmuster beziehen (Jarren et al. 1996, 47). Aus diesem Grund wurde das Kategoriensystem um die Dimension „Policy Optionen“ erweitert. Die Deutungsmuster der Akteure, d. h. die konkrete Wahrnehmung des Problems „Waldsterben“ sowie die Policy Optionen, wurden demnach in sechs Problemdimensionen differenziert: 1. Problem-Intensität 2. Problem-Ursache 3. Problem-Verursacher 4. allgemeine Lösungsvorschläge 5. Adressaten 6. Policy Optionen Durch die empiriegeleitete Kategorienbildung sollte die operationale Definition der Kategorien erfolgen. Dazu wurde aus dem vorliegenden Datenmaterial eine Stichprobe von 100 Analyseeinheiten, also etwa 10 Prozent, gezogen. Diese Stichprobe wurde wiederum geteilt. An der ersten Teilstichprobe wurde eine dimensionale Analyse vorgenommen, d. h. es wurde eine Stichwortliste der darin vorkommenden Aspekte und wichtigsten Standpunkte angelegt, deren Inhalt später den o. g. sechs Dimensionen zugeordnet werden sollte (Früh 1991, 135ff.). Dabei stellte sich heraus, dass die Folgen des Problems „Waldsterben“ in relativ großem Umfang angesprochen wurden. Aus diesem Grund wurde eine siebte Kategorie „Folgen des Problems“ gebildet, um dem Anspruch der Erfassung aller möglichen Inhalte Folge zu leisten. Nachdem die Stichwortliste vorlag, konnte eine Operationalisierung der Kategorien vorgenommen werden. Schließlich bildeten sieben Dimensionen und 46 Problemaspekte das Kategoriensystem. Alle Dimensionen (Kategorien) hatten nominales Messniveau. Abbildung 7.3.: Kategoriensystem zum Thema „Waldsterben“ • Problem-Intensität Zunahme Stillstand Rückgang • Problem-Ursache Luftverschmutzung Saure Niederschläge Bodenbelastung • Allgemeine Lösungsvorschläge Luftreinhaltung Schutz/Pflege des Waldes Bereich Verkehr Bereich Energie Forschung Informative Maßnahmen Sonstige 137 Extreme klimatische Bedingungen Forstliche Maßnahmen Mikroorganismen/Pilze/Wild/Käfer Sonstige • Problem-Verursacher Industrie Kraftwerke Schadstoffimport aus anderen Staaten Verkehr Forst- und Landwirtschaft Gesellschaft Sonstige • Folgen des Problems Ökologische Folgen Ökonomische Folgen Sozio-kulturelle Folgen Sonstige • Adressaten Politik/Staat/Verwaltung Industrie Kraftwerke Forst- und Landwirtschaft Wissenschaft Umweltbewegung Gesellschaft Sonstige • Policy Optionen Luftreinhaltepolitik Industrie Luftreinhaltepolitik Kraftwerke Luftreinhaltepolitik Verkehr Tempolimit Verkehrspolitik Energiepolitik Forstpolitik Forschungspolitik Informationspolitik Sonstige 7.4. Auswertungsmethodik und Präsentation der Befunde Die Darstellung der empirischen Befunde erfolgt in zwei Schritten: Im ersten Hauptteil des empirischen Teils steht zunächst nur die Themenkarriere des Problems „Waldsterben“ über die Zeit von 11 Jahren auf den vier Agenden im Mittelpunkt der Betrachtung. In der Agenda-Setting-Forschung spricht man in diesem Fall von einem „Salience-Modell“ der Thematisierungsfunktion der publizistischen Massenmedien. Da die Studie als Längsschnittanalyse konzipiert ist, lässt sich die zeitliche Entwicklung des Problems auf den vier Agenden und somit die Dynamik der Thematisierungsprozesse darstellen. Überspringt das Thema die Schwelle, die Thematisierung von Nicht-Thematisierung trennt, so kann davon gesprochen werden, dass das Problem auf der jeweiligen Agenda behandelt wird. Damit wird der Gedanke verbunden, dass sich die Bedeutsamkeit des Themas „Waldsterben“ - dessen Status auf der jeweiligen Agenda - in dem quantitativ zu bestimmenden Ausmaß an Zeit und Überlegungen niederschlägt, welches ihm gewidmet wird. Dieser Überlegung liegt die für die Agenda-Setting-Forschung charakteristische Messhypothese zu Grunde: Je häufiger ein Thema von einem Akteur in einem bestimmten Zeitraum thematisiert wird, desto mehr Aufmerksamkeit wird ihm entgegengebracht und desto höher ist dessen Wert auf der jeweiligen Agenda. Durch diese Betrachtungsweise wird ein Datenniveau auf Ordinal-Ebene erreicht, das nicht nur die Thematisierung oder Nicht-Thematisierung bestimmt, sondern auch den Stellenwert eines Themas auf einer Agenda erfasst. Zunächst wird die Entwicklung des Thematisierungsprozesses auf den vier Agenden, deutscher Bundestag, Massenmedien, Bevölkerung und Ökologiebewegung, deskriptiv 138 beschrieben (Kapitel 8.1.). In diesem Untersuchungsabschnitt geht es um die Frage, in welcher Weise sich die Thematisierung des Problems „Waldsterben“ entwickelt und quantitativ verändert hat. Eine solche Beschreibung der Veränderung der Häufigkeit der Thematisierung des Problems „Waldsterben“ ist notwendig, um einerseits einen ersten Zugang zur Themenkarriere des „Waldsterbens“ auf den einzelnen Agenden zu bekommen und andererseits, um die anschließenden Befunde der ARIMA-Modellierung, bei denen es um die Einflussbeziehungen zwischen den Agenden geht, einordnen und interpretieren zu können. Im zweiten Schritt können mögliche Einflussbeziehungen zwischen den Agenden spezifiziert werden (Kapitel 8.2. bis 8.5.). Dabei hat das hier verwendete Längsschnittdesign - ein so genannter „longitudinal Ansatz“ - gegenüber der reinen Querschnittanalyse spezifische Stärken: Erstens hat die Längsschnittbetrachtung den Vorteil, dass sie zur Vermeidung von Scheinkorrelationen beiträgt, die durch die Zufälligkeit der Ereignislage in einem bestimmten Zeitpunkt produziert werden können. Dies kann bei reinen Querschnittstudien nicht ausgeschlossen werden. Zweitens bietet sie die Möglichkeit, die zeitliche Struktur zwischen den vier Agendenentwicklungen abbilden zu können, etwa zwischen der Entwicklung des Themas auf der Medienagenda und dem deutschen Bundestag. Indem die Agenden im Zeitverlauf verglichen werden, lassen sich Zusammenhänge und Einflussbeziehungen zwischen den Akteuren herausstellen. Diese zeitlichen Strukturen gelten als Indikatoren für die Richtung der möglichen Beeinflussungsverhältnisse zwischen den Agenden. Um kausale Beziehung zwischen den vier Zeitreihen sichtbar zu machen, werden im Folgenden statistische Verfahren aus dem Bereich der Zeitreihenanalyse angewandt. Dazu stehen komplexe multivariate zeitreihenanalytische Verfahren zur Verfügung: u. a. die Granger Causality (Granger 1969, 1980a; Kirchgässner 1981, 1983) und ARIMA-Modelle (Box/Jenkins 1976). Diese beiden komplexen multivariaten Zeitreihenverfahren werden in den folgenden Kapiteln zur Analyse der Thematisierungshäufigkeit kombiniert zur Anwendung kommen. Ziel von Zeitreihenanalysen ist es, Aussagen aus verschiedenen Zeiten über den gleichen Sachverhalt zu erhalten. Das heißt nichts anderes, als dass die von der Zeit abhängige Entwicklung statistischer Daten aufgedeckt wird (Streck 1991, 255). Dazu muss eine Zeitreihe aus zeitlich geordneten Beobachtungswerten bestehen, die eine äquidistante Ordnung der Zeitpunkte aufweisen. Die Abstände zwischen den Messzeitpunkten müssen konstant bleiben, da sonst keinerlei stichhaltige Aussagen über den „normalen“ Verlauf einer Reihe gemacht werden können (Streck 1991, 254; Leiner 1991, 2). Die zu untersuchenden Variablen stehen damit in Abhängigkeit zur Zeit. Der Grundgedanke der Zeitreihenanalyse ist demnach, mit Hilfe statistischer Verfahren oder Modelle typische Verläufe in einer Zeitreihe oder Zusammenhänge sowie Einflussbeziehungen zwischen mehreren Zeitreihen aufzudecken. Als Methode der Sichtbarmachung von Kausalbeziehungen zwischen Zeitreihen wird auf das Konzept der „Wiener-Granger-Kausalität“ zurückgegriffen, das für die Überprüfung von Kausalitätsannahmen zwischen Zeitreihen entwickelt wurde. Dieses von Wiener (1956) und Granger (1969, 1980a) erarbeitete Kausalitätsprinzip beruht auf der Annahme, dass vergangene Ereignisse nicht durch zukünftige Ereignisse prognostizierbar sind, dass eine Wirkung ihrer Ursache nicht zeitlich zuvorkommen kann und dass die Zeit somit den Strahl zur Festlegung der Kausalitätsrichtung bildet: post hoc ergo propter hoc. In einer Zeitreihe Y lässt sich der jeweilige Zustand zum Zeitpunkt t aus den früheren 139 Zuständen der Zeitreihe Y erklären und prognostizieren. Wird eine zweite Zeitreihe X hinzugezogen, von der man theoretisch annimmt, dass sie eine Wirkung auf Y hat und lässt sich in einer Regression, in der neben den früheren Zuständen der Reihe Y die zurückliegenden Zustände der Reihe X berücksichtigt werden, zusätzlich Varianz der Zeitreihe Y erklären, dann ist X eine „Granger-Ursache“ von Y (Kirchgässner 1981, 19ff.). Zunächst wird unter Anwendung des Box-Jenkins-Verfahrens die Thematisierungsprozesse auf den vier Agenden zeitreihenanalytisch untersucht, um den eigenen Einfluss der Thematisierungsprozesse auf sich selbst - ihre Eigendynamik - zu ermitteln. Denn die Werte einer Zeitreihe beruhen - wie noch zu zeigen ist - auf einem dynamischen Prozess. Auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit bezogen, heißt das nichts anderes, als dass die gegenwärtige Thematisierung des Themas selbstverständlich von vergangenen Thematisierungen in der jeweiligen Arena abhängig ist. Auf eine parlamentarische Anfrage wird geantwortet, ein Journalist liest einen Artikel des Kollegen und entschließt sich, auch einen zu schreiben und so weiter. Dieser Einfluss wird mit Hilfe des Box-Jenkins-Verfahren ermittelt und kontrolliert. Statistisch gesehen, wird also ein Großteil der Varianzen einer Agenda von der vorherigen Thematisierung auf der Agenda erklärt. Ohne dieses Verfahren könnten mögliche externe Einflüsse auf Scheinkorrelationen beruhen, welche lediglich auf der dynamischen Autokorrelation einzelner Variablen basieren. Danach folgt eine Kreuzkorrelation, die in einem bivariaten Verfahren die zeitlichen Strukturen in den Einflussbeziehungen zwischen den Agenden darlegen soll und schließlich wird ein Test auf Kausalität nach Granger durchgeführt, der die vermuteten Einflussbeziehungen zwischen den Agenden in einer so genannten Transferfunktionsanalyse überprüft. Die Analyse der möglichen Einflussbeziehungen zwischen der Zeitungsberichterstattung, der „öffentlichen Meinung“, der Diskussion im Deutschen Bundestag sowie der Bewegungskommunikation erfolgt zunächst über den gesamten Beobachtungszeitraum (Kapitel 8.2.). Danach werden die Einflussbeziehungen in verschiedenen Phasen untersucht, um die Annahme, dass sich in unterschiedlichen zeitlichen Abschnitten einer Themenkarriere divergierende Einflussbeziehungen zeigen, zu überprüfen (Kapitel 8.3. bis 8.5.). Im zweiten Hauptteil der Untersuchung steht die Analyse der Deutungsmuster im Mittelpunkt der Untersuchung (Kapitel 9). Auf Grund der Datenlage muss in diesem Kapitel auf die Analyse der Bevölkerungswahrnehmung des Themas verzichtet werden, weil keine Umfragen, in welchen auch nach der Wahrnehmung bestimmter Deutungsmuster zu dem Thema „Waldsterben“ gefragt wurde, zur Verfügung standen. Dies ist ein Problem, das sich häufig ergibt, wenn man Sekundärdaten auswertet, weil diese zumeist in einem anderen Forschungskontext erhoben wurden. Ein Deutungsmuster bezeichnet, wie erläutert, die Art und Weise, wie ein gegebener Sachverhalt von einem korporativen Akteur als problematisch etikettiert und mit bestimmten Interpretationen bez. Attributierungen versehen wird. Unter einem Deutungsmuster wird dementsprechend die Verknüpfung des Themas „Waldsterben“ mit verschiedenen Problemdimensionen verstanden. Hierbei wurde insbesondere auf Problemintensität, Problemursachen, Verursacher, die Formulierung von Lösungsvorschlägen und die Bestimmung von Forderungsadressanten, welche die Lösungen umsetzen, sowie schlussendlich Policy-Optionen verwiesen. Diese Aspekte wurden grundsätzlich und ausführlich erläutert und bedürfen daher keiner Wiederholung. Im Folgenden wird erläutert, auf welche Weise die einzelnen Deutungsdimensionen 140 empirisch angegangen wurden. Die vorliegende Arbeit geht zur Rekonstruktion der Deutungen des Themas „Waldsterben“ in den Arenen in vier Schritten vor: Der erste Schritt besteht darin, die einzelnen Problemdimensionen zu analysieren, mit der die Akteure das „Waldsterben“ konkretisieren resp. konstruieren. Dazu werden die einzelne Problemdimensionen jedes einzelnen korporativen Akteurs detailliert beschrieben (Kapitel 9.1. bis 9.3.). Hierbei geht es um die Frage, in welcher Weise sich die einzelnen Problemdimensionen des Themas „Waldsterben“ verändert haben. Dazu werden in einem deskriptiv angelegten Auswertungsschritt die einzelnen „Attribute“, das heißt die Problemintensität, die Ursache, die Verursacher, die Folgen des Problems, mögliche allgemeine Lösungsvorschläge, die Adressaten sowie Policy-Optionen, in einer Längsschnittperspektive über einen Zeitraum von 11 Jahren für die einzelnen Arenen jeweils nachgezeichnet. Dazu werden die relativen Häufigkeiten für die spezifische Ausprägung einzelner „Attribute“ dargestellt. Ziel ist es, die Veränderungen der einzelnen Problemdimensionen empirisch zu beschreiben. Auf Grund der Übersichtlichkeit erfolgt die Analyse jahresweise. Eine solche Analyse ist wichtig, weil so einerseits erste Hinweise auf eine mögliche Veränderung der Deutungsmuster im Zeitverlauf gegeben wurden und anderseits lassen sich die nachfolgenden bi- und multivariaten Analysen, bei denen es nicht mehr um Häufigkeiten geht, sondern um die Analyse der Veränderung struktureller Merkmale des Themas, nämlich den einzelnen Deutungsdimensionen, einordnen und interpretieren. Der zweite Schritt besteht darin, die dominanten Deutungsmuster der einzelnen Arenen in verschiedenen Thematisierungsphasen zu rekonstruieren. Unter einem regelrechten Deutungsmuster wird eine systematische Ordnung der Problemdimensionen verstanden, das heißt die Kombination verschiedener Attribute mit dem Thema „Waldsterben“, aus der sich eine „Causal Story“ ergibt. Beispielsweise nach dem Muster: Das „Waldsterben“ ist ein ernsthaftes Problem und auf die Luftverschmutzung (Ursache) zurückzuführen. Die Luftverschmutzung wird durch den Verkehr (Verursacher) produziert. Als Lösungsverfahren bietet sich die Luftreinhaltung an (Lösungsmöglichkeit), der Staat kommt als Adressat in Frage und die Policy-Optionen könnten Maßnahmen in der Luftreinhaltepolitik Verkehr sein, etwa die Einführung des Katalysators (Policy-Optionen). Diese Beschreibung der Deutung des Problems „Waldsterben“ in den verschiedenen Arenen erfolgt auf bivariater und multivariater Analyseebene. Zunächst werden verschiedene Deutungsdimensionen mit Hilfe des Pearsonschen Korrelationskoeffizienten in Beziehung gesetzt. Der Pearsonsche Korrelationskoeffizient ist ein metrisches Maß. Er schätzt die Stärke der linearen Abhängigkeit zweier Variablen. Dabei besagt die Linearitätsannahme, dass die Werte einer Variablen ansteigen, wenn die Werte der anderen Variablen größer werden. Das Gleiche gilt selbstverständlich für den umgekehrten Fall: Fällt der Wert der einen Variablen, so fällt auch der Wert der anderen Variablen linear. Übertragen auf die Beziehung der Variablen der Deutungsmusteranalyse besagt dies nichts anderes, als dass z. B. eine bestimmte Ursache, etwa Luftverschmutzung, linear mit einem bestimmten Verursacher steigt wie etwa der Verkehr, dann besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Nennung der Luftverschmutzung und der Ursache Verkehr. Im dritten Analyseschritt sollen alle Rahmenvariablen gleichzeitig einbezogen werden, um für die einzelnen Arenen ein dominantes Deutungsmuster aus allen Deutungskomponenten herauszuarbeiten. In der deskriptiven Analyse zeigt sich, dass die 141 Deutungsmuster sich insbesondere in der Verursacherdimension verschoben haben. Im Folgenden sollen die Deutungsmuster zu den als primären thematisierten Verursachern in der jeweiligen Arena - Zeitungsberichterstattung, Bewegungsorganisation und Deutscher Bundestag - betrachtet werden. Statistisch gesehen, geht es also um die Aufdeckung signifikanter Zusammenhänge des jeweiligen Verursachers (Kriteriumsvariablen) mit einer Vielzahl unterschiedlicher Indikatoren für die Ursache, die Folgen des Problems, mögliche allgemeine Lösungsvorschläge und die Adressaten (Prädiktorvariabeln). Da alle Problemdimensionen mit einbezogen werden sollen, bedarf es eines multivariaten statistischen Analyse-Modells. In der Statistik gibt es eine große Anzahl von multivariaten Analysemodellen, welche in der Lage sind, solche Probleme zu lösen. Im Folgenden wird das logistische Regressionsmodell angewandt, das sich in den letzten Jahren für die Analyse inhaltsanalytischer Untersuchungen bewährt hat (generell Urban 1993, für inhaltsanalytische Untersuchungen Bruns 1998). Spezifische Eigenschaften der binominalen LOGIT-Modelle sprechen für ihre Anwendung im Kontext dieser Arbeit (dazu ausführlich Bruns 1998, 115f.): • Erstens wird bezüglich der Verteilung der Variablen in der Grundgesamtheit keine Normalverteilung angenommen. Dies wäre bei der hier erhobenen Datenstruktur auch vollkommen unrealistisch (zu dem Problem von Stichprobe, Grundgesamtheit und inhaltsanalytischer Daten Bruns 1997, 108 f.). Denn abgesehen vom Fall einer Vollerhebung, welche in dieser Arbeit aus forschungsökonomischen Gründen nicht durchführbar ist, erfolgt nach der Definition der Grundgesamtheit die Realisierung der Stichprobe. Die Stichprobe muss eine Teilmenge aller Untersuchungseinheiten darstellen, welche die „untersuchungsrelevanten Eigenschaften der Grundgesamtheit möglichst genau abbilden soll. Eine Stichprobe ist somit ein ‚Miniaturbild’ der Grundgesamtheit. Je besser die Stichprobe die Grundgesamtheit repräsentiert, um so präziser sind die inferenzstatistischen Aussagen über die Grundgesamtheit“ (Bortz 1993, 84). Will man also von der Stichprobe Aussagen auf die Grundgesamtheit machen, muss die Verteilung der relevanten Merkmale, für welche die Stichprobe repräsentativ sein soll, bekannt sein. Da es zur Verteilung der Themenstruktur in den hier untersuchten Arenen in dem Zeitraum keine verlässliche Schätzung gibt, ist die Verteilung der relevanten Merkmale in der Grundgesamtheit nicht bekannt. • Zweitens können mit Hilfe von LOGIT-Modellen die Effekte von einer oder mehreren Prädiktorvariablen auf nominal gemessene Kriteriumsvariablen geschätzt werden. Weil im Folgenden die Deutungsmuster zu den Verursachern, etwa „Kraftwerksbetreiber“, analysiert werden, wird die abhängige Variable, beispielsweise „Kraftwerksbetreiber“, jeweils dichotom rekodiert, mit den Ausprägungen 1 = Aussage thematisiert und 0 = Aussage nicht thematisiert. In der LOGIT-Analyse wird die Wahrscheinlichkeit, dass die mit dem Wert 1 kodierte abhängige Variable auftritt, als Funktion der unabhängigen Variable, das heißt als Funktion spezifischer Attribute zu dem jeweiligen Verursacher, etwa „Kraftwerksbetreiber“, aufgefasst. Dabei folgt die LOGIT-Analyse der Logik, dass nicht die beobachteten Ausprägungen der Kriteriumsvariablen, sondern deren wahrscheinliche Realisierung als Funktion der Prädiktorvariablen spezifiziert (Kühnel 1995, 64 f.). Deshalb beruht die Schätzung der Modellparameter nicht auf einer linearen, sondern auf einer logistischen Funktion, das heißt, es wird eine allmähliche Annäherung an die Extremwerte postuliert. Für jeden Verursacherkomplex wird ein 142 binominales LOGIT-Modell gerechnet. Sollten signifikante Effekte von Prädiktorvariablen auf die „Auftrittswahrscheinlichkeit“ des jeweiligen Verursachers gegeben sein, werden diese als typische Merkmale der Rahmung des Verursachers interpretiert und nicht als dessen Ursache. Mit Hilfe der LOGIT-Analyse werden also in diesem Fall typische Rahmenstrukturen in den Arenen untersucht. Die LOGIT-Analyse ist deshalb als Klassifikationsmodell zu interpretieren. Dieser Analyse liegt die Vorstellung zugrunde, dass es eine „wahre“ Auftrittswahrscheinlichkeit des Themas gibt, die als Funktion verschiedener Einflussvariablen gedacht werden kann (Urban 1993, 102f.). Die Gesamtstruktur der signifikanten Effekte eines jeden Modells - ausgedrückt in dem LOGIT-Koeffizienten - kann dann als verursacherspezifisches Deutungsmuster der jeweiligen Arena interpretiert werden. Wie gesagt, werden in diesem Auswertungsschritt, wo es möglich ist, mittels logistischer Regressionsmodelle für verschiedene Verursacher des „Waldsterbens“ dominante Deutungen ermittelt. Im letzten und dem vierten Schritt sollen mögliche Interaktionen zwischen den Agenden hinsichtlich der Deutungsmuster untersucht werden (Kapitel 10). Ein wesentlicher Gedanke des ersten Teils dieser Arbeit beruht auf der Annahme, dass zwischen den Arenen nicht nur Interaktionen in Bezug auf die Thematisierung zu beobachten sind, sondern auch hinsichtlich der Deutungsmuster zu den Problemen. Um diese Interaktionen beschreiben zu können, wird, wie auch schon bei der Thematisierung, der Agenda-Begriff zugrunde gelegt. Es wird dabei angenommen, dass sich die Bedeutung eines Deutungsmusters zum Thema „Waldsterben“ in dem quantitativ zu bestimmenden Ausmaß an Zeit und Überlegungen niederschlägt, das ihm auf der jeweiligen Agenda gewidmet wird. Dies entspricht auch dem „Arenas-Modell“, welches ja nicht nur eine Konkurrenz einzelner Probleme postuliert, sondern ebenfalls die Konkurrenz einzelner Deutungsmuster in den jeweiligen Arenen. Dementsprechend ließen sich, durch Vergleiche der Thematisierungen einzelner Deutungsmuster auf einer akteursspezifischen Agenda über die Zeit, Zusammenhänge und Einflussbeziehungen zwischen den Agenden messen. Durch die begrenzte Aufnahmekapazität der Arenen kann es zu einer Konkurrenz zwischen den Thematisierungen verschiedener Problemdefinitionen - der Deutungsmuster zum Problem - sowie verschiedener konkreter Lösungsvorschläge kommen. Durch die Verknüpfung der Arenen kann angenommen werden, dass es neben Effekten auf die Thematisierung des Problems im Zeitverlauf auch zu Interaktionen bezüglich der Deutungsmuster und - davon getrennt - bezüglich der Thematisierung von konkreten Lösungsvorschlägen zum Problem zwischen den Agenden kommen kann. Somit sollen in dieser Arbeit neben der Thematisierung zusätzlich Wirkungskonstellationen über die Zeit hinsichtlich der Framing- Prozesse auf den Agenden untersucht werden. Dazu wird ein für die Agenda-Setting- Forschung übliches Verfahren zur Überprüfung der zweiten Ebene des Agenda-Setting adaptiert (vgl. Kapitel 4.1). Das Konstrukt „Agenda“, „der variable Rangplatz eines Themas“ wird hier übernommen; aber nicht die Themenliste der Akteure ist das Untersuchungsobjekt, sondern die Liste der Attribute zu dem Thema. Dabei wird für jeden Akteur eine Rangreihe an Attributen erstellt (zum Verfahren siehe Benton/Frazier 1976; Gottschlich 1985; Takeshita 1995). Diese „Agenda“ der Attribute (Deutungskomponenten) wird zu verschiedenen Zeitpunkten gebildet, so dass deren dynamische Entwicklung analysiert werden kann. Die Rangfolgen dieser Attribute der jeweiligen Agenden sollen im 143 Zeitverlauf miteinander verglichen werden. Die Zuweisung bestimmter Effekte ergibt sich sachlogisch aus der Annahme, dass eine zu erklärende Variable einer erklärenden zeitlich nicht vorausgehen kann. Die Auswertung in diesem Kapitel benutzt die Rangkorrelation nach Spearman; zum einen, weil es in der Agenda-Setting-Forschung ein häufig anzutreffendes Verfahren ist, und zum anderen, weil es sich für den Nachweis von Zusammenhängen zwischen den Themenstrukturen verschiedener Agenden besonders eignet (Rössler 1997, 103f). Denn mit dem Agenda-Status eines Attributes ist ja nichts anderes gemeint als der Rangplatz dieses Attributes auf der empirisch rekonstruierten Prioritätenliste einer Arena. Die Untersuchung soll durch den Vergleich von Rangkorrelationsmaßen die dynamische Entwicklung des Deutungsmusters auf der jeweiligen Agenda, die Stärke der Interaktionen zwischen den Agenden und gegebenenfalls die dominante Richtung der Agenda-Interaktionen darstellen. Solche Strukturen werden in dieser Arbeit mit Hilfe zeitversetzter Überkreuzkorrelationen aufgedeckt. Dazu wird die „cross-lagged panel correlation technique“ angewandt, welche ursprünglich aus der psychologischen Forschung stammt, aber in der Kommunikationswissenschaft schon sehr oft eingesetzt wurde (Rössler 1997, 105f). Mit diesem Ansatz ist ein Verfahren gegeben, welches vorsichtige Kausalinterpretationen erlaubt, die sich mit einmaligen, zeitpunktbezogenen Korrelationsanalysen nicht anstellen lassen, weil Korrelationsmaße bekanntlich keine Richtung angeben. Diese „dynamische“ Querschnittanalyse genießt gegenüber einer einfachen „statischen“ Querschnittanalyse, die nur zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, den Vorteil, dass sie die Dynamik zwischen zwei Variablen über die Zeit derart abbilden kann, dass statische Beziehungen zwischen den Variablen zum gleichen Zeitpunkt sowie autokorrelative Effekte auf einer Agenda zwischen Zeitpunkten berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Diese Zeitverlaufsdaten ermöglichen es auch bei den Deutungsmustern, zwei wichtige Voraussetzungen von Kausalität zu prüfen: einerseits die zeitliche Abfolge der Zusammenhänge - d. h. aus logischen Gründen muss die Ursache eines Ereignisses immer vor seiner Wirkung liegen - andererseits ermöglichen Zeitverlaufsdaten Scheinzusammenhänge, welche nur auf den dynamischen Autokorrelationen einzelner Variablen beruhen, rechnerisch zu kontrollieren. Die gegenwärtige Agenda der Attribute in der Berichterstattung wird immer zu einem bestimmten Teil von der vergangenen Berichterstattung bestimmt. Statistisch gesehen, wird also ein Großteil der heutigen Varianz einer Agenda von der vorhergehenden Agenda erklärt. Dieser Effekt (dynamische Autokorrelation) muss zunächst einmal herausgerechnet werden, wenn man die tatsächliche Stärke eines (oder mehrerer) externen Effektes kontrollieren will (Brosius/Weimann 1995, 320f.). Dazu wird in der Agenda-Setting- Forschung, wie bereits gesagt, die „cross-lagged-correlation“-Methode verwendet. Die gleiche Methode wird zur Analyse des dynamischen Prozesses verschiedener konkretisierter Policy Optionen zum Thema „Waldsterben“ angewandt. Im folgenden Kapitel erfolgt die Durchführung der empirischen Untersuchung. Anhand des vorhandenen Datenmaterials wird genauer auf die statistischen Vorgehensweisen eingegangen. 144 8. Die politische Themenkarriere des Themas „Waldsterben“ in der Zeitungsberichterstattung, in der Bevölkerung, in der Ökologiebewegung und im Deutschen Bundestag von 1980 bis 1990 Die folgende Analyse des Thematisierungsprozesses zu dem Problem „Waldsterben“ gliedert sich in vier Abschnitte: • die deskriptive Analyse der Daten im Zeitverlauf, • die univariate Zeitreihenanalyse zur Beschreibung des Prozesses auf der jeweiligen Agenda unter Anwendung von ARIMA-Modellen, • die bivariate Zeitreihenanalyse zur Beschreibung der Zusammenhänge zwischen den Agenden unter Anwendung von Kreuzkorrelationsfunktionen und • der Test auf Kausalität der Zusammenhänge unter Anwendung der Granger- Kausalität. 145 8.1. Die politische Themenkarriere des „Waldsterbens“ in der Zeitungsberichterstattung, in der Bevölkerung, in der Ökologiebewegung und im Deutschen Bundestag 1980 bis 1990. Eine deskriptive Analyse Folgt man Downs, so durchlaufen Themen einen Aufmerksamkeitszyklus. Abbildung 8.1 stellt den Verlauf der Thematisierung des „Waldsterbens“ auf den vier Agenden zwischen 1980 und 1990 dar. Abgebildet sind jeweils die relativen Anteile der Thematisierung in Prozent pro Quartal. Abbildung 8.1: Thematisierungsprozesse auf den Agenden der Presse, der Ökologiebewegung, der Bevölkerung und des Parlamentes zum Thema „Waldsterben“ Die Entwicklung des Themas „Waldsterben“ in der Zeitungsberichterstattung, in der Bevölkerung, in den Bewegungsorganisationen und im Deutschen Bundestag entspricht in etwa dem Aufmerksamkeitszyklus nach Downs. Betrachtet man die zeitliche Entwicklung des Themas auf den Agenden, so zeigt Abbildung 8.1 eine deutliche Synchronisierung medialer Aufmerksamkeit, öffentliches Interesse in der Bevölkerung, Bewegungsaktivitäten und parlamentarische Behandlung des Themas. Im Sommer 1983, in dem die ersten politischen Entscheidungen gefällt wurden, ist der Höhepunkt der Aufmerksamkeit zu dem Thema erreicht. Allerdings lassen sich kurzfristige Auf- und Abschwünge im Themenverlauf konstatieren. Dies verweist auf die Problematik des „Aufmerksamkeitszyklus“, der die öffentliche Karriere eines Themas linear abbildet. Dieser Ansatz ignoriert mehrere Aspekte: Zum einen werden Themen in verschiedenen Arenen behandelt. Dadurch kann ein Thema in unterschiedlichen Entwicklungsphasen und in unterschiedlichen Problemdefinitionen auftreten. Außerdem stehen Themen immer in Relation zu anderen Themen und deren „Lebenslauf“. Zum anderen gibt es verschiedene Akteure, die auf den Aufmerksamkeitszyklus einwirken (Hilgartner/Boske 1988). Die These einer für alle Themen gleichen Entwicklung wird durch die genannten Aspekte sehr unwahrscheinlich. Trotz dieser Einwände lässt sich auf den Agenden der Ökologiebewegung, der Presse, der Bevölkerung sowie auf der Agenda des Bundestages für Thematisierung "Waldsterben" Jahr/Quartal 1 Q 901 Q 891 Q 881 Q 871 Q 861 Q 851 Q 841 Q 831 Q 821 Q 811 Q 80 P rozent der F älle 20 15 10 5 0 Quelle Ökologie Presse Parlament Bevölkerung N=2772 146 das Thema „Waldsterben“ jeweils ein Zyklus konstatieren, der in etwa dem Aufmerksamkeitszyklus von Downs entspricht. Schon der optische Vergleich der Themenkarrieren, die in der Tendenz große Ähnlichkeit der Thematisierungsverläufe aufweisen, lässt darauf schließen, dass die Agenden phasenweise eng miteinander verbunden sind. Allerdings können hier keine präzisen Aussagen über die Richtung irgendwelcher Beziehungen oder die relative Bedeutung der Agenden füreinander getroffen werden. Die Daten gewähren nicht mehr als einen impressionistischen Blick auf die Karriereverläufe des Themas „Waldsterben“ auf den einzelnen Agenden. Um im Folgenden ein genaues Modell spezifizieren sowie mögliche „Policy- und Agenda-Setting-Effekte“ überprüfen zu können, werden die Daten nachfolgend mit Methoden der Zeitreihenanalyse analysiert. 8.2. Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Januar 1980 bis Dezember 1990 Weil in den Kommunikationswissenschaften die inhaltsanalytischen Datenerhebungsmethoden immer komplexer geworden sind, demgegenüber die Analyseverfahren zumeist auf deskriptiver und statischer Ebene verbleiben und zeitreihenanalytische Verfahren in den empirischen Methoden der Kommunikationswissenschaft einen bislang eher geringen Stellenwert besitzen, werden die einzelnen Schritte der hier durchgeführten Zeitreihenanalyse ausführlich dargestellt und erläutert (zu den Datenerhebungsmethoden siehe Merten/Grossmann 1996, 77). Ziel ist es, dieses Verfahren, welches zumeist in der Wirtschaftswissenschaft und Medizin angewendet wird, auch dem empirisch arbeitenden Kommunikationswissenschaftler zugänglich zu machen. Außerdem ist diese Darstellung schon deshalb erforderlich, weil die Analyse der Thematisierungsprozesse auf den vier Agenden in der vorliegenden Untersuchung ein fundamentales Gewicht hat. Dabei werden auf Grund der gebotenen Kürze nur die wesentlichen Schritte erläutert. Ein großer Teil dieser ausführlichen Darstellung befindet sich im Anhang. Mit Hilfe des Box-Jenkins Verfahrens (Box/Jenkins 1976) und der darin präferierten ARIMA-Modelle sollen im folgenden Kapitel die einzelnen Zeitreihen der Agenden zur Thematisierung des Problems „Waldsterben“ analysiert werden. Diese Analyse ermöglicht die approximative Beschreibung der Zeitreihen als stochastischen Prozess und deckt die Eigendynamik dieser Zeitreihen auf. Mit anderen Worten: die aktuelle Berichterstattung zum Problem kann zu weiteren Thematisierungen führen bzw. eine aktuelle parlamentarische Handlung kann zu weiteren Handlungen führen. Auf einer Agenda in Form einer Zeitreihe kann demnach ein Thematisierungsprozess stattfinden, der sich auf weitere Thematisierungen in bestimmten Abständen und in einer bestimmten Art und Weise auswirken kann. Im Zentrum der Betrachtung steht demnach die Abhängigkeit einer Variable von der Zeit. In der vorliegenden Analyse wurde die Zeiteinheit „Monat“ gewählt, um, im Gegensatz zu einer quartalsweisen Betrachtung, möglichst kurzzeitige Effekte aufzuspüren. Darüber hinaus ermöglicht diese Vorgehensweise wegen der großen Anzahl von Messzeitpunkten (N=132) auch eine Betrachtung der einzelnen Prozesse in kürzeren Phasen, was für die Analyse von Thematisierungsprozessen in den Massenmedien von 147 großer Bedeutung ist, weil - wie hinlänglich erläutert - in unterschiedlichen Phasen einer Themenkarriere differierende Einflussbeziehungen zwischen publizistischen Massenmedien, Bewegungsorganisationen, Bevölkerung und Deutschem Bundestag anzunehmen sind. Die hier durchzuführende univariate Analyse der Zeitreihen lehnt sich an ein Ablauf- Diagramm an, das Schmitz (1987, 48f.) vorgeschlagen hat. Der Ablauf der Analyse wird danach grob in zwei Abschnitte unterteilt: 1. Vorphase: Darunter fällt im Wesentlichen die graphische Analyse einer empirischen Zeitreihe, die schon Hinweise auf den von der Zeit abhängigen Prozess gibt. 2. ARIMA-Modellierung: Dabei wird die empirische Zeitreihe als stochastischer Prozess aufgefasst und somit als eine Folge von Zufallsvariablen. Das ARIMA-Modell dient dabei als theoretisches Modell zur Beschreibung eben dieses stochastischen Prozesses. „Anyone who tries to analyse a time series, without plotting it first, is asking for trouble.“ (Chatfield 1980, 7). Wie viele andere Autoren spricht Chatfield die graphische Darstellung bzw. visuelle Analyse einer Zeitreihe als ersten Schritt jeder Zeitreihenanalyse an. Abbildung 8.7 zeigt die Sequenzen der vier hier untersuchten Agenden für den gesamten Zeitraum von 1980 bis 1990. Dargestellt sind die absoluten Thematisierungshäufigkeiten nach Monaten. Abbildung 8.2: Sequenzen der Thematisierungsprozesse in der Presse, dem Parlament, der Ökologiebewegung und der Bevölkerung 1980 bis 1990 Die vier Zeitreihen wurden gemäß des Ablaufdiagrammes nach Schmitz zuerst auf fehlende Werte untersucht. Diese Missing Values können sich erheblich auf die Modellierung und Analyse einer Zeitreihe auswirken, ebenso ist der einfache Ausschluss von Missing Values bedenklich, da so die Struktur der internen Abhängigkeit einer Zeitreihe zerstört oder verdeckt werden kann (Schmitz 1987, 255). Dieses Problem bestand für die Zeitreihe der Ökologiebewegung in folgender Art und Weise: Für die Reihe der Bewegungskommunikation lagen zum Teil Thematisierungen für einen zwei- oder dreimonatigen Erscheinungszeitraum vor und das genaue Erscheinungsdatum konnte einem Monat oft nicht eindeutig zugewiesen werden. Deshalb wurden die Thematisierungen auf ihren Erscheinungszeitraum gestreckt. Jedem Monat konnten so die gerade aktuellen Beiträge und Artikel zugeordnet werden, bis die Chance auf eine neue Thematisierung Th em atisierung "W ald sterben" 1980 -199 0 Z e it N = 1 3 2 M o n ate JA N 1990 JA N 1989 JA N 1988 JA N 1987 JA N 1986 JA N 1985 JA N 1984 JA N 1983 JA N 1982 JA N 1981 JA N 1980 T he m a tis ie ru n g 60 50 40 30 20 10 0 A ge n da P arlam e nt M e d ie n Ö ko lo g ie b e w e g u ng B e vö lke ru ng 148 durch die Herausgabe einer neuen Ausgabe gegeben war. Dieses „Aktualitätsprinzip“ berücksichtigt somit den aktuellen Stand der Thematisierung in den Bewegungsorganisationen. Dieser Vorgehensweise liegt der Gedanke zugrunde, dass der aktuelle Thematisierungsstand zum Problem in der Bewegung durchaus über den gesamten Erscheinungszeitraum diffundieren kann. In einem weiteren Schritt wurden extreme Ausreißerwerte behandelt, die den normalen Verlauf und die Variabilität des stochastischen Prozesses erheblich beeinflussen können. In so einem Fall ist eine Modellierung des Prozesses nicht ohne weiteres möglich. Deshalb wurden diese Werte in den Zeitreihen durch den jeweiligen arithmetischen Mittelwert ersetzt. Die vier Zeitreihen der Agenden „Ökologiebewegung“, „Presse“, „Deutscher Bundestag“ und „Bevölkerung“ wiesen überdies lokale, phasenweise Trends auf. In diesem Fall ist „eine Interpretation einer Vielzahl ihrer statistischen Kennwerte fragwürdig“ (Schmitz 1989, 25). Diese Trends deuteten darauf hin, dass die Zeitreihen nicht stationär sind. Stationarität ist jedoch die Grundvoraussetzung zur Beschreibung des stochastischen Modells und zur Durchführung der folgenden Kausalitätstests nach Granger. Der Grundgedanke der Stationarität ist, dass bei der Schätzung eines Modells, das den gesamten stochastischen Prozess charakterisieren soll, „die zeitliche Abfolge [in den Merkmalen des Prozesses, Anm. d. Verf.] keine Rolle spielt“ (Schmitz 1987, 61). Stationäre Reihen sollten keine systematischen Veränderungen in ihren Merkmalen aufweisen. Das bedeutet, dass die Mittelwerte und auch die Varianzen verschiedener Teile der Reihen nicht zu stark voneinander abweichen sollten (Schlittgen/Streitberg 1987, 3). Das Gleiche gilt für die Autokovarianzen, den linearen Zusammenhang einer Zeitreihe mit ihren eigenen Werten. Eine Zeitreihe sollte demnach mittelwertstationär, varianzstationär und kovarianzstationär sein (Schlittgen/Streitberg 1987, 79f.). Zusätzlich wiesen alle vier Zeitreihen einen langsamen Verfall in ihren Autokorrelationen auf, was gegen die Annahme der Stationarität sprach (Norpoth/Yantek 1983, 205). Die vier Zeitreihen der Presse, der Ökologiebewegung, des Parlamentes und der Bevölkerung mussten aus diesem Grund differenziert werden. Indem eine Zeitreihe durch eine Differenzierung transformiert wird, können Trends bereinigt und nicht-stationäre Reihen in Stationarität überführt werden. Diese Differenzierung bot sich an, da sie einen wesentlichen Bestandteil der ARIMA- Modellierung ausmacht. Es wurden demnach die Differenzen zweier aufeinander folgender Werte einer Zeitreihe gebildet: Xt - Xt-1. In der neu gebildeten Zeitreihe spiegelt sich dann die Differenz dieser beiden Werte wider, im vorliegenden Fall die Veränderung zum Vormonat. Nach der Differenzierung 1. Ordnung - es werden jeweils die Differenzen direkt aufeinander folgender Werte gebildet - zeigten sich die Zeitreihen deutlich stationär, wiesen keine Trends mehr auf und schwankten recht konstant um ihre Mittelwerte (Abb. 8.8). Abbildung 8.3: Differenzierte Zeitreihen der Agenden Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung D ifferen zierte R eihen 1980 -199 0 30 20 10 0 -10 -20 -30 A genda P arlam e nt M e d ie n Ö ko lo g ie b e w e g u ng B e vö lke ru ng 149 Mit solchen stationären Reihen kann nun die ARIMA-Modellierung beginnen: Das ARIMA-Verfahren wurde von G.E.P. Box und G.M. Jenkins (1976) entwickelt und bedeutet: AutoRegressive-Integrated-Moving-Average Modelle. In einem stochastischen Prozess werden demnach drei Modellanteile kombiniert: Ein autoregressiver, ein integrierter Teil und ein gleitender Mittelwert, die den stochastischen Prozess beschreiben sollen. Bei jedem stochastischen Prozess gibt es neben regulären Komponenten eine irreguläre Zufallskomponente. Dieses so genannte „Weiße Rauschen“ wird definiert „als eine Folge unabhängiger Zufallsvariablen at“ (Schmitz 1989, 43). Das bedeutet, dass die jeweils aktuellen Thematisierungen zum Thema „Waldsterben“ ausschließlich von Zufallseinflüssen bestimmt würden, ohne dass irgendeine frühere Thematisierung einen Einfluss auf die aktuelle Thematisierung hat. Die Bedeutsamkeit des „White Noise“ besteht darin, dass es Bestandteil eines jeden Prozesses ist und somit jeder Zeitreihe auch ein Unabhängigkeitsprozess inhärent ist. Um diesen Zufallsprozess offen zu legen, muss zuerst der passende Filter, das passende ARIMA-Modell gefunden werden. Ist das „Weiße Rauschen“ bestimmt, können durch das ARIMA-Modell Aussagen über den stochastischen Prozess einer Zeitreihe getroffen werden. Zum anderen ermöglicht diese Vorgehensweise auch eine Prognose zukünftiger Werte. Schließlich baut die Analyse von Kausalstrukturen zwischen Zeitreihen in dieser Arbeit auf der Kreuzkorrelation von „White-Noise“- Prozessen auf. Um ein ARIMA-Modell schätzen zu können, müssen die Modell-Bestandteile AR, I und MA erkannt werden. Dabei ist die Schreibweise für die Modelle „ARIMA (p,d,q)“. Die Terme in den Klammern geben die Anzahl der jeweiligen ARIMA-Parameter wieder. Der integrative Bestandteil I mit der Anzahl d ist in den hier vorliegenden Zeitreihen schon gefunden, da er den Grad der Differenzierung angibt. Wie gezeigt, war eine Differenzierung erster Ordnung nötig, um die Zeitreihen in Stationarität zu überführen. Das d in den hier interessierenden Modellen hat somit den Kennwert 1. Die ARIMA-Modellierung gliedert sich in drei Abschnitte: 1. Die Identifikation 2. Die Schätzung und 3. Die Diagnose des Modells Zunächst muss für eine Zeitreihe ein ARIMA-Modell identifiziert werden. Das geschieht mit Hilfe der Autokorrelationsfunktionen (ACF) und der Partialautokorrelationsfunktionen (PACF) der nun differenzierten Reihen. Die Autokorrelationen geben die Korrelationen der Reihe mit sich selbst wieder. Für eine Folge von jeweils zurückliegenden Zeitpunkten - d. h. der zeitliche Abstand (lag) zwischen zwei Punkten - werden dazu die Autokorrelationen der Zeitreihe berechnet. Jeder Punkt der Zeitreihe wird mit allen zurückliegenden Zeitpunkten korreliert. Diese Autokorrelationskoeffizienten können Werte zwischen -1 und +1 annehmen und geben Auskunft über die seriellen Abhängigkeiten in der beobachteten Reihe. Die Partialautokorrelationsfunktion hingegen überprüft diese linearen 150 Zusammenhänge auf einen Einfluss durch andere Zeitverschiebungen: Zeigt sich in den ACF z. B. ein Zusammenhang zwischen einem Zeitpunkt Zt und dem Zeitpunkt Zt-2, ist unklar, ob diese Affinität nicht über den Zeitpunkt Zt-1 zustande gekommen ist (Schmitz 1989, 33ff.). Die folgenden Abbildungen zeigen die ACF und PACF der differenzierten Reihe der massenmedialen Kommunikation. Abbildung 8.4: Autokorrelation der Zeitreihe Presse 1980 bis 1990 Autocorrelations: Presse 1980 - 1990 Transformations: difference (1) Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,517 ,087 *******.**” . 35,873 ,000 2 ,040 ,108 . ”* . 36,087 ,000 3 ,017 ,108 . * . 36,124 ,000 4 -,017 ,108 . * . 36,164 ,000 5 ,047 ,108 . ”* . 36,467 ,000 6 -,108 ,109 . **” . 38,094 ,000 7 ,046 ,109 . ”* . 38,396 ,000 8 -,002 ,110 . * . 38,396 ,000 9 ,025 ,110 . ”* . 38,487 ,000 10 -,030 ,110 . *” . 38,617 ,000 11 -,043 ,110 . *” . 38,891 ,000 12 ,130 ,110 . ”***. 41,372 ,000 13 -,049 ,111 . *” . 41,731 ,000 14 -,085 ,111 . **” . 42,808 ,000 15 ,132 ,112 . ”***. 45,416 ,000 16 -,182 ,113 .****” . 50,451 ,000 17 ,166 ,115 . ”*** . 54,646 ,000 18 -,023 ,117 . * . 54,726 ,000 19 -,170 ,117 . ***” . 59,210 ,000 20 ,213 ,119 . ”****. 66,334 ,000 21 -,141 ,122 . ***” . 69,465 ,000 22 ,053 ,123 . ”* . 69,916 ,000 23 -,005 ,123 . * . 69,920 ,000 24 ,090 ,123 . ”** . 71,251 ,000 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Standard errors are based on the Bartlett (MA) approximation. Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 130 Abbildung 8.5: Partialautokorrelation der Zeitreihe Presse 1980 bis 1990 Partial Autocorrelations: Presse 1980 - 1990 Transformations: difference (1) Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,517 ,087 *******.**” . 2 -,311 ,087 ***.**” . 3 -,178 ,087 *.**” . 4 -,124 ,087 .**” . 5 -,019 ,087 . * . 6 -,128 ,087 ***” . 7 -,122 ,087 .**” . 8 -,102 ,087 .**” . 9 -,035 ,087 . *” . 10 -,046 ,087 . *” . 11 -,124 ,087 .**” . 12 ,030 ,087 . ”* . 13 ,067 ,087 . ”* . 14 -,074 ,087 . *” . 15 ,058 ,087 . ”* . 16 -,155 ,087 ***” . 17 -,027 ,087 . *” . 18 ,082 ,087 . ”**. 19 -,174 ,087 ***” . 20 ,002 ,087 . * . 21 -,082 ,087 .**” . 22 -,096 ,087 .**” . 23 -,024 ,087 . * . 24 ,112 ,087 . ”**. Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 130 Deutlich ist ein relativ schneller Verfall der PACF unter die Konfidenzintervallgrenzen bis zum lag 4 zu sehen, die Signifikanzen der zeitlich verschobenen Zeitreihe nehmen damit sehr schnell ab. Bei den ACF zeigt sich lediglich eine signifikante Spitze bei lag 1, die über die Konfidenzhöchstgrenzen von 2 Standardfehlern hinausragt. Die Box-Ljung-Statistik entspringt einem Test, der die Nullhypothese überprüft, dass eine Menge von Stichproben- Autokorrelationen zu einer reinen Zufallsreihe gehört. Die Autokorrelationen und Partialautokorrelationen sollten für alle lags gleich null sein und keine Signifikanzen aufweisen, damit die Nullhypothese - es gibt keinen Zusammenhang zwischen den zeitlichen Abständen einer Zeitreihe - angenommen werden kann. Diese Nullhypothese kann für die Presse-Reihe nicht beibehalten werden, da sich die Korrelationswerte signifikant von Null unterscheiden. 151 Die Auto- und Partialautokorrelationsfunktionen der differenzierten Pressereihe deuten auf einen Moving-Average-Prozess 1. Ordnung hin. Dieser MA(1) oder ARIMA(0,1,1)- Prozess wird beschrieben durch zt = at - θ1at-1 (Schmitz, 1989, 55). Das bedeutet, dass ein gegenwärtiger Zustand zt sich zusammensetzt aus einem unabhängigen Zufallswert at und einem früheren, gewichteten Zufallswert θ1a zum Zeitpunkt t-1. Somit entsteht eine gewichtete Mittelung von zufälligen Einflüssen. Der Moving-Average-Prozess MA(1) besagt in diesem Fall, dass die jeweils aktuelle Berichterstattung der Presse von der zufälligen Berichterstattung des Vormonates bestimmt wird.14 Ein MA(1)-Prozess hat somit ein Gedächtnis, das genau einen vergangenen Zufallseinfluss zum Zeitpunkt t-1 speichern kann. Bei einem MA(q)-Prozess wird davon ausgegangen, dass die Partialautokorrelationen ein relativ schnell abfallendes exponentielles oder sinusförmiges Bild zeigen. Im Falle der Pressereihe zeigt sich ein solches Bild. Die Anzahl der Zufallseinflüsse (q) kann an der ACF abgelesen werden. Charakteristisch für den MA(q)-Prozess ist, dass die Autokorrelationsfunktion genau nach q lags abbricht (Schmitz 1989, 60). Das ist für die Reihe der Presse genau ein lag. Das Modell für die differenzierte Zeitreihe der Presse scheint deshalb ein Moving-Average-Prozess erster Ordnung zu sein: ARIMA (0,1,1). Bevor dieses Modell endgültig identifiziert wird, soll erst ein Blick auf die ACF und PACF der Zeitreihen der Bewegungsorganisationen, des Deutschen Bundestages und der Bevölkerung geworfen werden. Abbildung 8.6: Autokorrelation der Zeitreihe Parlament 1980 bis 1990 Autocorrelations: Parlament 1980 - 1990 Transformations: difference (1) Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,471 ,087 ******.**” . 29,677 ,000 2 -,052 ,105 . *” . 30,045 ,000 3 ,099 ,105 . ”** . 31,383 ,000 4 -,078 ,106 . **” . 32,221 ,000 5 -,034 ,106 . *” . 32,382 ,000 6 -,026 ,106 . *” . 32,479 ,000 7 ,150 ,106 . ”***. 35,628 ,000 8 -,071 ,108 . *” . 36,338 ,000 9 -,028 ,108 . *” . 36,450 ,000 10 ,190 ,108 . ”**** 41,654 ,000 11 -,217 ,111 ****” . 48,493 ,000 12 ,066 ,114 . ”* . 49,138 ,000 13 -,027 ,114 . *” . 49,248 ,000 14 ,053 ,114 . ”* . 49,668 ,000 15 -,158 ,115 . ***” . 53,422 ,000 16 ,130 ,116 . ”*** . 55,966 ,000 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Standard errors are based on the Bartlett (MA) approximation. Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 130 Abbildung 8.7: Partialautokorrelation der Zeitreihe Presse 1980 bis 1990 Partial Autocorrelations: Parlament 1980 - 1990 Transformations: difference (1) Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,471 ,087 ******.**” . 2 -,351 ,087 ****.**” . 3 -,146 ,087 ***” . 4 -,152 ,087 ***” . 5 -,189 ,087 *.**” . 6 -,262 ,087 **.**” . 7 -,047 ,087 . *” . 8 -,027 ,087 . *” . 9 -,055 ,087 . *” . 10 ,205 ,087 . ”**.* 11 ,040 ,087 . ”* . 12 ,081 ,087 . ”**. 13 -,001 ,087 . * . 14 ,085 ,087 . ”**. 15 -,175 ,087 ***” . 16 -,104 ,087 .**” . 14 Das negative Vorzeichen der Autokorrelation spielt dabei keine Rolle. Die ACF/PACF sollen generell nur Hinweise auf den zeitlichen Verlauf der seriellen Abhängigkeit und somit auf ein Modell geben (Schmitz 1989, 33). 152 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 130 Wie deutlich zu erkennen ist, ähneln sich die Verläufe der ACF und PACF von Parlamentsreihe und Pressereihe. Lediglich einem signifikanten, über die Konfidenzgrenzen hinausragenden Wert zum lag 1 bei den Autokorrelationsfunktionen steht ein fallender Prozess bei den PACF gegenüber. Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Parlamentsreihe um ein differenziertes MA(1)-Modell, ein ARIMA(0,1,1)-Modell handelt. Nicht ganz so einfach ist dagegen das Bild der Ökologiebewegungsreihe zu deuten: Abbildung 8.8: Autokorrelation der Zeitreihe Ökologiebewegung 1980 bis 1990 Autocorrelations: Ökologiebewegung 1980 - 1990 Transformations: difference (1) Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,192 ,087 *.**” . 4,947 ,026 2 -,240 ,091 *.***” . 12,732 ,002 3 ,069 ,095 . ”* . 13,383 ,004 4 ,043 ,096 . ”* . 13,636 ,009 5 -,115 ,096 . **” . 15,478 ,009 6 -,039 ,097 . *” . 15,685 ,016 7 -,018 ,097 . * . 15,732 ,028 8 ,018 ,097 . * . 15,777 ,046 9 -,104 ,097 . **” . 17,323 ,044 10 ,029 ,098 . ”* . 17,444 ,065 11 ,016 ,098 . * . 17,481 ,094 12 ,204 ,098 . ”**** 23,596 ,023 13 -,088 ,101 . **” . 24,743 ,025 14 -,002 ,102 . * . 24,744 ,037 15 ,046 ,102 . ”* . 25,068 ,049 16 ,084 ,102 . ”** . 26,133 ,052 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Standard errors are based on the Bartlett (MA) approximation. Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 130 Abbildung 8.9: Partialautokorrelation der Zeitreihe Ökologiebewegung 1980 bis 1990 Partial Autocorrelations: Ökologiebewegung 1980 - 1990 Transformations: difference (1) Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,192 ,087 *.**” . 2 -,288 ,087 ***.**” . 3 -,051 ,087 . *” . 4 -,024 ,087 . * . 5 -,115 ,087 .**” . 6 -,097 ,087 .**” . 7 -,126 ,087 ***” . 8 -,062 ,087 . *” . 9 -,177 ,087 *.**” . 10 -,084 ,087 .**” . 11 -,110 ,087 .**” . 12 ,174 ,087 . ”*** 13 -,024 ,087 . * . 14 ,058 ,087 . ”* . 15 ,022 ,087 . * . 16 ,137 ,087 . ”*** Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 130 Ein Modell ist hier auf Anhieb nicht zu identifizieren, da weder die ACF noch die PACF ein eindeutig zu erkennendes abfallendes Bild zeigen. Vorstellbar wäre hier ein ARIMA(0,1,2)-Prozess, da die Werte der PACF eher fallen und nach den ersten beiden lags ein Bruch in den Autokorrelationen vorliegt. Dies weist auf ein Problem der ARIMA- Modellierung hin: Das Box-Jenkins-Verfahren zur Analyse von Zeitreihen stellt nie die Realität dar, es modelliert sie. Das bedeutet, ARIMA-Modelle können immer nur „grobe Approximationen“ (Schmitz 1989, 223) der Wirklichkeit darstellen. Aus diesem Grund wundert es nicht, dass in einigen Fällen keine eindeutige Identifikation, Schätzung und Diagnose möglich ist (Schmitz 1989). Unter Berücksichtigung der Residual-Varianz und bestimmter statistischer Hilfsmittel, wie dem Akaike-Informations-Kriterium AIC und dem Schwarz-Bayesschen Kriterium 153 SBC, ist jedoch eine „passende“ Modellierung möglich.15 Je niedriger die absoluten Werte für diese Hilfs-Identifikationsmittel sind, desto angemessener ist das Modell. Diese Hilfsmittel deuteten bei den hier interessierenden Zeitreihen für die Bewegungskommunikation auf ein ARIMA (0,1,2)-Modell hin. Abbildung 8.10: Autokorrelation der Zeitreihe Bevölkerung 1980 bis 1990 Autocorrelations: Bevölkerung 1980-1990 Transformations: difference (1) Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. 1 ,756 ,089 . ***.*********** 72,108 ,000 2 ,385 ,089 . ***.**** 90,973 ,000 3 ,285 ,088 . ***.** 101,385 ,000 4 ,373 ,088 . ***.*** 119,408 ,000 5 ,399 ,088 . ***.**** 140,135 ,000 6 ,263 ,087 . **.** 149,241 ,000 7 ,103 ,087 . **. 150,644 ,000 8 ,017 ,086 . * . 150,683 ,000 9 -,020 ,086 . * . 150,735 ,000 10 -,042 ,086 . * . 150,976 ,000 11 -,063 ,085 . * . 151,520 ,000 12 -,045 ,085 . * . 151,804 ,000 13 -,001 ,085 . * . 151,804 ,000 14 -,028 ,084 . * . 151,918 ,000 15 -,107 ,084 .** . 153,553 ,000 16 -,097 ,083 .** . 154,913 ,000 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 122 _ Abbildung 8.11: Partialautokorrelation der Zeitreihe Bevölkerung 1980 bis 1990 Partial Autocorrelations: Bevölkerung 1980-1990 Transformations: difference (1) Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 1 ,756 ,090 . ***.*********** 2 -,437 ,090 *****.*** . 3 ,568 ,090 . ***.******* 4 -,130 ,090 .*** . 5 ,108 ,090 . ** . 6 -,222 ,090 **** . 7 ,102 ,090 . ** . 8 -,288 ,090 **.*** . 9 ,100 ,090 . ** . 10 -,131 ,090 .*** . 11 ,112 ,090 . ** . 12 ,094 ,090 . ** . 13 ,031 ,090 . * . 14 -,173 ,090 .*** . 15 ,109 ,090 . ** . 16 ,041 ,090 . * . Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags after differencing: 122 Der Blick auf die ACF und PACF der Bevölkerungsreihe lässt einen MA(2) Prozess vermuten, weil der ACF nach drei lags abbricht, während die PACF oszillierend exponentiell gegen Null konvergiert. Nun folgt die Schätzung der ARIMA-Modelle. Die Schätzung der Parameter der identifizierten Modelle erfolgt nach dem Maximum- Likelihood-Verfahren (ML). Der ML-Ansatz fordert die plausibelste Schätzung des unbekannten Parameters und wird in der Literatur generell als genauer eingestuft als z. B. die Kleinste-Quadrate-Schätzung (Schlittgen/Streitberg 1987, 181ff.). Der Parameterwert, der die gegebenen Beobachtungen mit größter Wahrscheinlichkeit reproduziert, ist dann der gesuchte Schätzparameter. Für die Modelle mit der Differenzierung 1. Ordnung ergaben sich nach dem ML- Verfahren folgende Schätzparameter, welche die Prozesse am passendsten beschrieben. Diese Schätzparameter wurden in die Gleichungen für die MA(q)-Prozesse eingegliedert: 15 s. dazu den Anhang „ARIMA-Modellierung: Identifikation“ sowie Schmitz 1989, 83. 154 • Ökologiebewegung ARIMA(0,1,2): ( ) ( ) ( ) 21111 30.130.11 −− −−−−=− tttt aBaBayB • Presse ARIMA(0,1,1): • Parlament ARIMA(0,1,1): ( ) ( ) 111 77.11 −−−=− ttt aBayB • Bevölkerung ARIMA(0,1,2) ( ) ( ) ( ) 21111 30.130.11 −− −−−−=− tttt aBaBayB Die θ-Parameter für die Modellschätzungen zeigten sich hoch signifikant und genügten den Invertierbarkeitsbedingungen für Moving-Average-Prozesse. Diese Invertierbarkeitsbedingungen sind von Box und Jenkins eingeführt worden, „um MA(q)- Prozesse eindeutig mit der Autokorrelationsfunktion zu verknüpfen“ (Schlittgen/Streitberg 1987, 97), da in der Regel MA-Prozesse nicht eindeutig aus den Korrelationsfunktionen bestimmbar sind.16 Diese Bedingungen besagen, dass alle Nullstellen des Polynoms eines MA(q)-Modelles außerhalb des Einheitskreises liegen müssen. Dies konnte durch die geschätzten Modelle eingehalten werden. Danach bestätigten sich die Annahmen der Modell-Identifikation sowie der Schätzung. Die nun abschließende Diagnose prüft die Angemessenheit des Modells. Dazu werden die Residuen der geschätzten Modelle dahingehend überprüft, ob sie sich wie „White Noise“ verhalten (Schmitz 1989, 86ff.). Dabei sollen alle ACF und PACF theoretisch gleich null sein, d. h. die Zeitreihen stellen Zufallsprozesse dar. Im vorliegenden Fall zeigten die Residuen der vier Zeitreihen, dass sie einem „White Noise“-Verlauf ähnelten. Die ACF und PACF wiesen damit auf zufällige Prozesse hin.17 Die Anforderungen an die Modelle für die Zeitreihen der vier Agenden im Zeitraum von 1980 bis 1990 waren damit erfüllt. Die Modelle, die den stochastischen Prozess der drei Zeitreihen am passendsten beschrieben, waren: • Ökologiebewegung ARIMA (0,1,2), • Presse ARIMA (0,1,1), • Parlament ARIMA(0,1,1). • Bevölkerung ARIMA(0,1,2) Tabelle 8.1 zeigt die geschätzten Modelle sowie den Anteil der durch die Eigendynamik erklärten Varianz. Die wichtigsten Ergebnisse sind dabei die Art und die Länge der seriellen Abhängigkeit sowie die Erklärungskraft der Eigendynamik. Tabelle 8.1: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianzen für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 1980 - 1990 Agenda Arima Term Koeffizient R² Ökologiebewegung (0,1,2) MA(1) = -.247** .102** (.09) MA(2) = -.287** (.09) Presse (0,1,1) MA(1) = -.519** .262** 16 s. dazu den Anhang „ARIMA-Modellierung: Modellschätzung“ sowie Schlittgen/Streitberg 1987, 97. 17 Die White-Noise-Prozesse sollten demnach zufällig schwanken, die Autokorrelationen sollten nicht signifikant sein. Siehe dazu Anhang „ARIMA-Modellierung: Diagnostik“. 155 (.08) Parlament (0,1,1) MA(1) = -.471** .215** (.08) Bevölkerung (0,1,2) MA(1)=-549*** (.08) MA(2)=-.020 (.08) .290*** In den Klammern unter den Regressions-Koeffizienten stehen die dazugehörigen Standardfehler ***p< .oo ** p < .01 Für die Zeitreihe der Ökologiebewegungsagenda wurde ein (0,1,2) Modell geschätzt, d. h. ein Moving-Average-Prozess mit zwei Komponenten, der in der ersten Ordnung differenziert wurde. Dabei handelt es sich um eine MA(1)- und eine MA(2)-Komponente, die auf Grund ihrer geringen Korrelationswerte nur rund 10 Prozent Varianz der Zeitreihe der Bewegungskommunikation erklären können. Der MA(1)-Faktor bedeutet, dass sich eine aktuelle Aufmerksamkeit in den Bewegungsorganisationen zum Thema auf die eigene Aufmerksamkeit einen Monat später zufällig auswirkt, der MA(2)-Term, dass sich diese Aufmerksamkeit auch noch zwei Monate später auswirkt. Das Zeitreihensystem verfügt somit über ein Gedächtnis, das zwei Zufallseinflüsse speichern kann. Zu bemerken ist, dass der MA(2)-Faktor stärkeres Gewicht besitzt: der Beta-Wert liegt hier bei -.287 gegenüber einem MA(1)-Beta-Wert von -.247.18 Diese Verzögerungen sind auf die Erscheinungsweise der Magazine zurückzuführen, die zwischen einem und drei Monaten liegt. Über den Gesamtzeitraum kann die Varianz der Veränderungen in der Aufmerksamkeit, welche die Ökologiebewegung dem Thema beimisst, nur schwer erklärt werden. Rund 90 Prozent der Varianz werden demnach durch externe Faktoren, z. B. andere Akteure, bestimmt. Bei der Zeitreihe der Presseagenda zeigt sich ein MA(1)-Modell mit Differenzierung erster Ordnung als bestes Schätzergebnis. Dieser Zufallseinfluss geht auf Grund seiner etwas höheren Autokorrelation mit einem stärkeren Gewicht in die Erklärung der Varianz ein (Beta= -.518), als dies bei der Ökologiebewegung der Fall war. Die erklärte Varianz liegt bei 26,3 Prozent. Rund 74 Prozent der Varianz werden somit durch externe Faktoren erklärt. Die Zeitreihe der Presseagenda wird über den gesamten Zeitraum durch die eigene zufällige vormonatliche Thematisierung beeinflusst. Wird dem Thema „Waldsterben“ also einen Monat vorher eine höhere Aufmerksamkeit geschenkt, schlägt sich dies im Folgemonat nieder. Angesichts des geringen Zeithorizontes der publizistischen Massenmedien, der sich aus dem Nachrichtenfaktor „Aktualität“ ergibt, verwundert das Ergebnis nicht. Für die Zeitreihe der parlamentarischen Behandlung des Themas wurde ebenfalls ein MA(1)-Modell mit Differenzierung erster Ordnung geschätzt. Der MA-Koeffizient weist im Gegensatz zur Pressereihe jedoch einen niedrigeren Wert auf, der dementsprechend schwächer in die Erklärung der Varianz eingeht: Beta = -.470. Demnach wirkt sich die zufällige monatliche Veränderung in der Thematisierung so aus, dass 21,6 Prozent der Varianz erklärt werden können. Dieser von monatlichen Zufallseinflüssen geprägte Prozess könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Kommunikationsprozess im Parlament starken institutionellen Regeln unterworfen ist. Denn zwischen den verschiedenen 18 Die Beta-Werte waren hier identisch mit den abgebildeten Werten der Regressionskoeffizienten. Die negativen Werte kommen durch die Differenzierung zustande. 156 parlamentarischen Handlungen sind Fristen zwischen einer und sechs Wochen einzuhalten. Wird z. B. eine Anfrage gestellt, muss diese innerhalb eines Monats von der Regierung beantwortet werden. Zu knapp 80 Prozent wird der Thematisierungsprozess des Parlamentes aber durch andere Faktoren bestimmt, annahmegemäß von der Bevölkerungsmeinung und der massenmedialen Kommunikation, was später zu belegen sein wird. Für die Zeitreihe der Bevölkerung wurde ebenfalls ein (0,1,2) Modell geschätzt. Die MA(1)- und die MA(2)-Komponenten können über den gesamten Zeitraum 29 Prozent Varianz der Zeitreihe Bevölkerung erklären. Der MA(1)-Koeffizient ist hoch signifikant und hat einen Betawert von .549. Der MA(2)-Koeffizient ist mit -.020 sehr viel geringer und nicht signifikant. Die Zeitreihe folgt also einem MA(2)-Modell, d. h. die aktuelle Aufmerksamkeit für das Thema in der Bevölkerung ist von der zufälligen Aufmerksamkeit einen Monat vorher bestimmt sowie abgeschwächt von der zufälligen Aufmerksamkeit 2 Monate vorher. Wobei der zufälligen Aufmerksamkeit 2 Monate vorher ein sehr geringes Gewicht zukommt. Wie auch bei der Ökologiebewegung verfügt das Zeitreihensystem über ein Gedächtnis, das zwei Zufallseinflüsse speichern kann. Das heißt, wenn dem Thema „Waldsterben“ in der Bevölkerung ein und zwei Monate vorher eine große Aufmerksamkeit gewidmet wird, dann kann diese Aufmerksamkeit 29 Prozent der aktuellen „öffentlichen Meinung“ zu dem Thema „Waldsterben“ erklären. In der nun folgenden Kreuzkorrelationsfunktion werden die Einflüsse zwischen den Zeitreihen spezifiziert. Die Kreuzkorrelationsfunktionen berechnen in einer bivariaten Zeitreihenanalyse nicht nur die Ähnlichkeiten zwischen den zeitlichen Verschiebungen zweier Zeitreihen, sondern offenbaren schon die zeitlichen Strukturen möglicher Einflussbeziehungen zwischen zwei Zeitreihen. Unter bestimmten Umständen kann es auch zwischen Zeitreihen Scheinkorrelationen geben. Denn die Werte der einzelnen Zeitreihen bauen, wie gesehen, auf dynamischen Prozessen auf, die zu Scheinkorrelationen zwischen zwei Zeitreihen führen können. So konnte Schmitz in einer Simulationsstudie zeigen, dass Zeitreihen, zwischen denen kein Zusammenhang besteht, auf Grund ihrer seriellen Abhängigkeit Korrelationen produzieren (Schmitz 1987, 200ff.). Eine Interpretation von Kreuzkorrelationsfunktionen (CCF) kann deshalb irreführend sein, weil die internen Strukturen der univariaten Zeitreihen nicht beachtet werden (Schmitz 1989, 172). Bevor man eine Zeitreihe zur Erklärung einer anderen Zeitreihe hinzuzieht, muss man sich zunächst über den dynamischen Prozess, der für die Werte der unabhängigen Reihe verantwortlich ist, klar werden. Ansonsten läuft man Gefahr, den Einfluss zwischen den Zeitreihen mit dem Einfluss innerhalb der Zeitreihen zu verwechseln, d. h. mit dem Prozess, auf dem die Werte dieser Variablen beruhen (Norpoth/Yantek 1983, 202). Um diese angesprochenen Scheinkorrelationen zwischen Zeitreihen vermeiden zu können, ist es wichtig, Einflussbeziehungen und kausale Strukturen anhand der Residualreihen an das Tageslicht zu bringen. Diese Reihen kommen Zufallsvariablen gleich und sind von jeglicher Dynamik befreit. Ein Weg, diese internen Strukturen zu berücksichtigen, ist das Pre- Whitening-Verfahren nach Box und Jenkins, in dem die serielle Abhängigkeit der Zeitreihe herausgefiltert wird. Die Gefahr von Scheinkorrelationen zwischen zwei Zeitreihen, die auf Grund interner Strukturen oft vorkommen, ist dann nicht mehr gegeben (Thome 1988, 93ff.). Jedoch ist in einer Reihe von Studien gezeigt worden, „daß die empirisch untersuchten zeitverschobenen Beziehungen [zwischen Residualreihen, Anm. d. Verf.] 157 relativ selten die statistische Signifikanzgrenze überschreiten und oft nur von geringem Betrage sind, teilweise in krassem Gegensatz zu den theoretisch erwarteten Beziehungen“ (Schmitz 1989, 176; vgl. Norpoth/Yantek 1983). Das Problem der CCF bei vorgeweißten Zeitreihen besteht demnach eher in dem Phänomen der „Scheinunabhängigkeiten“, bei der vorhandene Beziehungen nicht aufgedeckt werden könnten. Zum einen werden durch das „Pre-Whitening“ die seriellen Abhängigkeiten einer Zeitreihe herausgefiltert. Diese seriellen Abhängigkeiten der Zeitreihe Y könnten aber durchaus auf dem Einfluss einer erklärenden Variable X basieren. Nach dem Vorweißen von Y kann in diesem Fall die erklärende Variable X ihre Erklärungskraft nicht mehr zur Geltung bringen. Somit können Scheinunabhängigkeiten entstehen. Zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass die meisten sozialwissenschaftlichen Daten Messfehler beinhalten (Thome 1988, 113). Die Beobachtungen einer Zeitreihe beinhalten demnach zwei Komponenten: einen „wahren“ Wert und einen Fehleranteil. Durch das Pre-Whitening wird allerdings ein größerer Teil der Varianz des „wahren“ Wertes und ein kleinerer Varianzteil der Fehlerkomponente herausgefiltert. Somit wird der Anteil der Fehlervarianz an der Residualreihe verstärkt. Die Kreuzkorrelationskoeffizienten werden dadurch kleiner und können in den nicht- signifikanten Bereich fallen (Thome 1988, 111ff., Kirchgässner 1981, 95ff. sowie 1983, 222ff.). Diese Vorgehensweise begünstigt demnach die Beibehaltung der Nullhypothese, nämlich, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Zeitreihen gibt. Diesem „Nachteil“ steht bei annähernd gelungener Schätzung des Modells allerdings der Vorteil gegenüber, dass Scheinzusammenhänge auszuschließen sind. Thome (1988, 114) weist darauf hin, dass auch andere Tests auf Kausalität, die mit nicht-transformierten Daten vorgehen, von Verzerrungen beeinträchtigt sind. Norpoth und Yantek gehen davon aus, dass bei dieser Verwendung der Original-Zeitreihen die Reihen von ihrer Eigendynamik nicht befreit sind und bei Nicht-Stationarität die Gefahr besteht, „in einer Flut von Kreuzkorrelationen zu ertrinken“ (Norpoth/Yantek 1983, 209). In der folgenden bivariaten Zeitreihenanalyse sollen die bereits in der deskriptiven Analyse vermuteten Zusammenhänge zwischen der parlamentarischen Agenda und der Presseagenda, der parlamentarischen Agenda und der Bevölkerungsagenda, der Presseagenda und Bevölkerungsagenda sowie zwischen Presseagenda und der Agenda der Ökologiebewegung aufgespürt werden. Dies soll mit Hilfe der Kreuzkorrelationsfunktionen (CCF) zwischen den vorgeweißten Zeitreihen geschehen. Zusammenhänge zwischen zwei Zeitreihen werden über die Korrelogramme der Kreuzkorrelationsfunktionen sichtbar. Hierbei interessiert die Lage der signifikanten lags und eventuelle Muster, die sich dabei zeigen. Diese Korrelationen geben allerdings schon die Richtung eines Einflusses an, und zwar derart, dass man Aussagen darüber machen kann, ob Thematisierungen einer Agenda, Thematisierungen der anderen in zeitlicher Hinsicht folgen oder vorausgehen. Die Kreuzkorrelationen werden, entsprechend dem analytischen Modell im ersten Teil dieser Arbeit, jeweils für die Interaktionen der Agenden Ökologiebewegung/Presse, Presse/Bevölkerung, Presse/Parlament und Bevölkerung/Parlament durchgeführt. Abbildung 8.12: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Ökologiebewegung/Presse 158 CCF Residualreihen Ökologiebewegung und Presse 1980 - 1990 Lag-Nummer 242220181614121086420- 2- 4- 6- 8- 10- 12- 14- 16- 18- 20- 22- 24 C C F ,50 ,40 ,30 ,20 ,10 ,00 - ,10 - ,20 - ,30 - ,40 - ,50 K onf idenz - höc hst gr enz en K oef f iz ient Der positive signifikante Wert bei lag 12 in Abbildung 8.17 bedeutet, dass die Medienberichterstattung (hier Output) der Thematisierung in den Bewegungsorganisationen (hier Input) nach 12 Monaten folgt. Der Korrelationskoeffizient von .285 deutet darauf hin, dass es einen nicht allzu gewichtigen, aber positiven Einfluss der Ökologiereihe auf die Pressereihe bezüglich der Aufmerksamkeit gibt. Auf der anderen Seite sind signifikante Korrelationen bei den lags -1, -3, -5, -8 und -15 zu sehen. In diesen Abständen haben nach der vorliegenden Analyse die Massenmedien einen Einfluss auf die Aufmerksamkeit der Bewegungsorganisationen. Der negative Wert zum lag -1 könnte bedeuten, dass die Ökologiebewegung bei sinkender Thematisierung in der Presse ihre Aufmerksamkeit steigert. Thome (1988) spricht davon, dass in die Entstehung von Zeitreihen unter anderem „Steuerungsprozesse im Sinne aktiver Kontrollprozeduren eingehen, die von sozialen Handlungsträgern bewußt oder unbewußt veranlaßt werden“ (Thome 1988, 109). Durch diese Steuerungskomponenten könnten die eigentlichen Kausalmechanismen überlagert werden, und es könnten negative Beziehungen entstehen. Der höchste Korrelationskoeffizient in Richtung Ökologiebewegung liegt bei lag -3: .264. Dies würde bedeuten, dass die Medien einen „Policy-Agenda-Setting-Effekt“ auf die Aufmerksamkeit der Bewegungsorganisationen haben, der vor allem nach 3 Monaten durch eine Steigerung in der Thematisierung wirksam wird. Insgesamt zeigen sich die Korrelationen wie in etwa erwartet. Es zeigen sich geringe Werte und nur wenige ragen über das 95-Prozent- Konfidenzintervall hinaus. Ein wichtiger Hinweis auf eine mögliche Interaktion der Zeitreihen wird aber hier bereits sichtbar: Die Agenden von Ökologiebewegung und Presse beeinflussen sich gegenseitig. Abbildung 8.13: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Presse/Parlament 159 CCF Residualreihen Presse und Parlament 1980 - 1990 Lag-Nummer 242220181614121086420-2-4-6-8-10-12-14-16-18-20-22-24 CC F ,50 ,40 ,30 ,20 ,10 ,00 -,10 -,20 -,30 -,40 -,50 Konf idenz- höchst grenzen Koef f izient Im Verhältnis zwischen massenmedialer Kommunikation und parlamentarischer Behandlung zeigt sich in Abbildung 8.18 ein „Policy-Agenda-Setting-Effekt“ der Massenmedien auf die Aufmerksamkeit des Parlamentes nach einem und nach vier Monaten. Die größte Wirkung dürfte hier vom lag 1 ausgehen: der Korrelationskoeffizient ist mit .316 am höchsten. Die signifikanten Werte bei den lags -7, -14, -16 und -18 bedeuten, dass die Medien über den gesamten Zeitraum der Aufmerksamkeit des Deutschen Bundestages genau nach diesen Abständen folgen. Die Korrelationskoeffizienten zeigen jedoch alle schwache Werte (zwischen -.197 und .201), so dass nicht damit zu rechnen ist, dass die parlamentarische Debatte einen großen Teil der Varianz der massenmedialen Kommunikation erklären kann. Es zeigt sich jedoch, dass die Agenden der Presse und des Parlamentes interagieren. Abbildung 8.14: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Presse/Bevölkerung C C F R e s id u a lre ih e n P re s s e u n d B e v ö lk e ru n g 1 9 8 0 -1 9 9 0 L a g - N u m m e r 2 42 11 81 51 29630-3-6-9-1 2-1 5-1 8-2 1-2 4 C C F ,5 0 ,4 0 ,3 0 ,2 0 ,1 0 ,0 0 - ,1 0 - ,2 0 - ,3 0 - ,4 0 - ,5 0 K o n f id e n z h ö c h s tg re n z e n K o e f f iz ie n t 160 Im Verhältnis zwischen Presse und Bevölkerung zeigt sich in Abbildung 8.19 ein „Agenda-Setting-Effekt“ der Medien auf die Aufmerksamkeit der Bevölkerung nach einem, nach zwei Monaten und nach 9 Monaten. Die größte Wirkung dürfte hier vom lag 1 ausgehen: der Korrelationskoeffizient ist mit .241 am höchsten. Der zweithöchste Wert liegt bei lag 9 mit .211. Die signifikanten Werte bei den lags -15 bedeuten, dass die Medien über den gesamten Zeitraum der Aufmerksamkeit der Bevölkerung genau nach diesen Abständen folgen. Die Korrelationskoeffizienten zeigen jedoch einen schwachen Wert .194 , so dass nicht damit zu rechnen ist, dass die Bevölkerung einen großen Teil der Varianz der medialen Aufmerksamkeit zu dem Thema erklären kann. Abbildung 8.15: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Bevölkerung/Parlament Die Abbildung 8.20 zeigt, dass das Parlament sich responsiv gegenüber der Bevölkerungsmeinung verhält. Die Bevölkerungsreihe kann zu den lags 1, 7 und 15 die parlamentarische Behandlung des Themas beeinflussen. Das heißt, es liegt ein „Policy- Agenda-Bildungs-Effekt“ vor. Wobei alle drei lags keine großen Werte aufweisen (.190,.193,.245). Es zeigt sich noch ein Einfluss zum Wert 0, welcher aber nicht zugeordnet werden kann (Korrelationswert .211). Auf der anderen Seite hat die Diskussion im Deutschen Bundestag einen Einfluss auf die Themenwahrnehmung zu dem Problem in der Bevölkerung. Nach 1, 14, 15 Monaten reagiert die Bevölkerung auf die Debatte im Deutschen Bundestag. Wobei die lags t-1 .308 und t-14 .302 die höchsten Werte aufweisen und von daher den größten Einfluss haben dürften. Mit Hilfe der Kreuzkorrelationsfunktionen können somit zeitliche Abstände bestimmt werden, die für die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Agenden verantwortlich sind. In der folgenden Transferfunktionsanalyse sollen mit einem Kausalitäts-Test nach Granger diese interdependenten und dynamischen Beziehungen überprüft und quantifiziert werden. C F F B e v ö lk e ru n g u n d P a r la m e n t 1 9 8 0 -1 9 9 0 L a g -N u m m e r 2 42 11 81 51 29630-3-6-9-1 2-1 5-1 8-2 1-2 4 C C F ,5 0 ,4 0 ,3 0 ,2 0 ,1 0 ,0 0 - ,1 0 - ,2 0 - ,3 0 - ,4 0 - ,5 0 K o n f id e n z h ö c h s tg re n z e n K o e f f iz ie n t 161 Die Analyse der dynamischen Beziehungen stützt sich auf ein Kausalitätsprinzip nach Wiener (1959) und Granger (1969, 1980a). Diese Analyse ist im Grunde nichts anderes als ein lineares Regressionsmodell, das zeitlich-dynamische Komponenten berücksichtigt. Ausgangspunkt dabei ist die Annahme, dass eine Variable Y sich aus ihren früheren Zuständen erklären kann. Wenn nun unter Berücksichtigung früherer Werte einer zusätzlichen Variable X die Fehler-Varianz von Variable Y verringert werden kann, dann ist X Granger-Ursache von Y. Daraus resultiert ein lineares Gleichungsmodell: (Kirchgässner 1981, 21 ff., 41f.). Damit ist gesagt, dass eine Variable Y zu jedem Zeitpunkt t als Output einer Transferfunktion zu sehen ist, die sich aus früheren Werten dieses Outputs, verzögerten Werten des Inputs und einer Residualkomponente ergibt. Die früheren Werte des Outputs Y, die endogenen Faktoren, wurden durch das ARIMA-Verfahren ermittelt. Die exogenen Faktoren der Input-Variable wurden durch die Kreuzkorrelationen bestimmt. Bei positiven lag-Werten im Korrelogramm der CCF wird die Inputvariable verzögert und bei negativen Werten die Outputvariable (Norpoth/Yantek, 1983, 218f.). Die Wiener-Granger-Kausalität besagt, dass eine Variable X nur dann kausal zu Variable Y ist, wenn vergangene und gegenwärtige Werte von X die zukünftigen Werte von Y zusätzlich besser voraussagen können als dies vergangene und gegenwärtige Werte von Y könnten. Da es hier nicht um Prognose, sondern um Erklärung der Thematisierungsprozesse geht, kann dies auch so ausgedrückt werden: Wenn eine „gegenwärtige“ Thematisierung auf der Parlamentsagenda (Y) durch vergangene Thematisierungen auf der Presseagenda (X) zusätzlich besser erklärt werden kann als allein durch vergangene parlamentarische Handlungen, dann ist die Presseagenda (X) Granger-kausal zur Parlamentsagenda (Y). Somit geht es in diesem Konzept - wie an anderer Stelle schon gesagt - eigentlich nicht mehr um die Zuweisung von Kausalitäten, sondern um „die inkrementelle Prognostizierbarkeit, die durch die exogene Variable verbessert werden soll“ (Thome, 1988, 107). Kirchgässner (1981, 25) hat sich mit diesem Konzept beschäftigt und acht, sich gegenseitig ausschließende, Möglichkeiten kausaler Beziehungen zwischen zwei Variablen X und Y definiert: Tabelle 8.2: Möglichkeiten kausaler Beziehungen19 1. x und y sind unabhängig (x, y) 2. Es existiert nur gleichzeitige Kausalität (x - y) 3. x ist nur kausal zu y ohne gleichzeitige Kausalität (x -> y) 4. y ist nur kausal zu x ohne gleichzeitige Kausalität (x <- y) 5. x ist nur kausal zu y bei gleichzeitiger Kausalität (x => y) 6. y ist nur kausal zu x bei gleichzeitiger Kausalität (x <= y) 7. Es besteht Feedback ohne gleichzeitige Kausalität (x <-> y) 8. Es besteht Feedback bei gleichzeitiger Kausalität (x <=> y) 19 Die Tabelle ist angelehnt an Kirchgässner (1981, 25). 162 X ist also dann Granger-kausal zu Y, wenn mindestens ein zeitlich positives lag gefunden wird, für das die Korrelation signifikant verschieden von null ist und dieses lag zusätzlich den Zustand von Y besser erklären kann. Bei einer Kausalität von Y für X sind die Werte im negativen Bereich des Korrelogramms zu suchen. Gleichzeitige Kausalität bedeutet hier, dass gegenwärtige Werte von Y durch gegenwärtige Werte von X besser erklärt werden können als ohne gegenwärtige Werte von X und umgekehrt. Kurzum, dass sich die beiden Variablen gegenseitig zusätzlich zum Zeitpunkt t0 erklären können. Feedback bedeutet, dass X Granger-kausal zu Y und Y Granger-kausal zu X ist (Kirchgässner 1981, 21ff.). Die nachstehende Tabelle 8.3 gibt die empirischen Befunde der Kausalbeziehungen zwischen den Agenden wider. Tabelle 8.3: Transferfunktionskoeffizienten, totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 1980-1990 Abhängige Zeitreihe Unabhängige Zeitreihe Transfer- funktions- Koeffizient Std. Error Beta Totales R² Incremental R² Presse Ökologiebewegung .330** .067 t-12 .239** (.07) .272** Ökologiebewegung Presse .265** .162 t-1 -.239* (.09) -.210* t-3 .324** (.10) .284** t-5 .120 (.10) .105 t-8 .256** (.10) .224** t-15 .124 (.10) .107 Presse Parlament .327** .064 t-7 -.062 (.10) -.052 t-14 -.165 (.10) -.132 t-16 .295** (.10) .237** t-18 .075 (.10) .060 Parlament Presse .286** .070 t-1 .216** (.07) .257** t-4 .130* (.07) .155* Bevölkerung Presse t-1 t-2 t-3 .528 .376 .675* (.03) (.03) (.03) .171 .122 .218* .111** .089 Presse Bevölkerung t-15 -.153 (.03) -.049 .002 -.006 Bevölkerung Parlament t-0 t-1 t-14 t-15 .692 -.125 .282 -.105 (.03) (.09) (.01) (.09) .238 -.125 .027 -.102 0,57 0,23 Parlament Bevölkerung t-1 t-7 t-15 .504* .580* .683** (.03) (.02) (.02) .173* .199* .234** 131** .108 ** p < .01 * p < .0520 20 In der Kreuzkorrelation zwischen Parlament und Bevölkerung wurde der Zeitpunkt t-0 herausgelassen, da sich bei einem Einfluss dieses Prädiktors keine bessere Modellanpassung ergab. 163 Tabelle 8.3 gibt Aufschluss über die kausalen Beziehungen zwischen den Agenden. Im Folgenden sollen diese Beziehungen näher betrachtet und erläutert werden. Die Ökologie-Zeitreihe t-12 erklärt zusätzlich 6,8 Prozent der Varianz der Zeitungsberichterstattung über den gesamten Zeitraum. Der Transferfunktionskoeffizient ist positiv und hoch signifikant. Daraus kann geschlossen werden, dass, wenn sich auf der Ökologiebewegungsagenda die Thematisierung verändert, sich dies positiv auf die Pressereihe 12 Monate später niederschlägt, also mit einem Anstieg der Thematisierungen verbunden ist. Dieser Anstieg ist allerdings nur gering: Wenn die Thematisierung auf der Ökologiebewegungsagenda um 1 steigt, liegt der Anstieg auf der Presseagenda bei etwa B=.24. Die Presse kann demgegenüber die Varianz der Ökologiereihe durch die Prädiktoren t-1, t-3, t-5, t-8 und t-15 zu 16,2 Prozent zusätzlich erklären. Allerdings erweisen sich die Regressoren t-5 und t-15 als nicht signifikant auf dem 5-Prozent-Niveau. Die Transferfunktionskoeffizienten sind bis auf t-1 positiv, was bedeutet, dass jeweils 3 und 8 Monate vorher ein signifikanter „Policy-Agenda-Setting-Effekt“ der Presse auf die Ökologiebewegung wirksam wird. Der größte Einfluss geht vom Prädiktor t-3 aus, der einen Beta-Wert von .284 aufweist. Insgesamt ist das Verhältnis zwischen Massenmedien und Bewegungsorganisationen wie folgt zu kennzeichnen: Zwischen Ökologie und Presse besteht eine Feedback-Beziehung ohne gleichzeitige Kausalität für den Zeitraum zwischen 1980 und 1990. Dieser gegenseitige Einfluss überwiegt zugunsten der Massenmedien. Wie sind nun die Beziehungen zwischen Presseberichterstattung und parlamentarischer Behandlung des Themas „Waldsterben“ gelagert? Insgesamt können die zwei Prädiktoren der Presse t-1, t-4 zusätzlich 7 Prozent der Varianz der parlamentarischen Handlungen zu dem Thema erklären und damit liegt ein „Policy-Agenda-Setting-Effekt“ vor. Beide Prädiktoren sind signifikant, Presse t-1 ist jedoch stärker: Beta=.257 gegenüber .155. Wie schon bei der Beziehung der Agenden im vorpolitischen Raum zeigen sich auch hier nicht sonderlich starke Einflüsse. Dies drückt sich auch über die schwachen Transferfunktionskoeffizienten aus: B=.216 und .130. Es zeigt sich demnach, dass sich bei einer Thematisierung in der Presse die Aufmerksamkeit im Parlament nach einem und nach vier Monaten erhöht. Die Zeitreihe des Parlamentes hingegen kann die Pressereihe in 7-, 14-, 16- und 18-monatigen Abständen beeinflussen und signifikant 6,4 Prozent der Presseagenda zusätzlich erklären. Die negativen Koeffizienten bei lag -7 und lag -14 erweisen sich allerdings als nicht signifikant. Das Gleiche gilt für den Prädiktor t-18. Somit hat das Parlament jeweils nach 16 Monaten einen signifikanten Einfluss auf die Aufmerksamkeit der Presse (Beta=.237), der sich nur in einem mäßigen Anstieg in der Thematisierung bemerkbar macht: B=.295. Das Verhältnis zwischen Presse und Parlament beruht demnach ebenfalls auf einer wechselseitigen Granger-Kausalität. Das Gewicht liegt hier leicht auf Seiten der Massenmedien, die etwas mehr Varianz der parlamentarischen Debatte zu dem Thema erklären kann. Widmen wir uns nun der Beziehung zwischen Massenmedien und Bevölkerung. Über den gesamten Zeitraum kann die Presseberichterstattung nach einem, zwei und drei Monaten 8,9 Prozent Varianz der Bevölkerungsreihe erklären. Das heißt, es lässt sich ein „Agenda-Setting-Effekt“ der Massenmedien belegen. Die Prädiktoren t-1 und t-2 zeigen sich allerdings nicht signifikant auf dem 5-Prozent-Niveau. Ein großer Einfluss geht hingegen von der Presseberichterstattung nach 3 Monaten aus. Der Prädiktor t-3 hat einen 164 Beta-Wert von .218. Steigt die Presseberichterstattung zu dem Thema „Waldsterben“ an, so reagiert die Öffentlichkeit also drei Monate später mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit für das Problem. Die Bevölkerungsmeinung hat wiederum keinen Einfluss auf die Berichterstattung in den Massenmedien. Der vorher ermittelte Prädiktor t-15 erwies sich in der Transferfunktionsanalyse als nicht signifikant. Für den gesamten Zeitraum orientiert sich die Berichterstattung bei dem Thema „Waldsterben“ folglich nicht an der „öffentlichen Meinung“. Die Presseberichterstattung beeinflusst hingegen die „öffentliche Meinung“. Schlussendlich wird die Beziehung zwischen Bevölkerungsmeinung und parlamentarische Behandlung des Themas betrachtet. Also die Frage, ob sich der Deutsche Bundestag responsiv gegenüber der Problemwahrnehmung in der Bevölkerung verhält. Die Diskussion um das Thema „Waldsterben“ im Parlament hat keinen direkten Einfluss auf die „öffentliche Meinung“. Alle vorher ermittelten Prädiktoren erwiesen sich in der Transferfunktionsanalyse als nicht signifikant auf dem 5-Prozent-Niveau. Das ist ja auch höchst plausibel, weil der Bevölkerung die Debatte im Deutschen Bundestag - wenn überhaupt - über die massenmediale Kommunikation zugänglich wird. Hingegen kann die „öffentliche Meinung“ durch die Prädiktoren t-1, t-7, t-15 über den gesamten Zeitraum 10,8 Prozent der Varianz der Zeitreihe Parlament erklären. Es liegt also ein „Policy-Agenda- Bildungs-Effekt“ vor. Die Bevölkerungsmeinung kann vor allem in einem 15-monatigen Rhythmus die Aufmerksamkeit, die dem Thema im Parlament beigemessen wird, signifikant beeinflussen. Der Prädiktor t-15 geht mit dem höchsten Beta-Wert von .234 ein. Aber auch die anderen Beta-Werte sind als moderat zu bezeichnen. Insgesamt verhält sich der Deutsche Bundestag also responsiv gegenüber den Problempräferenzen in der Bevölkerung zum Thema „Waldsterben“. 165 Zusammenfassung der empirischen Befunde für den Zeitraum von 1980 bis 1990 Um die Interpretation der vielen Zahlen zu vereinfachen und die eigentliche Beziehung auch optisch zu verdeutlichen, stützt sich die folgende Zusammenfassung auf Abbildungen, die in Form eines Organigramms darstellen, wie die einzelnen Agenden miteinander verknüpft sind. Die Abbildung 8.21 beschränkt sich dabei auf die Wiedergabe der exakten erklärten Varianz als entscheidende Interpretationshilfe, die exakten Effektstärken und Prädiktoren können der zugehörigen Tabelle entnommen werden. Abbildung 8.16.: Beziehung der Agenden zwischen 1980 und 1990 Diese Ergebnisse bestätigen zunächst die Annahme, dass Thematisierungsprozesse keinem linearen Modell folgen. Dies ist auch höchst plausibel, denn die Arenen stehen, wie im ersten Teil dieser Arbeit dargelegt, in einer wechselseitigen Beziehung zueinander: Die ökologische, die massenmediale, die Bevölkerungs- und die politische Arena sind miteinander verflochten. Die Akteure bilden ihre Agenda nicht auf Grund simpler Kausalbeziehungen heraus, sondern in einem Geflecht gegenseitiger Rückkopplung. Dabei sind die Massenmedien die zentrale Arena: Sie ermöglichen den Zugang zur Öffentlichkeit und sind daher die Bedingung und gleichzeitig das Forum für öffentliche Agenda-Bildungsprozesse. Die Massenmedien entscheiden darüber, welche Probleme in der Gesellschaft als besonders wichtig und daher lösungsbedürftig angesehen werden. Über den gesamten Zeitraum kann die Berichterstattung 8 Prozent der Problemwahrnehmung zu dem Thema „Waldsterben“ in der Bevölkerung erklären, d. h. es liegt ein „Agenda-Setting- Effekt“ der Medien vor. Auf Grund solcher Effekte der Massenmedien versuchen die politischen Entscheidungsträger mit unterschiedlichen Kommunikationsstrategien und Instrumenten der Parlament Ökologie- bewegung Massen- medien Bevölkerung 16,2% 7% 10% 6,8 6,4 8,9% 166 Öffentlichkeitsarbeit, die Massenmedien regelrecht zu bearbeiten. Dass sie dabei auch bei dem Thema „Waldsterben“ erfolgreich waren, zeigen die Ergebnisse: Die parlamentarische Debatte zu dem Thema kann gut 7 Prozent der Zeitungsberichterstattung zum Thema erklären. Daneben ist ein solch positiver Zusammenhang zwischen Parlamentstätigkeit und der Presseberichterstattung schon deshalb zu erwarten, weil die Medien, um ihre Informationspflicht zu erfüllen, durchaus die Tätigkeiten im Deutschen Bundestag beobachten. Soziale Bewegungen versuchen, mit Hilfe von öffentlicher Aufmerksamkeit in den Massenmedien, soziale Probleme zu definieren und die Bearbeitung des Problems von den Akteuren im Zentrum des politischen Entscheidungssystems einzufordern. Öffentliche Aufmerksamkeit in den Massenmedien ist eine notwendige - wenn auch nicht hinreichende - Bedingung für den Erfolg einer Bewegung. Dementsprechend versuchen auch soziale Bewegungen im Allgemeinen die Themenstruktur der Massenmedien mit den oben genannten Instrumenten und im Besonderen mit Demonstrationen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Um am „Agenda-Setting- und Policy-Agenda-Setting-Effekt“ der Massenmedien teilzuhaben, muss die Ökologiebewegung im „Agenda-Building-Prozess“ in den Massenmedien erfolgreich sein. Dies ist ihnen offensichtlich bei dem Thema „Waldsterben“ auch gelungen. Die Bewegungskommunikation kann die Varianz der Zeitungsberichterstattung zu 6,8 Prozent erklären. Andererseits beobachten die genannten Akteure kontinuierlich die Berichterstattung in den Massenmedien: Die politischen Eliten im Parlament beobachten die veröffentlichte Meinung in den Massenmedien, welche sie als einen ernsthaften Indikator für die Themenpräferenzen in der Bevölkerung ansehen. Insofern postuliert die „Policy-Agenda- Setting-Hypothese“ einen direkten Zusammenhang zwischen Themenpräferenzen in der Berichterstattung und den politisch-institutionellen Themenstrukturen. Auch diese Annahme kann bei dem Thema „Waldsterben“ bestätigt werden. Über den gesamten Zeitraum kann die Presseberichterstattung zusätzlich 7 Prozent der Varianz in den parlamentarischen Handlungen zu dem Thema erklären. Somit zeigt sich ein Policy- Agenda-Setting-Effekt durch die Presse auf die Debatte im Deutschen Bundestag. Die Massenmedien haben aber auch einen indirekten Einfluss auf die Akteure im Zentrum des politischen Entscheidungssystems, so die Vermutung im ersten Teil dieser Arbeit: Sie prägen die Vorstellung über die wichtigsten politischen Sachfragen in der Bevölkerung mit. Folgt man der ökonomischen Theorie der Politik, werden politische Akteure wiederum nicht explizit gegen diese „öffentliche Meinung“ (im Sinne der Problempräferenzen in der Bevölkerung), welche ihnen durch die Demoskopie zugänglich wird, handeln, wenn sie wieder gewählt werden wollen (Downs 1957). Folglich müsste sich der Deutsche Bundestag responsiv gegenüber den Themenprioritäten in der Bevölkerung verhalten. Diese Vermutung kann ebenfalls mit den Daten belegt werden. Die „öffentliche Meinung“ kann immerhin 10 Prozent der parlamentarischen Handlungen zu dem Thema „Waldsterben“ erklären. Die sozialen Bewegungen betreiben ebenfalls ein ständiges Monitoring der Berichterstattung, um einerseits die Resonanz ihrer Themen zu ermitteln und andererseits gelten ihnen die publizistischen Massenmedien als „funktionales Äquivalent“ für unmittelbare Kommunikationskanäle, weil soziale Bewegung auf Grund ihrer beschränkten Ressourcen über keine eigenen Medien verfügen, welche ihre Anliegen gesellschaftsweit 167 vermitteln. Erwartungsgemäß zeigt sich auch ein deutlicher „Policy-Agenda-Setting-Effekt“ der Presse auf die Ökologiebewegung. Der Anteil zusätzlich erklärter Varianz durch die Presse liegt mit über 16 Prozent gegenüber den anderen Ergebnissen überraschend hoch. Insoweit ist zwischen den genannten Akteuren generell von einem System wechselseitiger Einflussbeziehungen auszugehen, welche sich in dieser Analyse bestätigten. Gerade wenn von wechselseitigen Beeinflussungsprozessen der genannten Akteure auszugehen ist, ist es im Folgenden umso interessanter, genauer zu analysieren, ob und in welchen Zeitabschnitten der Themenkarrieren möglicherweise gerichtete Einflüsse der genannten Akteure wirksam werden können, um damit die Rolle der Massenmedien im politischen Agenda-Bildungs-Prozess weiter aufzuklären. So ist die Rolle der Massenmedien, wie im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt, sicher eine andere, wenn sie Themen aufgreifen, welche bereits im politischen Entscheidungssystem auf der Tagesordnung stehen, oder ob sie von außen Themen an das politische System herantragen. Solche als „Verstärker-“ bzw. „Initiator-Effekt“ und als „Repräsentations-Effekt“ der Massenmedien bezeichnete Thematisierungsverläufe konnten für den Gesamtzeitraum nicht spezifiziert werden. Daneben sind annahmegemäß die Chancen für Medieneinflüsse in der Mode- und Konjunkturphase einer Themenkarriere wahrscheinlich größer als in der Latenz- oder Ermüdungsphase von Themen (Downs 1972, Luhmann 1970, Schönbach 1980). Auf Grund der Annahme, dass in unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Einflussbeziehungen bestehen, wurde der gesamte Zeitraum in drei Abschnitte geteilt. Ausgangspunkt dieser Vorgehensweise ist die deskriptive Analyse. Grundüberlegung war die Übernahme der fünf Phasen des Aufmerksamkeitszyklus. Dieser Gedanke musste verworfen werden, da in der dritten Phase des oben erläuterten Zyklus nur etwa 12 Messzeitpunkte zur Verfügung gestanden hätten. Da aber zeitreihenanalytische Verfahren eine „größere Anzahl von Messungen“ voraussetzen (Schmitz 1989, 11), sind die Phasen so eingeteilt worden, dass sie dem Aufmerksamkeitszyklus in etwa entsprechen und eine akzeptable Anzahl von Messzeitpunkten berücksichtigen. Die erste Phase reicht von Januar 1980 bis einschließlich Oktober 1983 und umfasst 46 Messzeitpunkte. Der Oktober 1983 wurde als Schnitt-Messpunkt gewählt, da die formelle Agenda in diesem Monat ihren absoluten Thematisierungshöhepunkt erreicht hatte, die parlamentarischen Agenden mit ihren Thematisierungshöhepunkten aber folgten. Aus diesen Gründen kann gefragt werden, ob der steile Anstieg der Thematisierung im Parlament im Sinne eines „Verstärker bez. Initiator-Effekts“ von der Thematisierung der massenmedialen Berichterstattung beeinflusst wurde und ob in der nachfolgenden zweiten zeitreihenanalytisch untersuchten Phase sich ein Effekt im Sinne eines „Repräsentations-Effektes“, d. h. die Debatte im Deutschen Bundestages wird von den Massenmedien aufgegriffen, zeigt. Die zweite untersuchte Phase spiegelt hier die dritte und vierte Phase des Aufmerksamkeitszyklus wider. Sie reicht vom November 1983 bis zum April 1986 und umfasst 30 Messpunkte. In dieser Phase wird der Zenit der gesamten Thematisierung erreicht. Die Grenzziehung erfolgte aus der empirischen Tatsache heraus, dass im Mai 1986 nach dem GAU von Tschernobyl ein Einschnitt in der gesamten Thematisierung erfolgte. Die dritte, im Folgenden zu untersuchende Phase spiegelt somit die Nachproblem-Phase des Aufmerksamkeitszyklus wider. Sie erstreckt sich von Mai 1986 bis Dezember 1990 und umfasst 56 Messzeitpunkte. 168 8.3. Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Januar 1980 bis Oktober 1983 In diesem ersten Teilzeitraum der Untersuchung ist die Aufmerksamkeit für das Problem „Waldsterben“ auf allen vier Agenden noch nicht so ausgeprägt: Die Ökologieagenda erreicht 19,4 Prozent, die Presseagenda 35,6 Prozent, die Parlamentsagenda 31 Prozent und die Bevölkerungsagenda lediglich 7,8 Prozent ihrer gesamten Thematisierung. Tabelle 8.4 zeigt die Modellschätzung für die Zeitreihen der Ökologiebewegung, der Presse, des Parlamentes und der Bevölkerung sowie die dadurch erklärte Variabilität. Auf eine tiefergehende Analyse wie im letzten Abschnitt wird im Folgenden aus Platzgründen verzichtet. Tabelle 8.4: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianzen für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung zwischen 1/1980 und 10/1983 Agenda Arima Term Koeffizient R² Ökologiebewegung (0,1,0) - .000 Presse (0,1,1) MA(1) = -.584** .294** (.13) Parlament (0,1,1) MA(1) = -.538** .144** (.19) Bevölkerung (1,0,0) AR(1)= .482** (.07) 232** In den Klammern unter den Regressions-Koeffizienten stehen die dazugehörigen Standardfehler ** p < .01 Die Ökologiebewegungsreihe wies in der graphischen Analyse einen deutlichen Trend auf und musste deshalb differenziert werden. Nach der ersten Differenzierung konnte allerdings kein Modell geschätzt werden, denn für keinen lag zeigte die ACF einen signifikanten Wert.21 Der Prozess ist demnach eher zufällig verlaufen, die Thematisierungen in der Ökologiebewegung haben keinen signifikanten Einfluss aufeinander. Externe Faktoren müssen in diesem frühen Thematisierungsprozess demnach eine sehr hohe Rolle für die Bewegungskommunikation gespielt haben. Dieses Ergebnis überrascht: Gerade in der Anfangsphase der Thematisierung wäre mit einer großen Mobilisierung in der Bewegung zu rechnen gewesen, die sich auch durch eine höhere Eigendynamik ausdrückt. Für die Presse wurde ein ARIMA(0,1,1)-Modell geschätzt, wie schon für den gesamten Zeitraum. Insgesamt können 29,5 Prozent der Varianz durch den Vormonat erklärt werden. 21 Diese Zeitreihe wies zwar keine signifikanten lags auf, jedoch schien es, als würde diese Reihe nicht ganz aus Zufallswerten bestehen. Das Bild der ACF und PACF ähnelte einem zwei-monatigen Rhythmus, was durchaus nachzuvollziehen wäre. Da jedoch die Korrelationen sehr gering waren, konnte kein signifikantes Modell geschätzt werden. 169 Dieser Wert steht für eine relativ konstante Thematisierungspraxis. Immerhin konnte fast jeder dritte Artikel in den Zeitungen auf die Artikel des Vormonates zurückgeführt werden. Somit zeigt sich erneut, dass die Presse das Thema in den Anfangsphasen entschieden besetzt hat. Für den Deutschen Bundestag wurde erneut ein ARIMA(0,1,1)-Modell geschätzt (Tab. 8.7). Der Einfluss des Vormonats erklärt hier „nur“ 14,5 Prozent der Varianz der parlamentarischen Behandlung des Themas. Das bedeutet, dass die Thematisierung in etwa sieben von zehn Fällen nicht durch das Parlament selbst bestimmt wurde. Externe Faktoren spielten eine dementsprechend große Rolle. Hier zeigt sich erneut, dass das Parlament das Thema nicht über die gesamte Zeit der Anfangsphasen entschieden besetzt hatte. Die Bevölkerungsreihe musste nicht differenziert werden. Sie war von vornherein stationär. Für die Bevölkerung wurde ein ARIMA(1,0,0)-Modell geschätzt (Tab. 2-24). Insgesamt können in der Bevölkerung 23,3 Prozent der Varianz durch den Vormonat erklärt werden. Dieser Wert spricht in dieser frühen Thematisierungsphase für ein relativ konstantes Problembewusstsein in der Bevölkerung, denn fast jede vierte Nennung des „Waldsterbens“ als wichtiges gesellschaftliche Problem kann durch die Nennung im Vormonat erklärt werden. Daher ist die Frage nach dem Einfluss der Presseberichterstattung auf das Problembewusstsein in der Bevölkerung umso interessanter. Tabelle 8.5 gibt die Ergebnisse der Transferfunktionsanalyse für den ersten Teil- Zeitraum wieder. Tabelle 8.5: Transferfunktionskoeffizienten, Totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 1/1980 und 10/1983 Abhängige Zeitreihe Unabhängige Zeitreihe Transfer- funktions- Koeffizient Std. Error Beta Totales R² Incremental R² Presse Ökologiebewegung .633** .338 t-4 -.601** (.15) .381** t-5 .701** (.17) .442** Ökologiebewegung Presse .078* .078 t-2 .231* (.11) .317* Parlament Presse .506** .361 t-1 .276** (.09) .338** t-3 -.402** (.13) .469** t-4 .126 (.17) .115 Bevölkerung Presse t-1 .401*** (.09) .557*** .310*** .294 Parlament Bevölkerung t-2 .158* (.03) .261* .068* .064 *** p < .00 ** p < .01 * p < .05 Beim Verhältnis zwischen Presse und Bewegungsorganisationen können durch die Kreuzkorrelationen signifikante Interaktionen ermittelt werden. Dieses Verhältnis ist durch gegenseitige Kausalität geprägt: Auf der einen Seite folgt die Presse der 170 Ökologiebewegung nach 4 und nach 5 Monaten, auf der anderen folgt die Bewegung der Presse nach 2 Monaten. In der Transferfunktionsanalyse zeigt sich, dass die Presse einen signifikanten Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die Agenda der Ökologiebewegung hat. Die Pressereihe kann hier eine zusätzliche, in diesem Fall totale Varianz von 7,9 Prozent erklären. Überraschend ist jedoch der hohe Effekt der Bewegungskommunikation auf die Presseagenda. Die Varianz der Medien kann zu 33,9 Prozent zusätzlich erklärt werden. Der Einfluss der Bewegung zum lag t-4 ist allerdings negativ (Beta = -.381), fällt aber gegenüber dem lag t-5 (Beta = .442) geringer ins Gewicht. Fast sieht es so aus, als wenn die Presse vier Monate nach einer Thematisierung in der Ökologiebewegung mit einer zurückgehenden Thematisierung reagiert hat, um im Folgemonat dies wieder zu kompensieren. Nach diesen Ergebnissen steigt die Thematisierung in der Presse um .701, wenn 5 Monate vorher in der Ökologiebewegung eine Thematisierung zu verzeichnen ist. Der Einfluss der Presse auf die Bewegung jeweils zwei Monate vorher wirkt sich nicht so stark aus. Der Beta-Wert beträgt hier für t-2 = .317, der Transferfunktionskoeffizient nur .231. Im Verhältnis der Zeitreihen von Presse und Deutschem Bundestag gibt es einen deutlich einseitigen Einfluss. So können die Medien durch die Zeitverschiebungen t-1, t-3 und t-4 über 36 Prozent der Varianz der parlamentarischen Behandlung des Themas zusätzlich erklären. Dieses Ergebnis überrascht ebenfalls durch die Höhe des Policy-Agenda-Setting- Effektes, denn die Presse kann mehr als doppelt soviel Varianz erklären als die Parlamentsreihe durch ihre Eigendynamik. Allerdings ist der Beta-Wert für t-3 negativ (- .469) und der Koeffizient t-4 (Beta = .126) zeigt sich nicht signifikant. Hier scheint Ähnliches wie in der Interaktion zwischen Presse und der Ökologiebewegung zu gelten. Das Parlament bekommt jeden Monat einen Input, die Thematisierung steigt um .276. Im dritten Monat nach dieser Thematisierung der Presse reagiert das Parlament mit einem Rückgang seiner Aufmerksamkeit. Interessant ist jedoch, dass die Prädiktoren t-3 und t-4 stark interagieren. So zeigt sich bei einer Reduktion der Transferfunktion um den Prädiktor Presse t-3, dass der Prädiktor Presse t-4 an Gewicht deutlich zulegen kann (Beta =. 443) und sehr signifikant wird (p< .01). Die erklärte Varianz liegt dann bei über 24 Prozent. Somit ist davon auszugehen, dass nach dem negativen Effekt auf die Thematisierung im Parlament zum lag t-3 eine Art Kompensierung zum lag t-4 stattfindet. Im Parlament wird somit nach drei Monaten ein Teil der durch die Medien gewonnenen Aufmerksamkeit abgegeben. Einen Monat später wird dieser Verlust jedoch wieder aufgeholt. Thome (1992, 102) beschreibt ein ähnliches Phänomen als „Anpassungsreaktion“. Wie auch im Verhältnis zwischen Presseberichterstattung und Diskussion im Bundestag gibt es zwischen Presseagenda und Bevölkerungsagenda einen deutlich einseitigen Einfluss: Die Massenmedien können durch die Zeitverschiebung von t-1 fast 30 Prozent der Varianz der Bevölkerungsreihe erklären, d. h. in diesem Zeitraum kann man von einem deutlichen Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien sprechen. Dieser Effekt erklärt mehr Varianz in der Bevölkerungsreihe als die Bevölkerungsreihe durch ihre Eigendynamik. Der Betawert ist mit .557 sehr stark und hoch signifikant (*** p < .00). Auch zwischen Bevölkerungsagenda und der parlamentarischen Agenda gibt es einen leichten einseitigen Effekt: Die Diskussion in Bundestag reagiert auf die Bevölkerungsmeinung nach zwei Monaten. Der Prädiktor t-2 ist allerdings nicht besonders hoch (.261) und kann nur 6 Prozent der Varianz der Parlamentsreihe zusätzlich erklären. 171 Allerdings belegt diese Zahl, dass sich die Diskussion im Parlament im Bezug auf das Problem „Waldsterben“ durchaus responsiv verhält. Auch die Verzögerung von 2 Monaten ist durchaus plausibel. Denn auf der einen Seite muss wiederum die institutionelle Verzugszeit beachtet werden und auf der anderen muss die „Bevölkerungsmeinung“ zunächst durch die Demoskopie evaluiert werden. Zusammenfassung der empirischen Befunde für den Zeitraum Januar 1980 bis Oktober 1983 Abbildung 8.17: Beziehung der Agenden zwischen Januar 1980 und Oktober 1983 Die Vermutung, dass sich in einzelnen Phasen die Einflussbeziehungen zwischen den Agenden verändern, hat sich bestätigt. Fragt man wiederum nach der Rolle der Massenmedien in dem Thematisierungsprozess, so geben die Ergebnisse weiterführende Anhaltspunkte. Die Presseberichterstattung hat sowohl einen starken Policy-Agenda- Setting-Effekt auf die Diskussion im deutschen Bundestag als auch einen starken Agenda- Setting-Effekt auf die Bevölkerung. Die Zeitungsberichterstattung wirkt auf die parlamentarische Debatte zu dem Thema „Waldsterben“ mit einer signifikant erklärten Varianz von 36 Prozent. Dabei fällt auf, dass die Presseagenda mehr zur Erklärung der Thematisierung des Parlamentes beiträgt als die Agenda des Bundestags selbst. Die parlamentarische Behandlung des Themas hat hingegen keinen Thematisierungseffekt auf die Zeitungsberichterstattung, d. h. man kann von einem gerichteten Medieneinfluss sprechen. Neben einem starken Policy-Agenda-Setting-Effekt muss der Presseberichterstattung in dieser Phase noch ein starker Agenda-Setting-Effekt zugesprochen werden: Die Zeitungsberichterstattung kann die Problemwahrnehmung zu dem Thema in der Bevölkerung zu fast 30 Prozent signifikant erklären. Wie auch im Bezug zur Diskussion im Deutschen Bundestag trägt die Presseberichterstattung zu einer größeren Erklärung der Themenpriorität in der Bevölkerung bei als die Agenda der Parlament Ökologie- bewegung Massen- medien Bevölkerung36,1% 6% 33,8% 29,4% 7,8% 172 Bevölkerung selbst. Die durch die Presseberichterstattung beeinflusste Bevölkerungsmeinung hat wiederum einen leichten Policy-Agenda-Building-Effekt auf das Parlament. Die Bevölkerungsmeinung kann 6 Prozent der Varianz der parlamentarischen Diskussion zu dem Thema erklären. Die Massenmedien sind bei dem Thema „Waldsterben“ aber offenbar nicht „Allein- Initiatoren“. Die Ökologiebewegung kann die Presseberichterstattung im großen Maße determinieren: Jede dritte monatliche Thematisierung in den hier untersuchten Medien kann auf die Thematisierungen in der Ökologiebewegung zurückgeführt werden (fast 34 Prozent zusätzlich erklärte Varianz). Demzufolge wird deutlich, dass die Ökologiebewegung den Thematisierungsprozess nicht nur angestoßen hat, sondern auch einen großen Einfluss auf die Thematisierung der Presse hatte. Die durch die Ökologiebewegung zusätzlich erklärte Varianz der Zeitungsberichterstattung übersteigt sogar die durch die Eigendynamik der Presse erklärte Varianz. Dies bedeutet, dass die Thematisierungshäufigkeit der Presse in dieser Phase mehr von der Thematisierung in den Bewegungsorganisationen abhängt als von sich selbst. Zusammenfassend hat die Ökologiebewegung das Thema „Waldsterben“ erfolgreich auf die Agenda der Massenmedien gesetzt, d. h. sie war im Agenda-Bildungsprozess im Hinblick auf die Presseberichterstattung höchst erfolgreich. Die Presse hat wiederum einen Einfluss auf die Bewegung. Dieser wird jedoch durch die Höhe der zusätzlich erklärten Varianz (nur knapp acht Prozent) etwas relativiert. Fasst man die Ergebnisse zusammen, so muss den Massenmedien im Prozess des Agenda-Bildung in der Gesellschaft bei dem Problem „Waldsterben“ eine bedeutende Rolle zugewiesen werden: Die Presseberichterstattung hat zum einen einen direkten großen Einfluss auf die Bevölkerungsmeinung sowie auf die Diskussion im Bundestag, zum anderen hat sie einen indirekten Einfluss auf die Themenprioritäten der politischen Akteure. Die von der Presseberichterstattung geprägte Bevölkerungsmeinung hat wiederum einen Einfluss auf die politischen Akteure des Bundestages. Bezieht man diese Ergebnisse auf das im ersten Teil dieser Arbeit entworfene Modell, so verläuft der Thematisierungsprozess eindeutig im Sinne eines Outside-Initiative-Modell. Allerdings sind die Massenmedien dabei nicht „Allein-Initiatoren“. Bei den Medieneffekten, welche letztlich das Thema auf die Tagesordnung des deutschen Bundestages beförderten, handelte es sich um so genannte „Verstärker-Effekte“, welche die Massenmedien im komplexen Wechselspiel mit der Ökologiebewegung produzierten. Die Ökologiebewegung wählte mangels etablierter Zugänge zum politischen Entscheidungssystem den Weg über die mediale Öffentlichkeit, von wo aus das Thema „Waldsterben“ sowohl Resonanz in der Bevölkerung auslöste als auch im deutschen Bundestag. 173 8.4. Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Oktober 1983 bis Mai 1986 Für den zweiten untersuchten Teilzeitraum zeigt sich, dass alle vier Agenden hier den größten Anteil ihrer Thematisierungen verbuchen. Obwohl diese Phase am kürzesten von allen drei untersuchten Zeiträumen ist, erreichen die Ökologieagenda bis zum März 1986 56,3 Prozent, die Presseagenda 40,2 Prozent, die Parlamentsagenda 50,9 Prozent und die Bevölkerungsagenda sogar 72 Prozent ihrer gesamten Aufmerksamkeit für das Thema „Waldsterben“. Tabelle 8.6 gibt die Modellschätzung für die Zeitreihen der Ökologiebewegung, der Presse, des Parlamentes und der Bevölkerung sowie die dadurch erklärte Variabilität wider. Tabelle 8.6: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianz für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevlökerung 11/1983 - 04/1986 Agenda Arima Term Koeffizient R² Ökologiebewegung (0,1,0)(1,0,0) SAR(1)= .363* (.19) .223* Presse (0,0,0) - .000 MA(1)= -.487** (.17) .214** Parlament (0,1,1) Bevölkerung (2,1,0) AR(1)= .388* (.2) AR(2)=-.457* (.2) .276* In den Klammern unter den Regressions-Koeffizienten stehen die dazugehörigen Standardfehler ** p < .01 * p < .05 Für den Prozess in der Zeitreihe der Ökologiebewegung kann für den zweiten Zeitraum folgendes Modell geschätzt werden: ARIMA(0,1,0)(1,0,0). Dieses Modell zeigt einen saisonalen Effekt, der nach der ersten Differenzierung auftritt. Die Ökologiebewegung folgt somit einer Eigendynamik, die alle 12 Monate wirksam wird. Es ist zu vermuten, dass die Bewegung das Thema in dieser Phase immer zu bestimmten Zeiten im Jahr verstärkt auf ihre Tagesordnung setzte. Vor allem in den Wintermonaten ist ein Anstieg der Thematisierung zu verzeichnen. Die Bewegung hat möglicherweise versucht, sich selbst zu mobilisieren, wenn der Zugang bei den Mitgliedern dafür leichter ist: In den Wintermonaten ist das Thema „Baumsterben“ sicher nicht nur durch Waldzustandsberichte bei den Bewegungsmitgliedern präsenter. Die Bewegung kann allein durch diesen 12-Monats- Rhythmus 22,3 Prozent ihrer Variabilität erklären. Diese, im Gegensatz zur Anfangsphase, verstärkte Eigendynamik konnte in dieser Hauptthematisierungsphase der Bewegung erwartet werden: Schon in der deskriptiven Analyse zeigte sich, dass die 174 Bewegungsorganisationen ihre Aufmerksamkeit bezüglich des Themas „Waldsterben“ steigern und so weiter Themendruck erzeugen. Ein Befund auf den schon andere Studien verweisen: haben Themenkonjunkturen ihren Höhepunkt erreicht, birgt dies eine Gelegenheiten für Bewegungsunternehmer mit diesem Thema auf die Agenda der publizistischen Massenmedien aufgenommen zu werden (Mc Carthy et al. 1997; Nolan 1985). Aus diesem Grund steigen Bewegungsorganisationen bewusst und verstärkt auf Themen ein, die schon einen gewissen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit erreicht haben. Trotzdem kann auf Grund der knapp 78 Prozent Restvarianz vermutet werden, dass externe Faktoren auf die Ökologieagenda in diesem Zeitraum wirken. Die Presseagenda musste nicht vorgeweißt werden, ein Trend war nicht festzustellen und die Residuen ähnelten von vornherein White Noise. Aus diesem Grund konnte auch keine erklärte Varianz ermittelt werden. Somit kam der Thematisierungsprozess in der Hauptthematisierungsphase zufällig zustande. Die Parlamentsreihe musste wegen eines deutlich abfallenden Trends differenziert werden und zeigte danach ein ARIMA (0,1,1)-Modell. Der Thematisierungsprozess beruht auf der vormonatlichen Aufmerksamkeit, wie sich dies auch in den Anfangsphasen der Thematisierung gezeigt hat. Die Befunde sprechen allerdings eine etwas deutlichere Sprache, denn die Debatte im Deutschen Bundestag ist, mit einer durch die Eigendynamik erklärten Varianz von über 21 Prozent, für die Thematisierung anderer Akteure nicht mehr so offen. Nachdem sich das Thema auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages etabliert hat, strukturieren sich auch auf plausiblere Weise die parlamentarischen Handlungen zu dem Thema. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass externe Akteure die Aufmerksamkeit in noch immer hohem Maße beeinflussen können. Die Bevölkerungsreihe wies in der graphischen Analyse einen deutlichen Trend auf und musste aus diesem Grund differenziert werden. Danach wurde ein ARIMA(2,1,0)-Modell geschätzt. Die Bevölkerungsmeinung kann zu 27 Prozent erklärte Varianz durch die eigene Problemwahrnehmung, einen und zwei Monate vorher erklärt werden. Im Vergleich zur ersten Phase (fast 30 Prozent) lässt damit die Kontinuität der Problemwahrnehmung leicht nach. Allerdings ist in der Bevölkerungsmeinung nach wie vor ein relativ konstantes Problembewusstsein im Hinblick auf das „Waldsterben“ zu beobachten. In der nachstehenden bivariaten Zeitreihenanalyse wurden wieder die Zusammenhänge zwischen den Agenden spezifiziert. In der Kreuzkorrelation zwischen Bewegungskommunikation und massenmedialer Aufmerksamkeit für das Thema „Waldsterben“ zeigen sich zwischen den beiden Agenden keine signifikanten Koeffizienten. Die Thematisierungen beider Agenden nehmen demnach keinen Einfluss aufeinander. Auf Grund der stärkeren Mobilisierung in der Bewegung wäre durchaus ein Effekt auf die Presse zu erwarten gewesen. Auf der anderen Seite ist jedoch zu vermuten, dass der Policy-Agenda-Setting-Effekt der Medien im Thematisierungsprozess schon in dieser Phase nachgelassen hat. Tabelle 8.7: Transferfunktionskoeffizienten, Totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Presse und Parlament 11/1983-04/1986 Abhängige Zeitreihe Unabhängige Zeitreihe Transfer- funktions- Koeffizient Std. Error Beta Totales R² Incremental R² 175 Presse Parlament .417** .202 t0 .310** (.10) .482** Parlament Presse .122* .122 t0 .505* (.23) .390* ** p < .01 * p < .05 Zwischen Presseagenda und Parlamentsagenda zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zum lag 0, also innerhalb eines Monats. Dieser ist mit einer Korrelation von .477 relativ deutlich ausgeprägt. Beide Agenden können sich unter Berücksichtigung dieser Gleichzeitigkeit signifikant besser erklären als ohne die Einbeziehung des lag 0. Die erklärten Varianzen sind mit .202 für den Deutschen Bundestag und .122 für die Zeitungsberichterstattung relativ hoch. Die Effekte sind auf Grund der Gleichzeitigkeit aber nicht eindeutig zuzuweisen. Demnach ist die Interaktion zwischen der Presseberichterstattung und dem Deutschen Bundestag vor allem wechselseitig. Tabelle 8.8: Transferfunktionskoeffizienten, Totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Presse und Bevölkerung 11/1983-04/1986 Abhängige Zeitreihe Unabhängige Zeitreihe Transfer- funktions- Koeffizient Std. Error Beta Totales R² Incremental R² Bevölkerung Presse t-1 .139** (.04) .557** .331** .284 ** p < .01 * p < .05 Auch in dieser Phase zeigt sich ein deutlicher Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien. Die Presseberichterstattung kann nach einem Monat 28 Prozent der Varianz in der Bevölkerung erklären. Wie schon in der ersten Phase beruht folglich fast jede siebte Nennung als wichtigstes Problem auf der Nennung einen Monat vorher in der Berichterstattung. Allerdings hat der Agenda-Setting-Effekt im Vergleich zur ersten Phase (fast 30 Prozent) leicht nachgelassen. Wie schon in der ersten Phase hat die Bevölkerungsmeinung wiederum keinen Einfluss auf die Berichterstattung in den Massenmedien. In der Kreuzkorrelation zeigen sich zwischen der Bevölkerungsagenda und der Parlamentsagenda keine signifikanten Koeffizienten. Die Thematisierungen beider Agenden nehmen demnach keinen Einfluss aufeinander. 176 Zusammenfassung der empirischen Befunde für den Zeitraum November 1983 bis April 1986 Abbildung 8.18: Beziehung der vier Agenden zwischen November 1983 und April 1986 Fragt man nach der Rolle der Massenmedien in dieser Phase des Thematisierungsprozesses, so deuten die Daten auf einen „Repräsentations-Effekt“ hin. Auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages hat sich das Thema fest etabliert und es wurden von den Abgeordneten zum Ende der ersten Phase wichtige Policies verabschiedet. Aus diesem Grund war ein Effekt der Diskussion im Deutschen Bundestag auf die Berichterstattung der Massenmedien zu erwarten gewesen. Es zeigt sich jedoch nur ein Zusammenhang - eine Gleichzeitigkeit - innerhalb eines Monats. Diese „simultane“ Beziehung kann 20 Prozent der Medienaufmerksamkeit erklären. Dies könnte möglicherweise auf ein solches Modell deuten, da für die publizistischen Massenmedien eine Reaktion innerhalb eines Monats ohne weiteres denkbar ist. Ein „Policy-Agenda- Setting Effekt“ der Presse auf die Debatte im Deutschen Bundestag innerhalb eines Monats ist dagegen relativ unwahrscheinlich. Wegen der Verzugszeit von Systemen kann das Parlament auf Grund der institutionellen Beschaffenheit in so kurzer Zeit eher nicht oder nur schwach auf die entsprechende Medienberichterstattung reagieren. Diese Vermutung Parlament Ökologie- bewegung Massen- medien Bevölkerung12% 28,4 20% 177 wird durch die bislang gemachten Ergebnisse bestätigt. Alle bisher festgestellten Zusammenhänge zwischen medialer und parlamentarischer Agenda betrugen eine Verzugszeit und hatten keine Gleichzeitigkeit. Dieser instantane Effekt der Presse erklärt eine zusätzliche Varianz von über 12 Prozent. Es kann somit festgehalten werden, dass im Sinne einer gleichzeitigen Kausalität beide Agenden den jeweils anderen Akteur signifikant erklären können. Angesichts der Zeitstruktur der Messung empfiehlt es sich aber, diese Werte nicht als eindeutige Antwort auf die Frage, ob der massenmedialen Berichterstattung in dieser Phase ein „Repräsentations-Effekt“ zukommt, zu werten. Hierzu wäre ein differenzierteres Längsschnittdesign mit näher beieinander liegenden Messzeitpunkten notwendig. Für diese gleichzeitige Beziehung könnten in einer disaggregierteren Analyse auf Wochenbasis etc. durchaus vorzeitige Effekte festgestellt werden. Die Presseberichterstattung hat aber auch in dieser Phase einen deutlichen Agenda- Setting-Effekt auf die Bevölkerung; die Berichterstattung kann 28 Prozent der Varianz in der Bevölkerung erklären. Dieser Wert liegt zwar leicht unter dem Effekt in der ersten Phase, ist aber noch als groß zu bezeichnen. Die Bevölkerungsmeinung hat in dieser Phase keinen Einfluss auf die parlamentarischen Handlungen im Bundestag. Zwischen der bewegungs- und der massenmedialen Agenda zeigt sich ebenfalls keine Interaktion, obwohl auf Grund der absolut gestiegenen Aufmerksamkeit in der Hauptthematisierungsphase ein Effekt durchaus zu erwarten war. 8.5. Zeitreihenanalyse des Themas „Waldsterben“ von Januar Mai 1986 bis Dezember 1989 Im dritten untersuchten Teil-Zeitraum nahm die Aufmerksamkeit auf allen drei Agenden rapide ab. Die Thematisierungsquoten sanken bei der Presse um 16 Prozent, im Parlament um 32,8 Prozent, in der Bevölkerung um 25 Prozent und in der Ökologiebewegung um 32 Prozent. Dies lässt vermuten, dass das „Waldsterben“ verstärkt in Konkurrenz mit einem anderen Thema gestanden haben könnte, denn Ende April 1986 explodierte das Atomkraftwerk in Tschernobyl. Die Agenden, so die Vermutung, mussten ihre begrenzte Aufmerksamkeit im Umweltbereich neu verteilen, so dass das „Waldsterben“ nicht mehr so stark berücksichtigt werden konnte wie vorher. Diese Nach-Thematisierungsphase lässt auf Grund der stark nachgelassenen Interaktionen der Akteure in der zweiten hier untersuchten Phase vermuten, dass es zwischen den Agenden nur noch schwache oder keine wechselseitigen Einflussbeziehungen gegeben hat. Tabelle 8.9: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianz für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 05/1986 - 12/1990 Agenda Arima Term Koeffizient R² Ökologiebewegung (1,0,0) AR(1) = .615** .354** (.11) Presse (1,0,0) AR(1) = .347** .106** (.13) 178 Parlament (0,0,0) - .000 Bevölkerung (2,3,0) AR(1)= -.176* (.1) AR(2)=-.363* (.1) .154* In den Klammern unter den Regressions-Koeffizienten stehen die dazugehörigen Standardfehler ** p < .01 * p < .05 An der Einschätzung der ökologischen Agenda hat sich im letzten untersuchten Zeitraum erneut etwas geändert. Es wurde ein AR(1)-Modell geschätzt, das 35,4 Prozent der eigenen Varianz erklären konnte. Die Eigendynamik ist gegenüber dem Zeitraum davor wiederholt gestiegen. Für die Presseagenda erweist sich ein AR(1)-Modell als beste Schätzung. Dieser Vormonatseinfluss kann jedoch nur 10,7 Prozent der Varianz erklären. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass die Eigendynamik zwar nicht besonders ausgeprägt ist, aber im Vergleich zur Hauptthematisierungsphase wieder eine Eigendynamik festzustellen ist. Obwohl das Thema in einer deutlichen Konkurrenz mit anderen Themen im Umweltbereich gestanden haben muss (s. o.), hat die Presse das „Waldsterben“ stringenter auf ihre Tagesordnung gesetzt. Das ist möglicherweise mit einem generell gestiegenen Umweltbewusstsein in der Gesellschaft und damit auch mit einem gestiegenen Problembewusstsein in diesem Bereich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zu erklären. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen folgerte in seinem Umweltgutachten hinsichtlich des Umweltbewusstseins in der Bundesrepublik 1987, „daß Umweltfragen für eine breite Öffentlichkeit inzwischen noch deutlicher in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt sind, und vor allem eine Vertiefung und Differenzierung umweltbezogenen Wissens stattgefunden hat“ (Sachverständigenrat für Umweltfragen 1988, 48). Das Parlament zeigt dagegen einen reinen Zufallsprozess ohne Struktur. Die Thematisierung im Bundestag erreichte demnach nicht mehr die Stringenz der Vorphasen; das Parlament hat somit das Thema nicht kontinuierlich, sondern sporadisch auf die Tagesordnung gesetzt. Eine Modellschätzung war deshalb nicht nötig. Die Bevölkerungsreihe musste dreimal differenziert werden, bevor sie stationär war. Danach wurde ein ARIMA(2,3,0)-Modell geschätzt.22 Wie auch auf den anderen Agenden hat die Erklärungskraft der eigenen Reihe für die erklärte Varianz der Reihe nachgelassen: Die Bevölkerungsstimmung kann „nur“ zu 15 Prozent durch die Stimmung ein und zwei Monate vorher erklärt werden. Insofern lässt auch in der Bevölkerung die Stringenz der Problemwahrnehmung in Bezug auf das Problem „Waldsterben“ nach. Tabelle 8.10: Transferfunktionskoeffizienten, totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse und Parlament 05/1986-12/1990 Abhängige Zeitreihe Unabhängige Zeitreihe Transfer- funktions- Koeffizient Std. Error Beta Totales R² Incremental R² 22 Das heißt, die aktuelle Themenpriorität hängt von der Themenpriorität der beiden vorhergehenden Monate ab. Die Bevölkerungsmeinung verfügt über zwei Speicher. 179 Presse Parlament .179** .072 t0 -.363* (.15) -.383 Parlament Presse .038 .038 t0 -.191 (.11) -.237 Ökologiebewegung Presse .424** .069 t-3 .353** (.13) .286** Parlament Bevölkerung t-3 -.559 (.4) -.200 .040 .020 ** p < .01 * p < .05 Zum Ende des Aufmerksamkeitszyklus kann die Presse noch mal einen Einfluss auf die Bewegung geltend machen, der nach drei Monaten wirksam wird. Der Anteil erklärter Varianz durch die Presseagenda liegt bei 7 Prozent. Im Unterschied zu der zweiten Phase stellt sich hier, wider Erwarten, ein Policy-Agenda-Setting-Effekt zwischen den öffentlichen Agenden ein. Auch das Verhältnis zwischen Presseagenda und Parlamentsagenda ist in Bezug auf Thematisierungshäufigkeiten durch gegenseitige Interaktion geprägt, die erneut zum lag 0 besteht. Die Korrelation zeigt allerdings einen negativen Wert und ist mit -.293 sehr schwach. Von gleichzeitiger Kausalität darf in diesem Fall jedoch nur bedingt gesprochen werden. So kann zwar das Parlament die Presseagenda signifikant inkrementell erklären (7,2 Prozent), die Thematisierungen der Presse sorgen in dieser Hinsicht für einen Erklärungszuwachs, der nur auf dem 10-Prozent-Niveau signifikant ist (3,9 Prozent). Zwischen Presse und Bevölkerung zeigt sich in der Kreuzkorrelation kein lag, der signifikant gewesen ist. Das heißt folglich: in dieser letzten Phase des Thematisierungsprozesses gibt es keinen Zusammenhang zwischen Presseberichterstattung und Bevölkerungsmeinung. In der Kreuzkorrelation zeigt sich ein signifikanter lag t-3. Danach hat die Bevölkerungsmeinung drei Monate später einen Einfluss auf die Debatte über das Thema „Waldsterben“ im Deutschen Bundestag. Dieser lag zeigte sich in der Transferfunktionsanalyse als nicht signifikant. Daher kann dieser Einfluss vernachlässigt werden. 180 Zusammenfassung der empirischen Befunde für den Zeitraum Mai 1986 bis Dezember 1990 Abbildung 8.19: Beziehung der Agenden zwischen Mai 1986 und Dezember 1990 In diesen letzten Phasen scheint sich die Annahme zu bestätigen, dass die Chancen für Medieneinflüsse in der Mode- und Konjunkturphase einer Themenkarriere wahrscheinlich größer sind als in der Latenz- oder Ermüdungsphase von Themen (Downs 1972). In dieser letzten Phase hat die Berichterstattung weder einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung noch einen Einfluss auf die Diskussion im Deutschen Bundestag. Es zeigt sich lediglich ein Policy-Agenda-Setting-Effekt der Presse auf die Ökologiebewegung: Dieser Einfluss der Presse fällt mit sieben Prozent erklärter Varianz jedoch nicht sonderlich hoch aus. Der festgestellte Effekt überrascht insofern, da in der zweiten Phase kein Zusammenhang festgestellt werden konnte. Demnach wären auch hier eher keine Effekte zu erwarten gewesen. Trotzdem bestätigen die Daten die These, dass der Entwicklungsstand eines Themas eine Wirkung auf den Agenda-Setting und Policy-Agenda-Setting-Prozess hat: In der Anfangsphase des Themas zeigten sich noch starke Interaktionen zwischen den Agenden. Je länger und je routinemäßiger aber über das „Waldsterben“ berichtet wurde, Parlament Ökologie- bewegung Massen- medien Bevölkerung7,2% 6% 181 desto geringere (in diesem Fall keine oder nur gleichzeitige) Effekte und desto weniger Interaktionen stellen sich ein. Zwischen der parlamentarischen Agenda und der Presseagenda zeigt sich erneut ein Zusammenhang zum lag 0. Allerdings zeigt sich in der Transferfunktionsanalyse, dass nur die parlamentarischen Handlungen die Berichterstattung zu 7,2 Prozent signifikant erklären können. Es empfiehlt sich, wie auch schon in den anderen Phasen, auf Grund der groben Zeitstruktur der Messungen, diesen Wert nicht als eindeutige Antwort auf die Frage nach einem Einfluss der Diskussion im Deutschen Bundestag auf die Presseberichterstattung zu werten. Hierzu wäre ein differenzierteres Längsschnittdesign mit näher beieinander liegenden Messzeitpunkten notwendig. Mit Daten, welche wochenweise erhoben würden, könnte dieser Wert weiter als gerichteter Einfluss spezifiziert werden. 8.6 Zusammenfassung Massenmedien und Agenda-Bildung: Waldsterben eine Themenkarriere in den 80er Jahren Ziel dieser ersten Analyse war es, die Funktion der publizistischen Massenmedien im Agenda-Bildung-Prozess näher zu beleuchten. Generell wurde von wechselseitigen Beeinflussungsprozessen zwischen Ökologiebewegung, Massenmedien, Bevölkerung sowie Diskussion im Deutschen Bundestag ausgegangen. Warum, wurde hinreichend erörtert und muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Gerade aber, wenn solche wechselseitigen Beeinflussungsprozesse möglich und erwartbar sind, ist es umso interessanter, genauer zu analysieren, ob in Abhängigkeit von bestimmten zeitlichen Abschnitten einer Themenkarriere gerichtete Einflüsse spezifiziert werden können. Nur so kann auch die Funktion der publizistischen Massenmedien für den Agenda-Bildungs- Prozess weiter aufgeschlüsselt werden. Dazu wurden im dritten Teil dieser Arbeit mehrere Effekte nuanciert: Zunächst fungieren die publizistischen Massenmedien annahmegemäß als Vermittler der Problemwahrnehmung anderer gesellschaftlicher Akteure. Wenn die Massenmedien Themen anderen Akteure aufgreifen und an die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger herantragen, haben sie einen klassischen Verstärkereffekt. Sollten sie die Problemsicht weniger artikulationsfähiger Interessen aufnehmen und dem politischen Entscheidungssystem anbieten, können wir von einem advokatorischen Effekt sprechen. In beiden Fällen müssten externe Akteure zunächst ihre Problemsicht in die massenmediale Berichterstattung lancieren (Agenda-Bildung in den Massenmedien), anschließend hätten die publizistischen Massenmedien einen Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die politischen Entscheidungsträger und vermutlich einen Agenda-Setting-Effekt auf die Bürger, welche ihrerseits den Druck auf die formelle Agenda des politischen Entscheidungssystems intensivieren würden. Sollten die Massenmedien unerwartete Ereignisse oder gesellschaftliche und politische Wandlungsprozesse aufgreifen und damit latente Akteure zur Themenbildung anregen, kann man von einem Auslösungseffekt sprechen. In diesem Fall hätte die massenmediale Berichterstattung zunächst einen Policy- Agenda-Setting-Effekt auf verschiedene Akteure im vorpolitischen Raum. Außerdem ist anzunehmen, dass die Journalisten als Initiatoren von Thematisierungen tätig werden und ihre selbst recherchierten Themen auf die Tagesordnung der politischen 182 Entscheidungsträger setzen, zum Beispiel in den Bereichen des investigativen Journalismus. Insoweit haben Medien einen Initiator-Effekt. Schlussendlich berichteten die Massenmedien selbstverständlich auch über die Aktivitäten des politischen Entscheidungssystems. Daher ergibt sich auch „Repräsentations-Effekt“: die politisch-thematischen Prioritäten der formellen Agenda werden in den Medien repräsentiert. Um einen solchen Effekt spezifizieren zu können, müssen Themenkarrieren über einen langen Zeitraum und in verschiedenen Zeitabschnitten untersucht werden. Um die Rolle der Massenmedien zu untersuchen, wurde der Thematisierungsprozess in Phasen eingeteilt: Nach dem Modell von Downs sind Themenkarrieren nicht zufällig und bedeutungslos, sondern zyklisch strukturiert und folgenreich für die Politikgestaltung. Daraus ergibt sich wiederum, dass diese Zyklen relevant für die Ausdeutung des Themas in der politischen Diskussion sind. Die Analyse von Aufmerksamkeitszyklen in verschiedenen Arenen kann einer präzisen Prozessrekonstruktion von Themenkarrieren in der Gesellschaft dienen. Die Themenkarriere „Waldsterben“ wurde deshalb nach Phasen unterteilt, die sich an den Aufmerksamkeitszyklus nach Downs (1972) anlehnten. Die deskriptive Analyse des Thematisierungsprozesses zeigte, dass das Thema auf allen vier Agenden einen Aufmerksamkeitszyklus durchlaufen hat. Schon diese rein beschreibende Analyse deutete darauf hin, dass es zwischen den Thematisierungsverläufen der Agenden Beziehungen gibt. In der Zeitreihenanalyse zeigten sich für den gesamten Zeitraum von 1980 bis 1990 wechselseitige Beziehungen zwischen den Agenden: Die Berichterstattung hat einen Agenda-Setting-Effekt und kann 8 Prozent der Problemwahrnehmung zu dem Thema „Waldsterben“ in der Bevölkerung erklären. Des Weiteren zeigten sich deutliche Policy- Agenda-Setting-Effekte der Massenmedien auf die Ökologiebewegung und auf die Diskussion im Deutschen Bundestag. Der Anteil zusätzlich erklärter Varianz durch die Presse liegt bei der Ökologiebewegung bei über 16 Prozent und bei den parlamentarischen Handlungen im Deutschen Bundestag immerhin bei 7 Prozent. Umgekehrt können die parlamentarische und die ökologische Agenda einen Teil der Presseberichterstattung zu dem Thema erklären: Die erklärte Varianz der Berichterstattung durch den Deutschen Bundestag beträgt 7 Prozent und durch die Ökologiebewegung 6,8 Prozent: Schließlich konnte die „öffentliche Meinung“ 10 Prozent Varianz der parlamentarischen Handlungen erklären. Der Bundestag reagiert also nachweislich responsiv auf die “öffentliche Meinung”. Wie zu erwarten, ist generell von einem System wechselseitiger Einflussbeziehungen zwischen Medienberichterstattung, politischen Entscheidungsträgern und der Bevölkerung auszugehen (Kapitel 3).23 Die bis dato gemachten Befunde konnten jedoch nicht eindeutig die Funktion der massenmedialen Berichterstattung im Agenda- Bildungs-Prozess klären. Der gesamte Zeitraum von 1980 bis 1990 wurde deshalb in drei Teilbereiche gegliedert, die sich an die Phasen des Aufmerksamkeitszyklus anlehnten. In der ersten Phase von Januar 1980 bis Oktober 1983, zeigte sich ein Thematisierungsverlauf im Sinne eines Verstärker-Effektes der massenmedialen Kommunikation auf die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger. Die Presseberichterstattung hat sowohl einen starken Policy-Agenda-Setting-Effekt auf die 23 Insofern stützen dieser Ergebnisse auf mesotheoretischer Ebene, Theorieansätze, welche auf eine systemische Interdependenz zwischen Massenmedien und Politik (Saxer 1981, Sarcinelli 1987, 213-222, Jarren 1988) oder in Richtung selbstreferentieller Schließung bei gleichwohl enger struktureller Kopplung beider Systems, weisen (Luhmann 1996, Marcinkwoski 1993). 183 Diskussion im Deutschen Bundestag als auch einen starken Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung. Die Berichterstattung kann die „öffentliche Meinung“ zu dem Thema zu 30 Prozent erklären und die Diskussion im Deutschen Bundestag zu 36 Prozent. Hierbei handelt es sich um gerichtete Effekte, d. h. die Presseberichterstattung kann zwar die Diskussion im Parlament und die „öffentliche Meinung“ erklären, diese haben aber keinen Einfluss auf die Berichterstattung zu dem Thema „Waldsterben“ in den Massenmedien. Die durch die Presseberichterstattung beeinflusste Bevölkerungsmeinung hat wiederum einen leichten Policy-Agenda-Bildungs-Effekt auf das Parlament. Die Bevölkerungsmeinung kann immerhin 6 Prozent der Varianz der parlamentarischen Diskussion zu dem Thema erklären. Die Massenmedien sind aber bei dem Thema offensichtlich nicht „Allein- Initiatoren“, denn die Ökologiebewegung kann fast 34 Prozent Varianz der Presseberichterstattung erklären. Umgekehrt hat die Presseberichterstattung einen Einfluss auf die Ökologiebewegung. Dieser wird jedoch durch die Höhe der zusätzlich erklärten Varianz (nur knapp acht Prozent) etwas relativiert. Dies passt mit den Befunden der deskriptiven Analyse zusammen. Das Thema „Waldsterben“ wurde demzufolge auf der Tagesordnung der Bewegungsorganisationen zuerst genannt, gelangte von dort in die Zeitungsberichterstattung und schließlich auf die Agenda des Deutschen Bundestages. In der zweiten Phase von November 1983 bis April 1986 deuten die Daten auf einen „Repräsentations-Effekt“ der publizistischen Massenmedien hin: Das Thema ist inzwischen auf der Agenda des Deutschen Bundestages etabliert und es wurden einige Gesetzesinitiativen ergriffen. Insofern wären Effekte der Diskussion im Parlament auf die Presseberichterstattung zu erwarten gewesen. Die Ergebnisse zeigen aber nur einen Zusammenhang innerhalb eines Monats. In diesem Zeitraum können die parlamentarischen Handlungen zu dem Thema 20 Prozent der Presseberichterstattung erklären. Die Berichterstattung kann wiederum 12 Prozent Varianz der Diskussion im Deutschen Bundestag erklären. Auf Grund der Zeitstruktur der Daten empfiehlt es sich aber, diese Werte nicht als eindeutige Antwort auf die Frage nach einem „Repräsentations-Effekt“ der publizistischen Massenmedien zu werten. Die Überprüfung eines solchen Effektes könnte möglicherweise auf Basis einer zeitlich disaggregierteren Untersuchung (möglicherweise Wochen) gelingen. Die Massenmedien haben in dieser Phase wieder einen deutlichen Agenda-Setting-Effekt auf die Bevölkerung. 28 Prozent der Problemwahrnehmung des Themas in der Bevölkerung kann durch die Berichterstattung erklärt werden. In der Endphase zwischen Mai 1986 und Dezember 1990 lassen die Interaktionen zwischen den Agenden nach. Es zeigt sich lediglich ein Policy-Agenda-Setting-Effekt der Berichterstattung auf die Ökologiebewegung, welcher 6 Prozent Varianz der Bewegungskommunikation zu dem Thema erklären kann. Zwischen der parlamentarischen und der massenmedialen Agenda zeigt sich dagegen wiederholt nur ein Zusammenhang innerhalb eines Monats. Die Daten deuten daraufhin, dass die Aktivitäten im Deutschen Bundestag 7,2 Prozent der Berichterstattung zu dem Thema „Waldsterben“ erklären können. Allerdings bleibt, wie bereits gesagt, diese Aussage auf Grund der Datenstruktur lediglich eine Vermutung. Zusammenfassend kann man auch bei einer zurückhaltenden Interpretation für das hier bearbeitete Thema „Waldsterben“ die Presse als intervenierende Kraft im Agenda-Bildung- Prozess bezeichnen. Sie hat in der ersten Phase des Thematisierungsprozesses eine Verstärkerfunktion, indem sie den Druck der Ökologiebewegung aufnimmt und an das 184 politische System weiterleitet. Der Medieneinfluss auf die Agenda politischer Entscheidungssysteme beruht also in diesem Fall auf der Interaktion mit der Ökologiebewegung. Ob auch für die Definition des Problems und die Thematisierung der konkreten Policy Optionen ähnliche Aussagen gemacht werden können, sollen die folgenden Kapitel zeigen. Die anschließende Analyse der Deutungsmuster und Policy Optionen soll klarstellen, inwiefern die Agenden bei der Deutung des Problems und bei der Thematisierung konkreter Lösungen Affinitäten aufweisen. Für das folgende Kapitel der Analyse der Deutungsmuster und der Policy Optionen schließen sich einige Fragen an: • Wie sehen die Interaktionen der Akteure hinsichtlich der Problemdefinitionen aus? Können die Massenmedien neben dem Thema auch die Deutungsmuster zu dem Thema im Deutschen Bundestag beeinflussen? • Verlaufen die Thematisierungsprozesse des Problems auf der einen Seite und der Lösungen zum Problem auf der anderen getrennt? Gibt es dort ähnliche Interaktionen zwischen den Agenden wie schon bei der Thematisierung des Problems? 185 9. Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen zu dem Problem „Waldsterben“ in der 80er Jahren in der Zeitungsberichterstattung, in der Ökologiebewegung und im Deutschen Bundestag Nachdem im letzten Kapitel geklärt wurde, wie der Thematisierungsprozess zum „Waldsterben“ verlief, widmen wir uns nun dem Deutungsmuster zu dem Problem. Folglich geht es in diesem Untersuchungsabschnitt um die Frage, wie das Problem „Waldsterben“ in den unterschiedlichen Arenen gedeutet wurde, auf welche Weise sich die Deutungsmuster verändert haben und welche Interaktionen zwischen den Arenen aufzufinden sind. Dabei muss im Folgenden auf die Bevölkerungsagenda verzichtet werden, weil dafür keine Attribute zum Thema „Waldsterben“ erhoben wurden. Eingeleitet wird das Kapitel mit einer Aufschlüsselung der Problemdimensionen und zwar Problemintensität, Problemursachen, Problemverursacher, Lösungsvorschläge, Adressaten und Policy- Optionen über 11 Jahre auf den drei Agenden, in der die einzelnen Deutungskomponenten im Vordergrund stehen. Um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten, erfolgt die Darstellung jahresweise. Diese deskriptive Analyse liefert eine Interpretationsfolie, vor der die Ergebnisse der nachfolgenden Strukturanalyse gelesen werden können, bei welchen es nicht mehr um die Veränderung von Häufigkeiten geht, sondern um die Veränderung von Deutungsstrukturen. Ohne eine Analyse der quantitativen Entwicklung der einzelnen Rahmungsmerkmale des Themas „Waldsterben“ bliebe die Strukturanalyse der Deutungsmuster auf den einzelnen Agenden im luftleeren Raum hängen. Im nächsten Schritt sollen die dominanten Deutungsmuster auf den Agenden der Ökologiebewegung, der Massenmedien und dem Deutschen Bundestag erarbeitet werden. Ein zentrales Ziel der Deutungsanalyse ist es, aus den erfassten Deutungskomponenten, welche die kleinsten Einheiten in der Deutung des Problems „Waldsterben“ darstellen, komplexere Deutungsstrukturen zu rekonstruieren. Die Grundüberlegung dabei lautet, dass verschiedene Dimensionen in der Regel zu einem Deutungsmuster gehören. Bei der Auswertung soll also ermittelt werden, welche Dimensionen besonders häufig gemeinsam auf den Agenden genannt werden. Dabei wird unter einem regelrechten Deutungsmuster eine systematische Ordnung der einzelnen Problemdimensionen verstanden, aus der sich eine „Causal Story“ ergibt. Die Beschreibung der Deutungen erfolgt auf bivariater und multivariater Analyseebene: Zuerst werden mit Hilfe des Pearsonschen Korrelationskoeffizienten einzelne Rahmungsvariablen in Beziehung gesetzt, etwa ob eine Ursache signifikant häufig mit einem Verursacher genannt wird. Diese 186 Korrelationsanalysen sind statisch, folglich beziehen sie sich auf einen Zeitabschnitt und vernachlässigen daher die Veränderungen im Zeitverlauf. In dieser Arbeit interessiert neben dem Deutungsmuster zu einem bestimmten Zeitpunkt aber auch die Veränderung im Zeitverlauf. Daher wird das Defizit der statischen Analyse dadurch behoben, dass der Zeitraum, wie schon in der Zeitreihenanalyse, in drei Abschnitte unterteilt wird: Die erste Phase reicht von Januar 1980 bis einschließlich Oktober 1983. Die zweite untersuchte Phase spiegelt hier die dritte und vierte Phase des Aufmerksamkeitszyklus wider. Sie reicht vom November 1983 bis zum April 1986. Die dritte, im Folgenden zu untersuchende Phase spiegelt die Nachproblem-Phase des Aufmerksamkeitszyklus wider. Sie erstreckt sich von Mai 1986 bis Dezember 1990 und umfasst 56 Messzeitpunkte. Die deskriptive und bivariate Analyse zeigt, dass sich die Deutungsmuster in der Zeitungsberichterstattung, in der Bewegungskommunikation und im Deutschen Bundestag insbesondere auf der Ebene der Verursacher verschoben haben. Die nun folgende Analyse konzentriert sich auf die Deutungsmuster zu den am häufigsten genannten Verursachern und fragt, mit welchen Deutungskomponenten sie verbunden wurden. Dazu werden, wo möglich, für die primär genannten Verursacher jeweils binäre logistische Modelle geschätzt. Diese Modelle erlauben es, die typischen Deutungsmuster zu bestimmten Verursachern auf den Agenden der Ökologiebewegung, der Massenmedien und im deutschen Bundestag zu beschreiben. LOGIT-Modelle erfordern einige Voraussetzungen, welche nicht in allen Zeiträumen erfüllt werden, so dass nicht für alle Perioden entsprechende Modelle spezifiziert werden. Das Verfahren wird an entsprechender Stelle ausführlich erläutert. Zum Abschluss dieser Analyse werden die Zusammenhänge und Einflussbeziehungen zwischen den Agenden bezüglich der Deutungsmuster sowie der Policy-Optionen analysiert. Wie erinnerlich, ergab sich aus den theoretischen Vorüberlegungen, dass die genannten Arenen nicht nur hinsichtlich des Themas, sondern auch in Bezug auf die Deutungsmuster interagieren. Sowohl die Forschung zur politischen Agenda-Bildung als auch die Literatur zur zweiten Ebene des „Agenda“- und „Policy-Agenda-Settings“ postulierten entsprechende Effekte zwischen massenmedialer und politischer Agenda (vgl. Teil 3 und 4). Deshalb wird mit Hilfe der „Cross-Lagged-Korrelationen“ die Richtung einer potenziellen Kausalbeziehung zwischen Massenmedien auf der einen Seite und Ökologiebewegung und Parlament auf der anderen Seite bestimmt. 187 9.2. Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen in der Ökologiebewegung Welche Deutungsmuster lassen sich nun zum Problem „Waldsterben“ rekonstruieren? Um diese Frage beantworten zu können, wurden insgesamt sechs Kategorien erhoben: Problem-Intensität, Problem-Ursache, Problem-Verursacher, allgemeine Lösungsvorschläge, Adressaten und Policy-Optionen. Wenden wir uns zuerst der Dimension „Problem-Intensität“ in der Ökologiebewegung zu. Abbildung 9.1: Dimension „Intensität“ auf der Agenda der Ökologiebewegung. Problem-Intensität Ökologiebewegungs-Agenda N=350 JAHR 19901989198819871986198519841983198219811980 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Intensität Zunahme S t i l lst and Rüc k gang k eine Nennung Die „Zunahme“ der Schäden spielt erwartungsgemäß auf der Ökologiebewegungsagenda eindeutig eine primäre Rolle bei der Beschreibung der Intensität. Ein „Rückgang“ oder „Stillstand“ der Schäden wurde gar nicht thematisiert. Das Niveau in der Thematisierung der Schadenszunahme schwankt zwischen 83 Prozent (1983) und 44 Prozent (1990) und lässt somit im Zeitverlauf insgesamt nach. Die Bewegungskommunikation wird also zum Ende des Untersuchungszeitraums stärker entproblematisiert. Insgesamt belegen die 188 Befunde aber, dass der Zugang zum Thema „Waldsterben“ in der Kommunikation der Bewegungsorganisationen von vornherein dramatisierend ist. Angesichts der Tatsache, dass die Dramatisierung eines Problems zum wesentlichen Deutungsmuster einer sozialen Bewegung gehört - denn nur so lässt sich öffentliche Aufmerksamkeit generieren - verwundert das Ergebnis nicht. Vor allem in den ersten beiden Phasen bis 1983 ist das Thema deutlich mit einer Dramatisierungskomponente verbunden. Diese Komponente bildet damit in der Mobilisierungsphase einen Schwerpunkt im Deutungsmuster der Bewegung. In den Phasen 3 und 4 (1984 bis etwa 1986) geht die Dramatisierung deutlich zurück. Es scheint, als ob die Ökologiebewegung mehr Gewicht auf andere Problemaspekte legt, nachdem sich das Thema etabliert hat. Annahmegemäß lässt die Dramatisierung in der Hauptthematisierungsphase nach, weil das Problem bereits politisch anerkannt ist und auf der Tagesordnung des deutschen Bundestages steht. Die Dramatisierung des Problems nimmt jedoch erneut zu, als die Problemthematisierung insgesamt deutlich nachlässt. Demnach haben die Bewegungsorganisationen scheinbar versucht, das „Waldsterben“ durch eine erneute Dramatisierung verstärkt in die öffentliche Diskussion zu bringen. Im Folgenden wenden wir uns den Problemursachen zu. Abbildung 9.2: Dimension „Ursache“ auf der Agenda der Ökologiebewegung Problem -Urs achen Ökologiebewegungs -Agenda N =3 50 JA HR 1990198919 8819 87198 6198519 84198 3198 219811980 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Ursachen Ex t r em - K l im a M ik r oo r g an i sm en / P i l z e / Wi ld / K ä f e r L u f t v e r sc h m u t z u ng S a ur e N ied e r sc h läge B o denb e last ung Fo r st l i c he M aßn ahm en Zur Erinnerung: Ein wesentlicher Bestandteil politischer Deutungsmuster ist die Ursachendimension. Wenn ein Problem öffentlich definiert wird, muss darüber hinaus eine Ursache für das Problem etikettiert werden. Denn die Definition eines Problems macht nur Sinn, wenn die kritisierten Missstände auf bestimmte und möglichst wenige Ursachen zurückzuführen sind. In der ersten Phase ist der Diskussionsprozess in der Bewegungskommunikation noch sehr heterogen: Die Attribute „Saure Niederschläge“, „Bodenbelastung“, „Forstliche Maßnahmen“ und „Extrem-Klima“ konkurrieren bis 1983 miteinander. Ab der zweiten Phase ist eine Intensivierung der Beschäftigung mit der „Luftverschmutzung“ als Ursache für das „Waldsterben“ in den Bewegungsorganisationen festzustellen, welche sich ab 1983 als Primärursache in der Bewegungskommunikation durchsetzt. Bis zum Schluss des Beobachtungszeitraumes wird das Problem „Waldsterben“ fast ausschließlich auf die „Luftverschmutzung“ zurückgeführt. Auffällig in Tabelle 9.3 ist 189 noch der kontinuierliche Anstieg der Ursachen „Mikroorganismen/Pilze/Wild/Käfer“ ab 1983 bis 1988, welcher aber auf einem relativ geringen Niveau verbleibt. Offensichtlich wird in der Bewegungskommunikation das „Waldsterben“ auch auf natürliche Faktoren zurückgeführt, auch wenn diese Attributierung nur wenig Aufmerksamkeit erlangen kann. Widmen wir uns nun der Verursacherdiskussion in der Ökologiebewegung. Eine wesentliche Deutungsdimension besagt, dass ein Zutritt zur politischen Agenda davon abhängt, ob eine Ursache auf einen Verursacher zurückgeführt werden kann. Es muss eine „Kausalgeschichte“ konstruiert werden, welche für eine Ursache, einen möglichen Verursacher identifiziert und diesen für die Missstände verantwortlich macht. Welches Bild zeigt nun die Diskussion um mögliche Verursacher in der Ökologiebewegung? Um diese Frage zu beantworten, wurden unter der Kategorie Verursacher sechs verschiedene Deutungsdimensionen erfasst. Die „Industrie“, die „Kraftwerksbetreiber“, der „Schadstoffimport“ aus anderen Staaten, der „Verkehr“, die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Gesellschaft“. Von den genannten Dimensionen scheint nur die „Industrie“ erklärungsbedürftig: Unter diese Dimension fallen mit Ausnahme der Kraftwerksbetreiber alle Industriezweige, z. B. die chemische oder petrochemische Industrie, die Schwerindustrie, der Bergbau usw.: Abbildung 9.3: Dimension „Verursacher“ auf der Agenda der Ökologiebewegung Problem -Verurs acher Ökologiebewegungs -Agenda N =350 JA HR 199 0198 9198 8198 7198 6198 519 84198 319 82198 119 80 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 V erursacher Fo r st - / La ndw i r t - sc ha f t Ve r k eh r Gese l l sc h a f t Ind ust r i e S c had st o f f im po r t K r a f t w e r k e Wie die Abbildung 9.4 zeigt, ergibt sich betreffs der Kausalattribution in der Ökologiebewegung folgendes Bild: 1980 ist die „Forst- und Landwirtschaft“ als primärer Verursacher genannt. Dies könnte dadurch begründet sein, dass der BUND als Vertreter des klassischen Umweltschutzes die Thematisierung in den ersten beiden Jahren allein bestimmte. Die Ziele und Programmatiken des BUND liegen vor allem im Bereich des klassischen Umweltschutzes: Der BUND will sich um den Schutz verbleibender Naturlandschaften, um die Ausgeglichenheit der Kulturlandschaft sowie um die Tier- und Pflanzenpflege kümmern. In diesem Zusammenhang gerät der BUND oft in Konflikt mit Land- und Forstwirtschaft (Leonhardt 1986, 150). Schon 1981 ändert sich das Deutungsmuster. In diesem Jahr ist die „Industrie“ zum ersten und einzigen Male primärer 190 Verursacher. In der ersten Phase zeigt sich somit eine starke Konkurrenz zwischen den Verursacherdeutungen. In der zweiten Phase ab 1982 übernehmen diesen Status die „Kraftwerke“. In diesem Jahr beschäftigt sich auch der BBU zum ersten Mal mit dem „Waldsterben“. Dass die Kraftwerke auf der Bewegungsagenda hier am häufigsten genannt werden, überrascht nicht. Die Ökologiebewegung rekrutiert sich - wie geschildert - zu einem großen Teil aus der Anti-Atomkraft-Bewegung (Leonhardt 1986, 142). Schon vor der Problematisierung des „Waldsterbens“ hat sich in der Ökologiebewegung ein Deutungsmuster etabliert, das die Kraftwerke und ihre Betreiber als Verursacher für viele Probleme darstellt. So waren die Energieversorgungsunternehmen mitverantwortlich für Atomkraftwerke, die offene Entsorgungsfrage von Atommüll, für eine generelle Umweltverschmutzung durch Schadstoffausstoß der Kraftwerke und für die Errichtung der sog. „Stromkartelle“. In der dritten Phase hat dieses Deutungsmuster weitgehend Bestand, jedoch erlangt der Verursacher „Verkehr“ immer größere Aufmerksamkeit. Einen Wechsel in der Kausalzuweisung gibt es erst wieder in der vierten Phase ab 1985, denn der „Verkehr“ erlangt die größte Aufmerksamkeit. Zu dieser Zeit gibt es eine große öffentliche Diskussion um ein „Tempolimit“ und das „schadstoffarme“ Auto. Dieses Deutungsmuster hat bis zum Ende der Thematisierung weitestgehend Bestand. Einen interessanten Befund liefern die Ergebnisse des Jahres 1988. Hier wird der „Verkehr“ von „Industrie“ und „Kraftwerken“ erneut abgelöst, es zeigt sich demnach, dass der Deutungsprozess in den Bewegungsorganisationen wieder etwas variabler wird. Im Jahr 1989 erlangt der Verursacher „Verkehr“ allerdings den höchsten relativen Anteil insgesamt. Im gleichen Jahr wird auch der Verursacher „Gesellschaft“ relativ häufig genannt. Dies weist auf den kulturorientierten Bewegungsteil hin, welcher auf die Veränderung im sozio-kulturellen Bereich ausgerichtet ist. Abbildung 9.4: Dimension „Folgen“ auf der Agenda der Ökologiebewegung Problem-Folgen Ökologiebewegungs-Agenda N=350 JAHR 19901989198819871986198519841983198219811980 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Folgen in Bereichen Ök ologie Ök onom ie/ A r bei t S oz iales/ K ul t ur Die Ökologiebewegung beschäftigt sich in den ersten vier Phasen bis 1986, wie zu erwarten war, überwiegend mit den „ökologischen Folgen“ des „Waldsterbens“. Den „ökonomischen Folgen“ wird nur 1981 eine relativ hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Bemerkenswert ist der tendenziöse Anstieg 191 der „soziokulturellen Folgen“ vom Ende der zweiten Phase bis in die Endphase hinein. In der Endphase des Zyklus nimmt dieser Bereich eine prägnantere Rolle ein. Eine Konkurrenz der Dimensionsaspekte findet im Grunde nur in der Endphase statt. Möglicherweise handelt es sich hier um den Versuch einer erneuten Mobilisierung, da der sozio-kulturelle Lebensbereich neben dem ökologischen eher in das Deutungskonzept der Bewegung passt, als die Beschäftigung mit wirtschaftlichen Problemen. Abbildung 9.5: Dimension „Allgemeine Lösungsvorschläge“ auf der Agenda der Ökologiebewegung Problem-Lösungsvorschläge Ökologiebewegungs-Agenda N=350 JAHR 19901989198819871986198519841983198219811980 Pr oz en t d er F äl le 60 50 40 30 20 10 0 Lösungsvorschläge Ver k ehr Ener gie Inf or mat ion Luf t r einhal t ung Waldsc hut z / - pf lege For sc hung Die Entwicklung von Lösungsvorschlägen gehört zu einem wesentlichen Bestandteil des „Framing“-Prozesses von Bewegungsorganisationen. Denn Probleme werden öffentlich definiert, um auf eine Lösung des Problems zu drängen. Diese Lösungsvorschläge und Forderungen der Ökologiebewegung werden überwiegend von drei Bereichen geprägt: „Schutz und Pflege des Waldes“, „Luftreinhaltung“ und „Information“. In der ersten Phase steht eindeutig die Forderung nach mehr „Pflege und Schutz des Waldes“ im Vordergrund. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss der Programmatik des BUND. Aber schon 1982 wird dieses Deutungsmuster abgelöst durch die „Luftreinhaltung“ und die „informativen Maßnahmen“. Das kann dadurch begründet sein, dass ab 1982 v. a. der BBU in die Thematisierung eingreift und somit der Lösungsdiskussion seinen programmatischen Stempel aufdrückt. Gerade der Bereich „Informative Maßnahmen“ deutet auf das Ziel einer stärkeren Mobilisierung in der Bewegung. Diese Annahme wird durch die relativ starke 192 Thematisierung des Bereiches „Energie“ 1982 bestätigt. In der dritten und vierten Phase liegen die Präferenzen in den Bereichen „Luftreinhaltung“, „Informative Maßnahmen“ und „Verkehr“. Dies dauert bis in die Endphase der Thematisierung (etwa 1987). Ab 1988 stehen vor allem die Forderung nach Pflege und Schutz des Waldes erneut im Vordergrund. Die generelle Forderung nach Ausweitung der „Forschung“ spielt eine nicht unwichtige, aber zu keinem Zeitpunkt dominierende Rolle. Nur 1989 liegt dieser Bereich mit der Luftreinhaltung und mit Schutz und Pflege des Waldes gleich auf. Abbildung 9.6: Dimension „Adressaten“ auf der Agenda der Ökologiebewegung Adres s aten Ökologiebewegungs -Agenda N =3 50 JA HR 19 90198 919 88198 719 86198 519 8419 8319 82198 119 80 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 A d ressaten Indu st r i e K r a f t w e r k e Wissensc ha f t U m w e l t bew eg ung P o l i t i k / S t aa t / Ve r w a l t ung Fo r st - / La ndw i r t - sc ha f t Ge se l l sc h a f t Grundbedingung für die Tatsache, dass ein gesellschaftliches Problem in den Bereich der politischen Steuerung fällt und damit zu einem politischen Problem wird, ist die Adressierung an den Staat. Wie bei der Analyse der Dimensionen schon angedeutet, wird das Problem „Waldsterben“ von der Bewegung eindeutig an den „Staat“ adressiert. Somit wird in erster Linie vom politischen System eine Lösung für das gesellschaftlich definierte Problem „Waldsterben“ erwartet (Gerhards 1992, 312). Alles andere wäre auch höchst unplausibel, denn gerade Bewegungsorganisationen wollen ja aufzeigen, dass die Akteure des politischen Entscheidungssystems von sich aus nicht bereit sind, das Problem auf ihre Tagesordnung zu setzen. Nur dadurch legitimieren sie sich als öffentliche Akteure im politischen Agenda-Bildungs-Prozess. Die Diskreditierung der Akteure des politischen Systems ist dementsprechend eine bedeutende Deutungsstrategie sozialer Bewegungen. Auch die Gesellschaft als Problemlösungsinstanz erlangt während des gesamten Beobachtungszeitraumes in der Bewegungskommunikation einen relativ hohen 193 Aufmerksamkeitswert, vor allem in der zweiten Phase sowie in der Endphase. Hier spiegelt sich das sozio-kulturelle Selbstverständnis der Ökologiebewegung wider. Auch adressiert die Ökologiebewegung das Problem ab der zweiten Phase öfter an sich selbst. Dies deutet auf einen Mobilisierungsprozess der eigenen Anhänger hin. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass ab 1982 der Vertreter des politischen Umweltschutzes, der BBU, sich der Thematisierung des „Waldsterbens“ annimmt. In der ersten Phase hingegen wird das Problem zusätzlich stärker der „Forst- und Landwirtschaft“ zugewiesen. In dieser Phase ist in der Ökologiebewegung die Thematisierung ausschließlich vom Vertreter des klassischen Umweltschutzes, dem BUND, geprägt worden. Wie bereits gesagt, gerät der BUND durch diese „klassische“ Programmatik öfter mit der Forst- und Landwirtschaft in Konflikt. Diese Ergebnisse stellen aus diesen Gesichtspunkten heraus keine Überraschung dar. Eine Konkurrenz auf der Adressatendimension spielt somit in der Ökologiebewegung eine stark untergeordnete Rolle. Die Analyse der Thematisierung der verschiedenen konkretisierten Lösungsoptionen ist komplexer als die einzelnen Dimensionen der Deutungsmuster. Dies zeigt sich in einer großen Konkurrenz der Policy-Optionen auf allen drei Agenden. Abbildung 9.7: Dimension „Policy-Optionen“ auf der Agenda der Ökologiebewegung Policy-Options Ökologie-Agenda N =350 JA HR 19 9019 8919 88198 7198 6198519841983198219 8119 80 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Po licy-Op t io ns Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k Ind ust r i e Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k K r a f t w e r k e Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k Ve r k eh r Ve r k eh r spo l i t i k In f o r m a t i onspo l i t i k Tem po l im i t Ene r g iepo l i t i k Fo r st p o l i t i k Fo r sc h ungspo l i t i k In der Bewegungskommunikation zeigt sich demnach ein sehr ausgeprägter Diskussionsprozess um die konkreten administrativen Maßnahmen: So wird die Diskussion in der ersten Phase vor allem von der „Forstpolitik“, der „Forschungs- und der Energiepolitik“ beherrscht. In der zweiten Phase ab 1982 wird die Diskussion klar von der Luftreinhaltepolitik „Industrie“ und „Kraftwerke“ dominiert. Dieser Prozess dauert bis zur dritten Phase, dann stößt die stärker gewordene Thematisierung der Optionen im Bereich Luftreinhaltung „Verkehr“ und „Tempolimit“ hinzu. Die Policy Option „Tempolimit“ dominiert zusammen mit den Optionen Luftreinhaltung „Verkehr“ und Luftreinhaltung „Kraftwerke“ die vierte Phase. In der Endphase zeigt sich erneut ein äußerst heterogener Prozess. Die „Informationspolitik“ wird im Grunde kontinuierlich diskutiert und besitzt in der ersten Phase der Thematisierung ein etwas stärkeres Gewicht. Dies liegt nahe, da sich ja 194 schon bei der Analyse der allgemeinen Lösungsvorschläge eine starke Thematisierung des Bereiches „Information“ zeigte. * Bisher wurden die Deutungsmuster in der Weise analysiert, dass die einzelnen Dimensionen unabhängig von anderen Rahmungsmerkmalen betrachtet wurden. Am Anfang der empirischen Analyse wurde aber betont, dass die verschiedenen Dimensionen eines Deutungsmusters zu einem Frame integriert werden. Ein Deutungsmuster macht nur Sinn, wenn die einzelnen Dimension aufeinander bezogen sind. Es ist daher anzunehmen, dass die verschiedenen Dimensionen nicht unabhängig voneinander entwickelt wurden. Unter einem Deutungsmuster wird die Verknüpfung des Themas „Waldsterben“ mit verschiedenen Rahmungsmerkmalen verstanden. Hierbei wurde insbesondere auf Problemursachen, Verursacher, die Formulierung von Lösungsvorschlägen und Policy- Optionen sowie die Bestimmung von Forderungsadressaten, welche die Lösungen umsetzen, verwiesen. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich zunächst auf den Zusammenhang von einzelnen Bedeutungsdimensionen. Dabei werden auf Grund der Übersichtlichkeit - und um die Arbeit nicht zu überfrachten - nicht alle möglichen Beziehungen zwischen verschiedenen Attributen behandelt, sondern nur die wesentlichen. Dies sind die Attribute „Ursache“, „Verursacher“, „Adressaten“ und „Policy-Optionen“. Ein zentrales Argument in der politischen Deutungsmusteranalyse besagt, dass ein Zutritt zur politischen Agenda nur gewährleistet ist, wenn eine Ursache auf einen Verursacher zurückzuführen ist. Es geht folglich darum, einen problematisierten Zustand nicht als Schicksal oder Unfall erscheinen zu lassen (Stone 1988 und 1989). In diesem Sinne ist ein wichtiger Bestandteil der Deutungsmuster die Identifizierung eines Verursachers, welcher für die Ursache verantwortlich gemacht werden kann. Im Folgenden wird zunächst ermittelt, welche Verursacherzuschreibung sich in der Bewegungskommunikation empirisch auffinden lässt. Dazu bedient sich die folgende Analyse zunächst eines bivariaten Analyseverfahrens. Mit Hilfe des Pearson Korrelationskoeffizienten werden Zusammenhänge zwischen der Nennung einer Ursache und der Nennung eines Verursachers geprüft. Der Pearson Korrelationskoeffizient schätzt die Stärke der linearen Abhängigkeit zweier Variablen. Die Linearitätsannahme besagt dabei, dass die Werte einer Variablen linear ansteigen bzw. absteigen, wenn die Werte der anderen Variablen größer bzw. kleiner werden. Dies entspricht der Überlegung, dass, wenn eine Ursache - wie etwa die Luftverschmutzung - linear mit einem Verursacher - etwa Kraftwerksbetreiber - steigt, ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Nennung der Luftverschmutzung und des Verursachers „Kraftwerksbetreiber“ besteht. Die folgende Tabelle zeigt den Zusammenhang zwischen den 7 Problemverursachern und den Problemursachen in der Berichterstattung vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Oktober 1983, also dem ersten Untersuchungszeitraum. Insgesamt gehen 67 Fälle in die Analyse ein. Die ursprünglich sechs Ausprägungen der Ursachenvariablen sind zum Zweck der Korrelationsanalyse in fünf dichotom kodierte Variablen transformiert worden. Die Luftverschmutzung und der saure Niederschlag werden zur Problemursache „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ 195 zusammengefasst.24 Die anderen Kategorien blieben in der ursprünglichen Fassung erhalten. Tabelle 9.1: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern: Pearson Corr in der Bewegungsarena vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 (N = 67) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saure Niederschläge .168* .394** Saure Niederschläge . Bodenbelastung .275* Extrem Klima .485** Mikroorganismen .485** Forstliche Maßnahmen .762*** * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Die Tabelle 9.1 gibt eine Reihe von Aufschlüssen: Die „Luftverschmutzung/Saurer Regen“ werden in dieser Phase einzig signifikant häufig auf die „Kraftwerksbetreiber“ und die Industrie zurückgeführt. Die „Bodenbelastung“, d. h. die Schäden des Waldes durch Schadstoffe, Salz oder Düngemethoden, wird konsequent durch die „Forst- und Landwirtschaft“ erklärt. Das Gleiche gilt für Maßnahmen wie „Monokulturen“ oder „Kahlschlag“, welche unter die Kategorie „Forstliche Maßnahmen“ gefasst sind. Was sich schon in der deskriptiven Analyse abzeichnete, wird durch die Korrelationsanalyse bestätigt: In diesen Thematisierungsphasen werden offensichtlich insbesondere die „Industrie“, die „Kraftwerksbetreiber“ und die „Forst- und Landwirtschaft“ als primäre Verursacher genannt und in Verbindung mit einer Ursache gebracht. Dies ist, wie oben bereits beschrieben, durchaus plausibel vor dem Hintergrund, dass einerseits der BUND in dieser ersten Phase deutlich dominierte und auf seiner Agenda vor allem den klassischen Umweltschutz stehen hatte. Andererseits greift der BBU ab 1982 verstärkt in den Mobilisierungsprozess ein und dieser rekrutiert sich bekanntlich zum großen Teil aus der Anti-Atomkraft-Bewegung. Dass die „Gesellschaft“ für die „natürlichen Ursachen“ verantwortlich gemacht wird, überrascht zunächst, aber wenn man bedenkt, dass diese Faktoren im allgemeinen Zusammenhang mit der Klimaveränderung diskutiert wurden, welche auch im Kontext gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen - etwa höhere Industrialisierung - behandelt wurden, sind die Ergebnisse durchaus verständlich: Zumal unter der Verursacherdimension „Gesellschaft“ hier „gesellschaftliche Gruppen“ sowie die „Gesamtgesellschaft“ codiert wurden. Als nächste Strukturidentifizierung widmen wir uns dem Zusammenhang zwischen der Nennung von Ursachen und Verursacher in der zweiten Phase vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. 24 Die beiden Ursachen wurden häufig zusammen genannt und korrelierten entsprechend stark. Daher lässt sich das Vorgehen statisch und inhaltlich begründen: Bei Korrelationsanalysen sollten die Variablen annähernd normal verteilt sein. Offensichtlich wird in der hier behandelten Kommunikation über das Waldsterben zwischen Luftverschmutzung und Saurem Niederschlag kein großer Unterschied gemacht. 196 Tabelle 9.2: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern vom 1. November 1983 bis 31. April 1986: Pearson Corr in der Bewegungsarena (N = 199). Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saurer Niederschlag .195** .162** .353*** .247*** Bodenbelastung .206** Extrem Klima Mikroorganismen .252** -.145* Forstliche Maßnahmen .295** .498** * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Das bemerkenswerte Ergebnis dieser Darstellung besteht ohne Zweifel darin, dass sich die Verursacherdeutung stark differenziert hat: Wurden in der ersten Phase nur die „Kraftwerke“ und die „Industrie“ signifikant häufig für die „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“ verantwortlich gemacht, so treten in dieser Phase der „Verkehr“ sowie die „Schadstoffimporte“ dazu. Folglich hat sich in den Bewegungsorganisationen ein neues Deutungsmuster etabliert. Insofern gewinnt die Frage nach den Zusammenhängen mit der massenmedialen Arena umso größere Bedeutung. Dieser Aspekt wird aus diesem Grund im Kapitel 10 aufgegriffen. Die „Forst- und Landwirtschaft“ wird in dieser Phase signifikant oft im Zusammenhang mit den Ursachen „Bodenbelastung“, „forstliche Maßnahmen“ und „Mikroorganismen“ genannt. Vor allem der zuletzt genannte Punkt erscheint erklärungsbedürftig: Unter der Kategorie „Mikroorganismen“ wurden, wie angesprochen, Viren, Bakterien, Fäulepilze, Insekten etc. kodiert. Diese Ursachen wurden in der Diskussion, auch im Zusammenhang mit falschem Anbau in der Landwirtschaft, sowie in der Gartenbewirtschaftung diskutiert. Insofern ist auch die signifikante Korrelation zwischen „Gesellschaft“ als Problemverursacher und „forstliche Maßnahme“ als Ursache verständlich, da unter der Kategorie „Gesellschaft“ auch Kleingärtner erfasst wurden. Tabelle 9.3 gibt den Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern in der letzten Phase vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990 wider. Tabelle 9.3: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990: Pearson Corr in der Bewegungsarena (N = 84). Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Sauer Niederschlag .459*** Bodenbelastung .491*** Extrem Klima 197 Mikroorganismen .263* Forstliche Maßnahmen .436*** * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Tabelle 9.3 macht auch bei zurückhaltender Interpretation deutlich, was sich schon bei der deskriptiven Analyse abzeichnet. Der „Verkehr“ wird in der letzten Phase in der Ökologiebewegung wieder oft im Kontext „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ genannt. Die Verursacher „Industrie“, „Kraftwerke“ und „Schadstoffimport“ treten im Zusammenhang mit „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ hingegen in den Hintergrund. Daneben wird die „Forst- und Landwirtschaft“ als Verursacher der „Bodenbelastung“ wieder mehr in den Mittelpunkt der Deutung gestellt. Wie auch in den anderen Phasen wird die „Gesellschaft“ im Zusammenhang mit den „forstlichen Maßnahmen“ häufig thematisiert. Insgesamt ist eine Verschiebung der Deutungsmuster in Bezug auf Kausal-Attributierung in der Bewegungskommunikation deutlich geworden. Ob das auch für den Zusammenhang zwischen der Nennung von Problemverursachern und den Adressaten von Forderungen gilt, wird nachstehend betrachtet. Die Identifizierung der Verursacher und Verantwortlichkeit eröffnet verschiedene Deutungsmöglichkeiten. Tabelle 9.4 zeigt den Zusammenhang zwischen Verursacher und Adressierung für die Bewegungsagenda vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Oktober 1983. Tabelle 9.4: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressaten in der Bewegungsarena vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983: Pearson Corr in der Bewegungsarena (N = 67) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat .382** .281* -.327** Industrie Forst- und Landwirtschaft .250* .326** Kraftwerk .315** Gesellschaft .241* Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Die Betrachtung der statistischen Zusammenhänge zeigt eine grundsätzliche Richtung in der Ökologiebewegung an. Der „Staat“ wird insbesondere in die Verantwortung genommen. Inhaltlich stehen in dieser Phase die „Kraftwerksbetreiber“ aber auch die „Industrie“ im Mittelpunkt der Deutung, wie es zu erwarten war. Ansonsten kann man sagen, dass die Ökologiebewegung das „Verursacherprinzip“ pflegt. Dort, wo ein Verursacher ausgemacht wird, ergeben sich auch Anforderungen an ihn, für die 198 Problemlösung verantwortlich zu sein. Auffällig ist auch der negative Zusammenhang zwischen der „Gesellschaft“ als Problemverursacher und die Forderung nach staatlicher Steuerung. Hierbei ist zu bedenken, dass soziale Bewegungen nicht immer auf den Adressaten „Staat“ und seinen Entscheidungsprozess abzielen, sondern auch die individuelle Verhaltensänderung von Menschen herbeiführen wollen. In der Literatur wird dabei, wie bereits gesagt, vom „kulturorientierten“ Teil einer Bewegung gesprochen. Diese Verhaltensänderung soll nicht etwa durch staatlichen Zwang erreicht werden, sondern vielmehr durch eine „Alternative Lebenspraxis“. Vor diesem Hintergrund ist der negative Zusammenhang zwischen dem Verursacher „Gesellschaft“ und die Einforderung einer staatlichen Steuerung höchst plausibel. Auch in dem statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Verursacher „Industrie“ und dem Bearbeiter „Gesellschaft“ kommt das Selbstverständnis der sozialen Bewegung zum Ausdruck: Die Problembearbeitung soll nicht nur der staatlichen Steuerung überlassen werden, sondern die „Gesellschaft“ soll sich als Gesamtes aktiv an dem Protest gegen die Industrie beteiligen. Die folgende Tabelle 9.5 gibt Aufschluss über den Zusammenhang zwischen der Nennung von möglichen Adressaten und Verursachern in der zweiten Phase vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. Wie haben sich die Deutungsmuster in der Bewegungskommunikation verschoben? Tabelle 9.5: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten in der Bewegungsarena vom 1. November 1983 bis 31. April 1986: Pearson Corr in der Bewegungsarena (N = 199) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat Industrie Forst- und Landwirtschaft .435*** -.172* Kraftwerk .274*** Gesellschaft .169* .287*** Wissenschaften Umweltbewegung -.168* * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Auch dieses Ergebnis ist bemerkenswert: Der Staat als Problembearbeiter spielt im Zusammenhang mit der Nennung von Verursachern gar keine Rolle mehr. Dies bedeutet nicht etwa, dass der Staat in seiner Rolle als Problembearbeiter aus der Verantwortung genommen wird, sondern dass er nicht signifikant häufig mit einem Verursacher genannt wird. Vielmehr wird entweder das „Verursacherprinzip“ gepflegt oder die „Gesellschaft“ selber wird aufgefordert, sich um die Problembearbeitung zu kümmern - dies vor allem im 199 Bereich „Verkehr“. Vor dem Hintergrund, dass in diesem Zeitraum das „Tempolimit“ sowie die steuerliche Befreiung von Automobilen mit Katalysator in der öffentlichen Diskussion stehen, ist das Ergebnis mehr als verständlich. Neben dem „Verkehr“ bilden augenscheinlich, wie auch in der letzten Phase, die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Kraftwerksbetreiber“ einen Aufmerksamkeitsschwerpunkt in der Bewegungskommunikation. Diese Problemverursacher werden oft mit sich selbst als Adressaten thematisiert. Die tabellarische Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressaten in den Mitgliederzeitschriften der Bewegungsorganisationen vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990 muss an dieser Stelle entfallen. Auf Grund der geringen Fallzahl von lediglich 84 Nennungen konnten keine signifikanten Zusammenhänge spezifiziert werden. Als letzte Strukturidentifizierung betrachten wir den Zusammenhang zwischen Adressaten und Policy-Optionen in der Bewegungskommunikation. Die nachstehende Tabelle 9.6 spiegelt den ersten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 wider. Tabelle 9.6: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983: Pearson Corr in den Massenmedien (N = 67) Policy-Optionen Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat .350** .469*** .301* .313** .276* Industrie Forst- und Landwirtschaft Kraftwerk .363** .293* Gesellschaft Wissenschaften Umweltbewegung .432*** * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 200 Wie zu erwarten, wird für die Umsetzung der Policy-Optionen primär der Staat in die Verantwortung genommen. Inhaltlich stehen dabei gesetzliche Maßnahmen in der Luftreinhaltungspolitik, in den Bereichen „Industrie“ und „Kraftwerke“, „Energiepolitik“ sowie die „Forstpolitik“ im Vordergrund. Wie schon erwähnt, spiegeln diese überzufälligen Zusammenhänge zwischen Policy-Optionen und dem „Staat/Politik“ als Adressaten die bisher gemachten Befunde wider: Die Deutungsmuster in der Bewegungskommunikation konzentrieren sich in dieser Phase offensichtlich auf die „Industrie“ und die „Kraftwerksbetreiber“ als Verursacher für die „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“ sowie die „Forst- und Landwirtschaft“ als Verursacher für die „Bodenbelastung“, welche das „Waldsterben“ produzieren. Insofern sind auch die Aufmerksamkeitsschwerpunkte der Bewegungsorganisationen auf konkrete staatliche Maßnahmen in diesem Bereich konzentriert. Dass in dieser Phase die „Kraftwerksbetreiber“ deutlich im Mittelpunkt der Kritik im Zusammenhang mit dem „Waldsterben“ stehen, verdeutlicht auch der überzufällige Zusammenhang zwischen den „Kraftwerksbetreibern“ und der Thematisierung der Policy-Optionen „Luftreinhaltung Kraftwerke“ und „Energiepolitik“. Die Bewegungsorganisationen sehen, so könnte die Botschaft sein, nicht nur den „Staat“, sondern auch die „Kraftwerksbetreiber“ in der Pflicht, gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf die Luftreinhaltung umzusetzen. Einen weiteren Schwerpunkt der Bewegungskommunikation bildet im Zusammenhang mit dem „Staat/der Politik“ als Adressaten die „Forschungspolitik“. Insofern fordert die Ökologiebewegung augenscheinlich vom Staat wissenschaftliche Begleitforschung bezüglich des Problems „Waldsterben“. Auffällig ist auch der überzufällige Zusammenhang zwischen der „Informationspolitik“ und der „Ökologiebewegung“ als Adressat. Unter Informationspolitik wurden unter anderem Aufklärungskampagnen und Öffentlichkeitsarbeit kodiert. Dieser Zusammenhang verweist folglich auf eine stärkere Mobilisierung innerhalb der Ökologiebewegung in diesen Phasen. Die folgende Tabelle 9.7 gibt den Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 wider. Tabelle 9.7: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. November 1983 bis 31. April 1986: Pearson Corr in den Massenmedien (N = 199) Allgemeine Lösungsvorschlä ge Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat .209** .327*** .335*** .331*** .178* .209** .204** .251*** .194** Industrie .177* .181* .197** Forst- und Landwirtschaft -.140* -.144* -.142* .463*** Kraftwerk .185** Gesellschaft .178** .145* .231** .146** Wissenschaften .208** Umweltbewegung -.234** .151* 201 * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Wie auch in der ersten Phase wird wieder deutlich, dass innerhalb der Ökologiebewegung der Staat für die Umsetzung der Policy-Optionen verantwortlich gemacht wird. Im Gegensatz zur ersten Phase werden aber erheblich mehr politische Steuerungsinstrumente in der Bewegung thematisiert. Vor allem im Bereich des „Verkehrs“ wird vom Staat inzwischen sehr viel mehr Steuerung gefordert. „Verkehrspolitik“, „Tempolimit“ sowie „Luftreinhaltepolitik im Bereich Verkehr“ werden in der letzten Phase nicht signifikant häufig mit dem Adressaten „Staat“ in Verbindung gebracht. Diese Bereiche sollen aber offensichtlich nicht nur dem Staat überlassen bleiben, denn ebenso wird die „Gesellschaft“ im Allgemeinen als möglicher Adressat mit den genannten administrativen Maßnahmen genannt. In diesen Korrelationen spiegelt sich offensichtlich die Diskussion über die Einführung eines Katalysators für Automobile, ein Tempolimit sowie eine neue Verkehrspolitik, etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder die Verlagerung von Güterverkehr auf die Bahn, wider. Die genannten Bereiche bedürfen nicht nur einer staatlichen Steuerung, sondern müssen auch von den Bürgern der Gesellschaft angenommen werden. In Bezug auf diese Diskussion ist auch der überzufällige Zusammenhang zwischen „Luftreinhaltung Verkehr“ und „Industrie“ einzuordnen: Die „Industrie“ wird in der Bewegungskommunikation aufgefordert, möglichst schnell Automobile mit Katalysator zur Verfügung zu stellen. Die Korrelation mit dem „Tempolimit“ verweist auf die Tatsache, dass sich die Automobilindustrie gegen die Einführung eines Tempolimits ausgesprochen hatte, was innerhalb der Ökologiebewegung auf starke Kritik stieß. Im Rückblick auf Tabelle 9.8 ist schließlich noch erwähnenswert, dass „Forschungspolitik“ an die Bewegung selbst adressiert wird. Hierbei sei zu erwähnen, dass die Bewegungsorganisation selbst Gutachten im Zusammenhang mit dem Problem „Waldsterben“ in Auftrag gegeben hat. Rückblickend auf Tabelle 9.7 scheint noch interessant, dass „Informationspolitik“, d. h. Öffentlichkeitsarbeit, nicht von den Bewegungsorganisationen - wie in der letzten Phase - eingefordert wird, sondern vom „Staat“. Tabelle 9.8: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990: Pearson Corr in den Massenmedien (N =84) Policy-Optionen Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat .258* .323** .302** .258* .333** .302** Industrie Forst- und Landwirtschaft .436** Kraftwerk Gesellschaft Wissenschaften .233* 202 Umweltbewegung .404* * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Auch diese Matrix 9.8 der Rangkorrelationen zwischen Policy-Optionen und Adressaten macht deutlich, dass die Deutungsmuster der Ökologiebewegung sich in dieser letzten Phase auf den „Verkehr“ konzentrieren. Inhaltlich stehen Policy-Optionen im Bereich „Verkehr“, welche an den Staat adressiert werden, wie zu erwarten im Vordergrund des Deutungsmusters der Ökologiebewegung. Das Gleiche gilt für Policy-Optionen im Bereich der „Forstpolitik“, welche nicht nur an den Staat gerichtet sind, sondern auch an den Verursacher „Forst- und Landwirtschaft“ selbst und an die „Wissenschaft“. Insofern fordert die Ökologiebewegung - im Gegensatz zu dem Verursacher „Kraftwerksbetreiber“ - im Zusammenhang mit der „Forst- und Landwirtschaft“ mehr Forschung. Dieses Ergebnis ist im Hinblick auf Ursachen „Mikroorganismen/Pilze/Wild/Käfer“ zu interpretieren: In der Bewegungskommunikation wurden insbesondere ab 1985 als Ursachen des „Waldsterbens“ Mikroorganismen und Pilze häufiger thematisiert, deren Kausalzusammenhang mit dem „Waldsterben“ war aber noch völlig ungeklärt. Rückblickend auf Tabelle 9.9 verweisen die Korrelationen noch einmal abschließend darauf, dass die „Forst- und Landwirtschaft“ wieder mehr in den Blickpunkt der Problemwahrnehmung der Bewegungsorganisation fällt. Die Daten verweisen auf Zusammenhänge zwischen dem Thema und bestimmten Rahmenmerkmalen. Dabei ist in der deskriptiven und der bivariaten Analyse deutlich geworden, dass sich die Deutungsmuster in der Bewegungskommunikation, insbesondere auf der inhaltlichen Ebene der Verursacher, verschoben haben. Die folgende Analyse konzentriert sich auf die Verursacher-Dimension und fragt nach den Deutungsmustern, welche mit einem Verursacher in Verbindung gebracht werden. Dabei stehen die zwei am häufigsten genannten Verursacher - die „Kraftwerksbetreiber“ und der „Verkehr“ - im Mittelpunkt der Betrachtung. Zum einem lässt sich das statistisch begründen, denn für die anderen Verursacher war nicht genug Nennung vorhanden, um ein LOGIT-Modell auszurechnen, zum anderen stehen offensichtlich auch inhaltlich der „Verkehr“ und die „Kraftwerksbetreiber“ im Zentrum der Deutungsaktivitäten in den Bewegungsorganisationen. Es ist anzunehmen, dass die beiden Verursacher in der Bewegungskommunikation mit weiteren Attributen verbunden werden. Folglich bedarf es eines multivariaten statistischen Analyse-Modells. Dazu werden in dieser Arbeit - wie oben beschrieben - binominale LOGIT-Modelle geschätzt. Da in den letzten Jahren die inhaltsanalytische Datenerhebungsmethodik zwar ständig weiterentwickelt wurde, aber komplexe, multivariate Modelle, wie bereits erwähnt, nur selten angewendet werden, erläutert der folgende Abschnitt die Anwendung der LOGIT-Analyse (vgl. zum Folgenden Urban 1993, 54; Bruns 1998, 203ff.). • Die Zeiträume der Analyse sind so zusammenzufassen, dass die verbleibende Stichprobe mindestens 100 Fälle einschließt. Das Maimum-Likelihood Schätzverfahren der LOGIT-Analysen produziert erst ab dieser Stichprobengröße effektive Ergebnisse. Die abhängige Variable „Verursacher“ aller folgenden LOGIT-Modelle ist jeweils dichotom kodiert, mit der Ausprägung 1= „Verursacher kommt vor“ und 0= „Verursacher kommt nicht vor“. Das Gleiche gilt für die „unabhängigen 203 Rahmenvariablen“ mit den Ausprägungen 1= „Merkmal kommt vor“ und 0= „Merkmal kommt nicht vor“. • Die Logit-Analyse untersucht in diesem Fall typische Strukturmuster bzw. typische Merkmalskombinationen mit einem Verursacher wie etwa „Verkehr“ und wird deshalb als Klassifikationsmodell interpretiert. Aus diesem Grund stehen nicht die statistischen Parameter zur Beurteilung der Anpassungsgüte des Gesamtmodells im Vordergrund. Mit Hilfe des „Likelihood-Ratio-Tests“ und der Erklärungsleistung des Modells (PR2) wird nur die Frage beantwortet, ob ein signifikantes Beziehungsmuster zwischen den Daten existiert, ob es also überzufällige Ergebnisse einer Rahmung des Verursachers, wie beispielsweise „Verkehr“, gibt.25 Der Logit-Koeffizient (B) bezieht sich auf die Einflussstärke der erklärenden Variablen. Da diese in einer nur schwer nachvollziehbaren logistischen Beziehung zu der abhängigen Variablen steht, sind die Beträge dieser Koeffizienten kaum empirisch sinnvoll interpretierbar.26 Gut zu interpretieren sind hingegen die Vorzeichen des Logit- Koeffizienten: Positive Vorzeichen verweisen darauf, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses, bei zunehmendem empirischen Wert der unabhängigen Variablen, steigt. Dementsprechend signalisieren negative Vorzeichen, dass bei steigendem empirischen Wert der Kovarianten die Eintrittswahrscheinlichkeit abnimmt. Weil alle Kovarianten identisch skaliert worden sind, kann man auch die Einflussstärke der Prädiktoren miteinander vergleichen. Der mangelnden Interpretierbarkeit des Logit-Koeffizienten wird durch die ergänzende Berechnung des so genannten Effekt-Koeffizienten (Expo(B)) Rechnung getragen. Dieser lässt sich im Hinblick auf das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit so interpretieren, dass eine der beiden Alternativen der Kriteriumsvariable eintritt oder nicht. Ein Betrag von „1“ des Effektkoeffizienten steht dafür, dass die entsprechende Kovariante keinen Einfluss auf das Wahrscheinlichkeitsverhältnis zwischen den beiden Alternativen der abhängigen Variablen hat. Ist der Effektkoeffizient für eine Effekt-Variable kleiner als 1, dann sinken die Wahrscheinlichkeiten, dass ein Ereignis eintritt (dies wird auch durch das negative Vorzeichen des zugehörigen LOGIT-Koeffizienten B signalisiert). Ist der Effektkoeffizient hingegen größer als 1, dann steigt die entsprechende Wahrscheinlichkeit an. Um das Gesagte zu verdeutlichen, sollen die Maßzahlen an der folgenden Tabelle 9.10 erklärt werden: Der Effektkoeffizient für den Prädiktor „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“, der einen Betrag von 4.5553 aufweist, bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verursacher wie etwa „Verkehr“ thematisiert wird, gegenüber der a priori Wahrscheinlichkeit um das 4.55fache (bzw. 45,5 Prozent) steigt, wenn die Luftverschmutzung als Ursache für das „Waldsterben“ genannt wird. Weil alle Kovarianten gleich kodiert wurden, bekanntermaßen dichotom mit „0“ und „1“, können die Beträge der Effektkoeffizienten innerhalb des Modells und zwischen den Modellen direkt miteinander 25 Pseudo-R2 gleicht dem Determinationskoeffizienten „R2“ in der OLS-Regression, welcher ebenfalls Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Pseudo-R2 weist dagegen wesentlich niedrigere Werte als R2 auf: Schon bei Größen von 0.2 bis 0.4 kann von einer guten Modell-Schätzung gesprochen werden (Costanzo et al. 1982, Urban, 1993). 26 Steigt eine unabhängige Variable um einen empirischen Wert, dann steigt der „Logarithmus aus der Eintrittswahrscheinlichkeit“ eines Ereignisses in dieser Arbeit, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Thema problematisiert wird, um den jeweiligen Betrag des Logit-Koeffizienten an (Urban 1993, 35; Bruns 1998, 203). 204 verglichen werden. Für die einzelnen Kovarianten gilt: Es interessiert nicht die relative Erklärungsleistung, sondern zum einen das Vorhandensein und zum anderen die mögliche Richtung einer Verknüpfung eines Verursachers, beispielsweise „Verkehr“ mit möglichen Rahmungsmerkmalen. Aus diesem Grund gehen die jeweiligen Effekt-Koeffizienten nicht im Einzelnen in die Analyse ein, sondern werden lediglich auf Signifikanz geprüft und mit dem Vorzeichen interpretiert. Nach diesen genannten Kriterien konnte lediglich für die zweite Phase vom 1. November 1983 bis zum 31. April 1986 sowohl für den „Verkehr“ als auch für die „Kraftwerksbetreiber“ ein signifikantes LOGIT-Modell spezifiziert und berechnet werden. Für die anderen Zeiträume waren nicht genug Fälle (100) vorhanden. Um die Darstellung zu vereinfachen, werden die dominanten Deutungsmuster herausgearbeitet und die Ergebnisse graphisch dargestellt. Im oberen Teil der tabellarischen Zusammenstellung der Ergebnisse sind die wesentlichen Parameter zur Schätzung der Modellgüte aufgestellt. Dies sind im Einzelnen die Signifikanz des Chi2-Wertes und das Pseudo-R2. Der untere Teil der Tabelle 9.10 gibt die LOGIT- und Effektkoeffizienten für alle Rahmenvariablen wieder, welche auf dem 95-prozentigen Signifikanzniveau einen relevanten Erklärungsbeitrag leisten. Um die Interpretationen zu vereinfachen und die Deutungsmuster optisch zu verdeutlichen, erfolgt die Beschreibung anhand eines Organigramms, welches die Attribute mit dem jeweiligen Verursacher verknüpft. Dabei beschränkt sich die Darstellung auf die Wiedergabe der Vorzeichen als ausschlaggebende Interpretationshilfe, die genauen Effektstärken können der zugehörigen Tabelle entnommen werden. Tabelle 9.9: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Rahmung des Verursachers „Verkehr“ in der Ökologiebewegung vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. „Verkehr thematisiert“ N 199 Initial 2 Log Likelihood 121.668 Chi2 87.496*** Mc Fadden’s Pseudo R2 .587 B Exp(B) Ursache: Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag 1.5163 4.5553** 205 Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Luftreinhaltung -2,2310 .1074** Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Verkehr 3.3342 28.0547*** Luftreinhaltepolitik: Verkehr 2.6786 14.5645*** Informationspolitik -1.9882 .1369* *p < .05 **p < .01 p < .00 Abbildung 9.8: Deutungsmuster Verkehr in der Ökologiebewegung vom 1. November 1983 bis 31.April 1986 Das Deutungsmuster bezüglich des Verursachers „Verkehr“ in den Bewegungsorganisationen besagt, dass der „Verkehr“ verantwortlich ist für die „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“, allgemeine Lösungsmöglichkeiten in den Bereichen „Verkehr“ gesehen werden und an konkreten Policy-Optionen konsequenterweise politische Instrumente in der „Luftreinhaltepolitik Verkehr“, gefordert werden. „Informationspolitik“ in Form von Öffentlichkeitsarbeit ist im Zusammenhang mit dem „Verkehr“ als Verursacher von „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ und damit dem „Waldsterben“ in den Bewegungsorganisationen nicht gefragt. Vielmehr fordert die Bewegung offensichtlich regulative Politik, etwa die Abgassonderuntersuchung bzw. Finanzhilfeprogramm, wie z. B. die steuerliche Begünstigung von bleifreiem Benzin. Tabelle 9.10: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Rahmung des Verursachers „Kraftwerke“ in der Ökologiebewegung vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. „Kraftwerke Luftreinhaltepolitik: Verkehr Informationspolitik Verkehr Luftverschmutzung/ Sauer Niederschlag Luftreinhaltung Verkehr Verursacher LösungsmöglichkeitPolicy-Optionen Ursache + _ + _ + 206 thematisiert“ N 199 Initial 2 Log Likelihood 124.965 Chi2 115.209*** Mc Fadden’s Pseudo R2 .627 B Exp(B) Ursache: Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag 1,6392 5.1508** Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Forschung -2,3221 10,1966** Adressaten: Kraftwerke 5,7216 305,3796* Luftreinhaltepolitik: Kraftwerke 4,0507 57,4378*** Forschungspolitik -2,5181 ,0806* Energiepolitik 3,7248 41,4641** *p < .05 **p < .01 p < .001 Abbildung 9.9: Deutungsmuster Kraftwerke in der Ökologiebewegung von vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 Auch die „Kraftwerksbetreiber“ werden für „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“ verantwortlich gemacht. Insofern ist die Forderung nach politischen Instrumenten in dem Bereich „Luftreinhaltepolitik Kraftwerke“ nur konsequent. Auffällig ist an diesem Deutungsmuster der negative Zusammenhang der allgemeinen Lösungen „Forschung“ und der Policy-Optionen „Forschungspolitik“. Im Zusammenhang mit den „Kraftwerksbetreibern“ könnte die Botschaft der Bewegungsorganisationen lauten: Die Ursache und der Verursacher sind hinlänglich bekannt, weitere Forschung nicht nötig. Luftreinhaltepolitik: Kraftwerke Forschungspolitik Energiepolitik Kraftwerke Kraftwerke Luftverschmutzung/ Sauer Niederschlag Forschung Verursacher Ursache Lösung Adressanten Policy-Option + _ + + + _ 207 Zusammenfassung Ausgangspunkt der Analyse war die Frage, wie das Problem „Waldsterben“ in der Bewegungskommunikation gedeutet wurde und auf welche Weise sich die Deutungsmuster im Untersuchungszeitraum entwickelt haben. Folgende Ergebnisse lassen sich festhalten: Insgesamt haben wir ein Deutungsmuster, das man von der Ökologiebewegung erwarten konnte. In der Bewegungskommunikation wird das Problem „Waldsterben“ gerade in der Anfangsphase stark dramatisiert, es wird primär als „ökologisches Problem“ angesehen und als verpflichtungsfähige Adressaten werden insbesondere der „Staat“ und seine Institutionen in die Verantwortung genommen. Die gerade genannten Deutungskomponenten lassen sich relativ konstant über den gesamten Untersuchungszeitraum beobachten. Allerdings sind die anderen behandelten Aufmerksamkeitsschwerpunkte nicht ein für allemal festgelegt. Die Problemdefinitionen der Bewegungsorganisation in Bezug auf Ursachen, Verursacher und administrative Maßnahmen ist im Untersuchungszeitraum hochgradig flexibel - ein Hinweis darauf, dass die Bewegungsorganisationen in ihren Deutungsmustern von anderen korporativen Akteuren beeinflusst wurden, annahmegemäß - was in der späteren Analyse zu belegen sein wird - von den Massenmedien. Wie hat sich das Deutungsmuster zum Problem „Waldsterben“ in den Bewegungsorganisationen entwickelt? In der ersten Phase von 1980 bis 1981 werden in der Ökologiebewegung insbesondere die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Industrie“ als Verursacher genannt. Bereits in der zweiten Phase von 1982 bis 1983 ändert sich die Aufmerksamkeitsverteilung und die Schwerpunktsetzung in den Bewegungsorganisationen. Das fällt besonders bei der Beschäftigung mit den „Energieversorgungsunternehmen“ auf, welche doppelt soviel Raum in der Bewegungskommunikation beanspruchen wie noch in den beiden Jahren davor. Wie die Korrelationsanalyse weiter zeigt, wird die „Forst- und Landwirtschaft“ in dem genannten Zeitraum für die „Bodenbelastung“, die „Kraftwerksbetreiber“ sowie die „Industrie“ für die „Luftverschmutzung“ und den „Sauren Niederschlag“ verantwortlich gemacht. Konkrete administrative Maßnahmen vom Staat und seinen Institutionen werden plausiblerweise in genau diesen Bereichen gefordert. In der dritten Phase 1984 stehen in der Bewegungskommunikation nach wie vor insbesondere die „Kraftwerksbetreiber“ im Mittelpunkt der Deutungsaktivitäten. Die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Industrie“ als mögliche Verursacher treten hingegen in den Hintergrund, stattdessen erlangt der „Verkehr“ zunehmend mehr Aufmerksamkeit in den Bewegungsorganisationen. Vom Staat und seinen Institutionen wird in dieser Phase in sehr viel mehr Bereichen staatliche Steuerung eingefordert: In fast allen Bereichen, auch in solchen, welche keine Aufmerksamkeitsschwerpunkte bilden, werden konkrete politische Steuerungsinstrumente zusammen mit dem Staat als Problemlösungsinstanz thematisiert. Ab 1985, der vierten Phase, steht der „Verkehr“ im Mittelpunkt der Bewegungskommunikation. Das zeigt sich nicht nur an der zunehmenden Thematisierung dieses Verursachers, sondern auch an der Intensivierung der Beschäftigung mit konkreten administrativen Maßnahmen, welche sich auf den Verkehr beziehen. Vom Staat werden seit dieser Zeit in der Bewegungskommunikation verstärkt Maßnahmen in der „Verkehrspolitik“, im Bereich „Luftreinhaltung Verkehr“ sowie ein „Tempolimit“ gefordert. Neben dem Staat wird auch insbesondere das Problem an die „Gesellschaft“ adressiert. Auffällig ist aber auch, dass die 208 Gesellschaft als Gemeinschaft aller Bürger in dieser Phase mehr als Adressat in Verbindung mit dem „Verkehr“ gebracht wird. Dieses Deutungsmuster dominiert die Bewegungskommunikation bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes. Allerdings wird der Diskussionsprozess in der Ökologiebewegung ab 1987 wieder etwas fluider und neben dem „Verkehr“ rückt die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Gesellschaft“ als Verursacher wieder mehr in den Blickpunkt der Bewegungsorganisationen, entsprechend verlagert sich der Diskussionsschwerpunkt: Die genannten Problemverursacher werden - neben dem Staat - zugleich als Forderungsadressaten thematisiert und allgemeine sowie konkrete Lösungsoptionen werden in diesen Bereichen in den Bewegungsorganisationen diskutiert. Zusammenfassend kann man von einer sichtbaren Verschiebung der Problemdefinition in der Bewegungskommunikation sprechen. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob diese inhaltliche Veränderung mit der massenmedialen Kommunikation zusammenhängt. 9.3. Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen in der Zeitungsberichterstattung Im folgenden Abschnitt stehen nun die Deutungsmuster zum Thema „Waldsterben“ in der massemedialen Berichterstattung im Mittelpunkt der Betrachtung. Wie schon im letzten Abschnitt erfolgt zunächst eine deskriptive Analyse der einzelnen Deutungsdimensionen 209 über den Zeitraum von 11 Jahren, um dann in einem zweiten Schritt durch bivariate Korrelation Zusammenhänge zwischen einzelnen Deutungskomponenten aufzudecken. In einem dritten Schritt werden wiederum mit Hilfe von LOGIT-Modellen alle Rahmungsvariablen für die Deutungsmuster der als dominant eingestuften Verursacher einbezogen. Abbildung 9.10: Dimension „Intensität“ auf der Agenda der Presse Problem -Intens ität Pres s e-Agenda N =3 76 JA HR 199019891988198 7198 619 851984198319821981198 0 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Int ensit ät Zunah m e S t i l l st and R üc k g ang k e ine N enn ung Einen ausgeprägteren Verlauf nimmt die Thematisierung der „Schadenszunahme“ auf der Presseagenda. Der relative Anteil der Thematisierung schwankt zwischen 100 Prozent (1980) und 67 Prozent (1989). Wie schon in der Bewegungskommunikation ist aber auch hier eine eher leicht fallende Tendenz im Zeitverlauf bemerkbar. Die Presseberichterstattung wird also zum Ende des Beobachtungszeitraumes stärker entproblematisiert oder - anders ausgedrückt - sachorientierter. Allerdings spielt die Kategorie „Rückgang/Stillstand“ auf der Presseagenda generell eine sehr marginale Rolle. Die Dramatisierung der Schäden nimmt bei der Beschreibung des Problems den größten Raum ein: Im Zusammenhang mit der Berichterstattung ist immer wieder auf die Bedeutung des Nachrichtenfaktors „Negativismus“ hingewiesen worden - dies auch im Zusammenhang mit der Umweltberichterstattung. Folgt man der Inhaltsanalyse von Voss, so werden in der tagesaktuellen Umweltberichterstattung in fast allen Themengebieten die möglichen Schäden in den Mittelpunkt gerückt (Voss 1990). Dieser Befund kann offensichtlich auch mit den hier erhobenen Daten belegt werden. Die Journalisten fokussieren genau den Aspekt am Problem „Waldsterben“, welcher einen hohen Nachrichtenwert besitzt. Dementsprechend ist die Berichterstattung von einem Negativismus geprägt, der den dramatischen Zustand des Waldes in den Vordergrund hebt. Die Dramatisierung bleibt in allen Phasen des Aufmerksamkeitszyklus hoch. Die Nachrichtenwertfaktoren führen hier annahmegemäß zur Resonanz in den Medien, die mit einer Stereotypisierung des Problems über den gesamten Zeitraum verbunden ist. Abbildung 9.11: Dimension „Ursache“ auf der Agenda der Presse 210 Problem -Urs achen Pres s e-Agenda N =3 76 JA HR 199019 89198 8198 71986198519 84198 3198219811980 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Ursachen Ex t r em - K l im a M ik r oo r g an i sm en / P i l z e / Wi ld / K ä f e r L u f t v e r sc h m u t z u ng S a ur e N ied e r sc h läge B o denb e last ung Fo r st l i c he M aßn ahm en Die Diskussion um die Ursachenfaktoren weist auf der Presseagenda Ähnlichkeiten zur Agenda der Ökologiebewegung auf. Die „Luftverschmutzung“ als Ursachenfaktor bildet einen Schwerpunkt der Zeitungsberichterstattung. Im Gegensatz zur Bewegungskommunikation hat sich die „Luftverschmutzung“ als primäre Ursache aber schon in der ersten Phase (bis 1981) durchgesetzt. Allerdings ist in dieser Phase - ähnlich der Ökologiebewegung - die Problemdefinition in der Zeitungsberichterstattung von einer starken Konkurrenz der Ursachen „Luftverschmutzung“, „Saure Niederschläge“ und „Bodenbelastung“ geprägt. Die zweite Phase ist ebenfalls von diesen Faktoren bestimmt, die „Luftverschmutzung“ setzt sich jedoch immer deutlicher durch und die Konkurrenz der Ursachenaspekte lässt somit nach. Dieses Deutungsmuster hält sich auch noch in der dritten und vierten Phase, bemerkenswert ist jedoch der Anstieg der Ursache „Mikroorganismen, Wild etc.“ bis 1985. Ab der fünften Phase wird die journalistische Deutung des Problems in Bezug auf die Ursachen wieder etwas fluider. Dabei ist insbesondere in den Jahren ab 1986 eine Intensivierung der presseöffentlichen Beschäftigung mit der „Bodenbelastung“ festzustellen und auch die Ursache „Mikroorganismen“ etc. kann in der Endphase des Beobachtungszeitraumes die mediale Aufmerksamkeit mehr binden. Allerdings konzentriert sich die Zeitungsberichterstattung von Anfang an und über den gesamten Untersuchungszeitraum primär auf die Luftverschmutzung als Ursache des „Waldsterbens“. Erst gegen Ende fokussieren die Journalisten auch andere Ursachenfaktoren und die Berichterstattung wirkt zu dieser Zeit heterogener als die Bewegungskommunikation. Abbildung 9.12: Dimension „Verursacher“ auf der Agenda der Presse 211 Problem-Verursacher Presse-Agenda N=376 JAHR 19901989198819871986198519841983198219811980 Pr oz ent de r Fäll e 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Verursacher Forst - / Landwirt - schaf t Verkehr Gesellschaf t Indust r ie Schadst of f import Kraf t werke Die Befunde zeigen, dass die Diskussion um die Verursacher in der Presseberichterstattung von der Ökologiebewegung in der ersten Phase zum Teil deutlich abweicht. In der ersten Phase wird die „Industrie“ von den Journalisten stark fokussiert, hingegen erreicht die „Forst- und Landwirtschaft“ in diesem Zeitraum kaum mediale Aufmerksamkeit. In der zweiten Phase sind es jedoch die „Kraftwerke“, die als Verursacher am häufigsten in der Zeitungsberichterstattung thematisiert werden. In dieser Hinsicht zeigt sich eine große Übereinstimmung mit der entsprechenden Deutung in den Bewegungsorganisationen. In dieser Phase erlangt auch der „Verkehr“, welcher in der Zeitungsberichterstattung ein Jahr früher thematisiert wird als in der Ökologiebewegung, langsam mehr mediale Aufmerksamkeit. Der „Verkehr“ löst auch die „Kraftwerke“ schon in der dritten Phase 1984 als Primärverursacher ab und bestimmt das Medienbild, ebenfalls ein Jahr früher als in der Ökologiebewegung. Dies deutet auf zwei interessante Punkte hin: Zum einen zeigt sich, wie schon in der Bewegungskommunikation, ein heterogener Diskussionsprozess im Bezug auf die Verursacher des „Waldsterbens“. Zum anderen erscheint dieses neue Deutungsmuster jeweils ein Jahr früher in der Zeitungsberichterstattung als in den Mitgliederzeitschriften der Bewegungsorganisationen. Bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes ist der Verursacher „Verkehr“ absolut dominant in der Presseberichterstattung. Ein ähnlicher Deutungsprozess konnte auch in den Mitgliederzeitschriften der Bewegungsorganisationen beobachtet werden, insofern zeigen sich große Parallelen zwischen der massenmedialen Problemdeutung und entsprechenden Wahrnehmungen in der Bewegungsorganisation. Differenzen gibt es aber hinsichtlich der anderen Verursacher: Die „Gesellschaft“, im Sinne der Gemeinschaft aller Bürger, erlangt nicht ein so hohes Niveau wie in der Ökologiebewegung, dafür zeigt die Thematisierung des Verursachers „Forst und Landwirtschaft“ einen entgegengesetzten Verlauf. Zusammenfassend verändert sich über den Beobachtungszeitraum das Deutungsmuster im Bezug auf die Verursacher in der Zeitungsberichterstattung erheblich. Abbildung 9.13: Dimension „Folgen“ auf der Agenda der Presse 212 Problem-Folgen Presse-Agenda N=376 JAHR 19901989198819871986198519841983198219811980 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Folgen im Bereich Ök ologie Ök onom ie/ A r bei t S oz iales/ K ul t ur In den ersten beiden Phasen bis 1983 zeigt sich, im Gegensatz zur Ökologiebewegung, in der Presseberichterstattung eine ausgesprochene Konkurrenz zwischen der „ökologischen“ und „ökonomischen“ Problemdeutung des „Waldsterbens“. Nachdem sich das Thema in der dritten Phase endgültig etabliert hat (etwa 1984), überwiegt aber eindeutig die Deutung des „Waldsterbens“ als „ökologisches Problem“ bei den Journalisten. Die „sozio-kulturellen Folgen“ des „Waldsterbens“ werden in diesem Zeitraum kaum in der Zeitungsberichterstattung behandelt. Auch in den Phasen vier und fünf überwiegt in der Presseberichterstattung eindeutig ein Deutungsmuster, welches insbesondere die „ökologischen Folgen“ des „Waldsterbens“ in den Mittelpunkt rückt. Im Rückblick auf die Bewegungskommunikation zeigt sich gerade in den beiden Anfangsphasen in der presseöffentlichen Behandlung des Problems „Waldsterben“ eine starke Konkurrenz zwischen „ökonomischer“ und „ökologischer“ Problemdeutung. Über den gesamten Zeitraum, und das ist nicht weiter erstaunlich, überwiegt aber sowohl in der Ökologiebewegung als auch in der Zeitungsberichterstattung die Deutung des „Waldsterbens“ als ein „ökologisches Problem“. 213 Abbildung 9.14: Dimension „Allgemeine Lösungsvorschläge“ auf der Agenda der Presse Problem-Lösungsvorschläge Presse-Agenda N=376 JAHR 19901989198819871986198519841983198219811980 Pr oz en t d er F äl le 60 50 40 30 20 10 0 Lösungsvorschläge Ver k ehr Ener gie Inf or mat ion Luf t r einhal t ung Waldsc hut z / - pf lege For sc hung Über den gesamten Untersuchungszeitraum konkurrieren in der Zeitungsberichterstattung unterschiedliche Lösungsvorschläge hinsichtlich des „Waldsterbens“. In der medialen Aufmerksamkeit steht oft - wie auch in der Ökologiebewegung - die Forderung nach mehr und „Schutz/Pflege des Waldes“ im Mittelpunkt. Im Unterschied zur Bewegungskommunikation können hier jedoch allgemeine Lösungsvorschläge in den Bereichen „Verkehr“, „Energie“ und „Information“ in keiner Phase ein hohes Niveau erreichen - wiederum ein Indiz für eine tiefergehende Zeitungsberichterstattung, welche viel konkrete Policy-Vorschläge thematisiert, wie noch zu zeigen sein wird. Die Forderung nach mehr „Forschung“ spielt in der Presse eine wesentlich wichtigere Rolle als in der Ökologiebewegung. Aus der Perspektive der presseöffentlichen Behandlung des Themas sind die Ursachen für das „Waldsterben“ gerade in der Anfangsphase des Beobachtungszeitraumes offensichtlich noch völlig ungeklärt - ein Befund, der auch in anderen Studien zum „Waldsterben“ vermutet wird (Baumgartner 1991; Krämer/Suda 1987). Bereits in der ersten Phase konkurrieren in der massenmedialen Deutung des Problems verschiedene Lösungsmöglichkeiten, wobei die Bereiche „Forschung“ und „Waldschutz“ dominieren. Lösungen im Bereich „Energie“ werden hier im Gegensatz zur Ökologiebewegung schon in der ersten Phase thematisiert. In der zweiten Phase thematisieren die Journalisten überwiegend allgemeine Lösungsmöglichkeiten im Bereich „Luftreinhaltung“. Dies bleibt auch so in der dritten Phase bis 1984. Der Bereich „Verkehr“ erlangt hier jedoch eine starke mediale Aufmerksamkeit. In der vierten und fünften Phase wird die journalistische Deutung des Problems bezüglich der allgemeinen Lösungsvorschläge wieder fluider: „Forschung“, „Luftreinhaltung“ und „Waldschutz“ bestimmen abwechselnd die mediale Aufmerksamkeit. Insgesamt betrachtet, zeigt sich in der Zeitungsberichterstattung ein divergierender Deutungsprozess hinsichtlich der allgemeinen Lösungsmöglichkeit über den gesamten Untersuchungszeitraum. Zwischen Bewegungskommunikation und presseöffentlicher Behandlung des Themas ergeben sich in Bezug auf die allgemeinen Lösungsmöglichkeiten erhebliche Differenzen in den Deutungsmustern. 214 Abbildung 9.15: Dimension „Adressaten“ auf der Agenda der Presse Problem -Adres s aten Pres s e-Agenda N =3 76 JA HR 19 90198 919 88198 719 86198 519 8419 8319 82198 119 80 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 A d ressaten Indu st r i e K r a f t w e r k e Wissensc ha f t U m w e l t bew eg ung P o l i t i k / S t aa t / Ve r w a l t ung Fo r st - / La ndw i r t - sc ha f t Ge se l l sc h a f t Auch auf der Presseagenda wird über den gesamten Zeitraum das Problem in erster Linie dem „Staat“ zugewiesen. Damit pflegt die Presseberichterstattung das altbekannte Bild, nachdem der „Staat“ in demokratischen Gesellschaften als Ansprechpartner für gesellschaftliche Probleme gilt, unabhängig davon, ob die Ursachen bekannt sind. In der ersten Phase bildet die „Forst- und Landwirtschaft“ noch einen medialen Aufmerksamkeitsschwerpunkt. Insofern zeigen sich große Ähnlichkeiten zur entsprechenden Deutung in den Bewegungsorganisationen. Allerdings spielt - und das ist nach den bisher gemachten Befunden nichts Neues - die „Wissenschaft“ als möglicher Adressat in der presseöffentlichen Behandlung des Themas eine sehr viel wichtigere Rolle als in der Bewegungskommunikation. Der „Gesellschaft“ wird, im Unterschied zur Agenda der Ökologiebewegung, in allen Phasen dagegen ein untergeordneter Status in der Problembearbeitung zugewiesen. Auch die „Umweltbewegung“ erlangt auf der Presseagenda als Adressat keine Bedeutung. Abbildung 9.16: Dimension „Policy-Optionen“ auf der Agenda der Presse 215 Policy-Options Pres s e-Agenda N =376 JA HR 19 9019 8919 88198 7198 6198519841983198219 8119 80 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Po licy-Op t io ns Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k Ind ust r i e Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k K r a f t w e r k e Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k Ve r k eh r Ve r k eh r spo l i t i k In f o r m a t i onspo l i t i k Tem po l im i t Ene r g iepo l i t i k Fo r st p o l i t i k Fo r sc h ungspo l i t i k Die Diskussion der konkreten Policy-Optionen in der Zeitungsberichterstattung besitzt einige Gemeinsamkeiten mit der Diskussion in den Bewegungsorganisationen. So wird auch zu Beginn der ersten Phase 1980 die „Forstpolitik“ in den Vordergrund gestellt. Allerdings wird auch, wie zu erwarten, die „Forschungspolitik“ in den Mittelpunkt der Presseberichterstattung gestellt, im Gegensatz zur Bewegungskommunikation. Parallelen zeigen sich hingegen bei der Thematisierung der Optionen zur Luftreinhaltepolitik in den Bereichen „Industrie“ und „Kraftwerke“, welche auch in der Zeitungsberichterstattung in den ersten beiden Phasen in den Mittelpunkt gerückt werden. Wie auch in der Ökologiebewegung liegt 1984, in der dritten Phase, das Gewicht auf den Bereichen „Luftreinhaltepolitik Verkehr“ und „Tempolimit“. Ein Jahr früher als in der Ökologiebewegung übernimmt die Option „Tempolimit“ 1984 in der Presse die dominante Rolle. Die vierte Phase (bis 1986) wird dagegen von der „Luftreinhaltung Verkehr“ sowie der „Forst- und der Forschungspolitik“ bestimmt. In der Endphase gibt es eine Differenz zur Agenda der Ökologiebewegung, da hier die Bereiche „Forstpolitik“ und „Forschungspolitik“ dominieren. Die Bedeutung der Bereiche „Energiepolitik“, „Informationspolitik“ und „Verkehrspolitik“ ist in der Presse im Gegensatz zur Bewegung durchweg marginal. Auf der bewegungs- und massenmedialen Agenda zeigt sich insgesamt ein sehr ausgeprägter Diskussionsprozess um die Policy-Optionen zum „Waldsterben“. Interessant ist vor allem die Thematisierung der Bereiche „Tempolimit“ und „Luftreinhaltung Verkehr“, die in der Presseberichterstattung jeweils ein Jahr früher einen höheren Aufmerksamkeitswert erlangten als in der Bewegung. * Wie auch schon bei den Bewegungsorganisationen soll im Folgenden der Zusammenhang zwischen einzelnen Komponenten der Deutungsmuster in der massenmedialen Arena betrachtet werden. Dazu werden wieder Korrelationen zwischen einzelnen Deutungskomponenten berechnet. Die folgende Tabelle 9.12 gibt zunächst den 216 Zusammenhang zwischen der Nennung von Ursachen und Problemverursachern in der Zeitungsberichterstattung vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 wieder. Tabelle 9.11: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern: Pearson Corr in den Massenmedien vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 (N = 134) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saure Niederschläge .243** .214* Bodenbelastung Extrem Klima .280** Mikroorganismen -.242** .223** Forstliche Maßnahmen .386*** -.190* * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 In der massenmedialen Berichterstattung wird in dieser Phase die „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ einzig signifikant häufig mit den „Kraftwerksbetreibern“ und der „Industrie“ assoziiert. Im Bezug auf diese Attributierung zeigen sich starke Ähnlichkeiten zu den Deutungsmustern in der Ökologiebewegung. Auch dort wurden die „Kraftwerksbetreiber“ und die „Industrie“ in der bivariaten Analyse einzig für die „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ verantwortlich gemacht. Die gleiche Parallele gilt für die Beziehung zwischen dem Verursacher „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die Ursache „Forstliche Maßnahme“. Hingegen spielt die „Bodenbelastung“ in der Zeitungsberichterstattung keine so große Rolle wie in der Diskussion in den Bewegungsorganisationen. Diese mögliche Ursache wird in der massenmedialen Problemfassung des Themas „Waldsterben“ in diesem Zeitraum nicht signifikant häufig mit einem Problemverursacher in Zusammenhang gebracht. Genau wie in der Bewegungskommunikation zeigt sich ein überzufälliger Zusammenhang zwischen der „Gesellschaft“ als Problemverursacher von „Extrem Klima“ und „Mikroorganismen“. Deutlich werden in diesem Beobachtungszeitraum auch in der Presseberichterstattung die Ursachen in der Gesamtgesellschaft gesucht. Wie hat sich die Problemdeutung in der Zeitungsberichterstattung in der zweiten Thematisierungsphase vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 entwickelt? In der folgenden Matrix 9.13 der Korrelationskoeffizienten ist wiederum der Zusammenhang zwischen der Nennung von Ursachen und Problemverursacher ausgegeben. Tabelle 9.12: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern: Pearson Corr in den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 (N = 151) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung, .309*** -.184* .266** 217 Saurer Niederschlag Bodenbelastung .196* Extrem Klima Mikroorganismen .166* -.164* .196* Forstliche Maßnahmen .288*** -.171* * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Die Zahlen verdeutlichen, dass sich auch die Berichterstattung hinsichtlich der Deutung der Kausalattributierung des Problems „Waldsterben“ in dieser Phase differenziert hat: Wurden in der letzten Phase einzig die „Kraftwerksbetreiber“ und die „Industrie“ signifikant häufig im Zusammenhang mit der „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ genannt, so ist jetzt der „Verkehr“ hinzugekommen und die „Kraftwerksbetreiber“ fallen aus der journalistischen Deutung heraus - ein Indiz für den Zusammenhang der massenmedialen Arena mit den anderen Arenen. Neben dem „Verkehr“ ist offensichtlich eine Intensivierung der presseöffentlichen Beschäftigung mit dem Problemverursacher „Industrie“ festzustellen. Sie wird nicht nur im Kontext der „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ häufig genannt, sondern auch mit der „Bodenbelastung“ als mögliche Ursache für das „Waldsterben“ assoziiert. „Forstliche Maßnahmen“ werden als Ursache für das „Waldsterben“ - wie auch in der letzten Phase - konsequent auf die „Forst- und Landwirtschaft“ zurückgeführt. Vergleicht man diese Ergebnisse wiederum mit der Bewegungskommunikation in diesem Zeitraum, dann fällt ins Auge, dass die „Kraftwerksbetreiber“ nicht mehr signifikant häufig mit „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ in Verbindung gebracht werden. Die anschließende Betrachtung bezieht sich auf die letzte Phase. Die Tabelle 9.14 spiegelt wiederum den Zusammenhang zwischen der Nennung von Ursachen sowie den Problemverursachern vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1989 wider. Tabelle 9.13: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern in den Massenmedien vom 1. Mai 1986 bis 31 Dezember: Pearson Corr (N = 91) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saurer Niederschlag . .249* Bodenbelastung -.234* Extrem Klima Mikroorganismen Forstliche Maßnahmen .258* .294** * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Im Vergleich zur letzten Phase konzentriert sich die Zeitungsberichterstattung im Zusammenhang mit der Nennung der „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“ augenscheinlich hauptsächlich nur noch auf einen Problemverursacher: den „Verkehr“. 218 Daneben fällt die Medienaufmerksamkeit noch auf den Zusammenhang von „Forst- und Landwirtschaft“ als Verursacher für die Schädigung der Bäume durch „forstliche Maßnahmen“. Im Gegensatz zu den Bewegungsorganisationen zeigt sich in der Berichterstattung aber kein signifikanter Zusammenhang zwischen „Forst- und Landwirtschaft“ als Verursacher für die „Bodenbelastung“. Im Gegenteil: auffällig ist der negative Zusammenhang zwischen „Forst- und Landwirtschaft“ sowie der „Bodenbelastung“. Als nächste Dimension der Deutungsmuster in der massenmedialen Berichterstattung widmen wir uns im Folgenden dem Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und Adressaten in der Presseberichterstattung. Tabelle 9.14: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressaten den Massenmedien vom Januar 1980 bis 31. Oktober 1983: Pearson Corr (N = 134) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat .281** Industrie Forst- und Landwirtschaft .174* -.264** Kraftwerk Gesellschaft Wissenschaften -.190* Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Zwei Bereiche bilden den Aufmerksamkeitsschwerpunkt der Berichterstattung in Bezug auf die Nennung zwischen Verursachern und Adressaten: Staatliche Steuerung wird im Zusammenhang mit den „Kraftwerksbetreibern“ gefordert und die „Forst- und Landwirtschaft“ wird aufgefordert, mögliche Schäden durch Anbau von „Monokulturen“ selbst zu beheben. Als Besonderheit fällt der negative Zusammenhang zwischen den „Kraftwerksbetreibern“ und der „Wissenschaft“ als möglichen Adressaten aus. In der Berichterstattung ist wissenschaftlicher Sachverstand im Zusammenhang mit den „Kraftwerken“ und dem Einbau von effektiven Filteranlagen offensichtlich nicht gefragt. Im Vergleich zur Diskussion in der Ökologiebewegung fällt ins Auge, dass zu diesem Zeitpunkt auf der Presseagenda sehr viel weniger Verursacher mit einem Adressaten in 219 Verbindung gebracht werden - ein Zeichen für die relative Stabilität der Deutung des Problems in der Zeitungsberichterstattung. Die folgende Tabelle 9.16 gibt Aufschluss über die Frage, wie sich die Deutungen in der zweiten Phase entwickelt haben. Tabelle 9.15: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986: Pearson Corr (N = 151) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat .202* Industrie Forst- und Landwirtschaft Kraftwerk .181* Gesellschaft .186* .292*** Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Einzig der „Verkehr“ als Verursacher des „Waldsterbens“ wird in dieser Phase deutlich in Zusammenhang mit dem „Staat“ genannt. In der letzten Phase wurde insbesondere in Bezug auf die „Kraftwerksbetreiber“ eine staatliche Steuerung in der Berichterstattung gefordert. Diesen Status hat in dieser Phase offensichtlich der „Verkehr“. Ansonsten fällt noch der hohe Zusammenhang zwischen der „Gesellschaft“ im Allgemeinen als Verursacher und der Adressierung an dieselbe ins Auge: Auch gesellschaftliche Akteure sind in die Deutungsmuster der massenmedialen Berichterstattung einbezogen. Einerseits als mögliche Verursacher des Problems, anderseits als Adressaten zur Problemlösung. In der Bewegungskommunikation liegt der Aufmerksamkeitsschwerpunkt in dieser Phase auf den „Kraftwerksbetreibern“. Widmen wir uns den Deutungsmustern in der Zeitungsberichterstattung in der letzten Phase des Aufmerksamkeitszyklus. Die Tabelle 9.17 spiegelt wiederum zunächst den Zusammenhang zwischen der Nennung vom Problemverursacher und möglichen Adressaten vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1989 wider. Tabelle 9.16: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten in den Massenmedien vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember1989: Pearson Corr (N = 91) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat .218* .263* Industrie Forst- und Landwirtschaft .378*** .206* Kraftwerk 220 Gesellschaft Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Im Gegensatz zur letzten Phase wird der „Staat“ in der Zeitungsberichterstattung nicht nur für den Problemverursacher „Verkehr“ in die Verantwortung genommen, sondern ebenso für die „Energieversorgungsunternehmen“. Insofern hat sich die massenmediale Deutung zum Thema „Waldsterben“ in dieser Endphase wieder differenziert. Einen weiteren Aufmerksamkeitsschwerpunkt bildet die „Forst- und Landwirtschaft“ als Adressaten. Sie wird sowohl für Probleme verantwortlich gemacht, welche sie selbst produziert, als auch für Probleme, welche von gesellschaftlichen Gruppen produziert werden. Als letzte Strukturidentifizierung der massenmedialen Berichterstattung gibt die nun folgende Tabelle 9.18 den Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 wieder. Tabelle 9.17: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Berichterstattung vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983: Pearson Corr in den Massenmedien (N = 134) Policy-Optionen Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat .249** .381*** .271** Industrie .252** Forst- und Landwirtschaft .387*** Kraftwerk Gesellschaft Wissenschaften .304*** Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Wie zu erwarten, werden konkrete Policy-Optionen insbesondere an den „Staat“ adressiert. Inhaltlich stehen dabei administrative Maßnahmen in Bezug auf die „Industrie“, die „Kraftwerksbetreiber“ und die „Wissenschaft“ im Vordergrund der Presseberichterstattung. Offensichtlich wird aber zu diesem Zeitpunkt in der Berichterstattung auch schon die Einführung des Katalysators intensiv diskutiert. Darauf verweist der Zusammenhang zwischen „Luftreinhaltepolitik Verkehr“ und der „Industrie“ 221 als Adressaten. Die „Wissenschaft“ als Adressat der „Forschungspolitik“ bildet einen weiteren Mittelpunkt der massenmedialen Deutung des Themas in dieser Phase. Der Zusammenhang ist mittelstark und hoch signifikant. Offensichtlich wird wissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit dem „Waldsterben“ einerseits vom Staat, aber anderseits auch von der Wissenschaft gefordert. Im Vergleich zur Bewegungskommunikation spielten die Wissenschaft und die Forschung eine viel wesentlichere Rolle in der Zeitungsberichterstattung. Insofern wird die deskriptive Analyse durch die Korrelationsanalyse bestätigt: Das Problem „Waldsterben“ ist auf der Perspektive der Medien offensichtlich wissenschaftlich noch völlig ungeklärt und bedarf der weiteren Forschung. Insofern unterscheidet sich das Deutungsmuster gegenüber den Bewegungsorganisationen, welche verständlicherweise den wissenschaftlichen Diskurs nicht in den Mittelpunkt ihrer Deutung stellen. Tabelle 9.18: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Berichterstattung vom 1. November 1983 bis 31. April 1986: Pearson Corr in den Massenmedien (N = 151) Allgemeine Lösungsvorschlä ge Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat .163* .239** .360*** .348*** .178* .178* .336*** .289*** Industrie .176* .185* .179* Forst- und Landwirtschaft .272** Kraftwerk .281*** .171* Gesellschaft .168* .168* Wissenschaften Umweltbewegung .266** .266** * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Tabelle 9.19 macht bei zurückhaltender Interpretation zwei Entwicklungen deutlich. Wie auch in der Bewegungskommunikation hat sich die Thematisierung von Policy-Optionen im Zusammenhang mit möglichen Adressaten stark differenziert und erwartungsgemäß sehen die Journalisten insbesondere den „Staat“ in die Pflicht genommen, mögliche Policy- Optionen umzusetzen. Inhaltlich steht dabei - das ist nach den bisherigen Befunden nicht mehr überraschend - inzwischen der „Verkehr“ im Mittelpunkt der massenmedialen Ausdeutung des Themas „Waldsterben“. Insbesondere zwischen den Policy-Optionen, 222 „Luftreinhaltung Verkehr“ sowie „Tempolimit“ besteht ein hoch signifikanter Zusammenhang mit der Adressierung an das politische System. Diese beiden Lösungsoptionen werden in der Zeitungsberichterstattung noch signifikant häufig mit der „Industrie“ als Adressaten genannt. Die Diskussion um die Einführung eines Katalysators für Automobile und ein Tempolimit bildet in dieser Phase einen Aufmerksamkeitsschwerpunkt der Zeitungsberichterstattung. Eine andere Besonderheit fällt vor allem im Vergleich mit der Bewegungskommunikation auf. In der Zeitungsberichterstattung wird „Informationspolitik“, d. h. Dialoginitiativen, Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit etc., nicht vom „Staat“ eingefordert - im Gegensatz zur Ökologiebewegung ein Befund, der auch in dem nächsten Beobachtungszeitraum Geltung hat. Tabelle 9.19: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Berichterstattung vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990: Pearson Corr in den Massenmedien (N =91) Policy-Optionen Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat .270** .314** .222* .433*** .368*** Industrie .437*** .247* .212* .703*** Forst- und Landwirtschaft Kraftwerk Gesellschaft Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Als Adressaten für mögliche Policy-Optionen stehen nur noch die „Politik“ und die „Industrie“ im Mittelpunkt der Problemdeutung der Journalisten. Im Hinblick auf die Forderung nach staatlicher Steuerung fallen die „Verkehrspolitik“, die „Energiepolitik“, die „Informationspolitik“ sowie die „Luftreinhaltepolitik in dem Bereich Industrie“ aus dem Deutungsmuster der Journalisten im Vergleich zur letzten Phase heraus - ein Zeichen für das nachlassende Interesse der Journalisten für das Problem „Waldsterben“, welches sich auch in dem Rückgang der Berichterstattung zeigt. Auffällig ist, dass die „Industrie“ in dieser letzten Phase häufig in die Deutungsmuster einbezogen wird. Sie wird als Adressat vielfältiger Policy-Optionen, wie etwa im Bereich „Verkehr“ und „Energiepolitik“, 223 gesehen. Rückblickend auf die Deutungsmuster in den Bewegungsorganisationen gleichen sich die Deutungen an. Allerdings - und das ist inzwischen nichts Neues - wird in der Bewegungsorganisation im Gegensatz zur Presseberichterstattung ein Schwerpunkt auf die „Forst- und Landwirtschaft“ gelegt, während in der massenmedialen Berichterstattung, wie bereits gesagt, die „Industrie“ als Adressat einen Schwerpunkt bildet. Auch für die Deutungsmuster in der Zeitungsberichterstattung konnte lediglich für die zweite Phase vom 1. November 1983 bis zum 31. April 1986 für die Verursacher „Kraftwerke“ und „Verkehr“ wiederum zwei binominale LOGIT-Modell errechnet werden, welche signifikant und durchaus erklärungskräftige Deutungsmuster erbringen. Tabelle 9.20: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Rahmung des Verursachers „Verkehr“ in den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. „Verkehr thematisiert“ N 151 Initial 2 Log Likelihood 103.939 Chi2 78.285 Mc Fadden’s Pseudo R2 .577 B Exp(B) Ursache: Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag 4,0741 58,7975* Folgen: Ökologie 1,3039 3,6837* Folgen: Ökonomie -1,8199 ,1620* Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Schutz/Pflege des Waldes -4,6879 ,0092* Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Forschung 1,8950 6,6523* Adressaten: Industrie 8,5054 ,0002** Adressaten: Forst- und Landwirtschaft -5,9658 389,8540* Adressaten: Gesellschaft 3,8140 45,3331* Policy-Option: -3,2816 0,376* 224 Luftreinhaltung Industrie Policy-Option: Luftreinhaltung Verkehr 2,2759 9,7370* Policy-Option: Tempolimit 5,0692 159,0538** Policy-Option: Forstpolitik -3,4043 ,0332** *p < .05 **p < .01 p < .001 Abbildung 9.17: Deutungsmuster Verkehr in den Massenmedien von vom 1. November 1983 bis 31.April 1986 Luftreinhaltung: Industrie Luftreinhaltung: Verkehr Tempolimit Forstpolitik Verkehr Industrie Forst- und Landwirtschaft Gesellschaft Luftverschmutzung/ Sauer Niederschlag Ökologie Ökonomie Schutz/Pflege des Waldes Forschung Ursache Folgen Adressanten Policy-Option Verursacher Lösung - + + + +_ + + _ _ _ _ + 225 Im Vergleich zum Deutungsmuster in der Bewegungskommunikation in diesem Zeitraum fällt vor allem die Differenziertheit der Deutung ins Auge: Der „Verkehr“ wird ursächlich für die „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“ verantwortlich gemacht, die Folgen werden im „ökologischen Bereich“ gesehen, staatliche Steuerung wird in dem Bereich „Luftreinhaltung Verkehr“ und in Verordnungen zum „Tempolimit“ thematisiert. Schließlich ist noch eine starke, presseöffentliche Beschäftigung mit der Forderung nach „Forschung“ festzustellen - ebenfalls ein Befund, der sich mit den bisherigen Erkenntnissen deckt. Als Adressaten für die Problembearbeitung werden im Deutungsmuster der Zeitungsberichterstattung noch die „Gesellschaft“ und die „Industrie“ eingebunden. Tabelle 9.21: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Rahmung des Verursachers „Kraftwerke“ in den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. „Kraftwerke thematisiert“ N 151 Initial 2 Log Likelihood 103.299 Chi2 78.962*** Mc Fadden’s Pseudo R2 .581 B Exp(B) Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Energie 3,5580 35,0928* Policy-Option: Luftreinhaltung Kraftwerke 5,2394 188,5532** * Policy-Option: Forstpolitik -1,3320 ,2639* *p < .05 **p < .01 p < .001 226 Abbildung 9.18: Deutungsmuster Kraftwerk in den Massenmedien von vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 Dagegen fällt die Schlichtheit der vorherrschenden Deutung des Verursachers „Kraftwerke“ in der massenmedialen Berichterstattung auf, die im Prinzip besagt, dass allgemeine Lösungen für den Verursacher-Komplex „Kraftwerksbetreiber“ im „Bereich Energie“ sowie in den politischen Instrumenten in den Bereichen „Luftreinhaltung Kraftwerke“ zu finden sind. Die Schlichtheit der Deutung mag auch ein Zeichen für den allgemein geringen Aufmerksamkeitswert sein, welche die Kraftwerksbetreiber in diesem Beobachtungszeitraum in der Zeitungsberichterstattung haben. Zusammenfassung Zusammenfassend zeigt sich auch bei der Analyse der Presseinhalte eine deutliche Aufmerksamkeitsverschiebung in den Problemdefinitionen. Allerdings ist bei einigen Aspekten - wie auch schon in der Bewegungskommunikation - auf ein erstaunliches Stück journalistischer Routine zu verweisen: Das Problem „Waldsterben“ wird über den gesamten Beobachtungszeitraum mehr oder weniger dramatisiert und kritisch dargestellt. Von einer sachlich zurückhaltenden Berichterstattung, zumal vor dem Hintergrund ungeklärter Ursachen und Folgen, kann nicht gesprochen werden. Auch fällt auf, dass in der Zeitungsberichterstattung hauptsächlich der Staat für die Problembearbeitung verantwortlich gemacht wird. Ansonsten kann man von einer sichtbaren Verschiebung der journalistischen Problemdefinition sprechen, welche einerseits mit der Bewegungskommunikation Parallelen aufweist, andererseits stark von dieser abweicht. In der ersten Phase von 1980 bis 1981 konzentriert sich die gesamte Zeitungsberichterstattung im Prinzip auf die „Energieversorgungsunternehmen“ und die „Industrie“ als mögliche Verursacher der „Luftverschmutzung“ und dem „Sauren Niederschlag“; hingegen erreicht die „Forst- und Landwirtschaft“ in diesem Zeitraum kaum mediale Aufmerksamkeit und wenn, dann wird die „Forst- und Landwirtschaft“ als Verursacher der „Luftverschmutzung“ diskutiert und nicht wie in der Bewegungskommunikation für die „Bodenbelastung“ verantwortlich gemacht. Interessant auch, dass in diesem Beobachtungszeitraum das Thema Luftreinhaltung: Kraftwerke Forstpolitik Kraftwerke Energie Verursacher Lösungsmöglichkeit Policy-Optionen + + - 227 „Waldsterben“ nicht primär als „ökologisches“ Problem in der Presseberichterstattung behandelt wird, sondern primär als „ökonomische“ Misere. Auffällig ist auch, dass die „Forschung“ als Lösungsoption sowie als Adressat in der Zeitungsberichterstattung wesentlich öfter behandelt wird als in den Mitgliederzeitschriften der Ökologiebewegung. Für die Journalisten sind - gerade in der Anfangsphase des Untersuchungszeitraumes - die Ursachen und die Lösungsmöglichkeit für das Problem „Waldsterben“ offensichtlich völlig ungeklärt. Dies ist in Bezug auf die Verursacher aber nicht immer zu konstatieren: In der presseöffentlichen Beschäftigung mit den „Kraftwerksbetreibern“ wird wissenschaftliche Forschung nicht thematisiert. Ab 1983 - also in der zweiten Phase - ist eine Intensivierung der presseöffentlichen Beschäftigung mit dem „Verkehr“ als Verursacher der „Luftverschmutzung“ und dem „Sauren Niederschlag“ festzustellen, welche bis zum Ende des Beobachtungszeitraums einen Schwerpunkt der Presseberichterstattung bildet. Erwähnenswert ist, dass der „Verkehr“ als möglicher Verursacher ein Jahr früher in der Zeitungsberichterstattung intensiver diskutiert wird als in den Mitgliederzeitschriften der Bewegungsorganisationen. Dies gilt entsprechend für administrative Maßnahmen - etwa „Tempolimit“ oder die „Einführung des Katalysators“ - in diesem Bereich. Im Gegensatz zur Bewegungskommunikation nehmen die „Energieversorgungsunternehmen“ nicht mehr einen so breiten Raum in der Zeitungsberichterstattung ein. Auch staatliche Steuerung wird in Bezug auf die „Kraftwerksbetreiber“ in der Berichterstattung nicht mehr gefordert. Auffällig auch, dass in der presseöffentlichen Beschäftigung mit dem Thema, im Gegensatz zur Bewegungskommunikation, kaum Informationspolitik - d. h. weiche Steuerungsinstrumente wie etwa Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit oder Dialoginitiativen - gefordert wird. In der Berichterstattung überwiegen regulative Maßnahmen. Allerdings ist in der journalistischen Wahrnehmung das Problem „Waldsterben“ seit dieser Phase ein primär „ökologisches Problem“; insofern gleichen sich die Deutungsmuster zwischen Ökologiebewegung und Zeitungsberichterstattung an. In der letzten Phase des Beobachtungszeitraumes, ab 1986, wird die Presseberichterstattung wieder etwas fluider; zwar stehen der „Verkehr“ sowie staatliche Steuerungsinstrumente in diesem Komplex weiterhin im Mittelpunkt der Berichterstattung, aber die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie „Industrie“ und „die Energieversorgungsunternehmen“ können wieder mit einem gewissen Grad an medialer Aufmerksamkeit rechnen. Entsprechend werden auch in diesem Bereich administrative Maßnahmen thematisiert. Wenden wir uns nachstehend den Deutungsmustern im Deutschen Bundestag zu. 228 5.1 Entwicklung der Deutungsmuster und Policy-Optionen im Deutschen Bundestag Abbildung 9.19: Dimension „Intensität“ auf der Agenda des Parlament 229 Problem -Intens ität Parlam ents -Agenda N =3 03 JA HR 199019891988198719 86198 5198 4198 319821981 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Int ensit ät Zunah m e S t i l l st and R üc k g ang k e ine N enn ung Eine „Zunahme“ der Schäden nimmt auf der Parlamentsagenda - im Grunde genommen - nur zu Anfang des Thematisierungsprozesses eine wichtige Stellung ein. Das Niveau bleibt aber mit Werten zwischen 11 Prozent (1988) und 53 Prozent (1983) weit unter den beiden Agenden im vorpolitischen Raum. „Rückgang“ oder „Stillstand“ der Schäden nehmen im Vergleich zur Diskussion in den Bewegungsorganisationen und der Zeitungsberichterstattung einen etwas breiteren Raum ein. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Intensität des Problems „Waldsterben“ auf der parlamentarischen Agenda eine untergeordnete Rolle spielt. In der überwiegenden Zahl der Fälle wurde in der parlamentarischen Debatte die Intensität des Problems überhaupt nicht thematisiert. Dass die Akteure im Zentrum des politischen Systems eine Dramatisierung eher in den Hintergrund stellen, ist durchaus plausibel. Es kann davon ausgegangen werden, dass nach der Erkennung des Sachverhaltes als Problem die politischen Akteure ihr Kommunikationsverhalten eher auf andere Aspekte verlegen, als die Dringlichkeit des Problems in den Vordergrund zu stellen. Wie zu erkennen ist, hat vor allem in den ersten beiden Phasen bis 1982 das Thema „Waldsterben“ im Parlament eine dramatisierende Komponente. Nachdem sich das Problem etabliert hat, geht diese Dramatisierung zurück. Dies wird vor allem in den Phasen 3 und 4 deutlich (bis etwa 1986), denn in der Hauptthematisierungsphase ist zwar eine zunehmende Dramatisierung zu verzeichnen, jedoch erreicht diese nicht den Status der Anfangsphase. In der Diskussion im Deutschen Bundestag sind insgesamt mehr policy-orientierte - also sachbezogene Aussagen - zu erwarten (Gerhards 1996, 83ff.). Außerdem müssen sich politische Akteure legitimieren. Dazu gehören Aussagen zum Sachverhalt, die an der Kompetenz zur Lösung des Problems keinen Zweifel aufkommen lassen. Abbildung 9.20: Dimension „Ursache“ auf der Agenda des Parlamentes 230 Problem -Urs achen Parlam ents -Agenda N =3 03 JA HR 199 01989198 81987198619 85198419 831982198 1 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Ursachen Ex t r em - K l im a M ik r oo r g an i sm en / P i l z e / Wi ld / K ä f e r L u f t v e r sc h m u t z u ng S a ur e N ied e r sc h läge B o denb e last ung Fo r st l i c he M aßn ahm en Schon in der ersten Phase besitzt die Ursache „Luftverschmutzung“ auf der parlamentarischen Agenda den Status der Primärursache. Hier zeigen sich Ähnlichkeiten zur Zeitungsberichterstattung. Lediglich die „Sauren Niederschläge“ erreichen Aufmerksamkeit. In der zweiten Phase wird die Diskussion um die Ursachen im Parlament intensiver. Die „Sauren Niederschläge“ nehmen breiteren Raum ein, auch „Mikroorganismen, Wild etc.“ erlangen einige Relevanz. Die „Luftverschmutzung“ wird im Deutschen Bundestag jedoch weiterhin als Hauptursache thematisiert. In der dritten und vierten Phase bis 1986 ändert sich daran nichts; eine Konkurrenz in der Thematisierung der Ursachen findet im Grunde nicht statt. Erst in der Endphase (1987) kann die Ursache „Mikroorganismen, Wild etc.“ der „Luftverschmutzung“ einige Konkurrenz bereiten. Hier zeigen sich erneut einige Parallelen zur Presseagenda. An dem Status der Primärursache „Luftverschmutzung“ ändert sich über alle Phasen jedoch nichts. Die Diskussion um die Ursachen weist auf der parlamentarischen Agenda somit weniger Schattierungen auf als in der Presseberichterstattung und den Mitgliederzeitschriften der Ökologiebewegung. Abbildung 9.21: Dimension „Verursacher“ auf der Agenda des Parlamentes 231 Problem -Verurs acher Parlam ents -Agenda N =303 JA HR 19901989198 81987198619 851984198319 821981 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 V erursacher Fo r st - / La ndw i r t - sc ha f t Ve r k eh r Gese l l sc h a f t Ind ust r i e S c had st o f f im po r t K r a f t w e r k e Die parlamentarische Agenda zeigt im Vergleich zur Zeitungsberichterstattung und zur Bewegungskommunikation wiederum ein völlig anderes Bild. In der ersten Phase ist im Gegensatz zu den Agenden im vorpolitischen Raum der „Verkehr“ bereits primärer Verursacher. Diese Position wird in der zweiten Phase (1982) von dem Verursacher „Schadstoffimporte“ eingenommen, somit geht die Schuldzuweisung für das bis dato ungelöste Problem in erster Linie an das Ausland. 1983 liegen die Verursacher „Verkehr“ und „Kraftwerke“ fast gleich auf und nehmen zusammen die beiden Spitzenpositionen ein. Somit konkurrieren in den ersten beiden Phasen unterschiedliche Kausalattributierungen in der parlamentarischen Behandlung des Themas, die auch bei den Bewegungsorganisationen und in der Presseberichterstattung zu beobachten sind. In der dritten und vierten Phase (von 1984 bis 1986) dominiert der „Verkehr“ die Verursacherdiskussion auf der parlamentarischen Agenda wie auch auf den beiden anderen Agenden. In der Endphase wird die parlamentarische Deutung des Themas wieder etwas fluider. Bemerkenswert sind dahingehend die Ergebnisse der Jahre 1988-90, da im Parlament lediglich „Industrie“, „Forst- und Landwirtschaft“ sowie der „Verkehr“ thematisiert werden. Insgesamt zeigt die Diskussion auf der parlamentarischen Agenda im Vergleich zu den Agenden im vorpolitischen Raum ein ähnliches Bild, was die Phasen drei und vier betrifft. Bei allen Agenden wird in dieser Zeit überwiegend das Problem durch den Verursacher „Verkehr“ definiert. Unterschiede bestehen vor allem in den Anfangs- und Endphasen. Rückblickend auf Abbildung 9.22 fällt noch auf, dass die „Gesellschaft“ als Gemeinschaft aller Bürger während des gesamten Beobachtungszeitraumes in der Debatte im Deutschen Bundestag kaum Aufmerksamkeit erlangt. Offensichtlich beschränken sich die Parlamentarier auf Akteure, die konkret in die Pflicht genommen werden können. Abbildung 9.22: Dimension „Folgen“ auf der Agenda des Parlamentes 232 Problem -Folgen Parlam ents -Agenda N =30 3 JA HR 1990198 9198 8198719 86198 51984198319 821981 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Fo lg en in B ereichen Ök o lo g ie Ök o nom ie / A r be i t S oz ia les/ K u l t u r Die Abgeordneten sehen in den ersten vier Phasen des Aufmerksamkeitszyklus das „Waldsterben“ als primär ökologisches Problem an. Nur in der ersten und zweiten Phase werden im Deutschen Bundestag auch mögliche „ökonomische“ Folgen ähnlich breit diskutiert. Insofern zeigen sich große Ähnlichkeiten, insbesondere zur presseöffentlichen Behandlung des Themas in diesem Zeitraum. In der Endphase wird die Deutung wieder etwas variabler: in der parlamentarischen Behandlung des Themas rücken 1987 und 1988 die „ökonomischen Folgen“, im Unterschied zu den Agenden im vorpolitischen Raum, deutlich in den Blickpunkt. Die „soziokulturellen Folgen“ spielen in dem gesamten Untersuchungszeitraum eine untergeordnete Rolle. Abbildung 9.23: Dimension „Allgemeine Lösungsvorschläge“ auf der Agenda des Parlamentes Problem -Lös ungs vors chläge Parlam ents -Agenda N =303 A u f d ie Ein t e i lu ng de r P r o z en t w e r t e i st h ie r besonde r s z u ac h t en JA HR 199019 8919881987198 6198519 84198 31982198 1 Pr oz en t d er F äl le 2 ,5 2 ,0 1,5 1,0 ,5 0 ,0 Lö sung svo rschläg e Ver k eh r Ene r g ie In f o r m a t ion Lu f t r e in ha l t un g Wa ld sc h u t z / - p f l ege Fo r sc h ung Angesichts der Thematisierung der generellen Lösungsvorschläge auf der Parlamentsagenda erübrigt sich ein Vergleich mit der Diskussion in den Bewegungsorganisationen und der Zeitungsberichterstattung. In der parlamentarischen 233 Debatte wurden fast ausschließlich konkrete, politische Maßnahmen thematisiert und debattiert. Dies ist ja auch höchst plausibel, weil der Bundestag Probleme in der Regel lösungsorientiert berät. So wurden in fast allen untersuchten Bundesdrucksachen, auch in solchen, die nicht unmittelbar entscheidungsorientiert sind, wie etwa große und kleine Anfragen, konkrete politische Maßnahmen thematisiert. Lediglich 1983, also in der zweiten Phase des Aufmerksamkeitszyklus, spielen generelle Forderungen und Lösungsvorschläge eine Rolle, die aber angesichts der geringen Prozentwerte zu vernachlässigen sind. Hier zeigt sich, dass im Zentrum des Entscheidungssystems eher Aussagen getroffen werden, die sich mehr auf konkrete Policies beziehen (Gerhards 1996, 83ff.). Abbildung 9.24: Dimension „Adressaten“ auf der Agenda des Parlamentes Problem -Adres s aten Parlam ents -Agenda N =3 03 JA HR 199019 89198 8198719 86198 51984198319 821981 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 A d ressaten Indu st r i e K r a f t w e r k e Wissensc ha f t U m w e l t bew eg ung P o l i t i k / S t aa t / Ve r w a l t ung Fo r st - / La ndw i r t - sc ha f t Ge se l l sc h a f t Die parlamentarische Agenda zeigt eine eindeutige Zuweisung des Problems an den „Staat“. Andere Adressaten als Politik, Staat und Verwaltung kommen im Grunde nicht vor; eine Konkurrenz in der Zuweisung des Problems findet somit nicht statt. In diesen Befunden spiegelt sich offensichtlich die Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments wider (vgl. Kapitel 6.2.): Die Opposition versucht die Regierung bzw. die Mehrheitsfraktion für mögliche Fehlentwicklung verantwortlich zu machen und eigene Politikvorschläge zu propagieren. Diese versucht ihrerseits, ihr Handeln zu legitimieren, indem sie entsprechende Lösungsoptionen aufzeigt. Abbildung 9.25: Dimension „Policy-Optionen“ auf der Agenda des Parlamentes 234 Policy-Options Parlam ents -Agenda N =303 JA HR 19 90198 91988198 719861985198 4198319 821981 Pr oz en t d er F äl le 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Po licy-Op t io ns Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k In dust r i e Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k K r a f t w e r k e Lu f t r e in ha l t ep o l i t i k Ve r k eh r Ve r k eh r spo l i t i k In f o r m a t i onspo l i t i k Tem po l im i t Ene r g iepo l i t i k Fo r st p o l i t i k Fo r sc h ungspo l i t i k Die Unterschiede im Thematisierungsprozess der Policy-Optionen zwischen der parlamentarischen Agenda und den beiden Agenden im vorpolitischen Raum sind offensichtlich. Der Diskussionsprozess wird in der parlamentarischen Debatte im Grunde von der „Forschungspolitik“ dominiert. Wenn man sich diesen Befund vor dem Hintergrund der ungeklärten und nicht gänzlich erforschten Ursachenfrage ansieht, überrascht dies nicht. Nur in der zweiten Phase genießen die Optionen „Luftreinhaltung Industrie“ bzw. „Luftreinhaltung Kraftwerke“ (1982) sowie in der Endphase die „Forstpolitik“ (1988) eine hohen Aufmerksamkeitswert in der parlamentarischen Debatte. Bemerkenswert ist, dass die Thematisierung der Luftreinhaltung im Bereich „Verkehr“ auf der parlamentarischen und der Presseagenda zum etwa gleichen Zeitpunkt (1982) beginnt. Auffällig ist aber vor allem, dass die Diskussion über ein „Tempolimit“ im Deutschen Bundestag noch in der zweiten Phase (1983) und somit ein Jahr früher als in den Diskussionen der Presseberichterstattung und der Ökologiebewegung (1984) beginnt. Eine weitere Differenz betrifft die „Luftreinhaltepolitik Industrie“, welche in der dritten Phase noch einmal intensiv im Parlament behandelt wird, während sie in der Zeitungsberichterstattung und in der Bewegungskommunikation im Grunde keine Rolle mehr spielt. * Im Folgenden soll wieder der Zusammenhang zwischen einzelnen Komponenten der Deutungsmuster betrachtet werden. Auch in diesem Fall gilt der erste Blick den Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 wieder. 235 Tabelle 9.22: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern: Pearson Corr im deutschen Bundestag vom 1. Januar 1980 bis 1. Oktober 1983 (N = 94) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saurer Niederschlag .287** .287** .217* .343** Bodenbelastung .245* .340** .340** Extrem Klima Mikroorganismen Forstliche Maßnahmen * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Offensichtlich ist in diesem ersten Untersuchungszeitraum der Thematisierung die parlamentarische Behandlung des Themas sehr viel differenzierter als auf der Bewegungs- und auf der massenmedialen Agenda. „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ wird signifikant häufig im Zusammenhang mit der „Industrie“, den „Schadstoffimporten“, den „Kraftwerksbetreibern“ sowie dem „Verkehr“ genannt. Dasselbe gilt für die „Bodenbelastung“ als Ursache des „Waldsterbens“, welche überzufällig häufig mit den Problemverursachern „Industrie“ und „Forst- und Landwirtschaft“ genannt wird. Die parlamentarische Debatte des Themas ist sehr viel breiter gefasst, während in der Zeitungsberichterstattung sowie der Bewegungskommunikation in dieser Phase einzelne Verursacher, wie etwa die „Kraftwerksbetreiber“ und die „Forst- und Landwirtschaft“, fokussiert werden. Auffällig auch, dass - im Gegensatz zur Bewegungskommunikation und der Zeitungsberichterstattung - bereits der „Verkehr“ als Verursacher für die „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ genannt wird. Die „Gesellschaft“ wird für die „Bodenbelastung“ verantwortlich gemacht, wenn sie - was nach der deskriptiven Analyse selten der Fall ist - in der parlamentarischen Debatte thematisiert wird. Die folgende Matrix 9.23 der Rangkorrelationen gibt den Zusammenhang zwischen der Nennung von Ursache und Verursachern in der zweiten Phase vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 wieder. Tabelle 9.23: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern: Pearson Corr im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 (N = 154) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saurer Niederschlag .219** -.179* .195* .273** .433*** Bodenbelastung .219** .395*** Extrem Klima Mikroorganismen Forstliche Maßnahmen * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 236 Abbildung 9.24 macht bei zurückhaltender Interpretation deutlich, dass die Agenda des deutschen Bundestages bezüglich auf die Nennung von Ursache und Verursacher augenscheinlich relativ stabil geblieben ist und sich kaum wandlungsfähig zeigt: Sowohl was die Verursacher von „Luftverschmutzung/Sauren Niederschlag“ angeht, als auch in Bezug auf die „Bodenbelastung“ werden fast keine neuen Problemverursacher signifikant häufig genannt. Ebenso fallen fast keine Akteure aus dem Deutungsmuster der parlamentarischen Agenda heraus. Lediglich die „Gesellschaft“ wird nicht mehr signifikant häufig im Zusammenhang mit der „Bodenbelastung“ genannt. Auf die massenmediale und auf die Bewegungskommunikation rückblickend, gleichen sich die Deutungsmuster in dieser Phase an, weil sich auch in der Zeitungsberichterstattung und in den Mitgliederzeitschriften der Bewegungsorganisationen in diesem Beobachtungszeitraum die Deutungsmuster differenziert haben, allerdings mit einem Schwerpunkt auf dem „Verkehr“ als möglichen Verursacher der „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“. Die gleiche Entwicklung lässt sich für die parlamentarische Debatte zu dem Problem beobachten. Der Zusammenhang zwischen „Verkehr“ und „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ ist stark und hoch signifikant. Trotz diesem Aufmerksamkeitsschwerpunkt auf den „Verkehr“ wirkt die parlamentarische Problemwahrnehmung auch in dieser Phase differenzierter als in der Presseberichterstattung. Die anschließende Betrachtung bezieht sich wiederum auf den letzten Untersuchungszeitraum. Tabelle 9.24: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern: Pearson Corr im deutschen Bundestag vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1989 (N = 55) Problemverursacher Ursache Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimport Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Luftverschmutzung Saurer Niederschlag .290* .363** .456*** Bodenbelastung Extrem Klima Mikroorganismen Forstliche Maßnahmen .439** -.317* * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Wie auch schon in anderen Phasen wirkt die parlamentarische Diskussion zu dem Thema „Waldsterben“ ausgeglichen, wenig fokussiert und nicht so fluide wie die Zeitungsberichterstattung und die Bewegungsorganisationen. Auffällig zur letzten Phase ist lediglich, dass die „Schadstoffimporte“ nicht mehr signifikant häufig mit der „Luftverschmutzung/Saurem Niederschlag“ in Zusammenhang gebracht werden und die Bodenbelastung nicht mehr überzufällig mit einem Verursacher genannt wird. Die folgende Tabelle 9.25 der Rangkorrelationen gibt den Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressaten in dem ersten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 wieder. 237 Tabelle 9.25: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressaten im deutschen Bundestag vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983: Pearson Corr in der Bewegungsarena (N = 94) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat Industrie .285** .283* Forst- und Landwirtschaft .285** Kraftwerk .213* Gesellschaft Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Das Ergebnis ist insofern erstaunlich, als zu erwarten gewesen wäre, dass die Parlamentarier sich selbst und die Regierung in die Pflicht nehmen. Stattdessen werden die identifizierten Problemverursacher in die Pflicht genommen, allen voran die „Industrie“. An sie werden Probleme im Zusammenhang mit Miseren, welche sie selbst verursacht hat, adressiert, aber auch Probleme, welche auf den „Verkehr“ zurückzuführen sind. Die letztgenannte Korrelation spiegelt bereits die Diskussion über die Einführung eines Katalysators im Deutschen Bundestages wider, welche in der Zeitungsberichterstattung und der Bewegungskommunikation in diesem Zeitraum noch keine Relevanz besitzt. Als dritte Adressaten spielen die „Kraftwerksbetreiber“ wie auch die „Forst- und Landwirtschaft“ in den Problemdeutungen im Deutschen Bundestag eine Rolle im Zusammenhang mit Problemen, welche die genannten Verursacher selbst bewirkt haben. Rückblickend auf die Tabelle 9.26 sei noch vor einer Fehlinterpretation gewarnt: Der „Staat“ wird in der parlamentarischen Diskussion selbstverständlich nicht aus der Verantwortung genommen, darauf verweist die deskriptive Analyse; vielmehr wird er nicht signifikant häufig mit einem bestimmten Problemverursacher genannt. Auffällig zu den Deutungen auf den beiden Agenden im vorpolitischen Raum ist - und das ist nach dem bisher Gesagten nicht weiter erstaunlich - dass die parlamentarische Debatte zu dem Thema bereits in dieser Phase wenig fokussiert ist und alle maßgeblichen Verursacher bereits zusammen mit einem Adressaten genannt werden. 238 Tabelle 9.26: Zusammenhang zwischen Verursachern und der Nennung von Adressaten: Pearson Corr im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 (N = 154) Problemverursacher Adressaten Industrie Forst- und Landwirtschaft Schadstoffimpor t Kraftwerke Verkehr Gesellschaft Politik/Staat Industrie .175* Forst- und Landwirtschaft Kraftwerk .226** Gesellschaft Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Inhaltlich verändert sich das Deutungsmuster insofern, als die „Industrie“ und die „Forst- und Landwirtschaft“ nicht mehr überzufällig mit sich selbst als Adressaten genannt werden. Vergleicht man die parlamentarische Wahrnehmung des Problems wiederum mit der Zeitungsberichterstattung und der Bewegungskommunikation in diesem Untersuchungszeitraum, so fällt neben einer Angleichung der Deutung auf, dass auf den beiden Agenden im vorpolitischen Raum Forderungen nach Problembearbeitung signifikant häufig an die „Gesellschaft“ selbst thematisiert werden - ein Sachverhalt, welcher nach den bisherigen Befunden nicht weiter erstaunt. Die tabellarische Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Nennung von Verursachern und Adressaten im Deutschen Bundestag für die letzte Phase vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1989 muss hier entfallen, weil in allen Fällen (100 Prozent) der Staat als Adressat genannt wird. Auf Grund einer solchen Datenstruktur macht die Berechnung einer linearen Abhängigkeit offensichtlich wenig Sinn, weil eine Variable, nämlich der Adressat „Staat“, konstant ist, d. h. in allen Bundesdrucksachen nennen sich die Parlamentarier selbst als Adressant. Widmen wir uns im Folgenden der in den Drucksachen des Deutschen Bundestages sichtbar werdenden parlamentarischen Wahrnehmung des Problems „Waldsterben“ in Bezug auf die Nennung von Adressaten und Policy-Optionen. Für den ersten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 kann die tabellarische Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Nennung von Adressaten und Policy- Optionen im Deutschen Bundestag entfallen, weil wegen der geringen Fallzahl sich nur eine signifikante Korrelation errechnet, so dass sich hierfür eine umfassende Aufstellung erübrigt. Einen überzufälligen Zusammenhang gibt es lediglich zwischen der „Industrie“ als Adressat und der Policy-Option „Luftreinhaltungspolitik Industrie“ (.238*). Die nachstehende Tabelle 9.27 gibt den Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis zum 31. April 1986. 239 Tabelle 9.27: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis zum 31. April 1986: Pearson Corr im deutschen Bundestag (N =154) Policy-Optionen Adressaten Luftrei nhaltep olitik Industr ie Luftreinhalt epolitik Kraftwerke Luftreinha ltepolitik Verkehr Tempoli mit Verkeh rspoliti k Energiep olitik Forstpoli tik Forschun gspolitik Informat ionspoliti k Politik/Staat Industrie .265** .233** Forst- und Landwirtschaft Kraftwerk .187* Gesellschaft Wissenschaften Umweltbewegung * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Offensichtlich rückt auch bei der parlamentarischen Behandlung des Themas „Waldsterben“ der „Verkehr“ mehr in der Mittelpunkt. So wird die „Industrie“ überzufällig häufig als Adressat für Lösungsbemühungen in der „Luftreinhaltepolitik Verkehr“ und bei dem „Tempolimit“ angesprochen. Einen zweiten Aufmerksamkeitsschwerpunkt bilden in dieser Hauptthematisierungsphase wiederum die „Kraftwerksbetreiber“, welche als Forderungsadressaten für Gesetzesmaßnahmen in eigener Sache angesprochen werden. Im Vergleich zur Zeitungsberichterstattung in diesem Beobachtungszeitraum ist eminent, dass der Staat und seine Institutionen wiederum nicht signifikant häufig mit einer Policy-Option genannt werden. Dies liegt nicht daran, dass sich die Parlamentarier aus der Verantwortung nehmen, sondern vielmehr an der Datenstruktur: Der Staat wird in fast allen parlamentarischen Handlungen genannt, folglich kann er kaum mit einem Verursacher linear steigen bzw. fallen. Die tabellarische Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Nennung von Adressaten und Policy-Optionen im Deutschen Bundestag muss auch hier für den letzten Untersuchungszeitraum entfallen, weil wiederum in allen Fällen (100 Prozent) der Staat als Adressat genannt wird. An die letztgenannten Befunde schließt wiederum, wie auch bei den anderen Akteuren, die LOGIT-Analyse an. Für den Verursacher „Verkehr“ sowie für die „Kraftwerksbetreiber“ konnten erneut für die zweite Phase vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 wieder LOGIT-Modelle berechnet werden. 240 Tabelle 9.28: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung des Verursacher „Verkehr“ im Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. „Verkehr thematisiert“ N 154 Initial 2 Log Likelihood 121.668 Chi2 87.496*** Mc Fadden’s Pseudo R2 .587 B Exp(B) Folgen: Ökologie 2,3503 10,4887* Allgemeine Lösungsmöglichkeit: Schutz/Pflege des Waldes -4,6879 ,0092* Adressaten: Politik/Staat 5,9418 ,0026** Policy-Option: Luftreinhaltung Kraftwerke -3,2169 ,0401* Policy-Option: Luftreinhaltung Verkehr 9,1508 9421,6444* ** Policy-Option: Tempolimit 9,1079 9026,7601* * Policy-Option: Forschungspolitik 3,5128 33,5416* *p < .05 **p < .01 p < .001 Abbildung 9.26: Deutungsmuster Verkehr im Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 Luftreinhaltung: Kraftwerke Luftreinhaltung: Verkehr Tempolimit Forschungspolitik Verkehr Politik/Staat Ökologie Schutz/Pflege des Waldes Verursacher Folgen Lösungsmöglichkeit Policy-Option Adressanten _ _ + + + + _ 241 Die in den Drucksachen sichtbar werdende parlamentarische Wahrnehmung des Themas „Waldsterben“ im Zusammenhang mit dem Verursacher „Verkehr“ ist konsistent und von daher leicht zu interpretieren: Die Parlamentarier sehen sich selbst oder die Regierung in die Pflicht genommen, Maßnahmen in Bezug auf den Verursacher „Verkehr“ zu ergreifen, um mögliche „ökologische Folgen“ abzuwehren. Inhaltlich stehen dabei administrative Maßnahmen in den Bereichen: Luftreinhaltung betreffend den „Verkehr“, das „Tempolimit“ sowie die „Forschung“ im Blickpunkt der parlamentarischen Aufmerksamkeit. Vergleicht man diese Deutung mit der entsprechenden Bewegungskommunikation sowie der massenmedialen Behandlung des Verursachers „Verkehr“, fällt die fast deckungsgleiche Deutung der Presseberichterstattung ins Auge. Die entsprechenden Deutungen der Bewegungsorganisationen fallen hingegen sehr viel schlichter aus. Lediglich Forderungen nach effektiven administrativen Maßnahmen im Bereich „Luftreinhaltung Verkehr“ werden laut. „Tempolimit“ oder „Forschung“ bilden in diesem Kontext keinen Aufmerksamkeitsschwerpunkt. Tabelle 9.29: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung des Verursachers „Kraftwerke“ in Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. „Kraftwerke thematisiert“ N 154 Initial 2 Log Likelihood 103,299 Chi2 78,962*** Mc Fadden’s Pseudo R2 .581 B Exp(B) Ursache: Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag 1,4684 4,3423* Policy-Option: Luftreinhaltung Kraftwerke 5,2394 188,5532** * Policy-Option: Tempolimit -2,3734 ,0932* *p < .05 **p < .01 p < .001 Abbildung 9.27: Deutungsmuster Kraftwerke im Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 242 Die parlamentarische Debatte über die Rolle der „Energieversorgungsunternehmen“ im Zusammenhang mit dem „Waldsterben“ beschränkt sich auf die Thematisierung von „Luftverschmutzung/Saurer Niederschlag“ sowie der „Großfeuerungsanlagenverordnung“. Andere Aspekte werden im Kontext der Energieversorgungsunternehmen nicht in dieser Phase signifikant in der parlamentarischen Debatte behandelt. Zusammenfassung Zusammenfassend lassen sich zwischen der parlamentarischen Behandlung des Themas „Waldsterben“ und der Zeitungsberichterstattung sowie der Bewegungskommunikation erhebliche Differenzen ausmachen. So wirkt die parlamentarische Debatte zum Thema über den gesamten Untersuchungszeitraum sehr viel sachorientierter als in der Zeitungsberichterstattung und in den Mitgliederzeitschriften der Bewegungskommunikation. In den meisten Bundesdrucksachen wurde die Problemintensität kaum angesprochen und in der Anfangsphase wird eine „Zunahme der Schäden“ öfter in der parlamentarischen Debatte erwähnt. Aber bereits ab 1983 setzt sich eine distanziertere Betrachtungsweise bei den Abgeordneten durch und die Dramatisierung lässt nach. Ab 1985 wird teilweise schon über einen „Rückgang der Schäden“ debattiert. Die parlamentarische Behandlung des Themas ist vom Beginn des Beobachtungszeitraums an sehr viel differenzierter als die Behandlung des Themas in der Zeitungsberichterstattung und der Bewegungskommunikation. Einzelne Verursacher werden nicht im gleichen Maße fokussiert, das gilt insbesondere für die Anfangsphase, in der schon der „Verkehr“, die „Industrie“, die „Energieversorgungsunternehmen“ und die „Schadstoffimporte“ thematisiert werden. Ein weiteres Indiz für die differenziertere Betrachtungsweise ist die Tatsache, dass die „Forschung“ über den gesamten Untersuchungszeitraum ein durchgehender Bestandteil der Problemsicht im Deutschen Bundestag ist. Was später statistisch zu zeigen sein wird, wirkt die parlamentarische Agenda durch die genannten Aspekte sehr viel stabiler und für Aufmerksamkeitsschwerpunkte einzelner Problemaspekte nicht so offen wie die Agenden der Bewegungsorganisationen und der Luftreinhaltung: Kraftwerke Tempolimit Kraftwerke Luftverschmutzung/ Sauer Niederschlag Verursacher Ursache Policy-Optionen + - + 243 Zeitungsberichterstattung. Allerdings lassen sich auch Parallelen zur presseöffentlichen Debatte und zur Bewegungskommunikation postulieren: Erwartungsgemäß sehen die Abgeordneten vor allem sich selbst bzw. die Regierung in die Pflicht genommen, wenn ein Forderungsadressat thematisiert wird. Alle drei behandelten Akteure sind stark auf den Staat und seine Institutionen als Forderungsadressat konzentriert. Wie auch in der Zeitungsberichterstattung und den Bewegungsorganisationen wird das Thema „Waldsterben“ primär als „ökologisches Problem“ behandelt. Auf den anderen Deutungsdimensionen lassen sich - zwar nicht in der Klarheit wie auf den Agenden im vorpolitischen Raum - Aufmerksamkeitsschwankungen für verschiedene Problemaspekte beobachten: Bereits 1981 fällt der Blick der Parlamentarier auf den „Verkehr“ als möglichen Verursacher der Luftverschmutzung und den Sauren Niederschlag; es folgten 1982 die „Schadstoffimporte“, die „Industrie“ sowie die „Energieversorgungsunternehmen“. Ab 1983, also bereits in der zweiten Phase, ist eine Intensivierung der parlamentarischen Beschäftigung mit dem „Verkehr“ festzustellen, welche bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes anhält. Bemerkenswert ist, dass konkrete administrative Maßnahmen in diesem Bereich, wie etwa „Tempolimit“ und die „Einführung eines Katalysators“, im Deutschen Bundestag sehr viel früher und intensiver diskutiert werden als in der Zeitungsberichterstattung und den Bewegungsorganisationen. Bis 1986 wirkt die parlamentarische Agenda sehr stabil und wenig fluide. Der Verkehr als Verursacher des „Waldsterbens“ und entsprechende administrative Maßnahmen stehen im Mittelpunkt der parlamentarischen Diskussion. Ab 1986 wird die Diskussion wieder offener: Die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Industrie“ werden in der parlamentarischen Debatte wieder öfter thematisiert. 244 8.4 Zusammenfassung Massenmedien und Problemdeutung: „Waldsterben“ Problemdeutung in den 80 er Jahren Es konnte deutlich gezeigt werden, auf welche Aspekte und zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Agenden ihre Schwerpunkte in den Problemdefinitionen setzten. Dabei konnten einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgestellt werden. Die folgende Zusammenfassung soll die prägnanten Deutungsmuster und Policy-Optionen auf den drei Agenden für jede Phase herausstellen und mit den konkreten politischen Entscheidungen verbinden. Die erste Phase 1980 bis 1981 ist noch durch sehr heterogene Deutungsmuster gekennzeichnet. In der Bewegungskommunikation und in der massenmedialen Berichterstattung wird das Problem „Waldsterben“ stark dramatisiert. Das Thema erhält langsam Aufmerksamkeit, besitzt aber noch keine klaren Konturen. Sowohl die Diskussion um die Ursachen als auch um die Verursacher ist auf den einzelnen Agenden unterschiedlich und durch konkurrierende Problemdefinitionen geprägt. Die Ursachenfaktoren werden in den Bereichen „Bodenbelastung“, „Saure Niederschläge“ und „Luftverschmutzung“ gesucht. Dabei gibt es zwischen den drei Agenden zum Teil große Unterschiede in der Häufigkeit und in der zeitlichen Abfolge der Ursachenthematisierung. In den Bewegungsorganisationen werden in der ersten Phase die „Forst- und Landwirtschaft“ sowie die „Industrie“ als Primärverursacher genannt. In der Zeitungsberichterstattung wird der „Industrie“ schon früher diese Rolle zugewiesen, zum Ende dieser Phase kommen die „Kraftwerke“ dazu. Die parlamentarische Agenda zeigt demgegenüber ein völlig anderes Bild. Hier ist in der ersten Phase der „Verkehr“ der primäre Verursacher, gefolgt von den „Kraftwerken“. Die Diskussion um die Policy- Optionen spiegelt die heterogenen Deutungsmuster in etwa wieder. Die Bereiche „Forschungs- und Forstpolitik“ werden auf allen Agenden stark thematisiert. Auf der Tagesordnung der Ökologiebewegung steht daneben noch der Bereich „Energiepolitik“; bei der Presse wird dagegen 1981 schon die „Luftreinhaltung in der Industrie“ und bei den „Kraftwerken“ gefordert. Im deutschen Bundestag wird das Thema in dieser Phase nur am 245 Rande behandelt und die Abgeordneten beschäftigen sich ausschließlich mit Fragen im Bereich „Forstpolitik“ sowie „Forschungspolitik“. Die heterogene Ursachendiskussion macht es den politischen Entscheidungsträgern scheinbar schwer, direkt auf das Problem zu reagieren. Die Entscheidungsträger zögern noch mit einer Intervention und warten weitere Forschungsergebnisse ab (Rochefort/Cobb 1993, 17). In der zweiten Phase von 1982 bis 1983 bekommt das Thema langsam Konturen. Die Deutungsmuster festigen sich, einzelne Problemaspekte rücken in den Vordergrund. Die „Luftverschmutzung“ gilt auf allen drei Agenden neben den „Sauren Niederschlägen“ als primäre Ursache für das „Waldsterben“. Auch die Verursacherdiskussion zeigt nicht mehr ein solch heterogenes Bild wie in der ersten Phase. In den Bewegungsorganisationen und in der Presseberichterstattung setzen sich in dieser Phase „Kraftwerke“ als Primärverursacher durch, gefolgt von der „Industrie“. Dem „Verkehr“ wird auf diesen beiden Agenden noch keine Aufmerksamkeit geschenkt. Ein differenzierterer Prozess ist in der parlamentarischen Diskussion zu beobachten. 1982 werden die „Schadstoffimporte“ am häufigsten thematisiert; dieser Verursacher genoss ein Jahr zuvor auf der Presseagenda hohe Aufmerksamkeit. Die „Kraftwerke“ spielen als Verursacher im Deutschen Bundestag schon 1982 eine wichtige Rolle. Im folgenden Jahr 1983 werden der „Verkehr“ und die „Kraftwerke“ am häufigsten in die parlamentarische Diskussion eingebracht. Die „Industrie“ als Verursacher erlangt keine so große Relevanz wie in der Presseberichterstattung und in der Bewegungskommunikation. Entsprechend entwickelt sich die Diskussion um die Policy-Optionen. In der Ökologiebewegung und in der Presse dominieren die Forderungen nach Luftreinhaltung in den Bereichen „Kraftwerke“ und „Industrie“. In der Zeitungsberichterstattung kann zusätzlich der Bereich Luftreinhaltung „Verkehr“ mit mehr massenmedialer Aufmerksamkeit rechnen. Dies gilt auch für die Agenda des deutschen Bundestages, allerdings sind hier einige Unterschiede festzustellen. Vor allem die „Forschungspolitik“ und auch die „Forstpolitik“ werden im Parlament stark thematisiert, außerdem beginnt dort bereits die Thematisierung eines „Tempolimits“. In der Bewegungskommunikation sowie in der journalistischen Behandlung des Themas wird zu diesem Zeitpunkt das „Tempolimit“ noch nicht erwähnt. Die konkreten Entscheidungen dieser Phase spiegeln die Diskussion um die Policy-Optionen wider. Dabei geht es vor allem um Lösungen im Bereich der Luftreinhaltung Industrie/Kraftwerke. Am 11. Oktober 1982 wird von der Bundesregierung ein Entwurf zu einer Rechtsverordnung über Großfeuerungsanlagen an die beteiligten Kreise versandt. Am 8. Dezember 1982 beschließt die Bundesregierung die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) zu novellieren: Die Immissionsgrenzwerte der TA-Luft werden bis zum Februar 1983 verschärft. Im Juni 1983 wird die Großfeuerungsanlagenverordnung für Kraftwerke erlassen. Zum Ende der Phase fallen Entscheidungen in den Bereichen „Forschungspolitik“, „Forstpolitik“ und „Luftreinhaltung Verkehr“. Im Juli 1983 beschließt die Bundesregierung, die gesetzliche Grundlage zur Einführung bleifreien Benzins zum 1. Januar 1986 zu schaffen sowie Grenzwerte für Kfz-Abgase vorzuschreiben, die der damaligen Katalysatorentechnologie entsprechen sollten. Das erste Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes wird im August 1983 beschlossen. Dieses Gesetz schafft die Grundlage für die Durchführung der Bundeswaldinventur. Am 6. September wird von der Bundesregierung das Aktionsprogramm „Rettet den Wald“ ins Leben gerufen. Ende Oktober 1983 beschließt die Regierung Kohl, die derzeit in den USA geltenden 246 Abgasgrenzwerte für PKW und Testverfahren für Katalysatoren zu übernehmen. Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen legt im November 1983 in Ergänzung zu einem Sondergutachten einen Vorschlag zur Verminderung der Stickstoffoxid-Emissionen aus Feuerungsanlagen vor. Da die Forstwirtschaft mit wachsenden wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat, beschließt der Planungsausschuss des Bundestages am 20. Dezember 1983, 20 Mio. DM für forstliche Förderungsmaßnahmen bereitzustellen. Die dritte Phase der Thematisierung (1984) ist geprägt von Deutungsmustern, in denen es zu einer Änderung in der Kausalattribution kommt. Noch in der zweiten Phase wurde vor allem auf der Bewegungs- und der massenmedialen Agenda den „Kraftwerken“ und der „Industrie“ die Rolle des primären Verursachers zugewiesen. In dieser dritten Phase erlangt jedoch der „Verkehr“ wesentlich an Bedeutung. Dabei unterscheiden sich alle drei behandelten Agenden kaum. Dennoch werden in der Bewegungskommunikation die „Energieversorgungsunternehmen“ als Verursacher der „Luftverschmutzung“ oft genannt, allerdings erfährt der „Verkehr“ auch langsam eine starke Thematisierung. In der massenmedialen Berichterstattung setzt sich hingegen der „Verkehr“ als Primärverursacher klar durch. „Kraftwerke“ und „Industrie“ erlangen dagegen nur wenig massenmediale Aufmerksamkeit. Das gleiche Bild zeigt sich in den Bundesdrucksachen des deutschen Bundestages: auch hier bestimmt der „Verkehr“ klar die Verursacherdiskussion im Parlament. Nur in wenigen parlamentarischen Handlungen werden auch die „Kraftwerke“ und „Industrie“ genannt. Dementsprechend besitzt auf allen drei Agenden die „Luftreinhaltepolitik Verkehr“ einen hohen Status. Differenzen zwischen den Agenden bestehen darin, dass die Ökologiebewegung weiter die „Luftreinhaltung Kraftwerke“ oben auf ihre Agenda setzt, die Presse hingegen ein „Tempolimit“ und die parlamentarische Agenda weiterhin die „Forschungspolitik“ präferiert. Die Diskussion um ein „Tempolimit“ kann aber auf allen Agenden an Bedeutung gewinnen. Auch in diesen Phasen spiegeln sich die Schwerpunkte der Diskussion in den Entscheidungen zum Problem wieder: Im April 1984 beschließt die Umweltministerkonferenz eine schärfere Durchsetzung der Großfeuerungsanlagenverordnung. Ziel ist die Verminderung des Stickstoffoxidausstoßes aus Großfeuerungsanlagen. Im Juni 1984 wird erneut eine Novellierung der TA-Luft angestrebt. Die folgenden Entscheidungen beziehen sich hauptsächlich auf den Bereich „Verkehr“: Im September 1984 wird von der Bundesregierung ein Konzept zur Einführung des schadstoffarmen PKWs beschlossen. Die Regierung entschließt sich im Oktober 1984 für die Durchführung eines Tempolimit-Abgas-Großversuchs. Im November 1984 wird dann ein Gesetzentwurf von der Bundesregierung verabschiedet, der sich auf die Förderung schadstoffarmer Neufahrzeuge bezieht. In der vierten Phase zwischen 1985 und 1986 hat sich ein Deutungsmuster auf allen Agenden weiter etabliert. Die Luftverschmutzung ist - wie schon in der Phase davor - eindeutig als Ursache ausgemacht und die Kausalattribution steht deutlich im Zusammenhang mit dem „Verkehr“. In der Ökologiebewegung empfängt nach wie vor der Verursacher „Kraftwerke“ hohe Aufmerksamkeit. Die Diskussion um die Policy-Optionen wird in der Ökologiebewegung zusehends heterogener; „Tempolimit“, „Luftreinhaltung Verkehr“, „Luftreinhaltung Kraftwerke“ und auch die „Forschungspolitik“ erlangen Relevanz. In der Presseberichterstattung werden hingegen hauptsächlich Lösungen im Bereich der „Forstpolitik“, aber auch im Bereich Luftreinhaltung „Verkehr“ und „Forschungspolitik“ diskutiert. Eine Dominanz zeigt sich auf der parlamentarischen Agenda 247 vor allem in der Thematisierung der Lösungen im Bereich der „Forschungspolitik“. Große Aufmerksamkeit genießen im Bundestag auch noch die Maßnahmen zur „Luftreinhaltung im Bereich Verkehr“. Auf allen drei Agenden wird aber auch der Policy-Option „Tempolimit“ viel Aufmerksamkeit geschenkt. In dieser Phase des Aufmerksamkeitszyklus fallen vor allem Entscheidungen im Bereich Verkehr. Ende März 1985 wird die Entscheidung zur steuerlichen Begünstigung von unverbleiten Kraftstoffen per Gesetz verabschiedet. Die Verordnung zur Abgassonderuntersuchung (ASU) tritt am 1. April in Kraft und Ende Mai wird ein Gesetz zur steuerlichen Förderung schadstoffarmer Pkws verabschiedet, das am 1. Januar 1986 in Kraft tritt. Im Juni 1985 entscheidet der EG-Rat über die Einführung des schadstoffarmen Kraftfahrzeugs in Europa. Im Oktober 1985 endet der Tempolimit-Abgas-Großversuch. Auf Grund der Versuchsergebnisse beschließt die Bundesregierung am 19. November 1985 ein Tempolimit nicht einzuführen. Schließlich wird Ende 1985 die zweite Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes durchgesetzt, die TA-Luft (Technische Anleitung) wird bezüglich der Sanierung von Altanlagen novelliert. In der fünften Phase des Aufmerksamkeitszyklus zeigt sich wie schon in der Anfangsphase ein sehr heterogenes Bild der Deutungsmuster. Das Problem verliert wieder an Profil, da einzelne, zuvor häufig thematisierte Problemaspekte in den Hintergrund treten. Die „Luftverschmutzung“ besitzt auf allen drei Agenden erneut überwiegend den primären Status der Ursache; jedoch ist zum Ende des Aufmerksamkeitszyklus auf allen drei Agenden ein Anstieg in der Aufmerksamkeit für die Ursache „Mikroorganismen, Wild etc.“ zu verzeichnen. Im Parlament genießt diese Ursache vor allem 1987 einen hohen Stellenwert, auf der bewegungs- und der massenmedialen Agenda ist dies überwiegend zwischen 1988 und 1990 der Fall. Für die Zeitungsberichterstattung zeigt sich des Weiteren eine im Verlauf steigende Thematisierung des Ursachenfaktors „Bodenbelastung“. Die Verursacherdiskussion ist in der Presseberichterstattung und in der Bewegungskommunikation deutlich vom „Verkehr“ bestimmt. Auf der Tagesordnung der Ökologiebewegung erhält diese Attribution aber Konkurrenz von der „Industrie“ und den „Kraftwerken“. Die kausale Verursacherzuweisung wechselt dagegen auf der Agenda des Deutschen Bundestages in dieser Phase ständig. Zunächst sind es die „Kraftwerke“ (1987), dann der „Verkehr“ und die „Industrie“ (1988), später die „Forst- und Landwirtschaft“ (1989) und schließlich erneut der „Verkehr“ (1990). In der letzten Phase zeigt sich auch ein differenzierter Diskussionsprozess bei der Frage nach konkreten Lösungen. Die Luftreinhaltung in den Bereichen „Verkehr“ und „Kraftwerke“, Maßnahmen im forstpolitischen Bereich, ein „Tempolimit“ und die „Verkehrspolitik“ besitzen abwechselnd eine Dominanz in der Ökologiebewegung. Bei der Presse werden die Optionen in den Bereichen Forstpolitik und Forschungspolitik am häufigsten thematisiert. Im Parlament verläuft die Diskussion ähnlich wie in der Presse. Auch hier besitzen vor allem die „Forst- und die Forschungspolitik“ eine dominante Stellung. Nur noch wenige Entscheidungen werden in der Endphase des Themas gefällt. Der EG-Umweltministerrat beschließt am 3. Dezember 1987 die stufenweise Einführung des schadstoffarmen Autos in der europäischen Gemeinschaft ab dem 1. Oktober 1988. Am 18. Dezember 1987 erlangt das Gesetz zur Änderung des Benzin-Blei-Gesetzes Gültigkeit. Ab dem 1. Februar 1988 ist damit der Verkauf von verbleitem Normalbenzin verboten. 248 Die Deutungsmuster und die Policy-Optionen haben sich über die einzelnen Phasen des Thematisierungsprozesses verschoben. Auf den einzelnen Agenden und zwischen den Agenden gibt es im Zeitverlauf eine Konkurrenz verschiedener Problemdefinitionen und Lösungsoptionen. Dabei konnten einige Parallelen zwischen den Agenden sowie unterschiedliche dominante Deutungsmuster nachgezeichnet werden. Wurde das „Waldsterben“ auf allen Agenden zuerst überwiegend auf die „Kraftwerke“ und die „Industrie“ zurückgeführt, war es nach einigen Entscheidungen zur Luftreinhaltung in diesen Bereichen vor allem der „Verkehr“, dem die Rolle des Primärverursachers zuteil wurde. Diese Verschiebung der Deutungsmuster spiegelt sich entsprechend in den Entscheidungen zum Problem „Waldsterben“ wider. Im folgenden Kapitel sollen die Interaktionen der Agenden hinsichtlich der Deutungsmuster und der Policy-Optionen quantifiziert werden. Es steht dabei die Frage im Vordergrund, ob die massenmediale Agenda neben der Thematisierung des „Waldsterbens“ auch einen Einfluss auf die Diskussion der Deutungsmuster und der Policy-Optionen im Deutschen Bundestag gehabt hat. 10. Massenmedien im Deutungsprozess: Wechselseitige Einflüsse von Deutungsmustern und Policy-Optionen zwischen Zeitungsberichterstattung, den Bewegungsorganisationen und dem Deutschen Bundestag Wie in dem Abschnitt zur Analyse der Thematisierung gezeigt werden konnte, gibt es zwischen den drei korporativen Akteuren Interaktionsmuster bei der Thematisierung des Problems. Zu fragen ist nun, ob sich diese Interaktionsmuster auch bei den „Deutungsmustern“ finden lassen, wie es im skizzierten, theoretischen Modell ausführlich dargelegt wurde. In der Forschung zur politischen Agenda-Bildung sowie zum „Agenda- und Policy-Agenda-Setting“ wurden auch Effekte im Hinblick auf bestimmte Attribute - namentlich Ursache, Verursacher, Adressanten, Lösungsoptionen und Policy-Optionen - eines Themas belegt (vgl. Kapitel 4 und 5). Wie auch schon in der Analyse zum Thematisierungsprozess wird in der folgenden Analyse das Modell zur empirischen Analyse zugrunde gelegt. Dieses Modell rückt die Tatsache, dass Interaktionsprozesse zwischen massenmedialer Berichterstattung auf der einen Seite und korporativen politischen Akteuren auf der anderen Seite als wechselseitiger Prozess zu fassen ist, in den Mittelpunkt der Betrachtung. Politische Akteure produzieren Ereignisse, welche von den Journalisten aufgegriffen werden. Andererseits ist zu vermuten, dass die politischen Akteure, die öffentliche Meinung nicht nur anhand demoskopischer Instrumente und konkreter Wahlergebnisse beobachten, sondern insbesondere mit Hilfe der veröffentlichten Meinung in den Massenmedien, welche als guter Indikator für die Bevölkerungspräferenzen angesehen wird. Insofern wird ein Policy-Agenda-Effekt der Massenmedien postuliert. In der neueren Forschungsliteratur wurden solche Effekte der 249 massenmedialen Kommunikation auf die politische Elite in Parlament, Regierung und Parteien nicht nur im Hinblick auf Themen, sondern auch auf bestimmte Attribute belegt. Deshalb ist generell von einem Wechselverhältnis zwischen politischen Aktivitäten und Zeitungsberichterstattung auszugehen, welches aber annahmegemäß in unterschiedlichen Phasen differierend ausgeprägt ist. In der deskriptiven Analyse der Problemdimensionen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die Veränderungen auf einer Agenda durchaus von der Thematisierung der Attribute auf einer anderen Agenda beeinflusst sein könnten. Die folgende Analyse soll spezifizieren, ob es auch Effekte zwischen der massenmedialen Agenda auf der einen Seite und der parlamentarischen sowie der Bewegungsagenda auf der anderen Seite hinsichtlich der Attribute zu dem Thema „Waldsterben“ gegeben hat. Dazu geht die folgende Analyse in vier Schritten vor: Im ersten Schritt wird die dynamische Entwicklung auf der jeweiligen Agenda dargestellt. Diese Autokorrelationen zwischen den Rangreihen einzelner Jahre ermöglichen so einen Einblick in die Stabilität und entsprechend in die Veränderung der Deutungsmuster sowie der Policy-Optionen über die Zeit. In einem zweiten Schritt werden die statischen Komponenten zwischen den Agenden dargestellt. Der Vergleich der Deutungsmuster und Policy-Optionen zwischen den Agenden zum gleichen Zeitpunkt ermöglicht die Beantwortung der Frage, ob es einen Nivellierungsprozess in den Problemdefinitionen im Verlauf der Jahre gegeben hat. Im dritten Schritt wird die dynamische Komponente zwischen den Agenden dargestellt. Dieser dynamische Zusammenhang zwischen den Agenden lässt Aussagen darüber zu, ob es zwischen der Hervorhebung bestimmter Attribute in der massenmedialen Berichterstattung und den Diskussionen in den Bewegungsorganisationen sowie dem Deutschen Bundestag einen Zusammenhang gibt.27 In einem vierten Schritt wird die Stärke der Interaktionen zwischen den Agenden und gegebenenfalls die dominante Richtung der Agenda-Interaktionen spezifiziert. Solche Strukturen können mit Hilfe zeitversetzter Überkreuzkorrelationen aufgedeckt werden. Dazu wird üblicherweise die „cross-lagged panel correlation technique“ angewandt (Rössler 1997, 105f). Die Methode wird an der entsprechenden Stelle ausführlich erläutert. 10.1. Wechselseitige Einflüsse von Deutungsmustern zum Thema „Waldsterben“ zwischen Zeitungsberichterstattung und Bewegungsorganisationen und dem Deutschen Bundestag Die Zusammenhänge der parlamentarischen, medialen sowie ökologischen Agenda hinsichtlich der Deutungsmuster wurden über Korrelationen der Ränge berechnet, die über die 36 Problemaspekte gebildet wurden. Die Werte des hier verwendeten Rangreihenkoeffizienten nach Spearman liegen zwischen -1 und +1. Je höher der absolute Zahlenwert des Koeffizienten, desto stärker ist die Beziehung zwischen den Variablen (Benninghaus 1994, 264ff.). Um dies an der folgenden Analyse zu verdeutlichen: Ein 27 Die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen zwei aufeinander folgenden Jahren erfolgte aus der Annahme heraus, dass sich Policy-Agenda-Setting-Effekte innerhalb eines Jahres zeigen. Dieser Befund zeigte sich, wie gesehen, in der Analyse der Policy-Agenda-Setting-Effekte bezüglich der Thematisierungshäufigkeit der Agenden. 250 perfekter positiver Zusammenhang, d. h. ein Wert für Spearmans rho von + 1.0, würde bedeuten, dass immer, wenn eine Deutungskomponente in der Präferenzordnung eines Akteurs - etwa der Massenmedien - um einen Platz steigt, dann steigt es auch um genau einen Platz in den Präferenzen von Akteur B, wie etwa dem Bundestag. Ein rho von .50 bedeutet dementsprechend, eine Deutungskomponente müsste zum Beispiel in der Liste der Rahmungsvariablen, über welche die Zeitungen am häufigsten berichten, um zwei Plätze nach oben steigen, um in den Präferenzen - etwa dem Bundestag - um einen Platz zu steigen. Sollte der Wert etwa rho =.33 sein, dann ist noch eine deutlichere Zunahme der entsprechenden Zeitungsberichterstattung notwendig, welche die Deutungskomponente um drei Plätze nach oben bringen müsste, damit sich in der korrespondierenden Präferenzordnung etwas verändert. Der Zusammenhang der Agenden hängt vom Umfang der jeweiligen Problem-Items auf einer Agenda ab. Gormley (1975) verglich die Agenden der politischen Eliten mit der Agenda der Medien in North Carolina (vgl. Kapitel 3.3). In dieser Querschnittsanalyse kommt der Autor zu differenzierten Ergebnissen. Bei einer Anzahl von 7 Themenfeldern in einer Rangordnung ist der Zusammenhang zwischen den Agenden mit einer Korrelation von .750 sehr hoch. Werden die Themenfelder allerdings in 25 Einzelthemen disaggregiert, liegt die Korrelation nur noch bei etwa .206. Das bedeutet, je weniger Ränge eine Rangreihe beinhaltet, desto höhere Affinitäten können sich zeigen. Dementsprechend werden die Ergebnisse durch die Anzahl der Items auf einer Agenda determiniert. Korrespondierend sind die in Abbildung 10.1 dargestellten Werte sicher zu interpretieren, da sie auf einer Grundgesamtheit von 36 Items basieren. Abbildung 10.1: Rangkorrelationen d er Deutungsmuster für alle Agenden 1980 bis 1990 251 Aus den dargestellten Abbildungen geht hervor, dass es zwischen den Deutungsmustern sowohl starke bis mittlere Autokorrelationen als auch starke bis mittlere Interaktionen zwischen den Agenden gibt. Auf der parlamentarischen Agenda schwanken die autokorrelativen Werte zwischen rs=.47 und .95, auf der Presseagenda zwischen .61 und .85 und schließlich auf der Bewegungsagenda zwischen rs=.46 und .87. Die Deutungsmuster in der parlamentarischen Debatte stellen sich dabei am stabilsten dar. Dies deutet auf einen weniger variablen Diskussionsprozess im Bundestag hin. Im Parlament werden die Deutungsmuster bis Mitte der 80er Jahre auch kontinuierlich stabiler, um dann bis zum Ende des Aufmerksamkeitszyklus kontinuierlich variabler zu werden. Ein zweites Ergebnis bringt der Vergleich der statischen Beziehungen zwischen den Agenden zum jeweils gleichen Zeitpunkt. Die Parlamentsagenda und die Presseagenda weisen tendenziell höhere Zusammenhänge auf (zwischen .35 und .84) als dies die Assoziationsmaße zwischen Presse und Ökologiebewegung zeigen (zwischen .28 und .67). Demnach waren die Deutungsprozesse in der presseöffentlichen und parlamentarischen Behandlung des Themas „Waldsterben“ stärker aufeinander bezogen. Eine Nivellierung der Deutungsmuster ist anhand der statischen Beziehungen zum gleichen Zeitpunkt sowohl zwischen der Bewegungs- und der massenmedialen Agenda als auch zwischen Presseberichterstattung und der Diskussion im Deutschen Bundestag jeweils bis 1983 zu verzeichnen. Danach geht der Zusammenhang der Agenden 1984 schlagartig zurück, steigt bis etwa 1986/87, um bis zum Ende des Aufmerksamkeitszyklus abzusinken. Der stärkere Zusammenhang zwischen der Agenda des Deutschen Bundestags und der Presseagenda spiegelt sich auch in den dynamischen Beziehungen wider. Diese schwanken im Verhältnis von Parlament und Presse zwischen rs=.42 und .85. Bei der Analyse der Beziehungen zwischen Presse und Ökologiebewegung zeigen sich niedrigere Werte zwischen .30 und .71. 80 80 85 85 85 81 81 81 86 86 86 82 82 82 87 87 87 83 83 83 88 88 88 84 84 84 89 89 89 85 85 85 90 90 90 Parlament Presse Ökologie- bewegung .70** 82** 84** 95** 67** 69** .58** .67**.84** .61** .85** .82** .82** .77** Parlament Presse Ökologie- bewegung .88** .81** .80** .50** .47** .46**.65**.74**.87**.84** .57** .42** .79** .79** .81** .82**.71**.68**.81**.79** .37**.45**.56**.50**.62** .42** .64** .68** .73** .64** .57**.70**.85**.63** *.28 .62** .65** .30* .65** .67** .58** .43** .63** * .62** .56**.57** .73** .64** .67** .73** .60** .59** .63** .43* .76** .75** .52** .43* .35* .79** .68** .58** .60** .42** .58** .52** .57** .43** .60** .56** .45** .39* .71** .29 .55** .44** .65** Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 252 Diese Befunde verdeutlichen vor allem drei Punkte: • Die massenmediale und die parlamentarische Agenda weisen höhere Ähnlichkeiten in der Definition des Problems auf und sind somit stärker aufeinander bezogen als die massenmediale und die Bewegungsagenda. • Es zeigen sich Angleichungsprozesse zwischen den Agenden im Verlauf der Aufmerksamkeit. • Es gibt auf den Agenden Stabilitätsprozesse in den Deutungsmustern. Dabei offenbart es sich, dass die parlamentarische Agenda einen kontinuierlicheren Prozess zeigt als die beiden Agenden im vorpolitischen Raum. * Diese Ergebnisse machen deutlich, dass es Zusammenhänge und Annäherungsprozesse in der Definition des Problems auf und zwischen den Agenden gegeben hat. Fraglich bleibt, ob es zwischen den Agenden Wechselbeziehungen gegeben hat und wenn ja: Welche Agenda hat in diesen dynamischen Interaktionen einen größeren Einfluss auf die Problemdefinition der jeweils anderen? Diese dynamischen Beziehungen sollen im Folgenden mit Hilfe der „Cross-lagged- Correlation“-Methode untersucht werden. Die Forschungsliteratur stellt hierfür zwei Methoden zur Verfügung: 1. Die sog. „Baseline-Statistik“, die auf Rozelle und Campbell zurückzuführen ist: Dabei werden jeweils die beiden statischen Beziehungen zwischen zwei Agenden X und Y zum gleichen Zeitpunkt t1 und die beiden Autokorrelationen auf jeweils einer Agenda zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 in die Berechnung mit einbezogen. Der Vergleich der beiden dynamischen Korrelationen mit dem Koeffizienten der Baseline erlaubt Aussagen über das Gewicht der jeweiligen Variable in der Interaktion. Die Variable, die die größte Differenz zur Baseline besitzt, hat das stärkste Gewicht. 2. Die Berechnung von „Pfadkoeffizienten“ nach Heise (1970): Hier fließen die relevanten statischen Korrelationen sowie die dynamischen Beziehungen zwischen X und Y unmittelbar in die Berechnung ein. Der Vergleich der beiden ermittelten Koeffizienten erlaubt Aussagen hinsichtlich der relativen Stärke sowie der Richtung kausaler Zusammenhänge. Dieses Verfahren berücksichtigt ebenfalls die Option einer wechselseitigen Beeinflussung. Abbildung 10.2: Berechnung von verzögerten Kreuzkorrelationen x t1 a x t2 f g f 253 c d g y t1 b y t2 Die folgende Analyse folgt der Differenzierung des Aufmerksamkeitszyklus von Downs (1972) in fünf Phasen. Die Einteilung der Phasen folgt in etwa der Einteilung jener fünf Phasen, die schon bei der deskriptiven Analyse der Thematisierung vorgenommen wurde.28 In der Vorphase der Thematisierung zeigt sich hinsichtlich der Deutungsmuster zum „Waldsterben“ eine Interaktion zwischen Bewegungs- und massenmedialer Agenda. Im Deutschen Bundestag wurde das Thema „Waldsterben“ erst 1981 behandelt. Dynamische Effekte der parlamentarischen Debatte auf die Zeitungsberichterstattung sind deshalb in diesem Beobachtungszeitraum ausgeschlossen. Abbildung 10.3: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster der drei Agenden zwischen 1980 und 1981 Die Differenzen zur Baseline =.27 in der Interaktion zwischen Presse und Ökologiebewegung unterscheiden sich deutlich stärker von f (.65, D=.38) als von e (.30, D=.03). Schon hier deutet sich an, dass das Gewicht der Interaktion auf Seiten der 28 Die Unterschiede liegen darin, dass hier die Zusammenhänge zwischen den aggregierten Jahresdaten berechnet werden und nicht die Veränderung innerhalb eines aggregierten Jahres widergespiegelt wird. g 80 80 81 81 81 Baseline =.10 Pe=.42 PF=.00 Baseline=.27 Pe=.14 Pf=.53 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr .67**.42** .61** .65** .28 .30* .57** .62** Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 254 Presseberichterstattung liegt. Ein gegenläufiger Effekt der Bewegungskommunikation auf die Zeitungsberichterstattung muss aber berücksichtigt werden. Allerdings fällt der Korrelationskoeffizient mit .30 nur schwach aus und auch das Signifikanzniveau liegt nur leicht unter p<.05. Der erste Eindruck wird durch die Pfadkoeffizienten klar bestätigt. Pf für die Presse ist mit .53 deutlich höher als Pe für die Ökologiebewegung mit .14. Außerdem bietet die nur moderate Autokorrelation auf der Ökologieagenda (rs=.57) größere Einflussmöglichkeiten der Presse. In Prozenten ausgedrückt, wird die Problemdefinition in den Bewegungsorganisationen in diesem Zeitraum zu 32 Prozent durch die Deutungsschwerpunkte der Bewegungskommunikation des jeweiligen Vorjahres festgelegt. Dieser Korrelationswert deutet darauf hin, dass es in dieser Phase eine eher starke Änderung in der Definition des Problems in den Bewegungsorganisationen gegeben hat. Die Änderung des Deutungsmusters in der Presseberichterstattung fällt demgegenüber etwas geringer aus. Immerhin werden 37 Prozent der presseöffentlichen Behandlung des Themas durch die Zeitungsberichterstattung 1980 festgelegt. In dieser Phase ist ebenfalls ein Effekt der Zeitungsberichterstattung auf die parlamentarische Debatte zu verzeichnen. Dieser ist aber mit rs=.42 bestenfalls als moderat zu bewerten. Um dieses wieder in Prozentwerten zu verdeutlichen: Die in den Drucksachen sichtbar werdende parlamentarische Wahrnehmung des Problems „Waldsterben“ weist nur zu 17 Prozent Gemeinsamkeiten mit der Zeitungsberichterstattung von 1980 auf. * Abbildung 10.4: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster der Agenden zwischen 1981 und 1983 Die Wechselbeziehung in der Diskussion um das Thema „Waldsterben“ zwischen den Bewegungsorganisationen und der Zeitungsberichterstattung wird zwischen 1981 und 1982 Baseline=.53 Pe=.29 PF=.13 Baseline =.40 Pe=-.07 PF=.60 81 81 81 82 82 82 83 83 83 Baseline=.63 Pe=.54 PF=.22 Baseline=.43 Pe=.05 Pf=.18 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .70** .82** .67** .62** .64** .63** .85** .69** .85** .68** .84** .82** .67** .79**.42** .57** .63** .65** .62** .56** 255 erneut von den Massenmedien dominiert. Die Differenzen zur Baseline, vor allem aber die Pfadkoeffizienten, zeigen ein eindeutiges Ergebnis zugunsten der Presse. Die Differenzen zwischen den dynamischen Inter-Agenda-Effekten fallen zwar etwas geringer aus als noch in der Vorphase: Ökologie e=.57, D=.17 bzw. Presse f=.63, D=.23; die Pfadkoeffizienten machen die dynamischen Effekte allerdings deutlich. Mit Pf=.60 dominiert die Presseagenda gegenüber Pe=.07 für die Bewegung. Die Deutungsmuster zum Thema „Waldsterben“ stabilisieren sich in der Zeitungsberichterstattung von 1981 bis Ende 1982, d. h. von 1981 auf 1982 ändert sich das Deutungsmuster der Presse weniger (rs=.85) als noch in der Vorphase (rs=.61). Immerhin werden rund 72 Prozent der journalistischen Behandlung des Themas durch die Berichterstattung des Vorjahres bestimmt. Bei der Ökologiebewegung ist eine entgegengesetzte Entwicklung zu beobachten. Hier sinkt der Autokorrelationswert von rs=.57 (Vorphase 1980 - 1981) auf rs=.42. Das bedeutet, dass es von 1981 auf 1982 eine noch größere Veränderung im Deutungsmuster gegeben hat, als vorher zu beobachten war. Die Bewegungsorganisationen beziehen sich nur noch zu 17 Prozent auf die Problemdeutung, welche 1981 in den Mitgliederzeitschriften aufgefunden wurde. Nach den bisherigen Befunden ist das der Tatsache geschult, dass der BBU in den Mobilisierungsprozess eingreift. Im Verhältnis zwischen der parlamentarischen Behandlung des Themas und der Presseberichterstattung zeigt sich ein differenzierteres Bild. Zieht man die Baseline von .53 heran, zeigt sich eine kaum sichtbare Differenz zwischen den beiden Agenden, da die dynamischen Beziehungen mit f=.64 und e=.63 fast gleich stark sind. Die Pfadkoeffizienten klären den Sachverhalt jedoch deutlich. Pe (Presse) überwiegt demnach mit .29 gegenüber Pf (Parlament) mit .13. Dies liegt an der deutlich höheren Stabilität zwischen den Deutungsmustern auf der Presseagenda (rs=.85). Die journalistische Wahrnehmung des Themas „Waldsterben“ ist danach - rein statistisch - zu etwa 75 Prozent durch die Berichterstattung des jeweiligen Vorjahres bestimmt. Die Deutungsmuster haben sich folglich in der Zeitungsberichterstattung im hohen Maße stabilisiert und variieren wenig. Die parlamentarische Agenda bietet hier mit einer Korrelation von rs=.70 höhere Einflussmöglichkeiten für einen Policy-Agenda-Setting-Effekt der Massenmedien, denn „nur“ 49 Prozent der parlamentarischen Problemdeutung sind durch die parlamentarische Behandlung des Vorjahres zu erklären. Zwischen 1982 und 1983 ändert sich im Großen und Ganzen nicht viel. Die Presseagenda kann sowohl in der Differenz zur Baseline (D=.09) als auch bei den Pfadkoeffizienten (Pf= .18) höhere Werte aufweisen als die Ökologieagenda (D=.03, Pe=.05) und ist damit erneut dominant. Die Korrelationen zwischen diesen beiden Agenden ähneln den Werten zwischen 1981 und 1982. Ein Unterschied wird jedoch deutlich: Die Stabilität zwischen den Deutungsmustern nimmt auf der Ökologieagenda stark zu (von rs=.42 auf rs=.79). Der Einfluss der Presse auf die Bewegung ist zwar größer als der Einfluss der Bewegung auf die Presse, jedoch bieten die hohen Autokorrelationen (rs=.79 und rs=.82) generell wenig Einflussmöglichkeiten. Ähnlich sieht es in diesem Zeitraum zwischen der parlamentarischen Problemwahrnehmung und der Zeitungsberichterstattung aus. Auch hier zeigt sich der Zusammenhang der Deutungsmuster auf der Parlamentsagenda deutlich stabiler (rs=.82) als noch im Zeitraum davor (rs=.70). Um dies wieder in einer Prozentzahl zu verdeutlichen: Inzwischen werden 67 Prozent der Problemwahrnehmung der Parlamentarier durch die 256 parlamentarischen Handlungen des Vorjahres bestimmt. Dennoch zeigen sowohl die ifferenzen zur Baseline als auch die Pfadkoeffizienten eine Dominanz der Presse (D=. 22, Pe=.54) gegenüber dem Parlament (D=.05, Pf=.22). Auch hier gibt es auf Grund der hohen Autokorrelationen (jeweils rs=.82) nur geringe Einflussmöglichkeiten. * Abbildung 10.5: Rangkorrelationen der Deutungsmuster und Pfadkoeffizienten aller Agenden zwischen 1983 und 1984 Die Korrelation der Deutungsmuster in der Bewegungsorganisation sowie der journalistischen Behandlung des Themas zeigt in dieser Phase ein vollkommen anderes Bild. Nun überwiegen deutlich die dynamischen Einflüsse der Ökologiebewegung. Die Differenz zur Baseline ist um .21 höher (Bewegung: D=.14), als dies bei der Presse (D=- .07) der Fall ist. Auch die Pfadkoeffizienten bestätigen die Dominanz der Ökologieagenda: Pe=.16 gegenüber Presse: Pf=-.18. Da die Autokorrelationen mit rs=.82 und rs=.79 erneut hohe Werte erreichen, gibt es aber nur geringe gegenseitige Einflussmöglichkeiten. Auch im Vergleich der Deutungsmuster zwischen Presse und Parlament ändert wendet sich das Verhältnis. Für den Deutschen Bundestag ergeben sich D=.14 und Pf=.14, für die Presse hingegen nur D=.11 und Pe= -.02. Wegen der hohen Autokorrelationswerte von rs=.82 und .84 gibt es aber ebenfalls nur geringe Effekte. Schließlich ird deutlich, dass die Stabilität der 83 83 83 84 84 84 Baseline=.59 Pe=-.02 PF=.14 Baseline=.50 Pe=.216 Pf=-.18 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .84** .73** .58** .84** .82** .70** .79** .67** .58** .43** .64** 257 Deutungsmuster auf allen drei Agenden im Vergleich zum Vorjahr nicht geringer wird; die Diskussion um die Deutungsmuster hat sich nicht sonderlich verändert. * Abbildung 10.6: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster aller Agenden zwischen 1984 und 1986 Wie zu erkennen ist, dominiert zwischen Bewegungsorganisation und Zeitungsberichterstattung wieder die Presse das wechselseitige Verhältnis. Die Differenzen zur Baseline-Statistik fallen mit .25 und .20 höher aus als für die Ökologiebewegung mit D=.04 und D=.16. Zu erkennen ist aber ebenfalls eine Angleichung der beiden Agenden hinsichtlich der dynamischen Beziehungen zwischen 1984 und 1986. Die Korrelationskoeffizienten liegen erst mit .21, später mit nur noch .04 auseinander. Dieser Nivellierungsprozess wird auch durch die Pfadkoeffizienten bestätigt: zwischen 1984 und 1985 liegt das Gewicht klar auf Seiten der Presse (Pf=.27, Pe= -.01), zwischen 1985 und 1986 ist dieses Verhältnis nicht mehr so deutlich. Mit Pf=.33 besitzt die Zeitungsberichterstattung nur ein tendenziell stärkeres Gewicht gegenüber den Bewegungsorganisationen mit Pe=.31. In dieser Phase liegt das Gewicht also leicht auf Seiten der Presseberichterstattung, die im Verlauf an Einfluss verliert. Der Grund dafür ist Baseline=.54 Pe=.03 PF=.29 Baseline =.40 Pe=-.01 PF=.27 84 84 84 85 85 85 86 86 86 Baseline=.60 Pe=.25 PF=.13 Baseline=.43 Pe=.31 Pf=.33 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .95** .88** .58** .58** .64** .57** .77** .67** .73** .60 .76** .82** .65** .84**.81** .44** .65** .43* .79** .59** 258 die wachsende Stabilität des Deutungsmusters in der Bewegung. Auch hier müssen allerdings die hohen Autokorrelationen berücksichtigt werden, die nur wenig Einflussmöglichkeiten lassen: Presse rs=.77 und .79, Ökologiebewegung rs=.81 und .84. Auf beiden Agenden hat sich im vorpolitischen Raum im Verlauf dieser Phase die Stabilität der Deutungsmuster leicht erhöht. Bei der Presse ist sie im Vergleich zur 3. Phase aber gesunken. Zwischen Presseagenda und parlamentarischer Agenda ist ein differenzierterer Prozess zu erkennen. Zwischen 1984 und 1985 ist die Stabilität der Deutungsmuster im Parlament mit rs=.95 fast perfekt, so dass hier im Grunde kaum noch Platz für einen Einfluss der Medien vorhanden ist. In Prozenten ausgedrückt, werden 90 Prozent der Vorstellungen der Parlamentarier zu dem Thema „Waldsterben“ durch die parlamentarischen Vorgänge 1984 erklärt. Offensichtlich ist die Debatte im Deutschen Bundestag inhaltlich in diesem Zeitraum hinsichtlich der Problemdeutung gefestigt. Entsprechend beeinflusst die parlamentarische Problemdeutung auch eher die Zeitungsberichterstattung: Das Gewicht in den dynamischen Beziehungen liegt hier auf Seiten des Parlamentes, welches in der Baseline-Statistik leicht höhere (D=.10 gegenüber der Presse mit D=.03) und in den Werten der Pfadkoeffizienten deutlich höhere Ergebnisse erzielt (Pf=.29 und Pe=.03). Zwischen 1985 und 1986 kippt das dynamische Verhältnis von Presse- und parlamentarischer Agenda. In der Differenz zur Baseline zeigt sich eine Dominanz der Presse (D=.13 gegenüber Parlament D=.00), die durch die Pfadkoeffizienten bestätigt wird: Pe=.25 und Pf=.13. Die Veränderung in den dynamischen Beziehungen zwischen Presse und Parlament gründet sich auf zwei Ursachen: Zum einen steigt der dynamische Einfluss der Presseagenda auf das Parlament (von rs=.57 auf rs=.73), zum anderen sinkt die Stabilität auf der Parlamentsagenda (von rs=.95 auf rs=. 88). Abbildung 10.7: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster aller Agenden zwischen 1986 und 199 Baseline=.61 Pe=.15 PF=.41 Baseline=.47 Pe=-.12 PF=.10 86 86 86 87 87 87 88 88 88 Baseline=.47 Pe=-.05 PF=.21 Baseline=.38 Pe=.15 Pf=.25 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .81** .80** .76** .62** .79** .68** .81** .75** .58** .60** .52** .68** .56** .75**.87** .43** .60** .50** .56** .45** 259 Die Diskussion über das „Waldsterben“ in den Bewegungsorganisationen wird in der Endphase eindeutig von der Presseberichterstattung beeinflusst. Zwischen 1986 und 1989 erreichen sowohl die Differenzen zur Baseline (Presse zwischen D=.13, .18 und .37 gegenüber der Bewegung mit D= -.04, .07 und .05) als auch die Pfadkoeffizienten durchweg höhere Werte (zwischen Pf=. 10 und .50 gegenüber der Bewegung mit Minimum Pe= -.12 und Maximum .15). Diese Dominanz der Presse geht mit der geringer werdenden Stabilität auf der Ökologieagenda einher, so dass sich zunehmend größere Einflussmöglichkeiten auf die Deutungsmuster der Bewegung ergeben. Im Endstadium der letzten Phase zwischen 1989 und 1990 wendet sich dieses Verhältnis. Die Ökologiebewegung überwiegt in den dynamischen Beziehungen (Pe=.23 gegenüber Pf=.10), jedoch muss hier ebenfalls die hohe Autokorrelation auf der Presseagenda berücksichtigt werden (rs=.82), die nur wenig Raum für einen Einfluss lässt. Interessant im Vergleich hinsichtlich der Stabilität beider Agenden ist, dass diese in der Ökologiebewegung stetig abnimmt, bei den Medien dagegen erst ab- und zum Schluss wieder zunimmt. Eine ähnliche wechselseitige Beziehung ist zwischen der Diskussion im Deutschen Bundestag und der Zeitungsberichterstattung zu beobachten: Zwischen 1986 und 1989 dominiert klar die Parlamentsagenda. Im Vergleich der Baseline-Differenzen liegt das Parlament sogar bis 1990 vorn; die Pfadkoeffizienten weisen jedoch nur bis 1989 höhere Ergebnisse für die Parlamentsagenda aus (zwischen Pf=.21 und .41 gegenüber der Presse mit Pe= -.05 und .22). Auch hier sinkt die Stabilität auf der Parlamentsagenda bis 1990 stetig, so dass zwischen 1989 und 1990 die Presseagenda wieder einen höheren dynamischen Einfluss auf das Parlament hat (Pe=.39 gegenüber Pf=.27). Allerdings ist der Korrelationswert dieser dynamischen Beziehung mit rs=.52 nur als moderat zu bezeichnen. Der Einfluss des Parlamentes auf die Presse überwiegt zwar im Zeitraum zwischen 1986 und 1989, allerdings zeigen sich hier zum Teil starke Autokorrelationen auf der Baseline=.29 Pe=.22 PF=.29 Baseline=.34 Pe=-.01 PF=.50 88 88 88 89 89 89 90 90 90 Baseline=.25 Pe=.39 PF=.27 Baseline=.26 Pe=.23 Pf=.10 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .50** .47** .52** .56** .58** .42** .71** .43* .52** .57** .35* .82** .37* .46**.65** .39** .71** .45** .29 .55** 260 Presseagenda (zwischen rs=.68 und .81), so dass ebenfalls nur geringe Einflüsse zu verzeichnen sind. Zusammenfassung der Analyse der Deutungsmuster Abbildung 10.8: Dominante Beziehungen und Autokorrelationen hinsichtlich der Deutungsmuster . Abbildung 10.8 zeigt die Autokorrelationen auf den Agenden sowie die stärkere dynamische Beziehung zwischen den Agenden. Je stärker die Autokorrelationen, desto weniger Einfluss kann in den dynamischen Beziehungen zur Geltung gebracht werden. Die deskriptive Analyse der Deutungsmuster zeigt, dass im Zeitverlauf einzelne Problemdefinitionen auf den Agenden miteinander konkurrieren. In der Analyse der wechselseitigen dynamischen Einflussbeziehungen zwischen den Deutungsmustern der Agenden wurde deutlich, dass die Agenden der Presse, des Parlamentes und der Ökologiebewegung auch hinsichtlich verschiedener Problemdefinitionen zum Thema „Waldsterben“ miteinander interagieren. Im Hinblick auf die Deutung eines Problems bilden die Agenden der Akteure ein Netz gegenseitiger Wechselbeziehungen. Dabei wurden 80 80 85 85 81 81 81 86 86 86 82 82 82 87 87 87 83 83 83 88 88 88 84 84 84 89 89 89 85 85 85 90 90 90 85 Parlament Presse Ökologie- bewegung Parlament Presse Ökologie- bewegung Legende: Werte für Spearmans' Rho <.50 <.70 <.90 >.90 nicht signifikant. 261 Ähnlichkeiten zur Analyse der Thematisierung sichtbar, denn auch bei der Definition des Problems dominieren in einzelnen Phasen unterschiedliche Akteure. In der ersten Phase (1980-1981) des Themenaufmerksamkeitszyklus hat die mediale Deutung des Themas „Waldsterben“ offensichtlich einen Einfluss auf die parlamentarische Diskussion zu dem Thema. Dies ist insofern nicht überraschend, weil das Thema bis dahin noch nicht im Parlament behandelt wurde; mithin keine Rückwirkungen der parlamentarischen Diskussion auf die Zeitungsberichterstattung erfolgen konnte. Im Parlament wurde mit der Deutung des Problems erst 1981 begonnen. Das Verhältnis zwischen der Diskussion in den Bewegungsorganisationen und der massenmedialen Behandlung des Themas ist in dieser frühen Phase ebenfalls von einer Dominanz der Presse geprägt. Auch in der zweiten Phase (1981-1983) bleibt die Dominanz der Pressedeutungsmuster bei einer steigenden Stabilität auf allen Agenden sowohl hinsichtlich der Diskussion in der Ökologiebewegung als auch im Bezug auf die parlamentarische Arbeit bestehen. Diese Befunde stimmen mit der Analyse der Thematisierung insofern überein, als dass auch dort - in diesem Beobachtungszeitraum - ein Einfluss der Presseberichterstattung auf die Agenda des Deutschen Bundestages belegt werden konnte. Es scheint so, als ob die Massenmedien nicht nur im starken Maße die Aufmerksamkeit für das Thema „Waldsterben“ im Parlament determinieren, sondern darüber hinaus auch einen dominanten, wenn auch durch die relativ hohen Autokorrelationen auf der Parlamentsagenda eher geringen Einfluss auf die Deutungsmuster zum Thema im Parlament haben. Das bedeutet, dass auch hinsichtlich der Deutung des Problems für den Zeitraum bis 1983 von Effekten der Zeitungsberichterstattung auf die parlamentarische Diskussion gesprochen werden kann. Dies gilt aber offensichtlich auch für die Diskussion in der Bewegungsorganisation. Die Zeitungsberichterstattung kann die Deutung des Problems in der Ökologiebewegung beeinflussen. Rückblickend auf die Resultate zum Thematisierungsprozess ist also ein interessantes Ergebnis festzuhalten: Zwar kann nach den vorliegenden Befunden die Ökologiebewegung bezüglich der Aufmerksamkeit des Themas der Presse einen größeren Input geben, die Presseberichterstattung bestimmt hingegen eher den Deutungsprozess zum Thema in der Ökologiebewegung - ein Befund, auf welchen auch schon andere Studien verwiesen (vgl. Kapitel 6.1.). Zwar hat die Ökologiebewegung das Thema in die Medienberichterstattung bringen können, allerdings erreichte sie die Aufmerksamkeit der Massenmedien nur hinsichtlich der Thematisierung, hinter welcher ihre inhaltlichen Anliegen - die Deutungsmuster - zu verschwinden drohen (vgl. auch Gerhards 1993, Kliment 1994). In der dritten Phase von 1983 bis 1984 verändern sich die dominanten Einflussbeziehungen im Bezug auf die Deutungsmuster. Sowohl die Ökologiebewegung als auch das Parlament übernehmen in den Beziehungen zur Presseagenda die dominierende Rolle. Die vierte Phase von 1984 bis 1986 stellt ein differenziertes Bild dar. Zwischen 1984 und 1985 kann das Parlament die dominierende Rolle in den dynamischen Beziehungen mit der Presse übernehmen. Darauf folgt wieder eine Dominanz der Zeitungsberichterstattung. Zwischen 1984 und 1986 wird hingegen die Diskussion in der Ökologiebewegung eher von der Presseberichterstattung bestimmt, als dass die Deutung des Themas die journalistische Behandlung des Themas beeinflussen würde. In der Analyse der Thematisierungshäufigkeit 262 zeigten sich Ergebnisse, die zum Teil mit den hier gemachten Befunden in eine Richtung deuten. So konnte dort zwischen massenmedialer und Bewegungskommunikation keine Einflussbeziehung festgestellt werden, und auch hier weisen die dynamischen Beziehungen bei den Deutungsmustern nur moderate Werte aus. Zwischen der Presseagenda und der parlamentarischen Agenda zeigte sich in der Thematisierung des Problems jedoch ein Zusammenhang innerhalb eines Monats und auch bei den Deutungsmustern zeigen sich starke Korrelationen. Demnach scheint die Analyse der mittleren Phasen des Aufmerksamkeitszyklus darauf hinzudeuten, dass es zwischen der parlamentarischen und der Presseagenda eine Interaktion, sowohl bei der Thematisierung als auch bei der Deutung des Problems gegeben hat. Die hier gemachten Ergebnisse lassen vermuten, dass es sich in diesen Phasen eher um Effekte nach Art eines Repräsentations-Modells gehandelt haben könnte. Denn nach der Verabschiedung einiger wichtiger Policies 1983 und 1984 (s. o.) zeigt sich bezüglich der dynamischen Beziehungen in den Deutungsmustern eine Dominanz der parlamentarischen Agenda. Mithin wurde die parlamentarische Deutung des Themas „Waldsterben“ von der Zeitungsberichterstattung aufgegriffen. In dieser Zeit haben sich die Deutungsmuster auf allen Agenden jedoch als äußerst stabil erwiesen, was bedeutet, dass für einen Einfluss nur wenig Raum auf den Agenden zur Verfügung stand. Auch in der Endphase (von 1986 bis 1990) beeinflusst die massenmediale Berichterstattung eher die Problemdeutung in der Ökologiebewegung, als dass die Bewegung ihre Deutung in der Berichterstattung lancieren könnte. Nur zwischen 1989 und 1990 kann die Ökologiebewegung in den dynamischen Beziehungen die Presse stärker beeinflussen. Diese Ergebnisse bestätigen die Befunde der Zeitreihenanalyse, die bezüglich der Aufmerksamkeit einen Einfluss der Presse auf die Ökologiebewegung in einem Drei- Monats-Rhythmus darlegte. Im Verhältnis zwischen parlamentarischer Agenda und der Presse gibt es im Vergleich zu den Befunden der Zeitreihenanalyse differierende Ergebnisse. Dort zeigte sich nur ein schwacher, negativer Zusammenhang innerhalb eines Monats. Die Einflussbeziehungen hinsichtlich der Deutungsmuster lassen jedoch auf einen Einfluss der parlamentarischen Agenda auf die massenmediale Agenda schließen. Somit wurde in der Presse nicht auf die Thematisierung reagiert, aber sehr wohl auf die Deutung des Problems. Dies stützt die in den mittleren Phasen gemachten Befunde, dass es sich nach der Etablierung des Themas um ein Repräsentations-Modell handeln könnte. Nachdem die Einflussbeziehungen bei den Deutungsmustern analysiert worden sind, sollen die Interaktionen der Agenden hinsichtlich der Policy-Optionen untersucht werden. Dabei wird nach der gleichen Methode vorgegangen wie schon bei den Deutungsmustern. Zunächst erfolgt die Darstellung der Rangkorrelationen und schließlich die Analyse der dominanten Einflussbeziehungen. Im Kern dieses Kapitels steht die Beantwortung einer Frage: Verlaufen die Interaktionen der Agenden bei der Thematisierung der Policy-Optionen getrennt von der Thematisierung der Deutungsmuster sowie der Thematisierung des Problems „Waldsterben“? 263 10.2. Wechselseitige Einflüsse von Policy-Optionen bei dem Thema „Waldsterben“ zwischen Zeitungsberichterstattung und Bewegungsorganisationen und dem Deutschen Bundestag Abbildung 10.9: Rangkorrelationen der Policy-Optionen für alle Agenden 1980 bis 1990 Abbildung 10.9 zeigt die Korrelationen zwischen den drei Agenden hinsichtlich der Rangfolge der Policy-Optionen.29 Die Autokorrelationen schwanken auf allen drei Agenden in hohem Maße. Auf der Ökologieagenda betragen die Werte zwischen rs=.26 und .87, auf der Presseagenda zwischen rs=.20 und .89 und schließlich auf der parlamentarischen Agenda zwischen rs=.35 und .89. Stärker als noch bei den Deutungsmustern sind hier Veränderungen zu verzeichnen. Auf der ökologischen Agenda ist dieser variable Prozess noch etwas stärker ausgeprägt als auf den anderen beiden Agenden. Hier gibt es insgesamt drei nicht-signifikante Autokorrelationen gegenüber einer auf der Presseagenda und zwei auf der parlamentarischen Agenda. Am stabilsten zeigt sich jedoch der Prozess auf der 29 Die Analyse der Policy-Optionen stützt sich auf eine Grundgesamtheit von N=10 Items. Es wurden jeweils Rangkorrelation über alle 10 Items gerechnet. 80 80 85 85 85 81 81 81 86 86 86 82 82 82 87 87 87 83 83 83 88 88 88 84 84 84 89 89 89 85 85 85 90 90 90 Parlament Presse Ökologie- bewegung .35 82** 849* 83** 46 94** .70* .87**.76* .55* .79** .76** .20 .87** Parlament Presse Ökologie- bewegung .84** .70* .35 .84** .69* .55*.77**.26.87**.70* .48 .43 .78** .55* .61* .89**.60*.70*.77**.81** .26.17.24.58.65* .81** .15 .83** .62* .66* .87**.76**.65*.85** *.81** .60 .70* .46 .78** .88** .70* .51 .83** * .95** .49.57* .64* .02 .87** .65* .64* .13 .62* .51 .53* .55 .52** .43* .88** .59 .68* .59* .68* .52 .73** .91** .55 .56* .51 .27 .77** .07 .55* .37 .29 .44 .63* Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 264 Parlamentsagenda zwischen 1982 und 1986. Die Affinitätsmaße schwanken in diesem Zeitraum nur zwischen rs=.82 und .89. Die politischen Maßnahmen zum Problem „Waldsterben“ in den Bundesdrucksachen werden zu rund 73 Prozent durch die Thematisierung von administrativen Maßnahmen des Vorjahres bestimmt. In dieser Zeit sind, wie bereits beschrieben, auch die meisten Entscheidungen zur Lösung des Problems gefallen. Das lässt darauf schließen, dass die Definition der Lösungen zum Problem auf der parlamentarischen Agenda in den entscheidenden Zeiträumen eher wenig von der massenmedialen Berichterstattung zu dem Thema beeinflusst werden konnte. Zwischen den Agenden im vorpolitischen Raum gibt es insgesamt nur fünf signifikante Korrelationen zum gleichen Zeitpunkt. Für das Verhältnis zwischen Parlament und Presse sieht dies schon etwas anders aus. Obwohl eine Korrelation der Agenden 1980 auf Grund der Nicht- Thematisierung im Parlament wegfällt, verbleiben immerhin noch sechs signifikante Korrelationen von zehn möglichen. Dies deutet darauf hin, dass - ähnlich wie schon bei den Deutungsmustern - zwischen Parlament und Presse eine höhere Affinität bei den Policy-Optionen besteht (zwischen rs=.22 und .94), als dies zwischen Presse und Ökologiebewegung (rs=.17 und .88) der Fall ist. Im Folgenden sollen die Zusammenhänge zwischen den Agenden hinsichtlich der Policy-Optionen mit Hilfe der „Cross-lagged-Correlation“ ermittelt werden. Dazu wird wiederum die Phaseneinteilung des Aufmerksamkeitszyklus zugrunde gelegt. * Abbildung 10.10: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy-Optionen aller Agenden zwischen 1980 und 1981 80 80 81 81 81 Baseline =.06 Pe=.81 PF=.00 Baseline=.36 Pe=.04 Pf=.90 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr .46 .81** .55* .70* .81** .46 .48 .60 Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 265 In der ersten Phase wird der Diskussionsprozess um die Policy-Optionen in den Bewegungsorganisationen klar von der Presse dominiert. Die Differenz zur Baseline und auch die Pfadkoeffizienten sind dementsprechend höher (D=.34, Pf=.90) als bei der Ökologiebewegung (D=.10, Pe=.04). Der Einfluss der Zeitungsberichterstattung auf die Ökologiebewegung wird umso deutlicher, wenn man die schwache und nicht-signifikante Autokorrelation von rs=.48 auf der Ökologieagenda betrachtet. Zwischen der parlamentarischen und der Presseagenda zeigt sich ein einseitiges Bild, was auch höchst plausibel ist, weil 1980 das Problem „Waldsterben“ im Deutschen Bundestag, wie bereits gesagt, noch nicht behandelt wurde. Die hohe dynamische Korrelation (rs=.81) verweist sogar auf einen gewichtigen Einfluss der Zeitungsberichterstattung und auf die Thematisierung der Policy-Optionen im Parlament. Die Struktur der behandelten Policy- Optionen im Deutschen Bundestag ist danach rein statistisch zu rund 65 Prozent durch die Berichterstattung 1980 bestimmt. Ähnlich wie bei den Deutungsmustern zeigt sich damit eine klare Dominanz der Presse auf die anderen beiden Agenden. Die Einflussbeziehungen von der Presseagenda auf die parlamentarische Agenda sind demnach größer, als der Einfluss der Zeitungsberichterstattung auf die Bewegungskommunikation. Der Kommunikationsprozess in der Ökologiebewegung hat hingegen fast keine Bedeutung für die Zeitungsberichterstattung. * Abbildung 10.11: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy-Optionen aller Agenden zwischen 1981 und 1983 266 Auch in dieser Phase zeigt sich zunächst ein deutlicher Einfluss der Presseberichterstattung auf die anderen beiden korporativen Akteure. Die Differenz zur Baseline weist zwischen 1981 und 1982 mit D=.41 im Vergleich zur Ökologiebewegung (D=.15) einen mehr als doppelt so hohen Betrag auf. Bestätigt wird dieser Befund durch den Vergleich der Pfadkoeffizienten. Die Zeitungsberichterstattung hat mit Pf=.89 einen weit höheren Effekt auf die Ökologiebewegung als die Bewegungskommunikation auf die Presse (Pe=.15). Dieser Effekt der Presse bekommt zusätzliche Unterstützung, wenn man sich die moderate, aber nicht signifikante Autokorrelation von rs=.43 auf der Ökologieagenda betrachtet. Das Verhältnis zwischen Deutschem Bundestag und Presseberichterstattung verweist 1981 und 1982 auf die gleiche Richtung. Auch hier dominiert klar die Presse mit D=.45 und Pe=.87 gegenüber dem Parlament mit D= -.25 und Pf= -.27. Das deutliche Gewicht auf Seiten der Presseagenda ist zum einen auf die schwache Autokorrelation auf der Parlamentsagenda (rs=.35) sowie die starke dynamische Korrelation in Richtung Parlament (rs=.85) zurückzuführen. In dem hier analysierten Zeitraum gibt es also einen deutlichen Effekt der Zeitungsberichterstattung auf den Deutschen Bundestag. Zwischen 1981 und 1982 greift hingegen die Presseberichterstattung die im Parlament behandelten administrativen Maßnahmen kaum auf (rs=.15). Dieses Verhältnis wendet sich zwischen 1982 und 1983. Sowohl die Autokorrelationen als auch die dynamischen Korrelationen sind im Verhältnis von Presse und Parlament deutlich stärker geworden. Das Gewicht liegt in den dynamischen Beziehungen aber deutlich auf Seiten der parlamentarischen Agenda. Was sich schon in der Differenz zur Baseline zeigt, wird durch die Pfadkoeffizienten bestätigt: Parlament D=.16, Pf=.99 gegenüber Presse D= -.01 und Pe= -.1.04. In diesem Zeitraum ändert sich im Verhältnis zwischen Presse und Ökologiebewegung eher wenig. Die Autokorrelation auf der Ökologiebewegung nimmt zwar stark zu, somit verdichtet sich die Diskussion um die Baseline=.40 Pe=.87 PF=-.27 Baseline=.42 Pe=.15 PF=.89 81 81 81 82 82 82 83 83 83 Baseline=.67 Pe=-1.04 PF=.99 Baseline=.64 Pe=-.26 Pf=.87 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .35 .82** .46 .60 .15 .85** .79** .94** .65* .83** .76* .76** .88** .78** .43 .57* .83** .78** .95** .49 267 Policy-Optionen. Jedoch weist die Presseagenda mit D=.31 und Pf=.87 deutlich höhere Werte auf als die Ökologiebewegung mit D= -.15 und Pe= -.26. Bemerkenswert ist hier die fast perfekte dynamische Beziehung zwischen Presse 1982 und Ökologiebewegung 1983, die deutlich auf einen Effekt der Zeitungsberichterstattung schließen lässt. * Abbildung 10.12: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy-Optionen aller Agenden zwischen 1983 und 1984 In dieser Phase hat sich die Zeitungsberichterstattung hinsichtlich der thematisierten administrativen Maßnahmen stark verändert. Die Struktur der Berichterstattung lässt sich nicht mehr signifikant durch die Berichterstattung des jeweiligen Vorjahres bestimmen(rs=.20). Trotz dieses Wechsels auf der massenmedialen Agenda hat die Bewegungskommunikation im Bezug auf die Policy-Optionen keinen Einfluss auf die Zeitungsberichterstattung (rs=.02). Im Gegenteil: die massenmediale Problemfassung hat einen Einfluss auf die Bewegungsorganisationen mit Pf=.69 gegenüber Pe= -.69. Die Veränderung in der Zeitungsberichterstattung bezüglich der administrativen Maßnahmen kann zum großen Teil durch die parlamentarische Debatte erklärt werden: Die Differenz zur Baseline ist für die Presse zwar höher, das Verhältnis der beiden Agenden wird aber durch die Pfadkoeffizienten deutlich beschrieben. Für das Parlament zeigt sich ein Wert für Pf=1.11, für die Presse hingegen nur Pe=.20. * 83 83 83 84 84 84 Baseline=.40 Pe=.20 PF=1.11 Baseline=.30 Pe=-.69 Pf=.69 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .89** .76* .88** .62* .76** .20 .70* .55* .02 .64* .70* 268 Abbildung 10.13: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy-Optionen aller Agenden zwischen 1984 und 1986 Auch in dieser Phase beeinflusst die Zeitungsberichterstattung die Bewegungskommunikation hinsichtlich der administrativen Maßnahmen: Mit Pf=.40 und Pf=.36 übersteigen die Werte der Presse-Pfadkoeffizienten die Ergebnisse der Ökologiebewegung deutlich (Pe= -.33 und Pe= -.38). Obwohl die Autokorrelationen auf der Ökologieagenda zum Ende dieser Phase steigen, bleibt das Gewicht auf Seiten der Presse. Dies ist dadurch zu begründen, dass die Ökologiebewegung in den dynamischen Beziehungen zur Presse nur jeweils schwache Affinitäten aufweisen kann, die zudem nicht signifikant sind (rs=.44 und .13). Die Beziehungen zwischen Debatte im Deutschen Bundestag und massenmedialer Berichterstattung sind differenzierter zu betrachten. Zu Beginn der vierten Phase zeigt sich eine Dominanz der Presse mit Pe=.57. Das Parlament kann demgegenüber nur einen dynamischen Einfluss aufweisen, der bei Pf=.10 liegt. Dies liegt vor allem an der nur mittelstarken dynamischen Beziehung vom Parlament zur Presse (rs=.66). Dieser Einfluss der Zeitungsberichterstattung auf die Diskussion im Deutschen Bundestag fällt allerdings wegen der relativ hohen Autokorrelation auf der parlamentarischen Agenda (rs=.83) eher mäßig aus. Die parlamentarische Behandlung von Policy-Optionen wird auch in diesem Zeitraum rein rechnerisch zu 68 Prozent durch die parlamentarischen Vorgänge des Vorjahres erfasst und bestimmt. Das Verhältnis zwischen parlamentarischer Debatte und Baseline=.67 Pe=.57 PF=.10 Baseline=.45 Pe=-.33 PF=.40 84 84 84 85 85 85 86 86 86 Baseline=.58 Pe=-.33 PF=-.27 Baseline=.44 Pe=-.38 Pf=.36 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .83** .84** .70* .70* .66* .87** .87** .87** .65* .64* .53 .81** .65* .70* .61* .44 .63* .51* .62* .13 269 presseöffentlicher Behandlung des Themas ändert sich zum Ende dieser Phase. Obgleich beide Agenden bei der Differenz zur Baseline fast gleiche Werte liefern (Presse D=.07, Parlament D=.06) überwiegt der Einfluss des Parlamentes auf die Presse, wie die Pfadkoeffizienten deutlich machen. Sowohl Pe= -.33 als auch Pf= -.27 weisen negative Werte auf, da der Pfadkoeffizient des Parlamentes (Pf) aber weniger stark in den negativen Wertebereich hineinfällt. So ist davon auszugehen, dass die Dominanz auf Seiten des Parlamentes liegt. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die etwas höhere Autokorrelation auf der Parlamentsagenda (rs=.84) gegenüber der Medienagenda (rs=.81). Der Einfluss der parlamentarischen Agenda auf die Presse fällt zwar dominierend, aber nur sehr gering aus. * Abbildung 10.14: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy-Optionen aller Agenden zwischen 1986 und 1990 Baseline=.40 Pe=.43 PF=.25 Baseline=.50 Pe=.10 PF=-.10 86 86 86 87 87 87 88 88 88 Baseline=.20 Pe=.57 PF=.42 Baseline=.20 Pe=.55 Pf=.18 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .70* .35 .53 .65* .59* .68** .77** .55 .58** .68* .22 .70* .24 .26.87** .56* .51 .58 .27 .77** Baseline=.35 Pe=.35 PF=.63 Baseline=.14 Pe=-.08 PF=.39 88 88 88 89 89 89 90 90 90 Baseline=.64 Pe=.90 PF=-.27 Baseline=.15 Pe=.14 Pf=.28 Parlament Presse Ökologie- bewegung Jahr Korrelationskoeffizienten Spearmans Rho *=p <.05 **=p <.01 .84** .69* .22 .24 .73** .52 .60* .75* .91** .55 .88** .89** .26 .55* .77** .07 .55* .17 .37 .29 270 Zu Beginn dieser Phase beeinflusst die Bewegungskommunikation eher die Zeitungsberichterstattung, als dass die Journalisten den Bewegungsdiskurs prägen könnten: Zwischen 1986 und 1987 kann die Bewegung allerdings nur einen schwachen Einfluss geltend machen (Pe=.10 gegenüber Presse Pf= -.10). Zwischen 1987 und 1988 ist dieser Einfluss schon deutlicher (Pe=.55 gegenüber Presse Pf=.18). Die Presse hingegen weist nur schwache dynamische Beziehungen mit der Ökologiebewegung auf, die zudem nicht signifikant sind (rs=.51 und .27). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es zwischen 1987 und 1988 auf der Ökologieagenda einen deutlichen Wechsel in der Rangfolge der Policy-Optionen gegeben hat (rs=.26), der jedoch nicht durch die Zeitungsberichterstattung zustande gekommen sein kann. Die Presse weist hier nur nicht- signifikante Affinitäten auf. Zum Ende der fünften Phase ändert sich die Beziehung zwischen Zeitungsberichterstattung und Bewegungskommunikation erneut. Die Medien überwiegen zwar in den dynamischen Beziehungen, können aber auf Grund der schwachen Korrelationswerte (rs=.55) nur einen sehr geringen Einfluss geltend machen. Zwischen 1989 und 1990 beruht dieser Einfluss auf einer nicht-signifikanten Affinität (rs=.37), so dass davon auszugehen ist, dass die Policy-Optionen der Ökologiebewegung nicht von der Presse beeinflusst wurden. Die Diskussion im Deutschen Bundestag erhält dagegen zwischen 1986 und 1988 einen Input von der Presseberichterstattung, die wechselseitigen dynamischen Beziehungen unterscheiden sich jedoch nur wenig. Zwischen 1986 und 1987 überwiegt die Presse sowohl bei der Differenz zur Baseline (D=.28 gegenüber Parlament D=.19) als auch bei den Pfadkoeffizienten (Presse Pe=.43 und Parlament Pf=.25). Im Vergleich dazu dominiert die Parlamentsagenda zwischen 1987 und 1988 in der Differenz zur Baseline: D=.48 gegenüber Presse D=.39. Die Pfadkoeffizienten weisen hier aber ein leichtes Übergewicht der Presse aus (Pe=.57 und Parlament Pf=.42). Dies ist auf einen grundlegenden Wechsel der Policy- Optionen im Bundestag zurückzuführen, der in der schwachen und nicht-signifikanten Autokorrelation auf der parlamentarischen Agenda zum Ausdruck kommt (rs=.35). Dieser Wechsel in den Policy-Optionen kann in geringem Umfang von der presseöffentlichen Behandlung des Themas ausgegangen sein (rs=.59). Die dynamischen Beziehungen zwischen 1988 und 1989 werden vom Parlament bestimmt. Pf=.63 und Pe=.35 weisen ein deutliches Gewicht für die parlamentarische Agenda aus. Dieser Befund wird durch die schwache dynamische Beziehung von der Presse zum Parlament bestätigt (rs=.52). Zum Ende der fünften Phase verändert sich diese Beziehung erneut. Die Presse hat einen deutlichen dynamischen Effekt auf die parlamentarische Diskussion (Pe=.90). Ein Effekt von Seiten der parlamentarischen Debatte auf die Zeitungsberichterstattung ist dagegen nicht zu belegen (Pf= -.27). 271 Zusammenfassung der Analyse der Policy-Optionen Abbildung 10.15: Dominante Beziehungen und Autokorrelationen hinsichtlich der Policy- Optionen Ein Ergebnis der deskriptiven Analyse der Policy-Optionen lautet, dass sich die Thematisierung der Optionen im Zeitverlauf mitunter deutlich ändert. Des Weiteren konnte in der bivariaten Analyse gezeigt werden, dass die Agenden im Bezug auf die Thematisierung der Policy-Optionen interagieren. Neben den dominanten Einflussbeziehungen sollte die Frage geklärt werden, ob die Thematisierung von Policy- Optionen sowie die Thematisierung des Problems getrennt ablaufende Prozesse sind. Zu Beginn der Thematisierung der Policy-Optionen bis 1981 werden, ähnlich wie bei den Deutungsmustern, die parlamentarische Agenda und die Agenda der Ökologiebewegung von der Presse dominiert. Allerdings wird das Thema erst ab 1981 im Deutschen Bundestag behandelt. Auch in der zweiten Phase von 1981 bis 1983 kann die Zeitungsberichterstattung die Bewegungskommunikation hinsichtlich der administrativen Maßnahmen beeinflussen. Dieser Einfluss nimmt im Zeitverlauf sogar zu. Zwischen der Diskussion im deutschen Bundestag und presseöffentlicher Behandlung der Policy-Optionen ist von 1981 auf 1982 ein deutlicher Effekt der Presse auf die parlamentarische Debatte zu verzeichnen. 80 80 85 85 81 81 81 86 86 86 82 82 82 87 87 87 83 83 83 88 88 88 84 84 84 89 89 89 85 85 85 90 90 90 85 Parlament Presse Ökologie- bewegung Parlament Presse Ökologie- bewegung Legende: Werte für Spearmans' Rho <.50 <.70 <.90 >.90 nicht signifikant. 272 Allerdings bleibt zu bemerken, dass bis zum Ende des Jahres 1982 das Thema im Parlament nur am Rande behandelt wird. Nur 4,5 Prozent der gesamten parlamentarischen Handlungen zum Thema „Waldsterben“ werden bis Ende 1982 im Bundestag vollzogen. Hier zeigen sich schon deutliche Unterschiede zu den Interaktionen der Agenden bezüglich der Thematisierungen sowie der Deutungsmuster. In der Analyse der Thematisierungshäufigkeit zeigte sich, dass die Zeitungsberichterstattung im Zeitraum zwischen 1980 und Ende 1983 einen großen Einfluss auf die Thematisierungen des Parlamentes zum Thema „Waldsterben“ hatte. In der Analyse der Deutungsmuster bestätigte sich dieses Bild. Auch die dynamischen Einflussbeziehungen bei der Problemdefinition wurden von der Presse dominiert. Diese Befunde lassen sich für die Analyse der Policy-Optionen nur begrenzt konstatieren. So dominiert zwar die Presseagenda die parlamentarische Agenda bis 1982, danach kippt dieses Verhältnis jedoch um und die parlamentarische Debatte dominiert die dynamischen Wechselbeziehungen mit der Presseagenda. Diese Dominanz dauert bis etwa 1984. In diesem Zeitraum (1983-1984) fallen einige wichtige politische Entscheidungen. Demnach hatten sich ab 1982 im Deutschen Bundestag bestimmte Policy-Optionen stabilisiert, welche nachfolgend von der Zeitungsberichterstattung aufgegriffen wurden. Zwischen 1983 und 1984 hat sich die Berichterstattung im Hinblick auf die Thematisierung konkreter administrativer Maßnahmen stark gewandelt und wurde von der entsprechenden Diskussion im Deutschen Bundestag beeinflusst. Insgesamt scheint es, als ob die Policy-Optionen von einem anderen Akteur als den Massenmedien auf die Tagesordnung der parlamentarischen Agenda gesetzt wurden und damit einem anderen Thematisierungsverlauf folgen. Damit fungieren die Massenmedien offensichtlich eher als „Frühwarnsystem“ und zeigen Handlungsbedarf an, anstatt komplexe Lösungsansätze zu liefern. Die Interaktionen hinsichtlich der Policy- Optionen folgen somit eher einem Repräsentationsmodell: Die Policy-Optionen haben sich in der parlamentarischen Debatte durchgesetzt; es wurden Policies verabschiedet und die Zeitungsberichterstattung folgt, hinsichtlich der Thematisierung dieser Policies, der parlamentarischen Agenda. Dieser Befund wird zusätzlich durch die deskriptive Analyse bestätigt. Dort zeigte sich z. B., dass die Policy-Option „Tempolimit“ im Deutschen Bundestag ein Jahr früher thematisiert wird als in der Zeitungsberichterstattung. Die Beziehungen zwischen der Presseberichterstattung und den Bewegungsorganisationen werden in diesen ersten Phasen eindeutig von der Presseagenda dominiert. Insofern gibt es ebenfalls starke Parallelen zu den Interaktionen bezüglich der Deutungsmuster. Auch in der dritten und vierten Phase von 1983 bis 1986 bestimmte die Zeitungsberichterstattung eher die Diskussion in den Bewegungsorganisationen, als dass diese ihre Problemdeutung in der Berichterstattung lancieren konnten. Eher geringe Einflussbeziehungen dürfte es dagegen zwischen parlamentarischer Agenda und Presse geben, deren Gewicht zuerst auf Seiten der Presse, später beim Parlament liegen. In der Endphase zwischen 1986 und 1990 wechseln sich die Dominanzen in den dynamischen Beziehungen zwischen Ökologiebewegung und der Presseagenda ab. Zunächst überwiegt der Einfluss der Bewegung, danach kann die Presse ein stärkeres Gewicht in die Thematisierung der Policy-Optionen einbringen. Wegen der geringen Zusammenhangsmaße ist aber eher davon auszugehen, dass es nur einen geringen und zum Schluss keinen signifikanten Einfluss der Presse gegeben hat. Dagegen wird im Verhältnis Presse-Parlament die Endphase in der Thematisierung der Policy-Optionen überwiegend 273 von der Seite der Presseberichterstattung bestimmt. Nur zwischen 1988 und 1989 kann das Parlament in dieser Endphase das größere Gewicht in die dynamischen Beziehungen zwischen beiden Agenden einbringen. 11. Zusammenfassung der empirischen Befunde Anfang der 80er Jahre geriet der deutsche Wald mit dem Schlagwort „Waldsterben“ in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Hinsichtlich des Themas „Waldsterben“ scheint für die Bevölkerung festzustehen, dass die Massenmedien, die Ökologiebewegung und die Bevölkerung den politisch-administrativen Apparat in Bewegung gebracht haben. Welche Rolle insbesondere die publizistischen Massenmedien in dem politischen Agenda-Bildungs- Prozess gespielt haben, wurde in der vorliegenden Arbeit geklärt. Die einzelnen Ergebnisse dieser Analysen sollen im Folgenden zusammengeführt werden. Allerdings lassen sich diese nur schwierig in wenigen Sätzen zusammenfügen. Dennoch soll dies, in der gebotenen Kürze, auf Grund der Übersichtlichkeit versucht werden. In der ersten Phase des Thematisierungsprozesses von 1980 bis 1981 kann das Thema noch keine größere öffentliche Aufmerksamkeit erlangen. Es wird zwar in der Bevölkerung sowie in der ökologischen und der massenmedialen Arena wahrgenommen, aber noch nicht stark thematisiert. Auch hat das Thema noch nicht den Eingang „in die Arenen politischer Entscheidungsfindung“ (Ruß-Mohl 1981, 78) gefunden. Dem Thema „Waldsterben“ fehlen in dieser Phase noch die klaren Konturen und die gesellschaftliche Akzeptanz. Dementsprechend sind die Deutungsmuster in der Bewegungs-, massenmedialen Agenda und in der Diskussion im Deutschen Bundestag noch sehr heterogen. Allerdings wird auf allen drei Agenden das Thema dramatisiert und die politische Lösungsbedürftigkeit herausgestellt. Auf Grund der unscharfen Deutungsmuster liegen die Forderungen zur konkreten Lösung des Problems in den Bereichen Forschung und Forstpolitik. In der zweiten Phase von 1982 bis 1983 findet das Problem öffentliche Aufmerksamkeit und Legitimität. Bis zum Ende dieser Phase zeigt sich folgendes Bild: Das Thema wird zuerst von der Ökologiebewegung aggregiert, anschließend über die Presse repräsentiert und es erfolgt das Agenda-Setting auf die Tagesordnung der politischen Arena. Der massenmedialen Kommunikation kommt also ein Verstärker-Effekt zu: So konnte gezeigt werden, dass die Ökologiebewegung einen großen Einfluss auf die Thematisierung in der Presseberichterstattung hat. Die Ökologiebewegung konnte demnach die Varianz der Presse zu 33,9 Prozent zusätzlich erklären. Die Presse kann demgegenüber mit einer zusätzlich erklärten Varianz von 7,9 Prozent nur einen schwachen „Policy-Agenda-Setting Effekt“ auf die Ökologiebewegung geltend machen. Allerdings kann die Presse mit einem „Policy- Agenda-Setting Effekt“, der sich mit einer zusätzlich erklärten Varianz von 36 Prozent zeigt, zu einem wesentlichen Teil den Thematisierungsprozess des Bundestages determinieren. Mit anderen Worten: Jede dritte monatliche Thematisierung im Deutschen Bundestag beruht in diesem Zeitraum auf der Zeitungsberichterstattung zu dem Thema. Aber die Massenmedien wirken nicht nur direkt auf die Diskussion im Deutschen Bundestag ein, sondern auch indirekt: Die Zeitungsberichterstattung hat einen Agenda- Setting-Effekt auf die Bevölkerung und kann die „öffentliche Meinung“ zu 30 Prozent erklären. Die Bevölkerungsmeinung kann wiederum 6 Prozent der parlamentarischen Handlungen zu dem Thema „Waldsterben“ im Parlament erklären. Es liegt also ein „Policy- Agenda-Bildungs-Effekt“ vor. Mithin kann man konstatieren, dass sich der Deutsche 274 Bundestag bei dem hier untersuchten Thema responsiv gegenüber der öffentlichen Meinung verhält. Während dieser Interaktionsprozesse stabilisieren sich die Deutungsmuster, das Problem erhält Konturen und einzelne Problemaspekte werden fokussiert. Dazu gehören vor allem die „Luftverschmutzung“, die auf die „Energieversorgungsunternehmen“ und die „Industrie“ zurückgeführt wird. Auch die Policy-Optionen spiegeln dieses Deutungsmuster wieder, denn vor allem Entscheidungen zur Luftreinhaltung in diesen Bereichen werden diskutiert und gefällt. Hinsichtlich der Einflüsse zwischen den Deutungsmustern der korporativen Akteure zeigt sich im Gegensatz zur Thematisierung ein differenziertes Bild. Die Zeitungsberichterstattung kann sowohl die Deutung zum Thema im Deutschen Bundestag als auch in den Bewegungsorganisationen mitbestimmen: Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Ökologiebewegung in diesen beiden Phasen zwar einen großen Einfluss auf den Thematisierungsprozess in der Zeitungsberichterstattung ausübt, aber hinsichtlich der Deutung des Problems eher von der Berichterstattung beeinflusst wird. Auch die Policy-Optionen konnten in dieser Interaktion bis 1983 von der Presse dominiert werden. Zum Ende dieser Phase (1983) kristallisiert sich in der parlamentarischen Diskussion ein neues Deutungsmuster heraus. Im Gegensatz zur Bewegungskommunikation und zur Presseberichterstattung wird der Problemaspekt „Verkehr“ sowohl bei den Deutungsmustern als auch bei den konkreten administrativen Maßnahmen immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Bemerkenswert ist, dass die parlamentarische Arena bereits ab 1982 im Bezug auf die Policy-Optionen in der Wechselbeziehung zur Presse dominiert. Bezüglich der Thematisierung und der Deutungsmuster dominiert hingegen weiterhin die Presse die Interaktion. Dies lässt vermuten, dass die Policy-Optionen, die ab 1982 im Deutschen Bundestag diskutiert werden, über einen anderen Akteur als die Massenmedien auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt wurden und einem anderen Thematisierungsprozess folgen. Zu denken ist hierbei vor allem an die Ministerialbürokratie, welche ja darauf spezialisiert ist, administrativ Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Massenmedien zeigen in dem Agenda-Bildungs-Prozess zum Thema „Waldsterben“ eher Handlungsbedarf an, als dass sie komplexe Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. In der folgenden Phase bis 1984 wird der Kulminationspunkt der Thematisierung erreicht. Die Problemdramatisierung weicht langsam und es scheint sich eine distanziertere Betrachtungsweise durchzusetzen. Die Deutungsmuster sind überwiegend durch den Problembereich „Verkehr“ geprägt. Sowohl bei den Verursachern als auch bei den administrativen Maßnahmen nimmt dieser Aspekt einen immer größeren Raum ein. Die Kommunikationsprozesse zwischen den Arenen schwächen sich hinsichtlich des Themas aber immer mehr ab.30 Dabei dreht sich auch die Richtung der dominierenden Einflussbeziehungen. Bezüglich der Deutungsmuster dominieren sowohl die Ökologiebewegung als auch die parlamentarische Debatte in den Wechselbeziehungen zur Presse. Was die Policy-Optionen betrifft, so spiegelt sich das nicht ganz wider. Das Parlament kann zwar auch in den Wechselbeziehungen zur Presseagenda dominieren, jedoch zeigt sich auch eine Dominanz der Presse in Richtung der Ökologiebewegung. In der Untersuchung zur Thematisierungshäufigkeit ergab sich in dem Zeitraum von 1983 bis 30 In der Zeitreihenanalyse zeigten sich kaum noch Einflussbeziehungen. Nur zum Zeitpunkt t0 konnte zwischen der parlamentarischen und der Presseagenda eine Interaktion festgestellt werden. 275 1986 ein Zusammenhang von Presse und Parlament zum Zeitpunkt t0. Ein „Policy-Agenda- Setting Effekt“ der Medien kann hier als unwahrscheinlich gelten, wodurch die Vermutung im Raum steht, dass die Diskussion im Deutschen Bundestag in diesem Zeitraum von der Zeitungsberichterstattung aufgegriffen wurde. Die Hypothese, dass es sich, nachdem das Thema sich auf der politischen Agenda etabliert hatte und einige Policy-Optionen verabschiedet wurden, um ein Repräsentations-Effekt der publizistischen Massenmedien handelt, d. h. die massenmediale Berichterstattung greift die parlamentarische Diskussion auf, konnte sich für die Thematisierung nicht bestätigen. Dies wäre möglicherweise durch eine zeitlich disaggregiertere Untersuchung zu belegen. Allerdings konnte in dieser Phase wiederum ein „Agenda-Setting-Effekt“ der Massenmedien auf die Bevölkerung belegt werden. Die Berichterstattung kann 28 Prozent Varianz der Bevölkerungsmeinung erklären. Die „öffentliche Meinung“ hat aber in dieser Phase keinen Einfluss mehr auf die Diskussion im Deutschen Bundestag. Hingegen bestätigen die Daten aus der Analyse der Deutungsmuster und der Policy- Optionen das Bild eines Repräsentations-Effektes der Massenmedien in dieser Phase der Thematisierung. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Bereich „Verkehr“ im Parlament schon 1983 diskutiert wurde, in der Bewegungskommunikation und in der massenmedialen Behandlung des Themas gewinnt dieser Aspekt jedoch erst 1984 größere Aufmerksamkeit. Dies deutet darauf hin, dass die Presseberichterstattung bezüglich des Deutungsmusters „Verkehr“ eher von der parlamentarischen Diskussion beeinflusst wurde. In der vierten Phase von 1985 bis 1986 hat sich das Deutungsmuster „Verkehr“ in der Berichterstattung, in der Bewegungskommunikation und im Deutschen Bundestag fest etabliert. Die Kommunikationsprozesse zwischen den drei Agenden sind von wechselnden Dominanzen geprägt. Was die Deutungsmuster und auch die Policy-Optionen anbelangt, dominiert - was die Bewegungskommunikation angeht - die Zeitungsberichterstattung. Zwischen Presse und parlamentarischer Arena zeigt sich jedoch eine abwechselnde Dominanz. Von 1984 bis 1985 dominiert die Presseagenda die Diskussion um die Policy- Optionen, die parlamentarische Agenda hingegen kann die Diskussion um die Deutungsmuster bestimmen. Zwischen 1985 und 1986 wendet sich dieses Verhältnis. Es zeigt sich eine Dominanz der parlamentarischen Agenda bei der Thematisierung der Policy- Optionen, die Deutungsmuster werden nun aber von der Presse dominiert. Obwohl das Problem „Waldsterben“ nach wie vor existiert, beschäftigen sich in der Abschwungphase der Thematisierung von 1986 bis 1990 sowohl die Ökologiebewegung als auch die Presse, die Bevölkerung sowie der Bundestag kaum mehr mit dem Problem. Das Thema wird von aktuelleren Themen von der politischen Agenda verdrängt und nur noch sporadisch auf die Agenden gesetzt. Es verliert endgültig „(...) seine werdende Kraft. Die Kenner wenden sich von ihm ab. Es versteinert zu einer nur noch zeremoniellen Größe“ (Luhmann 1971, 19). Die Ökologiebewegung dramatisiert das Problem zwar erneut, kann es aber nicht wieder zum Leben erwecken. Diese Endphase der Thematisierung wird überwiegend, wie auch schon zu Anfang der Thematisierung, von heterogenen Diskussionen bezüglich der Deutungsmuster und auch der Policy-Optionen geprägt. In dieser Hinsichtlich wechseln die dominanten Einflussbeziehungen zwischen den Agenden in der letzten Phase oft. Von der Presse geht in der Endphase der Thematisierung noch einmal ein „Policy-Agenda-Setting- Effekt“ auf die Ökologiebewegung aus, der mit 7 Prozent erklärter Varianz allerdings nur mäßig ausfällt. 276 Teil VI Schlussbetrachtung Die Rolle der publizistischen Massenmedien im politischen Agenda-Bildungs-Prozess im bundesrepublikanischen System steht noch am Anfang. Ziel dieser Arbeit war, etwas Licht in diesen dunklen Bereich zu bringen. Hier teilt die vorliegende Arbeit das Schicksal der meisten Studien, nämlich, dass sie ebenso viele Fragen aufwirft, wie sie zu beantworten sucht. Nachfolgend soll in gebotener Kürze und sehr anekdotisch auf mögliche weitere Forschungsaktivitäten im Zusammenhang mit massenmedialer Kommunikation und Problemwahrnehmung politischer Akteure hingewiesen werden, um abschließend mit einer „kleinen“ Fallanalyse die Rolle der Massenmedien im Prozess der politischen Agenda- Gestaltung, mit Hilfe des „Garbage-Can-Modells“, weiter aufzuschlüsseln. Es musste weitestgehend auf amerikanische Modelle zurückgegriffen werden, die das präsidentielle System der USA zugrunde legen. Auch für den bundesrepublikanischen Kontext scheinen diese Modelle, das kann abschließend gesagt werden, von großem heuristischen Wert zu sein. Sowohl Annahmen aus dem Modell des Aufmerksamkeitszyklus (Downs 1972) als auch der politischen Agenda-Bildung (Cobb/Elder1972) sowie dem Modell der öffentlichen Arenen (Hilgartner/Bosk 1988) konnten in der empirischen Analyse wieder gefunden werden. Somit scheinen politische Agenda-Bildungsprozesse über die Massenmedien in anderen Ländern, welche ähnliche politische, kulturelle und sozialen Strukturen haben, nicht grundsätzlich anders zu verlaufen. Die Deutsche Forschung könnte daher von den wesentlich regeren Forschungsaktivitäten in den Vereinigten Staaten profitieren. Kerngedanke der Modelle zur politischen Agenda-Bildung und des Modells der öffentlichen Arenen besteht darin, die Prozesse der Deutung von Problemen in den Mittelpunkt zu rücken. Demnach liegen Probleme nicht gleichsam objektiv vor, sondern werden in einem kollektiven Definitionsprozess erarbeitet. Wichtig erscheint in diesen Ansätzen der Prozess der Konstruktion und symbolischen Vermittlung von Realität. Hier bieten sich deutliche Ansatzpunkte zu neueren Ansätzen aus der Policy-Analyse an, wie nachfolgend gezeigt werden soll. Während in der Politikfeldforschung bis Mitte der 80er Jahre staatliches Handeln überwiegend entweder auf veränderte sozioökonomische Rahmenbedingungen oder als Ergebnisse unmittelbarer Interessensverfolgung zurückgeführt wurde, sind in der jüngsten Zeit neue Erklärungsansätze erarbeitet worden, welche sich umfassend mit dem Wissen, den Bedeutungen und Deutungsmustern, den Zielen und Interpretationen der politischen Akteure beschäftigen. Diese Ansätze sind insbesondere aus einer Kritik am Modell des rational und eigeninteressierten politischen Akteurs mit gegebenen Präferenzen und gegebener Weltsicht entstanden (Schmidt 1993, Singer 1993, Marcinkowski 1999). Aus dieser Perspektive von Politikentstehung wird auf der einen Seite von gegebenen Interessen ausgegangen und auf der anderen Seite von klaren 277 und eindeutig identifizierten Problemen. So erscheinen in der Theorie der sozioökonomischen Determination der Staatstätigkeit Politikinhalte als die direkte Reaktion sozioökonomischer Probleme. Von einer unterschiedlichen Wahrnehmung dieser Probleme wird gänzlich abgesehen. Auch der Bezug zu Interessen von gesellschaftlichen Gruppen - etwa die Parteienherrschaftstheorie oder die Theorie der Machtressourcen organisierter Interessen - ändert an diesem Sachverhalt nichts Grundlegendes: In allen diesen Theorieansätzen resultieren die politischen Entscheidungen aus dem Wettbewerb oder dem Konflikt unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen. Danach treffen in einzelnen Politikfeldern Akteure mit mehr oder weniger klaren und grundsätzlichen Interessen aufeinander und kämpfen im Rahmen stabiler politischer Strukturen darum, ihre Themen in die Agenda der staatlichen Politik aufzunehmen, in der Folge Programme zu formulieren und diese im Sinne der entsprechenden Interessen umzusetzen (Windhoof-Hèritier 1987; Schubert 1991). Dieses mechanistische Modell der Politikentstehung ist in den letzten Jahren grundlegend in die Kritik geraten (Stone 1988, 7; Hèrtier 1993, 11; Kingdon 1994, 77; Nullmeier 1995, 19; Rochefort/Cobb 1993; 1994). Zwei Argumente lassen sich dabei m. E. in der Forschung ausmachen. Erstens kann, angesichts der Komplexität und Unübersichtlichkeit gesellschaftlicher Wirklichkeit, man kaum davon ausgehen, dass klare und konsistente Ziele existieren und adäquate Kausaltheorien über Ursache- Wirkungszusammenhänge vorliegen. Aus diesem Grund ist die Definition der zu lösenden Probleme nicht immer klar. Unklare Problemlagen bedeuten, dass die Akteure selbst sozusagen nicht wissen (können), was sie wollen und damit nicht über bereits feststehende Positionen verfügen. In solchen Situationen suchen manchmal nicht gegebene Probleme nach Lösungen, sondern existierende Lösungen nach Problemen. Zweitens haben die beteiligten Akteure in einer konkreten Entscheidungssituation weder alle erforderlichen Informationen zur restlosen Erfassung dieser Situation noch die Kapazitäten zur Verarbeitung der Information zur Verfügung. Die beteiligten Akteure arbeiten also generell unter „bounded rationality“, weil in der gegeben Entscheidungssituation nur bestimmte Problemdeutungen zur Verfügung stehen. In einem solchen Prozess können Deutungsmuster verständlicherweise eine große Rolle im politischen Prozess spielen, wenn sie eine Interpretation von Wirklichkeit bereithalten, welche eine Problemsicht und die dazu passenden Lösungsangebote ermöglicht, die mit den Grundüberzeugungen der Akteure in Einklang stehen. Anders ausgedrückt: Interessen bilden sich angesichts der komplexen Wirklichkeit oft erst auf der Basis von Problemdeutungen. Was als Interesse wirksam werden kann, ist davon abhängig, was als Gegenstand politischer Willensbildung auf die Tagesordnung gerückt wird. Aus diesem Grund spielen Deutungsmuster in der unordentlichen Wirklichkeit der politischen Prozesse häufig eine große Rolle. Aus beiden Perspektiven heraus, wird nicht gefragt, wie sich bestimmte Interessen zu einer Problemdefinition verhalten, sondern die Konstruktion der Problemdefinition wird selbst betrachtet. Politische Konflikte lassen sich aus diesen Sichtweisen heraus nicht auf einen Interessenskonflikt reduzieren, weil Interessen sich immer nur in Bezug auf eine konkrete Wirklichkeitsinterpretation herausbilden können. Aus den besagten Gründen heraus, beginnt die Policy-Analyse seit den 80er Jahren ihre theoretischen Konstrukte zu modifizieren. Die theoretisch interessanteste Erneuerung, bezüglich der Rolle der massenmedialen Kommunikation, betrifft die stärkere Beachtung der kognitiven Dimension, nämlich die Einführung von Faktoren, wie Wissen, Ideen, Überzeugungen, 278 „Leitbilder“, in das analytische Modell des politischen Prozesses. Der Kerngedanke liegt darin, die Wahrnehmung der Beteiligten und ihre Kausalannahmen bei der Konstruktion und den politischen Bearbeitungen eines gesellschaftlichen Problems zu erfassen, statt das Problem als gegeben vorauszusetzen und sich den Formen administrativen Bearbeitung zuzuwenden. Die Schlüsselbegriffe dieser Ansätze sind Bedeutung und Interpretation. Demnach lassen sich Politikverläufe nicht nur aus Nutzenmaximierungskalkülen erklären, sondern auch als Interpretationsprozesse und -kämpfe. Aus der Sicht einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive, welche den Stellenwert der über die Massenmedien vermittelten Kommunikation im politischen Prozess in den Mittelpunkt stellt, ist insbesondere die letztgenannte Ergänzung der Policy Analyse um kognitive und konstruktivistische Faktoren von einigem Interesse. Mit ihr lässt sich die Frage in den Mittelpunkt rücken, welche Funktion den Massenmedien beim Austausch der Deutungsmuster zukommt und welche Effekte des Kommunikationsprozesses selbst (neben den sozioökonomischen Bedingungen, politischen Parteien, organisierten Interessen und institutionellen Arrangements) damit einen Einfluss auf die Politikentstehung und - gestaltung gewinnen mögen. Die Policy-Forschung selbst, soweit sie denn beginnt, solche Fragen zu stellen, scheint sich dabei im Wesentlichen auf die Rolle der (Sozial- )Wissenschaften zu konzentrieren (vgl. etwa Singer 1994.). Mit der gleichen Plausibilität, das ist die Prämisse der vorliegenden Arbeit, kann nach der Rolle der modernen Massenkommunikationsmittel gefragt werden. Gerade weil die moderne Wissenschaftsforschung die Hoffnung auf eine wissenschaftliche Instanz des „Wahren“ zerstört hat, könnten in Policy-Prozessen nun auch vermehrt andere Wissens- und Informationssysteme zum Zuge kommen. Im Hinblick auf die Wirkung der massenmedialen Kommunikation auf kollektive Akteure konnten Vermutungen darüber angestellt werden, welche Effekte bestimmte Problemdefinitionen auf die Bewegungs- und auf die politischen Akteure haben. Die empirische Prüfung der Frage, ob individuelle Akteure neben einer Themenrangfolge auch die von den Massenmedien angebotenen Interpretationsrahmen übernehmen, steht noch am Anfang (Brosius 1995). In diesem Zusammenhang wären die Schema-Theorie und ihre Varianten sicher anschlussfähig (Eichhorn 1996). Im Bezug auf die Wirkung massenmedialer Kommunikation auf die politischen Akteure wäre für solche Forschungsaktivitäten sicher der Begriff des „Cognitiv Mapping“ grundlegend, wie ihn Axelrod (1976) in die Politikforschung eingeführt hat. Er versteht darunter ein Verfahren, mit dem die Verlautbarungen von politischen Akteuren daraufhin ausgewertet werden, welche Kausalannahmen („causal beliefs“) über die Umwelt sie bei einer Entscheidung zugrunde legen. Das Ergebnis ist eine graphische Modellierung von Ursache-Wirkung- Vermutungen, gewissermaßen ein „Kartieren von Kausalannahmen“ (Vowe 1993, 51). Dem liegt die Vermutung zugrunde, dass kognitiv unterstellte Kausalbeziehungen als besonders wichtiger, das heißt entscheidungsrelevanter Bestandteil der politischen Kognitionen, politischer Entscheidungsträger anzusehen sind. Die Frage, inwiefern hervorgehobene Attribute zu bestimmten thematischen Komplexen in der massemedialen Berichterstattung auf solche „causal beliefs“ der politischen Akteure wirken, liegt auf der Hand. Die Rolle der massenmedialen Kommunikation bei der Problemwahrnehmung der politischen Entscheidungsträger wurde in dieser Arbeit „nur“ anhand der Ökologiebewegung und der öffentlichen Meinung erörtert. Allerdings dürfte die Gruppe der 279 Partizipanten am Agenda-Building-Prozess in der Empirie wesentlich größer sein. Zu denken wäre hier vor allem an die Parteien, denen dieser Prozess verfassungspolitisch zugesprochen ist (Art. 21). An diesem Prozess sind aber sicher noch weitere Akteure beteiligt. Aus dem weiten Spektrum sind die organisierten Interessen, das Wissenschaftssystem und nicht zuletzt die Verwaltung zu nennen.31 Alle diese Akteure müssten in einer umfassenden Arbeit in das Beziehungsnetz der Agenden eingebunden werden, um die Rolle der Massenmedien bei der Problemwahrnehmung der Akteure des politischen Entscheidungssystems weiter zu entwirren. Dabei könnten auch die Wege weiter konkretisiert werden, die ein Issue zur formellen Agenda durchläuft. Auch hinsichtlich der formellen Agenda sollten einige Differenzierungen vorgenommen werden. Wegweisend dafür ist die Studie von Roger Cobb und Charles Elder „Participation in America“, in der zwischen „systemic agendas“ und „institutional agendas“ unterschieden wird. Danach lässt sich das politische System in weitere Agenden aufteilen, die miteinander interagieren. Im politischen System der Bundesrepublik wäre eine Unterscheidung zwischen der Agenda der Bundesregierung und des Bundestages eine sinnvolle Differenzierung, die den Prozess des Agenda-Building weiter aufschlüsseln könnte32. Außerdem ist die Aufmerksamkeit, die einem politischen Problem gewidmet wird, immer von der Konkurrenz zu anderen Probleme abhängig. Da eine Studie kaum den gesamten Problemhaushalt einer Gesellschaft fassen kann, könnte durch eine Untersuchung, die eine Themenkonkurrenz innerhalb eines Politikfeldes erfasst, zusätzlich Erkenntnis gewonnen werden. Offen muss bei dem hier verwendeten Forschungsdesign mit Aggregatdaten bleiben, über welche konkreten Prozesse und Interaktionen das Thema „Waldsterben“ auf die bewegungs- , auf die massenmediale, die parlamentarische und die Bevölkerungsagenda aufgenommen wurde: Aggregatdatenanalysen sind vorwiegend dazu geeignet, Zusammenhänge zwischen Aggregaten aufzuzeigen, aber nicht um auf einzelne Prozesse zurückzuschließen. Hier sind komplexe Interaktionen zwischen einzelnen Journalisten, Politikern, individuellen Bewegungsakteuren und Rezipienten zu vermuten, für welche unterschiedliche Theorien angeboten werden - etwa der Gatekeeper-Ansatz oder die Rolle von politischen Unternehmern etc. - die empirisch plausibilisiert werden können. Dazu müsste allerdings mit anderen methodischen Zugängen (Interviews/Fallanalysen) gearbeitet werden. Eine solche mikroanalytische Vorgehensweise könnte den (politischen) Agenda- Bildungs-Prozess über die Massenmedien weiter aufschlüsseln. Die gerade behandelten Aspekte sprengen den Rahmen einer solchen Arbeit, weil sie weitreichende Forschungskapazitäten beanspruchen und müssen daher künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Trotz dieser Einwände liefert die vorliegende Arbeit jedoch einige erstaunliche Befunde. Mit der Erzeugung von Resonanz in den Massenmedien beeinflusst die Ökologiebewegung an der Peripherie des politischen Systems den Prozess, mit dem empirische Sachverhalte als Thema definiert, problematisiert und daraufhin politisiert werden. Die Massenmedien wiederum thematisieren ständig neue, politische Probleme und vermitteln diese in die Gesellschaft. Die Rolle dieser beiden Akteure im Agenda-Bildungs-Prozess ist in der Bundesrepublik weitestgehend unerforscht. Für das hier bearbeitete Thema „Waldsterben“ kann man auch bei einer zurückhaltenden Interpretation die Presse als intervenierende Kraft im Agenda-Bildungs-Prozess bezeichnen. 31 Daneben lassen sich selbstverständlich weitere Akteure benennen. 32Auch die Rolle des Bundesrates ist dabei zu beachten. 280 Dabei wirken sie nicht als „Alleininitiator“, sondern ihr kommt ein „Verstärker-Effekt“ zu (Beyme 1994, 330), denn auch die Ökologiebewegung ist an diesem Prozess maßgeblich beteiligt. Allerdings wurden, wie bereits gesagt, in dieser Arbeit nur zwei Faktoren untersucht, die auf den Agenda-Bildungs-Prozess zum Thema „Waldsterben“ Einfluss nehmen. Dabei kann die Vorstellung entstanden sein, dass es sich hierbei um einen deterministischen Prozess gehandelt hat. Die Ökologiebewegung nimmt das Thema auf ihre Tagesordnung auf, es gelangt daraufhin auf die Presseagenda und von dort auf die Agenda des Deutschen Bundestages. So einfach ist der Agenda-Bildungs-Prozess freilich nicht zu beschreiben. An ihm sind eine große Anzahl weiterer Akteure, Organisationen und Institutionen beteiligt. Dadurch wird dieser Prozess höchst komplex und unstrukturiert. Dies liegt zum einen an dem hohen Grad an Autonomie der Akteure und zum anderen an einem hohen Maße an Interaktion zwischen den Akteuren. Dadurch wird die Möglichkeit nomologischer Aussagen begrenzt. Das „Public-Arena“-Modell wie auch das „Garbage- Can“-Modell verweisen auf die Komplexität und die geringe Kalkulierbarkeit von Thematisierungsprozessen. Aus der Sicht John Kingdons fließen drei Ströme (Problem, Policies und Politics) relativ unabhängig nebeneinander. Der erste Strom enthält Probleme, die als drängend angesehen werden. Der zweite Strom besteht aus Lösungsvorschlägen und der dritte Strom schließlich aus politischen Ereignissen, wie parlamentarische Konflikte, Wahlen oder Änderungen in der Bevölkerungsmeinung. Unter bestimmten Bedingungen konvergieren diese drei Ströme und es öffnet sich ein „Policy-Window“. Allerdings sind „Policy-Windows“ eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Thematisierungsprozesse. „Politische Unternehmer“ müssen solche „Policy-Windows“ zu nutzen wissen. Hat z. B. ein Politiker einen neuen Ministerposten und will sich auf diesem profilieren, sucht er nach einem Problembereich, der große Resonanz verspricht. Zu gleicher Zeit wird ein Problem in den publizistischen Massenmedien hoch gehandelt. Der Minister greift dieses Problem auf und propagiert Lösungsmöglichkeiten, die in der Ministerialbürokratie bereits entwickelt wurden. Das politische Klima ist günstig, Problem und Lösung werden auf die Agenda aufgenommen und es kommt zu einer Entscheidung. Im Folgenden sollen vor dem Hintergrund des Themas „Waldsterben“ einige generalisierte Überlegungen zu Faktoren angestellt werden, die auf die Thematisierungsprozesse sowie die Policy Optionen Einfluss gehabt haben könnten. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind mit diesen Überlegungen durchaus kompatibel. Die Grundlage für die moderne Umweltschutzpolitik wurde in den Jahren 1969 bis 1982 während der sozial-liberalen Koalition gelegt. Dieser Zeitraum wird in drei Phasen unterschieden (Hartkopf/Bohne 1983, Müller 1986). Die erste Phase von 1969 bis 1974 wurde weitgehend vom Regierungsapparat bestimmt. In dieser Phase wurde am 1. Januar 1972 ein Benzin-Blei-Gesetz verabschiedet, das den Bleigehalt von Kraftstoffen von 1 Gramm Blei je Liter auf 400 mg/L zum 1. Januar 1976 reduzieren sollte. Die Mineralölindustrie hatte bezüglich dieses Gesetzes der sozial- liberalen Bundesregierung nur unter einer Bedingung zugestimmt: Da abzusehen war, dass eine bleifreie Ära eingeläutet werden sollte, rangen die Ölmanager der Regierung das Zugeständnis ab, bis Ende 1982 auf alle eventuellen Pläne zur Einführung bleifreien Benzins zu verzichten. Ansonsten sahen sie sich technisch nicht in der Lage, den Bleigehalt zu verringern. Der ehemalige Abteilungsleiter für Umweltschutz im Bundesinnenministerium, Peter Menke-Glückert (FDP), bezeichnet dieses 281 Stillhalteabkommen als das „bestgehütete Geheimnis der sozial-liberalen Bundesregierung“ (Luhmann 1991). Die Konsequenzen folgten auf dem Fuße. Während die USA und Japan ihre Abgasgrenzwerte den technischen Möglichkeiten anpassten und somit verschärften, konnte in der Bundesrepublik erst nach Ablauf der Schonfrist zu Jahresbeginn 1983 über einschneidende Verbesserungen diskutiert werden. Um 1970 fiel der Blick der Massenmedien bereits auf den „kranken Wald“. Der Stern berichtete 1971 über den Tod eines alten Forstes bei Hameln, verursacht durch Fluorwasserstoffimmissionen. Im November 1971 bilanzierte die Mainzer Allgemeine Zeitung: „100.000 Hektar Wald in der Bundesrepublik sind gefährdet“ (Holzberger 1995, 12). Der Bund Naturschutz Bayern (BN) nahm sich in diesem Zeitraum des Themas an und gab eigene wissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag (BUND 1995, Sonderausgabe). 1972, als bei der „Stockholmer Konferenz“ der Ferntransport von Emissionen diskutiert wurde, der offenbar Seen und Wälder selbst in Skandinavien stark belastete, tauchte ein bekanntes Schlagwort wieder auf: die „Hochschornsteinpolitik“. Das politische Versprechen, den Himmel über der Ruhr wieder blau werden zu lassen, ließ sich mit dem Bau hoher Schornsteine erfüllen. Dadurch wurden die Schadstoffe jedoch über weite Strecken verfrachtet und schädigten auch Wälder in Reinluftgebieten. Bis in die 80er Jahre lautete die zentrale These über die Ursachen des Waldsterbens in etwa: „Ferntransport von Schwefeldioxid, der als Saurer Regen irgendwo niederschlägt und zur ökologischen Katastrophe gerät“ (Müller-Ullrich 1996, 27). Mit dieser durchaus griffigen und plausiblen Argumentation war ein anscheinend wissenschaftlich abgesichertes Wissen vorhanden, das zum Vorbild der Thematisierung wurde. Die Politiker aber ignorierten das Thema weiter. Die zweite Phase der Umweltpolitik von 1974 bis 1978 ist auf Grund ökonomischer Restriktionen durch eine defensive Umweltpolitik gekennzeichnet. In dieser Phase wird die Verwaltung schon auf das „Waldsterben“ aufmerksam gemacht. Mitte der 70er Jahre fällt dem Forstdirektor von Alpirsbach, Karl Scheffold, eine unerklärliche „Tannenkrankheit“ auf. Er dokumentiert diese Tatsache im Forstbericht 1975 und wählt dabei eine drastische Formulierung, dass sich die Bestände teilweise auflösten. Die Vorgesetzten in der Verwaltung nahmen das Thema nicht auf ihre Tagesordnung und es kann weder auf der politischen noch auf der massenmedialen Agenda eine größere Resonanz auslösen (Luhmann 1991). Ab 1978, mit Beginn der dritten Phase der Umweltpolitik, veränderte sich das politische Klima für den Umweltschutz maßgeblich. Seit grüne Parteien in Landtags- und Kommunalwahlen 1978 und 1979 beachtliche Stimmenanteile erzielen konnten, ist eine Beunruhigung im Parteienspektrum entstanden. Dies lag nicht so sehr an der politischen Macht, die diese Parteien errungen haben, sondern vielmehr an der großen Wirkung kleiner Prozentanteile auf das Machtgefüge, das zwischen den etablierten Parteien bestand. Die Grünen haben einen Wahlsieg der CDU in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit bewirkt sowie die FDP aus der Bürgerschaft in Hamburg und dem Landtag in Niedersachsen verdrängt. „Obwohl die etablierten Parteien der ‚Ein-Punkte- Parte’ keine Überlebenschance geben, erkennen sie jedoch ein neues Wählerpotential, das bei knappen Mehrheiten für die Erfolgsaussichten der großen Parteien ausschlaggebend und für die von der Fünfprozent-Hürde bedrohten FDP existenzbedrohend sein könnte.“ (Müller 1986, 11). Zu dieser Zeit hat sich das Umweltbewusstsein in der deutschen Bevölkerung maßgeblich gewandelt. Laut einer Umfrage des Institutes für Forstpolitik und 282 Raumordnung an der Universität Freiburg (1981) waren 76 Prozent der Befragten bereit, für die Finanzierung einer besseren Umwelt Einschränkungen in ihren persönlichen Ausgaben hinzunehmen (dpa-Meldung vom 6. Mai 1981). Eine Folge des gestiegenen Umweltbewusstseins in der Bevölkerung ist die zunehmende Bedeutung von Umweltschutzverbänden. Während bis in die 70er Jahre hinein Umweltschutzfragen allenfalls von Naturschutz- und Heimatvereinen getragen wurden, die fast ausschließlich in reine Fachfragen und lokale Probleme eingebunden waren, vollzog sich während der 70er Jahre im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um umweltrelevante Großvorhaben eine zunehmende Politisierung der Umweltverbände. Dadurch kam es zur Gründung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) als bundesweite Spitzenverbände. 1981 kam Greenpeace Deutschland dazu. Die veränderte parteipolitische Konstellation und das dem zugrunde liegende Meinungsklima sind Gründe dafür, dass die Umweltpolitik wieder ins Scheinwerferlicht gerückt wurde. Vor diesem Hintergrund gaben die etablierten Parteien dem Umweltschutz ein neues Gewicht. Dies zeigt sich vor allem in der regen Programmtätigkeit. Die CDU legte im Dezember 1979 ihr neues „Umweltpolitisches Programm“ vor. Es folgt im April 1980 die CSU mit ihrem Positionspapier „Umweltpolitik in den 80er Jahren“ sowie die FDP auf ihrem Kölner Parteitag 1981 mit dem „Ökologischen Aktionsprogramm“ und schließlich die SPD im Mai desselben Jahres mit ihrem Papier „Ökologische Orientierungen“ (Müller 1986, 11). Gleichzeitig bewirkt die machtpolitische Dimension der Umweltpolitik, „daß sich die Verwaltung nun plötzlich mit politischen Profilierungsinteressen konfrontiert sah.“ (Müller 1986, 12). Im Jahre 1978 wird das Wissenschaftssystem auf das „Waldsterben“ aufmerksam. Der Göttinger Forstwissenschaftler Bernhard Ulrich stellt die These auf, dass durch Luftverschmutzung, verursacht durch Industrie- und Verkehrsabgase, „saurer Regen“ entstehe, der das großflächige Absterben des Waldes selbst in kaum industrialisierten Regionen bewirke. Diese These macht im Folgenden Karriere im Wissenschaftssystem (Müller-Ullrich 1996, 27). Durch die Luftverschmutzung sei per Ferntransport insbesondere Schweden betroffen. Das Thema „Waldsterben“ blieb auf der Regierungsagenda allerdings nach wie vor ein Tabuthema. Die Administration war per Kabinettsbeschluss angewiesen, das Thema nicht auf die Tagesordnung zu setzen, um möglichen Schadensersatzansprüchen von Verschmutzungsländern - insbesondere Schweden - keinen Vorwand zu liefern (Müller 1986, 224). Bereits 1978 hatte der Referatsleiter für Umweltangelegenheiten die „besorgniserregenden“ Ergebnisse der Untersuchung von Bernhard Ulrich zum Anlass genommen, die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft zu einer Stellungnahme aufzufordern. Von dort war jedoch Entwarnung gegeben worden. (Müller 1986, 307). „Juristen wie Ingenieure nutzten die Warnsignale zum ‚sauren Regen’ und SO2- Ferntransport nicht. Die Ingenieure, die konkrete Vorschläge machen mußten, waren ... durch die politische ‚Tabuisierung’ des ‚sauren Regens’ ... (u. a.) an einer argumentativen Nutzung der SO-Ferntransportproblematik gehindert.“ (Müller 1986, 307). Der damalige Bundesinnenminister Baum zeigte sich dennoch im ökologischen Bereich engagiert. Die Verwaltung wurde von ihm beauftragt, ein neues Ökologieprogramm vorzulegen. Diese Arbeiten am „Ökologischen Aktionsprogramm“ wurden nach langwierigen Ressortverhandlungen schließlich einer Sachverständigenkommission übertragen. 283 Außerdem war die Bundesregierung entschlossen, ein Sanierungsprogramm für Großfeuerungsanlagen durchzusetzen. Aus diesem Grund nahm der damalige Staatssekretär Hartkopf im Sommer 1980 mit der deutschen Elektrizitätswirtschaft Gespräche auf. Ziel war ein Konsens über ein Branchenabkommen zur Durchführung eines solchen Programms. Im November 1981 veröffentlichte der SPIEGEL die Artikelserie „Saurer Regen - da liegt was in der Luft.“ In der Folge wurde dem Thema auf der Presseagenda und in der Ökologiebewegung immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Im Deutschen Bundestag konnte das Thema im Jahre 1982 noch keine große Aufmerksamkeit erlangen. Im Sommer 1982 zeichnete sich ab, dass ein Konsens mit der deutschen Elektrizitätswirtschaft über ein Branchenabkommen zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes nicht erzielt werden konnte, so dass die Regierung unabhängig vom Thema „Waldsterben“ schließlich durch die Großfeuerungsanlagenverordnung den Konflikt in der Elektrizitätswirtschaft löste. In einer Sitzung des Umweltkabinetts am 1. September 1982 wurden deutlich schärfere Grenzwerte vereinbart (Luhmann 1992, 304). Am 1. September 1982, wenige Wochen vor dem Regierungswechsel, fasste die alte Bundesregierung neue Beschlüsse zur künftigen Gestaltung der Umweltpolitik. Diese Beschlüsse standen zur Verfügung, konnten aber nicht mehr umgesetzt werden. Im Oktober 1982 kam es zum Regierungswechsel von der links- liberalen zur konservativ-liberalen Koalition. Friedrich Zimmermann wurde neuer zuständiger Bundesminister. Diese „schubladisierten Entwürfe strenger Umweltgesetze kamen der konservativ-liberalen Regierungskoalition zugute“ (Weiden 1989, 16). Zu dieser Zeit erlangte das Thema „Waldsterben“ in der massenmedialen Berichterstattung und in der Bevölkerung immer mehr Aufmerksamkeit. Kurz nach der Regierungsübernahme wurde am 11. Oktober der Entwurf einer Rechtsverordnung über Großfeuerungsanlagen an die beteiligten Kreise versandt. Am 8. Dezember 1982 beschloss die Bundesregierung, auf Grund des „Waldsterbens“ die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) zu novellieren. So wurden zum 1. März 1983 kurz vor der Bundestagswahl die Immissionsgrenzwerte der TA-Luft verschärft. Ab dem Jahre 1983 genoss das Thema „Waldsterben“ in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag eine große Aufmerksamkeit. Im Juni 1983 wurde die Großfeuerungsanlagenverordnung erlassen. Am 24. Februar 1983, nachdem das Stillhalteabkommen mit der deutschen Automobilindustrie abgelaufen war, eröffnete Bundesminister Friedrich Zimmermann mit einer Rede die Diskussion um die Senkung der Abgasgrenzwerte: „Die Möglichkeiten, die moderne Technik im Kfz-Abgasbereich bietet, sind auszuschöpfen.“ (Luhmann 1991). Die Autolobby reagierte moderat, denn Zimmermann sprach damals noch von einer „freiwilligen Übereinkunft". In den folgenden Monaten erlangte das Problem „Waldsterben“ immer größere öffentliche Aufmerksamkeit. Zimmermann beschleunigte seine Anstrengungen. Erst sollte die Autoindustrie bis zum Herbst 1983 ein Konzept zur Einführung bleifreien Benzins vorlegen, dann wurde sie schon im Sommer von Zimmermanns Ankündigung überfahren, dass Katalysatoren ab dem 1. Januar 1986 zwingend vorgeschrieben werden sollten. Ein Problem erlangt über die Massenmedien öffentliche Aufmerksamkeit, eine Lösung ist bereits in der Bürokratie ausgearbeitet und im politischen Strom ändert sich die Regierung sowie die Bevölkerungsmeinung. Es hat sich ein „Policy-Window“ geöffnet. 284 Anhang A 1. Das Kategorienschema Kodieranweisung „Waldsterben“ Das Kategoriensystem umfasst insgesamt 12 Variablen. Die ersten vier Variablen V0 bis V3 dienen ausschließlich der Identifikation des Kodierers und der Untersuchungseinheit. Kernstück der Kodierung sind die Variablen V4 bis V11. Zu beachten sind dabei manifeste Thematisierungen im Text in Bezug auf die nachfolgenden Kategorien. Berücksichtigt werden der Fließtext, Überschriften und Untertitel. Bei Bildern, Tabellen, Grafiken usw. wird nur die schriftliche Information kodiert, die entweder im Begleittext zu diesen steht oder die aus diesen Tabellen etc. zweifelsfrei zu entnehmen ist. Im Zweifelsfall werden diese Informationen nicht kodiert. Machen Sie auf dem Datenblatt eine entsprechende Notiz. Es wird lediglich die einmalige Nennung einer Variablenausprägung erhoben. Die Quantität der Nennungen ist dabei nicht von Interesse. Bei einer Nennung eines Aspektes im Text wird der dementsprechende Kode im Datenblatt eingetragen. V 0 Kodierer-Nummer Tragen Sie hier die Ihnen zugeteilte Nummer ein. V 1 Identifikationsnummer der Analyseeinheit Tragen Sie hier die laufende Nummer der Analyseeinheiten ein. Die Nummern sind auf den Dokumenten vermerkt. Diese Nummer ist vierstellig: 0001, 0002, 0003 usw. V 2 Quelle Die Quellen der Dokumente sind ebenfalls auf diesen vermerkt. Der hier einzutragende Code ist zweistellig und nach folgendem Schlüssel gegliedert: Tabelle: A.1 Quelle der Dokumente Presse Parlament Ökologiebewegung 285 01 Spiegel 02 Süddeutsche Zeitung 03 Frankfurter Allgemeine Zeitung 04 Frankfurter Rundschau 05 Die Welt 06 Die Zeit 10 Gesetzentwürfe 11 Sachanträge 12 Entschließungsanträge 13 Änderungsanträge 14 Große Anfragen 15 Kleine Anfragen 16 Anfragen der Abgeordneten 17 Antwort der Bundesregierung 18 Ausschussempfehlungen 19 Berichte der Bundesregierung 20 BUND Natur & Umwelt 21 Greenpeace Nachrichten 22 Greenpeace Magazin 23 BBU Umweltmagazin 24 BBU Magazin 25 BBU Infodienst V 3 Datum Tragen Sie hier das Datum ein, und zwar nur den Monat und das Jahr. Die Angaben sind den Dokumenten zu entnehmen oder sind dort vermerkt. Die Code ist vierstellig: MMJJ. Für den 26. April 1986 wird 0486 eingetragen. Die Publikationen der Umweltschutzorganisationen sind auf Grund ihrer Erscheinungsweise nicht immer eindeutig auf einen Monat festzulegen. Tragen Sie bei diesen Publikationen den Erscheinungszeitraum ein: Für April/Mai 1986 wäre das 04-0586, für das 2.Quartal 1986 2Q86. V 4 Thematisierung des Problems „Waldsterben“ Dies ist die Kernvariable der gesamten Untersuchung! Für die Thematisierung des Problems Waldsterben ist es wichtig, dass in irgendeiner Stelle des Textes zum Ausdruck kommt, dass der Wald sich in einem Schadensprozess befindet oder befunden hat. Dieser Prozess muss nicht unbedingt zum „Tode“ des Waldes führen. Achten Sie hier auf bestimmte Schlüsselbegriffe: Bspw. „Waldsterben“, „Baumsterben“, „Forstschäden“, „kranke Wälder“. Falls in einem Text ein Schadenszustand des Waldes beschrieben wird, der ausschließlich durch „Stürme“, „Schneebruch“, „Raubbau“ oder „Abholzung“ entstanden ist, können Sie die Kodierung an dieser Stelle stoppen und den dementsprechenden Code 000 eintragen. Es ist nur eine Antwort möglich! 001 Thematisierung Waldsterben 000 nicht thematisiert V 5 Intensität des Waldsterbens Von Interesse ist hier die Beschreibung der Schadensintensität. Dabei soll lediglich die weitere Entwicklung, die Tendenz der Schäden festgehalten werden. Wie wird der Zustand des Problems beschrieben? Damit sind Klassifizierungen der Höhe der Schäden gemeint, ob die Schäden etwa noch weiter zunehmen oder ob sie etwa abnehmen. Hier ist nur eine Antwort möglich! 100 Schäden nehmen zu 110 Schäden nehmen nicht mehr zu 120 Schäden gehen zurück 130 keine Nennung 286 V6 Ursachen des Waldsterbens Bei dieser Variable sollen manifeste Aussagen bezüglich der Ursachen festgehalten werden. Gehen Sie mit folgender Frage an den Text: „Was ist ursächlich verantwortlich für das Problem?“ Damit sind Ursachen gemeint und nicht Verursacher, die im klassischen Sinne haftbar gemacht werden können. Mehrfachantworten sind möglich! 200 Luftverschmutzung - dies beinhaltet auch die Nennung bestimmter Schadstoffe, die über die Luft transportiert werden 210 Saure Niederschläge - die Schadstoffe schlagen sich in Form von Regen, Nebel oder Schnee nieder 220 Bodenbelastung - die Schäden des Waldes kommen durch Schadstoffe, Salz oder Düngemethoden zustande 230 Extreme klimatische Bedingungen - dies bezieht sich vor allem auf Trockenheit, Frost und zu wenig oder zu starke Niederschläge. Stürme und Schneestürme sind hier nicht gemeint. 240 Forstliche Maßnahmen - angesprochen sind hier Maßnahmen wie „Monokulturen“ oder Anbau von Baumarten, die nicht unbedingt in den Lebensraum passen. Kahlschlag und Rodung sind nicht gemeint. 250 Mikroorganismen, Pilze, Käfer, Wild - angesprochen sind Viren, Bakterien, Fäulepilze, Insekten und Wildbiss bzw. Schälschäden 280 Sonstige 290 keine genannt V 7 Verursacher des Waldsterbens „Wer ist ursächlich verantwortlich für das Problem?“ Im Unterschied zu den Ursachen können die Verursacher in irgendeiner Form in die Pflicht genommen werden, d. h. hier ist Handlungsfähigkeit vorausgesetzt. Die Nennung eines Verursachers ist nicht unabdingbar mit der Nennung einer Ursache verknüpft. Auch hier sind Mehrfachantworten möglich! 300 Industrie - z. B. die chemische oder petrochemische Industrie, die Schwerindustrie, der Bergbau usw. 310 Kraftwerke - Erzeuger thermischer Energie durch z. B. Kohle, Gas, Öl, Müllkraftverbrennung oder atomarer Energie 320 Schadstoffimport aus anderen Staaten - dies bezieht sich auf Kraftwerke und Industrien aus dem Ausland 330 Verkehr - Verkehrsmittel: PKW, LKW, Omnibusse, Bahn, Schiffsverkehr, Motorräder, Mofas etc., Flugzeuge 340 Forst- und Landwirtschaft 350 Gesellschaft 380 Sonstige 390 keine genannt V 8 Folgen des Problems Hier geht es um Gefahren und Konsequenzen, die durch das Problem Waldsterben entstehen können oder schon entstanden sind. Im Kern dreht es sich um negative Folgen. Denken Sie daran, dass hier nicht 287 die Folgen der Luftverschmutzung oder irgend eines anderen Umweltproblems verkodet werden sollen. „Was resultiert aus dem Problem?“ Damit sind nur die Folgen gemeint, die explizit auf das Problem Waldsterben zurückgeführt werden. Mehrfachantworten sind möglich. 400 Folgen im Bereich Ökologie - Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt oder Gefährdung des gesamten Ökosystems: Es können sich dadurch Problem für das gesamte Klima sowie für die menschliche Gesundheit ergeben. 410 Folgen im Bereich Ökonomie - finanzielle Schäden für die Forst-, Land- oder Holzwirtschaft; Arbeitsplätze können verloren gehen; der Tourismus nimmt Schaden usw. 420 Sozio-kulturelle Folgen - Wohngegenden werden unbewohnbar; es ergeben sich Probleme für die Besiedlung, da der Wald seine Schutzfunktion (z. B. vor Lawinen) eingebüßt hat. Die Erholungsfunktion des Waldes ist gefährdet; kulturelle Eigenheiten und Identitäten sind gefährdet usw. 480 Sonstige 490 keine genannt V 9 Allgemeine Lösungsvorschläge „Welche generelle Maßnahme soll zur Lösung des Problems durchgeführt werden?“ Im Unterschied zu den Policy Optionen sind hier keine konkretisierten Forderungen gemeint. Diese Kategorie ist offen: Alle ernst gemeinten Lösungsvorschläge, die nicht an die Politik adressiert sind, werden wortwörtlich notiert. Auf dem Datenblatt steht genügend Platz zur Verfügung. V 10 Policy Optionen „Welche konkrete Lösung soll gegen das Problem durchgeführt werden?“ Der Unterschied zu den allgemeinen Lösungsvorschlägen ist, dass hier nur die konkreten politischen Lösungen interessieren, die in der Regel an den Staat gerichtet sind. Auch diese Kategorie ist offen. Notierungen der Policy Optionen erfolgen wortwörtlich. V 11 Adressaten „Wer soll etwas gegen das Problem unternehmen sowie die Lösungen oder die Policy Optionen umsetzen?“ Im Zentrum steht demnach die Problembehandlung sowie die Umsetzung von Lösungen und Policy Optionen durch einen Akteur. Hier sind mehrfache Antworten möglich! 600 Politik/Staat/Verwaltung 610 Industrie 620 Kraftwerke 630 Forst- und Landwirtschaft 640 Wissenschaft 650 Umweltbewegung 660 Gesellschaft 680 Sonstige 690 keine Nennung 288 Analyse des Problems „Waldsterben“ in der Ökologiebewegung, der Presse und dem Parlament Datenblatt für Zeitschriften, Zeitungen und Bundestagsdrucksachen V0 Kodierer-Nummer: V1 Dokument-Nummer: V2 Quelle: V3 Datum: V4 Thematisierung: V5 Problem-Intensität: V6 Problem-Ursache: sonstiges: ___________________________________________ V7 Problem-Verursacher: sonstiges: ___________________________________________ V8 Folgen des Problems: sonstiges: ___________________________________________ V9 allgemeine Lösung: ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ V10 Policy Optionen: ___________________________________________ ___________________________________________ 289 ___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________ V11 Adressaten: sonstiges: __________________________________________ Tabelle: A.2: Material der Ökologiebewegungsakteure BUND BBU Greenpeace 1980 „Natur und Umwelt“ Januar April Juli Oktober „Umweltmagazin“ 1 Januar/Februar 2 März/April 3 Mai/Juni 4 Juli/August 5 September/Oktober 1981 „Natur und Umwelt“ Januar April Juli November „Umweltmagazin“ 1 Februar 2 März/April 3 Mai/Juni 4 Juli/August 5 Oktober 6 November/Dezember 1982 „Natur und Umwelt“ Januar April Juli Oktober „Umweltmagazin“ 1 Januar/Februar 2 März/April 3 Mai/Juni 4 Juli/August 5 September/Oktober 6 November/Dezember „Magazin“ Frühjahr September November 1983 „Natur und Umwelt“ I II III IV „Umweltmagazin“ 1 Februar 2 April 3 Juni/Juli 4 August/September 5 Oktober/November 6 Dezember „Magazin“ I Februar II III IV 1984 „Natur und Umwelt“ I II III IV „Umweltmagazin“ 1 Februar 2 April/Mai 3 Juni/Juli 4 August/September 5 Oktober/November „Infodienst“ 1,2,3,4,5,6,7,9,10,11,1 2 „Magazin“ I II Mai III 2. Vierteljahr IV 3. Vierteljahr V 4. Vierteljahr 1985 „Natur und Umwelt“ I II III IV „Magazin“ Februar Juli Oktober „Infodienst“ 1,2,3,4,5,6,8,9,10,11 „Magazin“ I II III IV 1986 „Natur und Umwelt“ I II III „Magazin“ Februar „Infodienst“ „Magazin“ I II III 290 IV 1,2,3,5,6,7,8,9,10,11,1 2 IV BUND BBU Greenpeace 1987 „Natur und Umwelt“ I,II,III,IV „Infodienst“ 1,2,3,4,5,6,8,10,11 „Magazin“ I,II,III,IV 1988 „Natur und Umwelt“ I,II,III,IV „Infodienst“ 1,2,3,5,6,7,9,10,11 „Magazin“ I,II,III,IV 1989 1990 „Natur und Umwelt“ I,II,III,IV „Natur und Umwelt“ I,II,III,IV „Infodienst“ 1,2,3,5,6,7,9,11 „Infodienst“ 1,2,4,6,8,10 „Magazin“ I,II,III,IV „Nachrichten“ I,II,III,IV Graphische Analyse 1.1.1 Missing Values Als erstes sollten die Zeitreihen daraufhin untersucht werden, ob sie Missing Values besitzen, das heißt, ob für alle Untersuchungseinheiten - in diesem Falle Monate - Werte vorhanden sind. Meier (1981) beschreibt das Problem der fehlenden Daten als „ein für die Zeitreihenanalyse bisher ungelöstes Problem“. Zu diesem Problem finden sich in der Literatur überraschenderweise keine Hinweise, wie Schmitz (1987, 55) bemerkt. Das ist für Schmitz der Grund, ausführlich darauf einzugehen. Fehlende Werte können sich erheblich auf die Modellierung und Analyse einer Zeitreihe auswirken. Und der einfache Ausschluss von Missing Values ist ebenfalls bedenklich, da so die Struktur der internen Abhängigkeit einer Zeitreihe zerstört oder verdeckt werden kann (Schmitz 1987, 255). Zur Lösung dieses Problems gibt es mehrere Möglichkeiten: So kann eine Approximation mit den Polynomwerten an der Stelle des fehlenden Wertes vorgenommen, bestimmte Filter zur Schätzung der fehlenden Werte genutzt werden (z. B. Kalman-Filter) oder es können Vorhersagestrategien angewandt werden, die unter dem Namen „Backforecasting“ zu finden sind.33 Für die vorliegenden Zeitreihen bestand ein „Missing-Value“-Problem bei der Zeitreihe „Ökologiebewegung“, wie beschrieben in dem Sinne, dass auf Grund der teilweise mehrmonatigen Erscheinungsweise nicht in allen Monaten das Problem Waldsterben thematisiert werden konnte. Viele Magazine konnten auch nicht eindeutig einem Monat zugeordnet werden, wohl aber einem Quartal oder einem zweimonatigen Zeitraum. Diese Ausgaben wurden deshalb auf ihren Erscheinungszeitraum gestreckt. Beispiel: ein Magazin des BUND „Umwelt & Natur“ erschien im dritten Quartal 1985 (Juli, August, September) und thematisiert das Waldsterben in vier Beiträgen. Da nicht bekannt war, ob das Magazin im Juli, im August oder sogar erst im September erschien, wurden die vier Thematisierungen auf alle drei Monate gestreckt, in jedem dieser drei Monate wurde demnach das Waldsterben viermal thematisiert. 33 Zu Strategien im Umgang mit Missing Values siehe: Schmitz 1987, 55f. 291 1.1.2 Ausreißer Ausreißer sind Werte, die stark von allen anderen Werten abweichen. In der Regel wird bei Ausreißern von Artefakten ausgegangen, also von Fehlern in der Datenerhebung. Schmitz (1987, 56ff.) weist außerdem darauf hin, dass es sich bei Ausreißern auch um Einflüsse nicht- kontrollierter Variablen sowie Kovariablen handeln könnte oder einfach um Extremwerte, die durch die „normale“ Variabilität der Variablen zustande gekommen sind. In diesem letzten Fall spricht Schmitz davon, dass es sich eigentlich nicht um Ausreißer handelt. McCleary und Hay (1980, 128) wiesen jedoch nach, dass Extremwerte die Varianz einer Zeitreihe erheblich beeinflussen können und infolgedessen ein „wahres“ Modell des stochastischen Prozesses verdeckt werden kann. Das einfachste Verfahren Ausreißer zu behandeln, ist, sie durch den Wert des arithmetischen Mittels der Zeitreihe zu ersetzen (Schlittgen/Streitberg 1987, 8). Ausreißer können ohne Probleme durch ein Streudiagramm der standardisierten Werte identifiziert werden. Alle Werte, die mehr als drei Standardeinheiten abweichen, werden eliminiert und durch das arithmetische Mittel ersetzt (Hartung 1993, 586).34 Doch auch die Beseitigung von Ausreißern kann die Analyse einer Zeitreihe „wesentlich und in unkontrollierbarer Weise“ beeinflussen (Schlittgen/Streitberg 1987, 8). Dies zielt aber vor allem darauf ab, wie viele dieser „Outlier“ beseitigt werden. So ist eine exzessive Anwendung dieses Konzeptes sicher nicht gemeint, da so „letztendlich jedes Modell für einen Datensatz passend gemacht werden kann“ (Schmitz 1987, 57).35 Es kann für die hier vorliegenden Daten davon ausgegangen werden, dass es sich bei einigen Werten um Extremwerte handelt, die nicht auf Grund von Messfehlern, sondern wegen der „normalen Variabilität“ der Zeitreihe zustande gekommen sind. Aus den beschriebenen Gründen werden diese Werte behandelt, indem sie durch den Mittelwert der jeweiligen Zeitreihe ersetzt werden. In den hier untersuchten Zeitreihen wurden maximal drei Ausreißer von 132 Messzeitpunkten beseitigt, so dass angenommen werden kann, dass nach der Behandlung dieser Werte weder die „wahren Modelle“ verdeckt werden, noch die weitere Analyse in „unkontrollierbarer Weise“ beeinflusst wird.36 1.1.3 Mittelwert und Variabilität Die folgenden Abbildungen zeigen die empirischen Zeitreihen der Agenden Ökologiebewegung, Presse und Parlament mit ihrem jeweiligen Mittelwert nach der Ausreißerbeseitigung. Abbildung A1: Ausreißerbereinigte Reihe Ökologiebewegung und Mittelwert "Waldsterben"Ökologiebewegungs-Agenda1980-1990 N=132Monate Zeit JAN1990JAN1989JAN1988JAN1987JAN1986JAN1985JAN1984JAN1983JAN1982JAN1981JAN1980 Th em ati sie run gs häu fig kei t 22 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 34 Schlittgen (1990,222) definiert Ausreißer als Werte, die 1,5 Quartalsabstände vom Quartal abweichen. 35 Schmidt zielt hier ab auf eine Studie von de Alba und Zartman (1980), die von 133 Beobachtungen 11 als Ausreißer identifiziert und eliminiert haben. 36 Für die Reihe der Ökologiebewegung wurden der Wert für Februar 1984, für die Presse-Reihe die Werte für Februar 1983 und Oktober 1984 und für die Parlaments-Reihe die Werte für Oktober 1983, Dezember 1983 und Oktober 1984 durch den jeweiligen Mittelwert ersetzt. Für die anschließend vorgenommenen Analysen der Teil-Phasen wurde nach dem gleichen Prinzip vorgegangen: Hier wurden maximal drei Ausreißer beseitigt. Für eine ausführliche Diskussion zur Ausreißerbehandlung s. Schmitz, 1987, 55ff. 292 Abbildung A.2: Ausreißerbereinigte Reihe Presse und Mittelwert N = 13 2 M o n a t e Zeit J A N 19 9 0J A N 19 8 9J A N 19 8 8J A N 19 8 7J A N 19 8 6J A N 19 8 5J A N 19 8 4J A N 19 8 3J A N 19 8 2J A N 19 8 1J A N 19 8 0 Th em at is ie ru ng sh äu fig ke it 4 2 0 Abbildung A.3: Ausreißerbereinigte Reihe Parlament und Mittelwert N = 13 2 M o n a t e Zeit J A N 19 9 0J A N 19 8 9J A N 19 8 8J A N 19 8 7J A N 19 8 6J A N 19 8 5J A N 19 8 4J A N 19 8 3J A N 19 8 2J A N 19 8 1J A N 19 8 0 Th em at is ie ru ng sh äu fig ke it 12 10 8 6 4 2 0 293 Abbildung A.4: Ausreißerbereinigte Reihe Bevölkerung und Mittelwert Deutlich sieht man, dass alle vier Zeitreihen von ihrem Mittelwert phasenweise erheblich abweichen. Mit anderen Worten: Die Niveaus der Zeitreihen sind nicht konstant. In verschiedenen Phasen ändert sich demnach auch die Variabilität der Zeitreihen deutlich. Dies deutete darauf hin, dass eine Grundvoraussetzung zur Beschreibung des stochastischen Modells nicht erfüllt wird: Stationarität. Stationäre Reihen weisen im Grunde keine systematischen Veränderungen in ihrem Gesamtbild, d. h. in ihren Merkmalen, auf. Das bedeutet, dass die Mittelwerte und auch die Varianzen verschiedener Teile der Reihen nicht zu stark voneinander abweichen sollten (Schlittgen/Streitberg 1987, 3ff.). Das Gleiche gilt für die Autokovarianzen, den linearen Zusammenhang einer Zeitreihe Xt, mit der um k Zeitpunkte verzögerten Zeitreihe Xt-k. Die Autokovarianzen sollen nur von der Zeitverschiebung, vom lag k, abhängig sein, nicht aber von einzelnen Zeitpunkten. Die interne autokorrelative Struktur einer Zeitreihe, die im vorliegenden Fall Hinweise auf die Thematisierungsprozesse der Agenden geben soll, sollte sich somit ebenfalls kaum ändern. Eine Zeitreihe sollte demnach mittelwertstationär, varianzstationär und kovarianzstationär sein. Die Bedingung der (schwachen) Stationarität ist erfüllt, wenn die Zeitreihe mittelwert- und kovarianzstationär ist. 1.1.4 Trends und Gleitmittel Jede Zeitreihe kann sich aus mehreren Komponenten zusammen setzen: aus einer Trendkomponente, die eine Grundentwicklung, eine Tendenz oder langfristige Entwicklungen einer Zeitreihe angibt; aus einer Konjunktur- oder zyklischen Komponente, die wellenförmig auftretende Einflüsse zwischen zwei und 10 Jahren beschreibt; aus einer saisonalen Komponente, die Schwankungen z. B. in Jahres-, Quartals- oder Monatsrhythmen angibt; aus einer irregulären Komponente, die den Status einer Zufallsvariablen besitzt und für den Einfluss schwer abschätzbarer Störfaktoren steht; (Leiner 1991, 5f.; Streck 1991, 255f.; Schlittgen/Streitberg 1987, 9).Aus den oben dargestellten Abbildungen sind auf Anhieb weder langfristige Trends noch wiederkehrende saisonale oder konjunkturelle Schwankungen zu entdecken. Bei der Presse-Reihe sind in der Spätphase der Thematisierung einige Höhepunkte jeweils zum Ende des Jahres erkennbar. Dies könnte auf einen saisonalen Effekt deuten. Allerdings gibt es bei allen drei Reihen dem Anschein nach zumindest lokale, also phasenweise Trends.Eine Trendbestimmung, die eine Zeitreihe auch in lokalen Abschnitten gut beschreibt, erfolgt durch die Verwendung von Gleitmittelwerten. Die empirischen Beobachtungen werden durch gleitende Mediane oder gleitende arithmetische Mittelwerte, für die eine Spanne umliegender Beobachtungen bestimmt werden muss, ersetzt. Dadurch werden die irregulären Schwankungen einer Zeitreihe entfernt, Trends und Zyklen bleiben aber bestehen. Die Zeitreihe ist somit geglättet.37 Zur Darstellung lokaler Trends wurden gleitende Mediane über jeweils acht Zeitpunkte verwendet. Sie besitzen den Vorteil, gegenüber Extremwerten robuster zu sein als gleitende Mittelwerte, da die gleitenden Mediane nicht auf einzelne Extremwerte reagieren. Je 37 Zu Gleitmittelwerten und Glättungsverfahren siehe: u. a. Leiner 1991; Schlittgen/Streitberg 1987, 25ff.; Schmitz 1987, 50ff. und 1989, 23ff. Zeit N=132 Monate 294 mehr Beobachtungen bei der Mittelung zusammengefasst werden, desto langfristigere Trends werden repräsentiert. Es wurde hier eine Spanne von acht Beobachtungen um den jeweiligen Fall gewählt, da sich zeigte, dass dies eine gute Darstellung lokaler Trends ermöglicht. Bei der Darstellung muss darauf geachtet werden, dass am Anfang und Ende jeder Zeitreihe jeweils vier Werte abgeschnitten werden. Dies ist aber akzeptabel, da trotzdem Trends sichtbar gemacht werden können.38 Die folgenden Abbildungen zeigen die ausreißerbereinigten Zeitreihen und deren Glättung im Vergleich. Abbildung A.5: Thematisierung und Glättung Reihe Ökologiebewegung The m atis ie ru ng u nd Glä ttun g Öko log iebew eg ungs -Agen da J A N 19 9 0J A N 19 8 9J A N 19 8 8J A N 19 8 7J A N 19 8 6J A N 19 8 5J A N 19 8 4J A N 19 8 3J A N 19 8 2J A N 19 8 1J A N 19 8 0 Th em at is ie ru ng sh äu fig ke it 2 2 2 0 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Ö k o l o g i e - B e w e g u n g 8 - P u n k t - G l ä t t u n g So ist zu sehen, dass es bei der Zeitreihe der Ökologiebewegung von etwa Ende 1981 bis ca. Mitte 1984 einen zunehmenden Trend gegeben hat. Danach fällt die Thematisierung mit Unterbrechungen wieder ab, um auf einem relativ konstanten Niveau in der Endphase der Thematisierung zu bleiben. 38 Schlittgen/Streitberg (1987, 28) geben Hinweise zu Randergänzungsverfahren. 295 Abbildung A.6: Thematisierung und Glättung Reihe Presse J A N 19 9 0J A N 19 8 9J A N 19 8 8J A N 19 8 7J A N 19 8 6J A N 19 8 5J A N 19 8 4J A N 19 8 3J A N 19 8 2J A N 19 8 1J A N 19 8 0 Th em at is ie ru ng sh äu fig ke it 6 4 2 0 P r e sse 8 - P u n k t - G l ä t t u n g Beim Verlauf der Presseagenda sind nach der Glättung ebenfalls deutlich lokale Trends zu sehen. Der erste Eindruck der graphischen Analyse wird auch hier bestätigt. Bei der Zeitreihe der Parlamentsagenda werden ebenfalls Trends sichtbar. Von Anfang 1983 bis Mitte 1984 steigt die Thematisierung, danach fällt sie kontinuierlich ab. Abbildung A.7: Thematisierung und Glättung Reihe Parlament The m atis ie ru ng u nd Glä ttun g Pa rlam en ts -Ag enda J A N 19 9 0J A N 19 8 9J A N 19 8 8J A N 19 8 7J A N 19 8 6J A N 19 8 5J A N 19 8 4J A N 19 8 3J A N 19 8 2J A N 19 8 1J A N 19 8 0 Th em at is ie ru ng sh äu fig ke it 14 12 10 8 6 4 2 0 P a r l a m e n t 8 - P u n k t - G l ä t t u n g 296 Abbildung A.8: Thematisierung und Glättung, Reihe Bevölkerung Trendbereinigung Die Annahme von Trends ist in den zu untersuchenden Zeitreihen, wie zu sehen ist, nicht unbegründet. Eine Interpretation ihrer statistischen Kennwerte ist dann sehr fragwürdig (Schmitz 1989, 25). Diese visuelle Analyse sollte allerdings nicht überbewertet werden, da es sonst ebenfalls zu Fehleinschätzungen kommen kann.39 Trends weisen drauf hin, dass die Zeitreihen sich nicht in einem stationären Zustand befinden. Eine Bestätigung der Annahme, dass die drei hier zu untersuchenden Zeitreihen nicht-stationär sind, liefern die Autokorrelationsfunktionen. Die Überprüfung der Kovarianz-Stationarität kann durch die Analyse der Autokorrelationsfunktionen einer Zeitreihe erfolgen, da sich Autokovarianzen und Autokorrelationen nur durch einen konstanten Faktor unterscheiden (Schlittgen/Streitberg 1984, 7). Bei der Autokorrelationsfunktion (ACF) ist darauf zu achten, dass das Korrelogramm - die graphische Darstellung der Autokorrelationsfunktionen - keinen langsamen Verfall darstellt. Die folgenden Korrelogramme für die drei Agenden weisen jedoch alle einen eher langsamen Verfall der Autokorrelationen auf.40 39 vgl. u. a. Schmitz 1987, 50; 1989; Schlittgen/Streitberg 1987. 40 Die Darstellung über 24 lags ist willkürlich, gibt aber die Möglichkeit, sich ein genaueres Bild über den Verlauf der ACF zu machen. J A N 1 9 9 0J A N 1 9 8 9J A N 1 9 8 8J A N 1 9 8 7J A N 1 9 8 6J A N 1 9 8 5J A N 1 9 8 4J A N 1 9 8 3J A N 1 9 8 2J A N 1 9 8 1J A N 1 9 8 0 297 Abbildung.A.9: Autokorrelationen Reihe Ökologiebewegung Lag -N ummer 2 42 32 22 12 019181716151413121110987654321 A C F 0 ,0 - ,5 K o n f i d e n z - h ö c h st g r e n z e n K o e f f i z i e n t Bei der Zeitreihe der Ökologiebewegung dauert der Verfall der signifikanten Autokorrelationen bis zum lag 17, was für einen eher langsamen Prozess spricht. Abbildung A.10: Autokorrelationen Reihe Presse Lag -N ummer 2 42 32 22 12 019181716151413121110987654321 A C F 1,0 ,5 0 ,0 - ,5 K o n f i d e n z - h ö c h st g r e n z e n K o e f f i z i e n t Nicht ganz so ausgeprägt ist dies bei der Presse-Zeitreihe der Fall. Immerhin gibt es noch bis zum lag 12 einen signifikanten Zusammenhang. Bei der Zeitreihe der Parlamentsagenda dauert der Verfall der ACF wieder etwas länger, insgesamt 17 lags. Abbildung A.11: Autokorrelationen Reihe Parlament Autoko rre la tio ns fu nktione n P rlam en ts -Ag enda Lag -N ummer 2 42 32 22 12 019181716151413121110987654321 A C F 1,0 ,5 0 ,0 - ,5 K o n f i d e n z - h ö c h st g r e n z e n K o e f f i z i e n t Abbildung A.12: Autokorrelationen Reihe Bevölkerung Da die Autokovarianzstruktur über die Zeit konstant bleiben soll und somit die Autokorrelationen nur vom lag und nicht vom Zeitpunkt abhängig sein dürfen, werden über beliebige Zeiträume die internen Abhängigkeitsstrukturen der drei Zeitreihen geprüft. Dabei zeigten sich zum Teil erhebliche Differenzen in den Autokorrelationen der jeweiligen Zeitreihe.41 Es konnte demnach davon ausgegangen werden, dass die hier zu untersuchenden drei Zeitreihen nicht stationär waren. Trends und vorhandene Nicht-Stationarität verlangen nach einer Transformation der Zeitreihen. Dazu bietet sich im Zusammenhang mit der ARIMA- Modellierung die Trendbereinigung durch Differenzenbildung an: Xt - Xt-1. In der neu gebildeten Zeitreihe spiegelt sich dann die Differenz, hier die Veränderung zum Vormonat 41 Diese Vorgehensweise geht in Richtung der „divisen Prozeßanalyse“ nach Schmitz (1987, 84ff.), die aber auf Grund ihrer Komplexität hier keine Berücksichtigung findet. Lag-Nummer 298 wieder.42 Nach der Differenzierung 1. Ordnung zeigten sich die Reihen der drei Agenden deutlich stationär. ARIMA-Modellierung 1.1.5 Identifikation durch Informationskriterien Die Grundidee der Informationskriterien ist die Überprüfung eines Modells in der Hinsicht, ob sich durch Hereinnahme oder Ausschluss eines Parameters etwas am Informationsgehalt des Modells ändert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Informationskriterien von der Anzahl der Messzeitpunkte abhängen und somit das „korrekte“ Modell nicht immer sicher identifizieren. In Simulationsstudien konnte nachgewiesen werden, dass das SBC eher das bessere Modell schätzt, wenn „wenige“ Messzeitpunkte vorliegen. Das AIC hingegen überschätzt in diesen Fällen die anzupassenden Modelle. Dagegen sieht es bei einer „großen“ Anzahl von Messzeitpunkten so aus, dass das AIC die Modellanpassung nicht unterschätzt (Schlittgen/Streitberg 1987, 252). Eine „vorsichtige Anwendung beider Kriterien“ ist aber durchaus sinnvoll (Schmitz 1989, 83). Sowohl die Residual-Varianz als auch die beiden Kriterien können berechnet werden. Je niedriger die Werte für die Varianz der Residuen und die Werte der Informationskriterien, desto besser ist die Anpassung an das „wahre“ Modell gelungen. 1.1.6 Schätzung der ARIMA-Modelle MA(q)-Modelle mit ihren Parametern müssen den Invertierbarkeitsbedingungen gerecht werden. Für den MA(1)-Prozess heißt die Bedingung, dass der Wert des Schätz-Parameters θ kleiner als 1 sein muß ( |θ|<1 ). Für einen MA(2)-Prozess sehen die Invertierbarkeitsbedingungen folgendermaßen aus: θ2+θ1 < 0; θ2-θ1 < 1, |θ2| < 1. Ein MA(q)-Prozess ist also genau dann invertierbar und somit als unendlicher AR(p)-Prozess darstellbar, wenn alle Nullstellen bzw. Wurzeln seines Polynoms: 0 1 1 2= − − −θ θ θz z zp p² außerhalb des Einheitskreises liegen. MA(q)-Prozesse sind von vornherein stationär, AR(p)- Prozesse sind dies hingegen nicht. Für AR(p)-Prozesse gibt es dementsprechend Stationaritätsbedingungen. Für den AR(1)-Prozess heißt die Bedingung, dass der Wert des Schätz-Parameters φ kleiner als 1 sein muss ( |φ|<1 ). Für einen AR(2)-Prozess sehen die Stationaritätsbedingungen folgendermaßen aus: 1 + φ2 > 0 oder 1 - φ2 > 0; 1 - φ1 - φ2 > 0; 1 + φ1 + φ2 > 0. 42 Als weitere Bedingung sei noch erwähnt, dass Ergodizität gegeben sein muss. Eine Reihe ist ergodisch, wenn Mittelwert und Varianz aus nur einer Realisation des stationären Prozesses zu ermitteln sind. Ein brauchbarer Test auf Ergodizität ist nicht bekannt (Krauth 1980 in: Schmitz 1987, 62). Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die meisten stationären Zeitreihen diese Bedingung erfüllen (dazu Schlittgen/Streitberg 1987, 147ff.). 299 Alle Nullstellen bzw. Wurzeln seines Polynoms eines AR-Prozesses müssen ebenfalls außerhalb des Einheitskreises liegen. Das Gleiche gilt für ARIMA-Modelle, die einer Kombination aus Invertierbarkeits- und Stationaritätsbedingungen gerecht werden müssen. Das Wichtige an diesen Stationaritätsbedingungen ist, dass sie durch die Überprüfung der Schätzparameter Prozesse aufspüren, die Autokovarianzen größer werden lassen. Das Ziel ist jedoch, Prozesse zu beschreiben, deren Autokovarianzen nicht größer werden (s. dazu Schmitz 1989, 48 ff.; vor allem aber Schlittgen/Streitberg 1987, 100ff.). Diagnostik Es ist durch das ARIMA-Verfahren nicht möglich, ein „wahres“ Modell zu identifizieren, sondern nur ein „passendes“ Modell. Nach Identifikation und Parameterschätzung ist deshalb eine Diagnose der Angemessenheit des Modells erforderlich, die sich in zwei Bereiche gliedert: die Signifikanztestung der ARIMA-Parameter, die Analyse der Residuen auf „White Noise“ (Schmitz 1989, 86ff.). Die Signifikanztestung der Parameter erfolgt durch den t-test. Dabei wird der Parameter mit seinem Standardfehler verglichen. Je mehr der t-Wert über 2 liegt, desto signifikanter zeigt er sich. Für die Zeitreihen des gesamten Zeitraumes 1980 - 1990 waren das: Presse MA(1) t = 14,2 Ökologiebewegung MA(1) bzw. MA(2) jeweils t = 3,6 Parlament MA(1) t = 13,7. Die Residualanalyse bildet den Abschluss der Modellfindung. Eine Zeitreihe zt besteht, wie geschildert, aus einer (oder mehreren) Modellkomponente(n) und einer Restkomponente. Für die identifizierten und geschätzten MA(q)-Prozesse des gesamten Zeitraumes hieß das: Presse MA(1): zt = at - θ1at-1 Ökologiebewegung MA(1): zt = at - θ1at-1 - θ2at-2 Parlament MA(1): zt = at - θ1at-1 Die Residuen erhält man, indem die Gleichung für at umgestellt wird: at = zt - ( - θ1at-1 -....- θkat-k) Sie ergeben sich demnach als Differenz zwischen der Zeitreihe und dem ARIMA-Modell. Da die ermittelten Residuen (wie auch die Modelle) nur Schätzungen sind, müssen sie der Annahme entsprechen, sich wie „weißes Rauschen“ zu verhalten. Die Residualanalyse verläuft in zwei Schritten: graphische Analyse Analyse der ACF und PACF Bei der graphischen Analyse muss darauf geachtet werden, dass die Residuen der Zeitreihen, die sich nach der Schätzung der Modelle ergeben, stationär sind und keine Ausreißer enthalten. Der wichtigste Schritt ist allerdings die Analyse der Residuen auf „White Noise“ mit Hilfe der ACF und der PACF. Dabei sollen alle ACF und PACF theoretisch gleich null sein. Wie leicht zu erkennen ist, zeigten die Autokorrelationen der Presse-Residuen durchweg niedrige Werte, die meisten nahe null. 300 Abbildung A.13: ACF und PACF der Residuen Presse Autocorrelations: Residuen Presse 1980 - 1990 Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,019 ,086 . * . ,051 ,822 2 ,049 ,086 . ”* . ,376 ,829 3 ,035 ,086 . ”* . ,545 ,909 4 -,009 ,085 . * . ,557 ,968 5 -,018 ,085 . * . ,603 ,988 6 -,127 ,085 ***” . 2,846 ,828 7 -,016 ,084 . * . 2,884 ,896 8 -,006 ,084 . * . 2,890 ,941 9 ,007 ,084 . * . 2,896 ,968 10 -,031 ,083 . *” . 3,035 ,981 11 -,008 ,083 . * . 3,044 ,990 12 ,109 ,083 . ”**. 4,769 ,965 13 -,042 ,082 . *” . 5,026 ,975 14 -,097 ,082 .**” . 6,428 ,955 15 ,014 ,082 . * . 6,458 ,971 16 -,142 ,081 ***” . 9,529 ,890 17 ,071 ,081 . ”* . 10,294 ,891 18 -,055 ,081 . *” . 10,767 ,904 19 -,137 ,080 ***” . 13,700 ,801 20 ,132 ,080 . ”*** 16,454 ,688 21 -,037 ,079 . *” . 16,666 ,731 22 ,085 ,079 . ”**. 17,830 ,716 23 ,103 ,079 . ”**. 19,536 ,670 24 ,136 ,078 . ”*** 22,528 ,548 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags: 130 Partial Autocorrelations: Residuen Presse 1980 - 1990 Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,019 ,087 . * . 2 ,049 ,087 . ”* . 3 ,037 ,087 . ”* . 4 -,010 ,087 . * . 5 -,022 ,087 . * . 6 -,129 ,087 ***” . 7 -,020 ,087 . * . 8 ,007 ,087 . * . 9 ,018 ,087 . * . 10 -,032 ,087 . *” . 11 -,016 ,087 . * . 12 ,095 ,087 . ”**. 13 -,039 ,087 . *” . 14 -,112 ,087 .**” . 15 ,007 ,087 . * . 16 -,140 ,087 ***” . 17 ,076 ,087 . ”**. 18 -,018 ,087 . * . 19 -,156 ,087 ***” . 20 ,110 ,087 . ”**. 21 -,032 ,087 . *” . 22 ,065 ,087 . ”* . 23 ,127 ,087 . ”*** 24 ,099 ,087 . ”**. Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags: 130 Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Residuen der Reihe Ökologiebewegung. Lediglich zum lag 12 zeigt sich ein Korrelationswert, der über die Konfidenzgrenzen hinausgeht. 301 Abbildung A.14: ACF und PACF der Residuen Ökologiebewegung Autocorrelations: Residuen Ökologiebewegung 1980 - 1990 Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 ,010 ,086 . * . ,013 ,910 2 ,030 ,086 . ”* . ,138 ,933 3 ,041 ,086 . ”* . ,364 ,948 4 ,010 ,085 . * . ,377 ,984 5 -,142 ,085 ***” . 3,173 ,673 6 -,085 ,085 .**” . 4,176 ,653 7 -,100 ,084 .**” . 5,590 ,588 8 -,022 ,084 . * . 5,660 ,685 9 -,107 ,084 .**” . 7,294 ,607 10 ,075 ,083 . ”* . 8,093 ,620 11 ,045 ,083 . ”* . 8,392 ,678 12 ,248 ,083 . ”**.** 17,391 ,135 13 -,004 ,082 . * . 17,393 ,182 14 ,083 ,082 . ”**. 18,416 ,188 15 ,046 ,082 . ”* . 18,727 ,226 16 ,061 ,081 . ”* . 19,285 ,254 17 -,098 ,081 .**” . 20,760 ,237 18 -,135 ,081 ***” . 23,581 ,169 19 -,125 ,080 .**” . 25,998 ,130 20 ,076 ,080 . ”**. 26,913 ,138 21 ,093 ,079 . ”**. 28,278 ,132 22 -,009 ,079 . * . 28,290 ,166 23 ,100 ,079 . ”**. 29,896 ,152 24 ,107 ,078 . ”**. 31,774 ,133 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags: 130 Partial Autocorrelations: Residuen Ökologiebewegung 1980 - 1990 Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 ,010 ,087 . * . 2 ,030 ,087 . ”* . 3 ,040 ,087 . ”* . 4 ,008 ,087 . * . 5 -,145 ,087 ***” . 6 -,087 ,087 .**” . 7 -,094 ,087 .**” . 8 -,006 ,087 . * . 9 -,094 ,087 .**” . 10 ,067 ,087 . ”* . 11 ,032 ,087 . ”* . 12 ,233 ,087 . ”**.** 13 -,027 ,087 . *” . 14 ,038 ,087 . ”* . 15 ,020 ,087 . * . 16 ,066 ,087 . ”* . 17 -,036 ,087 . *” . 18 -,127 ,087 ***” . 19 -,080 ,087 .**” . 20 ,120 ,087 . ”**. 21 ,213 ,087 . ”**.* 22 -,033 ,087 . *” . 23 ,058 ,087 . ”* . 24 -,009 ,087 . * . Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags: 130 Da jedoch die Box-Ljung-Statistik eine Signifikanz von p> .10 ausweist, ist eine signifikante Korrelation nicht gegeben. Außerdem ist zu beachten, dass sich sogar signifikante Korrelationen aus dem Zufall heraus ergeben können, wenn etwa 20 oder sogar mehr dieser Testungen durchgeführt werden. „Deshalb sollte aufgrund eines einzelnen signifikanten Werts (vor allem bei höheren lags) nicht die Annahme eines White-Noise-Prozesses verworfen werden“ (Schmitz 1989, 87). Schlittgen/Streitberg (1987,162) zeigen, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn bei einem „White Noise“-Prozess etwa 5 Prozent der Korrelationen außerhalb der 302 Konfidenzgrenzen liegen und sich signifikant zeigen.43 Zudem genügt das geschätzte ARIMA (0,1,2)-Modell dem „Prinzip der Sparsamkeit“. Dieses Sparsamkeitsprinzip besagt, dass für jedes Modell die geringste Anzahl von Parametern berücksichtigt werden sollen, um eine Zeitreihe in White Noise zu verwandeln (Schlittgen/Streitberg 1987, 110ff.). Bei der Residualreihe des Parlamentes war das Ergebnis ähnlich. Nachdem der MA(1)-Prozess von der Reihe abgezogen worden ist, erweisen sich die Autokorrelationen als niedrig und nicht signifikant. Nur bei lag 7, 11 und 20 ragen die Werte über die Konfidenzgrenze hinaus. Keiner von diesen Werten zeigt aber eine Signifikanz. Abbildung A.15: ACF und PACF der Residuen Parlament Autocorrelations: Residuen Parlament 1980 - 1990 Auto- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 Box-Ljung Prob. š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,013 ,086 . * . ,022 ,883 2 -,040 ,086 . *” . ,238 ,888 3 ,039 ,086 . ”* . ,447 ,930 4 -,088 ,085 .**” . 1,508 ,825 5 -,058 ,085 . *” . 1,967 ,854 6 ,042 ,085 . ”* . 2,211 ,899 7 ,199 ,084 . ”**.* 7,784 ,352 8 ,060 ,084 . ”* . 8,290 ,406 9 ,068 ,084 . ”* . 8,955 ,441 10 ,140 ,083 . ”*** 11,775 ,300 11 -,177 ,083 *.**” . 16,307 ,130 12 -,051 ,083 . *” . 16,690 ,162 13 -,067 ,082 . *” . 17,345 ,184 14 -,022 ,082 . * . 17,418 ,235 15 -,099 ,082 .**” . 18,892 ,219 16 ,148 ,081 . ”*** 22,216 ,136 17 ,134 ,081 . ”*** 24,970 ,095 18 -,065 ,081 . *” . 25,629 ,109 19 -,050 ,080 . *” . 26,013 ,130 20 -,183 ,080 *.**” . 31,288 ,051 21 -,038 ,079 . *” . 31,518 ,065 22 ,155 ,079 . ”*** 35,367 ,035 23 -,083 ,079 .**” . 36,472 ,037 24 ,072 ,078 . ”* . 37,315 ,041 Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags: 130 Partial Autocorrelations: Residuen Parlament 1980 - 1990 Pr-Aut- Stand. Lag Corr. Err. -1 -.75 -.5 -.25 0 .25 .5 .75 1 š““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““•““““› 1 -,013 ,087 . * . 2 -,040 ,087 . *” . 3 ,038 ,087 . ”* . 4 -,089 ,087 .**” . 5 -,057 ,087 . *” . 6 ,032 ,087 . ”* . 7 ,205 ,087 . ”**.* 8 ,069 ,087 . ”* . 9 ,076 ,087 . ”**. 10 ,144 ,087 . ”*** 11 -,138 ,087 ***” . 12 -,028 ,087 . *” . 13 -,101 ,087 .**” . 14 -,040 ,087 . *” . 15 -,169 ,087 ***” . 16 ,091 ,087 . ”**. 17 ,078 ,087 . ”**. 18 ,000 ,087 . * . 19 -,046 ,087 . *” . 20 -,168 ,087 ***” . 21 ,060 ,087 . ”* . 22 ,214 ,087 . ”**.* 23 -,101 ,087 .**” . 24 -,010 ,087 . * . Plot Symbols: Autocorrelations * Two Standard Error Limits . Total cases: 132 Computable first lags: 130 Die ACF und PACF weisen damit auf zufällige Prozesse hin. Die Anforderungen an die Modelle für die Zeitreihen der drei Agenden im Zeitraum von 1980 bis 1990 sind damit erfüllt. Die Modelle, die somit den stochastischen Prozess der drei Zeitreihen am 303 passendsten beschreiben, heißen: Ökologiebewegung ARIMA (0,1,2), Presse ARIMA (0,1,1), Parlament (0,1,1). 304 Anhang B Achilles, M./Bendisch, J./Hartkopf, B., 1985: Einführung in die Zeitreihen-Analyse mit ARIMA- Modellen: Modelldefinitionen und Lösungsverhalten im Zeitbereich. Ges. für Mathematik u. Datenverarbeitung mbH. Sankt-Augustin, GMD-Studien, Nr. 107. Alemann, U. v., 1990: Parteien und Gesellschaft in der Bundesrepublik. Rekrutierung, Konkurrenz und Responsivität. In: Mintzel, A./Oberreuther, H. (Hrsg.), Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, S. 84-125. Alemann, U. v., 1997: Parteien und Medien. In: Gabriel, Oscar W./Niedermayer, Oskar/Stöss, Richard (Hrsg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Opladen, S. 478-494. Atwater, T./Salwen, M./Anderson, R. B., 1985: Media Agenda-Setting with Environmental Issues. In: Journalism Quarterly 62, S. 393-397. 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Autokorrelation der Zeitreihe Ökologiebewegung 1980 bis 1990 148 Abbildung ..8.9 Partialautokorrelation der Zeitreihe Ökologiebewegung 1980 bis 1990 148 Abbildung 8.10: Autokorrelation der Zeitreihe Bevölkerung 1980 bis 1990 149 Abbildung 8.11: Partialautokorrelation der Zeitreihe Bevölkerung 1980 bis 1990 149 Abbildung 8.12: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Ökologiebewegung/Presse 154 Abbildung 8.13: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Presse/Parlament 155 Abbildung 8.14: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Presse/Bevölkerung 155 Abbildung 8.15: Kreuzkorrelationen zwischen den bereinigten Reihen Bevölkerung/Parlament 156 Abbildung 8.16: Beziehung der Agenden zwischen 1980 und 1990 161 Abbildung 8.17: Beziehung der Agenden zwischen Januar 1980 und Oktober 1983 167 Abbildung 8.18: Beziehung der vier Agenden zwischen November 1983 und April 1986 172 Abbildung 9.1: Dimension „Intensität“ auf der Agenda der Ökologiebewegung. 183 Abbildung 9.2: Dimension „Ursache“ auf der Agenda der Ökologiebewegung 184 Abbildung 9.3: Dimension „Verursacher“ auf der Agenda der Ökologiebewegung 185 Abbildung 9.4: Dimension „Folgen“ auf der Agenda der Ökologiebewegung 186 Abbildung 9.5: Dimension „Allgemeine Lösungsvorschläge“ auf der Agenda der Ökologiebewegung 187 Abbildung 9.6: Dimension „Adressaten“ auf der Agenda der Ökologiebewegung 188 Abbildung 9.7: Dimension „Policy Optionen“ auf der Agenda der Ökologiebewegung 189 Abbildung 9.8: Deutungsmuster Verkehr in der Ökologiebewegung vom 1. November 1983 bis 1. April 1986 200 Abbildung 9.9: Deutungsmuster Kraftwerke in der Ökologiebewegung von vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 201 Abbildung 9.10: Dimension „Intensität“ auf der Agenda der Presse 204 Abbildung 9.11: Dimension „Ursache“ auf der Agenda der Presse 205 Abbildung 9.12: Dimension „Verursacher“ auf der Agenda der Presse 206 Abbildung 9.13: Dimension „Folgen“ auf der Agenda der Presse 207 328 Abbildung 9.14: Dimension „Allgemeine Lösungsvorschläge“ auf der Agenda der Presse 208 Abbildung 9.15: Dimension „Adressaten“ auf der Agenda der Presse 209 Abbildung 9.16: Dimension „Policy Optionen“ auf der Agenda der Presse 209 Abbildung 9.17: Deutungsmuster Verkehr in den Massenmedien von vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 219 Abbildung 9.18: Deutungsmuster Kraftwerk in den Massenmedien von vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 220 Abbildung 9.19: Dimension „Intensität“ auf der Agenda des Parlament 223 Abbildung 9.20: Dimension „Ursache“ auf der Agenda des Parlamentes 224 Abbildung 9.21: Dimension „Verursacher“ auf der Agenda des Parlamente 225 Abbildung 9.22: Dimension „Folgen“ auf der Agenda des Parlamentes 226 Abbildung 9.23: Dimension „Allgemeine Lösungsvorschläge“ auf der Agenda des Parlamentes 226 Abbildung 9.24: Dimension „Adressaten“ auf der Agenda des Parlamentes 227 Abbildung 9.25: Dimension „Policy Optionen“ auf der Agenda des Parlamentes 228 Abbildung 9.26: Deutungsmuster Verkehr im Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 234 Abbildung 9.27: Deutungsmuster Kraftwerke im Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 235 Abbildung 10.1: Rangkorrelationen d er Deutungsmuster für alle Agenden 1980 bis 1990 244 Abbildung 10.2: Berechnung von verzögerten Kreuzkorrelationen 246 Abbildung 10.3: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster der drei Agenden zwischen 1980 und 1981 246 Abbildung 10.4: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster der Agenden zwischen 1981 und 1983 247 Abbildung 10.5: Rangkorrelationen der Deutungsmuster und Pfadkoeffizienten aller Agenden zwischen 1983 und 1984 249 Abbildung 10.6: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster aller Agenden zwischen 1984 und 1986 250 Abbildung 10.7: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Deutungsmuster aller Agenden zwischen 1986 und 1990 251 Abbildung 10.8: Dominante Beziehungen und Autokorrelationen hinsichtlich der Deutungsmuster 253 Abbildung 10.9: Rangkorrelationen der Policy Optionen für alle Agenden 1980 bis 1990 256 Abbildung 10.10: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy Optionen aller Agenden zwischen 1980 und 1981 257 Abbildung 10.11: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy Optionen aller Agenden zwischen 1981 und 1983 258 Abbildung 10.12: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy Optionen aller Agenden zwischen 1983 und 1984 260 Abbildung 10.13: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy Optionen aller Agenden zwischen 1984 und 1986 261 Abbildung 10.14: Rangkorrelationen und Pfadkoeffizienten der Policy Optionen aller Agenden zwischen 1986 und 1990 261 Abbildung 10.15: Dominante Beziehungen und Autokorrelationen hinsichtlich der Policy Optionen 264 Abbildung A.1: Ausreißerbereinigte Reihe Ökologiebewegung und Mittelwert 283 Abbildung A.2: Ausreißerbereinigte Reihe Presse und Mittelwert 284 Abbildung A.3: Ausreißerbereinigte Reihe Parlament und Mittelwert 284 Abbildung A.4: Ausreißerbereinigte Reihe Bevölkerung und Mittelwert 285 Abbildung A.5: Thematisierung und Glättung Reihe Ökologiebewegung 286 Abbildung A.6: Thematisierung und Glättung Reihe Presse 287 Abbildung A.7: Thematisierung und Glättung Reihe Parlament 287 Abbildung A.8: Thematisierung und Glättung Reihe Bevölkerung 289 Abbildung A.9: Autokorrelationen Reihe Ökologiebewegung 289 Abbildung A.10: Autokorrelationen Reihe Presse 290 Abbildung A.11: Autokorrelationen Reihe Parlament 290 Abbildung A.12: Autokorrelationen Reihe Bevölkerung 292 Abbildung A.13: ACF und PACF der Residuen Presse 293 Abbildung A.14: ACF und PACF der Residuen Ökologiebewegung 294 329 Abbildung A.15: ACF und PACF der Residuen Parlament 294 Abbildung A.16: ACF und PACF der Residuen Bevölkerung 295 Verzeichnis der Tabellen Tabelle 4.1: Forschungsfelder 18 Tabelle 4.2: Zusammenfassung der Ergebnisse der Forschungsgruppe unter der Leitung Cook/Protess im Institut „for Urban Affairs and Policy Research“ an der Northwestern Universität Evanstonden 46 Tabelle 7.1: Aggregierte Quellen der Agenden 127 Tabelle 7.2: Typologie der Ursachenzuschreibung 130 Tabelle 8.1: Tabelle 8.1: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianzen für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 1980-1990 151 Tabelle 8.2: Möglichkeiten kausaler Beziehungen 157 Tabelle 8.3: Transferfunktionskoeffizienten, totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 1980-1990 158 Tabelle 8.4: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianzen für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung zwischen 1/1980 und 10/1983 164 Tabelle 8.5: Transferfunktionskoeffizienten, Totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 1/1980 und 10/1983 165 Tabelle 8.6: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianz für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 11/1983 - 04/1986 169 Tabelle 8.7: Transferfunktionskoeffizienten, Totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Presse und Parlament 11/1983 - 04/1986 170 Tabelle 8.8: Transferfunktionskoeffizienten, Totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz der Zeitreihen Presse und Bevölkerung 11/1983 - 04/1986 171 Tabelle 8.9: Univariate ARIMA-Koeffizienten und erklärte Varianz für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse, Parlament und Bevölkerung 05/1986 - 12/1990 173 Tabelle 8.10: Transferfunktionskoeffizienten, totale erklärte Varianz und inkrementelle Varianz für die Zeitreihen Ökologiebewegung, Presse und Parlament 05/1986 - 12/1990 174 Tabelle 9.1: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern in der Bewegungsarena vom 1. Januar 1980 bis 31.Oktober 1983 190 Tabelle 9.2: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 in der Bewegungsarena 191 Tabelle 9.3: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern vom 1. Mai 1986 bis 31 Dezember 1990 in der Bewegungsarena 192 Tabelle 9.4: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressaten in der Bewegungsarena vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 193 Tabelle 9.5: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten in der Bewegungsarena vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 194 Tabelle 9.6: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 195 Tabelle 9.7: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 196 Tabelle 9.8: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Bewegungsarena vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990 197 Tabelle 9.9: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung die Rahmung Verursacher 200 330 „Verkehr“ in der Ökologiebewegung vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. Tabelle 9.10: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Rahmung des Verursacher „Kraftwerke“ in der Ökologiebewegung vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 201 Tabelle 9.11: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern in den Massenmedien vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 210 Tabelle 9.12: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern in den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 211 Tabelle 9.13: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern in den Massenmedien vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 212 Tabelle 9.14: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursacher und der Nennung von Adressaten den Massenmedien vom Januar 1980 bis 31.Oktober 1983 213 Tabelle 9.15: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 213 Tabelle 9.16: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten in den Massenmedien vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1989 214 Tabelle 9.17: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Berichterstattung vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 215 Tabelle 9.18: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Berichterstattung vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 216 Tabelle 9.19: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen in der Berichterstattung vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1990 217 Tabelle 9.20: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung die Rahmung Verursacher „Verkehr“ in den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. 218 Tabelle 9.21: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung die Rahmung Verursacher „Kraftwerke“ in den Massenmedien vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 220 Tabelle 9.22: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern im deutschen Bundestag vom 1. Januar 1980 bis 1. Oktober 1983 229 Tabelle 9.23: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 229 Tabelle 9.24: Zusammenhang zwischen Ursachen und der Nennung von Problemverursachern im deutschen Bundestag vom 1. Mai 1986 bis 31. Dezember 1989 230 Tabelle 9.25: Zusammenhang zwischen der Nennung von Verursachern und der Nennung von Adressanten im deutschen Bundestag vom 1. Januar 1980 bis 31. Oktober 1983 231 Tabelle 9.26: Zusammenhang zwischen Verursachern und der Nennung von Adressaten: im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31.April 1986 232 Tabelle 9.27: Zusammenhang zwischen der Nennung von Adressaten und der Nennung von Policy-Optionen im deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis zum 31. April 1986 233 Tabelle 9.28: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung des Verursacher „Verkehr“ im Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986. 234 Tabelle 9.29: Ergebnisse der LOGIT-Analyse für die Deutung die Rahmung Verursacher „Kraftwerke“ in Deutschen Bundestag vom 1. November 1983 bis 31. April 1986 235 Tabelle A.1: Quelle der Dokumente 277 Tabelle A.2: Material der Ökologiebewegungsakteure 281 331