Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades in der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Dortmund vorgelegt von Eva-Juliane Welsch aus Spenge 2002 Erstgutachter: Prof. Dr. Hans Bohrmann Zweitgutachter: Prof. Dr. Gerd G. Kopper - 1 - Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 1.1 Problemstellung ............................................................................................................7 1.2 Literatur und Datenlage................................................................................................8 1.3 Vorgehensweise...........................................................................................................10 TEIL I 2 DER AUFBAU EINER NEUEN PRESSE NACH 1945 ...............................................12 2.1 Die Organisation der amerikanischen Militärregierung und ihre Aufgabe als Besatzungsmacht in Deutschland zwischen 1945 und 1949 unter besonderer Berücksichtigung der Massenmedien..........................................................................12 2.2 Pläne zur Schaffung einer neuen Presse in der amerikanischen Zone .........................14 2.3 Die Aufgaben der Abteilung für Psychologische Kriegsführung..................................17 2.4 Die Herausgabe alliierter Mitteilungsblätter gemäß der Phase II................................20 2.4.1 Die Gründung der “Aachener Nachrichten“ als Testfall der Phase III................................ 21 2.4.2 Ursachen für die Verzögerung einer Lizenzvergabe an deutsche Zeitungen....................... 23 2.4.3 Die lokalen Zeitungen der Armeegruppe......................................................................... 25 2.4.3.1 Die "Allgemeine Zeitung", Berlin .................................................................................. 29 2.4.3.2 "Die Neue Zeitung", München ....................................................................................... 29 2.5 Sommer 1945: Beginn der Lizenzierung deutscher Zeitungen.....................................33 2.5.1 Lizenzierte Zeitungen zwischen 1945 und 1949 .............................................................. 40 2.5.2 Lizenzierung von Zweitzeitungen................................................................................... 47 2.5.3 Bezirksausgaben ........................................................................................................... 50 2.5.4 Lizenzzeitungen 1945 bis 1949 im Überblick (Tabelle) ................................................... 53 2.5.5 Die Auswirkungen der beginnenden Lizenzfreiheit .......................................................... 56 2.5.6 Miet- und Pachtverträge ................................................................................................ 58 2.5.7 Die "Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse", WIGO................................................. 61 2.6 Zum Inhalt der Lizenzzeitungen.................................................................................64 2.7 Zeitungen der Parteien................................................................................................66 2.8 Die Pressegesetze der amerikanischen Zone ................................................................68 2.8.1 Länderratspressegesetz .................................................................................................. 68 - 2 - 2.8.2 Pressegesetze der Länder............................................................................................... 69 2.9 Die Nachrichtenagentur der amerikanischen Zone .....................................................71 TEIL II 3 DIE "FRANKFURTER RUNDSCHAU" ZWISCHEN 1945 UND 1949......................74 3.1 Vorbereitungen zur Herausgabe der ersten Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone...74 3.2 Die vorgeschlagenen Lizenzträger...............................................................................76 3.3 1. August 1945: Die erste Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" erscheint...............86 3.3.1 Auflösung des Lizenzträgergremiums der "Frankfurter Rundschau" ................................100 3.3.2 15. April 1946: Lizenzierung der zweiten Zeitung in Frankfurt........................................106 3.3.3 Oktober 1946: Wilhelm Karl Gerst wird die Lizenz entzogen..........................................107 3.3.4 Umfragen zu den beiden Frankfurter Lizenzzeitungen ....................................................111 3.3.5 August 1947: Emil Carlebach scheidet als Lizenzträger aus ............................................115 3.3.6 November 1947: Arno Rudert wird aus der KPD ausgeschlossen ....................................118 3.4 Die "Frankfurter Rundschau" 1948/49 ..................................................................... 119 3.5 "Frankfurter Rundschau" - Stiftung oder GmbH?................................................... 121 3.6 Der Einfluss der Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau" auf die Neugründung der Verlegerverbände ................................................................................................ 124 3.7 Finanzierung der "Frankfurter Rundschau" ............................................................ 125 4 "MARBURGER PRESSE" - DIE ZWEITE LIZENZZEITUNG IN HESSEN......... 127 4.1 Hermann Bauer und Karl Bremer werden Herausgeber........................................... 127 4.2 14. September 1948: Die "Marburger Presse" wird ein Jahr alt ............................... 133 4.3 Presse und öffentliche Meinung - Kommentare der "Marburger Presse"................. 136 4.4 Zwei Lizenzträger und ein Altverleger im Spiegel der Marburger Zeitung............... 139 4.5 Der Weg in die Fusion............................................................................................... 143 5 DIE "HESSISCHEN NACHRICHTEN" WÄHREND DER LIZENZZEIT.............. 145 5.1 September 1945: In Kassel erscheint die dritte Lizenzzeitung Hessens ...................... 145 - 3 - 5.2 1946: Die "Hessischen Nachrichten" erweitern ihr Verbreitungsgebiet .................... 148 5.2.1 April 1946: August Heinrich Berning wechselt zur "Frankfurter Neuen Presse" ...............149 5.2.2 August 1946: Fritz Schmidt wird die Lizenz entzogen ....................................................150 5.3 November 1946: Lizenz für das Konkurrenzblatt "Kasseler Zeitung"..................... 153 5.4 Parteien und Presse im Spiegel der "Hessischen Nachrichten" ................................. 154 5.5 Zwei Jahre "Hessische Nachrichten"........................................................................ 157 5.6 1948: Die "Hessischen Nachrichten" auf dem Weg zur Tageszeitung........................ 158 5.7 Das letzte Jahr der Lizenzpflicht ............................................................................... 161 5.7.1 Oktober 1949: Die Altverlegerzeitung "Kasseler Post" erscheint wieder ..........................162 5.7.2 Die "Hessischen Nachrichten" werben um Leser............................................................164 5.8 Der Zusammenschluss dreier Zeitungen zur "Hessischen Allgemeinen"................... 167 6 DIE ANFÄNGE DES "WIESBADENER KURIER"................................................ 171 6.1 2. Oktober 1945: Start der neuen Lizenzzeitung........................................................ 171 6.2 1946: Die " Deutschland-Ausgabe " erscheint mit erweitertem Wirtschaftsteil...... 172 6.3 "Wiesbadener Kurier" und Öffentlichkeit................................................................ 175 6.4 1949: Die Altverlegerzeitung erscheint wieder........................................................... 178 7 DIE "FULDAER VOLKSZEITUNG" ZWISCHEN 1945 UND 1949........................ 183 7.1 Lizenz für eine neue Zeitung in Fulda ....................................................................... 183 7.1.1 Kritik von Kirche und Parteien an der "Fuldaer Volkszeitung"........................................194 7.2 Die "Fuldaer Volkszeitung" im Jahr der Währungsreform .......................................196 7.2.1 Die "Fuldaer Volkszeitung" und die Fuldaer Parteien .....................................................197 7.2.2 Die "Fuldaer Volkszeitung" erscheint täglich .................................................................201 7.3 Frühjahr 1949: Heinrich Kierzek zum neuen Pressegesetz.........................................202 7.3.1 "Schurken und Wegelagerer": Der Lizenzträger gegen die Regierung ..............................206 7.4 Die "Fuldaer Volkszeitung" im Konkurrenzkampf mit der wiedererstandenen Altverlegerzeitung......................................................................................................208 7.4.1 1953: CDU-Abgeordnete gegen die "prokommunistische" "Fuldaer Volkszeitung" ..........211 7.5 Finanzierungsprobleme der "Fuldaer Volkszeitung"................................................ 213 7.6 30. Juni 1974: Die "Fuldaer Volkszeitung" stellt ihr Erscheinen ein......................... 216 - 4 - 8 DAS "DARMSTÄDTER ECHO" ZUR LIZENZZEIT............................................. 218 8.1 Die Gründung des "Darmstädter Echo"................................................................... 218 8.2 Der Pachtbetrieb....................................................................................................... 221 8.3 Das "Darmstädter Echo" in Konkurrenz zur Altverlegerzeitung.............................. 225 8.4 Hans J. Reinowski und das "Darmstädter Echo"...................................................... 229 8.4.1 Kampf dem Kommunismus: Leitartikel des Lizenzträgers ..............................................233 8.5 Das "Darmstädter Echo" aus der Sicht der Information Control............................. 235 9 DIE "WETZLARER NEUE ZEITUNG" BIS ZUM ENDE DER LIZENZPFLICHT240 9.1 1. Januar 1946: In Wetzlar erscheint wieder eine Zeitung ......................................... 240 9.1.1 Josef Hüsch zur Lizenzpresse........................................................................................242 9.1.2 April 1947: Leserumfrage der "Wetzlarer Neuen Zeitung"..............................................245 9.1.3 Kontroversen mit der SPD............................................................................................246 9.1.4 Die "Wetzlarer Neue Zeitung" zur "Operation Talk Back" ..............................................248 9.2 Die "Wetzlarer Neue Zeitung" im Jahr der Währungsreform.................................. 249 9.3 Bundestagswahl 1949: Das Wetzlarer Blatt aus Parteiensicht................................... 252 9.4 Das Ende der Lizenzzeit - das Ende von Josef Hüsch als Lizenzträger...................... 253 9.5 Nebenausgaben der "Wetzlarer Neuen Ze itung"...................................................... 254 10 LIZENZ FÜR DIE "GIEßENER FREIE PRESSE".................................................. 256 10.1 Julius Hahn und Adolf Weller werden Lizenzträger der neuen Zeitung.................... 256 10.1.1 Gründe für den Lizenzentzug Julius Hahns ....................................................................259 10.2 Ludwig Lewy, der neue Lizenzträger....................................................................... 260 10.2.1 "Gießener Freie Presse" im Spiegel der Parteien.............................................................261 10.2.2 Die "Freie Presse" 1948: Wechsel im Lizenzträgergremium ...........................................265 10.3 Juni 1948: Dr. Hans Rempel wird neuer Lizenzträger der "Freien Presse".............. 274 10.3.1 Der neue Kurs der Zeitung: Gegen Kommunismus und für soziale Marktwirtschaft.....280 10.4 Bezirksausgaben der "Gießener Freien Presse"........................................................ 281 10.5 Der "Gießener Anze iger": Konkurrenz für die "Gießener Freie Presse"................. 282 10.6 Die "Freie Presse" in eigenen Räumen...................................................................... 288 - 5 - 11 "FRANKFURTER NEUE PRESSE" - DIE ZWEITE LIZENZZEITUNG FÜR FRANKFURT........................................................................................................... 290 11.1 Hugo Stenzel und August Heinrich Berning werden Lizenzträger.......................................290 11.1.1 Leitartikelthemen im ersten Lizenzjahr ..........................................................................294 11.1.2 August 1947: August Heinrich Berning wird die Lizenz entzogen ...................................297 11.1.3 September 1947: Leopold Goldschmidt wird neuer Lizenzträger der "Neuen Presse"....298 11.2 Die Nachtausgabe der "Frankfurter Neuen Presse" erscheint....................................303 11.3 Vom Pachtbetrieb zur Fusion mit der Societäts -Druckerei........................................304 12 DIE "KASSELER ZEITUNG" ZWISCHEN 1946 UND 1949................................... 307 12.1 November 1946: Lizenz an die "Kasseler Zeitung"................................................... 307 12.1.1 April 1947: Herbert M. Nuhr wird zweiter Lizenzträger..................................................308 12.2 21. Juli 1948: Lizenzentzug für Nuhr und Krust-Ortlieb............................................309 12.2.1 Adolf W. Diehl und die neue Linie der "Kasseler Zeitung" .............................................309 12.2.2 April 1959: Fusion mit den "Hessischen Nachrichten"....................................................312 13 LIZENZ FÜR DIE "OFFENBACH-POST".............................................................. 313 13.1 3. Juni 1947: Die "Offenbach-Post" erscheint zum ersten Mal.................................. 313 13.1.1 30. September 1948: Lizenz für die "Abendpost" ...........................................................316 13.1.2 Themen der "Offenbach-Post" im letzten Lizenzjahr ......................................................317 13.2 Die "Offenbach-Post" nach Aufhebung der Lizenzpflicht..........................................318 14 LIZENZ FÜR DIE "WERRA-RUNDSCHAU", ESCHWEGE ................................. 320 14.1 Lizenzübergabe an Hans A. Kluthe ............................................................................322 14.1.1 Das Redaktionsteam der "Werra-Rundschau".................................................................323 14.1.2 Die neue Sachlichkeit: Trennung von Nachricht und Meinung ........................................323 14.1.3 Die "Werra-Rundschau" auf dem Weg zur Tageszeitung ................................................326 14.1.4 Die Eschweger Lizenzzeitung erscheint täglich ..............................................................328 14.1.5 Ärger mit der Konkurrenz: Die "Werra - Rundschau" gegen die "Hessischen Nachrichten"................................................................................................................331 14.2 1949: Das zweite Jahr der "Werra-Rundschau" und das letzte Jahr der Lizenzpflicht...............................................................................................................335 14.3 Auflagenzahlen der "Werra-Rundschau" ..................................................................336 - 6 - 15 "WALDECKER KURIER", KORBACH................................................................. 338 15.1 Ludwig Steinkohl zum "Fall Dietz" ......................................................................... 341 15.2 Der "Waldecker Kurier" im zweiten Jahr seines Bestehens ......................................... 342 15.3 Der "Waldecker Kurier" gibt auf.................................................................................... 344 16 ZUSAMMENFASSUNG.................................................................................................... 347 17 ANMERKUNGEN................................................................................................... 370 TEIL III 18 ABKÜRZUNGEN..................................................................................................... 447 19 QUELLEN UND LITERATUR................................................................................. 449 19.1 Unveröffentlichte Quellen......................................................................................... 449 19.1.1 Mündliche Quellen.......................................................................................................449 19.1.2 Schriftliche Quellen .....................................................................................................450 19.1.2.1 Archive .......................................................................................................................450 19.1.2.1.1Zeitungsarchive ...........................................................................................................451 19.1.2.1.2archivalische Quellen, die im Text zitiert werden...........................................................452 19.2 Darstellungen............................................................................................................ 453 20 PERSONENREGISTER........................................................................................... 466 - 7 - 1 Einleitung 1.1 Problemstellung Mehr als ein halbes Jahrhundert ist seit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches und seiner Presse vergangen. Mittlerweile zeichnet sich die deutsche Presselandschaft durch einen demokratischen Pluralismus aus, der in seiner Vielfalt beispielhaft ist. Wo aber liegen die Wurzeln dieser Entwicklung? Was geschah pressehistorisch im Deutschland der Stunde Null? Wie konnte aus einem ehemals totalitären System in einem überschaubaren Zeitraum ein neuer Zeitungstyp entstehen? Grundlage dieser Entwicklung war die Pressepolitik der Alliierten im besetzten Deutschland, die forderte, dass jede Publikation, also auch jede Zeitung, die nach der Kapitulation erschien, zuvor einer Genehmigung durch die jeweilige Besatzungsmacht bedurfte. Dem Herausgeber bzw. dem Herausgebergremium wurde sie in Form einer Lizenz verliehen. Entsprechend sprach man von der "Lizenzpresse", wollte man den Zeitraum im deutschen Pressewesen zwischen dem 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, und der Gründung der Bundesrepublik bzw. dem Zeitpunkt, zu dem alle Länder der amerikanischen Zone je ein eigenes Pressegesetz hatten, umreißen. Mit dem Inkrafttreten der Generallizenz Nr. 3 im Herbst 1949 entfielen alle Beschränkungen; der Zeitungsmarkt stand nun jedem offen, der eine Publikation herausbringen wollte und das Geld dazu aufbringen konnte. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit exakt diesem Zeitraum und mit der Lizenzierungspolitik im Land Hessen als Teil der amerikanischen Besatzungszone. Im Laufe der Untersuchung kristallisierten sich dabei zwei grundlegende Fragestellungen heraus: a) Wie war die amerikanische Pressepolitik konzipiert? b) Wie wurde sie in der hessischen Lizenzpresse umgesetzt? Bei der Darstellung der amerikanischen Pressepolitik wurde versucht, die Anfänge und Hintergründe darzustellen und so einen theoretischen Rahmen zur Beurteilung ihrer Umsetzung in Hessen zu schaffen. Zu fragen war, welche Ziele die amerikanische Militärregierung mit ihrer Pressegesetzgebung verfolgte und ob diese vollständig umgesetzt werden konnten und wurden. Während der Untersuchung der Umsetzung zeigte sich, dass eines der wichtigsten Ziele der Lizenzierungspolitik - die Entnazifizierung der Deutschen - mit dem aufkeimenden Ost-West-Konflikt immer mehr in den Hintergrund trat. Besonders - 8 - deutlich wurde diese Verschiebung der Zielsetzung auf Seiten der hessischen Lizenzpresse, da sich die Auswahl der hessischen Lizenzträger veränderte: Wurden anfangs Lizenzen an Vertreter aller politischen Gruppierungen vergeben, so schränkte sich dies im Laufe von 1947 dahingehend ein, dass kommunistische Sympathisanten und Parteimitglieder nicht mehr unter den Lizenzträgern zu finden waren. Bei der Betrachtung der Fragestellung nach der Umsetzung bei der hessischen Lizenzpresse wurde deutlich, dass aber nicht nur die Auswahl der Lizenzträger für die Herausgabe einer Zeitung von Bedeutung war, sondern auch externe Rahmenbedingungen, wie das Vorhandensein von Räumen, Maschinen, Papier etc., eine wichtige Rolle spielten. Zudem konnte immer wieder der Versuch einer inhaltlichen Einflussnahme vonseiten deutscher Behörden beobachtet werden. Zu fragen ist also auch nach den vielseitigen Beschränkungen, mit denen die hessische Lizenzpresse zu kämpfen hatte. Trotz allem oder gerade deswegen ist ein neuer Pressetyp entstanden, der sich grundlegend von der Presse früherer Zeiten unterschied. Ob und wie sich dieser im weiteren Verlauf der deutschen Geschichte bewährt hat, wird am Ende dieser Untersuchung beantwortet werden. 1.2 Literatur und Datenlage Der vorliegenden Untersuchung ging eine Magisterarbeit über die erste Lizenzzeitung der amerikanischen Zone, die "Frankfurter Rundschau", für die Jahre 1945 bis 1949, voraus. Da der "Frankfurter Rundschau" in Hessen 12 weitere Lizenzzeitungen folgten, lag es nahe, all diese in eine Untersuchung mit einzubeziehen. Dies ermöglichte eine fundierte Aussage über die Situation der Lizenzpresse in Hessen. Ein weiteres Kriterium für die Entstehung dieser Arbeit war die Tatsache, dass sich bislang noch niemand wissenschaftlich mit der Lizenzpresse in Hessen auseinander gesetzt hatte. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass gerade die "Frankfurter Rundschau" als eine der größten Zeitungen des heutigen Deutschlands in diesem Umfeld entstanden ist. Die zugrundeliegende Literatur der zeitgeschichtlichen Darstellung amerikanischer Pressepolitik stammt zum größten Teil aus den siebziger Jahren, wurde jedoch aktualisiert und dem derzeitigen Stand der Forschung angepasst. Sehr hilfreich waren die Veröffentlichungen von Harold Hurwitz, vor allem sein Buch "Die Stunde Null der deutschen Presse", sowie Kurt Koszyks "Geschichte der deutschen Presse", Teil IV: "Pressepolitik für - 9 - Deutsche". Darüber hinaus wurden die Akten des Bundesarchivs in Koblenz und des Instituts für Zeitgeschichte in München verwendet. Als Informationsquellen dienten auch die jeweiligen Stadtarchive und Registergerichte. Da zu keiner der 13 Lizenzzeitungen spezielle Literatur zur Entstehungsgeschichte vorhanden war, mussten in einer eigenen empirischen Datenerhebung Quellen gefunden werden, deren Auswertung die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der einzelnen Zeitungen möglich machte. Das hierfür gesammelte und ausgewertete Material stammt überwiegend aus den Jahren 1977 und 1978, in denen die Autorin die einzelnen Zeitungen an ihrem Erscheinungsort aufsuchte. Dabei war es möglich, mit den damals noch lebenden Herausgebern und Redakteuren ehemaliger Lizenzzeitungen Interviews zu führen bzw. zu korrespondieren und so ein anschauliches Bild der damaligen Situation der Presse in der amerikanischen Besatzungszone zu zeichnen. Nicht immer jedoch gestaltete sich die Materialsammlung so leicht wie etwa im Fall der Eschweger "Werra-Rundschau", deren Verleger Dr. Peter Kluthe großes Verständnis für die Arbeit zeigte, oder wie bei der Fuldaer Verlagsanstalt, die bis zum Jahr 1974 die "Fuldaer Volkszeitung" herausgebracht hatte. Erschwerend kam hinzu, dass es nicht möglich war, in allen Archiven Kopien einzelner Zeitungsartikel der Jahrgänge 1945 bis 1949 zu erhalten. So gut wie unmöglich war es, auswertbares Material zu bekommen, wenn die zu untersuchende Zeitung in der Zwischenzeit eingestellt worden war oder mit einer anderen Publikation fusioniert hatte. Dies betrifft die "Kasseler Zeitung", vor allem aber den "Waldecker Kurier" in Korbach, der am 9. Juni 1948 lizenziert wurde und bereits zum 31. Mai 1950 sein Erscheinen wieder einstellen musste. Wenig umfangreich waren zumeist auch die Bestände in den jeweiligen Stadtarchiven, die über die Phase der Lizenzierung hessischer Zeitungen auswertbar waren. Lediglich das Bundesarchiv in Koblenz verfügte über eine große Anzahl von Dokumenten, Korrespondenz und privaten Notizen des Fuldaer Lizenzzträgers Hans Albert Kluthe. Dabei fiel auf, dass die Hilfsbereitschaft der jetzigen Generation von Archivaren mit positiver Neugier und großem fachlichen Interesse an dieser Untersuchung verbunden war - eine Feststellung, die auf die Archivmitarbeiter vor rund 25 Jahren nur zu Teilen zutrifft. Man darf vermuten, dass deren teilweise Zurückhaltung dem Forschungsanliegen gegenüber auf die geringe zeitliche und emotionale Distanz zum Kriegs- und Nachkriegsgeschehen zurückzuführen ist. - 10 - 3. Vorgehensweise Die vorliegende Untersuchung besteht im Wesentlichen aus zwei Hauptteilen: einem theoretischen und einem empirischen Teil. I. Einleitung II. Zeitgeschichtliche Darstellung der Pressepolitik in der amerikanischen Besatzungszone III. Fallstudien - die hessische Lizenzpresse THEORIE EMPIRIE Vollerhebung Sekundärquellen (Literatur- und Akten- studium) Primärquellen · Akten · Zeitungsjahrgänge · Interviews (schriftl. u. mündl.) IV. Schlussbetrachtung Der theoretische Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der zeitgeschichtlichen Darstellung der amerikanischen Pressepolitik im Allgemeinen und mit dieser im Land Hessen im Speziellen. Damit wird ein Überbau bzw. eine theoretische Fundierung für die nachfolgenden empirischen Untersuchungen geschaffen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt jedoch im empirischen Bereich, in dem Fallstudien zu den einzelnen Lizenzzeitungen erarbeitet werden konnten, die teilweise sehr umfassende Zeitungsmonographien für diesen Zeitraum enthalten. Grundlage für die Fallstudien waren - 11 - Primärquellen in Form von persönlichen Interviews, einer ausgedehnten Korrespondenz mit Zeitzeugen sowie die Auswertung der einzelnen Zeitungsjahrgänge. Im vierten und letzten Teil der vorliegenden Untersuchung werden in einer Schlussbetrachtung sowohl die Erkenntnisse aus den theoretischen als auch aus den empirischen Kapiteln zusammengefügt und für eine abschließende Behandlung der beiden zugrunde liegenden Fragestellungen herangezogen. - 12 - TEIL I 2 Der Aufbau einer neuen Presse nach 1945 2.1 Die Organisation der amerikanischen Militärregierung und ihre Aufgabe als Besatzungsmacht in Deutschland zwischen 1945 und 1949 unter besonderer Berücksichtigung der Massenmedien Lange vor der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 begannen die Alliierten zu planen, was mit dem besetzten Land in der Nachkriegsphase zu geschehen habe. 1942 war ein Ausschuss des amerikanischen Außenministeriums für Nachkriegsprobleme geschaffen worden. Alle Aufgaben der Armee, die im Zusammenhang mit der Militärregierung standen, waren bis zum 1. März 1943 bei der Abteilung für Militärregierung (Military Government Division) im Büro des Chefs der Militärpolizei konzentriert. Am 1. März 1943 entstand die Abteilung für Zivilangelegenheiten (Civil Affairs Division - CAD), deren Hauptaufgabe darin bestand, den Kriegsminister in allen Angelegenheiten nicht streng militärischer Art zu informieren und zu beraten, die sich in den besetzten Gebieten auf Grund der militärischen Operationen ergeben würden. Im Februar 1944 fand eine Umgestaltung der Kommandostruktur der Alliierten Streitkräfte in Westeuropa statt; die Zuständigkeit für die gesamte Planung der Zivilangelegenheiten wurde dem Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces - SHAEF), einer anglo- amerikanischen Einrichtung, übertragen. Der Morgenthau-Plan1), benannt nach dem damaligen amerikanischen Finanzminister, fand die Zustimmung von Churchill und Roosevelt bei deren Zusammenkunft in Quebec am 15.September 1944. England zog diese Zustimmung allerdings bald zurück. Zwischen dem 2. und 17. September 1944 war die Direktive der Vereinigten amerikanischen Stabschefs (Joint Chiefs of Staff - JCS), JCS 1067, vom Kabinett für Sicherheitsfragen ausgearbeitet worden. Sie entstand also in der Zeit, als Präsident Roosevelt noch unter dem Eindruck des Morgenthau-Planes stand. JCS 1067 wurde Anfang Mai 1945 vom Informal Policy Committee on Germany (IPCOG) noch einmal überarbeitet und hieß seitdem “Direktive JCS/8 für die Behandlung Deutschlands in der Zeit unmittelbar nach der Niederlage“.2) Diese Direktive, in der eine Politik der Härte, der ’austerity’, gegenüber dem besiegten Volk befürwortet wurde, bestimmte in der ersten Phase der Besatzungszeit das Vorgehen - 13 - der Militärregierung. Deutschland sollte nie wieder eine Bedrohung für den Weltfrieden werden, und so bestand der Hauptzweck von JCS 1067 darin, “dem deutschen Volk nachdrücklich die Tatsache zu Bewußtsein zu bringen, daß es selbst für alles Chaos und Leid . . . verantwortlich sei.“3) Diese Direktive, ergänzt durch das “Potsdamer Abkommen“ vom 2. August 1945, war aber auch der einzige Hinweis für alle Instanzen, die im besetzten Gebiet operieren sollten; die amerikanische Armee hatte bis in die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges keine klaren Weisungen für die Arbeit der Militärregierung in Deutschland erhalten. Die Ursache für das Fehlen eines einheitlichen detaillierten Konzepts liegt wahrscheinlich darin, dass sich in Washington die verschiedenen Ministerien und Behörden über Grundsätze der Formulierung und Durchführung einer Deutschlandpolitik in der unmittelbaren Nachkriegsphase nicht einig werden konnten. Dieses Tauziehen “hinter den Kulissen“4) komplizierte die Probleme noch mehr und nützte Präsident Roosevelt, der konkrete Entscheidungen bis auf den letzten Moment hinausschieben wollte.5) JCS 10676) gab in Abschnitt 10 auch Anweisungen zur “Kontrolle über die öffentlichen Informations- und Nachrichtenmittel“. Hierzu gehörte auch das “Manual for the Control of German Information Services“, das am 12. Mai 1945 herausgegeben und als geheim klassifiziert worden war. Nach Beendigung der Kampfhandlungen musste aber die Militärregierung in Deutschland wohl oder übel mit den wenigen Richtlinien, die sie zur Verfügung hatte, das besetzte Land verwalten. So entstand in Frankfurt/Main das amerikanische Hauptquartier mit General Eisenhower an der Spitze. Es hieß bis zum 1. Juli 1945 “European Theater of Operations, US Army“ (ETOUSA), dann wurde es in “US Forces European Theater“ (USFET) umbenannt. Am 14. Juli 1945 wurde SHAEF aufgelöst und damit auch die “Abteilung für Psychologische Kriegsführung“ (Psychological Warfare Division - PWD) innerhalb von SHAEF. Die Nachfolgeorganisation der PWD, die “Abteilung für Informationskontrolle“ (Information Control Division - ICD), blieb, da sie keine inhaltlichen Unterschiede zur PWD aufwies, unter der Führung von General Robert A. McClure innerhalb von USFET. Im Frühjahr wurde sie dem “Office of Military Government, United States“ (OMGUS) eingegliedert. OMGUS war aus dem U.S. Group Control Council, der vor Kriegsende existierte, entstanden. OMGUS war am 1. Oktober 1945 mit Sitz in Berlin geschaffen worden als Dachorganisation der regionalen Militärregierungen für Bayern, Württemberg-Baden, Hessen und Bremen, die von je einem Land-Direktor (land director) geführt wurden. Letztere unterstanden besonderen Militärgouverneuren für die einzelnen Länder, nachdem die - 14 - Einteilung vom Sommer des Jahres - je ein Militärgouverneur für den westlichen und den östlichen Militärdistrikt - aufgehoben worden war. Die regionalen Militärregierungen (Office of Military Governor Bavaria etc.) blieben bis zum 21. September 1949 bestehen und dienten als Zwischenglieder zwischen OMGUS und den örtlichen Militärregierungen sowie als Verbindungsstellen zu den jeweiligen Landesregierungen in München, Stuttgart, Wiesbaden und Bremen. Direktoren der Militärregierungen in den Ländern waren: in Bayern Brigadegeneral Walter Muller, später der ehemalige Gouverneur Murray D. van Wagoner;7) in Württemberg-Baden Oberst William Dawson, dem der ehemalige Kongressabgeordnete Charles M. LaFolette und Generalmajor Charles P. Groß folgten. In Hessen war Dr. James Newman Direktor, in Bremen Thomas P. Dunn, dessen Nachfolger Kapitän Charles R. Jeffs wurde. Im amerikanischen Sektor Berlins war es Oberst Frank Howley. Dem jeweiligen Militärgouverneur unterstanden wiederum die einzelnen ICD-Behörden. Die ICD hatte das Hauptquartier mit General McClure an der Spitze in Bad Homburg. Nach der Währungsreform wurde ICD in “Information Service Division“ (ISD) mit der Begründung umbenannt, dass sich inzwischen ihre Funktion gewandelt habe und an die Stelle der Kontrolle und unmittelbaren Anweisung die Beratung und Unterstützung der Lizenzträger getreten seien. 2.2 Pläne zur Schaffung einer neuen Presse in der amerikanischen Zone Schon vor Beendigung der Kampfhandlungen waren vom amerikanischen Office of War Information (OWI)8) und in Europa vom Planungsstab der Abteilung für Psychologische Kriegsführung, PWD, Pläne für die Schaffung von Zeitungen im besetzten Gebiet ausgearbeitet worden. Die Abteilung für Psychologische Kriegsführung unterstand dem gemeinsamen Oberkommando von England und Amerika, da die Invasion in Europa auch von beiden Ländern gemeinsam durchgeführt wurde. Innerhalb des Alliierten Obersten Hauptquartiers (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces - SHAEF) unterstand die PWD direkt General Eisenhower. Spätestens seit dem Sommer 1944 hatte sich SHAEF darauf eingestellt, Informationsmedien im besetzten Deutschland in drei Stufen zu entwickeln: - 15 - 1. Alle im besetzten Gebiet noch tätigen Informationsmedien sollten verboten, das heißt stillgelegt werden. 2. Danach sollten alliierte Mitteilungsblätter an ihre Stelle treten und die für die Bevölkerung notwendigen Informationen verbreiten. 3. Eine allmähliche Übernahme der Informationsmittel sollte durch Deutsche erfolgen, die unter alliierter Kontrolle arbeiteten. Die Übergabe sollte in den einzelnen Gebieten und bei den einzelnen Medien unterschiedlich vorgenommen werden.9) Phase 1 war bereits im Gesetz Nr. 191 vom 24. November 1944 fixiert. Darin wurde eine “einstweilige Schließung des Zeitungsgewerbes, Rundfunks, Vergnügungsgewerbes, und Untersagung der Tätigkeit des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“10) angeordnet. Dieses Gesetz Nr. 191 wurde in einigen Punkten geändert, die jedoch nicht das allgemeine Publikationsverbot einschränkten. In der neuen Fassung trat es als “Gesetz Nr.191, abgeändert (1)“ am 12. Mai 1945 in Kraft.11) Am gleichen Tag wurde ein anderes Gesetz rechtskräftig: die “Nachrichtenkontroll-Vorschrift Nr. 1: Kontrolle über Druckschriften, Rundfunk, Film, Theater und Musik“12). In Paragraph 1 heißt es: “Durch diese Vorschrift wird bes timmt, unter welchen Bedingungen einzelne, durch das ’Gesetz Nr. 191 abgeändert (1)’ verbotene Tätigkeiten zugelassen werden.“ In Paragraph 3b) traf diese Erlaubnis auch auf “das Drucken von Zeitungen, Magazinen, Zeitschriften“ und anderem zu, mit der Einschränkung: 4. “Nur unter den folgenden Bedingungen darf eine in Paragraph 3 aufgeführte Tätigkeit ausgeübt werden: a) Der Ausübende muß sich vorher bei der Dienststelle der Militärregierung in der von dieser vorgeschriebenen Art und Weise registriert haben; b) er muß alle erlassenen Bestimmungen und Anweisungen genauestens befolgen." In der zweiten Phase sollten dem besiegten Volk das Ende des Nationalsozialismus und der Beginn einer neuen Zeit demonstriert werden. “Die Schocktherapie geriet jedoch mit einem anderen Ziel von Phase II in Konflikt, nämlich Vertrauen bei der deutschen Bevölkerung zu wecken.“13) Den deutschen Informationsmedien oblag während der zweiten und dritten Phase die Aufgabe, 1. “den Bedürfnissen und dem Schutz der alliierten Truppen zu dienen - vor allem unmittelbar nach dem Sieg; - 16 - 2. Medium der Demokratisierung, und, im engeren Sinne, der Reeducation zu sein; 3. die Politik der Besatzungsmächte propagandistisch zu vertreten . . ."14) Das hieß, dass die Massenmedien zur Verbreitung der vier Ziele der amerikanischen Besatzungspolitik beitragen sollten: “Demilitarisierung, Denazifizierung, Deindustrialisierung und, daraus folgend, der Demokratisierung.“15) Die Demokratisierung der Deutschen sollte durch eine ’kurzfristige’, vorwiegend militärische Aufgabe sowie durch eine ’langfristige’, vorwiegend politische Aufgabe erreicht werden. Zur kurzfristigen Aufgabe gehörte, dass die Informationsmedien a) Gesetze und Anordnungen veröffentlichten; b) Gerüchte durch Ankündigungen und Information bekämpften; c) durch ausgewählte Weltnachrichten und Informationsdienste die Beziehungen des Einzelnen zu den Besatzungsmächten, der Gemeinschaft und der Welt klären helfen sollten; d) die Deutschen bei der Wiederaufnahme kultureller und nicht politischer Tätigkeiten wie Musik und Theater überwachten. Die langfristige Aufgabe sah vor, Nazismus und Militarismus von jedem Einfluss auf deutsche Informationsmedien auszuschalten durch: a) Vernichtung von allem, das vom nazistischen und militaristischen Einfluss übrig geblieben war; b) Wiedereröffnung deutscher Informationsmedien unter alliierter Kontrolle, die vollständig von diesen Einflüssen gesäubert waren.16) - 17 - 2.3 Die Aufgaben der Abteilung für Psychologische Kriegsführung Die Psychological Warfare Division (PWD) stellte eine besondere Stabseinheit im SHAEF dar, da sie - im Gegensatz zu anderen Planungsstäben - sowohl planende als auch ausführende Funktion hatte. In ihr "wurden Spezialisten unterschiedlicher Kompetenz vereinigt, darunter Kriegsberichterstatter, Zeitungsredakteure und Publizisten, aber auch Verleger, Rundfunkkommentatoren und -techniker, Meinungsforscher, Psychologen, Soziologen, Politologen und Linguisten."17) Die PWD, die unter dem Befehl von General Robert A. McClure stand, profitierte davon, dass es keine Übereinkunft zwischen Roosevelt und Churchill gab. So war es für die Befürworter der “harten“ Politik fast unmöglich, die Arbeitsergebnisse der PWD zu kontrollieren. Die Abteilung für Psychologische Kriegsführung verfuhr nach einer im Juni 1944 entworfenen “Laufenden Richtlinie für die psychologische Kriegsführung gegen Angehörige der deutschen Streitkräfte“18), da ihr keine anderen Anweisungen vorlagen, wobei allerdings das Prinzip der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ihre Planungen und ihr Vorgehen begrenzte. Die Voraussetzung der bedingungslosen Kapitulation bedeutete, dass die an die Deutschen gerichtete Propaganda bestimmte, die Zukunft betreffende Prinzipien überhaupt nicht erwähnen durfte. Diese Prinzipien waren “die Verhinderung einer wirtschaftlichen Verelendung in Deutschland, die sich für die restliche Welt schädlich auswirken könnte“, und die “schließliche Wiederaufnahme Deutschlands in eine Weltgemeinschaft der demokratischen Nationen“.19) Vor allem aber durften den Deutschen keinerlei Versprechungen hinsichtlich ihrer Zukunft gemacht werden. “Das Prinzip der ’bedingungslosen Kapitulation’ hatte also zur Folge, daß im Falle einer offiziellen Propaganda, d.h. einer Propaganda im Namen der englischen oder amerikanischen Regierung oder des SHAEF, sich die psychologische Beeinflussung während der Kampfhandlungen hauptsächlich darauf beschränken mußte, die deutschen Soldaten zur Kapitulation und die Zivilisten zur passiven Unterwerfung zu ermutigen.“20) Die “Laufende Richtlinie“ widersprach insofern einer Politik der Härte nicht, als beide eine Strategie der Wahrheit befürworteten. In den “weißen“, also den offiziellen Rundfunksendungen und Flugblättern für die deutschen Soldaten in den Kampfgebieten vermied man jede Aussage, die als offenkundig unglaubwürdig gelten konnte.21) Die psychologische Kriegsführung sollte ideologische Vorträge vermeiden, objektiv und wahrheitsgetreu sein und alle Begriffe vermeiden, die der deutsche Soldat als propagandistisch abtat. - 18 - Da die PWD aber dem deutschen Volk keine Versprechungen machen durfte, musste sie in ihrer Kampfpropaganda vor allem zwei Themen ausdrücklich betonen: erstens die Unvermeidbarkeit des Sieges der Alliierten und zweitens die Integrität und Menschlichkeit der demokratischen Welt im Gegensatz zu der Korruption und mangelnden Vertrauenswürdigkeit der Führer der Nationalsozialisten.22) “Hinweisend auf diese unausgesprochenen, aber evidenten Prinzipien sowie auf die Anweisung zu einer ehrlichen und objektiven Propaganda, konnten die PWD-’Liberalen’ gegenüber ihren Kritikern eine Politik verteidigen, die den Deutschen etwas Menschlichkeit und Verständnis für ihre Probleme zeigte.“23) Die liberale Haltung in der PWD wurde im Wesentlichen durch die englischen Angehörigen bestimmt. Allein wegen der schlechten Zusammenarbeit von General Montgomery und General Eisenhower wurde die Abteilung für Psychologische Kriegsführung nach der Landung der Truppen in Frankreich und der Überschreitung deutscher Grenzen in ihrer Organisation ’amerikanisiert’. Da die PWD den vorrückenden Truppen direkt folgte, hatte sie Zwischenstationen in London, dann in Paris, in der Stadt Luxemburg und in Bad Homburg bei Frankfurt. Ihre Aufgabe im besetzten Gebiet bestand darin, 1. offizielle Mi tteilungsblätter für die deutschen Soldaten (später auch für die Zivilbevölkerung) zu schaffen; 2. von Deutschen betriebene und von der Militärregierung genehmigte Zeitungen nach Beendigung des Krieges vorzubereiten. Beide Vorhaben wurden von verschiedenen Abteilungen der PWD durchgeführt, wobei die erste Aufgabe von einer Pressestelle in Luxemburg übernommen wurde, die in der Praxis als “Publicity and Psychological Warfare Detachment“ (P & PW Det.) in General Bradleys 12.Armeegruppe arbeitete. In politischen Fragen unterstand sie jedoch, ebenso wie die Einheit, die für die Vorbereitung von Lizenzzeitungen zu sorgen hatte, einer Pressesektion der PWD in Paris. Diese Pressesektion wurde von Luther Conant, einem Zivilisten, geleitet. Während der Dauer der Kampfhandlungen waren beide Presseunternehmen bemüht, für die Zivilbevölkerung in den bereits besetzten Gebieten eigenständige Nachrichtenmedien aufzubauen. Die Schaffung einer neuen deutschen Presse sollte das Ende der offiziellen Mitteilungsblätter sein, denn es war nicht beabsichtigt, beide Zeitungsarten in gleichen Gebieten gleichzeitig zu verbreiten. Das musste zu Rivalitäten zwischen dem Leiter der Luxemburger Redaktion, Hans Habe, und den Angehörigen der PWD, die sich auf den Aufbau einer deutschen Presse unter alliierter Kontrolle vorbereiteten, führen.24) - 19 - Die Organisation der P & PW Detachments innerhalb der PWD soll an dem folgenden Schema verdeutlicht werden.25) PWD P & PW Army Group 6.AG 12.AG 21.AG PWB Armies 1.FR 7.US 1.US 3.US 9.US 1.Can 2.BR Jeder Armeegruppe war ein P & PW Detachment beigeordnet. Entsprechend waren in den einzelnen Armeen “Psychological Warfare Branches“ (PWB) für die psychologische Kriegsführung zuständig.26) - 20 - 2.4 Die Herausgabe alliierter Mitteilungsblätter gemäß der Phase II Alle Zeitungen, die die amerikanische Armee veröffentlichte, dienten als Propaganda-Medien bestimmten politischen Zielen und hatten einen besonderen Zweck zu erfüllen. Von Ende des Jahres 1944 bis zur Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 unterstützten sie als Mittel psychologischer Kriegsführung die alliierte Kriegspolitik. Die erste Zeitung der Alliierten, die im besetzten Gebiet erschien, war die “Frontpost - Nachrichten für deutsche Soldaten“. Sie wurde von Hans Habes27) 12. Armeegruppe herausgegeben. Die erste Ausgabe vom 14. 08. 1944 wurde durch Flugzeuge in “leaflet bombs“ über deutschem Gebiet abgeworfen. Diese Mitteilungsblätter waren ursprünglich an die deutschen Soldaten gerichtet, wurden aber seit November 1944 auch an die Zivilbevölkerung verteilt, nachdem immer mehr Gebiete besetzt worden waren. Die “Frontpost“, ihrem Aussehen nach eine Zeitung, enthielt manchmal deutsche Sportnachrichten, eine Spalte, überschrieben “Der Yankee spricht“, und sogar Rätsel. Seit November des Jahres gab es auch eine Rubrik “Was wird aus Deutschland?“, die den Zweck hatte, der deutschen Zivilbevölkerung die Furcht vor den Alliierten auszureden. Im Unterschied zu Zeitungen enthielt die “Frontpost“ aber keine Leitartikel. Sie wurde im Mai 1945 eingestellt. Eine weitere Zeitung, die der Kampfpropaganda diente und die deutschen Soldaten demoralisieren und zur Kapitulation veranlassen sollte, war die “Feldpost“. Sie erschien seit dem 5. November 1944 und stellte ihr Erscheinen ebenfalls im Mai 1945 ein. Seit dem 27. November 1944 brachte Hans Habe “Die Mitteilungen“ heraus.28) Die erste Ausgabe hieß: “Die Neue Zeitung - Mitteilungsblatt der 12. Amerikanischen Heeresgruppe Für Die Deutsche Zivilbevölkerung“. Der Zeitungstitel änderte sich aber nach einmaligem Erscheinen, da die PWD nicht beabsichtigte, der besiegten deutschen Bevölkerung eine Zeitung zur Verfügung zu stellen. “Die Mitteilungen“ veröffentlichten Gesetze der Alliierten sowie Anordnungen und Proklamationen. Außerdem berichteten sie über die lokalen Ereignisse, um über den Verlauf des täglichen Lebens unter dem Einfluss der Militärregierung zu informieren. Weiterhin fanden sich in den “Mitteilungen“ Features und Bilder über den Wiederaufbau in den besetzten Gebieten, Berichte über Gerichtsverhandlungen der Militärregierung und Biographien alliierter Generale. Zusätzlich veröffentlichte man eine Spalte mit dem Titel “Bisher verheimlicht“.29) Drei Themen wurden häufig angesprochen: 1. wollte man die Bevölkerung von der Schuld der Nationalsozialisten überzeugen, wobei dem deutschen Volk gleichzeitig die Mitverantwortung für das politische - 21 - Geschehen nahegebracht wurde. Man sprach von der Kollektivschuld der Deutschen; 2. sollte die deutsche Zivilbevölkerung die Nationalsozialisten zur Kapitulation auffordern; 3. berichtete man über die Selbsthilfe der Deutschen beim Wiederaufbau.30) Diese wöchentlich erscheinenden Mitteilungsblätter - mit einem Umfang von zwei Seiten - hatten eine Auflage von anfänglich 29.000 Exemplaren31) und wurden in der Stadt Luxemburg gedruckt. Man verteilte sie kostenlos an die Zivilbevölkerung. “Überall, wo die ’Mitteilungen’... verteilt wurden, folgten uns Meinungsforscher in Uniform auf dem Fuße: sie stellten fest, welche Wirkung die Wahrheit auf eine von der Wahrheit elf Jahre abgeschnittene Bevölkerung übte - die Ergebnisse ihrer Beobachtungen sollten für den Aufbau der neuen deutschen Presse von unschätzbarem Wert sein.“32) Man behielt den Druck der “Mitteilungen“ bis zum Frühjahr 1945 bei, da von da an in allen größeren deutschen Städten Zeitungen herausgebracht werden konnten. Die letzte Ausgabe erschien am 21. April 1945. Doch obwohl im Frühjahr 1945 die zentralen Medien “Frontpost“, “Feldpost“ und “Die Mitteilungen“ eingestellt worden waren, entwickelten sich die dezentralen Mitteilungsblätter zu alliierten Zeitungen für die deutsche Zivilbevölkerung und wurden im Sommer 1945 erheblich ausgebaut. Dies war ursprünglich nicht beabsichtigt gewesen, da die Aufgaben der zweiten Phase den normalen Funktionen der psychologischen Kriegsführung entsprachen und somit bis Kriegsende ihren Abschluss finden sollten. 2.4.1 Die Gründung der “Aachener Nachrichten“ als Testfall der Phase III Die dritte Phase des PWD-Plans, die Schaffung von deutschen Zeitungen unter alliierter Kontrolle, begann mit der Lizenzierung der “Aachener Nachrichten“. Doch bevor dies geschehen konnte, waren etliche Vorarbeiten zu leisten. Als die Amerikaner die Stadt Mitte Oktober 1944 besetzten, hatte Aachen weniger als 30.000 Einwohner; Ende des gleichen Jahres waren es sogar nur noch 11.000. Die übrigen waren geflohen oder evakuiert worden.33) Es war deshalb nicht leicht, aus einer geringen Anzahl von Kandidaten Personen herauszufinden, die für eine Lizenz geeignet schienen. Andererseits war das zuständige Presseteam der PWD auf gute technische Voraussetzungen gestoßen: Man hatte ein intaktes Zeitungshaus, funktionierende Druckmaschinen und genügend Zeitungspapier.34) Die Druckerei der ehemaligen Aachener - 22 - Tageszeitung “Aachener Anzeiger - Politisches Tageblatt“ wurde beschlagnahmt. Die Zeitung hatte im September 1944 ihr Erscheinen eingestellt.35) Nach längerer Suche nach einem Lizenzträger einigte sich das Presseteam auf den 68jährigen Sozialdemokraten Heinrich Hollands, der, da er während des Nationalsozialismus die Arbeitslosigkeit einer Tätigkeit für das Regime vorgezogen hatte, als vertrauensvoll galt. Hollands hatte, von Beruf Korrektor und Druckereimeister, allerdings keinerlei journalistische Erfahrung. Als die “Aachener Nachrichten“ am 24. Januar 1945 zum ersten Mal herauskamen, waren sie ein Produkt der liberaleren Pressepolitik der Alliierten, die aber 1945 bald von der so genannten Politik der Härte abgelöst wurde. Das Presseteam, das Anfang des Jahres eingetroffen war, um eine Zeitung zu gründen, hatte offenbar kein Interesse, diese ’austerity’- Politik in die Tat umzusetzen. Es bestand aus drei Journalisten: Eugene Jolas36), Major James Chesnutt und Cedric Belfrage37). Außerdem gehörte dem Team das nötige technische Personal an. Drei Wochen Vorbereitung brauchte man, um die erste Ausgabe mit vier Seiten Umfang und einer Anfangsauflage von 12.000 Exemplaren erscheinen zu lassen.38) Die Zeitung, die die Lizenznummer Eins trug und einmal in der Woche erschien, kostete im Straßenverkauf zwanzig Pfennige. Die erste Ausgabe enthielt einen Leitartikel des Herausgebers Heinrich Hollands, überschrieben “Zum Geleit“. Die Lizenz wurde Hollands am 27. Juni 1945 von General McClure, dem Leiter der Psychological Warfare Division, erteilt.39) Eine Woche zuvor hatte im Zusammenhang mit der formalen Grenzziehung der britischen Besatzungszone ein britisches Pressteam die Kontrolle über die "Aachener Nachrichten" übernommen.40) Damit die ersten Ausgaben überhaupt erscheinen konnten, mussten die Presseoffiziere des PWD-Teams die meiste redaktionelle Arbeit selbst leisten. Darum bemühte man sich, einen zweiten Redakteur für die “Aachener Nachrichten“41) zu bekommen. Otto Pesch, den man schließlich beauftragte, war ein “kriegsversehrter Pazifist, ... , den die Natur sehr viel mehr interessierte als die Politik.“42) So konnte man ab März 1945 auch Glossen dieses Redakteurs in der Zeitung finden, die den Titel “Der Spaziergänger“ trugen. Hollands schrieb zur gleichen Zeit Leitartikel, die er “Der alte Aachener“ überschrieb. Von der fünften Ausgabe an trug die Zeitung den Untertitel: “Herausgegeben mit Ge- nehmigung der alliierten Militärbehörde“. Als das Presseteam im April Aachen verließ, unterlagen alle Meinungsäußerungen in der Zeitung noch der Vorzensur sowie der Einschränkung, nur eine Nachrichtenquelle, den Londoner Dienst der PWD, die “civilian news agency“, benutzen zu dürfen. Dies half nicht gerade, die “Aachener Nachrichten“ zu - 23 - einer interessanten Zeitung zu machen. Sie blieb, konservativ im Format, mit Frakturschrift und nur selten durch Fotos belebt, das einzige Experiment der Alliierten während des Krieges, die Phase III des Presseprogramms zu verwirklichen.43) Bis zur Lizenzierung der “Frankfurter Rundschau“ lag das Hauptgewicht der pressepolitischen Tätigkeit der Alliierten auf der Herausgabe von lokalen Heeresgruppenzeitungen. 2.4.2 Ursachen für die Verzögerung einer Lizenzvergabe an deutsche Zeitungen An sich sollten den “Aachener Nachrichten“ weitere von Deutschen geleitete Zeitungen folgen. Doch zu Beginn des Jahres 1945 befürworteten mehr und mehr führende PWD- Planer eine ’austerity’-Politik gegenüber dem deutschen Volk. Auf einem Treffen von Vertretern der PWD und Angehörigen der Armeegruppen am 2. und 3. Februar 1945 gewann man die Überzeugung, dass Hans Habes Vorhaben, die deutsche Bevölkerung mit offiziellen alliierten Zeitungen zu versorgen, zumindest bis Kriegsende der Arbeit von Lizenzierungsteams vorzuziehen sei.44) Dies trug nicht gerade zu einer Verständigung zwischen Hans Habe einerseits und Luther Conant als Leiter der Press Section andererseits bei. Die Gründe für diese Politik der Härte mögen in der Anfang des Jahres schwindenden Hoffnung der Alliierten zu finden sein, den Krieg bald beenden zu können, und vor allem in dem Entsetzen, als man die deutschen Konzentrationslager fand. Für den Aufbau einer eigenständigen deutschen Presse wirkte sich das besonders verzögernd aus, da der Beginn der ’austerity’-Politik genau mit der Gründung der “Aachener Nachrichten“ zusammenfiel. Wenn es auch dem Aachener Presseteam gelang, die Bestimmungen manchmal zu umgehen, so hatte es einige Punkte doch zu beachten, wie z.B. das Verbot der Fraternisierung mit der besiegten Bevölkerung. Harold Hurwitz meint in seiner Arbeit zwar, keinen Beweis dafür gefunden zu haben, “daß von höchster Ebene vor dem Ende der Kampfhandlungen eine Gründung von Zeitungen unter deutscher Leitung ausdrücklich untersagt worden war“45), schließt aber dennoch nicht aus, dass eine solche Bestimmung existiert hat. Bis zum Kriegsende blieben die “Aachener Nachrichten“ der einzige Versuch, von Deutschen geleitete Zeitungen herauszubringen. Man baute vielmehr die “Mitteilungen“ von Habes 12. Armeegruppe weiter aus und ließ ihnen nach ihrer Einstellung im Frühjahr 1945 lokale - 24 - Zeitungen für die deutsche Zivilbevölkerung in verschiedenen Orten des besetzten Gebietes folgen. Begründet wurde dieser Entschluss nachher damit, man habe vor Kriegsende kaum qualifizierte, dem Nationalsozialismus feindlich gegenüberstehende Deutsche finden können. Außerdem hatten sich die “Mitteilungen“ als erfolgreich erwiesen, und dies waren auch die nun folgenden regional begrenzten Zeitungen. Aber auch Habes 12. Armeegruppe musste sich den strengen Bestimmungen unterordnen: 1. gab es die schon im September 1944 konzipierte politische Anweisung für die Besetzung Deutschlands. Diese Direktive JCS 1067 (Joint Chiefs of Staff) war von den Vereinigten Stabschefs an General Eisenhower gegeben worden.46) Da sich England nicht wie erhofft dieser Direktive anschloss, war sie schließlich nur für die amerikanischen Truppen richtungweisend. Am 21. Mai 1945 wurde sie an Schlüsselpersonen verteilt (u.a. erhielt sie General McClure) und blieb bis zum 17. Oktober 1945 streng geheim. In ihr wurde ausdrücklich eine harte Behandlung des deutschen Volkes gefordert.47) 2. erschien am 22. Mai 1945 die PWD-Direktive Nr. 1. Sie wurde die “strenge“ Direktive genannt, weil darin folgende Ziele fixiert worden waren: “a) Die jetzt vorherrschende Stimmung einer passiven Anpassung ... ist aufrechtzuerhalten und zu vertiefen, um auf diese Weise die Vollendung der Besetzung Deutschlands zu erleichtern. (...) c) Die ersten Schritte der Umerziehung sind zu unternehmen, indem erstens die Einsicht in die kollektive Verantwortung für die Verbrechen Deutschlands wachgerufen wird und zweitens jene Tatsachen herausgestellt werden, welche geeignet sind, die fatalen Folgen der Nazi- und Militaristenherrschaft sowie der deutschen Hinnahme dieser Herrschaft zu enthüllen. d) ... der tiefe Graben, der die Besatzungsarmeen von den besiegten Deutschen trennt, ist ausdrücklich zu betonen ... und das Fraternisierungsverbot ist bei den Erzeugnissen der Informationsmedien ebenso einzuhalten wie bei dem Verhalten der Truppen. Eine Politik der ’austerity’ hat an die Stelle aller Schmeicheleien zu treten, die von der psychologischen Kriegsführung während der Kampfhandlungen als erforderlich angesehen wurden. ... In der Darstellung sind die letzten Spuren einer ’Propaganda’ zu entfernen. Die Propaganda hat ausschließlich in einer geschickten Auswahl und einer tatsachengetreuen Schreibweise zu bestehen. Besonders bei der Redaktion der AG- - 25 - Mitteilungsblätter (AG = Armeegruppen, Anm. E.W.) ist auf Übereinstimmung mit diesen Regeln zu achten. Offenkundige Propaganda-Schlagzeilen sind zu vermeiden ... Der erste Schritt der Umerziehung wird sich ausschließlich darauf beschränken, die Deutschen mit jenen unwiderlegbaren Tatsachen zu konfrontieren, die eine Einsicht in die deutsche Kriegsschuld und in die Kollektivschuld für solche Verbrechen wie die Konzentrationslager wachrufen.“48) Diese strenge Direktive wurde von der PWD innerhalb einer Woche geändert; es erschien am 28. Mai 1945 die Direktive Nr.2 “for Information and Control Services“. Sie revidierte die erste Direktive dahingehend, dass man jetzt von einer passiven Schuld des ganzen Volkes sprach, im Gegensatz zur aktiven Schuld der Nationalsozialisten. Überhaupt versprach die jetzt erlassene Direktive die Möglichkeit, mit der dritten Phase, der Lizenzierung von Zeitungen mit deutschen Herausgebern, zu beginnen. Warum aber trotzdem noch Monate vergingen, bevor die erste Lizenzzeitung der Nachkriegszeit geschaffen wurde, liegt wahrscheinlich zum einen in der noch immer gültigen Direktive JCS 1067, zum anderen im Vorgehen der Intelligence Branch von PWD begründet. Da Angehörige dieser Abteilung dafür zuständig waren, die Vergangenheit eines jeden Kandidaten für eine Zeitungslizenz zu überprüfen, und da sie dies nach außergewöhnlich harten Kriterien taten (viele Mitarbeiter unterstützten die ’austerity’-Politik), war es den Lizenzierungseinheiten so gut wie unmöglich, einen Mann ihrer Wahl für die Lizenzvergabe durchzusetzen. Diese Verzögerung der dritten Phase bedeutete für Hans Habe, dass er seine Armeegruppen-Zeitungen ungehindert und für Monate ohne Konkurrenz herausgeben konnte. 2.4.3 Die lokalen Zeitungen der Armeegruppe Die Zeitungen der 12. Armeegruppe waren ihrer Aufmachung nach Tageszeitungen. Sie erschienen über einen Zeitraum von etwa sieben Monaten, von Anfang April bis Mitte November 1945, in beinahe allen größeren Städten des besetzten Gebietes. Zeitlich und funktional lösten sie die “Mitteilungen“ ab.49) Jedes dieser Blätter erschien mit einem eigenen lokalbezogenen Titel. Im Untertitel fand sich als Herausgeber “Die Amerikanische Armee“ oder “Die 12. Amerikanische Heeresgruppe“.50) Sie erschienen einmal in der Woche mit einer Einzelauflage zwischen 150.000 und einer Million Exemplaren. Diese Unterschiede waren - 26 - durch die verschieden großen Verbreitungsgebiete der Zeitungen zu erklären. Sie hatten einen Umfang von vier Seiten, also zwei Seiten mehr als “Die Mitteilungen“. Ihrem Inhalt nach waren alle Armeegruppen-Zeitungen gleich, sofern es nicht regional gebundene Nachrichten waren, die sie veröffentlichten. Dies hatte seinen Grund darin, dass jede Information von der Zentralredaktion weitergeleitet wurde, die sie wiederum in den meisten Fällen zwei Quellen entnahm: 1. Für Weltnachrichten benutzte man den “Allied Press Service“ (APS), ein amerikanisch-britisches Unternehmen mit Sitz in London, das seine Meldungen täglich über den Rundfunk ausstrahlte;51) 2. für deutsche Nachrichten wurde Ende Juni 1945 eine eigene Agentur eingerichtet, die unter dem Namen “German News Service“ (GNS) in Bad Nauheim arbeitete.52) Die Nachrichten wurden in englischer Sprache verbreitet. In einigen Fällen sammelte die Zentralredaktion auch Meldungen von BBC London oder von Radio Luxemburg. Der Leiter der Zentralredaktion, Hans Habe, befand sich mit seinem Redaktionsstab zuerst in Luxemburg, von wo aus auch die “Mitteilungen“ verbreitet worden waren, von April 1945 an dann in Bad Nauheim. Er versuchte, die Richtlinien der PWD-Planer zu umgehen, die die Heeresgruppen-Zeitungen ursprünglich als reine Nachrichtenblätter, so genannte ’information sheets’, geplant hatten. Alles, was den Blättern unterhaltenden Charakter geben konnte, war zu vermeiden. Der offizielle Stil sollte dominierend und bestimmend sein. Eine Untersuchung des Inhalts der AG-Zeitungen, die Elisabeth Matz53) durchführte, ergab folgende Themenschwerpunkte: Entnazifizierung, Kollektivschuld, Reeducation, Selbsthilfe der besiegten Bevölkerung, politische Neugestaltung des Landes, Nürnberger Prozess. Die erste Zeitung, die Habe im besetzten Gebiet schuf, war der “Kölnische Kurier“, dessen erste Ausgabe am 2. April 194554) erschien, die letzte Ausgabe am 16. Juni des gleichen Jahres. Dieser doch sehr kurze Erscheinungszeitraum entsprach dem Vorhaben der PWD, die Heeresgruppen-Zeitungen so lange zu publizieren, bis an dem jeweiligen Erscheinungsort eine Zeitungslizenz erteilt worden war. So erschien auch die zweite Zeitung, die “Frankfurter Presse“, die jetzt schon aus Bad Nauheim geleitet wurde, nur gut drei Monate lang, da man in Frankfurt mittlerweile so weit fortgeschritten war, dass man die erste Lizenzzeitung gründen konnte. Die “Frankfurter Presse“ hatte anfangs eine Auflage von 557.000 Exemplaren.55) Die Zeitung, die Vorbild für alle folgenden Armeegruppen-Zeitungen sein sollte, brachte - 27 - manchmal redaktionelle Kommentare und Leitartikel, obwohl dies nicht im Sinne der “harten“ Direktive war. Internationale Nachrichten erschienen z.B. unter Überschriften wie “Der Erdball funkt“, “Blick in die Zeit", “Die Welt meldet“. Außerdem machte man reichlich Gebrauch vom typisch amerikanischen Zeitungsstil, wie etwa den Schlagzeilen. Andererseits wollte man den Lesern entgegenkommen, indem man deutsche redaktionelle Traditionen übernahm; Glossen, in denen im Gegensatz zur geforderten Distanz der Leser persönlich angesprochen wurde, waren keine Seltenheit. Der uneinheitliche vermischte Stil der Zeitungen, in denen amerikanische und deutsche Eigenarten vermengt wurden, war der Popularität der Blätter nicht eben förderlich. Dem deutschen Leserpublikum war die Art der Berichterstattung fremd, so dass die Vermutung nahe liegt, dass eine entsprechende beabsichtigte Wirkung nur in geringem Maß erzielt werden konnte. Die Aufgabe der Umerziehung der Deutschen, der Reeducation, wurde von den AG-Zeitungen nur unzureichend erfüllt. “Das Ergebnis war eine sensationelle, oft ungehobelt wirkende Presse.“56) Eine Übereinstimmung der redaktionellen Eigenarten mit den Absichten der PWD-Planer brachten erst die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz. Jetzt waren auch redaktionelle Stellungnahmen erlaubt. Die “Frankfurter Presse“ konnte allerdings davon nicht mehr profitieren, da sie vorher eingestellt wurde. Den Zeitungen in Köln und Frankfurt sollten noch elf weitere Blätter folgen. Die letzte Ausgabe der dreizehnten Zeitung, herausgegeben von der amerikanischen Armee, erschien am 11. November 1945. Zwischen Mai und August 1945 erreichten alle Zeitungen zusammen eine Gesamtauflage von 2,8 bis 4,6 Millionen Exemplaren.57) Einige Zeitungen erschienen in drei Ausgaben: für die betreffende Stadt, für das Hinterland und für die Verteilung in den entfernteren Gebieten.58) So ist es zu erklären, dass die “Frankfurter Presse“ auch in Leipzig gelesen wurde. Jedes Exemplar hatte durchschnittlich sechs bis acht Leser; man versuchte im Laufe der Zeit, die Zahl auf fünf Zeitungsleser zu reduzieren. Die Zeitungen, die vier Seiten umfassten, wurden bis Ende Juni kostenlos verteilt, danach bezahlte man im Straßenverkauf 20 Pfennige dafür. Mit zunehmendem Erscheinen der Lizenzzeitungen nahm die Auflage der Armee-Zeitungen schnell ab. “Während noch im August neun von ihnen eine Auflage von insgesamt 3.795.000 Exemplaren pro Woche erreichten, gab es im September nur noch fünf AG-Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von 1.767.000 Exemplaren.“59) - 28 - Die folgende Aufstellung gibt einen Überblick über alle erschienenen Zeitungen der 12.Armeegruppe sowie über deren Erscheinungsort, das erste und letzte Erscheinungsdatum und den verantwortlichen Redakteur der Zeitung. Tabellarische Übersicht der von der 12. Heeresgruppe herausgegebenen Lokalzeitungen Titel Nummer erste - letzte lokal. Redakteur Kölnischer Kurier Köln + 02.04. - 16.05.45 Joseph Wechsberg Frankfurter Presse Frankfurt 21.04. - 26.07.45 Peter Wyden Hessische Post Kassel 28.04. - 22.09.45 Eric Winters Braunschweiger Bote Braunschweig + 04.05. - 08.06.45 Gerhard Speyer Ruhr Zeitung Essen + 12.05. - 16.06.45 Stefan Heym Bayrischer Tag Bamberg 19.05. - 13.11.45 Kurt Wittler Münchener Zeitung München = 09.06. - 06.10.45 Max Kraus Süddeutsche Mitteilungen Heidelberg = 16.06. - 01.09.45 Erwin Strauß Weser Bote Bremen 23.06. - 15.09.45 Roderich Freundt Regensburger Post Straubing 29.06. - 16.10.45 Joseph Eaton Augsburger Anzeiger Augsburg 13.07. - 23.10.45 Max Kraus Stuttgarter Stimme Stuttgart 03.08. - 14.09.45 Otto Brand + von den Engländern übernommen, nach der endgültigen Aufteilung der Besatzungszonen = Gründung der 6. Heeresgruppe, von der 12. Heeresgruppe unter verändertem Titel weitergeführt.60) - 29 - 2.4.3.1 Die "Allgemeine Zeitung", Berlin Die "Allgemeine Zeitung" in Berlin war ein Sonderfall unter den AG-Zeitungen. Sie war die letzte der zeitlich begrenzten offiziellen Blätter und erschien seit dem 8. August 1945. Man schuf sie als Gegengewicht zur 1945 dominierenden "Täglichen Rundschau", dem Organ der sowjetischen Besatzungsmacht in Berlin, von der außerdem noch fünf weitere Zeitungen lizenziert wurden. Die "Konkurrenzsituation, in der die AZ im Unterschied zu der Heeresgruppenpresse stand, erklärt das hohe Niveau des Blattes."61) Die "Allgemeine Zeitung" war zwar der Zentralredaktion in Bad Nauheim angegliedert, sie wurde aber im Gegensatz zu den Heeresgruppenzeitungen von einem Chefredakteur, Hans Wallenberg, geleitet.62) Wallenberg gehörte der 6. Heeresgruppe an.63) Während die Armee-Zeitungen ausschließlich von Amerikanern redaktionell gestaltet wurden, gehörten der Redaktion der "Allgemeinen Zeitung" auch deutsche Journalisten als feste Mitarbeiter an. So fand man im Impressum Namen wie Otto Robolski, Friedrich Luft und Egon Bahr, die ihre Artikel, soweit sie auf der Titelseite erschienen, mit Initialen kennzeichneten. Die AZ sollte ihrem Stil nach der "Vossischen Zeitung" nacheifern, bei der Wallenberg vor 1933 gearbeitet hatte. Als die Zeitung - nach 45 Ausgaben - am 11. November 1945 ihr Erscheinen einstellte64), hinterließ sie bei den Lesern den Eindruck, man habe es mit einer deutschen Zeitung zu tun gehabt, obwohl auf der ersten Seite bis zur letzten Ausgabe der Vermerk stand: "Herausgegeben von der Amerikanischen Armee".65) 2.4.3.2 "Die Neue Zeitung", München "Die Neue Zeitung"66), die in München seit dem 17. Oktober 1945 erschien, hieß im Untertitel "Eine Amerikanische Zeitung für Die Deutsche Bevölkerung". Sie war die einzige deutschsprachige Zeitung, die in allen Teilen des von amerikanischen Truppen besetzten Gebietes verbreitet wurde. Zeitlich folgte sie den Armeegruppen-Zeitungen. "Direkter Vorläufer war", wie Kurt Koszyk schreibt, "die von Max Kraus redigierte 'Münchener Zeitung' ... Auch die zweiseitige Beilage 'Rat und Tat' für Kriegsgefangene, zunächst in 320.000 Exemplaren verbreitet, wurde als Sonntagsbeilage in 130.000 Exemplaren in 'Die neue Zeitung' integriert."67) - 30 - "Die Neue Zeitung" unterstand der Information Control Division (ICD) in Bad Homburg. Die ICD setzte die pressepolitische Tätigkeit in der von der Psychological Warfare Division begonnenen Weise fort, da die PWD, die Abteilung für Psychologische Kriegsführung, mit Beendigung des Krieges ihre Funktion verlor. Sie wurde mit der Auflösung des Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces (SHAEF) am 13. Juni 1945 aufgehoben. Die ICD gehörte als Nachfolgeorganisation der PWD zum Office of Military Government (OMGUS) der Militärregierung in Berlin. Die Änderung von PWD in ICD hatte auf die Armeegruppenpresse keinen Einfluss, da auch die personelle Kontinuität gewahrt blieb; General McClure, früher Leiter der PWD, stand nun der Information Control vor. Allein das P & PW-Detachment der 12. Armeegruppe wurde in "Publishing Operations Branch" (POB) umbenannt, sodass diese jetzt Hans Habes übergeordnete Stelle innerhalb der ICD war.68) Chefredakteur der "Neuen Zeitung" war zunächst Hans Habe, doch nachdem die "Allgemeine Zeitung" in Berlin nicht mehr erschien, ging Hans Wallenberg nach München, um diese Aufgabe gemeinsam mit Habe auszuüben. Bei zweimaligem Erscheinen pro Woche hatte die Zeitung eine Auflage zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Exemplaren.69) Gedruckt wurden die Ausgaben im Verlagshaus des ehemaligen "Völkischen Beobachters". Wie auch die Heeresgruppenpresse veröffentlichte "Die Neue Zeitung" keine Anzeigen, "da ein 'Handel mit dem Feind auf kommerzieller Grundlage' nach amerikanischem Gesetz verboten war."70) Inhaltlich unterschied sich "Die Neue Zeitung" von den Armeeblättern dadurch, dass jetzt die Unterrichtung des besiegten Volkes eine gleichwertige Rolle neben den beiden Faktoren spielte, die in den AG-Zeitungen Schwerpunkte bildeten. Dort war das Ziel, durch Beeinflussung und Belehrung eine Umorientierung der Deutschen zu erreichen. "Die Neue Zeitung" war von Anfang an eine Zeitung, die sich durch hohe Qualität und Attraktivität auszeichnete.71) "Sie war primär Zeitung, Informationsmittel, und erst sekundär Instrument der Reeducation."72) "Die 'Neue Zeitung' unterschied sich von der 'Allgemeinen Zeitung' in erster Linie dadurch, daß sie nicht zögerte, unbeirrt das deutsche Problem in seinen moralisch-politischen und kulturellen Aspekten zu diskutieren."73) Die Auswahl von qualifizierten Redakteuren, wie Erich Kästner und Luiselotte Enderle, die für das Feuilleton zuständig waren, Stefan Heym - und nach seinem Ausscheiden Hans Lehmann -, der das Ressort Außenpolitik leitete, und Robert Lembke, Leiter der Abteilung Innenpolitik,74) machte eine differenzierte Stellungnahme zu Problemen der Kollektivschuld, der Reeducation oder eine ausführliche Berichterstattung über die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse möglich. Die Einführung einer Leserbrief-Spalte, die großen - 31 - Anklang bei den Lesern fand, ermöglichte unter anderem Stellungnahmen der Bevölkerung zur Frage der Entnazifizierung. "Durchschnittlich sollen ... 600, manchmal sogar tausende Leserbriefe eingegangen sein."75) Die gleiche Resonanz fand Habe allerdings nicht, als er in Serien über die Nürnberger Prozesse berichtete. Die "Bildergalerie aus Nürnberg" fand wenig Interesse, was sicher auch daran lag, dass der Prozess unter Ausschluss der deutschen Öffentlichkeit stattfand. Bis zu Habes Rücktritt am 11. März 194676) waren seine Ansichten in der "Neuen Zeitung" dominierend. Der auch für diese Zeitung einzige Nachrichtendienst, die DANA76a), wurde selten benutzt. Habe bevorzugte Informationen, die der Rundfunk sendete. Nach seinem Ausscheiden führte Hans Wallenberg die Zeitung allein weiter, "bis auch er im September 1947 sich nicht mehr mit den Ansichten seiner Vorgesetzten identifizieren konnte und die Chefredaktion niederlegte."77) "Nachdem Max Kraus im September 1947 interimistisch die Chefredaktion übernommen hatte, wurde im Februar 1948 mit dem gebürtigen Amerikaner Jack Fleischer, Europakorrespondent einer Nachrichtenagentur, auf Empfehlung von General Clay ein neuer Chefredakteur eingesetzt"78). "Diese Wahl", so Koszyk, "widerspricht den häufig geäußerten Vermutungen, der Antikommunismus Habes und Wallenbergs sei Ursache der Konflikte gewesen. Vielmehr dürfte maßgebend gewesen sein, daß die OMGUS-Dienststellen den jeweils erwünschten amerikanischen Standpunkt in der 'Neuen Zeitung' nicht lupenrein repräsentiert sahen. Fleischers Tendenz, seinen Auftraggebern zu entsprechen, stieß bei den deutschen Redakteuren zunehmend auf Renitenz. Was sich in der 'Neuen Zeitung' abspielte, ähnelte den Erfahrungen bei der britischen Zonenzeitung 'Die Welt'. Hintergrund war der sich verschärfende Ost-West- Konflikt. Die Besatzungsbehörden mußten mehr denn je auf die Direktiven aus ihren Hauptstädten achten. Für einen Journalismus unter Aufsicht der Militärregierung waren das keine optimalen Bedingungen."79) 1948 entschloss sich auch die ICD, die Redaktion und die Druckerei zu dezentralisieren. In Frankfurt erschien daraufhin eine weitere Ausgabe der "Neuen Zeitung", gleichzeitig wurde eine Zweitredaktion geschaffen. Die dritte Ausgabe - neben München - erschien in Berlin, ebenfalls mit einer eigenen Redaktion. Dieser Entschluss erwies sich auf die Dauer nicht als Erfolg, da sich die Exemplare der Frankfurter Ausgabe zunehmend schlechter verkaufen ließen. Wahrscheinlich ist es auf den Umstand zurückzuführen, dass es seit 1946 dort zwei Lizenzzeitungen gab. "Schließlich übernahm Enno Hobbing ... kurzfristig die Chefredaktion, bevor er sie im November 1948 an Kendall Foss übergab, einen Quäker, Pressekorrespondenten in Deutschland und Organisator von amerikanischer Hilfe zur - 32 - Gründung der Freien Universität Berlin. ... Bis nach Amerika gelangte Gerüchte über eine national-konservative Tendenz der Zonenzeitung veranlaßten die ISD, Foss dem neuen Verlagsleiter Bruce Buttles zu unterstellen. In dem sich erhitzenden Streit intervenierte General Clay und ernannte ein dreiköpfiges Direktorium. John Elliot, Mike Fodor und Jack Stuart, die seit Februar 1949 Foss 'beaufsichtigten', stellten die Ruhe zwar wieder her, aber immer mehr deutsche Redakteure verließen den Dienst."80) So berichtete auch die "Frankfurter Neue Presse" Anfang Februar 1949: "Die beiden Redaktionsmitglieder der 'Neuen Zeitung', P. H. Böhnisch und C. H. Ebbinghaus, haben am Montag auf Grund neuer Arbeitsanweisungen ihren Austritt aus der Redaktion des Blattes erklärt. Die beiden Redakteure begründeten ihren Schritt mit der Erklärung, daß die 'Neue Zeitung' auf Befehl der Informationsabteilung von OMGUS in Zukunft ausschließlich ein 'Hausorgan der amerikanischen Militärregierung' sein solle. ... Dr. Hildegard Brücher von der wissenschaftlichen Redaktion der 'Neuen Zeitung' erklärte ... ebenfalls ihren Austritt aus der Redaktion des Blattes. Dr. Brücher ... begründete ihren Schritt mit den völlig veränderten Aufgaben, vor die die 'Neue Zeitung' in Zukunft gestellt sein werde und die in keinem Punkte mehr den Voraussetzungen entsprechen würden, die sie seit dem 1. November 1945 mit einer Mitarbeit in der 'Neuen Zeitung' verknüpft habe. 'Die Briefträgerdienste zwischen Militärregierung und deutscher Öffentlichkeit', erklärte Dr. Brücher, 'die man uns in Zukunft zugedacht hat, können spielend von jedem anderen, der deutschen Sprache Kundigen, erledigt werden."81) Über ihre Aufgabe und die Finanzierung teilte die Zeitung Mitte 1949 mit: "... Die 'Neue Zeitung' erachtet es als ihre Pflicht gegenüber den Kollegen von der freien, demokratischen deutschen Presse, die Verhältnisse zu schildern, unter denen sie arbeitet, und damit die Gründe aufzuzeigen, die es ihr gestatten, ihr Blatt billiger zu verkaufen, als es der deutschen Presse für ihre Erzeugnisse möglich ist ... Unverändert dient sie dem Ziel, einen demokratischen Journalismus zu vertreten, das heißt, in Nachrichtenübermittlung und Kommentaren vollständig, wahr und objektiv zu sein. Außerdem will sie ihren Lesern Einblicke in das Leben und die Denkweise der Vereinigten Staaten vermitteln, die Aufgabe Amerikas in Deutschland schildern und zur Förderung der Freiheit und des Weltfriedens beitragen. Dagegen hat sie nicht das Ziel, der deutschen Presse Konkurrenz zu machen. Die Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgabe stammen aus Dollarzuwendungen, die jährlich vom amerikanischen Kongreß bewilligt werden. ... Kein Pfennig im Ausgabenetat ... wird aus - 33 - Besatzungskosten bestritten. Ebenso wenig bezieht sie Papier aus der deutschen Wirtschaft."82) "Hans Wallenberg, der im November 1949 aus den USA in die Chefredaktion der 'Neuen Zeitung' zurückkehrte, mochte die Aufgabe gereizt haben, das Blatt als überregionales Organ in die Bundesrepublik Deutschland zu begleiten. Im Gegensatz zu den Briten, die das Zentralorgan 'Die Welt' 1953 an einen deutschen Verleger veräußerten, hielten die Amerikaner trotz der nach der Währungsreform stetig sinkenden Auflage noch bis 31. Januar 1955 durch, als auch die Berliner Ausgabe eingestellt wurde. 1951 waren der Rückzug nach Frankfurt und der Verzicht auf die große Münchner Druckerei der Anfang vom Ende der 'Neuen Zeitung' gewesen. Am 12. September 1953 wurde auch die Frankfurter Ausgabe aufgegeben. Der Versuch, amerikanisches Denken und geistiges Leben in gleichsam den Deutschen zumutbarer Presseform nahezubringen, war gescheitert."83) 2.5 Sommer 1945: Beginn der Lizenzierung deutscher Zeitungen "Nach anglo-amerikanischem Recht war die 'Lizenz' die formelle und ausdrückliche, unveräußerliche und unübertragbare Erlaubnis (permission) einer zuständigen Behörde für eine natürliche Person, etwas zu tun, also insbesondere ein Gewerbe auszuüben, was ohne eine solche Erlaubnis ungesetzlich wäre. Die Lizenz war kein Vertrag, sondern ein einseitiger Hoheitsakt des Souveränitätsträgers ... "84) Die Lizenz wurde auf der Grundlage des SHAEF- Gesetzes Nr. 191 vom 24. November 1944 in der abgeänderten Fassung vom 12. Mai 1945 "Kontrolle über Druckschriften, Rundfunk, Nachrichtendienst, Film, Theater und Musik und Untersagung der Tätigkeit des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda" erteilt. Die dazu erlassene Nachrichtenkontrollvorschrift Nr.1 (Information Control Regulation Nr. 1) hatte den Wortlaut: "Nur auf Grund einer schriftlichen Zulassung der Militärregierung und in Übereinstimmung mit den Vorschriften solcher Genehmigungen und den Bestimmungen und Anweisungen der Militärregierung wird zugelassen: a) Das Veröffentlichen von Zeitungen, Magazinen, Zeitschriften, Büchern, Plakaten, Broschüren, Musikalien oder sonstigen Veröffentlichungen. b) Der Betrieb von Nachrichtendiensten, Nachrichten- oder Bilderagenturen, Rundfunk- oder Fernsehstationen oder Einrichtungen von Drahtfunksendern und Niederfrequenzübertragungsanlagen."85) - 34 - Die PWD-Direktive Nr. 3 vom 28. Juni 1945 hatte die Lizenzierung deutscher Zeitungen ausdrücklich freigegeben. Drei Tage vorher war dieser Entschluss bereits bekannt gegeben worden, sodass jetzt mit der dritten Phase des Presse-Programms begonnen werden konnte. Zwar war diesem Ereignis schon im Frühjahr die Lizenzierung der "Aachener Nachrichten" vorausgegangen. Aber der als Experiment geplanten und ausgeführten Zeitungsgründung, die die Lizenz-Nummer Eins erhielt, waren keine weiteren Lizenzzeitungen gefolgt. Der Grund dafür lag, wie beschrieben, in einer Anfang 1945 begonnenen Hinwendung zu einer Politik der Härte und Strenge gegenüber dem besiegten Volk. Zumindest befürwortete man diese Politik in den bestimmten Organen der Abteilung für Psychologische Kriegsführung. Zu unterscheiden ist hier zwischen den gesetzgebenden und den ausführenden Organen, denn es konnte keineswegs immer von einer Übereinstimmung beider Gruppen die Rede sein. Die Presseoffiziere, die die Anordnungen ausführen sollten, verhielten sich, soweit es ihnen möglich war, wesentlich liberaler. Bevor es allerdings zur Vergabe einer Zeitungslizenz kam, waren einzelne Stadien zu durchlaufen. Die amerikanischen Presseoffiziere, denen die Aufgabe oblag, die Voraussetzungen für eine Lizenzierung zu schaffen, standen vor mehreren Schwierigkeiten. Da keine Zeitung nur einen Lizenzträger haben sollte, mussten mehrere Personen deutscher Herkunft gefunden werden, die nach ausgiebiger Prüfung geeignet schienen, eine Zeitung herauszugeben. Die Zeitungen sollten also von einem Gremium (einem so genannten 'panel') herausgegeben werden, das sich aus Personen verschiedener politischer Auffassung zusammensetzte. Dies geschah mit dem Ziel, eine politisch engagierte, aber überparteiliche Presse zu schaffen.86) Die Idee der Lizenzvergabe an ein Gremium und nicht an Einzelpersonen entsprach weder der deutschen noch der amerikanischen Pressetradition. Man schuf also etwas völlig Neues. Die Vorstellung, allen demokratischen Anschauungen ein Medium zu verschaffen, war bereits 1944 im Londoner SHAEF-Hauptquartier entwickelt worden. "Die Entscheidung zugunsten der Lizenzvergabe an Gremien wurde wahrscheinlich als ein zeitweiliges Hilfsmittel, als temporäre Notwendigkeit, angesehen, um angesichts der Papierknappheit, der ungenügenden Zahl von Druckereien und Offizieren der Pressekontrolle keine nazifeindlichen politischen Anschauungen zu benachteiligen."87) Die Entscheidungsbefugnis für die Erteilung von Zeitungslizenzen lag bei General McClure, Leiter der PWD und nach deren Auflösung Chef der ICD,78) der Nachfolgeorganisation der Abteilung für Psychologische Kriegsführung. General McClure, dessen Hauptquartier Mitte Juni 1945 von Paris nach Bad Homburg umzog, hatte eine Lizenzierungskommission - 35 - (licensing board) zur Seite, die aus Vertretern der ICD, der militärischen Abwehr, des Außenministeriums und der ICD-Intelligence Branch bestand. Die Intelligence Branch nahm die Untersuchung der Bewerber für eine Lizenz vor. Ihr Leiter, Alfred Toombs, tat dies mit solcher Ausführlichkeit und so genau, dass es nur wenigen Personen gelang, eine Lizenz zu erhalten. In Frage kamen nur aktive Gegner des Nationalsozialismus. Personen, die die NSDAP moralisch oder materiell unterstützt hatten oder denen eine Beteiligung an rassischer Diskriminierung nachgewiesen werden konnte, wurden gemäß der Direktive JCS 1067 nicht akzeptiert. Ebenfalls nicht für eine Lizenz zugelassen wurden Großgrundbesitzer und frühere Zeitungsverleger. "Es bestand die Tendenz, nur ungünstige Angaben über die Bewerber in Betracht zu ziehen und die positiven Mitteilungen als schönfärberisch oder belanglos abzutun."89) McClure beabsichtigte, eine regionale Presse zu schaffen mit dem Ziel, in jeder Stadt mit über 20.000 Einwohnern eine Zeitung zu haben; in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern je zwei Zeitungen.90) Die Personen, die man auswählten musste, sollten demnach weder Herausgeber von Heimatzeitungen noch von überregionalen Blättern werden. (Die Informationen, die eine überregionale Presse bringen konnte, wurden seit November 1945 von der "Neuen Zeitung" geliefert, die allerdings während der Zeit der Besatzung ein offizielles Organ der amerikanischen Militärregierung blieb.) Die Schaffung regionaler Zeitungen sollte gerade dazu dienen, die Rückkehr der Heimatpresse zu verhindern. Außerdem entsprach der Plan, eine regionale Presse ins Leben zu rufen, den amerikanischen Vorstellungen einer Föderalisierung Deutschlands. Die amerikanische Besatzungszone bestand im Wesentlichen aus drei Teilen: 1. Groß-Hessen, bestehend aus den Ländern des ehemaligen Großherzogtums; 2. Württemberg-Baden, bestehend aus den beiden alten deutschen Ländern, aber ohne die südlichen Bezirke, die zur französischen Zone gehörten; 3. Bayern. Dazu gehörte außerdem die Freie Stadt Bremen als amerikanische Enklave, die dazu bestimmt war, den Amerikanern in Deutschland einen eigenen Hafen zu sichern.91) Für die Angehörigen der Informationskontrolle bedeutete die Aufteilung der Zone in Länder, dass sie verschiedenen Einheiten zugeteilt wurden. Für den östlichen Militärdistrikt (Bayern) war die DISCC 6870 zuständig. Sie wurde der 3.Armee von General Patton angegliedert. Entsprechend schuf man ein "District Information - 36 - Services Control Command" 6871 für den westlichen Militärdistrikt (Hessen und Württemberg-Baden) sowie für Bremen und Bremerhaven. Der Aufbau der DISCC 6870 sah am 1. September 1945 folgendermaßen aus:92) - 37 - United States Forces European Theater (USFET) Gen. Dwight D. Eisenhower Information Control Div. (ICD) (POLICY) Chief of Division Brig. Gen. R.A. McClure Third United States Army (TUSA) Commanding General Gen. George S. Patton Jr. 6870 DISCC Commanding Officer Col. B.B. McMahon Information Services Control Section Col. B.B. McMahon Staff Officer Executive Officer Maj. Irv. Dilliard Executive Officer Maj. Irv. Dilliard Adm. Section Maj. R.L. Whitt Plans & Operations Maj. Irv. Dilliard Intelligence Sect. Lt. H.P. Hart Press Section A.F. Gerecke, Civ. Radio Section J.D. Ravotto, Civ. Publications S. Capt. J.R.R. Roser Film, Theater & Music Section Will. Roland, Civ. Information Services Control Detachments Film Sub-Section W. H. Kennedy Civ. Theater & Music Sub-S. H. Bogner Civ. Munich Nuremberg Augsburg Regensburg Wuerzburg - 38 - Eine entsprechende Aufgliederung lag für die 6871 DISCC nicht vor, man darf aber annehmen, dass der Aufbau für den westlichen Militärbereich diesem vergleichbar war. Hier unterstand die Informationskontrolle Colonel John Stanley und war in der Nähe von Wiesbaden stationiert. Ihm übergeordnet war die 12. Armeegruppe. Chef von beiden DISCC-Einheiten war als Leiter der PWD bzw. der ICD General McClure, der sein Hauptquartier in Bad Homburg hatte. Aufgabe der DISCCs war es, für die personellen und technischen Voraussetzungen für eine Lizenzvergabe zu sorgen. Sie konnten, da die Entscheidungsbefugnis bei McClure lag, aber nur die Kandidaten aussuchen und vorschlagen. Dieser Lizenzierungsmodus wurde im September 1945 geändert und wesentlich vereinfacht, als das zentralisierte Lizenzierungsgremium in Bad Homburg seine Funktion verlor. Seit dem 11. September nahmen die DISCCs im Auftrag der Kommandeure der einzelnen Militärdistrikte die Lizenzierung vor. Da die amerikanische Militärregierung in "Offices of the Military Governor" (OMG) für die einzelnen Länder und für Berlin und Bremen zuständig war, arbeiteten die DISCC- Pressekontrolleinheiten auf einer zentralisierten Grundlage, aber im Rahmen der dezentralisierten Militärregierung. Eine Änderung fand erst am 28. Februar 1946 statt, als die DISCCs aufgeteilt und in ICD-Behörden der Länder umbenannt wurden. General McClures Stab wurde der amerikanischen Militärregierung (Military Government, United States - OMGUS) eingegliedert, die sich in Berlin befand.93) Nachdem die Informationskontroll-Abteilung dezentralisiert worden war, hatten die Militärgouverneure der einzelnen Länder den Lizenzierungsvorgang übernommen. Sie waren damit auch für die Kontrolle der geschaffenen Lizenzzeitungen zuständig. Folgende Einheiten existierten zu dieser Zeit bei der Information Control: - Press Control Branch - Publication Control Branch - Research and Analysis Branch - Film, Theatre and Music Branch - Publishing Branch - Intelligence Branch.94) Der Entschluss, das Lizenzierungsvorhaben verschiedenen Personen innerhalb der Länder zu überlassen, hatte sicherlich den Vorteil, dass dadurch auf unbürokratische Weise in einem kurzen Zeitraum mehrere Zeitungen erscheinen konnten. Ob andererseits ein guter Griff getan war, dies den Militärgouverneuren zu überantworten, scheint fraglich. James Warburg kritisiert, was andere Autoren, die mit dem Problem beschäftigt waren, auch nicht unerwähnt - 39 - ließen: "Die Offiziere, die sich mit zivilen Aufgaben zu befassen hatten, waren im wesentlichen nur dazu ausgesucht und ausgebildet, Ruhe und Ordnung zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Mit ganz wenigen Ausnahmen hatten sie von Deutschland keine Ahnung. Sie beherrschten die Sprache des Landes nicht ... ; sie hatten keine Ahnung von deutscher Geschichte, deutscher Politik und deutscher Wirtschaft. Um die Wahrheit zu sagen: es waren nur wenige, die von Politik und Wirtschaft überhaupt eine Ahnung hatten."95) Da den örtlichen Militärgouverneuren die Phase I des Presseprogramms - Verbot aller deutschen Nachrichtenmedien - offensichtlich nicht bekannt war, schufen sie in vielen Orten Zeitungen, die von deutschen Behörden zugelassen wurden. Dass es sich hierbei häufig um Verleger handelte, die auch im Dritten Reich tätig gewesen waren, störte sie nicht. Dieses Verhalten erzeugte immer wieder Spannungen zwischen den Presseoffizieren des jeweiligen DISCC und den Militärgouverneuren. Aber nicht nur die Schwierigkeiten, die sich mit den Militärgouverneuren ergaben, waren von den Presseoffizieren zu bewältigen, bevor die erste Zeitungsnummer erscheinen konnte. So waren vier Voraussetzungen zu erfüllen: Eine Druckerei musste gefunden und für den Zweck beschlagnahmt werden; außerdem brauchte man Papier, Farbe u.a., drittens musste das Verbreitungsgebiet der zukünftigen Zeitung umrissen werden, und zuletzt war eine Aufstellung über die Kosten zu machen.96) Hierbei war es von Vorteil, dass die eingesetzten Presseoffiziere in einigen Fällen deutsch sprachen, handelte es sich häufig doch um in Deutschland geborene und während der Zeit des Nationalsozialismus emigrierte Personen. Der letzte Schritt, die Auswahl der Lizenzträger, war häufig der schwerste. Es verging oft viel Zeit, ehe die in Frage kommenden Personen die Überprüfung ihrer Eignung hinter sich hatten. Gefragt wurde weniger nach dem beruflichen Können, als vielmehr nach dem Beweis einer einwandfreien Vergangenheit. Um dies festzustellen, mussten die Bewerber um eine Lizenz einen Fragebogen mit 131 Fragen beantworten. Da es während der ersten Zeit der Besatzung unabdingbare Forderung an alle Lizenzbewerber war, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten und Kommunisten zu bekunden, lautete die entsprechende Frage: "Glaube ich, dass alle Antinazigruppen in Deutschland zusammenarbeiten können, und warum glaube ich es oder glaube ich es nicht?" Zudem erwartete man von den Bewerbern einen ausführlichen Lebenslauf, dessen Angaben genau überprüft wurden. Im Herbst 1945 baute man diesen Untersuchungsmodus noch aus, indem man ein "screening-center" in Bad Orb, später in Bad Homburg einrichtete. "Die Kandidaten für die engere Auswahl mußten sich einem dreitägigen, ausgeklügelten - 40 - Untersuchungssystem unterwerfen: Intelligenz- und Rorschachtests, Aufsatzprüfungen (zu Themen wie 'Meine Gefühle und Gedanken unter dem Hitler-Regime' und 'Die Kollektivschuld Deutschlands'), psychiatrischen und politischen Interviews ... und nicht zuletzt enthemmenden Weinabenden."97) Dieses Zentrum zur Durchleuchtung der Bewerber, das zur Intelligence-Branch der ICD gehörte, wurde von David M. Levy geleitet. Allerdings konnten auf diese Weise nur relativ wenige Kandidaten überprüft werden, zumal das Center im Juni 1946 wieder aufgelöst wurde, sodass die Presseoffiziere manchmal den Umweg über die Instanzen umgehen konnten. Nach all dem Einsatz, den die Presseoffiziere zeigen mussten, bevor sie eine Zeitung erscheinen lassen konnten, erstaunt es nicht, dass sie sich oft der Zeitung und ihren Herausgebern verbunden fühlten. Die Presseoffiziere übernahmen beinahe eine Schutzfunktion für die Herausgeber gegenüber der Militärregierung. So verstanden sich Lizenzträger und Presseoffiziere häufig besser als Presseoffiziere und Militärregierung. Auch wenn dies in der Literatur nicht explizit formuliert wird, so lassen doch einige Umstände darauf schließen, dass es mehrfach Unstimmigkeiten zwischen den befehlshabenden und den ausführenden Instanzen gab. Die Presseoffiziere, die dem Geschehen viel näher standen als die Leute im Hauptquartier der Information Control in Bad Homburg, reagierten häufig weniger kleinlich. Das gute Verhältnis zwischen Lizenzträgern und Presseoffizieren überdauerte auch die Anfangsphase, denn alle Zeitungen waren auf ihre Hilfe angewiesen, wenn es um die Beschaffung von Zeitungspapier oder anderem technischen Material ging. Später brauchten die Lizenzzeitungen die Unterstützung gegenüber den Forderungen der Altverleger, die in vielen Fällen Eigentümer der Druckereien waren, die für die Lizenzpresse von der amerikanischen Abteilung für Eigentumskontrolle (property control) beschlagnahmt worden waren. 2.5.1 Lizenzierte Zeitungen zwischen 1945 und 1949 Nachdem die Presseoffiziere die Voraussetzungen für eine Lizenzierung geschaffen hatten, begannen sie, die Herausgeber für diese Zeitungen zu suchen - zuerst in Frankfurt am Main, das die Amerikaner am 30. März 1945 einnahmen.98) - 41 - Die Suche nach geeigneten Lizenzträgern erwies sich als schwierig, zumal die Stadt zu einem großen Teil zerstört worden war. Von 180.000 Häusern waren bei Kriegsende 80.000 beschädigt.99) Eine Schilderung des chaotischen Zustands gibt auch Joseph Dunner in seiner Autobiographie.100) Ein Vorteil für die dort tätig werdenden Presseoffiziere war es jedoch, dass entsprechend der zweiten Phase des Presseprogramms in Frankfurt bereits die Armeegruppen-Zeitung "Frankfurter Presse" erschien, die auf den Maschinen des ehemaligen "Generalanzeigers" und der "Frankfurter Zeitung" gedruckt wurde, sodass hier zumindest die technischen Voraussetzungen für eine Lizenzzeitung vorhanden waren. Nach dreimonatiger Vorbereitung erschien die erste Lizenzzeitung der amerikanischen Zone. Das Herausgebergremium bestand aus sieben Personen, da durch die Zusammenarbeit von Leuten unterschiedlicher politischer Couleur eine unabhängige, demokratische und nicht parteigebundene Presse ins Leben gerufen werden sollte. Von den beiden Presseoffizieren Cedric Belfrage und Ernest Adler vorgeschlagen und von McClure genehmigt wurden drei Sozialdemokraten (Wilhelm Knothe, Paul Rodemann und Hans Etzkorn), ein Linkskatholik (Wilhelm Karl Gerst) sowie ein Sympathisant der KPD (Otto Grossmann). Außerdem gehörten dem Gremium Arno Rudert, Mitglied der Kommunistischen Partei, und Emil Carlebach, ebenfalls KPD, an. Gegen Carlebach bestanden zuerst allerdings Bedenken, die aber trotzdem am 13. Juli die Nominierung als Lizenzträger zuließen.101) Die erste Ausgabe der neuen Zeitung mit dem Titel "Frankfurter Rundschau" erschien am 31.Juli 1945 mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren. Sie erhielt - nach den "Aachener Nachrichten" - die Lizenznummer Zwei und wurde auf den Maschinen der "Frankfurter Zeitung" gedruckt. Die Lizenznummer Drei erhielt am 5. September 1945 die "Rhein-Neckar-Zeitung" in Heidelberg. Auch dort gab es Meinungsverschiedenheiten bezüglich der einwandfreien politischen Haltung der Lizenziaten. Einer der drei Lizenzträger und spätere Bundespräsident, Theodor Heuss, gab Anlass dazu, da seine publizistische Tätigkeit während der Zeit des Nationalsozialismus nicht zur Zufriedenheit geklärt werden konnte. Heuss hatte für die "Frankfurter Zeitung" gearbeitet wie auch für das "Illustrierte Blatt". Außerdem war er zwischen 1933 und 1945 weder im Gefängnis gewesen, noch hatten sich seine finanziellen Verhältnisse in diesem Zeitraum verschlechtert. Allein diese Kriterien ließen ihn bei der Lizenzierungskommission in Bad Homburg als ungeeignet erscheinen. Die - 42 - Tatsache, dass er 1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte, führte bei Alfred Toombs, dem Leiter der Intelligence Branch bei ICD, zur strikten Ablehnung des Kandidaten. Dass Heuss dann doch zum Lizenzträgergremium der "Rhein-Neckar-Zeitung" gehörte, war nicht dem Presseteam in Heidelberg zu verdanken, sondern dem Zufall, dass zum fraglichen Zeitpunkt ein Gespräch zwischen dem Sekretär der Lizenzierungskommission und einem Freund von Heuss stattgefunden hatte mit dem Ergebnis, dass Heuss als Lizenzträger akzeptiert wurde. Nachdem auch die Presseoffiziere in Heidelberg, John B. Stanley, Shepard Stone und Cedric Belfrage, mit Heuss einverstanden waren, erschien die Zeitung mit drei Lizenzträgern. Neben Heuss als Vertreter der Liberalen waren es Dr. Rudolf Agricola (KPD) und Dr. Hermann Knorr (SPD).102) Die Zugehörigkeit Agricolas zur Kommunistischen Partei machte der ICD in Bad Homburg später einige Sorgen, da Heuss, bald nachdem er Lizenziat geworden war, Kultusminister von Württemberg-Baden wurde und damit nur noch wenig Einfluss auf den Inhalt der Zeitung ausüben konnte, und Knorr war angeblich nicht der Mann, der ein genügendes Gegengewicht zu Agricola hätte schaffen können. Dennoch unterließ man es, eine Veränderung in der Zusammensetzung des Gremiums vorzunehmen. Erst im Oktober 1947, als Agricola einen Ruf auf eine Professur an der Universität Halle an der Saale annahm und damit nur noch selten in Heidelberg war, um seine Tätigkeit als Lizenzträger auszuüben, wurde ihm die Lizenz entzogen. Der Einwand Agricolas, Heuss sei fast seit Beginn der Zeitung mehr politisch denn journalistisch tätig gewesen, änderte nichts an der Entscheidung; Hermann Knorr blieb schließlich als einziger Herausgeber der "Rhein- Neckar-Zeitung" übrig. Der Heidelberger Lizenzzeitung folgten bis Ende Oktober 1945 weitere 13 neu lizenzierte Blätter in der amerikanischen Zone, wobei bereits Ende September die meisten Städte in Hessen und Württemberg-Baden mit Zeitungen versorgt waren. In Bayern erschien die erste Zeitung aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten innerhalb der ICD erst am 6. Oktober: die "Süddeutsche Zeitung" in München mit den Lizenzträgern Edmund Goldschagg, Dr. Franz-Joseph Schöningh und August Schwingenstein. Ein vierter, Werner Friedmann, kam bald als Lizenziat hinzu und wurde zu einer führenden Persönlichkeit innerhalb des Gremiums. Hier, wie bei der Lizenzierung der anderen Zeitungen während der frühen Phase, entschied sich die Information Control für eine relativ große Zahl von Herausgebern unterschiedlicher politischer Einstellung. - 43 - So auch bei der "Stuttgarter Zeitung", die von drei Lizenzträgern geleitet wurde, beim "Tagesspiegel" in Berlin, dem vier Lizenziaten vorstanden, und den "Hessischen Nachrichten", Kassel, die sogar fünf Herausgeber im Impressum aufwiesen. In Bayern neigte man dazu, eine kleinere Gruppe mit der Herausgabe einer Zeitung zu betrauen, sodass die "Süddeutsche Zeitung" eine Ausnahme blieb. Zwar hatte eine Zeitung in Bamberg drei Lizenzträger, ebenso eine in Ansbach, aber die meisten verfügten über zwei Lizenzträger. In den anderen Ländern der Zone verfuhr man bald genauso, da sich mehrere Lizenziaten häufig nicht zur kollegialen Zusammenarbeit entschließen konnten. Eine Reduzierung auf zwei Lizenzträger erwuchs also aus der Einsicht, dass größere Gruppen unfähig oder unwillig waren, sich in politischen Fragen zu arrangieren.103) Die Lizenzierungstechnik änderte sich außerdem im Laufe der Zeit dahingehend, dass nicht mehr primär Lizenzträger mit klarem politischem Profil ausgewählt wurden, sondern dass die Zweier-Gruppe aus einem Journalisten und einem Geschäftsführer bestand. Trotzdem: Die Entnazifizierungskriterien, nach denen die Lizenzträger, die politisch zuverlässig sein mussten, ausgewählt wurden, blieben - im Gegensatz zu anderen Gebieten des öffentlichen Lebens - während der ganzen Besatzungszeit ungewöhnlich streng. Entsprechend klein war auch die Zahl derer, die nach langwierigen Überprüfungen für eine Lizenz übrig blieben. Auswertungen, die für Bayern vorliegen, besagen, dass bis zum Juni 1947 von 2.000 Bewerbern lediglich 39 als geeignet ausgewählt wurden.104) Das Problem, kommunistische Lizenzträger zu bejahen oder abzulehnen, war aber während der Zeit der Lizenzierung nicht aus der Welt zu schaffen. Die dritte Zeitung, für die Belfrage die Herausgeber auswählte, waren die "Hessischen Nachrichten" in Kassel. Die Lizenz wurde Ende September 1945 erteilt, aber auch hier gab es zuvor Diskussionen über die Zuverlässigkeit der Kandidaten. Die Tendenz, kommunistische Lizenzträger als Herausgeber nicht mehr in Betracht zu ziehen oder ihnen die Lizenz wieder zu entziehen, nahm parallel zur internationalen politischen Entwicklung zu. Je mehr sich die Gegensätze zwischen den USA und der UdSSR, zwischen den westlichen und der östlichen Besatzungszone verstärkten, desto mehr verhärtete sich auch diese Problemlage. War man nach Ende des Krieges noch der Annahme gewesen, dass eine Kooperation der Alliierten unbedingt nötig sei, so in dem Glauben, dass Differenzen zwischen den Alliierten von deutschen Nationalisten ausgenützt oder sogar gefördert werden würden.105) - 44 - In Berlin waren diese politischen Gegensätze von Anfang an deutlicher spürbar, sodass die dort erscheinenden Zeitungen, wie der amerikanisch lizenzierte "Tagesspiegel", ihre Ansichten konsequenter und energischer vertraten als die neue Presse in der amerikanischen Zone. Der Vereinigung von SPD und KPD zur SED wurde in der Berliner Presse der drei Westsektoren so vehement widersprochen, dass sie schließlich nur für den sowjetischen Teil des Landes durchgeführt wurde.106) In diesem Fall hatte sich die amerikanische Militärregierung noch nicht in den Konflikt eingemischt, sondern den Zeitungen die Diskussion allein und ohne besondere Zustimmung überlassen. Da aber nach einer gescheiterten Vereinigung von KPD und SPD in West-Berlin die Angriffe in der sowjetisch lizenzierten Presse zunahmen, konnte dies nicht ohne Auswirkung auf die Pressepolitik der Amerikaner bleiben. Eine Kursänderung vollzog sich aber auch vor allem deswegen, weil sich die Beziehungen zwischen den ehemaligen Alliierten zunehmend verschlechterten. Die Rede des amerikanischen Außenministers James Francis Byrnes in Stuttgart am 6.September 1946, in der er erklärte, dass ein Wiederaufbau der Wirtschaft der amerikanischen Zone geplant sei, unabhängig davon, ob sich die Sowjetunion zu einer Zusammenarbeit auf gesamtdeutscher Ebene entschließen würde oder nicht, wird vielfach als Wendepunkt in der amerikanischen Außenpolitik angesehen. Der Kritik in den sowjetischen Lizenzzeitungen folgten Beschlagnahmungen amerikanischer Zeitungen in der sowjetischen Besatzungszone und nach längeren Diskussionen zwischen Vertretern beider Besatzungsbehörden die Ankündigung der Sowjetzone, dass in ihrer Zone "künftig eine Genehmigung erforderlich werde, bevor irgendeine Zeitschrift in der Sowjetzone vertrieben werden könnte."107) Innerhalb des Koordinierungsausschusses, einem Ausschuss des Alliierten Kontrollrates, in dem die Stellvertreter der Oberkommandierenden vertreten waren,108) versuchte man, eine Lösung der Spannungen zu finden. Vorerst gelang das nicht, da von sowjetischer Seite die Vorwürfe, ihre Lizenzzeitungen übten Kritik an den westlichen Besatzungsmächten, zurückgewiesen wurden. Aber am 12. Oktober 1946 wurde die Direktive Nr.40 "Policy to be followed by German Politicians and the German Press" vom Kontrollrat in Kraft gesetzt. In ihrem Wortlaut hieß sie: "1. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die militärische Sicherheit zu wahren, soll es den deutschen demokratischen Parteien ebenso wie der deutschen Presse gestattet sein, deutsche politische Probleme frei zu besprechen. - 45 - Kommentare über die Politik der Besatzungsmächte in Deutschland sind erlaubt. Ebenso ist die Veröffentlichung in der deutschen Presse von objektiven Nachrichten über die Weltereignisse einschließlich informatorischer Artikel aus der Auslandspresse gestattet. 2. Mitglieder der deutschen politischen Parteien und die deutsche Presse müssen sich aller Erklärungen, der Veröffentlichungen oder Wiedergabe von Artikeln enthalten, die: a) dazu beitragen, nationalistische, pangermanistische, militärische, faschistische oder antidemokratische Ideen zu verbreiten; b) Gerüchte verbreiten, die zum Ziele haben, die Einheit der Alliierten zu untergraben, oder welche Mißtrauen oder Feindschaft des deutschen Volkes gegen eine der Besatzungsmächte hervorrufen; c) Kritiken enthalten, welche gegen Entscheidungen der Konferenzen der alliierten Mächte bezüglich Deutschlands oder gegen Entscheidungen des Kontrollrats gerichtet sind; d) die Deutschen zur Auflehnung gegen demokratische Maßnahmen, die die Zonenbefehlshaber in ihren Zonen treffen, aufreizen. 3. Wer dieser Direktive zuwiderhandelt, setzt sich strafrechtlicher Verfolgung aus."109) Die Direktive Nr. 40 schien zuerst zwar ein annehmbarer Kompromiss für die USA zu sein, doch nachdem die negativen Äußerungen in der sowjetischen Presse nicht nachließen, konnte nicht mehr von einer Einigkeit der Ziele unter den Besatzungsmächten gesprochen werden. Damit waren auch die "Richtlinien für alle Lizenzträger im deutschen Nachrichtenwesen, Nr.3" vom 30. September 1946, herausgegeben von der amerikanischen Militärregierung, hinfällig. Im Abschnitt b) unter Punkt 2 hatte es geheißen: "Kritik an Richtlinien oder Personen der Militärregierung. Die Verbreitung von Nachrichten, Mitteilungen oder Leitartikeln jeglicher Art, die einen böswilligen Angriff auf Richtlinien oder Personen der Militärregierung darstellen, eine Störung der Einigkeit unter den Alliierten bezwecken oder versuchen, Mißtrauen und Feindseligkeiten des deutschen Volkes gegen eine der Besatzungsmächte zu erregen, ist verboten."110) Auch die am 25. Juni 1947 erscheinende Kontrollrats-Direktive Nr. 55, in der sämtlichen Kommunikationsmedien in Deutschland der freie Austausch von Informationen und demokratischen Ideen gestattet werden sollte,111) erwies sich als unrealistisch, da 1947 in den Westzonen wegen des großen Papiermangels112) die Zeitungen nur in weniger Exemplaren gedruckt werden konnten. Der Teil der Auflage der westlichen Zeitungen, der in - 46 - der Sowjetzone verbreitet wurde, war bei weitem geringer als die entsprechende Anzahl aus der Sowjetzone. Im Juni 1947 waren nur noch vier der 92 Lizenzträger in der U.S.-Zone Mitglieder der KPD. Zwei davon waren Lizenziaten der "Frankfurter Rundschau". Im gleichen Monat gab der Vorsitzende des Verbandes der Berufsjournalisten in Bayern, Baron de Bouché, auf einem Journalistenkongress einen Überblick über die verschiedene parteipolitische Zugehörigkeit der 44 Lizenzträger in Bayern. 16 Lizenziaten gehörten der SPD an, 7 standen der SPD nahe, 5 waren Mitglieder der CSU, 10 standen dieser Partei nahe, 2 waren Mitglieder der FDP und einer der KPD. Zwei waren parteilos.113) Im November 1947 war nur noch Dr. Agricola, Lizenzträger der "Rhein-Neckar-Zeitung", Mitglied der kommunistischen Partei.114) Joseph Dunner, der die Lizenzträger der "Süddeutschen Zeitung" in München ausgewählt hatte und in einer Kritik der Tätigkeit der Informationskontrolle in der amerikanischen Besatzungszone entschieden Stellung nahm, schrieb: "Das amerikanische Versäumnis, den Deutschen die Ausübung demokratischer Vorgänge zu erlauben, ist unzweifelhaft verantwortlich für den Erfolg, den die Kommunisten in der amerikanischen Zone gehabt haben. Es sollte jedoch festgestellt werden, daß Mitglieder der kommunistischen Partei, völlig unproportional zu ihrer numerischen Stärke unter der deutschen Bevölkerung, in Schlüsselfunktionen in den Informationsmedien berufen worden sind durch Kontrolloffiziere, die entweder voreingenommen waren, was ihre Begünstigung des Kommunismus betraf, oder denen vielleicht die Reife der Urteils fähigkeit fehlte."115) Doch diese Reaktion war nicht typisch für die Einstellung der Presseoffiziere. Der Umschwung im Pressewesen, der vom ICD-Hauptquartier erwartet wurde, fand nicht statt. Ein plötzliches Reagieren auf die andersartigen politischen Verhältnisse war den Presseoffizieren und damit den Lizenzzeitungen nicht möglich. Nur langsam begriffen die Lizenziaten, dass von nun an Kritik an der Sowjetunion, Polen und der Tschechoslowakei nicht nur geduldet, sondern sogar gutgeheißen wurde. So schreibt Kurt Koszyk: "Unter den neuen Bedingungen erschien die Trennung von Nachricht und Meinung in einem neuen Licht. Die deutschen Journalisten lernten, daß es zwar weiter um 'objektive' Berichterstattung gehe, daß aber das Sieb für die Auswahl ausgetauscht worden war. Positive Informationen über den Osten gab es, außer in der kommunistischen Presse kaum. Positives über die Demokratien im Westen war hervorzuheben."115a) General Clay bevollmächtigte Oberst Gordon E. Textor, den Direktor der ICD und Nachfolger von General McClure, am 25. - 47 - Oktober 1947, "den Kommunismus in jeder Form, wo immer er vorkam, anzugreifen und jedes verbürgte Beispiel seines täglichen Wirkens festzunageln."116) Ein Vergleich der politischen Zugehörigkeit der Lizenzträger zwischen November 1947 und Mai 1949 verdeutlicht diese Entwicklung: 117) 11/47 5/49 SPD CDU / CSU FDP / LDP / DVP KPD Ohne direkte oder indirekte Verbindung mit einer Partei 44 24 13 3 15 42 29 8 - 29 Insgesamt 99 108 2.5.2 Lizenzierung von Zweitzeitungen Der im Dezember 1946 beginnende Papiermangel und eine gleichzeitig einsetzende Versorgungskrise wirkten sich noch 1947 auf dem Zeitungsmarkt aus. Zum einen hatten Journalisten und Drucker ein Minimum an täglicher Lebensmittelration zur Verfügung, die Büros waren wegen des Kohlemangels ungeheizt, und die Stromversorgung fiel an einigen Tagen ganz aus, sodass ein kontinuierliches Arbeiten nicht möglich war. Zum anderen stand der Lizenzpresse nur Papier aus einheimischen Rohstoffen zur Verfügung. Im Winter 1946/47 hatten die Lizenzzeitungen nur fünf Prozent des Zeitungspapiers, das der Presse zur Zeit des Nationalsozialismus bereitgestellt worden war. Die Zeitung der Armee, "Stars and Stripes", bekam 40 Prozent des vorhandenen Papiers und die "Neue Zeitung", das offizielle Organ der Militärregierung, erhielt einen weiteren gewichtigen Anteil auf Kosten der Lizenzpresse. Zu diesem Zeitpunkt hatte die amerikanische Militärregierung bereits 42 Zeitungen lizenziert und in drei großen Städten Zweitzeitungen geschaffen: die "Stuttgarter Nachrichten", den "Münchner Merkur" und die "Kasseler Zeitung". Eine weitere Kürzung des Zeitungspapiers erfolgte im Juni 1947, sodass die Redaktionen darauf beschränkt waren, nur die wichtigsten Nachrichten in kurzer Form abzudrucken. Im Frühjahr des darauf folgenden Jahres erschienen als Konkurrenz zur "Frankfurter Rundschau" die "Frankfurter Neue Presse" sowie "Der Abend" zusätzlich in Berlin. Eine - 48 - Statistik für die Jahre 1945 bis 1949 zeigt aber, dass die Anzahl der lizenzierten Zeitungen zwischen 1946 und 1949 zurückging, wobei die von 1947 bis 1949 neu herausgegebenen Zeitungen in den meisten Fällen Zweitzeitungen waren.118) Erteilte Zeitungslizenzen 1945 1946 1947-49 insges. Bayern 12 9 5 26 Württemberg-Baden 3 7 6 16 Hessen 6 4 5 15 Bremen 1 - 1 2 22 20 17 59 Trotzdem stoppte die Papierkrise für lange Zeit die Planung der Informationskontrolle, in allen Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern eine Zeitung zu gründen. Zwischen Dezember 1946 und Juli 1947 wurde keine weitere Zeitung lizenziert und die bereits bestehenden Blätter erschienen meistens nur zweimal wöchentlich mit vier bis sechs Seiten.119) (Im Dezember 1946 hatten sie in der Woche durchschnittlich 14 Seiten gedruckt.) Die von der ICD dennoch im Juni und Juli vorgenommenen Lizenzierungen von Zweitzeitungen erscheinen weniger erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das zur Verfügung stehende Papier zu Lasten der bereits am Ort erscheinenden Zeitungen ging. In Hessen erhielt Offenbach eine eigene Zeitung, wobei die “Frankfurter Rundschau“ und die “Frankfurter Neue Presse“, deren Ausgaben bis dahin auch in Offenbach verkauft worden waren, Einbußen hinnehmen mussten. Die “Badischen Neuesten Nachrichten“ in Karlsruhe sowie die “Stuttgarter Zeitung“ und die Zweitzeitung “Stuttgarter Nachrichten“ verloren Leser und einen Teil ihrer Papierzuteilung durch die Lizenzierung der “Süddeutschen Allgemeinen Zeitung“ in Pforzheim; in Bremen erhielt der “Weser-Kurier“ Konkurrenz durch die in Bremerhaven erscheinende “Nordsee-Zeitung“; nur in Straubing wurde eine neue Zeitung geschaffen (die sich als wenig erfolgreich erwies). Bis zum Januar wurde dann aber keine weitere Lizenz vergeben, obwohl noch einige Städte auf der Planungsliste standen. Erst nachdem von der Vereinigten Wirtschaftsverwaltung der britischen und amerikanischen Zone120) eine Sonderzuteilung Kohle zur Herstellung von Zeitungspapier gewährt worden war, setzte die Papierproduktion wieder verstärkt ein.121) Im April 1948 wurde schließlich die Papierkontingentierung ganz aufgehoben, sodass die Zeitungen in ihrem früheren Umfang wieder erscheinen konnten. - 49 - Die Lizenzzeitungen verdankten eine Zunahme des zur Verfügung stehenden Zeitungspapiers einer Maßnahme von General Clay122), der am 28. Oktober 1947 in Berlin ein Programm politischer Information zur Bekämpfung der sowjetischen Propaganda in Deutschland, genannt “Operation Talk Back“, angekündigt hatte. Eine Unterabteilung der Information Control, die “Political Information Branch“ (PIB), hatte unter anderem die Aufgabe, Zeitungspapier im Ausland anzukaufen. Diese Stärkung der Presse begann im Januar 1948 und endete mit Beendigung der Papierkrise im Sommer des gleichen Jahres. Die Zeitungen, denen jetzt mehr Druckpapier zur Verfügung stand, sollten “das Deutsche Volk über die amerikanische Außenpolitik laufend informieren, damit es die Wahrheit aus erster Hand bekommt, die Vorzüge dieser Politik selbst beurteilen kann und nicht durch ungerechtfertigte, bösartige Angriffe und durch die propagandistischen Unwahrheiten irregeführt wird, die von kommunistisch kontrollierten oder inspirierten Nachrichtenmedien gegen die Vereinigten Staaten vorgebracht werden.“123) Rückblickend formuliert General Clay seine Absicht noch deutlicher: “Als wir im Oktober 1947 der fortgesetzten sowjetischen Hetze überdrüssig wurden, wurde unseren westlichen Rundfunksendern und Zeitungen zum ersten Mal gestattet, den Kommunismus als solchen anzugreifen und den Unterschied zwischen dem kommunistischen Polizeistaat und echter Demokratie herauszuarbeiten."124) Koszyk kommentiert: "Die Kampagne hatte einen unerwünschten Nebeneffekt. Die Bekämpfung des Nationalsozialismus rückte hinter die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus."125) Zu diesem Zweck wurden vom amerikanischen Verteidigungsministerium die finanziellen Mittel für die Umorientierung bereitgestellt. Außer einer vermehrten Zuteilung von Zeitungspapier - vor allem für die “Neue Zeitung“ - wurden offizielle Informationszentren errichtet, wie die ’Amerika-Häuser’. Hier konnte die deutsche Bevölkerung sich durch amerikanische und andere Publikationen der Westmächte informieren, um, wie Clay sagte, “die Wahrheit aus erster Hand“ zu bekommen. Die offiziellen Informationsstätten sollten wie die Zeitungen die amerikanische Position im Zusammenhang mit dem Tagesgeschehen darstellen und analysieren. Die Amerika-Häuser, von denen es schließlich 26 gab und in deren Mittelpunkt immer eine Bibliothek stand, behielten nach 1949 ihre Funktion bei, widmeten sich aber nur noch in geringem Maß der antikommunistischen Propaganda. Mittlerweile gab es auch einige davon außerhalb der amerikanischen Zone, wie etwa in Hamburg, Hannover und Essen. Neben Leseräumen fanden Wechselausstellungen der Kunst statt, Filmvorführungen, Leseabende, Konzerte und Ähnliches.126) - 50 - 2.5.3 Bezirksausgaben Eine Folge des einsetzenden Papiermangels war auch, dass die gerade begonnene Verbreitung von Bezirksausgaben der Lizenzzeitungen eingeschränkt werden musste. Soweit die Herausgeber auf eine möglichst hohe Zahl der Bezirksausgaben nicht verzichten wollten, ging dies zu Lasten der Lizenzzeitungen selbst, die dann mit geringerer Seitenzahl erschienen. Eine Konzentration auf die regionalen Interessen bedeutete aber, dass die internationalen Nachrichten entsprechend gekürzt wiedergegeben wurden. Das konnte nicht im Sinne der Information Control sein, die auf keinen Fall eine Heimatpresse schaffen wollte. Im Gegenteil: Durch die Stärkung der Lizenzzeitungen sollte nach Aufhebung der Lizenzpflicht eine Rückkehr der Heimatzeitungen, herausgegeben von den Altverlegern, die vor 1933 oder während der NS-Zeit ihre Blätter verlegt hatten, verhindert oder doch zumindest so eingeschränkt werden, dass ein echter Wettbewerb mit den lizenzierten Zeitungen nicht zu befürchten war. Trotzdem hatte der Druck von Lokalausgaben127), mit dem in Bayern am 1. April 1946 begonnen wurde, den Vorteil, dass sozusagen alle Orte der amerikanischen Zone durch eine Zeitung abgedeckt waren und dass die Landbevölkerung ebenfalls beliefert wurde. “Der Allgäuer“ in Kempten hatte die ersten Nebenausgaben; die anderen bayrischen Zeitungen folgten dem Beispiel bald, so dass im Februar 1947 alle 17 erscheinenden Zeitungen 42 Bezirksausgaben herausgaben.128) In Hessen verlief die Entwicklung ähnlich sprunghaft: Dort hatten im April 1947 neun der zehn Lizenzzeitungen 26 Lokalausgaben. Lediglich die im September 1945 lizenzierte “Marburger Presse“ verfügte über nur eine Ausgabe.129) In Württemberg-Baden ging die Entwicklung nicht so rasch vor sich. Im Februar 1947 hatten acht der 11 erscheinenden Zeitungen 16 Bezirksausgaben, die übrigen drei jeweils nur eine Ausgabe.130) Eine Statistik über diese Entwicklung bis Ende Oktober 1947 zeigt, dass trotz des Papiermangels, der im Juli 1947 seinen Höhepunkt erreichte, die Anzahl der lizenzierten Zeitungen wie auch die der Bezirksausgaben stieg. Nur in Hessen war die Tendenz rückläufig. - 51 - Stand der Presse Ende Oktober 1947131) Länder Zahl der Zeitungen Bezirksausgaben Bayern 23 78 Württemberg-Baden 11 27 Hessen 11 23 Bremen 2 3 Insgesamt 46 131 War schon bis zum Jahr 1948 eine Stärkung der Lizenzpresse dadurch erreicht, dass eine genügende Zahl von Lokalausgaben gedruckt werden konnte, so ergab sich eine weitere Möglichkeit, den Leserkreis zu vergrößern, nach der Währungsreform, die am 18. Juni 1948 durchgeführt wurde. Die amerikanische Militärregierung erlaubte jetzt die Herausgabe von Lokalausgaben mit unterschiedlichen Zeitungstiteln - eine Regelung, die in der britischen Zone viel früher getroffen worden war. Gleichzeitig wurde die Papierkontingentierung für die amerikanische Zone aufgehoben und den Zeitungen fortan erlaubt, beliebig viele Anzeigen aufzunehmen.132) (Bisher durften sie nur höchstens ein Achtel des Zeitungsumfangs für Anzeigen verwenden.) Die ICD bemühte sich also, ein Jahr vor Aufhebung der Lizenzpflicht die Lizenzzeitungen wirtschaftlich so zu stärken, dass der Wettbewerb mit den Altverlegern, deren Rückkehr man in großer Zahl erwartete, nicht zu Lasten der neu geschaffenen Zeitungen ging. Besonders in Dörfern und Kleinstädten bestand die Neigung der Bevölkerung, Heimatzeitungen zu lesen, sobald diese wieder auf dem Markt waren. Umfragen der Information Control hatten ergeben, dass "diejenigen, die eine ambivalente oder sogar apologetische Einstellung zum Nationalsozialismus an den Tag legten, auch besonders häufig die Lizenzzeitungen ablehnten.“133) Für den Leser entstand mit Einführung der Bezirksausgaben die verwirrende Situation, dass er nicht wusste, ob es sich bei der neuen Zeitung um eine eigenständige Zeitung handelte oder um eine Nebenausgabe eines Regionalblattes. Bewusst wählte man auch Zeitungstitel aus dem örtlichen Bereich; die Bezirksausgaben der “Schwäbischen Landeszeitung“ in Augsburg ließen in ihrem Titel nicht darauf schließen, dass es sich dabei um Ableger der Augsburger Zeitung handelte. Sie lauteten: “Lech- und Paartalbote“, “Friedberger Kurier“, “Schwabmünchner Kurier“, “Südschwaben-Ausgabe“, “Buchloer Anzeigeblatt“, “Günzburger Zeitung“. Ähnliche Titel trugen auch die neun weiteren Ausgaben, die in der Umgehung von Augsburg erschienen.134) - 52 - Da zur gleichen Zeit die Häufigkeit des Erscheinens zunahm, die Anzahl der Seiten sich erhöhte und die Auflage stieg, konnte bald nach der Währungsreform jede Zeitung in Hessen täglich erscheinen. Auch in den anderen Ländern der Zone verdichtete sich die Erscheinungsweise, wobei allerdings noch viele Zeitungen am Ort alternierend erschienen. Die Ausbreitung der Zeitungen führte aber auch zu einem Wettbewerb der Lizenzzeitungen untereinander, da jetzt mehrere Blätter in einem Gebiet verkauft wurden, für das bisher nur eine Zeitung lizenziert worden war. Bezirksausgaben waren die wichtigsten Kampfmittel der Lizenzzeitungen untereinander. Dies führte zwar kurzfristig zur Schwächung einzelner Blätter, bereitete aber andererseits auf den künftigen Wettbewerb mit den Altverlegern vor. Die späteren Rivalen sollten durch die Expansion von Nebenausgaben und Bezirksausgaben der Lizenzzeitungen geschwächt werden. - 53 - 2.5.4 Lizenzzeitungen 1945 bis 1949 im Überblick (Tabelle) Zeitungstitel Erscheinungsort Erscheinungsdatum Schwäbische Post Fränkische Landeszeitung Main-Echo Augsburger Tagespost Schwäbische Landeszeitung Fränkischer Tag Fränkische Presse Der Abend Der Tagesspiegel Weser-Kurier Nordsee-Zeitung Neue Presse Darmstädter Echo Werra-Rundschau Neckar-Post Abendpost Frankfurter Neue Presse Frankfurter Rundschau Fuldaer Volkszeitung Hochland-Bote Gießener Freie Presse Neue Württembergische Zeitung Aalen Ansbach Aschaffenburg Augsburg Augsburg Bamberg Bayreuth Berlin Berlin Bremen Bremerhaven Coburg Darmstadt Eschwege Esslingen Frankfurt Frankfurt Frankfurt Fulda Garmisch Gießen Göppingen 25.02.48 24.04.46 24.11.45 28.08.48 30.10.45 08.01.46 17.12.45 09.10.46 27.09.45 15.09.45 27.10.47 25.01.46 01.12.45 02.01.48 01.02.49 01.10.48 15.04.46 31.07.45 20.10.45 08.10.45 02.01.46 01.08.46 - 54 - Zeitungstitel Erscheinungsort Erscheinungsdatum Rhein-Neckar-Zeitung Heidenheimer Zeitung Heilbronner Stimme Frankenpost Donau-Kurier Badische Neueste Nachrichten Hessische Nachrichten Kasseler Zeitung Der Allgäuer Waldecker Kurier Isar-Post Ludwigsburger Kreiszeitung Mannheimer Morgen Marburger Presse Memminger Tagblatt Die Abendzeitung Münchner Allgemeine Münchner Merkur Süddeutsche Zeitung Nürnberger Nachrichten Offenbach-Post Passauer Neue Presse Süddeutsche Allgemeine Mittelbayerische Zeitung Südost-Kurier Heidelberg Heidenheim Heilbronn Hof Ingolstadt Karlsruhe Kassel Kassel Kempten Korbach Landshut Ludwigsburg Mannheim Marburg Memmingen München München München München Nürnberg Offenbach Passau Pforzheim Regensburg Bad Reichenhall 05.09.45 01.12.48 28.03.46 12.10.45 11.12.45 01.03.46 26.09.45 29.11.46 13.12.45 9.06.48 15.01.46 24.03.49 03.12.46 15.09.45 02.11.48 16.06.48 26.04.48 13.11.46 06.10.45 11.10.45 27.05.47 05.02.46 29.07.47 23.10.45 10.05.46 - 55 - Zeitungstitel Erscheinungsort Erscheinungsdatum Oberbayerisches Volksblatt Württembergisches Zeit-Echo Der Volkswille Der Neue Seebote Niederbayerische Nachrichten Stuttgarter Nachrichten Stuttgarter Zeitung Fränkische Nachrichten Schwäbische Donau-Zeitung Der Neue Tag Weißenburger Zeitung Wetzlarer Neue Zeitung Wiesbadener Zeitung am Abend*) Wiesbadener Kurier Main-Post Rosenheim Schwäbisch-Hall Schweinfurt Starnberg Straubing Stuttgart Stuttgart Tauberbischofsheim Ulm Weiden Weißenburg Wetzlar Wiesbaden Wiesbaden Würzburg 26.10.45 09.02.47 15.07.46 02.0249 28.08.47 12.11.46 17.09.46 30.12.47 09.11.45 31.05.46 18.06.49 01.01.46 08.12.48 01.10.45 24.11.45 *) Diese Zeitung erschien ab dem 12.3.49 unter dem Titel "Wiesbadener Anzeiger". - 56 - 2.5.5 Die Auswirkungen der beginnenden Lizenzfreiheit Mit der beginnenden Lizenzfreiheit stieg die Zahl der Zeitungen seit Mitte des Jahres 1949 sprunghaft. In Württemberg-Baden erschien die "Leonberger Kreiszeitung"" als erste nicht lizenzierte Zeitung der amerikanischen Zone135), zwei Tage nach der Verabschiedung eines Pressegesetzes für dieses Land.136) In Hessen, Bayern und zuletzt in Bremen kamen weitere Zeitungen später heraus. Schätzungen zufolge wurden von Juni bis Oktober 1949 650 Zeitungen in der Zone gegründet.137) Die folgenden beiden Statistiken zeigen den abrupten Anstieg von Zeitungsgründungen zwischen Oktober und Dezember 1949: Stand der Presse im Oktober 1949138) Länder Anzahl der Zeitungen Bezirksausgaben Kopfblätter Bayern Württemberg-Baden Hessen Bremen 25 17 14 2 82 22 10 3 45 14 6 1 insgesamt 58 117 66 Stand der Presse am 15. Dezember 1949139) Länder Anzahl der Zeitungen Bezirksausgaben Kopfblätter Bayern Württemberg-Baden Hessen Bremen 158 66 78 4 54 17 12 2 113 15 12 2 insgesamt 306 85 142 Nur 24 der 158 in Bayern erscheinenden Zeitungen waren noch überparteilich. Eine Untersuchung, die von amerikanischer Seite vorgenommen wurde und als Bericht über die "deutsche Presse in der amerikanischen Besatzungszone" am 25. November 1949 - 57 - veröffentlicht worden war140), zeigt das Ansteigen der Zeitungen sowie deren Auflagenhöhe in den einzelnen Ländern für einen Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Oktober 1949:141) Länder Zahl der Zeitungen Auflage Zahl der Zeitungen Auflage Bayern Württemberg-Baden Hessen Bremen 27 16 14 2 1.900.000 992.000 994.000 209.000 500 122 82 2 2.150.102 1.000.000 1.187.872 262.563 Insgesamt 59 4.095.000 706 4.600.537 Langfristig jedoch konnten sich die Altverleger nur in geringen Auflagenhöhen gegen die Konkurrenz halten. Dies mag seine Ursache darin haben, dass die Altverleger ihre schon vor 1945 erschienenen Heimatzeitungen wieder auflegten, die dann in einer begrenzten Auflage verkauft wurden und wenig Chancen hatten, sich gegen die Lizenzpresse durchzusetzen. Auflagenzahlen von 1951 machen diese These deutlich: 20 ehemalige Lizenzzeitungen hatten eine Auflage von 1,6 Millionen, während immerhin 119 nicht lizenzierte Blätter nur in 550.000 Exemplaren erschienen.142) Die Folge der schwachen Marktposition der Altverleger-Zeitungen war, dass sie entweder mit anderen Heimatzeitungen fusionierten oder von den Lizenzzeitungen am Ort absorbiert wurden. In vielen Fällen wurde das eben gegründete Blatt aber auch wieder eingestellt. Nicht ganz so zu Gunsten der lizenzierten Zeitungen verlief der Wettbewerb mit den Zeitungen, die in größeren Städten 1949 geschaffen worden waren. Dort überließen die Altverleger nicht widerstandslos den Markt den Lizenziaten, sondern versuchten mit allen Methoden, neue Leser zu gewinnen. Die Tatsache, dass sich eine Wiesbadener Altverlegerzeitung Leser durch Freiexemplare verschaffte, heißt nicht, dass Ähnliches von den Lizenzzeitungen nicht auch versucht worden wäre. Senkung der Abonnentenpreise beziehungsweise kostenlose Verteilung der unverkauften Auflage waren Mittel, um Leser anzulocken.142) In fünf Fällen musste auch eine Lizenzzeitung ihr Erscheinen einstellen. Eher jedoch zog sie - 58 - es vor, sich mit einer Altverlegerzeitung am gleichen Ort zusammenzuschließen, wobei der Zeitungstitel des Lizenzblattes dann beibehalten wurde, um bei dem Leser den Eindruck zu erwecken, er habe es mit einer ihm vertrauten Zeitung zu tun. Ähnlich undurchsichtig waren in den Folgejahren nach einer Fusionierung die Besitzverhältnisse an der jeweiligen Zeitung. Die Frage, ob Altverleger oder Lizenzträger die Mehrheitsanteile an dem Unternehmen besaßen, lässt sich im Einzelfall kaum noch exakt feststellen. Konzentrationsprozesse nach 1949 machten es unmöglich, die Marktbewegungen im Einzelnen nachzuvollziehen. Dennoch kann man konstatieren, dass die Lizenzpresse nach 1949 nicht ihre dominierende Stellung verloren hat. Die Befürchtung der Lizenzträger, dass die wieder erscheinende Heimatpresse den neu entstandenen Zeitungstyp vom Markt verdrängen würde, bestätigte sich nicht. Die Leser hatten sich offensichtlich an eine andere Art von Zeitung und Berichterstattung gewöhnt und zogen sie den Altverleger-Zeitungen vor. Trotz harter Konkurrenz zu Beginn der fünfziger Jahre konnte die Lizenzpresse in den darauf folgenden Jahren größere Auflagen verzeichnen als die Altverleger. Nur wenige Zeitungen mussten Einbußen gegenüber 1949 hinnehmen. 2.5.6 Miet- und Pachtverträge Als durch die Generallizenz Nr. 3 vom 23. Mai 1949 die Lizenzpflicht aufgehoben wurde, war fortan jeder, “dem dies deutsche Gesetze oder Gesetze der Militärregierung nicht anderweitig untersagen, berechtigt ... , Zeitungen, Magazine, Zeitschriften, Bücher, Broschüren, Plakate, Noten und sonstige Veröffentlichungen herauszugeben.“144) Diese Erlaubnis galt für die amerikanische Besatzungszone, jedoch nicht für den amerikanischen Sektor von Berlin, da dort nach dem ’kleinen Besatzungsstatut’ bis zum 1.Juni 1955 alle periodischen Presseerzeugnisse einer schriftlichen Genehmigung der Besatzungsmacht bedurften. “Diese Lizenzpflicht wurde vor allem länger ausgedehnt, um dort die Gründung kommunistischer Tarnzeitungen unmöglich zu machen.“145) Jetzt konnten also die Altverleger, die in vielen Fällen auch Besitzer der Druckereien waren, wieder Zeitungen herausgeben. Ihre in großer Zahl erwartete Rückkehr bereitete der ICD wie auch den Lizenzträgern erhebliche Sorgen, da eine weitere Sicherstellung der 1945 zugeteilten technischen Einrichtungen nach 1949 nicht länger gewährleistet war. Die Druckereien und Verlagshäuser, die die amerikanische Property Control während der - 59 - Besatzungszeit konfisziert hatte, wurden nach Ende der Besatzung wieder Eigentum der Altverleger. Da aber der amerikanischen Militärregierung sehr daran lag, keinen Kompromiss der Lizenzträger mit den Altverlegern gutzuheißen, suchte sie zwischen 1945 und 1949 auf verschiedene Weise nach einer Lösung des Problems. Eine rechtliche Absicherung der Inanspruchnahme von Druckereien gab es 1945 noch nicht. Die amerikanische Militärregierung behalf sich deshalb mit dem bereits 1944 herausgegebenen "Titel 21".146) Diese Anweisung gab den amerikanischen Nachrichteneinheiten das Recht, alle zum Druck von Zeitungen benötigten Anlagen zu beschlagnahmen und sie den Lizenziaten gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechender Miet- und Pachtvertrag wurde im Frühjahr 1946 von der Militärregierung vorgelegt. Er erlaubte den Lizenzträgern die Nutzung, Verwahrung und Verwaltung des Eigentums der Altverleger, wobei sie zu Beginn jeden Monats einen festgelegten Pachtzins zu entrichten hatten.147) Der Pachtvertrag wurde mit Genehmigung der Information Control Division und der Finance Division der Militärregierung abgeschlossen.148) Die “Pachtgegenstände“ konnten von den Lizenziaten für eine Dauer von 15 Jahren genutzt werden. Am 20. September 1947 wurde die Revision des “Titels 21“ in einem Schreiben von OMGUS Berlin an die jeweiligen Ämter der Militärregierungen der Länder angekündigt. Die Druckereien der Altverleger sollten nicht mehr “der Verwaltung durch das Amt für Vermögenskontrolle unterworfen (sein)“, falls sich die Altverleger zu einer freiwilligen Pachtvereinbarung mit den Lizenzträgern entscheiden konnten.149) Dieser Vertrag musste innerhalb von 30 Tagen unterzeichnet sein. “Wird jedoch ein freiwilliger Pachtvertrag nicht innerhalb von 30 Tagen, nachdem der Lizenzträger sich erstmals zu Verhandlungen über eine Pacht erboten hat, abgeschlossen, so besteht die Vermutung, dass der Eigentümer in Wirklichkeit nicht die Absicht hat, einen Pachtvertrag freiwillig abzuschließen. In diesem Falle schließt die Militärregierung unverzüglich einen nicht in freier Übereinkunft vereinbarten Zwangsvertrag ab.“150) Die Militärregierungen der Länder wurden für den letzteren Fall ermächtigt, das Vermögen des Eigentümers, soweit es für Betriebe von Zeitungslizenzträgern gebraucht wurde, unter Verwaltung durch das Amt für Vermögenskontrolle (Property Control) zu stellen. Die Dauer eines Zwangspachtvertrages betrug fünf Jahre, konnte aber um weitere drei Jahre verlängert werden, wenn der Lizenzträger den Nachweis erbringen konnte, dass er eine Zeitungsdruckerei “anderweitig“ nicht beschaffen konnte. Für die Nutzung der Druckerei musste der Lizenzinhaber einen vereinbarten Pachtzins bezahlen. Diese Maßnahme stieß - 60 - natürlich auf Proteste sowohl der Altverleger als auch von Mitgliedern der deutschen Regierungen, da sie eine Beteiligung der Druckereibesitzer an den Zeitungen von mehr als einem Drittel vorgeschlagen hatten. So versuchten sie, eine Verzögerung der Pachtverträge zu erreichen, was den Militärgouverneur am 27. Dezember 1948 zu einem Schreiben an die örtlichen Military Governors veranlasste. Diese wurden angewiesen, “die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um alle Pachtverträge, die in Ihrem Lande unentschieden sind, ... bis zum 31. Januar 1949 auszuführen.“151) Eine Verzögerung war teilweise dadurch eingetreten, dass die Entnazifizierungsverfahren gegen die Altverleger noch nicht abgeschlossen waren. Aber die Androhung bewirkte, dass bis zum 31. Januar 1949 fast alle Lizenziaten in den vier Ländern Pächter der technischen Einrichtungen geworden waren. Nur bei zwei Zeitungen hatte man noch keine Übereinkunft getroffen. Nach der Währungsreform hieß das Motto gegenüber der Presse nicht mehr Kontrolle, sondern Beratung. (Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Information Control in Information Service Division, ISD, umbenannt.) So wurde die Papierkontingentierung in der amerikanischen Zone aufgehoben, damit fiel auch die Kontrolle über Auflagenhöhe, Erscheinungsweise und Umfang. Andererseits blieb der amerikanischen Militärregierung die Kontrolle über die Auswahl der Lizenzträger, über die Zulassung der Zeitungen sowie bei der Pressegesetzgebung und den Pachtverträgen. 1949 errichtete die amerikanische Militärregierung einen Ausschuss zur Überprüfung der Zeitungspachtverträge (Newspaper Leases Review Board). Im Abschnitt 2, Absatz a) der “General Order Nr. 15“ vom 23. Mai 1949 in der Fassung vom 8. Juli 1949 heißt es: “Der Newspaper Leases Review Board ist die einzige und endgültige Instanz zur Überprüfung eines Zeitungspachtvertrages ... Der Board ist berechtigt, nach seinem Ermessen eine oder alle Frist(en) und Bedingung(en) eines jeden Zeitungspachtvertrages zu ergänzen, einzuschränken, abzuändern oder aufzuheben.“152) Ihm oblag die Klärung aller Konflikte, die im Zusammenhang mit der Gültigkeit der vereinbarten Pachtverträge entstanden waren oder entstehen konnten. Dem Ausschuss mit Sitz in Berlin gehörten drei Mitglieder an, die amerikanische Staatsbürger sein mussten. Sie wurden vom stellvertretenden Militärgouverneur aus den folgenden Abteilungen der Militärregierung gewählt: der Rechtsabteilung (Legal Division), dem Amt für Eigentumskontrolle (Property Control) und der Information Control, jetzt Information Service genannt. Obwohl zu erwarten war, dass dieser Ausschuss die bestehenden Verträge zum Nutzen der - 61 - Lizenzträger unterstützen würde, konnten die Altverleger doch unter Umständen eine Änderung des Vertrages erreichen, wenn die Pachtsumme nachweisbar unzureichend war, der Pächter den ihm zugeteilten Gegenstand ungesetzlicherweise zurückbehielt, um den Wettbewerb auszuschalten, oder wenn dem Lizenzträger technische Anlagen zur Nutzung gegeben worden waren, für die er keine Verwendung hatte. Diese Regelung war auch noch nach Aufhebung der Kontrollen - für die Presse erfolgte die Aufhebung der Lizenzpflicht am 21. September 1949153) - gültig, wurde aber in der Praxis nicht mehr häufig angewandt, da die Lizenzträger sich mit den Altverlegern auf der Basis von Lohndruckverträgen154) hatten einigen können. Dennoch: Die amerikanische Hohe Kommission, die an die Stelle der Militärregierung getreten war, hatte am 10. April 1950 noch einmal versichert, dass die Pachtverträge auch weiterhin ihre Gültigkeit behalten würden und dass zu ihrer Prüfung immer noch der aus drei Mitgliedern bestehende Ausschuss allein zuständig sei. Eine Anfrage des Vereins Deutscher Zeitungsverleger, der Organisation der Altverleger, wurde wie folgt beantwortet: “Kein deutsches Gesetz darf eine Entscheidung fällen, welche die Gültigkeit oder Rechtsmäßigkeit einer Verordnung, Richtlinie, Entscheidung oder Anordnung verneint, die durch die Militärregierung veröffentlicht worden ist ... .“155) Daher waren die Besatzungsbehörden befugt, “über das Bestehen, den Inhalt, die Rechtsgültigkeit oder den Zweck der freiwilligen und auf Befehl der Militärregierung geschlossenen Miet-, Pacht- und Lohndruckverträge ... zu entscheiden und dieselbe auszulegen.“156) 1951 gab es nur noch drei Zeitungen in der amerikanischen Zone, die auf Grund von Zwangspachtverträgen arbeiteten: die “Frankfurter Rundschau“, die “Stuttgarter Zeitung“ und die “Neue Presse“ in Coburg. 2.5.7 Die "Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse", WIGO Da 1950 die Zwangspachtverträge nicht verlängert wurden und andererseits die Lizenzträger nicht Eigentümer der Druckereien geworden waren (eine entsprechende Regelung hätte außerdem nach Ende der Militärregierung zu Annullierungen von Seiten der deutschen Gerichte geführt), mussten die Lizenziaten auf andere Weise in die Lage versetzt werden, ihre Zeitungen wirtschaftlich zu sichern. - 62 - Weil bereits 1945 damit zu rechnen war, dass die lizenzierten Zeitungen in einigen Jahren finanzielle Zuwendungen benötigen würden, machte die Militärregierung es jeder Zeitung zur Pflicht, 20 Prozent ihrer Bruttogewinne in einen Fonds zu bezahlen. Bis zum 1. Januar 1948, als diese Regelung außer Kraft gesetzt wurde, hatten sich auf diese Weise 48 Millionen Reichsmark angesammelt, von denen 12 Millionen unter den zur Zeit existierenden Lizenzzeitungen verteilt wurden. Die restlichen 36 Millionen wurden zur Gründung der Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse, WIGO, verwendet. Mit dem Kapital sollte die WIGO - 1948 von der ICD als Pressebank, die diesen Fonds verwaltete, gegründet - den Lizenzzeitungen beim Kauf von technischen Einrichtungen durch niedrig verzinsliche Kredite helfen, damit diese sich gegen den Ansturm der Altverlegerzeitungen rüsten konnten.157) Die Aufgaben der “Wirtschaftlichen Genossenschaft“ waren "die wirtschaftliche Unterstützung und Förderung der in der US-Zone lizenzierten Zeitungsunternehmen, insbesondere durch Einkauf und eigene Herstellung von Gegenständen zur betrieblichen und geschäftlichen Einrichtung, von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen für Zeitungsunternehmen. Als weitere Aufgabe ist die Verbreitung von Druckerei- und Verlagserzeugnissen vorgesehen. Die Genossenschaft ist auch befugt, einschlägige Unternehmen zu beteiligen. Sie darf außerdem Darlehen aufnehmen und gewähren und Bürgschaften zugunsten der Genossen aufnehmen ... "158) Vorsitzende des Vorstands waren: Dr. Hugo Stenzel, Herausgeber der “Frankfurter Neuen Presse“, Paul Thielemann, “Schwäbische Donauzeitung“, Ulm, und Dr. Hans Kapfinger, Lizenziat der “Passauer Neuen Presse“. Mit der Währungsreform in den Westzonen wurde der Darlehensfonds der WIGO auf 2,5 Millionen DM reduziert; die Lizenzträger verloren 90 Prozent ihres Kapitals.159) Anfang der fünfziger Jahre bekam die WIGO "die Funktion einer Vermittlungsstelle (channelling agency) übertragen, über die alle Darlehen von der Hohen Kommission an die Zeitungen flossen."160) "Nach dem zunächst vereinbarten Verfahren richteten Zeitungen ihre Darlehensanträge an die WIGO. Der Prüfungsausschuß, in dem Lizenz- und Altverleger aus allen drei Westzonen saßen, beurteilte die Anträge nach Bedarf und Dringlichkeit sowie Höhe der Darlehenssumme. Zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit wurden die Anträge mit den Gutachten des Prüfungsausschusses an die seit dem 5. November 1948 bestehende Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt a.M., eine von Bund und Ländern gemeinsam gegründete Bank, weitergereicht. Die Kreditanstalt informierte das Marshall-Plan-Ministerium darüber, welche Zeitungen sich als geeignet erwiesen hatten. Anschließend wurde die - 63 - Sonderkommission der Economic Cooperation Administration (ECA) bei der Hohen Kommission vom Marshall-Plan-Ministerium gebeten, die Beträge in den positiv entschiedenen Fällen zu kreditieren. ... Bis Februar 1951 überprüfte der WIGO-Ausschuß 200 Anträge, von denen 105 mit Krediten in Höhe von insgesamt 13,5 Mio. DM angenommen wurden. Wie geplant, wurden 1,5 Mio. DM für Anträge aus Westberlin reserviert. Am 5. April 1951 bat das Marshall-Plan-Ministerium die Hohe Kommission, die ersten Beträge aus dem Pressefonds freizugeben. ... Inzwischen hatte das Amt für Öffentliche Angelegenheiten der Hohen Kommission (HICOG Office of Public Affairs, OPA) Bedenken gegenüber dem Auswahl-Verfahren entwickelt. Sie richteten sich gegen die Möglichkeit des Kuhhandels (horsetrading) zwischen Lizenz- und Altverlegern, die sich darauf geeinigt hatten, die Fondssumme im Verhältnis sieben zu drei entsprechend den in den beiden Verbänden zusammengefaßten Gesamtauflagen aufzuteilen."161) "Die am 6. August 1951 eingeleitete Neuregelung des Auswahlverfahrens ging von einer Prioritätenliste aus, wie sie schon vom Prüfungs-Ausschuß vorgeschlagen worden war. Als Kriterien dienten politische Bedeutung (meistens beurteilt nach der Auflagenhöhe), Wiederaufbau kriegsbeschädigter Redaktions- und Druckereieinrichtungen, Erwerb neuer Druckmaschinen und Grundstücke sowie Kündigung von zwangsweise eingegangenen oder unwirtschaftlichen Pachtverträgen. ... Die WIGO behielt ihre Funktion als Vermittlungsstelle bei. ... Als beratender Ausschuß wurde ein Gremium aus je einem Vertreter der US- Lizenzträger, der Altverleger sowie der Verleger in der britischen Zone und in Westberlin gebildet. Das fünfte Mitglied stellte die HICOG. Die Beteiligung der Altverleger wurde als notwendig angesehen, um mögliche Kritik von vornherein auszuschließen und das Verhältnis zwischen den Verlegergruppen zu verbessern."162) "Bei Vergabe der Fondsmittel vereinbarte die WIGO mit den Verlagen einen genauen Rückzahlungsmodus. Der Zinssatz lag mit 5,5 Prozent erheblich unter den damals üblichen Bankzinsen. ... Unter dem 19. bzw. 20. August 1951 teilte HICOG der WIGO die Kriterien der Neuregelung sowie die Einrichtung des Fonds mit. Der beratende Ausschuß trat am 5.September zusammen. Mitglieder waren Emil Groß ('Freie Presse', Bielefeld) als Vorsitzender des Gesamtverbandes der deutschen Zeitungsverleger, Dr. Hugo Stenzel ('Frankfurter Neue Presse') als Vorsitzender des Direktoriums der WIGO, Dr. Walther Jänecke als Vorsitzender der Altverleger und Franz Karl Maier ('Tagesspiegel', Berlin). Jedes Ausschußmitglied legte eine Prioritätenliste vor."163) Unter den 44 Zeitungen (von denen 21 Zeitungen aus der US-Zone, 19 aus der britischen und fünf aus der französischen Zone waren) waren 36 Lizenzblätter, darunter fünf hessische - 64 - Zeitungen: das "Darmstädter Echo" mit einem Darlehen von 300.000 DM, die "Gießener Freie Presse" mit 160.000 DM, die "Fuldaer Volkszeitung" mit 300.000 DM, die "Hessischen Nachrichten", Kassel, mit 400.000 DM und die "Frankfurter Rundschau" mit 1.600.000 DM.164) 2.6 Zum Inhalt der Lizenzzeitungen Inhaltlich stellt sich bei den Lizenzzeitungen die Frage, inwieweit es die Herausgeber und Redakteure der Zeitungen vermocht und gewollt haben, in die neue Presse nach amerikanischem Muster journalistische Techniken in deutsche Tradition einzubringen. Da die Presse mit deutschen Lizenzträgern nach 1945 während der ersten Zeit dazu dienen sollte, der besiegten Bevölkerung ihr schuldhaftes Verhalten zur Zeit des Nationalsozialismus vor Augen zu führen, also die These der Kollektivschuld zu vertreten, diente sie nach Beendigung der austerity-Politik der Alliierten dem Zweck, das deutsche Volk umzuerziehen, also der Reeducation vom Faschismus zur Demokratie. Diesen beiden Zielen, Kollektivschuld bzw. Reeducation, mussten nach Lizenzierung der Zeitung die Kontrollen dienen, die von den Presseoffizieren, die die Lizenzträger ausgewählt hatten, stichprobenartig durchgeführt wurden. Manchmal wurde auch von höherer Stelle, z.B. aus dem ICD-Hauptquartier, Kritik an den Zeitungen geübt. Man hatte sogar einen Ausschuss geschaffen, der die Kontrollfunktion ausübte. Dieser "scrutiny-board" wertete wöchentlich die Presseerzeugnisse aus und beanstandete Artikel, die ihm missfielen. Doch diese Überprüfungsmechanismen existierten mehr in der Theorie als in der Praxis. Während der ganzen Zeit der Besatzung gab es nicht einen Fall, in dem eine Zeitung ihr Erscheinen auf Grund einer Anweisung einstellen musste. Auch Kritik und Verwarnungen wurden im Laufe der Zeit immer seltener vorgebracht, wobei die Kontrollen in Bayern strenger durchgeführt wurden als in den übrigen Ländern der Zone. Die Information Control schaltete sich meist dann ein, wenn sich eine Zeitung negativ über eine der Besatzungsmächte geäußert hatte. Wobei die Amerikaner vor allem dann eingriffen, wenn es sich um Kritik an der sowjetischen Besatzungsmacht handelte. Dies änderte sich erst, als Mitte 1947 das Verhältnis der Besatzungsmächte untereinander immer schlechter wurde. Verwarnungen schriftlicher und mündlicher Art wurden auch dann ausgesprochen, wenn die Zeitungen Anzeichen nationalistischer Gesinnung165) aufwiesen. Artikel, die eine rassistische - 65 - Einstellung vermuten ließen, militaristische oder nationalistische Sprüche oder der Abdruck von SS-Symbolen wurden kritisiert und im Wiederholungsfall mit einer Strafe belegt. So verringerte man z.B. das Papierkontingent einer Zeitung oder reduzierte die Häufigkeit ihres Erscheinens. Einsprüche der Militärregierung erfolgten auch, wenn bedeutende politische Ereignisse ungenügend berücksichtigt worden waren oder die Zeitungen unerlaubterweise publizistische Erzeugnisse nachgedruckt hatten.166) Strafmaßnahmen wurden auch angedroht, wenn von den Alliierten oder der amerikanischen Besatzungsmacht herausgegebene Direktiven verletzt oder missachtet wurden. Weitaus häufiger waren jedoch die Diskussionen darüber, inwieweit journalistische Stilformen nach amerikanischem Muster eingehalten wurden. Die in der deutschen Pressetradition nicht bekannte Trennung von Nachricht und Kommentar fand noch am ehesten die Zustimmung der Redakteure und wurde darum auch in fast allen Fällen von den Lizenzzeitungen übernommen. Die Amerikaner legten darauf besonderes Gewicht, da ihrer Ansicht nach eine solche Nachrichtenwiedergabe zu größerer Objektivität führe und damit die Qualität der Berichterstattung erhöhe. Einige Presseoffiziere bezweifelten allerdings, ob deutsche Journalisten das Wesentliche vom Unwesentlichen einer Nachricht unterscheiden könnten. So erwartete man auch die Angabe der Informationsquellen für einen Artikel oder ein Photo (credit-line). Auch das war bis 1945 in Deutschland den wenigsten Zeitungen geläufig. Größere Mühe hatten die Amerikaner dabei, den Redakteuren die Platzierung des Leitartikels auf der ersten Seite auszureden. Die deutsche Gepflogenheit, redaktionelle Kommentare auf Seite eins zu drucken, sollte der reinen Nachrichtenwiedergabe weichen. Auch die Schlagzeilen in den deutschen Blättern missfielen den amerikanischen Lizenzierungsteams. Sie sollten “die Dringlichkeit der Fakten mitteilen (also Interesse hervorrufen) und die wichtigste Tatsache hervorheben.“167) Stattdessen waren sie “trocken“ und “vorurteilsbeladen“.168) Ein weiterer Punkt der Uneinigkeit war die Einführung des “copy-desks“. Diese in amerikanischen Redaktionen zu findende zentrale Stelle, die einerseits der redaktionellen Überarbeitung diente, andererseits der Ort für redaktionelle Entscheidungen in letzter Minute war, widersprach dem deutschen Ressort-System, da die Entscheidungsbefugnis nicht innerhalb der einzelnen Ressorts lag.169) Hier widersetzten sich die Journalisten den amerikanischen Vorstellungen, wobei sie damit bei der ICD Erfolg hatten. Am wenigsten Schwierigkeiten bereitete den neuen Zeitungen die Übernahme von Leserbriefspalten. Unverändert erhalten blieb das politische Feuilleton. Die deutsche Tradition der - 66 - Kommentierung, Analyse und Hintergrundinformation von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen wurde in der Presse der Nachkriegszeit fortgesetzt. 2.7 Zeitungen der Parteien So sehr man sich auch auf amerikanischer Seite zwischen 1945 und 1949 für eine feste Etablierung überregionaler Lizenzblätter einsetzte, so sehr wandte man sich gegen das Wiedererstehen einer Parteipresse in der Nachkriegszeit. Da in den USA parteieigene Zeitungen unbekannt waren, sah man wenig Sinn in einer solchen Einrichtung und betrachtete mit Misstrauen entsprechende Bestrebungen der Parteien. Weil die ICD ein direktes Verbot nicht aussprechen wollte - man respektierte zumindest die deutschen Gepflogenheiten -, begründete man eine Verzögerung mit dem bestehenden Mangel an Papier und den nicht zur Verfügung stehenden drucktechnischen Voraussetzungen Ein weiteres Motiv, Parteizeitungen vorerst nicht zuzulassen, war die Sorge der Information Control, hiermit eine Konkurrenz zur Lizenzpresse zu schaffen. (Mitte 1945 erschienen erst einmal Flugblätter der Parteien, nachdem Montgomery und Eisenhower am 6. August des Jahres erklärt hatten, dass demokratische Parteien und Gewerkschaften in der Bildung zu fördern seien. Daraufhin etablierten sich am 13. August lokale Partei-Organisationen in der amerikanischen Zone. Am 27. August fand die Konstituierung auf Kreisebene statt, seit dem 23. November 1945 auf Länderebene und vom 28. Februar 1946 an auf Zonenebene. Alle Parteien hatten ihre Programme bei den Besatzungsmächten zu hinterlegen und über ihre Tätigkeit in Abständen Bericht zu erstatten. Jeweils ein Exemplar ihrer gedruckten politischen Schriften musste beim örtlichen Detachment zur Weiterleitung an die Information Control eingereicht werden.170) Ohne amerikanische Zustimmung durfte keine öffentliche Versammlung stattfinden.) Bis zum Ende des Lizenzzwangs drängten die Parteien in der amerikanischen Zone immer wieder darauf, eigene Medien zur Verfügung gestellt zu bekommen. Es sollte ihnen nicht gelingen, denn die Abneigung der Militärregierung nahm im Laufe der Jahre noch zu. General Clay teilte dem Kriegsministerium am 15. Dezember 1946 seine Einstellung dazu mit. Er schrieb, er sähe keine Veranlassung, den Auftrag zur Lizenzierung einer parteigebundenen Presse in der amerikanischen Zone zu erteilen. Als Grund gab er an, dass erst einmal eine starke unabhängige Presse geschaffen werden müsse und dass außerdem - 67 - nicht genügend Druckpapier vorhanden sei. Zur Zeit seien auch viele deutsche Politiker gegen eine Parteipresse, da sie deren Nachteile erkennen würden. In der britischen Zone habe man Parteizeitungen zugelassen, was sich nun als Fehler erwiesen habe. Außerdem spiegele die lizenzierte Presse Unterschiede im politischen Denken wider, da ihre Herausgeber verschiedenen Parteien angehörten. Diese jedoch seien ihrer Öffentlichkeit verantwortlich und nicht den Anweisungen der Parteiführung. Clay meinte weiter, er sei sicher, dass auf diese Weise eine objektivere Presse daraus resultieren werde. “Wir glauben, dass die wirkliche Antwort auf unser Presse-Problem die Einrichtung von konkurrenzfähigen unabhängigen Zeitungen in allen großen Städten ist, und unser Programm ist darauf ausgerichtet. Wir glauben nicht, dass wir eine freie und unabhängige Presse in Deutschland errichten können, wenn wir von unserer augenblicklichen Politik abweichen, indem wir den Versuch machen, jetzt mit dem begrenzten Zeitungspapier brauchbare, von der Partei kontrollierte Zeitungen einzurichten, welche die Zahl der unabhängigen Blätter vermindern würde.“171) Im November 1947 neigten diejenigen Mitarbeiter der amerikanischen Militärregierung, die den Parteien keine eigenen Zeitungen zubilligen wollten, auch meist zu der Ansicht, die Parteien würden schon so zu viel Uneinigkeit hervorrufen. Ein großer Teil der Abneigung der Amerikaner gegen die Parteipresse spiegelte die negative Haltung gegenüber den politischen Parteien insgesamt wider.172) "Die Weigerung der amerikanischen Militärregierung, Parteizeitungen zu lizenzieren, hatte im Laufe des Jahres 1947 auch zunehmend negative Auswirkungen für die unabhängige Presse, da diese Politik die Parteiführer dazu ermutigte, ihre Verärgerung mit ständigen Angriffen auf die Lizenzzeitungen abzureagieren.“173) - 68 - 2.8 Die Pressegesetze der amerikanischen Zone 2.8.1 Länderratspressegesetz Die Lizenzzeitungen unterstanden der Militärregierung - eine rechtliche Absicherung ihrer Position gab es nicht. Zwar war das Reichspressegesetz von 1874 nicht durch die Militärregierung aufgehoben worden und war auch in der NS-Zeit nicht außer Kraft getreten, hatte aber zwischen 1945 und 1949 keine Gültigkeit. Darum ersuchte im Dezember 1945 die amerikanische Militärregierung die gerade gegründeten deutschen Regierungen der Länder, einen Entwurf für ein Pressegesetz vorzulegen. Am 5. Oktober des gleichen Jahres war der Länderrat geschaffen worden, der aus den Ministerpräsidenten der drei Länder Bayern, Hessen und Württemberg-Baden bestand. Man gründete ihn, um einen zonalen Koordinierungs-Apparat zur Verfügung zu haben. Durch ihn sollte “ein beginnendes Zusammenwirken der Länder“174) der amerikanischen Zone möglich werden. Der Sitz des Länderrates war in Stuttgart. Hier wurden Fragen wie die Wiederansiedlung der Flüchtlinge, die Ablieferung und Verteilung von Lebensmitteln und die Regelung des Verkehrs- und Nachrichtenwesens besprochen, wobei Entscheidungen einstimmig gefällt werden mussten.175) Der Länderrat, der monatlich tagte und dessen Vorsitz vierteljährlich wechselte, nahm bald nach seiner Gründung auch die Beratungen mit den Ministerpräsidenten der britischen Zone auf. Er leistete die Vorarbeiten für eine wirtschaftliche Zusammenlegung der beiden Zonen.176) Im Juni 1946 ernannte jeder Ministerpräsident einen Vertreter, der zwischen den Sitzungen des Länderrates in einem ständigen Direktorium mit den Arbeitsausschüssen der nachgeordneten Dienststellen zusammenarbeitete, von denen es bereits 68 gab. Nach den Länderwahlen im März 1947 wurde der Länderrat durch einen Parlamentarischen Rat verstärkt, der aus je 24 Vertretern der gewählten Landtage gebildet wurde. Ein Jahr später trat an die Stelle des Länderrates eine bizonale Einrichtung, von der jetzt wirtschaftliche und finanzielle Fragen geregelt wurden. Mit dem Vorschlag, ein Pressegesetz zu schaffen, beabsichtigte die amerikanische Militärregierung, die Kontrolle an deutsche Stellen zu übergeben. Das gemeinsam von den Ministerpräsidenten der Länder in Stuttgart am 5. November 1946 vorgelegte Konzept umfasste ein Lizenzierungsgesetz, ein Pressegesetz, ein Journalisten- und Pressearbeitsgesetz, ein Presserats- und Pressestandesvertretungsgesetz sowie ein Pressegerichtsgesetz. Für die Ausarbeitung des Entwurfs war ein Unterausschuss “Presse“ zuständig, der aus Vertretern der kulturellen Organe, der Parteien und der Presse neben - 69 - Beamten der Regierungen bestand. Dieses Gesetzeswerk wurde am 5. November mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 31. März 1947 verabschiedet. Es wurde aber nicht in Kraft gesetzt, weil General Clay seine Zustimmung verweigerte. So fehlte nach Ansicht der Presseoffiziere eine ausreichende Beschränkung des Beschlagnahmerechts von Zeitungen seitens der Behörden. Außerdem hatten die Ministerpräsidenten den Paragraphen “Die Presse hat Anspruch auf Auskunft: seitens der Behörden, wenn kein zwingender Grund besteht ...“ gestrichen. Als unzureichend wurde auch der Paragraph zum Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts von Redakteuren angesehen. Die Ablehnung ließ damit auch die positiven Neuerungen des Gesetzentwurfs nicht zur Geltung kommen. Aber da die amerikanischen Presseoffiziere befürchteten, der Information Control sei mit einem Pressegesetz die Möglichkeit genommen, die von ihr lizenzierten Zeitungen zu beschützen, blieb ihr nur der Ausweg, den Plan für eine Übertragung der Lizenzierung und späteren Kontrolle durch deutsche Behörden vorläufig fallen zu lassen. General Clay erklärte offiziell, die Militärregierung werde zu einem späteren Zeitpunkt die einzelnen Länder der amerikanischen Zone auffordern, neue, für die jeweiligen Länder bestimmte Entwürfe auszuarbeiten. Damit war Ende 1946 der erste Versuch, einen gesetzlichen Rahmen für die neue Presse zu schaffen, gescheitert. 2.8.2 Pressegesetze der Länder Ein erneuter Versuch wurde von der Militärregierung am 5. Oktober 1948 gemacht, als die einzelnen Länder der Zone aufgefordert wurden, Pressegesetz-Entwürfe vorzulegen. In jedem Fall sollten aber nach Ansicht der Militärregierung sechs Punkte zur Pressefreiheit enthalten sein: 1. Lizenzfreiheit für die Herausgeber von Publikationen; 2. Freiheit von jedem bestimmenden Einfluss der Regierung; 3. Beseitigung von Beschränkungen der Berichterstattung; 4. Schutz vor Willkürmaßnahmen der Polizei; 5. Sicherheit vor der Wiedereinführung verschiedener Formen der Pressekontrolle, wie z.B. Ehrengerichte; 6. Verbot jeder Zensur.177) Diese Bestimmungen wurden erst nach langen Auseinandersetzungen zwischen den Lizenzträgern, denen sie dienen sollten, und den Länderregierungen in die Gesetze aufgenommen. In Württemberg-Baden führte der Streit zwischen Parteien bzw. Landesvertretern und der - 70 - Lizenzpresse dazu, dass eine Kulturpfennigsteuer (pro verkauftes Zeitungsexemplar musste ein Pfennig abgeführt werden) vom Landtag erhoben wurde. Die Absicht des Gesetzes war ganz offensichtlich, die Lizenzpresse auf diese Weise zu schwächen. Das im Dezember 1948 verabschiedete Gesetz löste in der Presse solch einen Aufruhr aus, dass die Politiker sich schließlich veranlasst sahen, die Besteuerung zurückzunehmen, zumal der angegebene Verwendungszweck, den Aufbau des Landes-Theaters zu finanzieren, mittlerweile von anderen Stellen übernommen worden war. Das dann nach mehreren, von der Militärregierung abgelehnten Entwürfen akzeptierte Pressegesetz wurde für Württemberg-Baden am 24. März 1949 verabschiedet und im Mai des gleichen Jahres in Kraft gesetzt. Die Militärregierung stellte danach die Kontrollen über die Lizenzvergabe ein. In Hessen nahm man in den Gesetzestext ausdrücklich die Erklärung auf, eine Sondersteuer für die Presse sei nicht zulässig. Alle anderen Ländergesetze enthielten sich einer solchen Formulierung. Allerdings war die Presse als quasi öffentliche Einrichtung definiert, so dass auf diese Weise eine Besteuerung nicht gut möglich gewesen wäre. Im hessischen Pressegesetz fand sich auch die Verankerung des Rechts auf Zeugnisverweigerung des Journalisten. Man versuchte zudem, eine rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, dass nach Aufhebung der Lizenzierung die Altverleger nicht die Möglichkeit haben würden, durch Rückforderung ihres Eigentums einen wirtschaftlichen Ruin der Lizenzzeitungen herbeizuführen. Im Gesetz fehlte eine Regelung, die Konzentrationsbewegungen nach 1949 verhinderte oder doch wenigstens einschränkte. (Ein entsprechender Entwurf in Bayern war 1946 im Rahmen des Pressegesetzes von der Militärregierung abgelehnt worden.178) Dort hatte man vorgeschlagen, dass keine Zeitung Eigentum einer Aktiengesellschaft oder eines anonymen Geschäftsinhabers sein dürfe.179)) Das Pressegesetz für Hessen wurde am 4. Mai 1949 vom hessischen Landtag verabschiedet und am 22. Juli 1949 in Kraft gesetzt. Damit war auch hier die Zeit der Lizenzierung beendet. In Bayern trat das Gesetz am 22.August in Kraft, nachdem es am 5.Juli vom bayrischen Landtag angenommen worden war. Ihm folgte Bremen als letztes der vier Länder mit einem Gesetz, das am 26. August verabschiedet wurde und nach einer teilweisen Revision am 8. September 1949 in Kraft trat. - 71 - 2.9 Die Nachrichtenagentur der amerikanischen Zone Die Einsicht in die Notwendigkeit, eine zentrale Stelle zur Übermittlung von Informationen an die Lizenzzeitungen zu haben, führte am 29. Juni 1945 zur Gründung der "Deutschen Allgemeinen Nachrichten-Agentur" (DANA). Eine Gruppe von sechs amerikanischen Offizieren und acht Zivilisten begann die Arbeit im Hotel Tielemann in Bad Nauheim. Vier der 14 Mitglieder gingen als Korrespondenten nach Frankfurt, Hoechst, München und Wiesbaden. Die Quellen für die ausgegebenen Nachrichten waren hauptsächlich deutsche amtliche Stellen, soweit es jedenfalls Informationen aus dem Inland betraf. Meldungen aus dem Ausland wurden den alliierten offiziellen Rundfunksendern entnommen. Als erste Publikation gab die DANA die "News of Germany" heraus, eine Zusammenstellung von "Tatsachenmaterial".180) Im Juli 1945 wurde die "Frankfurter Rundschau" der erste deutsche Kunde der Agentur. "Während ursprünglich eine Abgabe von fünf Prozent des Einkommens der Zeitungen an die Agentur vorgesehen war, ergab sich nach der Erteilung von weiteren Lizenzen an deutsche Zeitungen stattdessen ein Austausch von Nachrichten in der Form, daß die Zeitungen ihre eigenen Lokalnachrichten an die Agentur leiteten, die sie dann anderen Zeitungen vermittelte."181) Mitte August 1945 begann die DANA damit, deutsches Personal einzustellen, das vorerst häufig die Aufgabe hatte, die englischen Texte zu übersetzen und umzuschreiben.182) Außerdem schickte man Korrespondenten nach Berlin und in andere wichtige Orte, die zunächst eine noch lockere Verbindung mit den anderen Besatzungszonen herstellten. Im September konnte eine Fernschreibverbindung von Bad Nauheim nach Luxemburg hergestellt werden, die es der DANA ermöglichte, Nachrichten aus dem Luxemburger amerikanischen Pressedienst "United States Press Service" zu erhalten. Im Dezember des gleichen Jahres erweiterte man diese Möglichkeiten, indem man ein Austauschabkommen mit drei amerikanischen Nachrichten-Agenturen schloss. Zwei davon, "Associated Press" (AP) und "United Press" (UP), erhielten aber im Juni 1946 die Erlaubnis, die deutschen Zeitungen direkt zu beliefern, so dass DANA jetzt auf die englische Agentur "Reuters" und den amerikanischen "Information News Service" angewiesen war. Ursprünglich war vorgesehen, die DANA am 31. März 1946 ganz in deutsche Hände übergehen zu lassen. Das war jedoch u.a. aus Mangel an deutschem Personal zunächst nicht möglich. Die Bestimmungen des "Trading with the Enemy Act", des Verbots, mit dem Feind Handel zu treiben, hätten einer rein deutschen Agentur nicht erlaubt, die Verbindungen - 72 - der DANA mit AP, UP, "International News Service" und anderen aufrechtzuerhalten oder eigene Korrespondenten im Ausland zu akkreditieren.183) Aber am 26. Oktober 1946 schließlich wurde die DANA auf Wunsch der Information Control Eigentum der damals 41 Lizenzzeitungen (Auflagenhöhe insgesamt: 4 Mio.) mit der rechtlichen Form einer Genossenschaft. "Nach dem Statut mußte jeder der 84 Genossen einen Anteil von 30 000 RM übernehmen."184) Inzwischen hatte DANA Büros in Frankfurt, Wiesbaden, Heidelberg, Stuttgart, München, Nürnberg, Kassel, Berlin und Bremen. Ende 1946 hatte DANA 480 deutsche Angestellte, darunter 60 Redakteure und 200 Techniker. 1947 waren es bereits 750 Mitarbeiter, "obwohl zuvor 54 Prozent aus politischen Gründen entlassen worden waren."185) Zum 1.1.1947 war DANA in DENA umbenannt worden, weil es in Dänemark eine Einrichtung mit gleichem Namen gab. "Die Währungsreform brachte der DENA eine schwere Belastungsprobe, nicht zuletzt weil viele Genossen und Sonderkunden eine Herabsetzung der Gebühren verlangten. Die Pauschale ... in Höhe von 20 000 DM konnte nicht mehr bezahlt werden. 28 Mitarbeiter, davon sechs Redakteure, wurden entlassen. DENA versuchte, seine Kunden durch sensationellere Berichte ... zufriedenzustellen. Der Umfang der täglich etwa 260 gesendeten Nachrichten wurde auf durchschnittlich elf Zeilen gekürzt. Ohnehin hatte DENA von den etwa sechs Millionen Wörtern im Monatsdurchschnitt an die Kunden nur eine Million weitergeleitet, von denen nur ... 20 Prozent in den Zeitungen verwendet wurden. Außerdem gab es einen wöchentlichen Featuredienst mit 30 000 Wörtern und einen Bilderdienst. Die vergleichsweise ungünstigen Gehälter veranlaßten Ende 1948 und Anfang 1949 gute Redakteure, die DENA zu verlassen. Im November zahlte DENA nicht einmal die Hälfte der beim Deutschen Pressedienst (DPD) üblichen Gehälter."186) 1947 begann der Konkurrenzkampf der amerikanischen Agentur mit dem englisch lizenzierten "Deutschen Presse-Dienst" (dpd). Die ersten Fusionsgespräche fanden im August 1947 zwischen Dr. Betz, dpd, und Curt Frenzel, dem zweiten Direktor187) der DENA, statt. Die Verhandlungen scheiterten, da beide Agenturen nicht zu Kompromissen bereit waren. Die dpd wollte auf keinen Fall das Risiko eingehen, für den nicht von der Post lizenzierten DENA-Sender hohe Abgaben entrichten zu müssen. Dass die Gespräche beider Agenturen wieder aufgenommen wurden, hatte vorwiegend wirtschaftliche Gründe. Auf einer Zusammenkunft in Goslar zwischen dem 16. und 18.August 1949, zu der der "Nordwestdeutsche Zeitungsverleger-Verein" die DENA, die französische Nachrichten-Agentur der Zone, SÜDENA ("Süddeutsche Nachrichten-Agentur"), und die dpd - 73 - eingeladen hatte, einigte man sich auf einen Zusammenschluss. Die SÜDENA war einen Tag vorher von dpd absorbiert worden, so dass die neu geschaffene Agentur von den Vertretern des dpd und der DENA den Namen "Deutsche Presse-Agentur" (dpa) bekam.188) Die dpa nahm ihren Dienst am 1. September 1949 auf. Dr. Anton Betz ("Rheinische Post", Düsseldorf) und Hans Heinrich ("Münchner Merkur") wurden zum 1. bzw. 2. Vorsitzenden der dpa gewählt.189) Diese Verbindung war für die Agentur der amerikanischen Zone von finanziellen Schwierigkeiten begleitet; die Lizenzzeitungen waren nach wenigen Monaten bei dpa hoch verschuldet und mussten aus ERP-Mitteln (Gelder aus dem European Recovery Program) gefördert werden. Mit diesem Programm "sollte Europa finanziell geholfen werden, um die westlichen Demokratien unanfälliger gegen sowjetische Einflußnahme zu machen. ... 17 westeuropäische Länder - darunter die drei westlichen Besatzungszonen in Deutschland und die Westsektoren Berlins - ... erhielten im Rahmen dieses Programms bis 1952 amerikanische Wirtschaftshilfe in Höhe von mehr als 13 Milliarden Dollar."189a) - 74 - TEIL II 3 Die "Frankfurter Rundschau" zwischen 1945 und 1949 3.1 Vorbereitungen zur Herausgabe der ersten Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone Die Vorbereitungen für die erste Lizenzzeitung der Nachkriegszeit begannen in der amerikanischen Zone am 30. März 1945, an dem Tag, als die Amerikaner die Stadt Frankfurt am Main einnahmen. Noch vor der Kapitulation hatte die Information Control für die Herausgabe der Armeegruppen-Zeitung "Frankfurter Presse" die beiden einander gegenüberliegenden Verlagshäuser der "Frankfurter Zeitung" und des "Generalanzeigers" in Besitz genommen. Beide Gebäude waren seit 1943 für die beiden letzten nationalsozialistischen Blätter, den "Frankfurter Anzeiger" und das Parteiorgan "Rhein-Mainische Zeitung", benutzt worden und erhalten geblieben. Als gemäß der Phase III des Presseprogramms der Amerikaner die Lizenzzeitungen die Armeegruppen-Zeitungen ablösen sollten, standen der neuen Zeitung die drucktechnischen Anlagen, wie sie von der "Frankfurter Presse" zuletzt benutzt worden waren, zur Verfügung. Weit wichtiger für die Presseoffiziere, die sich ebenfalls seit dem 30. März in Frankfurt aufhielten und den Auftrag hatten, die erste Lizenzzeitung zu gründen, war es, die geeigneten Herausgeber für das neue Projekt ausfindig zu machen. Der amerikanische Presseoffizier Cedric Belfrage, der zusammen mit seinem Kollegen Ernest Adler für die Zeitungsgründung in Frankfurt zuständig war, drückt es in seinen in Tagebuchform geschriebenen Memoiren so aus: "Wir sind nicht hier, um uns mit Maschinen zu befassen, sondern mit Menschen."190) Diese Aufgabe wurde für die Presseoffiziere dadurch erschwert, dass die Lizenzträger auf keinen Fall Anhänger des nationalsozialistischen Regimes gewesen sein durften. Die 1945 noch sehr streng gehandhabten Auswahlkriterien der Amerikaner reduzierten die Zahl der Kandidaten auf wenige Personen. Der an sich nahe liegende Gedanke, frühere Journalisten der beiden Frankfurter Blätter, des "Generalanzeigers" und der "Frankfurter Zeitung", mit dieser Aufgabe zu betrauen, wurde nicht in die Tat umgesetzt, da sich die meisten von ihnen, auch wenn sie keine Mitglieder der NSDAP gewesen waren, doch dem Regime gegenüber zumindest passiv verhalten hatten. - 75 - Die Presseoffiziere wollten den von der örtlichen Militärregierung eingesetzten Frankfurter Bürgermeister, Wilhelm Hollbach, nicht als Lizenzträger vorschlagen, da Hollbach bis zum Frühjahr 1945 Herausgeber des "Illustrierten Blatts", das in Frankfurt erschien, gewesen war. Hollbach war zwar kein Parteimitglied gewesen, hatte aber nach Ansicht von Belfrage dennoch die Grundaussagen der NS-Propaganda seiner Arbeit zugrunde gelegt. Ein weiterer Anwärter auf den Posten eines Lizenzträgers, der Herausgeber des "Generalanzeigers" und bis 1936 Redakteur der "Frankfurter Zeitung" gewesen war, Erich Dombrowski, lehnte die ihm gebotene Chance ab. Er wollte nicht mit Angehörigen "linker" Parteien zusammenarbeiten. "Journalismus", soll er gesagt haben, "ist eine Kunst und nicht ein Kampfinstrument. Anti-Nazismus ist etwas, das in der Öffentlichkeit nach einigen Wochen nicht mehr akzeptiert werden wird."191) Die Absicht Dombrowskis, alleiniger Herausgeber einer neuen Zeitung werden zu können, war von vorneherein illusorisch, da der neu geschaffene Typ der Lizenzzeitung alle antifaschistischen Kräfte vereinigen sollte. Es war der Versuch, eine unabhängige und überparteiliche Presse ins Leben zu rufen. Darum lautete auch eine der ersten Fragen des Fragebogens, den alle Bewerber um eine Lizenz beantworten mussten: "Glauben Sie, daß alle Anti-Nazi-Gruppen in Deutschland zusammenarbeiten können, und warum glauben Sie es, oder glauben Sie es nicht?" Die Idee, die Belfrage und Adler verfolgten, entsprach im Frühjahr 1945 den Vorstellungen der amerikanischen Militärregierung: Es sollten Personen für eine Lizenz gefunden werden, die in erster Linie politisch engagiert waren, wobei sie nicht unbedingt einer Partei angehören mussten. Ihre journalistischen Fähigkeiten waren von geringerer Bedeutung, da sie diese nach Ansicht der Presseoffiziere in der Redaktion erlernen konnten. Doch die Zahl derer, die während des Hitler-Regimes Widerstand geleistet oder sich darum bemüht hatten, war kurz nach Kriegsende in Frankfurt und Umgebung gering. Belfrage war sich der Schwierigkeit der Aufgabe bewusst. Er schrieb: "Es ist schwer, da wir für jede Aufgabe, die wir erfüllen müssen, zwanzig beruflich kompetente Deutsche zur Hand haben, die sich niemals gegen die Hitler-Herrschaft auflehnten. Die wenigen Überlebenden jedoch, die etwas versucht haben, sind obskure Charaktere, die gerade aus dem Gefängnis kommen; wenige von ihnen waren jemals große Fachleute auf ihrem Gebiet. Sie haben in ihrem Beruf lange Zeit nicht mehr gearbeitet und nur daran gedacht, wie sie ihr Leben retten können. Nachdem sie die Hölle durchgemacht haben, schlimmer, als es sich jemand zu Hause überhaupt vorstellen konnte, ... , sind sie in schlechter physischer und psychischer Verfassung."192) Nach zweimonatigem Suchen konnte Belfrage am 28. Mai 1945 der ICD-Zentrale in Bad Homburg die Liste der Kandidaten vorlegen, die seiner Meinung nach als Lizenzträger - 76 - geeignet schienen. Seine Wahl begründete er damit, dass die neue Zeitung eine Monopolstellung haben werde und dass es daher notwendig sei, sie einer Gruppe von Lizenziaten (und nicht einer Einzelperson) zu übergeben. Auf diese Weise werde vermieden, dass eine antifaschistische Gruppe einer anderen vorgezogen werde. 3.2 Die vorgeschlagenen Lizenzträger Der erste, den Belfrage ausgewählt hatte, war Wilhelm Knothe, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Mit seiner Hilfe sollten die weiteren Mitglieder des Teams ausgesucht werden: Nachdem die Presseoffiziere einen Kandidaten interviewt hatten, der entweder der Zentrumspartei oder der Kommunistischen Partei angehörte, führte Knothe mit ihm ein Gespräch "unter vier Augen". Endete dies ohne Streit oder Meinungsverschiedenheiten über politische Fragen oder konfessionelle Ansichten, so kam der neue Mann in die engere Wahl. Belfrage nannte diesen Prozess "testing the men out of each other". Auf diese Weise erfuhren die Presseoffiziere, inwieweit die einzelnen Personen fähig waren, ihre privaten Ansichten zurückzustellen zugunsten einer gemeinsamen Idee. So kristallisierten sich allmählich die Mitglieder einer Gruppe heraus, die von den Presseoffizieren akzeptiert wurden und die sich auch untereinander verstanden. Als nächstes musste aus dieser Gruppe ein Vorsitzender gewählt werden - dies wurde den Lizenzträgern überlassen, ebenso wie die Aufgabenverteilung der einzelnen Ressorts. Belfrage bemerkt, dass sich schon bald zwei Mitglieder des Kollegiums vor den anderen hervortaten: Wilhelm Karl Gerst, Zentrumsmitglied und Katholik, der zum Vorsitzenden gewählt wurde, und Emil Carlebach, der zwar der Kommunistischen Partei zu dem Zeitpunkt noch nicht angehörte, aber ihre Ideen vertrat. Belfrage scheint mit seiner Ansicht Recht gehabt zu haben, denn Gerst und Carlebach waren im Laufe der Zeit die beiden Personen, die auch in ihren Leitartikeln am entschiedensten Stellung nahmen. Die Ansichten, die sie vertraten, stimmten später mit denen der Militärregierung nicht mehr überein, so dass beide ihre Lizenzen verloren. Belfrage fügt seiner Bemerkung über Gerst allerdings hinzu, dass, soweit dies aus den unvollständigen Angaben, die den Presseoffizieren vorlagen, hervorging, Gerst - zusammen mit den beiden anderen Kandidaten Hans Etzkorn (SPD) und Otto Grossmann (KPD) - am wenigsten in der Lage sei, seine politischen Vorstellungen zu artikulieren.193) - 77 - Die sieben vorgeschlagenen Lizenzträger waren: Hans Etzkorn, geboren 1904, SPD-Mitglied. Belfrage schildert ihn als darauf bedacht, im Deutschland der Nachkriegszeit eine führende Rolle zu spielen. Etzkorn arbeitete vor 1933 für den "Vorwärts", die Parteizeitung der SPD, in Berlin sowie für die Zeitschrift "Volk im Bild". Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurde er Vertreter und verdiente damit seinen Lebensunterhalt bis zur Kapitulation. Im Juli 1945 wurde er Mitglied des Frankfurter Bürgerrates. Etzkorn gehörte, so Belfrage, zu den passiven Gegnern des Nationalsozialismus. Er wurde zwischen 1933 und 1945 mehrmals von der Gestapo überprüft, kam aber nie ins Gefängnis. Etzkorn übernahm nach der Lizenzierung der Frankfurter Zeitung das Feuilleton.194) Otto Grossmann, geboren 1900, war technischer Experte einer Gravierungsfirma. Als Journalist war er nur freiberuflich tätig, so dass er zwischen 1933 und 1945 seinen Beruf ohne politische Kompromisse ausüben konnte. Er gehörte der sozialdemokratischen, später der kommunistischen Partei an, fand beides unbefriedigend und neigte im Sommer 1945 wieder der KPD zu. Belfrage beschreibt ihn als den einzigen Zurückhaltenden der Gruppe. "Er behauptet nicht von sich, etwas heldenhafteres seit 1934 vollbracht zu haben, als ausländische Rundfunksendungen zu hören, aber er hat einwandfreie Ideale auf seinen Spezialgebieten Sport und Jugend und macht einen sehr ernsthaften Eindruck."195) Wilhelm Karl Gerst, geboren 1888, Katholik, Mitglied der Zentrumspartei vor 1933. Gerst begann nach dem Schulabschluss in einem Architekturbüro zu arbeiten, da er eigener Darstellung zufolge "künstlerisch begabt war". Diesen Beruf gab er bald wieder auf, um sich 1910 mit der Organisationsarbeit in der katholischen Kirche zu befassen. 1911 wurde er Herausgeber der "Hildesheimer Zeitung", einem Blatt der Zentrumspartei. Fünf Jahre später musste er diesen Posten aufgeben, da die Hildesheimer Diözese drohte, ein Konkurrenzblatt erscheinen zu lassen, falls Gerst nicht mit seinen "jüdischen Machenschaften"196) aufhörte. Doch sofort nach Kriegsende wurde Gerst in Hildesheim wieder akzeptiert. Im Oktober 1918 hielt er einen Vortrag über die Ursachen der Kriegsschuld und gab bei der Gelegenheit ein politisches Bekenntnis ab, das für ihn auch 1945 noch gültig war. Er sagte, dass mit dem Ende der Bismarck-Monarchie auch die alten Parteien verschwinden müssten. An ihre Stelle sollten neue und größere Gruppierungen treten, deren Grundlage nicht das religiöse Bekenntnis, sondern die politische Idee sein sollte. - 78 - "Ich habe nicht geglaubt, - und ich glaube es auch jetzt noch nicht - , daß Sozialismus im Prinzip ein Feind der Religion ist. Die Zeit ist für Sozialisten und linke Zentrumsanhänger gekommen, um eine vereinte demokratische Partei zu gründen. Ich wollte eine Aussöhnung der deutschen Arbeitermassen mit der Kirche zustandebringen", so Gerst.197) Aber als der Streit der Parteien untereinander über politische Theorien und Religion andauerte, war Gerst desillusioniert. Er blieb zwar Mitglied der Zentrumspartei bis zu deren Auflösung, wandte aber seine Aufmerksamkeit kulturellen Angelegenheiten zu. Sein Interesse für das Theater hatte er bereits im Ersten Weltkrieg gezeigt, als er zusammen mit Sozialdemokraten, Katholiken, Protestanten sowie mit Vertretern liberaler und konservativer Kreise in einer Volkstheaterbewegung tätig war. Hier fand er die Einigkeit verwirklicht, die er auf politischem Gebiet vergeblich suchte. Eine Theaterorganisation, die Gerst 1919 in Frankfurt gründete, gab immer wieder Anlass zu Querelen mit der katholischen Kirche, da der "Bühnenvolksbund", obwohl er als eine katholische Organisation der Kirche unterstand, versuchte, auch Protestanten für die Arbeit aufzunehmen. Trotzdem gehörten dem "Bühnenvolksbund" bald 300.000 Mitglieder an. Als die Angriffe von Angehörigen katholischer Vereine, die mittlerweile geheim der nationalsozialistischen Partei beigetreten waren, auf Gerst zunahmen, gab er 1928 seine Direktorenstelle beim "Bühnenvolksbund" auf. Zwischen 1928 und 1931 war Gerst Direktor eines Schallplatten- und Filmkonzerns198) und dabei mit der Produktion deutscher Synchronisationen für ausländische Filme beschäftigt. Die deutsche Version des Films "Der Panzerkreuzer Potemkin" brachte ihn in nähere Beziehung zu Gewerkschaften und sozialistischen Gruppen und auch zum ersten Mal mit Mitgliedern der Kommunistischen Partei. Nach einer Moskau-Reise, von der er - beeindruckt von den sowjetischen sozialen und kulturellen Organisationen - zurückkam, trat er dem Verband "Freunde des Neuen Rußland" bei. Seine Beziehungen verschafften ihm den Kontakt mit Filmproduzenten aus Frankreich, Italien, der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn und mit einigen bekannten italienischen und deutschen Kommunisten. Bis 1933 war Wilhelm Karl Gerst außerdem ständiger Mitarbeiter der Zeitung "Die Republik".199) Mitte des Jahres 1931 gab Gerst seine Arbeit bei der Film-Gesellschaft auf und gründete zusammen mit einem Sozialdemokraten ein Freilicht-Theater und einen Verlag. Beide Häuser wurden nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt; Gerst geriet damit in den Einflussbereich des Propaganda-Ministeriums. Der politische Druck, dem Gerst daraufhin ausgesetzt war (auf der Liste der Gestapo zählte er zu den aktiven Zentrumsmitgliedern), hatte zur Folge, dass er fortan nur noch auf religiösem Gebiet - 79 - tätig sein konnte. Er gründete einen katholischen Verlag in Frankfurt/Main. Seine Stelle als Vorsitzender des Freilicht-Theaters behielt er bei, um den Verdienst von jährlich 45.000 Reichsmark für den Verlag verwenden zu können. 1935 wurde ihm jedoch mit der Begründung, er sei "ein unfähiges und unzuverlässiges Element"200), gekündigt. Den Verlag in Frankfurt führte Gerst bis 1940 unter einem Decknamen weiter, da ihm jede verlegerische Tätigkeit untersagt worden war. Gerst schrieb daraufhin mehrere Artikel über die Fehler des nationalsozialistischen Regimes mit der Absicht, sie nach Kriegsende in einer eigenen Zeitung veröffentlichen zu können. Aufgrund einer Denunziation durch einen Nachbarn durchsuchte die Gestapo seine Wohnung. Obwohl die Artikel nicht gefunden wurden, wurde Gerst 1943 acht Wochen lang in Bensheim inhaftiert. Im Dezember des gleichen Jahres verurteilte man ihn zu eineinhalb Jahren Arbeitsdienst. Mit dem Eintreffen der Amerikaner wurde Gerst aus dem Gefängnis in Darmstadt befreit. Seinen Angaben zufolge hatte er durch die Nationalsozialisten Einbußen von rund 800.000 Reichsmark. Ohne Zweifel gehörte aber Gerst zwischen 1933 und 1945 aufgrund seiner führenden Position im Geschäftsleben zu einer der hoch bezahlten Persönlichkeiten. Dieses Kriterium hätte an sich schon genügt, um ihn für eine Lizenz ungeeignet erscheinen zu lassen. Für Belfrage war Gerst wohl aber deshalb interessant, weil er politisch mit ihm übereinstimmte und weil Gerst außerdem aufgrund seiner Tätigkeiten die notwendigen Vorkenntnisse für die wirtschaftliche Führung einer Zeitung mitbrachte. Die Tatsache, dass Gerst noch nach 1933 ein Theaterstück über die Hitlerjugend verlegt hatte, war Belfrage zu dem Zeitpunkt entweder nicht bekannt oder er teilte es der ICD- Zentrale nicht mit, denn dieses Faktum sollte 1946 Grund genug sein, gegen Gerst ein Spruchkammerverfahren einzuleiten.201) Belfrage zufolge war Gerst ein Mann mit starkem Willen und großer Ausdrucksfähigkeit, Sinn für Humor und der Neigung, lateinische Ausdrücke zu verwenden. Er war von Anfang an die dominierende Persönlichkeit innerhalb des Lizenzträgergremiums. Paul Rodemann, geboren am 22. 4. 1887, der älteste des Kollegiums, war Angehöriger der Sozialdemokratischen Partei. Als Vierzehnjähriger begann er eine Lehre als Küfer und arbeitete sich in den Parteijournalismus hinein. Diese Tätigkeit beendete er 1933 als Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung "Offenbacher Abendblatt".202) Danach war er größtenteils im Gefängnis oder wurde von der Gestapo überwacht. Sieben Jahre lang war er - 80 - arbeitslos. Inwieweit seine Angaben, gegen das Hitler-Regime gearbeitet zu haben, zutreffen, war 1945 für die Presseoffiziere nicht mehr festzustellen. Belfrage ist aber sicher, dass Rodemann aufgrund seiner Entwicklung und seiner Voraussetzungen niemals "gemeinsame Sache" mit den Nationalsozialisten machte, geschweige denn daran dachte. Belfrage schildert Rodemann als häufig kindlich; er sei physisch und psychisch ein zu kleiner Mann, als dass er je ein Nazi-Held hätte gewesen sein können, aber er sei ehrlich und auf- richtig. Belfrage schrieb: "Er ist ein engstirniger, aber gutherziger kleiner Mann, der das Beste für alle armen und unglücklichen Menschen tun will, ohne dabei seinen Hals unnötig weit herauszustrecken. Er hat einen kleinen Minderwertigkeitskomplex und erwähnt gerne die berühmten Sozialdemokraten und Künstler, die er getroffen hat. Er schrieb mutig gegen die Nazis in seiner Offenbacher Zeitung bis zum Jahresende 1933 und ist sehr stolz darauf, daß sogar bei der letzten Wahl die Sozialdemokraten mehr Stimmen bekamen als die Nazis in Offenbach."203) Wilhelm Knothe, geboren 1888, war wie Rodemann Sozialdemokrat. Auch er war zwischen 1933 und 1945 sehr häufig inhaftiert und stand unter Beobachtung. Knothe war als junger Mann bereits Mitglied der Partei und arbeitete bei der Pressekommission seiner Partei in Frankfurt. Zusammen mit Rodemann war er Redakteur der Zeitung in Offenbach. Belfrage teilte dem ICD-Hauptquartier wörtlich mit: "Den herausragenden Eindruck, den wir von Knothe haben und den er von sich selbst hat, ist, daß er auf Grund seiner Tatkräftigkeit und der Tatsache, daß er einer der wenigen Mitglieder seiner Partei ist, die in Deutschland überlebt haben, eine bedeutende politische Person werden wird. Er ist voll von Theorien zur Demokratie und wenn er beginnt, sie darzulegen (was er tut, wann immer er dazu Gelegenheit hat), ist es ganz unmöglich, ihn zu bremsen. ... Die humorvollen Linien in seinem Gesicht und das Zwinkern seiner engstehenden Augen täuscht. Er hat die typisch deutsche Schwerfälligkeit und den Ordnungsglauben und mag offensichtlich Komitees und Veranstaltungen, je länger, je lieber. Seine Intelligenz ist überdurchschnittlich. ... Seine Einstellung zum Sozialismus ist sicher nicht die eines Revolutionärs. ... Sein Schreibstil ist gekennzeichnet durch lange Sätze, voll von Gemeinplätzen, aber er hat die richtigen Ideen. Wir vermuten, daß er ein wertvoller Mann bei der Organisation innerhalb der Zeitung sein wird."204) Arno Rudert, geboren 1892, Mitglied der Kommunistischen Partei, war bis zur Machtübernahme Herausgeber der kommunistischen "Arbeiter-Zeitung" in Frankfurt205). Nach - 81 - 1933 verdiente er als Vertreter von Nähmaschinen seinen Lebensunterhalt. Rudert wurde mehrmals von Angehörigen der Gestapo misshandelt; seine Frau, eine in Frankfurt geborene Jüdin, war während der NS-Zeit meistens als politische Gefangene inhaftiert. Rudert selbst kam 1944 ins Arbeitslager Klausthal und blieb dort bis zur Befreiung durch die Amerikaner. Im Sommer 1945 nahmen die beiden Presseoffiziere Kontakt zu seiner Frau über die jüdische Gemeinde in Frankfurt auf, da niemand wusste, ob Rudert überlebt hatte. "Drei Wochen später", schreibt Belfrage, "erschien sie mit einem großen, abgemagerten, zurückhaltenden Mann und stellte ihn als ihren Gatten vor, der am Vorabend zurückgekommen war. Rudert erzählte vom Arbeitslager und wenn er in seiner Schilderung zu dem Punkt kam, als die Amerikaner (in Clausthal) erschienen, liefen Tränen hinter seiner Brille."206) Die Tatsache, dass Rudert noch am Leben war - ein kommunistischer Zeitungsherausgeber mit einer jüdischen Frau -, erklärte Rudert so, dass die Nationalsozialisten zwei Akten von ihm angelegt hätten. Die eine betraf seine politische Aktivität, die andere sein "rassisches Verbrechen", eine jüdische Ehefrau zu haben. Die beiden Aktenstücke befanden sich in zwei verschiedenen Abteilungen; er wurde deshalb immer nur für ein Vergehen eingesperrt, nie aber für beide zusammen. Die Ursache für seine Internierung in Klausthal war sein "rassisches Verbrechen". Über seine politischen Aktivitäten vor 1933 schien dort nichts bekannt gewesen zu sein. Dabei war Arno Rudert der kommunistischen Bewegung bald nach dem Ersten Weltkrieg beigetreten, da er im Krieg einen leidenschaftlichen Hass gegen den preußischen Militarismus empfunden hatte. Belfrage urteilte über Rudert: "Er ist außerordentlich sensibel, ein wahrer Gefühlsmensch. Er kommt aus einer armen Familie ... und so sind es offensichtlich die Leiden der Familie, die ihn während seiner Entwicklung zum Revolutionär machten."207) Er sei, so Belfrage weiter, "für einen Kommunisten erstaunlich proamerikanisch. Er erwähnt Stalin kaum, erklärt, dass Kommunismus und Sozialismus ... nicht die Lösung sein können, sondern nur die Demokratie, und spricht dauernd von Eisenhower und der klugen Politik, die er in seinen Reden äußert."208) "Aus dem Verhalten unserer Armee ihm gegenüber hält Rudert unsere Demokratie für vollkommen und versteht nicht, was für harte interne Kämpfe es bei der Durchführung gibt."209) Rudert soll nach dem Testgespräch mit Wilhelm Knothe gesagt haben, er sei bereit, als Gleichberechtigter mit Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten, aber nicht als - 82 - Untergeordneter. Emil Carlebach fügte dem Lebenslauf von Rudert die Bemerkung an, Rudert sei 1933 aus der Kommunistischen Partei wegen "Feigheit" ausgeschlossen und 1945 wieder aufgenommen worden.210) Emil Carlebach, geboren 1914, war der Jüngste der sieben Lizenzträger. Aufgewachsen in einer wohlhabenden jüdischen Familie in Frankfurt/Main, wo die "Frankfurter Zeitung" "die Bibel war"211), neigte Carlebach schon früh zu den Ideen des Sozialismus. Er, der während seiner Schulzeit Mitglied des Sozialistischen Schülerbundes gewesen war, wurde nach dem Abitur 1932 kaufmännischer Lehrling im Geschäft seines Vaters in Frankfurt. Im Mai 1933 verhaftete man ihn, als er antifaschistische Flugblätter in Gewerkschaftskreisen verteilte. Nach sechs Wochen wurde er entlassen, fand eine Arbeit in Frankreich, doch war ihm die Existenz im Ausland so verleidet, dass er Ende 1933 nach Deutschland zurückkehrte und weiterhin Untergrundarbeit betrieb. Er schrieb ein illegales Flugblatt auf Anregung eines Kameraden, der sich als Agent der Nationalsozialisten entpuppte und Carlebach an die Gestapo auslieferte. Carlebach kam daraufhin für drei Jahre ins Gefängnis wegen Vorbereitung zum Hochverrat.212) Im Januar 1937 wurde er entlassen. Bereits drei Monate später, am 3. April 1937, brachte man ihn nach Dachau und 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald. Dort blieb er bis zur Befreiung durch die amerikanischen Truppen im April 1945. Nach der Befreiung wurde Carlebach zum Vertreter der politischen Gefangenen aus Hessen gewählt.213) An sich, so Belfrage, konnten Deutsche, die 1945 nicht älter als 35 Jahre waren, für eine Lizenz nicht in Frage kommen, da sie zu sehr von den Ideen des Nationalsozialismus beeinflusst worden seien. "Nur in Konzentrationslagern", meinte er, "ist es für Deutsche in Carlebachs Alter möglich gewesen, jeder demokratischen Idee zugänglich zu sein".214) Das mache ihn für eine Lizenz geeignet, außerdem seien sich die Presseoffiziere mit den übrigen Kandidaten einig, dass eine demokratische Presse nicht ohne einen jungen Mann aufgebaut werden könne. Carlebach selbst hält seine Nominierung als Lizenzträger für eine Verwechslung: "Nicht ich bin zu den Amerikanern, sondern die Amerikaner haben mich für die Zeitung geholt, ohne daß ich überhaupt wußte, wofür sie mich holen wollten. Denn die Amerikaner haben mich verwechselt mit meinem Großvetter Esriel Carlebach, der war Chefredakteur einer großen zionistischen Zeitung in Israel. Unter E. Carlebach haben die gedacht, das ist der, die hatten - 83 - keine Ahnung, daß sie einen Kommunisten erwischen, die dachten, sie bekommen einen Zionisten. Ich wußte nicht, daß sie mich für die Presse wollten, ich wußte nur, daß ich einen Fragebogen ausfüllen mußte, und das habe ich als guter Deutscher auch getan, ohne eine Ahnung zu haben, was damit geschehen sollte. Dann kam ich zur Information Control Division. Hier habe ich dann Knothe, Gerst und die anderen kennengelernt."215) Im Gespräch mit der Autorin berichtete Carlebach zwar den gleichen Hergang, räumte aber ein, dass er durchaus die Chance erkannt habe, nach dem Krieg einen Beruf bekommen zu können. Nicht umsonst enthielten seine Antworten auf die 220 Fragen des Fragebogens einen beschönigenden Hinweis auf seine journalistischen Tätigkeiten vor 1933.216) Carlebach, laut Belfrage eine bemerkenswerte Erscheinung, besaß allerdings außer ein wenig freiberuflicher redaktioneller Arbeit keinerlei journalistische Erfahrung. Dafür waren seine politischen Vorstellungen umso klarer. Wenn er auch im Frühjahr 1945 noch kein Mitglied der Kommunistischen Partei war, trat er doch bald darauf in diese Partei ein, deren Programm er schon im Konzentrationslager gutgeheißen hatte. "Wir können uns nicht den Luxus von unrealistischen Tendenzen erlauben", soll Carlebach gegenüber den Lizenzträgern und den Presseoffizieren 1945 gesagt haben. "Wir müssen lernen, wie man überleben kann, und wir müssen weiterkämpfen."217) Belfrage meinte dazu: "Er (Carlebach) ist an gar nichts interessiert, außer daran, den Kampf gegen das fortzusetzen, was Buchenwald verkörperte, und er hat nicht die Absicht, Handschuhe dabei zu tragen."218) So begeistert Belfrage von Emil Carlebach war, so schwer wurde es für den Presseoffizier, den vorgeschlagenen Kandidaten bei der Intelligence Branch der ICD durchzusetzen. Die Liste der Bewerber, die für eine Lizenz in Frage kommen sollten, hatte Belfrage Ende Mai 1945 an das ICD-Hauptquartier gegeben. Die am 10. Juni des Jahres darauf gegebene Antwort von General McClure ließ Zweifel an der Wahl Emil Carlebachs erkennen. Nachdem Belfrage zu der Idee, in Frankfurt eine neue Zeitung zu gründen, beglückwünscht worden war, äußerte man Besorgnis über Berichte, die zur Person von Carlebach eingegangen seien. Einerseits hatte sich Eugen Kogon, Österreicher und wie Carlebach in Buchenwald interniert, über seinen Mitgefangenen negativ geäußert,219) andererseits hatte das Intelligence Team der ICD Ermittlungen im Fall Carlebach vorgenommen. Ungefähr 20 Insassen des Konzentrationslagers, die noch immer in Buchenwald waren, hatte man interviewt mit dem Ergebnis, dass "1. Carlebach, infolge seiner politischen Beziehungen, zu jeder Zeit die Möglichkeit hatte, sich die führenden Positionen in Buchenwald zu verschaffen, und als Block-Senior, während er für sich harte Arbeit vermied, erbarmungslos und brutal wegen der geringsten Belanglosigkeiten gegen ältere und - 84 - schwächere Mitgefangene verfuhr. 2. er in eine Reihe von Intrigen gegen Mitgefangene verwickelt und mitschuldig an den Verbrechen war, indem er die Namen seiner Feinde auf sogenannte 'shipping-out'-Listen setzte. Erfahrungsgemäß wurden diese Personen von der SS umgebracht."220) Das Intelligence Team stellte weiter fest, dass die Mitgefangenen sehr zurückhaltend mit ihren Äußerungen über Carlebach waren. Sie erweckten die Eindruck, als stünden sie noch immer unter seiner Gewalt. In seiner schriftlichen Antwort vom 14. Juni bezweifelte Belfrage die Angaben der Intelligence-Offiziere und bat um Namen und Hintergründe der Personen, die gegen Carlebach ausgesagt hatten. Belfrage glaubte nachweisen zu können, dass weder Eugen Kogon noch die meisten anderen Buchenwald-Insassen der gleichen Überzeugung waren.221) Soweit aber Beschuldigungen von Einzelnen hervorgebracht wurden, erschienen sie den Presseoffizieren nicht schlüssig zu sein. Das vorläufige Ende der Meinungsverschieden- heiten innerhalb der ICD war, dass Emil Carlebachs Name aus der Vorschlagsliste gestrichen wurde. Hätten es die beiden Presseoffiziere damit bewenden lassen, so wäre Carlebach wohl nicht Lizenzträger geworden. Aber Belfrage setzte sich für Carlebach bei der Press Section, die mittlerweile von Paris nach Bad Homburg umgezogen war, ein. Er argumentierte, dass es für Außenstehende, vor allem für Offiziere der amerikanischen Intelligence Branch, beinahe unmöglich sei, Situationen, wie sie sich in Konzentrationslagern ergeben hätten, beurteilen zu können. Fehler, die in der übrigen Welt begangen würden, seien in ihrer Auswirkung und Schwere gänzlich von denen verschieden, die im KZ gemacht würden. (Belfrage bezog sich hier auf die Kritik der ICD, Carlebach sei wegen der geringsten Kleinigkeiten brutal gegenüber Mitgefangenen gewesen.) Sei also von einer moralischen Schuld des Kandidaten die Rede, so stehe es den Presseoffizieren, also auch den ICD-Angehörigen, nicht an, darüber zu urteilen.222) Er befürwortete Carlebachs Mitgliedschaft im Lizenzträgergremium so: "1. Er ist der vitalste und verständigste junge Mann, der brauchbare Fähigkeiten für die Arbeit an einer Zeitung hat; eine neue Presse kann nicht nur mit Graubärten aufgebaut werden. 2. Die sechs anderen Mitglieder des vorgeschlagenen Teams versicherten, als sie von den Vorwürfen allgemein informiert worden waren, noch einmal ihr Vertrauen in Carlebach und - 85 - erklärten, daß sie, in der Hoffnung, Carlebach als Mitherausgeber zu sehen, keinen anderen Vorschlag für diesen Posten machen würden. 3. Die Lizenzbestimmungen besagen, daß jedem Lizenzträger jederzeit ohne Angabe von Gründen die Lizenz entzogen werden kann. Sollte es weitere Anhaltspunkte geben, die die Behauptungen gegen Carlebach untermauern, so wird es einfach sein, ihn zu entlassen."223) Belfrage erwähnte außerdem, dass von Seiten der ICD eine Direktive bekannt gegeben werden müsse, falls Kommunisten als Lizenziaten nicht berücksichtigt werden sollten. Bis jetzt, sagte er, sei das noch nicht angeordnet worden. Im Gegenteil: Eine der Direktiven nenne ausdrücklich Kommunisten unter den antifaschistischen Gruppen.224) Carlebach, zu den Vorwürfen befragt, soll gesagt haben, dass es selbstverständlich politische Differenzen zwischen den Gefangenen gegeben habe, einige seien sogar unversöhnlicher Art gewesen. Er stehe aber zu seinen getroffenen Entscheidungen.225) Das Schreiben von Belfrage an das ICD-Hauptquartier hatte den Erfolg, dass Carlebach als Mitlizenziat zugelassen wurde. Am 13. Juli, sechseinhalb Wochen, nachdem die Unterlagen abgeschickt und durch die Untersuchungsabteilungen in Bad Homburg gegangen waren, kam die Bestätigung. Für die Presseoffiziere war damit ein großer Teil der Vorbereitungen abgeschlossen. Trotz der Schwierigkeiten, die es mit der Befürwortung einiger der Kandidaten gegeben hatte, meinte Ernest Adler, dass im Sommer 1945 den Presseoffizieren noch relativ viel Spielraum bei der Auswahl der zukünftigen Herausgeber gelassen worden sei. Hätten Belfrage und er, so argumentierte Adler, der ICD-Zentrale einen beschönigenden Bericht über Hollbach und Dombrowski geschrieben, so wäre diesen die Lizenz erteilt worden, anstatt dem Kollegium, das vornehmlich aus Gefängnisinsassen bestand.226) Das Lizenzierungsgremium mit McClure an der Spitze war im Sommer 1945 nichts anderes als die rechtsverbindliche Fixierung, dass die Vorschläge der Presseoffiziere nicht den Direktiven zuwiderliefen.227) Andererseits erwähnte Adler, dass es jetzt bereits Leute gäbe, die ihm und Belfrage Vorwürfe machten, nur Personen für eine Lizenz zu akzeptieren, die unter den Nationalsozialisten gelitten hätten. Eine Überprüfung ihrer fachlichen Kenntnisse würde nicht vorgenommen.228) Die Zustimmung der ICD, Carlebach die Lizenz zu erteilen, war - so Adler - allein darauf zurückzuführen, dass man in Bad Homburg keine Gründe gegen eine Nominierung angeben konnte. Ganz offensichtlich hätten gegen Carlebach dessen politische Anschauungen gesprochen, aber mit denen durfte nicht argumentiert werden, da die - 86 - Direktiven Kommunisten als Lizenzträger nicht ausschlossen. "Die (anderen) vorgeschobenen Einwände konnten schnell entkräftet werden", schrieb Adler.229) So waren also am 13. Juli 1945 die personellen Voraussetzungen für die Herausgabe der ersten Lizenzzeitung nach dem Krieg in der amerikanischen Zone geschaffen worden, nachdem die Diskussionen um Emil Carlebach sechs Wochen der Verzögerung gebracht hatten. 3.3 1. August 1945: Die erste Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" erscheint Nachdem am 31. Juli 1945 der Leiter der Information Control Division, General Robert A. McClure, den sieben Kandidaten die Lizenzen für die Herausgabe der ersten Lizenzzeitung erteilt hatte, erschien am 1. August die erste Ausgabe der neuen Zeitung, der "Frankfurter Rundschau". Nach Ansicht der örtlichen Presseoffiziere wäre es nötig gewesen, die erste lizenzierte Zeitung in Deutschland nach dem Krieg schon früher erscheinen zu lassen. Die eingetretene Verzögerung (immerhin vergingen vier Monate vom ersten Eintreffen der Lizenzierungsoffiziere bis zur Herausgabe des Blattes) ist wahrscheinlich auf zwei Gründe zurückzuführen: 1. hatte sich General McClure gegen eine frühzeitige Lizenzierung gewandt. Ihm missfiel offenbar die Wahl der vorgeschlagenen Lizenzträger, denn er schrieb dem amerikanischen Besatzungsoffizier Colonel Pley, die Lizenzierung solle langsamer vor sich gehen, "da die Möglichkeit besteht, bei den aus Amerika heimkehrenden Kriegsgefangenen qualifiziertes Personal zu finden."230) 2. verursachte die Überprüfung des jüngsten Lizenzträgers, Emil Carlebach, eine Verzögerung von mehr als einem Monat. Außerdem dürfte der Einfluss Hans Habes bei der ICD ein weiteres Hinauszögern der Lizenzierung bewirkt haben, da Habe als Herausgeber der Armeegruppen-Zeitungen daran gelegen war, seine regionalen Blätter auch weiterhin verbreiten zu können. In der Bevölkerung bestand aber offensichtlich der Wunsch nach mehr Information, so jedenfalls ergaben es die in Frankfurt gemachten Umfragen der Amerikaner.231) Die Zeitung der 12. Amerikanischen Heeresgruppe, die "Frankfurter Presse", war wahrscheinlich als Informationsquelle unzureichend. - 87 - Trotz der relativ langen Zeit der Vorbereitung wurde bei der Herausgabe der ersten Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" mehr improvisiert als bei allen weiteren Lizenzzeitungen. Das Blatt, das in einer Startauflage von einer halben Million erschien, hatte ein geringes Maß an technischem Vorlauf; es fehlte ein Telegraphensystem, auf Telefone musste vorerst verzichtet werden, und die für die Lokalreporter so wichtigen Verkehrsmittel wie Autos und Fahrräder waren so gut wie gar nicht vorhanden. Die Anfänge waren mit Schwierigkeiten verbunden, die die "Frankfurter Rundschau" anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums in bewegten Worten schildert. Die Zeitung schreibt: "Auch die Große Eschenheimer Straße war völlig verschüttet. Hier am Eschenheimer Turm war das Zeitungsviertel gewesen. Das frühere Verlagshaus der 'Frankfurter Zeitung' war ein Ruinenkomplex. Doch die Gewölbe der Keller hatten den Bomben standgehalten; die Rotation und einige Setzmaschinen waren ohne größere Beschädigungen geblieben. Durch die Schillerstraße konnte man in die 'Unterwelt' jenes Gebäudes gelangen. Schon bald hatten Setzer, die ihren alten Arbeitsplatz aufsuchten, einige Maschinen vom Schmutz befreit, und man konnte wieder das helle, feine Klingeln der Matrizen vernehmen - Musik in den Ohren der Zeitungsleute."232) Eine Würdigung der Lizenzträger sucht man in der "Frankfurter Rundschau" vom 1. August 1970 allerdings vergeblich. Nicht einmal eine bloße Namensnennung schien den Gestaltern der Jubiläumsausgabe opportun. Als die Zeitung erschien, hatte sie 220 Angestellte. Sie kostete im Einzelverkauf 20 Pfennige, im Monatsabonnement 1.30 Reichsmark, zuzüglich 65 Pfennigen Post- bzw. Zustellgebühr. Während der ersten Wochen ihres Erscheinens wurde sie auch von vielen Lesern außerhalb Frankfurts gelesen, da sie außer der "Neuen Zeitung" in München keine Konkurrenz in der amerikanischen Zone hatte und einen großen Leserkreis abdecken musste. (So erklärt sich auch die hohe Startauflage von einer halben Million Exemplaren.) Vorläufig erschien die "Rundschau" zweimal wöchentlich. Die Lizenzträger übernahmen innerhalb der Redaktion einzelne Ressorts: Hans Etzkorn bearbeitete das Feuilleton; Paul Rodemann und Arno Rudert sammelten Weltnachrichten aus London, die aus den USA gesendet wurden, wobei Rudert Leiter des Ressorts 'Politik' wurde; Emil Carlebach leitete die Abteilung 'Lokalnachrichten'233); Otto Grossmann war für den Sport verantwortlich; Wilhelm Knothe sah sein eigentliches Betätigungsfeld in der Arbeit für die Sozialdemokratische Partei, und Wilhelm Karl Gerst oblag die Geschäftsführung der Zeitung. Außerdem schrieb er, wie die meisten anderen Lizenziaten, Leitartikel und nahm Stellung zu politischen und gesellschaftlichen Ereignissen der Zeit. - 88 - Aber bereits während an der Herausgabe der ersten Ausgabe gearbeitet wurde, begann die Diskussion um die politische Vergangenheit der Lizenzträger zwischen dem ICD- Hauptquartier und den Presseoffizieren erneut. Diesmal ging es um Wilhelm Karl Gerst. Der ICD war eine Kopie jenes Theaterstücks zugegangen, das Gerst 1933 in seinem Verlag veröffentlicht hatte mit dem Titel "Die Hitlerjugend marschiert". Von Gerst erwartete man eine befriedigende Antwort, warum er dieses Stück publiziert hatte, anderenfalls sollte ihm die Lizenz wieder entzogen werden. Den Presseoffizieren missfielen die Aktionen, die von Bad Homburg aus gestartet wurden, außerordentlich. Ihrer Ansicht nach war es den führenden Offizieren der Information Control unmöglich, sich ein wahres Bild von den Leuten, über die sie urteilten, zu machen.234) Gerst wurde von einem Büro in ein anderes in Bad Homburg gebracht, um persönlich zu seinem Verhalten zwischen 1933 und 1934 Stellung zu nehmen. Die Lizenz wurde ihm, so Belfrage, schließlich deshalb nicht entzogen, weil McClure selbst die Art der Beschuldigungen, wie sie gegen Gerst vorgebracht worden waren, nicht schätzte. Angeblich hatte die ICD das Theaterstück von einem Mann aus der Gruppe um Erich Dombrowski erhalten. Dombrowski soll sich auf diese Weise dafür revanchiert haben, dass ihm die Lizenz für seinen Beruf nicht (wieder)gegeben worden war. Belfrage glaubte die gleiche Haltung bei dem amerikanischen Militärgouverneur von Frankfurt festgestellt zu haben, da über ihn verlautete, er betrachte den Misserfolg der Presseoffiziere ohne Kummer.235) Ganz geklärt wurden die Vorwürfe gegen Gerst allerdings nicht. Belfrages Bemerkung McClure gegenüber, die Haltung der Amerikaner zu ihrem Entnazifizierungsprogramm werde unglaubwürdig, wenn man Gerst die Lizenz entzöge, während die deutschen katholischen Bischöfe, die immer noch für Hitlers Sieg beteten, unbehelligt blieben, machte auf den Chef der ICD wenig Eindruck.236) Er hielt die Darstellung Gersts für nicht schlüssig. Belfrage meinte bereits zu diesem frühen Datum Anzeichen dafür erkannt zu haben, dass der ursächliche Grund für die Kritik an den ausgewählten Lizenzträgern politischer Natur sei. Die Art und Weise, in der alle Lizenziaten sich schon vor dem ersten Erscheinen der Zeitung für die Zusammenarbeit aller antifaschistischen Parteien einsetzten, die Tatsache weiterhin, dass in ihrer politischen Überzeugung (wenn auch nicht in ihrer ehemaligen Parteizugehörigkeit) der größere Teil der Herausgeber kommunistisch dachte, beunruhigte die maßgeblichen Männer in Bad Homburg.237) Weitere Unruhe und Ärgernisse bei der Vorbereitung der Zeitung brachte ein nochmaliger Versuch, die kommunistischen Lizenzträger auszuschalten. Nachdem Gerst gerade aus Bad - 89 - Homburg zurückgekommen war und ihm die Lizenz nicht entzogen wurde, erschienen zwei OSS-Angehörige in Emil Carlebachs Büro, um ihn auszufragen. "Sie fragten, ob er ein Marxist sei, was er natürlich zugab, und dann wollten sie wissen, was für Beziehungen er außerhalb Deutschlands habe und was er über die Entwicklung in der sowjetischen Zone wisse."238) Die Ereignisse um Gerst und Carlebach trugen allerdings nicht dazu bei, den Start der neuen Zeitung ein zweites Mal zu verzögern.239) Am 1. August 1945240) erschien die "Frankfurter Rundschau", wenn auch mit einigen Stunden Verspätung. Die Exemplare für Frankfurt241) waren binnen kurzem ausverkauft. Ein erster Blick auf die Reaktionen der Leser zeigte, dass die Mehrheit mit dem Blatt einverstanden schien. Andererseits erwartete man die negativen Äußerungen der Intellektuellen und der wohlhabenden Minderheit Frankfurts, die eine Wiederkehr der gehobenen Zeitungstradition wünschten. Die erste Ausgabe mit einem Umfang von vier Seiten und dem Vermerk: "Veröffentlicht unter Lizenz Nr. 2 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung" brachte auf der ersten Seite unter der Überschrift "Absolute Mehrheit der Arbeiterpartei; Attlee - der neue Premierminister" das Ergebnis der englischen Unterhauswahlen. Außerdem begrüßte auf derselben Seite der Offizier der Militärregierung (MGO - Military Government Officer) von Frankfurt das Erscheinen der Lizenzzeitung mit den Worten: "Diese Erstausgabe der 'Frankfurter Rundschau' stellt einen wichtigen Schritt in der Rehabilitierung Frankfurts dar. In vieler Beziehung ist das Erscheinen einer deutschen Zeitung - redigiert und herausgegeben von Frankfurtern - mehr ein Zeugnis für den Fortschritt in der Wiedererrichtung einer demokratischen, friedliebenden Nation, als andere bemerkenswerte Leistungen der letzten paar Monate . . . Das Erscheinen der Zeitung, der ersten deutschen Zeitung, die von Deutschen in der amerikanischen Besatzungszone herausgegeben wurde, zeugt von dem Vertrauen, das die Militärregierung in das deutsche Volk setzt, daß es sich auf eine demokratische Lebensweise und die Vorrechte eines freien Volkes umstellen wird. Die langen Jahre hindurch, als der Druck des Nazismus über dem Reich hing, kannte Deutschland das Recht auf eine freie Presse nicht. Das deutsche Volk kannte nicht das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Statt dessen war es einer Presse ausgesetzt, die sich von Verleumdungen und Lügen nährte. Die Armee der Vereinigten Staaten begrüßt die Wahrheit, und die Militärregierung hält es für ratsam, daß diese Zeitung als Vermittler von lokalen und Weltnachrichten dient. Eine schwere Verantwortung lastet auf den Herausgebern der Zeitung und auf deren Lesern. Den ersteren ist damit ein wichtiges Instrument in die Hand gegeben worden, um die Neuerziehung und den Wiederaufbau des deutschen - 90 - Volkes zu beschleunigen; die letzteren, die breite Masse, haben die Verpflichtung und den Vorzug, die Zeitung zu lesen und die Nachrichten zu verarbeiten. Dadurch werden die Leser aufgeklärt und in die Lage versetzt, die Verantwortung als Bürger des neuen Frankfurts und des neuen Deutschlands zu übernehmen."242) Auf der gleichen Seite gaben die sieben Herausgeber unter der Überschrift "Der neuen Zeitung zum Geleit" in wenigen Worten das Erscheinen ihres Blattes bekannt.243) Auf der zweiten Seite, an der Stelle, an der in den folgenden Ausgaben der Leitartikel abgedruckt werden sollte, äußerten sich die Herausgeber zu ihren Vorstellungen, die sie in der Zeitung verwirklichen wollten. Überschrieben "Im Zeichen der Demokratie" und verfasst von Arno Rudert, lautete der Artikel: "Die 'Frankfurter Rundschau' tritt heute an die Öffentlichkeit - die erste Nummer eines neuen Blattes, das in Frankfurt am Main von Deutschen herausgegeben und geschrieben wird. Es war kein Geheimnis mehr, sondern viele Interessierte in dieser Stadt wußten, daß seit Wochen Vorbereitungen im Gange seien, um dieses Blatt herauszubringen. Noch ehe es sich präsentierte, hatte es in manchen Kreisen bereits Freunde und - Gegner. Nun - diese Zeitung stellt ein Novum dar, ein Novum nicht nur in der Geschichte der Frankfurter Zeitungen, sondern in der gesamtdeutschen Zeitungsgeschichte überhaupt. Dieses Neue im deutschen Zeitungswesen besteht in der - für die deutsche politische Begriffswelt von früher nicht vorstellbaren - unerhörten Tatsache, daß sich zu dem Werk dieser Zeitungsgründung Deutsche aus verschiedenen politischen Lagern zusammengetan haben, die von einem gemeinsamen Willen beseelt sind; dem Willen zum Wiederaufbau auf der Grundlage echter demokratischer Zusammenarbeit. Das ist wirklich etwas Neues, etwas Unerhörtes im deutschen Zeitungswesen. Wie? - hören wir sagen - soll das heißen, daß etwa Zentrumsleute zusammen mit Sozialdemokraten und Kommunisten eine Zeitung machen? Das hat es allerdings noch niemals gegeben in Deutschland! Kann das Bestand haben? Wird das die schweren Gewichte der politischen Wirklichkeit aushalten? Es ist klar, daß politisch interessierte Journalisten, die vor diese Aufgabe gestellt waren, sich genau diese Frage in allererster Linie vorlegen mußten. Und wenn sie sie bejahten, so nicht nur in Erinnerung an die zwölf Jahre Qual der Hitler- Zeit, an gemeinsames Leid in nazistischen Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern, sondern vor allem auch in Hinblick auf den ewigen Vorwurf, den wir uns alle zu machen haben. Woran lag es, daß wir Hitlers Machtantritt nicht verhindern konnten? Wer sich von den politischen Fehlern nicht freimachen kann, deren Ergebnis das sogenannte "Dritte Reich" war, wer in den fehlerhaften politischen Anschauungen, die Hitler das Aufkommen so leicht machten, beharrt -, der mag zweifeln. Wir zweifeln nicht - wir wollen ebenso unseren Willen zur Zusammenarbeit wie die Ergebnisse unserer gemeinsamen Arbeit am Wiederaufbau vor aller Öffentlichkeit unter Beweis stellen. Ohne demokratische Zusammenarbeit ist der Wiederaufbau nicht möglich, weder politisch noch wirtschaftlich. Die 'Frankfurter Rundschau' sieht ihre vornehmste - 91 - Aufgabe darin, Vorbild zu sein für eine solche Auffassung von dem schweren Werk, das Deutschland jetzt in Angriff zu nehmen hat ... Als amerikanische Truppen Ende März die Stadt Frankfurt besetzten, begannen sofort Besprechungen mit politischen Vertretern des Anti-Nazismus, darunter Zeitungsfachleuten und Journalisten. Es waren nicht viele, die sofort erreichbar waren. Die meisten hungerten damals noch in Kerkern, hinter deren Gittern die Nazis ihre Gegner festhielten, oder in Konzentrationslagern soweit sie überhaupt noch lebten. Wer befreit werden konnte, verstärkte die Gruppe der Frankfurter Journalisten, die begeistert war von dem Plan einer Zeitungsgründung unter dem Aspekt demokratischer Zusammenarbeit. Und es muß hier gesagt werden, daß die Repräsentanten der Besatzungsmacht, in deren Verantwortungsbereich die Zeitungsgründung lag, die Verhandlungen mit einem hohen Maß politischer Einsicht und vornehmer Gesinnung führten: jeder beteiligte Deutsche war bei vollkommen offener Aussprache vollkommen frei in seinen Entschlüssen. Die Zeitungsgründung erfolgte auf dem Trümmerhaufen, den das Hitler-Regime hinterlassen hat. Es mußte alles von vorn begonnen und vieles improvisiert werden. Auch jetzt noch wirken sich - in Umfang und Erscheinungsweise - alle die Widrigkeiten aus, die in unserem gesamten öffentlichen und wirtschaftlichen Leben bekannt sind. Jedoch - wir haben optimistisch begonnen - und dieser Optimismus soll uns weiter begleiten. Noch kann dieses Blatt nicht in dem Umfang erscheinen, den wir uns wünschen. Noch kann es nicht jeden Tag herauskommen. Aber wir werden keine Anstrengung scheuen, um eigenen Wünschen - und damit zweifelsohne den Wünschen unserer Leser - Rechnung zu tragen. W i r w o l l e n z u s a m m e n a r b e i t e n; wir wollen uns nicht mit Zweifeln herumschlagen, sondern dem innersten Wesen der Demokratie nahekommen. Millionen Menschen wären noch am Leben, wenn wir das früher rechtzeitig getan hätten. Auch am Erfolg der Weltfriedenskonferenz in San Franzisco wurde gezweifelt. Aber die 'Vereinten Nationen' gaben den Zweiflern unrecht, und kein anderer als Präsident Truman gab dem stolzen Ergebnis dieser Konferenz guten Ausdruck, als er sagte: 'Wie viele haben gezweifelt, daß es möglich wäre, ein Übereinkommen zwischen fünfzig Völkern zu erreichen, die so verschiedenartig in ihrer Abstammung, Religion, Sprache und Kultur sind. Aber diese Unterschiede sind vergessen worden über der unerschütterlichen Einheit des Willens, allen Kriegen ein Ende zu setzen.' An diese Worte wollen wir denken und uns daran ein Beispiel nehmen - wir vereinten Antifaschisten wollen Unterschiede vergessen!"244) Während auf den ersten Seiten der Zeitung neben Nachrichten über politische Ereignisse sowie über den Wiederaufbau Deutschlands in der Nachkriegsphase berichtet wurde (Wilhelm Karl Gerst schrieb einen Artikel über den "Kulturellen Wiederaufbau: Das Gesetz 191"), fand sich auf Seite vier ein Hinweis der Redaktion auf die technischen Unzulänglichkeiten, die sich bei der Produktion der Zeitung ergaben und ergeben würden. "Jeder unserer Leser - und auch jeder unserer Mitarbeiter! - soll sich immer vor Augen halten, daß zwischen dem Stoffandrang und dem Umfang der zwei Zeitungsnummern, die - 92 - wöchentlich herauskommen, ein Mißverhältnis besteht. Das wird erst dann aufhören, wenn die Papierzuteilung gesichert ist."245) Die zweite Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" erschien drei Tage später, am Samstag, den 4. August, diesmal mit sechs Seiten Umfang. Während der nächsten drei Monate sollte dieser Modus beibehalten werden: Die Mittwochausgabe hatte einen Umfang von vier Seiten; die Samstagausgabe umfasste sechs Seiten, wobei das Verhältnis von Text zu Anzeigen eins zu acht war. Die Aufnahme von Anzeigen durfte aufgrund einer Bestimmung diesen Anteil nicht übersteigen.246) In dieser zweiten Ausgabe, in der Paul Rodemann den Leitartikel über den Sieg der englischen Labour-Partei schrieb247) und Hans Etzkorn zum "neuen deutschen Feuilleton" Stellung nahm248), erschien auch ein Artikel über den "Start der 'Frankfurter Rundschau'. Ein bedeutungsvoller Akt für Frankfurt am Main, die Stadt der großen demokratischen Tradition im deutschen Journalismus."249) Rückblickend wird über die Lizenzvergabe durch General McClure an die Lizenzträger berichtet und dessen Ansprache sinngemäß wiedergegeben. Seite drei enthielt den Dank der Redaktion an die Leser, "die durchweg Freude über die neue Zeitung und Anerkennung ihrer Ziele zum Ausdruck brachten."250) Wilhelm Knothe schrieb unter der Überschrift: "Motore des Friedens" über die deutschen Gewerkschaften.251) Eine Woche später, am Samstag, 11. August, begann auf Seite fünf der Zeitung eine Leitartikelserie, überschrieben "Unser Wille zur Zusammenarbeit", in der alle Lizenzträger ihre politischen Vorstellungen darlegten. Wilhelm Karl Gerst war der erste, der unter dem Titel "Ich spreche als Katholik" den Anfang machte. Sein Bekenntnis zur "Zusammenarbeit aller Antifaschisten, Zusammenarbeit mit den Sozialisten aller Gruppen, also auch mit den Kommunisten", erregte in Teilen der Öffentlichkeit Ärgernis und löste anhaltende Diskussionen aus. Vor allem die katholische Kirche war empört, weil Gerst an sie die Frage gerichtet hatte, inwieweit ihre Haltung während des Hitler-Regimes eindeutig und kompromisslos gegen Hitler gewesen sei. Aber auch die konservativen Kreise Frankfurts fühlten sich angegriffen, da Gerst geschrieben hatte: "In den drei Monaten, die ich nun wieder in meiner Vaterstadt Frankfurt a.M. und in Freiheit bin, habe ich mit gespanntester Aufmerksamkeit alle Bemühungen verfolgt, an die Stelle der alten Parteien, die es vor 1933 gab, neue politische Willensträger zu setzen, besser gesagt, die Parteienbildung in kleinen Zirkeln vorzubereiten. In den Kreisen der früheren Sozialisten und jenen der Kommunistischen Partei hatte man sich bald auf einer neuen Linie gefunden und den Willen zur Zusammenarbeit mit den außerdem noch vorhandenen - 93 - antifaschistischen Kreisen eindeutig und überzeugend bekundet. In anderen Kreisen aber, einschließlich der früheren Zentrums-Partei, herrscht Unschlüssigkeit. Man überlegt und probiert die verschiedensten politischen Kombinationen und findet zu keiner großzügigen Konzeption der gegenwärtigen und einzigen politischen Aufgabe, nämlich der Zusammenarbeit. Viele, die Zusammenarbeit sagen, meinen nur Koalition, Koalition nach altem parlamentarischem Muster, oder sie meinen Zusammenarbeit mit einer reservatio mentalis, Zusammenarbeit auf Kündigung, Zusammenarbeit, weil es im Augenblick und unter den Augen der Besatzungsmacht vermeintlich nicht anders geht. ..." Weiter schrieb er, dass, wenn er sich als Katholik die Frage nach einer gemeinsamen Grundlage mit Sozialisten und Kommunisten stelle, sie in drei Punkten gegeben sehe: "1. in einer gemeinsamen antifaschistischen und antimilitaristischen Haltung, 2. in dem gemeinsamen und bedingungslosen Bekenntnis zur Demokratie, 3. in der gemeinsamen Forderung nach Wirtschaftsformen, in denen einzig das Wohl des Volkes, ohne Rücksicht auf kapitalistische Interessen, maßgebend ist." Gerst schloss: "Wir wollen ein deutsches Volk, das nicht durch Parteien zerrissen, sondern nach Parteien gegliedert in der Demokratie geeint ist. Wir wollen ein deutsches Volk, das sich Wirtschaftsformen schafft, in denen kapitalistischer Egoismus nicht mehr ausbrechen kann und ein nach Überwindung der gegenwärtigen Notzeit entstehender Wohlstand allen gleichmäßig zugute kommt."252) Paul Rodemann setzte die Reihe mit den einleitenden Worten fort: "Wenn man die äußerst prekäre wirtschaftliche Lage Deutschlands im Gesamtbild des europäischen Wirtschaftselends betrachtet, sollte man kaum annehmen, daß es Menschen gibt, die noch nicht begriffen haben, daß ohne engstes Zusammenwirken und gegenseitige Verständigung zur unbedingten Zusammenarbeit überhaupt ein Wiederaufbau unmöglich ist. Deshalb stelle ich die Frage: warum Zusammenarbeit?" "Wir müssen dazu kommen", fuhr Rodemann fort, "auch eine andere politische Überzeugung zu achten, wenn sie in ihren Gedankenrichtungen den demokratischen Grundsätzen entspricht, in der Zielrichtung gleichgeht und nur durch weltanschauliche Gefühlsmomente unterschieden ist. Die Toleranz ist eines der wichtigsten Elemente, die uns einander näher bringen kann und verhüten wird, daß eine neue oder erneute Kräftezersplitterung eintritt."253) Rodemann besaß allerdings nicht die gleiche Fähigkeit wie Gerst, sich so eindeutig und eindrucksvoll auszudrücken und für eine Sache einzusetzen. Schon einen Monat nach dem ersten Erscheinen der Zeitung zeigte sich, dass Gerst die "Frankfurter Rundschau" nicht nur in geschäftlichen Angelegenheiten leitete, sondern dass er auch ihr "führender Leitartikler"254) - 94 - geworden war. Selbst Belfrage erwähnte am 16. August, dass sich die kommunistischen Lizenzträger (zu denen er offensichtlich auch Gerst rechnete) entschiedener und verlässlicher als die Sozialdemokraten erwiesen hätten. Dies sei, so meinte er, vom politischen Standpunkt aus ein bisschen beunruhigend.255) Der Eindruck einer Dominanz der kommunistischen Lizenzträger an der Zeitung musste auch deshalb entstehen, weil 1. Hans Etzkorn, Sozialdemokrat, offenbar nicht der richtige Mann für die Leitung des Feuilletons war. Belfrage beklagte, er produziere eine Menge nutzloses Zeug. "Heute mußte ich ... ihn anweisen, das meiste seines Materials wegzuwerfen und etwas geeigneteres zu finden."256) Gerst und Arno Rudert hatten sich ebenfalls über Etzkorns schlechte Arbeit beklagt, es aber vermieden, ihn zu kritisieren, da dies sonst als politisches Vorurteil angesehen werden konnte. 2. war Wilhelm Knothe mittlerweile Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei in Frankfurt geworden und kümmerte sich nun noch mehr um seine parteipolitischen Probleme, als um seine Aufgabe als Herausgeber der Zeitung. Die Leitartikel, die Knothe im Laufe der Zeit immer seltener schrieb, hatten deshalb auch meistens Angelegenheiten der Parteien zum Thema, so z.B. der am 22. August verfasste Artikel "Warum Parteien?". Knothes Leitmotiv widersprach allerdings nicht den Vorstellungen von Gerst, denn auch er plädierte für eine Zusammenarbeit aller antifaschistischen Kräfte. Seine Formulierung des Problems lautete: "In der Verantwortung (für den Wiederaufbau) und in die Last müssen sich die Parteien teilen. Deshalb müssen die antinazistischen Parteien eine geschlossene Einheit bilden, um die Konzentration der Kräfte auszulösen, die notwendig sind, die gigantischen Aufgaben zu meistern."257) Den dritten Artikel der Serie "Unser Wille zur Zusammenarbeit" schrieb Emil Carlebach, "Mitglied der Widerstandsbewegung des Konzentrationslagers Buchenwald".258) Carlebach zeigte, wo in der Vergangenheit die Ursachen für die Hitler-Diktatur in Deutschland lagen. Nur durch die Unfähigkeit der antifaschistischen Parteien, zusammenzuarbeiten, sei eine derartige Katastrophe überhaupt möglich gewesen. "Die unselige Spaltung unseres Volkes nach Weltanschauungen" müsse endlich überwunden werden, schrieb Carlebach. "Ob Katholik, Protestant oder Freigeist, das ist eine Sache des Bekenntnisses. Aufgabe des Tages aber ist es, dem gesellschaftlichen Fortschritt zum Siege zu verhelfen". Carlebach schrieb weiter, die Angst vor der "sogenannten bolschewistischen Gefahr" müsse endlich - 95 - verschwinden. Schließlich seien alle Verbrechen, die man den Kommunisten nachsage, in tausendfacher Form vom Faschismus verübt worden. "Wir alle sind gezwungen, als Ausgangspunkt unserer Tätigkeit den historischen Zusammenbruch Deutschlands zu nehmen. Jeder hat seine bestimmte Ansicht über das, was letzten Endes erreicht werden soll. Aber die unerläßliche Zusammenarbeit zur Abwendung der schlimmsten Gefahr muß es mit sich bringen, daß nicht für einen bestimmten Zeitpunkt die Frage des Auseinandergehens gestellt wird, sondern daß wir gemeinsam den Weg beschreiten wollen, der sich auf die Dauer nach unserer gemeinsamen Erfahrung als der beste erweist. So wird sich in Deutschland eine neue Demokratie entwickeln, die nicht eine Staatsform nach Weimarer Muster sein darf ... , sondern eine wirkliche Volksherrschaft, in deren Rahmen der Privatbesitz nur so viel Macht und Einfluß haben darf, daß er die Auswirkung des demokratischen Volkswillens nicht behindern kann."259) Wilhelm Knothe, der vierte der Lizenzträger, der seinen Willen zur Zusammenarbeit bekundete, tat dies in Erinnerung an die "Koalition der Verschwörung" der antifaschistischen Kräfte, die bereits im Zweiten Weltkrieg bestanden hatte. "Es waren die Menschen, die zuerst noch parteigemäß gebunden gegen das Hitler-Regime ankämpften, um später an Widerstandsbewegungen teilzunehmen, die sich aus den verschiedenen Schichten der Bevölkerung zusammensetzten. Kommunisten, Sozialdemokraten und politisch linksgerichtete bürgerliche Männer und Frauen waren es, die im stillen, zähen Kampfe gegen die zusammengeballte Kraft des Nazismus standen ... " "Wir werden zeigen", schloss Knothe, "daß wir zusammenarbeiten können. ... Wir werden zeigen, daß wir in Gemeinsamkeit ein neues Deutschland aufbauen können, das sich seinen Platz in der Völkerfamilie wieder zu erringen weiß! Mit uns wird die deutsche Jugend sein, die berufen ist, das neuerbaute deutsche Heim auszuschmücken nach ihren Ideen."260) Inwieweit sich die beschworene Zusammenarbeit auch innerhalb des Lizenzträgergremiums verwirklichen ließ, ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Emil Carlebach sah den sich anbahnenden internen Konflikt so: "Dr. Schumacher260a) drückte auf Knothe, daß man mit Kommunisten nicht zusammenarbeiten könne. Das war bereits 1945. Wilhelm Knothe war ein weicher Mann, der subjektiv bis zu Tränen für die Zusammenarbeit war, sich aber von Schumacher unterdrücken, um nicht zu sagen erpressen ließ, der Etzkorn sowieso. Die Sozialdemokraten fingen dann an, querzuschießen. Mit dem waren sie nicht einverstanden, mit jenem nicht. Sie haben einstimmige Beschlüsse, wie wir sie vorher in der Redaktion hatten, nach und nach zu verhindern versucht. Sie haben sie nie verhindert, denn da Dr. - 96 - Schumacher nicht in der Redaktion saß, haben dann Diskussionen, die bis nachts um zwölf oder früh um eins dauerten, schließlich immer dazu geführt, daß unsere sozialdemokratischen Kollegen mit uns einig wurden, denn wir haben nie etwas gemacht, was nicht im Grunde auch ihre Meinung war."261) Vorläufig hatten jedoch Meinungsverschiedenheiten, wenn sie nach einer so kurzen Zeit überhaupt schon bestanden haben sollten, auf die Redaktionspolitik keine Auswirkungen. Hans Etzkorn veröffentlichte seine Version zur Zusammenarbeit und schrieb, genauso wichtig wie eine enge politische Zusammenarbeit im Geiste echter Demokratie sei die Zusammenarbeit im Bereich des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens.262) Otto Grossmann bekundete die Absicht, auch im Sport zusammenzuarbeiten durch Bildung von Sportgemeinschaften. Denn die "wahren Freunde des Sports" seien sich jetzt einig, dass der Zeitpunkt gekommen sei, "eine einheitliche freie deutsche Sportbewegung zu schaffen, die sich aus Überzeugung in den Dienst der antinazistischen demokratischen Erneuerung unseres Volkes"263) stelle. "Eine Rückkehr zu der alten Zersplitterung in unzählige Verbände und Vereine darf es nicht mehr geben", forderte Grossmann. "Heute ist kein Raum mehr für kleinliche Vereinsmeierei. Wäre sie doch schließlich nur der Nährboden für faschistisch militaristische Elemente ... . Das Programm heißt, sich zusammensetzen, woher wir auch kommen mögen; das was uns bisher betrennt hat, beiseiteschieben und an das Gemeinsame zu denken, daß die Arbeiter wie die bürgerlichen und katholischen Sportler verbindet."264) Sechs Lizenzträger hatten mittlerweile ihre Vorstellungen, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens eine gemeinsame Front aller antifaschistischen Kräfte zu bilden, bekannt gegeben. Die Unzufriedenheit in Teilen der Frankfurter Bevölkerung mit der Haltung der "Frankfurter Rundschau" aber wuchs. Die Betonung der Schuld der Nationalsozialisten sowie die Befürwortung streng durchzuführender Entnazifizierung erregten Missfallen. Da außerdem die kommunistische Einstellung der Herausgeber in den Artikeln nur zu deutlich und in wiederholtem Maß betonte wurde, schwand das Vertrauen in die neue Zeitung bei vielen Lesern sehr schnell. Das Fehlen eines bürgerlichen Vertreters im Lizenzträgergremium (die dargebotene Chance, Erich Dombrowski als Mitlizenziaten zu benennen, wurde von diesem selbst abgelehnt) empfanden die konservativen Einwohner Frankfurts als ein außerordentliches Manko. Wilhelm Karl Gerst verstärkte die öffentliche Diskussion noch, als er sich in seinem Artikel "Um die Kommunisten"265) dafür einsetzte, den Kommunisten als Vortruppe zur Bekämpfung - 97 - des Nationalsozialismus einen größeren Anteil an den Selbstverwaltungsorganen der Länder zuzugestehen.266) "Die ausgestreckte Hand der deutschen Kommunisten ist keine leere Geste. Sie ist für die christlichen Kreise, die die Vorgänge in den letzten zwölf Jahren wirklich begriffen haben, eine Chance, vielleicht die wichtigste, die uns seit langem geboten wurde, und deren Nutzen für die Kirche sehr groß sein wird."267) Gersts Äußerungen führten zu einer weiteren Polarisierung in der Öffentlichkeit. Vertreter der katholischen Kirche und der CDU protestierten bei der Information Control gegen die "Anmaßung" von Gerst.268) Die Intelligence Branch der Informationskontrolle führte daraufhin am 1. Oktober 1945 eine Umfrage unter der Bevölkerung Frankfurts durch, um den Beliebtheitsgrad der Zeitung zu erkunden. Das Ergebnis wurde am 6. Oktober im "Information Control Intelligence Summary", dem Bericht der Intelligence Branch der ICD, abgedruckt.269) Der nur innerhalb der ICD veröffentlichte Bericht begründete die Umfrage so: "Seit dem ersten Erscheinen der 'Frankfurter Rundschau' wurde zahlreiche Kritik an dem Ton, dem Inhalt und den Ansichten, die in der Zeitung vertreten wurden, sowie an den Herausgebern des Blattes geübt. Seit der Bildung der politischen Parteien in Frankfurt basierte die Kritik an der Zeitung mehr und mehr auf ihrer parteipolitischen Orientierung."270) Der Bericht wies weiter darauf hin, dass viele Mitglieder der so genannten bürgerlichen Parteien immer wieder darauf verwiesen, die Zeitung sei linksgerichtet und repräsentiere andere politische Organisationen nicht genügend. Allerdings könnten die bürgerlichen Parteien von der Möglichkeit Gebrauch machen, Artikel in der "Rundschau" beizusteuern, und dies sei auch schon wiederholt geschehen. Um herauszufinden, inwieweit die Zeitung die politischen Bedürfnisse der Stadt abdeckte und um genau zu ermitteln, was die Vorsitzenden bürgerlicher Parteien von der "Frankfurter Rundschau" hielten, wurden die Führer der beiden Parteien CDU und LDP befragt. Zusätzlich wurden 200 Personen aus der Bevölkerung Frankfurts interviewt, um auf diese Weise eine mögliche Übereinstimmung mit den Parteiführern festzustellen. So wandte sich Prälat Herr, leitendes Mitglied der CDU, gegen die Kooperation von Gerst als früherem Zentrumsmitglied mit Kommunisten und Sozialdemokraten. Er plädierte für eine Zeitung der Christdemokraten in Frankfurt. Schriftlich hatte er Gerst bereits gebeten, seinen Einfluss nicht gegen eine solche Gründung zu verwenden. Der zweite Befragte, Knappstein, ehemaliger Redakteur der "Frankfurter Zeitung", bedauerte es, dass die Amerikaner Ex-Häftlinge als Lizenzträger gewählt hatten, ohne zu - 98 - berücksichtigen, dass die Opposition von Mitgliedern der "Frankfurter Zeitung" zum Beispiel gegen den Nationalsozialismus von größerer Bedeutung gewesen sei als die zweifelhaften Versuche einzelner KZ-Insassen. Als Anzeichen für die kommunistische Haltung der "Rundschau" nannte Knappstein die Artikel über den Wiederaufbau Berlins, in denen ein positiver Eindruck von der Sowjetunion vermittelt werde. Seiner Meinung nach war das die Taktik der kommunistischen Propaganda. Pfarrer Fricke, der dritte Befragte, stimmte mit Herr und Knappstein darin überein, dass eine zweite Zeitung geschaffen werden müsse. Auch er hielt die "Frankfurter Rundschau" für links gerichtet.271) Drei weitere interviewte Personen - Erich Dombrowski, Dr. Werner Hilpert und Postinspektor Husch - waren im Grundsatz derselben Ansicht, obwohl die Frage, ob die Zeitung eine linke Tendenz habe, nicht von allen bejaht wurde. Bemängelt wurden jedoch von allen das niedrige journalistische Niveau der Artikel und die geringe Zahl der Wirtschaftsnachrichten. Die Kritik der LDP-Mitglieder entsprach der der CDU-Befragten, doch genügte es der Liberalen Partei, einen Vertreter im Herausgebergremium zu haben. Der Wunsch nach einer eigenen Zeitung wurde dort nicht so ausdrücklich formuliert wie bei der CDU. Allerdings hatten nur 17 Prozent der 200 befragten Personen den Artikel von Gerst "Um die Kommunisten" gelesen. Von denen wiederum stimmten zwei Drittel mit seiner Ansicht überein, vier Befragte hielten seinen Vorschlag für unannehmbar, und der Rest äußerte keine Meinung.272) Weiterhin ergaben die Antworten, dass die Bevölkerung an den Meinungs- verschiedenheiten zwischen konservativen Politikern und Herausgebern der "Frankfurter Rundschau" keinen Anteil nahm. 49 Prozent der Männer und Frauen hielten die Zeitung für unparteiisch, während 7 Prozent glaubten, dass Nachrichten über die Parteien nicht zu gleichen Teilen in dem Blatt verbreitet würden.273) Die "Frankfurter Rundschau" fühlte sich auf Grund der ständigen Angriffe mehrmals dazu be- rufen, ihre Überparteilichkeit zu demonstrieren. Als am 6. Oktober 1945 der letzte Artikel der Leitartikelserie unter der Überschrift: "Die Angst vor dem Kommunismus", geschrieben von Arno Rudert, erschien, wies dieser ausdrücklich darauf hin, dass "die 'Frankfurter Rundschau' keine kommunistische Zeitung (sei), keine sozialdemokratische Zeitung und keine katholische Zeitung. ... Die Lizenzbedingungen verpflichten Herausgeber und Redakteure zu unparteiischer und gerechter Meinungsäußerung mit dem Ziel, in Deutschland eine freie und demokratische Gesellschaftsordnung zu schaffen, in der der einzelne sich seiner Verantwortung bewußt ist. ... Soweit in der 'Frankfurter Rundschau' Meinungen geäußert werden, geschieht dies auf Grund einer Abmachung, die es - 99 - ausschließt, daß eine bestimmte politische Richtung gefördert wird - also im gutverstandenen Sinne echter Demokratie."274) Seinem politischen Bekenntnis: "ich selbst spreche als Kommunist" geht darum auch zur Verdeutlichung der Meinungsvielfalt der Hinweis auf den Leitartikel des Zentrumsmitgliedes Gerst sowie den Beitrag des SPD-Vorsitzenden von Frankfurt, Wilhelm Knothe, voran. "Ich selbst spreche als Kommunist", schrieb Rudert, "und wir alle sind uns klar darüber, daß der Rolle der Kommunisten bei dem politischen und praktischen Werk des Wiederaufbaus auf dem Boden der Zusammenarbeit starke Aufmerksamkeit geschenkt wird - nicht nur in Frankfurt am Main." Es käme wesentlich darauf an, schrieb Rudert weiter, dass die Kommunisten durch ihre Politik und Praxis unter Beweis stellten, dass das Bekenntnis zur Zusammenarbeit und zur Demokratie kein Lippenbekenntnis sei.275) Der Artikel von Rudert war der letzte der Leitartikelserie "Unser Wille zur Zusammenarbeit". Ein Vierteljahr beinahe gab es schon die "Frankfurter Rundschau", so dass es den Lesern hätte möglich sein müssen, sich ein Urteil über die Intentionen der Herausgeberschaft des Blattes zu bilden. Dass ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor wenig Anteil daran nahm, führte die ICD auf die vorherrschende Apathie der Einwohner zurück, so jedenfalls ihr Eindruck nach den häufig durchgeführten Umfragen in Frankfurt und Umgebung. Der maßgebliche Presseoffizier für Frankfurt, Cedric Belfrage, schrieb jedoch bereits Anfang September des gleichen Jahres, die "Frankfurter Rundschau" sei ein akzeptierter Teil der Frankfurter Szenerie geworden.276) Die Menschen seien so hungrig nach Informationen, meinte er, dass ein Drei- bis Vierfaches der Auflage verkauft werden könnte. Denn "es besteht kein Zweifel, daß die 'Rundschau` das ist, was die meisten wollen. Die deutschen Herausgeber berichten nicht nur, sie erklären und interpretieren auch Vorgänge, von denen die Menschen nie gehört haben. Die Zeitung veröffentlicht zu gleichen Teilen die Standpunkte aller politischen Parteien, sowohl allgemein als auch bei drängenden Angelegenheiten. Alle Kommentare sind unterzeichnet, so daß es keine Zweifel geben kann, aus welchem Blickwinkel es geschrieben wurde."277) Belfrage betonte auch, dass täglich Hunderte von Leserbriefen zu aktuellen Problemen in der Redaktion einträfen, von denen ein Teil in jeder Zeitungsausgabe abgedruckt würde. Die Briefe zeigten das Vertrauen der Leser in die Zeitung, Missstände abschaffen zu wollen, schrieb Belfrage. Die Ansicht mehrerer konservativer Bürger Frankfurts divergiert auch hier von der Auffassung des Presseoffiziers; ihrer Auffassung nach veröffentlichte die "Frankfurter Rundschau" zu einem großen Teil nur solche Leserzuschriften, die den kommunistischen Standpunkt unterstützten.278) - 100 - Das Erstaunliche in der Diskussion um die politische Linie der "Frankfurter Rundschau" im Jahr ihrer Gründung ist wohl, dass Meinungsverschiedenheiten zwar zwischen den Herausgebern der Zeitung und den Vertretern bürgerlicher Parteien in Frankfurt heftig und häufig ausgefochten wurden, dass aber die Bevölkerung von diesen Auseinandersetzungen wenig berührt wurde. Dabei sollte die "Frankfurter Rundschau" in erster Linie für die Arbeiter und nicht für die intellektuelle Minderheit Frankfurts zuständig sein. Man hatte also offenbar den Ärger der Leute erregt, denen eine Teilnahme am Herausgebergremium verwehrt wurde, fand aber auf der anderen Seite nicht die Unterstützung in der Bevölkerung, die man sich erhofft hatte. Der Versuch, an einer Zeitung mehrere Herausgeber mit unterschiedlichen politischen Auffassungen zu vereinen, musste also in dem Moment scheitern, als sich innerhalb der Redaktion die Meinungsverschiedenheiten nicht mehr auf einen Nenner bringen ließen. 3.3.1 Auflösung des Lizenzträgergremiums der "Frankfurter Rundschau" Die erste Tagung der Lizenzträger in der amerikanischen Zone am 20. und 21. Oktober 1945 in Marburg scheint eine Wende zu markieren. Die Zusammenkunft, die auf Einladung von Oberstleutnant John B. Stanley279) abgehalten wurde, diente dem Zweck, den 45 Lizenziaten der Zone die Möglichkeit zu geben, erste Erfahrungen auszutauschen. Hier hatten die Herausgeber Gelegenheit, sich frei zu Problemen zu äußern, ohne Rücksicht auf die amerikanische Abteilung für Informationskontrolle nehmen zu müssen. In der Begrüßungsansprache sagte Luther Conant280) u.a.: "Diese Versammlung heute bringt Männer verschiedenster politischer Anschauungen, verschiedenster religiöser Bekenntnisse, unterschiedlichster wirtschaftlicher und kultureller Basen zusammen. Sie sind vereint durch eine gemeinsame Höchstleistung am Widerstand gegen den Nationalsozialismus und durch die Überzeugung, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der der Mensch wieder frei lebt."281) Offensichtlich war diese Tagung in Marburg aber auch gleichzeitig die letzte Gelegenheit für alle Lizenzträger, sich politisch näher zu kommen. Die Spannungen zwischen Ost und West blieben schon zu diesem Zeitpunkt nicht ohne Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Lizenziaten. Die Unfähigkeit, sich politisch zu einigen, machte das Presseprogramm der Information Control zunichte. Bei der "Frankfurter Rundschau" mussten sich die - 101 - innerredaktionellen Konflikte besonders deutlich zeigen, da bei dieser Zeitung die Zahl der Lizenzträger überdurchschnittlich hoch war. Belfrage erkannte dies schon zu einem frühen Zeitpunkt, als er an Ernest Adler schrieb, der Geist der gemeinsamen Sache sei zwar noch nicht ganz verloren gegangen, doch die Motivation zur antifaschistischen Zusammenarbeit, für die die Presseoffiziere gemäß den ursprünglichen Direktiven gekämpft hatten, werde angesichts der beginnenden Teilung der Welt in zwei Lager schwächer.282) Belfrage wusste auch, dass sich der politische Konflikt in den Lizenzzeitungen widerspiegeln musste. Für ihn war es zwar bedauerlich, aber selbstverständlich, dass zum Beispiel die Presse in Bayern, deren Lizenzierung von anderen Offizieren vorgenommen worden war, den Anweisungen des amerikanischen State Department unumwunden folgte. Belfrage charakterisierte die Art der Zeitungsinformation als "destruktive Kritik, Verneinung und Sabotage von allem, das zur Einheit führen könnte - und das alles unter dem Mantel der 'Demokratie', in geschmeidigen, anscheinend objektiven Sätzen."283) Aber nicht nur in Bayern machte sich dieser Trend bemerkbar. Auch in Hessen glaubte Belfrage zu sehen, dass vor allem der Wille der Sozialdemokraten, zusammenzuarbeiten, in dem Maße schwand, indem sie ihren Vorteil erkannten. "Die britische und amerikanische Politik ist mittlerweile soweit gegangen, daß eine Einheit von Kommunisten und Sozialdemokraten auf politischer Ebene jetzt praktisch illegal ist", schrieb Belfrage.284) Für die Herausgeberschaft der "Frankfurter Rundschau" bedeutete das die allmähliche Auflösung. Die Lizenzträger wurden sich zunehmend ihrer eigenen politischen Haltung bewusst, so dass es immer häufiger zu Konflikten in der Redaktion kam, so zwischen Knothe und Rudert, während Gerst und Carlebach, so Belfrage, noch das gemeinsame Ziel im Auge hatten. 285) Hans Etzkorn stand offenbar im Schatten seines sozialdemokratischen Kollegen Knothe. Kritisiert wurden vor allem seine mangelnden Fähigkeiten, das Feuilleton zu gestalten. Paul Rodemann (SPD) verließ als erster die "Rundschau" im November 1945, um Lizenzträger des "Darmstädter Echo" zu werden. Sein Austritt aus dem Gremium scheint den Vorstellungen der Presseoffiziere entsprochen zu haben, durch Verminderung der Anzahl der Lizenziaten mögliche Konfliktsituationen zu vermeiden bzw. sie zumindest einzuschränken. Im Übrigen ist der Weggang von Rodemann aus heutiger Sicht nicht ganz einsichtig; er gehörte schließlich zu den drei Herausgebern, die sich an der Zeitung mehr um redaktionelle als um politische Dinge kümmerten. (Außer ihm waren es Etzkorn und - 102 - Grossmann). Möglicherweise war aber auch gerade seine schwache Stellung innerhalb des Kollegiums für Belfrage der Anlass, das Team um einen Sozialdemokraten zu vermindern. Übrig blieben: Gerst, der mit den Ideen der KPD sympathisierte; Carlebach, der mittlerweile Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war; Grossmann, parteilos, aber pro- kommunistisch; Rudert, Mitglied der KPD, sowie die beiden Sozialdemokraten Knothe und Etzkorn. Das kommunistische Übergewicht war offensichtlich. Um die geforderte gleiche Beteiligung aller antifaschistischen Gruppen an der Zeitung wieder herzustellen, wurde das Team um einen weiteren Mann verringert: Otto Grossmann, der bis dahin die Sportredaktion der "Frankfurter Rundschau" geleitet hatte, wurde Alleinlizenziat der Sportzeitung "Neuer Sport". Angeblich akzeptierte er seine Versetzung anstandslos.286) Auch Emil Carlebach erklärte rückblickend diese Entscheidung der ICD nicht als Maßregelung, sondern als einen Versuch, Spannungen im Team abzubauen.287) Ende des Jahres 1945, als die erste Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone ein halbes Jahr bestand, wurde die "Frankfurter Rundschau" nur noch von fünf Männern bestimmt, von denen jeder eine feste politische Konzeption besaß und nicht gewillt war, davon abzuweichen. Generell entsprachen die Vorgänge an der "Frankfurter Rundschau" dem Geschehen im Zeitungswesen in der amerikanischen Zone. Die Einsicht der ICD, eine Zeitung lieber von zwei oder höchstens drei Personen leiten zu lassen, hatte auch in anderen Städten zu einer Reduzierung der Lizenzen geführt. Mittlerweile zog man sogar beruflich versierte Leute jenen mit einem klaren politischen Programm vor. In Frankfurt gingen die Attacken gegen die "Rundschau" verstärkt weiter. Sie entzündeten sich immer wieder an Artikeln wie: "Die Wurzeln des Nationalsozialismus", den Wilhelm Karl Gerst am 30. November 1945 schrieb; dem Leitartikel von Emil Carlebach: "Gemeindewahlen", in dem sich Carlebach gegen eine frühe Wahl der kommunalen Vertreter aussprach (4.12.45); Ruderts288) und Carlebachs289) Ansichten über die Demokratie in Deutschland; Wilhelm Karl Gersts Fürsprache für eine "Parteien Annäherung"290) sowie seinem am 31.12.1945 veröffentlichten Artikel: "Für die deutsche Einheit - Unsere Parole für 1946 und für alle Zeiten". Dem Drängen der Kritiker der "Frankfurter Rundschau" nach einer zweiten Zeitung war aber noch 1945 nachgegeben worden. General McClure hatte am 28. Dezember des Jahres die Lizenzierung einer weiteren Frankfurter Zeitung angeordnet und Ernest Adler mit der Suche - 103 - nach Lizenzträgern für eine Zeitung, die "zur politischen Mitte und nicht nach links" tendieren sollte, beauftragt.291) Bei der "Frankfurter Rundschau" nahm die ICD zu Beginn des Jahres 1946 weitere Entlassungen vor. Die beiden Sozialdemokraten Knothe und Etzkorn schieden als Lizenziaten aus. Nachdem am 29. Januar 1946 eine Zusammenkunft zwischen Vertretern der Informationskontrolle und den fünf Lizenzträgern stattgefunden hatte, teilte der Chef der IC Branch, Anthony F. Kleitz, den folgenden Beschluss den Herausgebern der "Frankfurter Rundschau" schriftlich mit: "Es wurde festgestellt, daß Wilhelm Knothe infolge des Umfanges seiner Tätigkeit als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei von Groß-Hessen nicht in der Lage war, die notwendige Zeit seinen Pflichten als Lizenzträger der 'Frankfurter Rundschau' zu widmen. Da Herr Knothe selbst bestätigte, daß, wenn es zu einer Wahl zwischen seiner politischen Tätigkeit und seiner Arbeit als Lizenzträger käme, er seine politische Arbeit vorzöge, wurde Herr Knothe gebeten, als Lizenzträger aus der Zeitung auszuscheiden, da übereinstimmend festgestellt wurde, daß er beide Tätigkeiten nicht zur gleichen Zeit ausführen könne. Da empfunden wurde, daß die Feuilleton-Abteilung der 'Frankfurter Rundschau' hinter den anderen Abteilungen zurückblieb und die Mehrheit der Lizenzträger die Notwendigkeit eines energischeren Zeitungsmannes feststellte, wurde Hans Etzkorn, der diesem Teil der Zeitung vorstand, gebeten, als Lizenzträger auszuscheiden."292) Auf der gleichen Zusammenkunft wurde Knothe aufgefordert, der Information Control bis zum 1. März des Jahres - an diesem Tag wurde die Kündigung von Knothe und Etzkorn wirksam - die Namen von zwei Sozialdemokraten, die gleichzeitig erfahrene Journalisten sein sollten, zu nennen. Sie sollten die Aufgaben von Knothe und Etzkorn in der Redaktion übernehmen. In dem Brief von Kleitz hieß es dazu: "Die Wahl von Herrn Knothe, die Nachfolger zu nominieren, zeigte, daß die Information Control volles Vertrauen in die Rechtschaffenheit von Herrn Knothe hat. Die Entscheidungen wurden getroffen, um die 'Frankfurter Rundschau' als Zeitung zu verbessern und um sicherzustellen, daß der sozialdemokratische Teil der deutschen Öffentlichkeit in der Zeitung genügend repräsentiert wird."293) Die Entlassungen von Knothe und Etzkorn scheinen sowohl im Interesse der Presseoffiziere als auch im Sinne der restlichen Lizenzträger gewesen zu sein, denn nach Aussage von Belfrage soll Knothes Büro die "Szene einer endlosen sozialdemokratischen Parteiversammlung"294) gewesen sein, und Etzkorn soll sich mehr und mehr unfähig gezeigt - 104 - haben, das Feuilleton zu leiten. "Er schrieb fast nichts selbst, während er sich eine Art der Herablassung den Beiträgen der anderen gegenüber zu eigen machte."295) Außerdem soll Gerst gesagt haben, er verließe lieber die "Frankfurter Rundschau", als weiter mit den beiden zusammenzuarbeiten.296) Knothe und Etzkorn seien auch, so Belfrage, die fachlich schwächsten Personen gewesen. Knothe, mit der Suche nach zwei Nachfolgern beauftragt, teilte drei Wochen später mit, er könne niemanden finden, der geeignet sei, an der "Rundschau" zu arbeiten. Nach Auffassung von Belfrage hatte sich Knothe überhaupt nicht um zwei Kandidaten bemüht, sondern sogar Mitglieder seiner Partei davor gewarnt, bei der "Frankfurter Rundschau" mitzuarbeiten.297) "Es war uns schon zu Ohren gekommen, daß er (Knothe) die Zeitung als 'kommunistisch' denunzierte - er, der unser erster Mann gewesen war; der geholfen hatte, die anderen auszusuchen und der sie alle billigte."298) Dieser Auffassung war auch Emil Carlebach, als er sagte "Die SPD hat ... keinen anderen Lizenzträger benannt, sondern hat geschrieen: 'Da seht ihr, wie wir benachteiligt werden, jetzt verlangen wir, daß die Rundschau gesäubert wird, daß wir eine SPD-Zeitung bekommen' usw."299) Mit dem Ausscheiden der beiden Sozialdemokraten hatte man tatsächlich eine Situation geschaffen, die es den konservativen bürgerlichen Kreisen Frankfurts leicht machte, gegen die links gerichtete Zeitung zu protestieren. Belfrage erkannte das Problem, fand aber so schnell keinen Ausweg, da es der ICD nicht gelungen war, Ersatz für Knothe und Etzkorn zu finden. Die Reaktion der Kritiker auf die Entlassungen der SPD-Mitglieder blieb auch nicht lange aus. Am 14. März 1946 wurde in einer Bürgerratssitzung in Frankfurt mit den Stimmen der SPD, LDP und CDU die folgende Resolution gefasst, nachdem die "Frankfurter Rundschau" zuvor scharf kritisiert worden war: "Der Bürgerrat Frankfurt am Main nimmt mit Befremden davon Kenntnis, daß die Schriftleitung der 'Frankfurter Rundschau' ausschließlich von kommunistisch orientierten Hauptschriftleitern (Lizenzträgern) geführt wird. Die Wahlen in Groß-Hessen haben ergeben, daß nur ein sehr geringer Bruchteil der Wählerschaft sich zum Kommunismus bekennt. Um so mehr muß es erstaunen, daß die politische Ausrichtung der 'Frankfurter Rundschau' mit ihrer Auflage von 500 000 Exemplaren bewußt im Sinne der Bestrebungen der KPD durchgeführt wird. Der Bürgerrat der Stadt Frankfurt wird gebeten, bei den zuständigen Abteilungen der Militärregierung geeignete Schritte zu unternehmen, um die 'Frankfurter Rundschau' entweder in der Schriftleitung entsprechend umzubesetzen oder aber das Aachener Beispiel auch für Frankfurt anzuwenden. In Aachen wurde bekanntlich das bisherige Einheitsblatt in drei Sektorenausgaben mit besonderem Titel aufgeteilt, so daß jeder Leser seine ihm genehme Zeitung beziehen kann."300) - 105 - Die Stellungnahme der "Frankfurter Rundschau" erfolgte einen Tag später. Unter der Überschrift: "In eigener Sache" stand auf der ersten Seite: "Bis zum 1. März wurde die Haltung der 'Frankfurter Rundschau' von allen Lizenzträgern, einschließlich der Herren Knothe und Etzkorn, vertreten. Ihre Tendenz hat sich auch seitdem nicht geändert. In ihrer antifaschistisch-demokratischen Haltung hat sich die 'Frankfurter Rundschau' genau an die ihr gegebenen Richtlinien gehalten."301) Die Zeitung wies darauf hin, dass bei der Bürgerratssitzung Hans Etzkorn sich nicht veranlasst gesehen habe, Aufklärung über die Gründe seines Ausscheidens zu geben. Außerdem sei der Redaktion bekannt, dass Wilhelm Knothe als Landesvorsitzender der SPD nicht die Gelegenheit wahrgenommen habe, auch nur den SPD-Mitgliedern der groß-hessischen Regierung die seinem Ausscheiden zugrunde liegenden Tatsachen zur Kenntnis zu geben. Die "Frankfurter Rundschau" gab anschließend den Wortlaut des Briefes wieder, den Anthony Kleitz dem Herausgebergremium am 11.Februar zugesandt hatte. Die darin enthaltene Aufforderung an Knothe, zwei Nachfolger zu benennen, kommentierte die "Rundschau": "Bis zum 1. März hatte Herr Knothe noch keine Vorschläge eingereicht. Im Einvernehmen mit der Leitung der Presseabteilung der Nachrichtenkontrolle wurde die Frist bis zum heutigen Tag verlängert. Inzwischen war es Herrn Knothe nur möglich, einen Anwärter, der sich in der Schweiz befand, zu benennen. Er bat am vergangenen Montag die beiden Leiter der Presseabteilung der Nachrichtenkontrolle, sich selbst um einen zweiten sozialdemokratischen Lizenziaten zu bemühen, da er in ganz Deutschland keinen weiteren Anwärter habe ausfindig machen können. Nur so erklärt es sich, daß die Ergänzung unserer Schriftleitung, die auch zur Zeit nicht nur aus Kommunisten besteht, noch nicht vollzogen wurde. Ein diesbezüglicher Beschluß des Bürgerrates war also überflüssig. Unverständlich ist die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion, der beide ausgeschiedenen Lizenzträger angehören. Für die beiden anderen beteiligten Fraktionen läßt sich annehmen, daß ihre Unkenntnis der Sachlage sie veranlaßte, einer Resolution zuzustimmen, die von falschen Voraussetzungen ausgeht."302) Die "Frankfurter Rundschau" behielt aber auch weiter ihre kommunistische Mehrheit im Herausgebergremium, denn anstelle der zwei ausgeschiedenen Sozialdemokraten wurde nur einer, der die gleichen politischen Vorstellungen hatte, eingesetzt. Doch wurde der neue Lizenzträger nicht, wie die "Frankfurter Rundschau" schrieb, von Wilhelm Knothe ausgewählt, sondern von der Abteilung für Informationskontrolle selbst. Der vierte Mann, der das Team ergänzen sollte, hieß Karl Gerold. Nach Darstellung von Belfrage hatte ein hessischer Presseoffizier "einen guten Sozialdemokraten"303) gefunden. "Der Mann ... war ein Flüchtling, der gerade aus der Schweiz gekommen war und darum nicht zur Frankfurter Parteiclique gehörte."304) Gerold, der, so Carlebach, in einer Nacht- und Nebelaktion aus der - 106 - Schweiz geholt worden war ("man griff sich dort einen bestimmten Mann, zog ihm die amerikanische Soldatenuniform an und fuhr mit ihm als angeblichem amerikanischen Soldaten zurück"305)), sollte das Feuilleton übernehmen, eine Aufgabe, die bis zum 1. März offiziell von Hans Etzkorn wahrgenommen worden war. Karl Gerold, der seine Lizenzurkunde am 15. April 1946 von Anthony Kleitz erhielt, wurde am 29. August 1906 in Giengen an der Brenz in Württemberg geboren und wuchs bei seinen Großeltern auf. Gerold machte eine Lehre als Schlosser und Mechaniker, wurde Mitglied im deutschen Metallarbeiter-Verband und trat der Sozialdemokratischen Partei bei. Er schrieb nebenbei Berichte für Lokalzeitungen und verfasste Gedichte und Kurzgeschichten, die er unter einem Pseudonym in der Freiburger Tageszeitung die "Volkswacht" veröffentlichte, deren Mitarbeiter er 1933 wurde. Nach dem Reichstagsbrand wurde er in Schutzhaft genommen. Im Herbst des gleichen Jahres emigrierte er in die Schweiz nach Basel und verlor seine deutsche Staatsangehörigkeit. Zwischen 1933 und 1945 schrieb er unter dem Pseudonym Peter Meinhardt mehrere Gedichte, die in Paris veröffentlicht wurden. 1943 wurde er in der Schweiz verhaftet und angeklagt "wegen Neutralitätsbruch, verbotenen Grenzübertritts und Nachrichtendienstes gegen Hitler-Deutschland". Gerold blieb vier Monate in Untersuchungshaft. Im Frühjahr wurde er verurteilt, erhielt aber Bewährungsfrist. Anfang 1946 war Gerold Mitarbeiter einer Schweizer Zeitung und bekam vermutlich auf diese Weise Kontakt zur amerikanischen Militärregierung, von der er dann als Lizenzträger ausgewählt wurde.306) 3.3.2 15. April 1946: Lizenzierung der zweiten Zeitung in Frankfurt Am gleichen Tag, an dem Karl Gerold seine Lizenz erhielt, erschien in Frankfurt die zweite Lizenzzeitung. Das Blatt, das seit dem 15. April 1946 verbreitet wurde und den Titel "Frankfurter Neue Presse" trug, wurde von den beiden katholischen Lizenzträgern Dr. Hugo Stenzel und August Heinrich Berning geleitet. Beide standen der CDU nahe. Die "Frankfurter Neue Presse" war das Resultat der Bemühungen der konservativen Kreise, eine eigene Zeitung zu erhalten. So schreib Harold Hurwitz: "Die katholische Kirche und die Führer der CSU und CDU waren äußerst bemüht, ihre Position im amerikanischen Lizenzierungsprogramm zu verstärken. Ihre Anstrengungen blieben auch nicht immer erfolglos. So war es besonders dem Druck der CDU in Hessen - und besonders CDU- Finanzminister Dr. Werner Hilpert - zu verdanken, daß die zweite in Frankfurt erscheinende - 107 - Zeitung zwei katholische Lizenzträger erhielt."307) Die "Frankfurter Neue Presse" mit dem Untertitel "Die fortschrittliche Tageszeitung", die auf Grund des Papiermangels alternierend mit der ersten Lizenzzeitung erscheinen musste, wurde auf den Maschinen der "Frankfurter Rundschau" gedruckt. Für die "Rundschau" bedeutete die Gründung einer Konkurrenzzeitung, dass ihre bisherige Auflage von rund 500.000 Exemplaren sofort um die Hälfte zu Gunsten der "Neuen Presse" gekürzt wurde.308) Die "Rundschau" kommentierte: "Ab 15. April erscheint in Frankfurt am Main eine zweite lizenzierte Zeitung, die von Deutschen herausgegeben und redigiert wird, die 'Frankfurter Neue Presse'. Damit wird die Absicht der amerikanischen Nachrichtenkontrolle, die objektiv unvermeidliche Monopolstellung bisher lizenzierter deutscher Zeitungen zugunsten der freien Konkurrenz im Zeitungswesen aufzugeben, zuerst in Frankfurt in die Tat umgesetzt. ... Die Leser im Frankfurter Verbreitungsgebiet haben ... jetzt die Möglichkeit, sich von zwei Zeitungen diejenige auszuwählen, die ihnen am meisten zusagt."309) Carlebach erinnert sich, dass auch einige Redakteure der "Rundschau" verpflichtet wurden, zur "Frankfurter Neuen Presse" überzuwechseln.310) Die "Neue Presse" wurde sofort nach ihrem Erscheinen eine vielbeachtete Zeitung in Frankfurt und Umgebung und blieb ständig eine ernsthafte Konkurrenz zur "Rundschau". 3.3.3 Oktober 1946: Wilhelm Karl Gerst wird die Lizenz entzogen Innerhalb des Herausgebergremiums der "Frankfurter Rundschau" gingen seit dem Eintritt von Gerold in die Redaktion die personellen Auseinandersetzungen weiter. Das, was Belfrage im März 1946 bereits zu wissen glaubte, traf ein halbes Jahr später ein: Am 22.Oktober des Jahres erlischt die Lizenz von Gerst. Belfrage schrieb am 3. März 1946, dass es jetzt die Absicht derjenigen, die für eine Teilung der politischen Front seien, sei, Gerst "zu bekommen", "und sie werden sicherlich nicht ruhen von ihren Anstrengungen, während er weiterhin mit den Kommunisten zusammenarbeitet. Sie werden sicher Erfolg haben, denn es wird niemanden mehr in der ICD mit Einfluß geben, der genügend Widerstandskraft besäße, gegen diese Hexenjagd Einspruch zu erheben."311) Für die beiden Presseoffiziere war im Frühjahr 1946 die Zeit in Deutschland und damit die Arbeit für die "Rundschau" beendet. Ihre Verträge waren nicht verlängert worden. Belfrage ging in die USA zurück und geriet dort bald in die Schusslinie von Senator McCarthy, der ihn beschuldigte, russischer Agent zu sein.312) Adler, gebürtiger Frankfurter, kehrte ebenfalls - 108 - nach Amerika zurück. Der anstelle von Belfrage und Adler eingesetzte Nachfolger Vincent O. Anderson313) schien zu dem damaligen Zeitpunkt, als die politische Entwicklung eher auf Differenzen, denn auf Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West hinauslief, für die Leitung der "Rundschau" geeignet. Tatsächlich scheint sich das außergewöhnlich gute Verhältnis zwischen den Presseoffizieren und den Lizenzträgern, wie es noch bei Belfrage und Adler der Fall gewesen war, nicht wiederholt zu haben. Nicht nur, dass gegen das Ausscheiden von Gerst im Herbst 1946 vonseiten des Offiziers nichts unternommen wurde; Emil Carlebach meinte sogar, es sei Andersons persönlicher Erfolg gewesen, ihn, Carlebach, ausscheiden zu sehen. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis die kommunistischen Lizenzträger die "Rundschau" verlassen mussten. Hinzu kam, dass im westlichen Ausland, besonders in den Vereinigten Staaten, die "Frankfurter Rundschau" mit Misstrauen beobachtet wurde. Die "Neue Volkszeitung", eine sozialdemokratische deutschsprachige Wochenzeitung in New York, hatte bereits am 13.April 1946 geschrieben, die "Rundschau" sei ein verkleidetes Organ Moskaus unter offizieller amerikanischer Lizenz und eine antiamerikanische Publikation. Sie sei ein Schandfleck für das Ansehen der Amerikaner und in Frankfurt ein wirklicher Skandal. "Es gibt vielleicht fünf Prozent, die deutsche Kommunisten in Frankfurt sind. Die anderen 95 Prozent der Bevölkerung stimmen nicht mit der Politik der Zeitung überein. Sie können nicht verstehen, wie so eine Sache passieren konnte," schrieb die Zeitung.314) Ebenfalls negativ äußerte sich die "Chicago Daily News" am 10. Juli 1946. Sie meinte, von den bisherigen 35 Lizenzzeitungen in der amerikanischen Zone seien nur wenige als gut zu bezeichnen. Die meisten seien schwach, langweilig, schlecht geschrieben und ebenfalls schlecht redigiert. Die Lizenzträger seien in beinahe allen Fällen politische Flüchtlinge und Insassen von Konzentrationslagern. Die "Chicago Daily News" erklärte die kommunistische Färbung, die ihrer Ansicht nach in den Lizenziatengremien zu bemerken sei, mit der raschen Lizenzierung von Zeitungen und der damit verbundenen mangelhaften Suche nach wirklichen Fachleuten.315) Am 6. September des gleichen Jahres kritisierte die "New York Herald Tribune", dass innerhalb der verschiedenen Abteilungen der Militärregierung, vor allem in der Wirtschaftsabteilung und der Abteilung für Informationskontrolle, ein beträchtlicher Teil der Angehörigen Kommunisten sei. So wurden die "Stuttgarter Zeitung", die "Rhein Neckar- Zeitung" in Heidelberg und die "Frankfurter Rundschau" von kommunistischen Offizieren lizenziert und deutschen Kommunisten übergeben, wusste die "Herald Tribune" zu berichten. "Bevor nicht berichtigende Schritte unternommen werden", folgerte die Zeitung, "wird die 'Frankfurter Rundschau' die 'Frankfurter Prawda' genannt."316) - 109 - In Frankfurt sprach man verschiedenerseits auch von der "Frankfurter Schuldschau". Auch innerhalb der amerikanischen Militärregierung gab es mehrfach Kritik an der linken Haltung der "Rundschau". Joseph Dunner, Lizenzierungsoffizier im ehemals östlichen Militärdistrikt, der die Herausgeber der "Süddeutschen Zeitung" in München ausgewählt hatte, schrieb in seiner Autobiographie, es sei ihm unverständlich, wieso General McClure der hessischen Bevölkerung eine Zeitung oktroyiere, "die mit einer Auflage von 500 000 Exemplaren die Deutschen in der amerikanischen Besatzungszone aufforderte, der Pieck- Ulbrichtschen Sozialistischen Einheitspartei beizutreten."317) Dies beweise, wie wenig der General für die ihm anvertraute Aufgabe geeignet sei. Für die Lizenzträger der "Rundschau", die weder bei der Militärregierung noch in der Bevölkerung große Unterstützung fanden, verschlechterten sich die Aussichten zusehends. Wilhelm Karl Gerst, von dem Harold Hurwitz schreibt, er, ein Mitläufer, sei als "der beweglichste, intriganteste, fleißigste und erfahrendste Mann im Kreise der Lizenziaten"318) beschrieben worden, wurde am 14. Oktober 1946 vor die Spruchkammer VII in Frankfurt gerufen. Ihm war vorgeworfen worden, am 7. August 1933 in der philosophisch- theologischen Fakultät in Frankfurt-Oberrad eine Rede gehalten zu haben, in der er sich zum nationalsozialistischen Staat bekannte. Er habe in dieser Rede besonders betont, dass die göttliche Vorsehung nicht die Katholiken berufen habe, das Werk der geistigen und politischen Erneuerung zu vollenden, sondern dass der "Führer" dazu ausersehen sei. Gerst erwiderte auf diese Vorwürfe, die Versammlung habe dazu gedient, die geistigen Kräfte des katholischen Schrifttums gegen den Nationalsozialismus einzusetzen. Die fragliche Rede sei nicht von ihm gehalten worden. Nachdem mehrere Zeugen vernommen worden waren, wurde die Sitzung unterbrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt.319) Carlebach schrieb am gleichen Tag dazu: "Unsere Leser kennen aus eigenem Erleben wie auch aus der Wiedergabe der Spalten unserer Zeitung die Angriffe, die seit einem Jahr immer wieder gegen die 'Frankfurter Rundschau' und ihre einzelnen Lizenzträger unternommen wurden, weil es bestimmten Kreisen untragbar erscheint, daß unter 41 Zeitungen der amerikanischen Zone auch nur eine sei, die mit Schärfe und unnachgiebiger Kritik manche Zustände und Entwicklungen vom linken Flügel her angreift. ... Wir wissen auch, daß in diesen Kreisen bereits das Gerücht verbreitet wird, wenn Gerst 'abgeschossen' sei, dann würde als nächstes eine Richtungsänderung der 'Frankfurter Rundschau' erzwungen. Alle Spekulanten dieser Art müssen wir darauf aufmerksam machen, daß die Demokratie in der amerikanischen Zone nicht nur aus einem rechten Flügel und einer Mittelgruppe besteht, sondern auch einen linken Flügel aufweist. Wir haben bis jetzt noch keine Beweise dafür, daß sich dies in Zukunft ändern soll."320) - 110 - Gerst wurde am 22. Oktober 1946 die Lizenz entzogen mit der Begründung, er habe sich despotisch und undemokratisch seinen Angestellten gegenüber verhalten. Hurwitz nennt als Kündigungsgrund einen Streit mit dem Betriebsrat der "Rundschau", der eine sozialdemokratische Mehrheit hatte. Carlebach zufolge wurde Gerst ohne Begründung entlassen. Möglicherweise wurde aber nachträglich ein Grund dafür angegeben.321) Das Spruchkammerverfahren trug vermutlich ein Übriges zu seiner Kündigung bei. Wahrscheinlich war der Einfluss von Gerst innerhalb der "Rundschau" so groß (Hurwitz schreibt, "die Kontrolle der 'Rundschau' lag in noch stärkerem Maße bei Gerst als bei dem Parteiintellektuellen Carlebach"322)), dass eine Entlassung die einzige Lösung schien.323) Als weiterer Grund wurde zudem genannt, Gerst habe die "Frankfurter Rundschau" geschäftlich schlecht geführt.324) Die Zeitung selbst berichtete zum Fall Gerst am 22. Oktober 1946 unter der Überschrift "Lizenz entzogen": "Aus internen Gründen, die weder die persönliche noch die politische Integrität des Herrn Wilhelm Karl Gerst berühren und völlig unabhängig von dem gegen ihn schwebenden Spruchkammerverfahren sind, hat das Amt für Informations- Kontrolle bei der Militärregierung Wilhelm Karl Gerst die Lizenz entzogen, die ihm im Vorjahr als Mitherausgeber der 'Frankfurter Rundschau' erteilt worden war. Das Amt für Informations- Kontrolle hat nichts dagegen einzuwenden, daß Herr Gerst weiter als Redakteur oder als freier Journalist tätig ist, sofern die Spruchkammer ihn entlastet."325) Das auf drei Personen reduzierte Herausgebergremium - es blieben Gerold, Rudert und Carlebach - versuchte, die Linie der "Rundschau" auch fortan beizubehalten. Dass ihnen die Arbeit zusätzlich erschwert wurde, lag an dem immer stärker werdenden Mangel an Zeitungspapier. Otto Grossmann, der nach seiner Zeit als Lizenzträger der "Rundschau" eine Sportzeitung leitete, begrüßte zwar diesen Mangel, da so für eine mögliche Parteipresse ebenfalls nicht genug vorhanden sei, sah aber andererseits das Problem der Lizenzzeitungen, die eingehenden Informationen nicht verarbeiten zu können. Die Meldung der "Rundschau", wegen der Papierknappheit müsse eine Kürzung der Kontingente für alle amerikanisch lizenzierten Zeitungen um zehn Prozent erfolgen (die Auflage der "Rundschau" sank damit von 150.000 auf 135.000 Exemplare), kommentierte Arno Rudert am 19. Dezember 1946 folgendermaßen: "Soll unsere Zeitung mit dem Beginn des neuen Jahres wieder zwanzigtausend Abonnenten streichen oder soll sie den wöchentlichen Umfang von 12 auf 10 Seiten einschränken?"326) Diese Probleme erörterten auch die Lizenzträger der amerikanischen Zone mit General McClure am 17. Dezember des Jahres. Ein Entschluss wurde im Februar 1947 gefasst. Die "Frankfurter Rundschau" berichtete am 6. Februar: - 111 - "Unsere heutige Ausgabe stellt ein Beweismittel dar für den Papiermangel nämlich, der uns zu der längst angekündigten neuen Einschränkung zwingt. Sie setzt termingerecht mit dem 1. Februar ein. Wir haben unseren redaktionellen Ehrgeiz überwunden und entsprechend der Alternative, vor die uns die Nachrichten-Kontrollabteilung der Militärregierung entgegenkommend gestellt hat, die Seitenzahl von wöchentlich zwölf auf zehn herabgesetzt. Auf diese Weise konnten wir absehen von der Streichung von Abonnenten. Die Zeitung erscheint wieder dreimal in der Woche; die Donnerstagausgabe regelmäßig zweiseitig."327) Die Dienstag- und Samstagausgaben hatten meistens vier Seiten, in Ausnahmefällen auch sechs Seiten. Der Leitartikel erschien dabei nach wie vor auf Seite zwei der Zeitung und wurde abwechselnd von Gerold, Carlebach und Rudert geschrieben. Rudert schrieb ihn vor allem zu den Themen des Judenproblems bzw. zum Verhältnis der Deutschen zur amerikanischen Besatzungsmacht; Gerold, dem ursprünglich das Feuilleton zugeteilt worden war, schrieb ebenfalls politische Artikel. Rudert und er berichteten gemeinsam über die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse, und Carlebach gab seine Meinung zu Gewerkschaften, zur hessischen Kommunalpolitik sowie zu allgemeinen innenpolitischen Fragen wieder. Seine Leitartikel waren überschrieben mit: "Bodenreform"328) "Gemeindewahlen"329), "Demokratie - Kein Schlagwort"330), "Die Moskauer Konferenz"331), "Arbeitereinheit"332),"Unsere Industrie"333) usw. 3.3.4 Umfragen zu den beiden Frankfurter Lizenzzeitungen Die anhaltende Kritik an den Lizenzzeitungen der amerikanischen Zone, besonders an der "Frankfurter Rundschau", veranlasste die Intelligence Branch der ICD, Umfragen über den Beliebtheitsgrad der Presse in der Zone durchzuführen. Die Ergebnisse wurden in drei aufeinander folgenden Ausgaben des "Information Control Weekly Review"334) wiedergegeben: am 4., 11. und 18. Januar 1947. Die Umfragen, die im Sommer 1946 in allen Städten, in denen Lizenzzeitungen erschienen (es waren zu dem Zeitpunkt 32), gemacht worden waren - wobei man in jeder Stadt 250 Personen interviewte -, hatten folgendes Ergebnis: 48 Prozent der Leser, befragt, ob sie ihre Zeitung sehr gut, gut, einigermaßen gut oder schlecht fanden, antworteten mit "sehr gut" oder "gut". 37 Prozent meinten, sie sei schlecht. 10 Prozent äußerten keine Meinung. Leser mit guter schulischer Vorbildung standen zudem der Presse kritischer gegenüber als jene mit schlechterer Ausbildung. Dies ließ sich besonders in Hessen nachweisen:335) 74 Prozent derjenigen mit - 112 - mehr als 12-jähriger Schulbildung waren mit der Zeitung unzufrieden, gegenüber 59 Prozent mit acht Jahren Schulbildung, denen ihre Zeitung missfiel. Außerdem zeigte die Umfrage, dass Protestanten mehr Kritik übten als Katholiken. In Hessen, das zu großen Teilen protestantisch war, äußerten sich 57 Prozent der Protestanten gegenüber 41 Prozent der Katholiken unzufrieden mit ihrer Lokalzeitung.336) Bei der Presse in Hessen zeigte sich auch, dass, im Vergleich zu den beiden anderen Ländern der Zone, wenige Leser mit ihrer Zeitung zufrieden waren. Von den acht Blättern in Hessen bildeten nur die "Frankfurter Neue Presse", die "Hessischen Nachrichten" in Kassel und der "Wiesbadener Kurier" eine Ausnahme.337) Die "Frankfurter Neue Presse", hieß es in dem Bericht, sei - konservativ und ruhig, wenn auch nicht sehr forciert in ihren Reorientierungsbemühungen - ein gutes Gegengewicht zur links gerichteten, aggressiven "Frankfurter Rundschau". Die "Neue Presse" war zur Zeit der Umfrage auch deutlich beliebter in Frankfurt als die "Rundschau": Dreimal so viele Leser zogen die "Neue Presse" der "Frankfurter Rundschau" vor. Zwar sei der Wert der Umerziehung, den die "Rundschau" leistete, hoch zu bewerten, doch habe ihr heftiger antinazistischer Ton und die kommunistischen Lizenzträger viele Leser abgeschreckt. Beide Zeitungen zusammen machten aber Frankfurt zur besten Zeitungsstadt der amerikanischen Zone, so der Bericht. Der Beliebtheitsgrad der beiden Frankfurter Blätter, der seit dem Bestehen der Zeitungen immer wieder erforscht und diskutiert wurde, war auch im Frühjahr 1947 erneut Anlass zu einer Umfrage. Ende April wurden 300 Personen in Frankfurt nach ihren Lesegewohnheiten befragt. Es zeigte sich, dass es in drei wesentlichen Punkten keine Unterschiede zwischen den Lesern der "Rundschau" und denen der "Neuen Presse" gab: Ungefähr die gleiche Anzahl von Männern und Frauen, von Protestanten und Katholiken sowie von Personen mit der gleichen Schulbildung lasen entweder die eine oder die andere Zeitung. Allerdings gaben signifikant mehr Leser der "Neuen Presse" an, sie hätten einen Verdienst von 250 Reichsmark und mehr in der Woche als jene der "Rundschau". Unterschiede bestanden jedoch in politischer Hinsicht. Zahlreiche Leser der "Neuen Presse" waren im Dritten Reich führende Persönlichkeiten gewesen. Diese Feststellung konnte man von den "Rundschau"-Lesern nicht machen.338) Die Frage nach der Bevorzugung einer Zeitung, die an Leser der "Neuen Presse" wie auch an Leser der "Rundschau" gestellt wurde, ergab, dass 31 Prozent die "Neue Presse" für besser hielten (Juni 1946: 41 Prozent), 20 Prozent die "Rundschau" bevorzugten (Juni 1946: - 113 - 15 Prozent), 11 Prozent keinen Unterschied feststellen konnten (Juni 1946: 11 Prozent) und 38 Prozent keine Meinung äußerten (Juni 1946: 33 Prozent). Leser, die angegeben hatten, beide Zeitungen zu lesen, wurden gefragt, welche sie am liebsten läsen. 60 Prozent bevorzugten die "Neue Presse" und 19 Prozent die "Rundschau". 21 Prozent hatten keine Meinung. Befragt, warum sie die eine Zeitung der anderen vorzögen, antworteten die "Rundschau"-Abonnenten, dass sie den Wert der Informationen in der "Rundschau" schätzten, während die "Neue Presse"-Leser hauptsächlich darauf hinweisen, dass die "Frankfurter Rundschau" kommunistisch sei und sie deshalb die "Neue Presse" vorzögen. Die Frage: "Ist Ihrer Ansicht nach die Zeitung, die Sie lesen, politisch unparteiisch, wenn sie sich mit politischen Problemen befaßt, oder bevorzugt sie eine bestimmte Partei?" beantworteten die Leser wie folgt: "Neue Presse" "Rundschau" bevorzugt Partei 2% 29% unparteiisch 90% 52% keine Meinung 8% 19% 100% 100% "Rundschau"-Leser kritisierten zudem, die Zeitung benötige sehr viel Raum, um Kritik an allen politischen Parteien zu üben, nur die Kommunistische Partei bleibe von dieser Kritik verschont. Andere Leser der "Rundschau" bemängelten, dass kulturelle Ereignisse ungenügend berücksichtigt würden. "Neue Presse"-Leser äußerten in geringem Maß Kritik daran, dass die Zeitung nicht genug über die Entnazifizierung oder das Umsiedler-Problem spreche. Von beiden Blättern wurde gefordert, mehr auf die Probleme des täglichen Lebens einzugehen, wie Nahrungsbeschaffung, Kleidung oder Arbeitslosigkeit. Die Frage "Bitte, sehen Sie auf diese Liste und sagen Sie, welche der Themen Sie häufiger in Ihrer Zeitung angesprochen haben möchten" (wobei mehrere Antworten möglich waren), beantworteten die Leser so: "Neue Presse" "Rundschau" Nachrichten über Frankfurt 24% 18% Nachrichten über Deutschland 32 37 - 114 - Weltnachrichten 48 51 Schul- und Erziehungs- probleme 12 23 Frauenthemen 20 20 Sport 8 6 Wirtschaftsfragen 36 39 öffentliches Wohl- ergehen 16 17 Die letzte Frage hieß: "War der Nationalsozialismus eine schlechte Idee, oder eine gute Idee, die schlecht ausgeführt wurde?" Für die schlechte Idee entschieden sich 30 Prozent der "Neue Presse"-Leser, bei der "Rundschau" waren es 48 Prozent. 68 Prozent der "Presse"- Leser hielten es für eine schlecht durchgeführte Idee, die an sich gut gewesen sei, während nur 41 Prozent der "Rundschau"-Leser dieser Ansicht waren. Der Rest der Befragten äußerte sich dazu nicht. Die Research Branch der ICD zog aus den Antworten die Schlussfolgerung, dass sich die Bewohner Frankfurts durchaus der Unterschiede zwischen den beiden Zeitungen bewusst seien. Viele glaubten, so folgerten die ICD-Angehörigen, dass die "Rundschau" ein "Anti"-Blatt sei: antinazistisch, antikonservativ und gegen alle politischen Parteien, ausgenommen die KPD. Die "Neue Presse" wurde andererseits als eine zurückhaltende, unpolitische, mehr auf kulturellem Gebiet tätige Zeitung charakterisiert. Die Research Branch kam zu dem Ergebnis, dass die Bevorzugung einer Zeitung vor einer anderen auf Grund folgender Kriterien erfolgte: a) Unterschiedlich eingestellte Teile der Bevölkerung. Die restlichen Nationalsozialisten und Personen, die immer noch nicht von der eigentlichen Kritik am Nationalsozialismus überzeugt sind, ziehen es vor, den offensichtlich antifaschistischen Ton der "Rundschau" zu vermeiden, und bevorzugen die "unparteiische" "Neue Presse". Wohlhabende, kulturell Interessierte und politisch Zurückhaltende mögen die "Presse" lieber wegen ihres konservativen Standpunkts, ihres ruhigen Tons bezüglich des Reorientierungsprogramms. Die "Rundschau" andererseits wird gelesen vom unteren Mittelstand und von denen, die politisch interessiert sind, sowie von Personen, die während des Dritten Reichs kaum Beziehungen zu führenden Gruppen hatten. b) Unterschiedliche Absichten der Zeitungen selbst. Die "Rundschau", deren Leser sich an diese Zeitung gewöhnt hatten, büßte durch das Erscheinen der "Neuen Presse" - 115 - nicht an Lesern ein. Die Opposition gegen die "Rundschau" sei zwar laut, aber zahlenmäßig so schwach, so dass sie übersehen werden könne. Etwa zur gleichen Zeit339) äußerte sich die Information Control intern zu den Lizenzträgern der "Frankfurter Rundschau". Karl Gerold, "überzeugt anti-faschistisch", wurde als überdurchschnittlich in seinen Fähigkeiten, die Leitung des Feuilletons und seinen fachlichen Rang betreffend, geschildert. Von Rudert schrieb man, er sei an Journalismus mehr interessiert als an seiner Arbeit als Mitglied der Kommunistischen Partei. Auf jeden Fall treffe dies im Vergleich mit Emil Carlebach zu, der, ein führender Funktionär der KPD in Hessen, die Parteilinie ziemlich genau befolge. Sein Interesse an Parteiangelegenheiten schmälere aber nicht seine Aktivitäten als Journalist. In Klarheit, Kürze und Eindringlichkeit gehörten seine Leitartikel, so ICD, zu den besten der amerikanischen Zone. 3.3.5 August 1947: Emil Carlebach scheidet als Lizenzträger aus Wer auch immer diese positive Beurteilung von Carlebach geschrieben haben mag, sie entsprach sicherlich nicht den Ansichten der führenden Personen in der Abteilung für Informationskontrolle. Denn im Sommer 1947, nachdem Carlebach zwei Jahre lang Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau" gewesen war, wurde auch ihm die Lizenz entzogen. Carlebach zufolge wurde ihm am 17. August 1947 ein Schreiben von General Clay überbracht, in dem ihm die Lizenz "ohne Begründung und ohne Untersuchung aufgrund des Artikel 3 der Lizenzurkunde"340) entzogen wurde. Die "Frankfurter Rundschau" berichtete am 21. des gleichen Monats: "Dem bisherigen Lizenzträger der 'Frankfurter Rundschau', Emil Carlebach, wurde ohne Angabe von Gründen die Lizenz entzogen. Das Schreiben lautet: Lizenz Nr.2 der Informationskontrolle der Militärregierung vom 1. 8. 1945, durch welche Sie ermächtigt wurden, in Frankfurt eine Zeitung 'Frankfurter Rundschau' herauszugeben, wird hiermit gemäß den Bestimmungen ihres § 3 zurückgenommen."341) Am gleichen Tag meldete die "New York Herald Tribune" unter der Überschrift: "Roter Herausgeber in Frankfurt von der amerikanischen Militärregierung entlassen": "Emil Carlebach, kommunistischer Lizenzträger der 'Frankfurter Rundschau', eine der größten Zeitungen der amerikanischen Zone, wurde heute von der amerikanischen Militärregierung seines Amtes enthoben. Amerikanische Offiziere der Pressekontrolle sagten, sie könnten keinen Grund angeben, aber in Berlin sagte Colonel G. E. Textor, Chef der - 116 - Information Control Division der Militärregierung, Herr Carlebach sei entlassen worden wegen seiner unangebrachten Ansichten und seiner Charakterzüge. Herr Carlebach, einer der einflußreichsten Herausgeber der Zone und ehemaliger Insasse des Buchenwald Konzentrationslagers, ... erklärte, die Aktion der Militärregierung sei undemokratisch gewesen, er glaube, er sei entlassen worden, weil 'es nicht beabsichtigt ist, der kommunistischen Partei zu erlauben, ihre Ansichten darzulegen'."342) Harold Hurwitz, der sich auf Oberst Textor bezieht, schreibt, Carlebach sei die Lizenz entzogen worden, weil sich herausgestellt habe, "daß Carlebach politische Ansichten und Charakterzüge eigen sind, die ihn als einen führenden Vertreter der öffentlichen Meinung und der demokratischen freien Presse in Deutschland ungeeignet erscheinen lassen."343) Carlebach, der während seiner Zeit als Lizenzträger keinerlei Verwarnungen von der Militärregierung erhalten hatte, legte bei dem Direktor der Militärregierung in Hessen, James R. Newman, Beschwerde ein, allerdings ohne Erfolg. Newman antwortete: "Sehr geehrter Herr Carlebach! Ich bin im Besitz Ihres Schreibens vom 20.August, das sich auf meine Anordnung der Zurückziehung Ihrer Lizenz als Herausgeber der 'Frankfurter Rundschau' bezieht. Die Tatsache, daß Sie und viele Deutsche in Hessen - wie Sie in Ihrem Brief feststellen - lange Jahre in Hitlers Konzentrationslagern verbracht haben, ist mir seit vielen Monaten bekannt. Die von Ihnen erduldeten Mühsale erweckten mein Mitgefühl, und ich habe das sehr wohl berücksichtigt, als ich die KPD mit in das erste hessische Kabinett berief. Was die Ursache der Zurückziehung Ihrer Lizenz als Herausgeber der 'Frankfurter Rundschau' anbelangt, so kann ich nur feststellen, daß ich mich völlig davon überzeugt habe, daß Sie nicht nur den Zielen der Militärregierung kein Vertrauen entgegenbringen, sondern daß auch Ihre Handlungen und Ihre Haltung derart gewesen sind, daß unsere Aufgabe dadurch erschwert wurde. Ihre politischen Auffassungen, die denen anderer Deutscher in Hessen entgegengesetzt sind, haben mich nicht so sehr gestört, als Ihre offensichtliche Unfähigkeit, die Grundprinzipien der Demokratie zu verstehen. Wenn jene, denen wir das Vertrauen entgegenbringen, Zeitungen herauszugeben, unsere Radiostationen zu benutzen und Stellungen in der hessischen Regierung zu bekleiden, kein Verständnis für unsere Prinzipien haben und nicht willens sind, für diese Prinzipien zu arbeiten, so können wir die Aufgabe nicht erfüllen, deren Verwirklichung vom amerikanischen Volk so viele Anstrengungen erfordert. Ihre Lizenz als Herausgeber der 'Frankfurter Rundschau' wird Ihnen von mir nicht zurückgegeben werden, es wird jedoch kein anderer Lizenziat, ob Kommunist oder sonst irgend jemand, so lange in seiner Arbeit gehemmt werden, als er unseren Problemen in der Militärregierung Verständnis entgegenbringt und Vertrauen in die demokratischen Ziele hat, die wir zu erreichen bestrebt sind. Diese Tatsache in Verbindung mit jener, daß ich im Oktober 1945 einen Kommunisten als Arbeitsminister344) berief, der dann über ein Jahr im Kabinett tätig war, sollte Ihnen beweisen, daß die Ursache für Ihre Ablehnung nicht in irgendwelchen Einwendungen meinerseits gegen die KPD, sondern lediglich in Ihrer eigenen Haltung und Ihren Handlungen bedingt war."345) - 117 - Angeblich wurde Carlebach aber anheim gestellt, an der Zeitung als freier Mitarbeiter tätig zu sein. Carlebach kommentiert: "Meine beiden Kollegen (Gerold und Rudert) sorgten nicht nur dafür, daß ich kein Wort mehr schrieb, sondern: 'Sein Name soll nicht mehr genannt werden'. So daß über Jahrzehnte hinweg der Name Carlebach in der 'Frankfurter Rundschau' nicht mehr auftauchte."346) "Der Spiegel" meinte zum Ausscheiden von Carlebach: "Carlebachs Anteil an dem von Anfang an radikalen Kurs der 'Frankfurter Rundschau' steht fest. Im bürgerlichen Frankfurt war man entsetzt über die Tendenz der ersten deutschen Frankfurter Zeitung, und die amerikanische Press Control sah sich schon bald vor die Notwendigkeit gestellt, einer Gruppe gemäßigterer Männer die Lizenz für die 'Frankfurter Neue Presse' zu erteilen. Carlebach ließ sich neben seinen Mitlizenziaten Arno Rudert (KPD) und Karl Gerold (SPD) häufig in der Leitartikelspalte vernehmen, obwohl er in der Redaktion als Chef des Lokalressorts fungierte. Er übte scharfe Kritik an den deutschen Behörden und deren Exponenten, und interpretierte die deutsche Einheit im Sinne der KPD."347) Der Presseoffizier, der Carlebach für die Lizenz ausgesucht hatte, bezeichnete den Lizenzentzug als einen großen Fehler der Information Control und wies darauf hin, wie wenig eine Meinungsfreiheit in der Lizenzpresse wirklich gegeben sei. Er bemerkte außerdem, dass Angehörige der Psychological Warfare Division (also auch unter anderem die Presseoffiziere), die die ersten Herausgeber ausgesucht hatten, innerhalb eines Jahres in der amerikanischen Presse als angebliche Kreml-Agenten entlarvt wurden, die in die Armee eingeschleust worden waren, um Verwirrung in der amerikanischen Zone zu stiften.348) Die Antwort auf den Artikel von Cedric Belfrage, der im "Harper's Magazine" 1948 erschienen war, erfolgte zwei Monate später. Im August des Jahres schrieb Ernst Federn, der sieben Jahre zusammen mit Carlebach im Konzentrationslager Buchenwald verbracht hatte: "Die Hauptthese von Cedric Belfrages Artikel scheint zu sein, daß Carlebach ... durch seine Taten in Buchenwald und später als Herausgeber der 'Frankfurter Rundschau' gezeigt habe, daß er ein hervorragender Kämpfer gegen den Faschismus war und von solch moralischer Bedeutung, daß seine Entlassung aus dem Frankfurter Herausgebergremium ein Schock für alle antifaschistischen Amerikaner sein müsse."349) Federn gab daraufhin seinen Eindruck von Carlebach wieder, den er von ihm in Buchenwald gewonnen hatte. Er brachte die gleichen Bedenken vor, die andere bereits 1945 anlässlich der Wahl Carlebachs zum Lizenzträger geäußert hatten,350) und fragte: "Haben wir wirklich um Carlebach zu trauern? - 118 - Sicherlich litt auch er unter den Jahren, die er in Konzentrationslagern verbracht hatte, und ganz bestimmt behauptete er sich als verläßlicher Arbeiter für die kommunistische Partei. Aber ihn als Verfechter von Freiheit und menschlicher Würde zu bezeichnen hieße, ein großes Unrecht denen gegenüber zu begehen, die ihren Sinn für die Werte des Menschen bewahren konnten, trotz aller Verfolgungen, sogar in Konzentrationslagern."351) 3.3.6 November 1947: Arno Rudert wird aus der KPD ausgeschlossen In den Ausgaben der "Frankfurter Rundschau" machte sich das Fehlen des dritten Lizenzträgers nur so bemerkbar, dass fortan die Leitartikel nicht mehr ausschließlich von den Herausgebern verfasst wurden (bis zu Carlebachs Entlassung hatten sich die drei Lizenziaten in dieser Tätigkeit regelmäßig abgewechselt), sondern dass Redakteure, wie z.B. der für Wirtschaftsfragen zuständige Alfons Montag oder der in juristischen Angelegenheiten versierte Rudi Eims352), ihre Meinung äußerten. Zusätzlich kamen Vertreter des öffentlichen Lebens in der Zeitung zu Wort. Im November des Jahres war es dann mit der beabsichtigten Mehrparteilichkeit des Lizenzträgergremiums endgültig vorbei, als Arno Rudert aus der KPD ausgeschlossen wurde. In einem Schreiben des KPD-Landesvorstandes wurde er beschuldigt, er habe versäumt, den kommunistischen Standpunkt in der "Frankfurter Rundschau" zu vertreten, und damit persönliche Feigheit gezeigt. Darum werde er aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen.353) Carlebach, der als Datum für den Ausschluss den 5. November 1947 angibt354), ergänzte, in der Begründung habe es u.a. geheißen, dass "Rudert seit seiner Wiederaufnahme in die Partei 1945 jegliche politischen und organisatorischen Kontakte vermieden habe. Er habe insbesondere im ersten Moment, als die Anzeichen einer allgemeinen antikommunistischen Kampagne einsetzten, jenes Maß an persönlicher Standhaftigkeit vermissen lassen, daß gerade von einem Kommunisten in exponierter Stellung erwartet werden müsse."355) Rudert entgegnete in der "Frankfurter Rundschau" am 15. November: "Meine Feigheit besteht darin, daß ich die Zeitung nicht als Kommunist, sondern als Journalist geführt habe."356) Weiterhin soll er gesagt haben: "Bevor die KPD nach dem Zusammenbruch des 'Dritten Reiches' wieder entstanden war, hatte ich als Privatperson den Lizenzvertrag mit der Militärregierung unterschrieben. Der spätere Wiedereintritt in die inzwischen entstandene KPD hat sich als ein Fehler herausgestellt. Die Pflichten eines - 119 - Mitgliedes der KPD sind tatsächlich nicht vereinbar mit den Verpflichtungen des Lizenzträgers einer überparteilichen Zeitung. Ich werde gegen diesen Beschluß keinen Einspruch erheben."357) "Der Spiegel" kommentierte: "Frankfurter Journalisten sind der Ansicht, daß der Lizenziatenverschleiß der 'Frankfurter Rundschau' jetzt aufhören wird, sie sagen, Karl Gerold und Arno Rudert seien nicht nur tüchtig, sondern auch klug. Und das hätten die Amerikaner gern."358) So tauschte Rudert, dessen politische Aktivitäten tatsächlich nicht groß gewesen waren, seine Parteimitgliedschaft gegen einen sicheren Arbeitsplatz. Dies mag erklären, warum die Abneigung des überzeugten Kommunisten Carlebach gegen den unsicheren Parteigenossen Arno Rudert größer war als gegen irgendeinen anderen des ursprünglich siebenköpfigen Herausgeberteams.359) Als dann praktisch zur gleichen Zeit General Clay seinen Informationsfeldzug ankündigte, konnte er sich der Mitarbeit aller bisher lizenzierten Zeitungen in der amerikanischen Zone gewiss sein; kaum einer der Herausgeber gehörte noch der kommunistischen Partei an. Auf den Maschinen der "Frankfurter Rundschau" wurden 200.000 Exemplare eines Artikels, der in der "New York Herald Tribune" veröffentlicht worden war, gedruckt, Titel: "Hinter dem 'Eisernen Vorhang'".360) Arno Rudert kommentierte die Änderung der amerikanischen Nachrichtenpolitik zwar kritisch und erkannte sie auch als Kampagne zur Gegenüberstellung amerikanischer Lebensweise mit dem Leben in der sowjetischen Zone. Seine Schlussfolgerungen entsprachen aber ganz den Intentionen der Besatzungsmacht. Er schrieb: "An den Unstimmigkeiten zwischen den großen alliierten Mächten ist Deutschland zunächst nur als 'Zankapfel' beteiligt. Wir setzen großes Vertrauen auf die internationale Vernunft. Wir glauben nicht an Krieg. ... Inzwischen identifizieren wir uns aber durchaus mit dem Geist der Richtlinien, die General Lucius D. Clay im Sommer aus Washington bekommen hat."361) 3.4 Die "Frankfurter Rundschau" 1948/49 1948 lagen die thematischen Schwerpunkte nicht mehr, wie noch 1946, auf der Berichterstattung über Gewerkschaften oder Parteitagungen der KPD und SPD. Jetzt schrieb man über innenpolitische Probleme, über den amerikanischen Marshall-Plan oder über die Vereinten Nationen. Überschriften lauteten: "Das Schicksal der Ostzonen-CDU"362); "CDU - 120 - fordert Trizone"363) ; "Amerikas Staatsausgaben"364); "USA weichen keinem Druck"365); "USA weist Sowjetprotest zurück"366); "Marshalls Appell für Wiederaufbauprogramm"367); "Die mißtrauischen Sowjetbeamten"368); "Marshall mahnt zur Sicherheit"369); "Byrnes fordert Entschlossenheit"370); "Amerika hilft Europa"371); "Truman für entschlossene Politik"372); "Zusammenschluß des Westens"373); "Marshall: Europäische Lage eine Bedrohung"374) "General Clay wendet sich gegen Gerüchte"375); "Richtigstellung russischer Behauptungen"376) usw. Die beginnende Berlin-Krise tat ein Übriges, um auch in der Presse die Haltung Amerikas zu verdeutlichen. Der Ausspruch General Clays, die Elbe sei die ideologische Grenze, wurde in der "Frankfurter Rundschau" ebenso Thema eines Artikels377) wie General Robertsons Düsseldorfer Rede.378) Ab Juli 1948 besserte sich die Versorgung der "Rundschau" mit Zeitungspapier erheblich. Nachdem die "Frankfurter Rundschau" am 17. des Monats ihren Lesern angekündigt hatte, die Zeitung werde vom 21. Juli an täglich außer an Sonn- und Feiertagen erscheinen379), berichtete sie am 26. Juli, auf der einen Tag zuvor stattgefundenen Tagung des Verbandes Hessischer Zeitungsverleger in Marburg sei beschlossen worden, neben dem täglichen Erscheinen der Lizenzzeitungen auch den Umfang der Seiten den jeweiligen Blättern freizustellen. "Es wird keine Beschränkung der Auflagenhöhe mehr geben. Die Zeitungen sind nicht mehr an das ihnen bisher vorgeschriebene Verbreitungsgebiet gebunden, so daß sie Abonnentenwünsche aus allen Gebieten entgegennehmen und den Freiverkauf uneingeschränkt organisieren können. Weitere Einschränkungen in bezug auf den Anzeigenteil, auf den Bezugs- und Anzeigenpreis kommen ebenfalls zum Wegfall."380) Die "Frankfurter Rundschau" erschien daraufhin täglich mit einem Umfang von vier Seiten, an Samstagen mit sechs Seiten. Der Samstagausgabe wurde vom 31. Juli an eine kostenlose Bildbeilage hinzugefügt. Die Erhöhung der Seitenzahl brachte auch eine Themenzunahme mit sich. Nach der Papiererhöhung enthielt die "Frankfurter Rundschau" folgende Rubriken: Auf der ersten Seite wurden die politischen Nachrichten kommentarlos wiedergegeben. Seite 2 umfasste den Leitartikel, Leserbriefe sowie "unter dem Strich" einen Fortsetzungsroman. Der "Frankfurter Spiegel" mit Lokalereignissen wurde auf der dritten Seite gedruckt, außerdem das Feuilleton, nach deutscher Zeitungstradition ebenfalls "unter dem Strich". Auf Seite 4 fanden sich Stellungnahmen und Kommentare zu gesellschaftlichen und psychologischen Fragen. Die fünfte Seite informierte den Leser über Wirtschaftsfragen und - 121 - in der unteren Hälfte über sportliche Ereignisse, während die sechste Seite ausschließlich Anzeigen enthielt.381) Diese Einteilung behielt die "Frankfurter Rundschau" auch 1949 bei. Zusätzlich nahm die Zeitung an den Diskussionen um das Für und Wider der Zulassung von Parteizeitungen teil. Auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Zeitungsverleger der amerikanischen Zone in Stuttgart am 9. Januar 1949 sprachen sich alle Verleger für die baldige Lizenzierung der Parteizeitungen aus. Sie wandten sich allerdings gegen die so genannten Altverlegerblätter mit den Worten: "Daß ... in einem so frühen Stadium des staatspolitischen Aufbaus jedermann die Möglichkeit geboten werden soll, Zeitungen herauszugeben oder verantwortlich zu leiten, wird im Hinblick auf die mangelhafte Säuberung in den Reihen der eigentlichen Träger des nationalsozialistischen Regimes und die damit verbundenen Folgen als eine ernste Gefahr betrachtet."382) Breiten Raum nahm auch das Pressegesetz für Hessen in der Berichterstattung der Zeitung ein.383) Mit der Generallizenz Nr. 3, die von James Newman, dem Direktor der Militärregierung für Hessen, am 22. Juli 1949 in Kraft gesetzt wurde, endeten sämtliche Lizenzbeschränkungen in Hessen. Die "Frankfurter Rundschau" ging damit in den Besitz der beiden bisherigen Herausgeber Karl Gerold und Arno Rudert über. 384) Als Arno Rudert 1954 starb, wurde Gerold alleiniger Verleger, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung.385) 3.5 "Frankfurter Rundschau" - Stiftung oder GmbH? Bereits zwei Monate nach der Gründung der ersten Lizenzzeitung waren sich die sieben Herausgeber der "Rundschau°" darüber im Klaren, welche Gesellschaftsform sie ihrer Zeitung geben wollten. Vor allem der Initiative von Wilhelm Karl Gerst war es zu verdanken, dass sich die "Frankfurter Rundschau" schon am 22. September 1945 als "gemeinnützige Stiftung" präsentieren konnte. Jedenfalls waren das die Pläne der Herausgeber, denen die amerikanische Militärregierung nur noch zuzustimmen brauchte. Die "Rundschau" schrieb: "Als das Alliierte Oberkommando sich entschloß, den sieben Herausgebern der 'Frankfurter Rundschau' die Lizenz zu übertragen, fügte es in üblicher Weise diesem Recht der Herausgabe die Bemerkung bei: '... und Nutzen daraus zu ziehen'. In den Bestimmungen, die den Lizenz-Inhabern seitens des Alliierten - 122 - Oberkommandos auferlegt wurden, ist u.a. gesagt: Es müsse ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen werden, der eine gerechte Verteilung des Gewinns vorsehe, die Rechte etwaig ausscheidender Gesellschafter schütze und den Aufbau eines gesunden Zeitungs-Betriebs zum Ziel habe. Es wurde außerdem gesagt, die Lizenz-Inhaber sollten während der Besatzungsdauer aus dem Zeitungsbetrieb Kapital erwerben. Sie sollen dadurch finanziell stark genug sein, um bei Ankauf der beschlagnahmten Anlagen (das sind die Anlagen der früheren Frankfurter Societäts Druckerei) oder anderer Unternehmen konkurrieren zu können. Das Vertrauen des Alliierten Oberkommandos hat durch diese Erklärungen den sieben Lizenz-Inhabern die Chance gegeben, durch den Betrieb und die Herausgabe der 'Frankfurter Rundschau' ein Vermögen zu erwerben. Nach Abzug der Besatzungsarmee würde es ihnen freistehen, über dieses Kapital selbständig zu verfügen. Die sieben Lizenzinhaber aber haben ohne Verzug und einstimmig beschlossen, das Angebot des Alliierten Oberkommandos nicht anzunehmen. Sie haben die Militärregierung durch die Vorlage eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages gebeten, damit einverstanden zu sein, daß die 'Frankfurter Rundschau' jetzt und auch künftig als gemeinnütziges Unternehmen geführt werden darf. Dessen Aufgabe soll durch die Erkenntnis erfüllt werden, 'daß Deutschlands Zukunft nicht im Streben nach eigenem Vorteil auf Kosten anderer liegt, sondern in der Förderung der Interessen der gesamten friedlichen Völkergemeinschaften. Dieses ihnen anvertraute Werkzeug dürfe nur im Dienste der Wahrheit verwendet werden mit dem Ziel, in Deutschland eine freie und demokratische Gesellschaftsordnung zu schaffen. In dieser solle jeder Einzelne sich seiner Verantwortung bewußt sein.' Deshalb, so folgerten die Lizenz-Inhaber, müssten auch alle überschüssigen Vermögenswerte, die aus dem Betrieb der Zeitung kommen, ausschließlich in den Dienst dieser Aufgabe und zugleich in den der Fürsorge für alle Mitarbeiter, Angestellten und Arbeiter der 'Frankfurter Rundschau' gestellt werden. Sie soll nicht nur in ihrem Inhalt, sondern auch durch ihr Geschäftsgebaren ein Vorbild für die künftige wirtschaftliche Neuordnung und für den Geist des Neuaufbaus unseres Landes sein. Aus dem gleichen Grund haben es die sieben Lizenz-Inhaber abgelehnt, an dem Gewinn der 'Frankfurter Rundschau' beteiligt zu sein. Sie beanspruchen für ihre Tätigkeit lediglich ein Entgelt, wie es für Schriftleiter üblich ist. Das amerikanische Oberkommando, vertreten durch 6871st District Information Services Control Command APO 758, hat diesem Vorschlag zugestimmt. Die 'Frankfurter Rundschau' wird also die erste Zeitung in Deutschland sein, in der der Geist der Zusammenarbeit und der sozialen Gemeinschaft auch in der Wirtschaftsform zum Ausdruck kommt. Sie wird, wenn die Besatzungsdauer abgelaufen ist, als gemeinnütziges Unternehmen weiterbestehen."386) Es stimmte allerdings nicht, dass das amerikanische Oberkommando den Plänen der Herausgeber zugestimmt hatte. Was die "Frankfurter Rundschau" am 22. September schrieb, war lediglich die Version der Lizenziaten, denn Emil Carlebach sagte hierzu, die Militärregierung habe den Entwurf vorerst nur geprüft und nach der Entlassung von Gerst als Lizenzträger den Gedanken an eine Stiftung fallen gelassen.387) Die sieben Herausgeber hatten vermutlich die Vorstellung, der Zeitung die Form einer Stiftung zu geben, um so unter - 123 - den damaligen Bestimmungen nach einem Weg zu suchen, der Vormachtstellung von Verlegern vorzubauen, eine direkte Beeinflussung der Redaktion durch Kreditgeber zu unterbinden und den Arbeitern und Angestellten der Zeitung soziale Verbesserungen zu verschaffen.388) Das Stiftungsmodell entsprach diesen Wünschen am ehesten, jedenfalls soweit es deutsche Rechtsvorschriften betraf. Die Durchführungsanweisung Nr.1 der Press-Control verlangte für deutsche Lizenzzeitungen eine Handelsfirma nach deutschem Recht.389) Der Entwurf eines hessischen Stiftungsgesetzes, das Professoren der Marburger Juristischen Fakultät ausgearbeitet hatten, wurde den Lizenzträgern der amerikanischen Zone Ende 1945 vorgelegt und fand bei den meisten keine Zustimmung. Gersts Vorstellungen wurden nicht akzeptiert. Später schrieb er darüber: "Es hatte noch nie in Deutschland eine Situation gegeben, die für eine gänzliche Umgestaltung des Pressewesens in einem modernen, sozialen und fortschrittlichen demokratischen Geist so günstig war. Das ganze Zeitungswesen war neu aufzubauen. Mit den alten Verlegern und ihren Redakteuren, die sich ab 1933 dem Nazismus ergeben hatten, sollte es nicht geschehen. Mit neuen Männern, hauptsächlich aus den Kreisen der Widerständler, wollten die Besatzungsmächte das neue deutsche Zeitungswesen aufbauen. Es konnte aber doch nicht als ausreichend angesehen werden, nur neue Männer zu finden und ihnen aufzugeben, in den alten Formen weiterzuarbeiten, es hätten neue Formen für die neuen Ideen und für die Säuberung des Pressewesens von berufsfremden Geschäftsinteressen und dunklen Machenschaften korrumpierender Art gefunden werden müssen."390) Die Vorschläge der "Frankfurter Rundschau" scheiterten zum einen an den Einwendungen der 1946 neu eingesetzten Presseoffiziere, die meinten, "man könne doch nicht inmitten eines kapitalistischen Ozeans plötzlich eine kommunistische Zeitungsinsel errichten"391), zum anderen am Widerstand fast aller übrigen Herausgeber von Lizenzzeitungen, die um ihren bevorzugten Status und ihre finanzielle Sicherheit fürchteten. In Bayern entschied man sich gegen Gersts Idee.392) Der Lizenziat der "Schwäbischen Donau-Zeitung" in Ulm lehnte den Entwurf mit den Worten ab: "Um aber den Betriebsangehörigen - Redakteuren, Setzern, Druckern und allen anderen Angestellten - ein Maß von Mitbestimmungsrecht zu gewähren und unsere wohl außer Zweifel stehende soziale Gesinnung beweisen und betätigen zu können, bieten ebenso das Betriebsrätegesetz, der Gesellschaftsvertrag und freie Vereinbarungen weiten Spielraum, um dem Anschein, daß die neuen deutschen Zeitungen kapitalistische Großunternehmen seien, entgegenzuwirken. Ich glaube nicht, daß man in unserer heutigen Situation den Kollegen - 124 - raten kann, eine 'revolutionäre Idee', um eine Wendung des Kollegen Gerst auf der Berufsjournalistenkonferenz in Bad Nauheim am 20. Juli 1946 zu gebrauchen, zu verwirklichen oder das Experiment der Sozialisierung - denn darauf läuft der Gedanke ja letzten Endes hinaus - zu wagen."393) Nach der Entlassung Gersts aus der "Rundschau" im Oktober 1946 endeten die Diskussionen über die anzustrebende Gesellschaftsform der neuen Zeitungen. Auf der vom 4. bis 6. September 1947 in Coburg stattfindenden Pressetagung einigten sich die Lizenzträger der amerikanischen Zone, ihrer Zeitung die Form einer "Gesellschaft mit beschränkter Haftung", GmbH, zu geben. 3.6 Der Einfluss der Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau" auf die Neugründung der Verlegerverbände Wilhelm Karl Gerst war es auch, der als erster auf der ersten Zusammenkunft der Lizenzträger der amerikanischen Zone in Marburg394) seine Ansichten zu einem Verlegerverband neuer Art kundtat. Seine Vorstellungen darüber machte er nach dem Treffen seinem Kollegen aus Fulda, dem Lizenzträger der "Fuldaer Volkszeitung", Heinrich Kierzek, in einem Brief noch einmal deutlich. Er schrieb: "1. Die Schaffung eines freien Verlegerverbandes ist unbedingt notwendig und soll sofort in Angriff genommen werden. 2. Der Verband darf auf keinen Fall den Status und die Aufgaben eines der früheren Unternehmerverbände bekommen, d.h. also, er darf keine wirtschaftliche Kampforganisation gegen die Gewerkschaften sein. 3. Die Aufgaben des Verbandes sind, Vertretung der gemeinsamen Interessen gegenüber den beschlagnahmten Parteibetrieben und Beschaffung von Papier, Brennmaterial und anderen im Allgemeininteresse benötigten Materialien. Darüber hinaus liegen die Aufgaben der neuen Organisation auf geistigem Gebiet in der Entwicklung und Verbreitung eines neuen Geistes im deutschen Zeitungswesen. 4. Um den für Deutschland neuartigen Charakter unserer Organisation zu dokumentieren und gleichzeitig auch zu stabilisieren, wünschen wir eine paritätische Vertretung von lizenzierten Verlegern und Beauftragten der Gewerkschaften."395) Gerst erreichte es auch, für den 4. und 5. Mai 1946 die Gründungs- und erste Mitgliederversammlung des "Verbandes Großhessischer Zeitungsverlage" unter seinem Vorsitz in Fulda einzuberufen, um über die Satzung des neuen Verbandes zu beraten und zu beschließen.396) - 125 - Doch musste der Versuch scheitern, da er im Widerspruch zu den Lizenzbestimmungen stand, die jede Möglichkeit einer Mitbestimmung und Kontrolle durch die Betriebsräte ausschlossen. Außerdem entschieden sich die meisten Lizenzträger gegen den Entwurf, da er, ähnlich wie das Stiftungsmodell, eine Einschränkung der verlegerischen Freiheiten zur Folge gehabt hätte.397) 3.7 Finanzierung der "Frankfurter Rundschau" Da die "Frankfurter Rundschau", wie alle weiteren Lizenzzeitungen in der amerikanischen Zone, als etwas völlig Neues geschaffen wurde, konnte sie nicht auf finanzielle Ressourcen zurückgreifen. Das Problem der Finanzierung wurde durch drei Hilfsmittel gelöst: 1. hatte die Zeitung bereits am Tag ihrer ersten Ausgabe ein Startkapital von einer Million Reichsmark, da bei einer Auflage von 500.000 Exemplaren der monatliche Abonnentenpreis von zwei Reichsmark von der Post im Voraus eingezogen wurde.398) 2. erhielt die "Rundschau" von der amerikanischen Militärregierung Zuschüsse und Kredite in beträchtlicher Höhe. Greuner vermutet, dass es sich dabei um Reichsmarkbeträge handelte, die die Militärregierung beschlagnahmt oder als Besatzungskosten angefordert hatte.399) 3. standen der neuen Zeitung die drucktechnischen Anlagen der alten "Frankfurter Zeitung" zur Verfügung, die von der amerikanischen Property Control beschlagnahmt worden waren. Für die vorhandenen Rotations- und Tiefdruckmaschinen sowie für 15 bis 20 vorhandene Setzmaschinen400) musste ein Pachtzins von der Zeitung entrichtet werden, der ungefähr 1,5 bis 3,5 Prozent des Jahresumsatzes ausmachte. Die Pachtgebühren an die Societäts-Druckerei wurden vorerst auf ein Sperrkonto eingezahlt. Dieses Verfahren wurde später durch einen Pachtvertrag geändert. Nach Abzug aller Kosten für Miete, Nachrichtendienste usw. waren die Einnahmen Eigentum der Lizenzträger.401) Von dem Reingewinn mussten allerdings 20 Prozent in einen Sonderfonds, der von der Militärregierung verwaltet wurde, eingezahlt werden, um nach Ablauf der Besatzungszeit die Zeitungen in die Lage zu versetzen, die beschlagnahmten Druckereibetriebe zu erwerben oder gegebenenfalls neue anzuschaffen. Erschwert wurden diese Möglichkeiten dadurch, dass die Verlage einerseits hohe Steuern entrichten mussten, andererseits gar nicht die Gelegenheit hatten, Maschinen zu erwerben, da die Produktion nach dem Krieg nur - 126 - schleppend anlief und die Auslieferung von den Firmen bis nach der Währungsreform hinausgezögert wurde. (Die erste Rotationsmaschine erschien, von MAN hergestellt, erst im Herbst 1948 auf dem Markt.)402) Der Fonds wies am 1. Januar 1948 48 Millionen Reichsmark aus. Die "Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse" (WIGO), die bald darauf gegründet wurde, erhielt daraus 36 Millionen Reichsmark. Der Rest von 12 Millionen wurde anteilmäßig auf die 48 Lizenzzeitungen der Zone verteilt. Möglicherweise erwarb die "Rundschau" unter anderem mit diesem Geld 1948 den Grund, auf dem das neue Verlagshaus der "Frankfurter Rundschau" später errichtet wurde.403) Der Grundstückskauf wurde notwendig, da der Pachtvertrag der "Rundschau" mit der Societäts-Druckerei 1954 auslief und bis zu dem Zeitpunkt ein eigener Betrieb erstellt sein musste.404) Da aber die Währungsreform praktisch alle Ersparnisse, einschließlich des aufgeteilten WIGO-Fonds, zunichte gemacht hatte, war auch die "Frankfurter Rundschau" darauf angewiesen, das neue Gebäude durch geliehene Gelder finanzieren zu lassen. Die Hypothek für das Verlagsgebäude der "Rundschau" kam am 21. August 1951 1. von der Frankfurter Hypothekenbank 2. von der WIGO (1,9 Millionen DM) 3. als Staatsbürgschaft des Landes Hessen in Höhe von 600.000 DM.405) Nach dem Ende der Lizenzpflicht blieb die "Frankfurter Rundschau" neben der zweiten Frankfurter Lizenzzeitung, der "Frankfurter Neuen Presse", und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die seit dem 1. November 1949 erschien, eine der großen überregionalen Tageszeitungen. Zusätzlich erschien in der Main-Metropole die "Nachtausgabe" im Verlag der "Frankfurter Neuen Presse", die später mit der Offenbacher "Abendpost" fusionierte und im Dezember 1988 ihr Erscheinen einstellte. - 127 - 4 "Marburger Presse" - die zweite Lizenzzeitung in Hessen 4.1 Hermann Bauer und Karl Bremer werden Herausgeber Ein Drucker und ein Mitglied der Liberal-demokratischen Partei (LDP) erhielten in Marburg die Lizenz zur Herausgabe der "Marburger Presse". Das vierspaltige Blatt mit der Lizenz- Nummer 10, das am 14. September 1945 zum ersten Mal erschien, war nach der "Frankfurter Rundschau" die zweite neue Zeitung in Hessen. Larry Field, damaliger Presseoffizier in Marburg, berichtete über die Anfänge der Zeitung: "Als ich nach Marburg ging, um dort die erste Zeitung zu gründen, stellte es sich heraus, daß der von mir gesuchte Mann in einer Zigarrenfabrik arbeitete, wo er acht Jahre lang Zigarrenblätter zusammenzurollen hatte. Er war zweimal in ein Konzentrationslager gebracht worden, verdiente jetzt etwa den Gegenwert von 11 Dollar in der Woche und hatte beinahe alles vergessen, was mit Zeitungen und seiner früheren Karriere im Journalismus zusammenhing. Er war vor Schreck erstarrt, als der Direktor ihm erklärte, ich wolle mit ihm sprechen. 'Was habe ich denn getan?', fragte er mich am Anfang. Als ich ihm erklärte, ich wolle ihn zum Herausgeber der Marburger Zeitung machen, war er gleichermaßen baß erstaunt und hoch erfreut. Beim Erscheinen der ersten Nummern schreckte er laufend vor eigenen Entscheidungen zurück. Er kam dann mit einer Druckfahne in der Hand und fragte mich: 'Ist dieser Artikel in Ordnung?' oder 'Ist diese Überschrift vielleicht zu groß?' und ich mußte ihm dann immer wieder sagen, er solle selbst entscheiden ..."406) Field sprach von Hermann Bauer, gebürtiger Marburger und Mitbegründer der LDP. Sein Mitlizenziat, Karl Bremer, stammte aus Gießen und war dort Drucker bei der Altverlegerzeitung gewesen. Er, ein Gewerkschaftsmitglied, gehörte vermutlich der Sozialdemokratischen Partei an. Die Stadt mit rund 40.000 Einwohnern hatte nun wieder eine Zeitung, nachdem die "Oberhessische Zeitung" im Zweiten Weltkrieg eingestellt worden war. Der Umstand, dass Marburg im Krieg so gut wie nicht zerstört worden war (von 2.879 Häusern wurden 87 zerstört und 76 zum Teil schwer beschädigt), nützte auch den beiden Herausgebern. Sie druckten das neue Blatt, das eine Startauflage von 15.000 Stück hatte und zunächst zweimal wöchentlich mit vier bis sechs Seiten pro Ausgabe erschien, auf den Maschinen der Altverlegerzeitung, deren Räume und technische Ausstattung im alten Stadtkern am Oberen Markt noch intakt waren. Marburg war übrigens bis 1951, als die SPD mehr Stimmen bekam, die Hochburg der LPD. Die CDU spielte in dieser Stadt "überhaupt keine Rolle".407) - 128 - Mit einem Geleitwort der Militärregierung, dem Gruß des Oberbürgermeisters, der sein Schreiben mit den Worten "diese Zeitung will das Sprachrohr echter Humanität sein" schloss, und einem von den beiden Lizenzträgern unterschriebenen Beitrag, betitelt "Unser Weg", wurde die erste Ausgabe den Lesern präsentiert. "Mit dem heutigen Tag", so schrieben Bauer und Bremer, "tritt die 'Marburger Presse' zum ersten Male an die Öffentlichkeit, ihre Aufgaben werden zugleich neuartig und schwer, vor allem aber gradlinig sein. Die vor uns liegenden Probleme, vor allem ihre Ursachen, sind klar abgezeichnet. Kompromisse und Halbheiten sind unmöglich, sie führen von dem wichtigsten Ziele ab: Die Verbrechen der 12 Jahre Naziherrschaft zu beseitigen, den Wiederaufbau Deutschlands voranzutreiben und uns wieder einen Platz unter den friedliebenden Völkern zu sichern. ... Wirtschaftlich liegt eine Riesenaufgabe vor uns, sie zu meistern, brauchen wir das ganze deutsche Volk. ... Wir glauben an das deutsche Volk, daß es einmal Herr seiner furchtbaren Lage wird. Wir glauben aber auch, daß es wieder den Weg zu friedlicher internationaler Zusammenarbeit findet. ... Die aus tausend Wunden blutende Welt kann nur genesen, wenn bei allen Völkern der gleiche Wille vorhanden ist: Nie wieder Krieg! ... Es gehört Mut dazu, den Wiederaufbau unseres Landes, die Leitung und Erziehung unseres Volkes in die Hand zu nehmen. Wir wollen diesen Mut aufbringen, unsere 'Marburger Presse' soll dem Leser vielmehr dienen mit Wahrheit und Klarheit, mit Tatsachen! So sind wir bemüht, unser Bestes, unsere ganze Kraft daranzusetzen, für den Wiederaufbau unseres Volkes. "408) Dieser - und weitere - Leitartikel des Herausgebers zeigen deutliche Niveauunterschiede zu anderen Lizenzblättern, etwa zur "Frankfurter Rundschau" oder zu den im gleichen Monat erstmals erscheinenden "Hessischen Nachrichten". Leider wurde das Marburger Lizenzblatt auch in der Folgezeit nicht besser. Man kann der Zeitung allerdings zugute halten, dass sie sich den örtlichen Gegebenheiten anpasste. Wie ein früherer Redakteur der Zeitung sagt, war Marburg immer eine bürgerliche Stadt, eine Stadt ohne Industrie, aber mit vielen Beamten. Als weiteres Beispiel für den antiquierten, gedrechselten Stil sei der Beitrag "Die 'Marburger Presse' im Dienste unserer Stadt" zitiert, der ebenfalls in der ersten Ausgabe publiziert wurde: "Fünf Monate lebten die Marburger ohne Lokalzeitung. Mehr schlecht als recht fanden sie sich damit ab; sie hörten die Neuigkeiten mit einem Ohr am Radio, um sie aus dem anderen wieder herausfliegen zu lassen. So verständigte man sich meist von Mund zu Mund über die Neuigkeiten, und wie das in unruhigen Zeiten nun mal so ist: unglaubliche und unsinnige Gerüchte bildeten sich. Da war es mit einem Male für fünf Jahre verboten zu heiraten, dann wieder hieß es: die Russen kommen; der eine wußte dies, der andere das, und so unglaublich es war, es wurde doch geglaubt und weiter geredet. Die 'Marburger Presse' will nun Wahrheiten, Tatsachen schwarz auf weiß übermitteln, und hofft damit wesentlich zur Beruhigung geschwätziger Gemüter beitragen zu können. Schwarz auf weiß - 129 - will sie auch allen Lesern das in die Hand geben, was sie bislang mühsam aus der Fülle der Anschläge heraussuchen mußten. Was es wöchentlich auf die Lebensmittelkarten gibt, oder was zur Bürgerpflicht gehört, auch das will die 'Marburger Presse' nun zur öffentlichen Kenntnis geben, und es wird sich zeigen, daß damit viele Mißhelligkeiten aus dem Weg geräumt werden. So stellt sich die neue Zeitung ganz in den Dienst der Öffentlichkeit. Aber die 'Marburger Presse' will noch mehr. Sie will den Bürger dazu erziehen, sich um das öffentliche Leben zu kümmern. Große Politik kann er nicht machen, aber wenn er hineinwachsen will in den Kreis der staatsbürgerlichen Pflichten - und das muß er, wenn er an seinem Teil für Deutschlands Gesundung helfen will! - dann hat er Anteil zu nehmen am öffentlichen Leben seiner Heimat. Nicht außen herum nörgeln, sondern anpacken, Verantwortung übernehmen! Man fördere die Männer, die den Mut hatten, jetzt ein Amt zu führen. Heute einen Posten im öffentlichen Leben übernehmen, heißt ein Opfer bringen, denn es ist keine Kleinigkeit, den Karren aus dem Dreck zu schieben, der uns durch die große Mißwirtschaft der vergangenen 12 Jahre bis an die Kehle gestiegen ist. So wird die 'Marburger Presse' die verantwortlichen Männer in ihrer schweren Arbeit unterstützen und zugleich die Öffentlichkeit dazu erziehen, mitzudenken und mitzuarbeiten! In unserer Erstausgabe häufen sich naturgemäß die Beiträge informatorischen Charakters. Nach der langen zeitungslosen Zeit hat sich zu viel Stoff angehäuft, der in die neuen Verhältnisse einführt. Man wird das hoffentlich als verheißungsvollen Anfang der neuen 'Marburger Presse' begrüßen, die morgen durch die feierliche Übergabe der Lizenz Nr. 10 der Nachrichtenkontrolle der Militär-Regierung mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattet wird. Oberstleutnant John B. Stanley, Oberbefehlshaber der Nachrichtenkontrolle in unserem Bezirk, und Oberstleutnant James B. Chesnutt, Pressechef desselben Bezirks, werden die Urkunden hierüber in Anwesenheit von führenden Vertretern der Militärnegierung und zivilen Behörden in den Betriebsräumen der Zeitung überreichen."409) Auf der gleichen Seite meldete die "Marburger Presse": "Die Provinzial-Militär-Regierung Land Hessen-Nassau unter Kommando von Colonel Chas. T. Johnson lockert ihre Bestimmungen über die Gründung der 'Marburger Presse', die ihre Veröffentlichungen in dieser Woche beginnt. Es ist der Wunsch der Militärregierung, daß die Bewohner von Marburg und Umgebung den authentischen Nachrichten und wahren und unverfälschten Tatsachen über ihre Regierung und deren Wirken durch die Pressefreiheit vertrauen. Zeitungen im gesamten Gebiet des Landes Hessen-Nassau erhalten Konzessionen, die Veröffentlichungen zu beginnen, sobald Material und Stoff für ihr Wirken verfügbar ist. Auf diese Weise wird das deutsche Volk in der Lage sein, Informationen durch seine eigenen Verleger zu erhalten."410) In dieser Nummer Eins erfuhren die Leser zudem, das Marburger Musikleben blühe wieder, der Spar- und Bauverein sei im Wiederaufbau begriffen, mit den Winterfürsorge-Maßnahmen stecke man in den Vorbereitungen und ein bekannter Arzt werde 70 Jahre alt. Außerdem informierte das Blatt darüber, was "die Bevölkerung von den Dienststellen wissen" müsse. - 130 - Die Leser bekamen die neue Zeitung übrigens erst am frühen Nachmittag; morgens gegen 7 Uhr wurde mit dem Druck begonnen.411) (Die "Marburger Presse" blieb eine Mittagszeitung, bis sie ihr Erscheinen 1951 einstellte.) Mit vier Journalisten - neben Bremer und Bauer - startete die Zeitung: Carl Reinmöller, SPD, übernahm den Lokalteil, Petra Wolf bearbeitete das Feuilleton, Dr. Hans-Joachim Mewes, SPD, kümmerte sich um Nachrichten aus Politik und Wirtschaft, und Werner Mascos, der als Volontär begonnen hatte, war für den Sportteil412) und bald darauf auch für die Jugendbeilage zuständig. Noch vor Aufhebung der Lizenzpflicht kamen Dr. Renate Unkrodt und Fritz Röhn hinzu. Röhn wurde freier Mitarbeiter der Zeitung. Als Volontär wurde außerdem Helmut Hausmann eingestellt, der später zur "Offenbach-Post" ging. Für den Lokalteil mit Schwerpunkt Gerichtsberichterstattung kam 1949 noch Wilhelm Wissmann hinzu. Der Aufteilung entsprechend schrieben die politischen Leitartikel und Kommentare vor allem Mewes und Lizenzträger Bauer, während Karl Bremer, der sich redaktionell sonst sehr zurückhielt, in zahllosen Folgen die Lokalkolumne "Ich gehe durch die Stadt" schrieb, in der er alltägliche kleine Begebenheiten und Kuriositäten aufgriff. In der zweiten Ausgabe am Dienstag, 18. September, verzichtete man auf einen Leitartikel. Erst am 2. Oktober schrieb Hermann Bauer über "Innerdeutsche Aufgaben". Ein großes Ereignis für die Stadt Marburg war die Wiedereröffnung der Universität. Ihr widmete die Zeitung breiten Raum; der Rektor der Hochschule, Professor Julius Ebbinghaus, wurde anstelle eines Leitartikels auf der ersten Seite der Ausgabe vom 5. Oktober mit seiner Rede zur Eröffnungsfeier zitiert. Die dritte Seite brachte am 12. Oktober erstmals "Streiflichter aus aller Welt", eine Rubrik, die alle hessischen Zeitungen - wenn auch mit anderen Titeln - einrichteten, um kurze überregionale Nachrichten publizieren zu können. Am gleichen Tag kündigte Bauer die Spalte "Briefe aus dem Leserkreis" an, um der "neuen freien Meinungsäußerung" Raum zu geben. Einen weiteren Artikel über "Die deutsche Presse gestern und heute" schrieb Hermann Bauer in epischer Breite und mit schwülstigen Worten für eine Leserschaft, die 1945 sicher drängendere Sorgen hatte, als sich mit den Unterschieden alter und junger Presseerzeugnisse auseinander zu setzen. Mitlizenziat Karl Bremer, damals 45 Jahre alt, fiel es leichter, sich über die Rechte und Pflichten der neuen Presse öffentlich zu äußern. Zwei Tage vor dem Beginn der ersten Konferenz von rund 40 Herausgebern neu gegründeter Zeitungen in der amerikanischen Besatzungszone 413) , die in Marburg stattfand - und bei der dem Herausgeber der "Fuldaer Volkszeitung", Heinrich Kierzek, die Lizenz verliehen wurde - , schrieb er: - 131 - "Das Wort von der 'Großmacht Presse' ist keine inhaltsleere Bezeichnung, sie hat einen sehr realen Hintergrund: Durch die Presse wird die Willens- und Meinungsbildung der Völker gelenkt, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme dem Verständnis und damit der Beurteilung der Leser nahe gebracht und somit das gesamte öffentliche Leben in der nachdrücklichsten Weise beeinflußt. ... Die Aufgaben der Presse haben sich so vielfältig entwickelt, daß sie aus dem öffentlichen Leben der Staaten nicht wegzudenken ist. Die freie Presse wurde der Eckpfeiler jedes demokratischen Staates. Überall dort, wo sich Mißstände herausstellen, wo Maßnahmen zu befürchten stehen, die sich mit den Interessen der Allgemeinheit nicht vertragen, tritt die Presse auf den Plan. ... Eine der wichtigsten Aufgaben der Presse ist die Nachrichtenübermittlung von allen Vorgängen des Weltgeschehens. Dem Leser wird dadurch das Blickfeld erweitert, Zusammenhänge dem Verständnis nähergebracht und die eigene Urteilskraft gestärkt. ... Diesen großen Aufgaben kann die Presse allerdings nur gerecht werden, wenn sie frei ist, wenn ihre Tätigkeit nicht durch einengende Gesetze gehemmt ist, wenn in der Presse jeder seine Meinung frei äußern kann. ... Mit der Freiheit der Presse steht und fällt die Freiheit der Völker. In diesem Sinne ist die Presse eine Großmacht. ..."414) Wenig später veröffentlichte das Blatt die Zuschrift eines Lesers zum Thema "Unsere Zeitung": "Was wir in den letzten 12 Jahren während der Naziherrschaft so sehr vermißt haben, war unsere Zeitung, unsere Arbeiter-, unsere Volkszeitung, die Zeitung, die wirklich die wahre Volksstimmung im Interesse des Volksganzen widerspiegelte. Jetzt da wir sie wieder in den Händen halten, kommt es uns erst richtig zum Bewußtsein: Das geistige Niveau der Nazi-Presse war so tief, so hundsmiserabel, daß man als fortschrittlicher Mensch nicht gerne hineinsah. ... Ich habe als einfacher Arbeiter manches mal beim Lesen dieser Geistesprodukte am Verstand der gesamten Marburger Intelligenz gezweifelt. Kein Professor, kein Regierungsrat, kein Gelehrter fand sich, der nur den leisesten Versuch wagte, dieser ganz plumpen Volksverdummung irgendwie entgegenzutreten. Das Bürgertum versagte ebenso. Die Angst um ihre Person, ihre Existenz, ihr bißchen armseliges Leben ... verschlossen unserer sogenannten Intelligenz den Mund. ... Der Geist, der uns heute aus unserer Zeitung anspricht, ist doch ein wesentlich anderer. ... Für viele unserer Mitbürger ist die Zeitung heute wohl die einzige Lektüre überhaupt. Sie lesen sie von Anfang bis zum Ende. Nicht nur politisch, sondern auch auf kulturellem und sportlichem Gebiet wirkt sie fördernd. Und erst der Roman für unsere Frauen, der noch kommen wird; allerdings wünschen wir von unserer Zeitung den Roman, der dem gesunden menschlichen Volksempfinden entspricht. ..."415) Die selten genug publizierten Leitartikel im Herbst und Winter 1945 wurden unter anderem von Oskar Müller, Minister für Arbeit und Wohlfahrt416), und Gottlob Binder, Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen in Frankfurt417), geschrieben. Einen weiteren Leserbrief nahm die "Marburger Presse" zu Anfang des folgenden Jahres zum Anlass, einen Leitartikel mit - 132 - der Überschrift " 'Die 'Marburger Presse' in der Kritik" zu veröffentlichen. Hermann Bauer schrieb: "Ein Leser schreibt uns: ... Ich bin Leser vieler anderer Zeitungen und ziehe so oft meine Vergleiche. Dabei schneidet Ihre Zeitung sehr schlecht ab. Ich glaube auch nicht, daß ich der einzige bin, der Ihnen das sagt bzw. schreibt. Es wird Sie vielleicht nicht wundern, wenn ich Ihnen schreibe, daß ich die Hoffnung hatte, daß gerade Ihre Zeitung inmitten eines durch die Nazis verseuchten Stadt- und Landkreises ein starkes Bollwerk gegen alle Versuche unsauberer Strömungen sein wird. ... Die 'Marburger Presse' zeigt wenig Initiative zum klaren Kampf, während andere Zeitungen eine ganz klare Linie des Kampfes beschritten haben. Ich nehme an, daß Sie mich insofern richtig verstehen, daß meine Kritik Sie nicht persönlich treffen will, sondern daß Hemmungen vorliegen, die durch die gerade in der hiesigen Gegend anteilmäßig enorm hohe Anhängerschaft des Nazismus bedingt sind." Bauer erwiderte: "Kritik ist fördernd, und wir nehmen sie gern zur Kenntnis. Lieber als Tadel ist uns natürlich Lob, wie wir es jetzt gerade von einem höheren amerikanischen Offizier hinnehmen konnten, und zwar von keinem geringeren als Shepard Stone. ... Er bezeugte uns jetzt vor seiner Heimreise nach Amerika ausdrücklich seine Anerkennung für die geradlinige Aufwärtsentwicklung der 'Marburger Presse'. Major Stone ist Jude und hat darum auch gerade unsere Behandlung der Entnazifizierungsfrage verfolgt, die in obiger Kritik beanstandet wird. Wir können dem Briefeschreiber versichern: bei uns liegen keine Hemmungen vor, sondern nur sachliches Bemühen um die Lösung der Frage. ... Kritik ist fördernd. Wir bitten deshalb darum und wollen sie dadurch fördern, daß wir die Kritiker zu besonderen Aussprache-Abenden einladen. ... Und da wir uns in unserer Redaktionsstube ganz und gar nicht verkapseln wollen, sollen bald auch andere Besprechungen folgen: Wir werden auch die Behörden-Vertreter einladen, nach der Wahl auch die Vertreter der politischen Parteien. Sobald unsere geplante Frauen-Beilage erscheint, sollen uns mal deren Interessenten besuchen u.s.f. Auf diese Weise glauben wir am ehesten die 'Marburger Presse' zu einem Diener der Allgemeinheit machen zu können, denn so fassen wir unsere Aufgabe auf. Vielseitige Kritik muß uns in der Erfüllung dieser Aufgabe fördern."418) Die Vorwürfe dieses Lesern schienen tatsächlich nicht unbegründet zu sein; auch dem Marburger Presseoffizier missfielen wenig später einige Berichte der Zeitung. Der damals 24- jährige Werner Mascos, Volontär und bald darauf Redakteur der Zeitung, war 1946 zu den "Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen" geschickt worden und hatte, so fand es jedenfalls die Militärregierung, seine Berichte über die Angeklagten "zu positiv"419) verfasst. Mascos wurde nach Bad Nauheim gerufen und hätte dort, da seine Erklärungen zu den Artikeln einer Mitarbeiterin der Militärregierung nicht entschuldigend genug waren, beinahe seine Entlassung erhalten, wenn sich nicht der Marburger Presseoffizier für ihn eingesetzt hätte. Mascos blieb Redakteur der Lizenzzeitung, durfte aber in den folgenden Monaten Artikel - 133 - nicht mit seinem Namen zeichnen. Die Angelegenheit geriet schon bald in Vergessenheit. Bei der "Marburger Presse" war dies der einzige Fall, bei dem die Abteilung für Informationskontrolle Überlegungen anstellte, einen personellen Wechsel vorzunehmen. Rückblickend wird die "Marburger Presse" von einem ehemaligen Mitarbeiter der Zeitung als "langweilig und nichtssagend"420) beschrieben, und auch von der amerikanischen Militärregierung soll sie als "verhältnismäßig schwach"421) beurteilt worden sein. Das Obrigkeitsdenken sollte die neue deutsche Presse zwar ablegen, der "Marburger Presse" fehlte es jedoch an der kritischen Distanz vor allem zu der ihr übergeordneten Stelle, der amerikanischen Militärregierung. 4.2 14. September 1948: Die "Marburger Presse" wird ein Jahr alt Zu ihrem einjährigen Bestehen veröffentlichte die "Marburger Presse" auf drei Seiten mehrere Artikel zu diesem Ereignis. Karl Bremer und Hermann Bauer schrieben unter der Überschrift "Geburtstag": "... Nur die erste Nummer mußten wir dem amerikanischen Presseoffizier vor dem Druck zur Zensur vorlegen; seitdem arbeiten wir frei: die Richtlinien, die uns die Lizenzakte auferlegt, sind so, wie wir sie als besetztes Land als Selbstverständlichkeit hinnehmen müssen. Wir sind mit der 'Marburger Presse' den Weg gegangen, den wir in Nummer 1 vorzeichneten. Dank und Undank haben wir dafür geerntet. Dessen ungeachtet streben wir geradlinig weiter dem Ziel zu, unabhängig von Sonderwünschen den Wiederaufbau unseres Volkes zu fördern. Dienst an der Presse steht für uns turmhoch über privatwirtschaftlichen Interessen, er ist uns: Dienst am Volk! ... Wir wissen, wie schwer es ist, mit Ernst und Vernunft in unserm Volk Eindruck zu machen, doch wir werden uns durch nichts irremachen lassen, das Vertrauen zur neuen deutschen Presse durch verantwortungsbewußte Erfüllung unserer journalistischen Pflichten zu erzwingen. Als wir vor Jahresfrist unsere Arbeit begannen, standen wir noch allein: inzwischen sind die vier politischen Parteien entstanden, denen wir nach den Bestimmungen unserer Lizenz in gleicher Weise zu dienen haben. Auch diese Pflicht haben wir ernst genommen. Das bedeutet aber nicht, daß wir zu allem Ja und Amen sagten, und der Lauf der Dinge hat uns inzwischen da, wo wir Kritik übten, so sehr recht gegeben, daß auch die verstocktesten Parteigänger unsere objektive Haltung anerkennen müssen. Doch wir sind weit davon entfernt, mit dem Erreichten zufrieden zu sein. Wir wissen, daß es vielerlei zu bessern gibt, und so kann unser Geburtstagswunsch nur der sein, daß man unsere Arbeit durch rege Mitarbeit und sachliche Kritik fördert. So gehen wir guten Mutes ins zweite Jahr der 'Marburger Presse' hinein."422) - 134 - Darunter stand ein Beitrag zum Thema "Wir und die Amerikaner", graphisch eindrucksvoll gerahmt von zwei Zeichnungen: Marburg, die Kleinstadt an der Lahn, gegenüber die Skyline amerikanischer Hochhäuser. Hermann Bauer schrieb: "'Da habt Ihr Eure Amerikaner!' schleudert mir vorwurfsvoll eine Nazisse entgegen, kurz, nachdem die Amerikaner in Marburg eingerückt waren. Ich konnte nur ruhig erwidern: 1. haben wir es nicht dahin getrieben, daß der Feind unser Land besetzt, und 2. wollen wir froh sein, daß die Amerikaner uns von den Nazis befreiten, die das grenzenlose Unglück über Deutschland brachten. ... 'Sie helfen uns nicht!' hört man gar oft noch jammern, gerade von denen, die auf ihren Meldebogen klar als Aktivisten des Nationalsozialismus ausgewiesen werden, wenn sie auch immer wieder betonen, niemals dabei gewesen zu sein. Sie haben am wenigsten Hilfe verdient. Zumindest muß man aber von ihnen verlangen, daß sie nicht in der (gelinde ausgedrückt) Dummheit verharren, die ihnen der Meldebogen dokumentiert, sondern den Beweis ihrer Ablehnung des Nazischwindels dadurch erbringen, daß sie jetzt ehrlich den Tatsachen gerecht werden. ... wir haben von den Amerikanern viel, viel mehr Hilfe erhalten, als wir das jemals erhoffen konnten! ..."423) Zu dem Verhältnis von "Universität und Presse" meinte Renate Unkrodt im Feuilleton: "... das Zusammentreffen vom Beginn einer neuen Presse und dem Beginn einer neuen Universität in Marburg mag über die Zufälligkeit hinaus eine besondere Bedeutung, sicher aber eine besondere Aufgabe haben. Freiheit der Wissenschaft und Freiheit der Presse, sie sind nach 12 Jahren der Unterdrückung nicht weniger eine Verpflichtung, als ein Geschenk. Eine Verpflichtung, die ihnen gemeinsam ist, die mit dem Ziele der Wahrheitsfindung einen Zweck zu erfüllen und einen Weg zu gehen hat. Und mag dieser Zweck, nämlich die Mitteilung von Wissen, auch von Universität und Presse auf ganz verschiedene Weise verfolgt werden, so handelt es sich doch bei beiden darum, denen, die nicht wissen, das mitzuteilen, was zu wissen für sie von größter Wichtigkeit ist. Dies aber heißt im letzten Grunde die Arbeit der Aufklärung zu betreiben, aufzuklären über Dunkelheiten, Irrtümer und Voreingenommenheiten. Diese Arbeit leistet die Universität, wie die Zeitung sie auf ihrem Gebiet leisten muß. Und wenn man das vergangene Jahr betrachtet, dann gingen auch hier wiederum Universität und Presse zusammen mit dem selben Vorwurf, zu lange und zu intensiv zurückzusehen, immer wieder das Vergangene hervorzuholen und zu beleuchten, zu schroffe Forderungen zu vertreten und den durch unsere Situation gegebenen Forderungen gegenüber zu wenig Rückgrat zu zeigen."424) Ein mit "b-r" gezeichneter Artikel beschäftigte sich außerdem mit dem "Betriebsrat der 'Marburger Presse'."425) In einem anderen Artikel war von "jenen, die uns in der Redaktionsstube unnötige Arbeit machen, die uns - gelinde gesagt - unsere wertvolle Zeit stehlen" die Rede, von den Lesern. So schrieb ein Redakteur dazu: - 135 - "... Wir freuen uns über jeden Besuch, über jede begründete Frage, die an uns gestellt wird, über jede Beschwerde, die Hand und Fuß hat, aber wenn sich der Besucher ... gar nicht von uns trennen kann - nebenbei gesagt: trotzdem auch wir nichts zu rauchen haben - dann hört eben die Freundschaft auf. Das gilt auch für die, die allzuoft kommen. 'Ausführlich', ja das ist so ein Kapitel. 'Ich habe es ausführlich geschildert. Sie können es in Fortsetzungen bringen', sagte uns am anderen Morgen einer unserer Besucher. 'Setzen Sie es bitte ungekürzt in die Zeitung, denn sonst verliert die ganze Geschichte an Zusammenhang!' Ich weiß nicht mehr genau, um was sich die Geschichte drehte, ich glaube es handelte sich um die Bekämpfung der Stechfliege. ... Und wieviel Zeit geht verloren durch die Bearbeitung mangelhafter Manuskripte. Der Schriftleiter wandelt dann seinen Beruf in einen 'Schriftstreicher'. Er nimmt sich ... den fraglichen Schrieb vor und bügelt ihn so auf, daß er nicht wiederzuerkennen ist und für neu verkauft werden könnte. So werden auch Einsendungen von mangelhafter Schönheit 'zeitungsfertig' gemacht, nicht gerade zur Freude des Verfassers, aber der Leser verdaut sie besser. Auch unaufgefordert eingesandte Manuskripte bereiten uns tagtäglich Verdruß am laufenden Band. Hier fehlt der Absender, dort ist die Anschrift ungenügend, in den meisten Fällen aber fehlt das Rückporto, ohne das wir - juristisch gesehen - nicht zur Rücksendung der Artikel, Gedichte oder was es sonst sein mag, verpflichtet sind."426) Die Leser ihrerseits kritisierten: "Wenn Ihre Zeitung als Hinterwälder Anzeiger oder Wittgensteiner Bote erschiene, wäre sie als gut zu bezeichnen! In der Demokratie ist die Presse dafür da, Übelstände aufzudecken und mitzuhelfen, sie zu beseitigen! ..."427) Die "Marburger Presse" entgegnete: "Solange ... die tägliche Kalorienzahl nicht ansteigt, möchten wir zwar unseren Lesern keinen Hinterwälder Anzeiger schicken, ihnen aber auch einen Nacht-Expreß ersparen."428) "Ihre Haltung?" fragt ein anderer Leser, "die ist Ihnen ja doch vorgeschrieben! ... zu einseitig, zu sehr unter dem Zwang der Besatzungsbehörde. Nürnberger Bericht ist zu ausgedehnt! "429) Die überwiegende Mehrheit der Leser jedoch, so weiß es jedenfalls die Zeitung, wünscht, "daß die Haltung der Marburger Presse so bleibt wie sie bisher war."430) Zu der Berichterstattung über die vier Parteien schrieb ein Leser: "Vorkommnisse bei der LDP stellen Sie in Ihrem Blatt stark heraus, wogegen Angelegenheiten anderer Parteien nur am Rande behandelt werden. Berichte der KPD werden z.T. stark gekürzt gebracht und der ausschlaggebende Teil ist gestrichen. Stellen Sie sich der KPD gegenüber genau so ein wie z.B. der LDP. Die Zeiten werden sich ändern!" Ein anderer Leser fand dagegen: "Wir haben 12 Jahre Diktatur gehabt, daran wollen wir immer denken! Deshalb bitte nicht soviel von der KPD schreiben, denn die Diktatur wäre noch schlimmer wie die von Hitler!" Ein Sozialdemokrat bemängelte: "Der SPD als der stärksten Partei Hessens trotz des Marburger Wahlergebnisses mehr Rechnung tragen, vor allem Versammlungsberichte nicht so kürzen!" Zur kommunalpolitischen Berichterstattung wurde der Zeitung geschrieben: "Die - 136 - gegenseitigen Anödereien der LDP und der Stadtverwaltung müssen intern behandelt und nicht zum Spaß der Allgemeinheit in die Zeitung gesetzt werden." Sonst aber, konnte die "Marburger Presse" zufrieden mitteilen, waren die meisten Leser mit ihrem Blatt einverstanden. Die Haltung sei "streng überparteilich, wir verlangen aber auch, daß das so bleibt!"431) Wie überparteilich die "Marburger Presse" in einer Stadt mit LDP-Mehrheit wirklich sein konnte und wollte, ist fraglich. Zwar wird den beiden Lizenzträgern bescheinigt, sie hätten ihre parteipolitischen Interessen nicht mit der Herausgabe des Blattes verquickt,432) bei einem Aufruf der Partei zur Wahl Ende Juni 1946 wurde nach dem Spitzenkandidaten der LDP, Karl-Theodor Bleek, der dann Oberbürgermeister in Marburg wurde, Hermann Bauer genannt.433) 4.3 Presse und öffentliche Meinung - Kommentare der "Marburger Presse" Das Jahr 1947 brachte bei der "Marburger Presse" einige Veränderungen. Im Mai des Jahres konnte sie zu dreimal wöchentlichem Erscheinen übergehen. Die zunächst angekündigten Erscheinungstage an jedem Dienstag, Donnerstag und Samstag musste das Blatt bald ändern. Schwierigkeiten bei der Zustellung der Zeitung auf dem Land veranlassten den Verlag, von der Monatsmitte an montags, mittwochs und freitags herauszukommen.434) Die Marburger Lizenzzeitung konnte die Auflage geringfügig von 29.522 Exemplaren Ende 1946 auf 30.577 Exemplare steigern. Gleichzeitig stellte sie von vier- auf fünfspaltigen Druck um. Sie verzichtete allerdings nach wie vor auf Nebenausgaben435), behielt diesen Modus bis zum Ende der Lizenzpflicht bei und gehörte deshalb, wie Harold Hurwitz schreibt, nach Aufhebung der Lizenzpflicht zu denjenigen Zeitungen, die die geringsten Auflagen aufzuweisen hatten. "Dies", so Hurwitz, "galt auch für die Ortszeitungen, die in einer Stadt mittlerer Größe erschienen; sie waren nämlich oft einer harten Konkurrenz von Bezirks- und Kopfblätterausgaben der größeren regionalen und großstädtischen Zeitungen ausgesetzt."436) 1947 wurden die lizenzierten Zeitungen mehr und mehr mit dem Problem konfrontiert, sich gegen Parteien- und Behördenvertreter durchzusetzen. Hermann Bauer - und manchmal auch Karl Bremer - nahmen zwar Stellung, doch der Vergleich mit anderen Zeitungen und ihren Lizenzträgern zeigt deutlich die Schwächen der "Marburger Presse". Eher allgemein formulierte die Zeitung ihre Proteste und vermied es dabei, anhand von Einzelfällen die - 137 - Konfrontation zu suchen oder zu provozieren. Am 29. April des Jahres schrieb Bauer beispielsweise: "... 'Wir glauben, daß der Erfolg der Demokratie von einer gesunden, öffentlichen Meinung abhängt und daß die Zeitungen durch Veröffentlichung der wichtigen Nachrichten und durch redaktionelle Erläuterungen in Leitartikeln dahin wirken sollen, eine gesunde öffentliche Meinung zu schaffen und zu erhalten.' So schrieb der Amerikaner Beyers in seiner 'Journalistischen Berufsethik'. In diesem Sinne faßt auch die neue deutsche verantwortungsvolle Lizenz-Presse ihre Aufgabe auf. Um so mehr erregt Aufsehen, daß ihr fast gleichzeitig im Hessischen wie im Bayerischen Landtag die heftigsten Vorwürfe gemacht werden; von 'Vergiftung des öffentlichen Lebens' spricht man in München! So weit man sich dabei gegen Presseverleumdungen verwahrt, verstehen wir die Erregung. Denn wir stimmen mit der amerikanischen 'journalistischen Berufsethik' überein: 'Wir glauben, daß die Zeitungen die Wahrheit berichten sollen, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit; in allen Angelegenheiten, die für die Leser als Staatsbürger und als Glieder der Gemeinschaft und Gesellschaft von Bedeutung sind.' Deshalb ist es uns auch unverständlich, wie der bayerische Ministerpräsident fordern kann: 'Bei Tatsachen, die eine bestimmte Persönlichkeit im öffentlichen Leben angehen, soll die Presse zurückhaltend sein.' Vor Tatsachen darf und wird die Presse nicht ausweichen, weil sie der Wahrheit dienen will. Die Presse will die öffentliche Meinung durch sachliche Berichterstattung mit bilden helfen und sie will zugleich Ausdrucksmittel einer gesunden, öffentlichen Meinung sein. ... Wir bedauern, daß die Abgeordneten in Wiesbaden wie Regierende in München in wenig erbaulichen Szenen gegen die Presse Stellung nehmen."437) Was Hermann Bauer bestenfalls "bedauerlich" fand, führte bei anderen Lizenzträgern zu großen Protesten.438) Die Marburger Lizenziaten hingegen behalfen sich mit Zitaten, sei es mit den Worten des Amerikaners Beyers oder - wenige Tage später - mit den Ausführungen des Direktors der Militärregierung in Hessen, Newman. Newmans Ansichten, die dieser bei einem Empfang der hessischen Lizenzträger am 7. Mai geäußert hatte, gab Karl Bremer wie folgt wieder: "... Zur Gewinnung der Freiheit muß ein Volk den Willen haben, ständig zu kämpfen, um die Verfassung und die Einrichtungen, die die Freiheit sichern, zu beschützen. ... Den Zeitungen Deutschlands kommt ein wichtiger Platz an der vordersten Front dieses Kampfes zu. ... Ihre Regierung und deren Beamte, die rechtmäßig durch die Stimme Ihres Volkes gewählt wurden, verdienen Ihre Unterstützung und müssen sie haben. Das heißt nicht, daß Sie alles, was von ihnen getan wird, blind gutheißen sollen. Es bedeutet, daß Sie die Nachrichten und ihre Tätigkeit korrekt und ... in der Spalte der Nachrichten dem Volke mitteilen müssen. Es bedeutet, daß Ihre Kritik an der Regierung und deren Angelegenheiten eine konstruktive sein muß und nicht auf kleinlichen Abneigungen oder kleinlichen Differenzen berufen darf. Bauen Sie Ihre Kritik auf beweisbare Tatsachen auf, ehrlich wiedergegeben ohne Befleckung, Färbung oder Schattierung. In diesen kritischen Zeiten haben Ihre Beamten außer der Wahrnehmung des Volksmandats auch noch die Aufgabe, die Richtlinien der - 138 - Besatzungsmächte durchzuführen; dieser Zustand verlangt von jedem von Ihnen, daß Sie, bevor Sie die Handlungen Ihrer Staatsbeamten tadeln, feststellen, ob diese Handlungen von ihnen verlangt werden oder nicht, besonders in solchen Fällen, in denen es den Anschein hat, daß sie über das Volksmandat oder den verfassungsmäßigen Rahmen hinausgegangen sind oder ihnen entgegengearbeitet haben. Bedenken Sie in diesen kritischen Zeiten auch, bevor Sie der Versuchung nachgeben, der Verwaltung oder der Partei, zu der der Betreffende gehört, richtig 'einzuheizen', ob es im Bereich ihrer Macht liegt, anders zu handeln bzw. ob sie in der Lage ist, einen anderen Weg einzuschlagen. Sie haben das Recht und es ist Ihre Pflicht, für Ehrlichkeit unter Ihrer Beamtenschaft zu sorgen und darauf zu achten, daß diese in allen Dingen den Auftrag des Volkes erfüllt beim Aufbau eines demokratischen Staates im Rahmen der ihnen zu diesem Zwecke gegebenen Freiheit, und letzten Endes hauptsächlich alle ehrlichen Maßnahmen zu ergreifen, um das Volk zu einer besseren Erlangung der politischen Freiheit zu führen. All dies kann nur durch ehrliche Wiedergabe der Nachrichten erreicht werden, durch Lob, wo Lob angebracht ist, und durch Bloßstellen von Unehrlichkeit, Untüchtigkeit und schlechter Verwaltung. Benutzen Sie Tatsachen, auf denen Sie Ihre Leitartikel begründen, und zur Stützung Ihrer politischen Ansichten. Bauen Sie die Demokratie auf, zerstören Sie sie nicht. Schütten Sie Ihren Grimm nur auf diejenigen, die hindern, hinauszögern oder versuchen, dem Wachstum der politischen Freiheit in Hessen entgegenzuarbeiten."439) An anderer Stelle der Ausgabe vom 8. Mai wurde der stellvertretende hessische Ministerpräsident, Werner Hilpert, zitiert, der darauf hingewiesen hatte, dass es einen schlechten Eindruck beim Volke mache, wenn sich Presse und Volksvertretung "befehdeten". "Er bemängelte", so heißt es in dem Bericht, "daß die Regierungserklärungen und Parlamentsberichte von den lizenzierten Zeitungen nicht in vollem Umfange wiedergegeben würden und von den einzelnen Zeitungen eine nachlässige Berichterstattung erfolge. Jede Kritik müsse konstruktiven Charakter tragen und es gelte durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Regierung und Presse das Volk moralisch und materiell vorzubereiten, um einen weiteren harten Winter zu bestehen. In einer schwierigen Situation ... dürften Differenzen zwischen Regierung, Landtag und Presse nicht in voller Öffentlichkeit ausgetragen werden und er hoffe, daß man zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit komme. Hilpert gab zu, daß von der Regierung und dem Parlament gewisse Unterlassungssünden gegenüber der Presse zu verzeichnen seien und schlug vor, daß von nun ab alle vier Wochen eine Aussprache zwischen der Regierung und den Lizenzträgern über die Grundsätze der allgemeinen Politik stattfinden soll. ... Die Lizenzträger verschiedener Zeitungen brachten in der Diskussion zur Sprache, daß sie bei mehreren Mitgliedern der Regierung wiederholt auf die Abneigung gestoßen seien, der Presse Informationen zu geben. ... Auf den Hinweis mehrerer Lizenzträger, daß die Zeitungen infolge der bevorstehenden Papierkürzung gar nicht in der Lage seien, ausführliche Berichte von den Sitzungen des Landtages zu bringen, gab Dr. Newman bekannt, daß General Clay ihm ... erklärt habe, aus dem Export- und Importprogramm würden 500.000 - 139 - Dollar für zusätzliche Beschaffung von Zellulose für die Papierherstellung freigegeben. Man rechne damit, diese Zellulose aus Kanada zu importieren ..."440) Als im November des gleichen Jahres die erste internationale Pressekonferenz stattfand, an der sich Vertreter von Zeitungen aus den westlichen Zonen und aus dem Ausland trafen, ging Oberst Textor, der Leiter der Nachrichten-Kontrollabteilung in Deutschland, noch einmal auf die Papierkontingentierung ein. Wie er mitteilte, werde zur Zeit die vorgesehene Fabrikation von 4.800 Tonnen Zeitungspapier - wie es ein amerikanisch-britisches Abkommen vorsah - noch nicht erreicht. Dies sei vor allem auf den Kohlemangel zurückzuführen. Sobald man diese Produktionsmenge erreicht habe, werde die Presse besser gestellt sein als im Dezember 1946, wo die ersten Einschränkungen in der Papierzuteilung vorgenommen worden waren.441) Am 1. August 1948 war es dann endlich geschafft: Die "Marburger Presse" wurde zu einer Tageszeitung und erhöhte die durchschnittliche Seitenzahl von 13,3 pro Woche auf rund 26 Seiten. Die Zeitung kommentierte: "... So erhalten wir die Möglichkeit zu aktuellster Berichterstattung und gewinnen zugleich Raum zur Erfüllung vieler Leserwünsche (Belehrungen und Unterhaltungsstoff, Roman, Lesenswertes für die Frau, das Landvolk, die Jugend usw.) Um irrigen Ansichten vorzubeugen, erklären wir: Wir haben für die 100prozentige Umfangserweiterung kein Papier gehortet, sondern erwarten die Deckung des Mehrbedarfs (statt bisher 24,5 t brauchen wir nun über 50t vierteljährlich) aus der deutschen Mehrproduktion und aus Einfuhren aus USA. Die erhebliche Steigerung der Zeitungsherstellungskosten wollten wir nur in bescheidensten Rahmen unsere Abonnenten tragen lassen, indem wir den monatlichen Bezugspreis trotz unserer 100prozentigen Mehrleistung um nicht einmal 50 Prozent erhöhen, so daß die 'Marburger Presse' ab 1. August 1948 2.20 DM und Trägerlohn -.40 DM = 2.60 DM kosten wird. Wir wissen wohl, daß diese Mehrkosten von manchen Lesern nicht leicht aufzubringen sind, doch die Freude, nun eine richtige Tageszeitung zu erhalten, möge darüber hinweg helfen!"442) Das Blatt, das bis zum 31. Juli 1948 20 Pfennige pro Ausgabe gekostet hatte, wurde nun - bei sechsmaligem Erscheinen in der Woche - fünf Pfennige pro Stück billiger. 4.4 Zwei Lizenzträger und ein Altverleger im Spiegel der Marburger Zeitung Drei presseinterne Ereignisse erregten in den letzten beiden Jahren der Lizenzpflicht im hessischen Blätterwald Aufsehen. - 140 - Ende 1947 wurde einer der Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau", Arno Rudert,443) aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen. Karl Bremer verband mit der Kommentierung dieses Vorfalls die Darlegung seiner politischen Auffassung: "... Es heißt, daß sich die neue deutsche unabhängige Presse aus der Erkenntnis heraus, ein Werkzeug des ganzen Volkes zu sein, verpflichtet hat, keiner bestimmten politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Organisation zu dienen oder an deren Weisungen gebunden zu sein. ... Diesen Weg schreiten wir weiter ungeachtet aller Anfeindungen und Schmähungen, die uns aus allen Parteikonferenzen und Parlamenten entgegenschallen, ungeachtet aller unberechtigten Kritik derer, die über ihr enges Parteidogma nicht hinaus denken können. Selbstverständlich sind wir Lizenzträger keine 'politisch farblosen Blätter', jeder einzelne von uns ist nach irgend einer Richtung parteipolitisch interessiert - das ist unsere private Angelegenheit und darf sich im Nachrichtenteil der Zeitung nicht widerspiegeln. Unsere Meinung zu diesen und jenen Dingen sagen wir an der dafür in den Zeitungen vorgesehenen Stelle. Wir sind entschlossen, die unbedingte Trennung von Nachricht und Meinung strikte durchzuführen und sind nach unserer Kenntnis auf dem besten Wege, in der Öffentlichkeit für diese unsere Zielsetzung immer mehr Verständnis zu finden. ... Der Ausschluß Ruderts aus der KPD zeigt uns nun - wir waren schon längst davon überzeugt - daß diese Partei den ... Weg nicht mitgehen will. Es ist ... mit aller Deutlichkeit zu erkennen, daß diese Partei mit unseren Begriffen der Demokratie nichts zu tun hat, daß sie die Demokratie als Mittel zu ihrer Ausschaltung benutzen will. In den Forderungen nach der Freiheit der Presse sind die Kommunisten die lautesten Rufer, wie sie diese Freiheit auffassen, haben sie nun in aller Öffentlichkeit mit brutaler Deutlichkeit aufgezeigt: 'Demokratie ist, was der KPD nutzt', also ein Zerrbild. Dieser Vorgang zeigt weiter, daß auch die KPD Hessens sich als verlängerter Arm der östlichen Ideologie fühlt, also die totalitäre Staatsform anstrebt, deren Schrecken und Verbrechen ... wir in der jüngst vergangenen Epoche miterlebt haben und an deren Folgen wir noch lange leiden. Wie unser Kollege Rudert lehnen wir Eingriffe und Forderungen von außerhalb Stehenden, uns zu einer bestimmten Haltung zu zwingen, als unvereinbar mit unseren Grundsätzen über die Freiheit der Presse und in der Erziehung des deutschen Volkes zur freien Meinungsäußerung auf das Entschiedenste ab. ... Der erste Erfolg der kommunistischen Maßnahme zeigte sich bereits am gleichen Tage innerhalb der 'Frankfurter Rundschau': Ein ebenfalls der KPD angehörender Redakteur erklärte sich nach dem Bekanntwerden des Ausschlusses Ruderts mit diesem solidarisch und seinen Austritt aus der KPD. Zahlreiche Belegschaftsmitglieder zerrissen ihre kommunistischen Mitgliederausweise und dokumentierten damit, daß ihnen die demokratische Durchdringung unseres Volkes wertvoller ist als die Devise der diktaturlüsternen Drahtzieher: 'Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein'."444) Ein weiterer Fall beschäftigte im Sommer 1948 alle Zeitungen in Hessen: der Sitzstreik bei der "Gießener Freien Presse".445) Unter der Überschrift "Fünf Tage Streik" schrieb wiederum Karl Bremer: - 141 - "Als die Debatten um das Betriebsrätegesetz, besonders über das Mitbestimmungsgesetz der Betriebsräte ihren Höhepunkt erreichten, wählten wir folgenden Weg: Wir gaben Vertretern aller vier Parteien in Hessen Gelegenheit, ihren befürwortenden oder ablehnenden Standpunkt zu diesen Fragen unseren Lesern darzulegen. Wir hielten - und halten heute noch dieses Verfahren für einen guten demokratischen Brauch, zumal wir als unabhängige Zeitung nicht die Aufgabe haben, einer bestimmten politischen Richtung dienstbar zu sein. Das schließt nicht aus, daß auch wir zu allen politischen und wirtschaftlichen Fragen eine bestimmte Meinung haben und dieser auch vorbehaltlos Ausdruck geben. So haben wir niemals daraus ein Hehl gemacht, daß wir Befürworter des Betriebsrätegesetzes sind und seine Annahme durch eine überwiegende Mehrheit des hessischen Volkes begrüßten. Aus dieser Einstellung heraus lehnten wir auch einen Artikel ab, der aus der Feder des Chefredakteurs Dr. Hans Rempel in der 'Gießener Freien Presse' erschien, der sich in ungewöhnlich scharfer Form gegen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte aussprach. Hätte ein befähigter Kenner der Materie die Darlegungen Rempels in der gleichen Zeitung überzeugend widerlegt, hätte sich der 'Krach im Hinterhaus' in der Südanlage in Gießen vermeiden lassen. Aber unglücklicherweise verfiel der Betriebsrat der 'Gießener Freien Presse' auf den Gedanken, vor Erscheinen des fraglichen Artikels gegen dessen Veröffentlichung zu protestieren - 'Bedenken geltend zu machen, um den Betrieb vor wirtschaftlichen Nachteilen durch zu erwartende Zeitungsabbestellungen verärgerter Leute zu schützen' - so etwa lautete die Formulierung. Wir wollen zugeben, daß dem Betriebsrat und dem hinzugezogenen Gewerkschaftsvertreter im Augenblick nicht gegenwärtig war, daß dieser Schritt einen unzulässigen Eingriff in die Pressefreiheit bedeutete, der zurückgewiesen werden mußte. Wir hören auf, wenn Betriebsräte für sich das Recht in Anspruch nehmen, eine Art Vorzensur auszuüben. Hier überschritt der Betriebsrat seine Kompetenzen."446) Die Entlassung des Gießener Redakteurs Schreiber und der daraufhin beginnende Streik bei der "Freien Presse" führten Bremer dann zu der Schlussfolgerung: " ... Wäre auf beiden Seiten ein kühler Kopf bewahrt worden und hätte man auf beiden Seiten nicht zu impulsiv gehandelt, wäre die Vereinbarung ... schon vor dem Streikbeschluß möglich gewesen. Um in strittigen Fragen zu einer Einigung zu kommen, die keinen Stachel zuläßt, ist es nun einmal so, daß beide Kontrahenten den Willen zur Einigung haben und Konzessionen machen. In Gießen hatte man sich in eine hitzige Situation hineinmanövriert und dieses grundlegende Gesetz der Demokratie außer Acht gelassen."447) Ein drittes Ereignis betraf indirekt die "Marburger Presse": der Fall des Marburger Altverlegers Hitzeroth. Der Schwiegersohn von Johann August Koch448), Dr. Carl Hitzeroth, der bis 1945 die "Oberhessische Zeitung" herausgegeben hatte und gleichzeitig ihr Chefredakteur gewesen war, musste sich im Sommer 1948 in einem Spruchkammerverfahren wegen seiner politischen Aktivitäten zur Zeit des - 142 - Nationalsozialismus rechtfertigen. Heinrich Kierzek, Lizenzträger der "Fuldaer Volkszeitung" und in diesem Verfahren als Sacherständiger für Pressefragen hinzugezogen, gab seine Meinung zu Hitzeroth in der "Marburger Presse" wieder. Kierzek, der keine Scheu hatte, die Dinge beim Namen zu nennen, schrieb, ein "Sachverständiger der Gegenseite" habe ihm "allen Ernstes" die Frage gestellt, ob er sich denn anders als Betroffener verhalten würde, falls er nach Abzug der Besatzungsmächte vor eine Spruchkammer gestellt würde. Sicherlich würde er, Kierzek, genauso wie Hitzeroth seine Rechtfertigung erklären: Er wäre an die Vorschriften der Machthaber gebunden gewesen und hätte seine Existenz aufs Spiel gesetzt, falls er an den Maßnahmen der Nationalsozialisten Kritik geübt hätte. "Dem sachverständigen Kollegen", so Kierzek weiter, "der peinlicherweise seine eigene Haltung mitverteidigen mußte, da er selbst ebenso wie der Betroffene 'bis zum Endsieg' in der Presse des Nazireichs mitgemacht hatte, wurde zur Antwort, daß ich es für die oberste Pflicht eines Journalisten halte, nur das zu künden, was er selbst für wahr und richtig ansieht und niemals etwas auf Befehl zu schreiben, was ihm innerlich falsch und verwerflich dünkt; daß ich mich an diese journalistische Pflicht heute genau so halte wie vor und nach 1933; daß ich mich heute bei meinen Arbeiten genau so wenig danach richte, ob sie den Amerikanern angenehm sind oder nicht, wie ich das den früheren Machthabern gegenüber getan hätte; und daß ich schließlich etwaigen Neu-Nazis, falls sie eines Nachts glorreich wieder auferstehen und mich vor den Kadi zitieren sollten, genau dasselbe sagen würde, was ich vor etlichen Jahren ihren blutrünstigen Vorfahren am sogenannten 'Volksgerichtshof' erklärte: daß es mir ebensowenig wie jedem anderen pflichtbewußten Journalisten läge, gegen die eigene Überzeugung und wider besseres Wissen zu schreiben. ... Dieses Intermezzo wird nicht deshalb geschildert, um darzutun, auf welche Überraschungen man gefaßt sein muß, wenn man sich heute ... als Zeuge oder Sachverständiger in die Höhle einer Spruchkammer begibt. ... Es dreht sich hier um die viel wichtigere Frage, welche charakterlichen und politischen Voraussetzungen von den Persönlichkeiten erfüllt sein müssen, denen man die gefährliche Waffe in die Hand gibt, als Journalisten auf die öffentliche Meinung Einfluß zu nehmen. Diese Frage ist deshalb besonders akut, weil wir unmittelbar vor der Aufhebung einer Reihe der bisher der Presse auferlegten Beschränkungen stehen und damit im Begriff sind, einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zur vollen Pressefreiheit zu tun. 'Unerbittliche Maßnahmen gegen gewissenlose Verräter' hatte der Marburger Chefredakteur nach dem 20. Juli 1944 gefordert und in einem mit seinem Namen gezeichneten Leitartikel erklärt: 'Daß deutsche Offiziere wie Verbrecher den militärischen Führer und mit ihm den Stab der Wehrmacht in dem Augenblick vernichten wollen, wo der Feind von allen Seiten anstürmt und die Führung am nötigsten ist, bleibt einfach ungeheuerlich. ... Aber jene sind nicht in der Lage, den Ehrenschild des deutschen Offiziers zu beflecken, und die Sühne ist schnell erfolgt.' Vor der Spruchkammer beteuert der Held, der damals so streng 'unerbittliche Maßnahmen' forderte, er habe wie in den meisten anderen Fällen auch hier auf Befehl 'von oben' so schreiben müssen, seine eigene Meinung sei dies nicht gewesen. Trotzdem nimmt er für sich in Anspruch, 'eine außerordentliche journalistische Leistung' vollbracht zu haben. Frage an den unbefangenen Leser: Würden Sie einem Journalisten, der - 143 - sich ein solches Armutszeugnis ausstellt, überhaupt noch ein Wort glauben?" Er, Kierzek, vertrete daher die Meinung, "daß die Journalisten, die im Dritten Reich nicht den Mut hatten, ihre Stimme gegen das Unrecht zu erheben, weil es damals gefährlich war, auch heute schweigen sollten, wo zum Kritisieren an den Machthabern kein Mut mehr gehört. Für solche Charakterköpfe sollte der Weg zur Presse für immer versperrt sein. Wir sträuben uns aber auch gegen eine neue Mitläufergeneration von Journalisten, die heute ebenso emsig in Demokratie machen möchten, wie sie im Tausendjährigen Reich in Nazismus machten, und die insgeheim schon Rückversicherungen suchen für den Fall, daß man ihnen ihre jetzige Tätigkeit eines Tages übelnehmen sollte ..."449) Über das Ende des Verfahrens teilten die "Hessischen Nachrichten" in Kassel mit: "Die Spruch- und Berufungskammer Marburg reihte den Herausgeber der bis zum Kriegsende in Marburg erschienenen "Oberhessischen Zeitung" in die Gruppe der Mitläufer ein und verhängte eine Sühne von 1000 DM".450) 4.5 Der Weg in die Fusion Bereits Anfang 1949 hatte Carl Hitzeroth, dem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch die Druckerei geblieben war, in der dann die Lizenzzeitung gedruckt wurde, Bauer und Bremer darüber informiert, dass er nach seiner Entnazifizierung "von jedem nur möglichen Mittel Gebrauch machen werde, um den Pachtvertrag vor einem deutschen Gericht anzufechten."451) Offensichtlich gelang ihm dies nicht, denn er ließ seine Zeitung, die wieder den Titel "Oberhessische Zeitung" trug und sofort nach Aufhebung der Lizenzpflicht erneut erschien, in den ersten Monaten auf den Maschinen der "Kasseler Post", einem ebenfalls wiedererstandenen Altverlegerblatt, drucken. Um die Transportkosten zu senken, wechselte er bald ins näher gelegene Gießen und machte darauf den beiden Marburger Lizenzträgern den Vorschlag, beide Zeitungen zusammenzulegen. In Marburg blieb man damit immerhin einer alten Tradition treu, denn in dieser Stadt war seit eh und je nur eine Zeitung erschienen. Bauer und Bremer stimmten aus Gründen, die den Lesern nicht mitgeteilt wurden, der Fusion zu. In der letzten Ausgabe der "Marburger Presse" teilten die beiden ehemaligen Lizenzträger den Lesern mit: "Am 19. Mai 1951 haben sich die beiden unterzeichneten Verlage der 'Marburger Presse' und der 'Oberhessischen Zeitung' in freier Vereinbarung zu einer mit gleichen beiderseitigen Rechten bestehenden Verlags- Gesellschaft zusammengeschlossen. Vom 1. Juli 1951 an wird in Marburg nur noch eine Zeitung unter dem Titel 'Oberhessische Presse' erscheinen. Der gesamte, seit dem Jahre - 144 - 1945 dem Verlag der 'Marburger Presse' überlassene technische Betrieb der Universitätsdruckerei Johann August Koch (Dr. Carl Hitzeroth) wird ebenfalls in freier Vereinbarung und auf Grund fairer Abmachungen an die Eigentümer zurückgegeben. Zwischen beiden Betrieben wurde ein Lohndruckvertrag abgeschlossen. Die durch den Zusammenschluß verstärkte wirtschaftliche Kraft wird in der verbesserten journalistischen Leistung beweisen, daß diese Regelung vor allem dem Interesse des Lesers und des Anzeigenkunden dienen wird. Die 'Oberhessische Presse' wird ein von jedem Einfluß von Parteien und Wirtschaftsgruppen unabhängiges Blatt sein, das seine ganze Kraft in den Dienst des Wiederaufbaues unseres Vaterlandes und der internationalen Verständigung stellen wird."452) Der Vertrag wurde nicht mehr von Carl Hitzeroth, sondern von dessen Sohn Otto unterzeichnet. Carl Hitzeroth war bereits am 14. November 1950 gestorben.453) Die Zeitung mit einem Titel, der beide früheren Zeitungsköpfe vereinte, hatte eine Auflage von 25.000 Stück. Auch im Laufe der Jahre gelang es dem Altverleger nicht, eine höhere Auflage zu erreichen als zuvor die Lizenzträger für ihr Blatt.454) Sie stieg lediglich etwas durch die neu hinzugekommenen Verbreitungsgebiete Biedenkopf und Frankenberg. Aus mehreren Gründen ist die Entscheidung der Lizenzträger, einer Fusion zuzustimmen, erstaunlich: a) Die "Marburger Presse" war nach Aufhebung der Lizenzpflicht eine Zeitung, die ihren festen Leserstamm hatte. b) Sie behielt auch dann ihren sicheren Stand, als der Altverleger mit seiner Zeitung wieder auf den Markt kam. Seine Vorstellung, die er gehabt haben mag, auf einen "alten", ihm und seinem Blatt treuen Leserkreis in Marburg zu treffen, konnte sich nicht erfüllen, denn Marburg hatte sich in den Nachkriegsjahren in seiner Bevölkerungsstruktur wesentlich verändert. Die Stadt musste vor allem Flüchtlinge aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet aufnehmen. c) Die Bedingungen, unter denen die Lizenzträger der Fusion zustimmten, dürften in Hessen ihresgleichen suchen: Kurz nach der Zusammenlegung ließen sich beide zur gleichen Zeit vom Altverleger mit der beinahe unglaublichen Zusicherung abfinden, jedem bis an sein Lebensende monatlich 500 DM zu bezahlen.455) - 145 - 5 Die "Hessischen Nachrichten" während der Lizenzzeit 5.1 September 1945: In Kassel erscheint die dritte Lizenzzeitung Hessens Als dritte Zeitung in Hessen erschienen am 26. September 1945 die "Hessischen Nachrichten" in Kassel. Die "Hessische Post", die seit dem 28. April 1945 in Kassel gelesen worden war, war wenige Tage zuvor eingestellt worden. Sie war mit je vier Seiten Umfang immer samstags herausgekommen und kostete pro Exemplar 20 Pfennige.456) Die "Hessischen Nachrichten", die die Lizenz Nr.15 erhalten hatten, in fünf Spalten gedruckt wurden und im Monat 1.85 RM kosteten, erschienen vorerst zweimal wöchentlich: mittwochs und an Samstagen. "An unsere Leser!" überschrieben die fünf Lizenzträger ihre publizistischen Ziele auf der ersten Seite der Nummer Eins: "Die amerikanische Militärregierung erteilte den fünf Unterzeichneten die Lizenz zur Herausgabe der 'Hessischen Nachrichten', als der 6. deutschen Zeitung in der amerikanischen Besatzungszone. Die Besetzung der Redaktion spiegelt den Willen aller antifaschistischen Richtungen Kurhessens zu gemeinsamer Arbeit wider. In Übereinstimmung mit den Zielen der Werktätigen und freiheitlich gesinnten Bevölkerung zur baldmöglichen Überwindung des furchtbaren Erbes des verruchten Hitlerregimes sind wir gewillt, die 'Hessischen Nachrichten' zu einem geistigen Führer und zu einem allzeit offenen Sprachrohr für die Errichtung eines wahrhaft demokratischen Volksstaates zu machen. Durchdrungen von der Notwendigkeit, die schlummernden guten Kräfte unseres Volkes zu wecken, wollen wir die neue Zeitung bewußt in den Dienst der Völkerverständigung und Völkerversöhnung stellen und somit beitragen an der geistigen Wiedergutmachung, damit auch Deutschland seinen Platz in der großen Völkerfamilie finden kann. Möge unsere Arbeit, dem Wohle des Volkes gewidmet, die Unterstützung aller guten und aufbauwilligen Kräfte in Stadt und Land finden. Wolfgang Bartels, Fritz Schmidt, August Heinrich Berning, Gustav Römer, Dr. Wolfgang Poeschl."457) Auf derselben Seite begann auch einer der Lizenzträger, Wolfgang Bartels458), Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, seine Vorstellungen zum politischen Leben im Nachkriegsdeutschland in einem Leitartikel darzulegen.Er schrieb: "... Im gemeinsamen Zupacken liegt unsere Kraft, in brüderlicher Hilfe wollen wir das zusammengestürzte Haus auf festerem Fundament wieder aufbauen. Der Wille zu dringlicher Aufbauarbeit führte die vier antifaschistischen Parteien zusammen. Sie sind sich einig, daß ihr gemeinsames Volk nur auf dem Boden der Demokratie gedeihen kann. Dies setzt die demokratische Volksrepublik auf festverankerter Staatsform voraus, in der die Freiheit der Person, des Glaubens, der Rede und Presse, Koalitions- und Versammlungsrecht die Eckpfeiler bilden. ..."459) - 146 - Oberleutnant Skarry, Kommandant der Militärregierung für Hessen, begrüßte die Zeitung mit den Worten: "Die 'Hessischen Nachrichten' sind die erste Zeitung dieser Art im Norden von Hessen und stellen einen großen Fortschritt auf dem Wege zur Demokratisierung dar. Wir sehen ein neues Deutschland vor unseren Augen erwachsen, und eine freie und geistig hochstehende Presse ist von größter Wichtigkeit. Die 'Hessischen Nachrichten' werden eine führende Rolle in der Erfüllung dieser Ideale spielen."460) Seite 1 brachte auch Kurzmeldungen: "Funk in letzter Stunde", DANA-Informationen sowie ein Foto. Auf der zweiten Seite wurde der Leitartikel fortgesetzt, es erschienen Berichte über "Himmlers Gaskammern" und die "Verwendung der Atomenergie", außerdem Meldungen "Aus aller Welt" und die "Presse-Rundschau" zu aktuellen Themen. "Unter dem Strich" war das Feuilleton abgedruckt, das auf der dritten Seite seine Fortsetzung fand, auf der auch "aus Kassel und Großhessen" berichtet wurde. Der "freie Volkssport" erschien auf Seite 4 der Zeitung, zusammen mit Anzeigen und Bekanntmachungen, die ein Drittel der Seite beanspruchten. Auf der fünften Seite wurden vermischte Meldungen wiedergegeben, so z.B. die Geschichte der Atombombe u.a. Seite 6 brachte Nachrichten aus der Kirche, zudem eine halbe Seite Wirtschaftsinformationen. Die zweite Ausgabe der "Hessischen Nachrichten" erschien am darauf folgenden Samstag, dem 29. September 1945. Diese Nummer umfasste wieder sechs Seiten einschließlich einer halben Seite Anzeigen. Die Bestimmung der amerikanischen Militärregierung, das Verhältnis von Anzeigen- und Textteil dürfe ein Achtel nicht überschreiten, wurde also bei den "Hessischen Nachrichten" während der Anfangsausgaben sogar noch unterschritten. Fritz Schmidt461), Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands, schrieb diesmal den Leitartikel unter der Überschrift: "Arbeiten und wiedergutmachen".462) Auf der dritten Seite, dem Lokalteil vorbehalten, erschien ein Bericht über den Akt der Lizenzübergabe an die fünf Herausgeber durch Oberst Stanley, dem Vertreter der amerikanischen Militärregierung. Stanley sagte unter anderem: "... Wie die anderen lizenzierten Zeitungen, tragen auch die 'Hessischen Nachrichten' eine schwere Verantwortung. ... Wenn eine freie Presse in Deutschland existiert hätte, so würde auch Freiheit und Demokratie die Oberhand behalten haben. Es ergibt sich daraus, daß diese Lizenz eine Garantie gegen die autoritäre Regierungsphilosophie darstellt, denn durch Ihre Bemühungen können Sie Ihre Mitbürger einer Lebensweise zuführen, die eine Wiederauferstehung der Kräfte des Übels in Deutschland verhindern wird. Als das Sprachrohr der Bevölkerung von Kassel und Kurhessen können Sie viel dazu beitragen, die Lasten, die Ihre Gemeinde trägt, zu erleichtern. Sie können den Kampf für Wahrheit, Aufrichtigkeit und Freiheit führen. ... Sie können den - 147 - falschen Lehren von Unduldsamkeit und Reaktion entgegentreten. ... Ihre Aufgabe wird gewiß keine leichte sein. Ihre Arbeit muß endlos, aufklärend und uneigennützig sein. Für Sie ..., die Sie verschiedene politische Parteien und Richtungen vertreten, ist es Pflicht, dafür Gewähr zu geben, daß all jenen antifaschistischen und antimilitaristischen Elementen Gelegenheit gegeben wird, in den Spalten Ihrer Zeitung in gerechtem und gleichem Maße zum Ausdruck zu kommen."463) Am darauf folgenden Mittwoch, 3. Oktober, setzte sich Lizenzträger Bartels mit den Bestrebungen der neu gegründeten Gewerkschaften auseinander.464) August Heinrich Berning465), Vertreter der Konservativen, führte die Leitartikelserie der "Hessischen Nachrichten" am 6. Oktober des Jahres fort. Unter der Überschrift: "Wende in Bayern" nahm er Stellung zum Regierungswechsel in Bayern, bei dem Dr. Fritz Schäffer, Angehöriger der Bayrischen Volkspartei, abberufen und Dr. Wilhelm Högner, SPD, zur Bildung einer neuen Zivilverwaltung aufgefordert worden war.466) So wie Bartels eine Zusammenarbeit aller Gewerkschaften gefordert hatte, befürwortete Berning, ganz im Sinne der amerikanischen Militärregierung, die Zusammenarbeit der politischen Parteien auf nationaler Ebene, genauso wie es die fünf Lizenzträger unterschiedlicher politischer Couleur praktizieren sollten, um die "Hessischen Nachrichten" zu einem überparteilichen Blatt zu machen. Folgerichtig propagierte Dr. Wolfgang Poeschl467) das positive Verhältnis Deutschlands zur Welt. Wiederholt betonte er in seinem Artikel am 10. Oktober: "... für Deutschlands Zukunft ist es wichtig, daß wir uns als Weltbürger fühlen, daß wir über unseren eigenen Sorgen nicht den Blick für das Ganze verlieren"468), oder: "... je aufgeschlossener wir sind, desto mehr nützen wir uns selbst."469) In den folgenden Monaten schrieben die Lizenzträger abwechselnd die Leitartikel der Zeitung, die immer auf der ersten Seite begannen und ihre Fortsetzung auf der zweiten Seite links oben fanden. Die "Hessischen Nachrichten" behielten damit lange Zeit einen Modus bei, der den Bestimmungen der Information Control nicht entsprach. Laut ICD sollte die Seite 1 ausschließlich den Nachrichten vorbehalten bleiben. Leitartikel, Meinungen und Kommentare durften erst auf den folgenden Seiten der Zeitung gedruckt werden. Von Mitte Oktober 1945 an berichteten die "Hessischen Nachrichten" über die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse; am 27.10. erschien der erste Teil einer Artikelserie: "Nürnberger Portraits". Wolfgang Bartels schilderte Rudolf Hess470), Wolfgang Poeschl berichtete über Alfred Rosenberg471), und August Heinrich Berning verfolgte die Prozesse direkt in Nürnberg. Seine Eindrücke wurden am 5. und 12. Dezember des Jahres auf den ersten beiden Seiten der "Hessischen Nachrichten" publiziert.472) - 148 - Außerdem kamen Personen des öffentlichen Lebens in Leitartikeln zu Wort, so z.B. der Rektor der Marburger Universität, Professor Julius Ebbinghaus473), Dr. Kurt Schumacher, SPD,474) und August Martin Euler als Vertreter der LDP.475) Im Lokalteil erschienen Reportagen über das "Vergangene Kassel"476) , aufgelockert durch Fotos, und am 27. Oktober erschien zum ersten Mal eine Kulturbeilage der "Hessischen Nachrichten": "Der Sonntag". Am 7. November wurde die Zeitung in eine Stadt- und eine Landausgabe geteilt. 5.2 1946: Die "Hessischen Nachrichten" erweitern ihr Verbreitungsgebiet Mit Beginn des Jahres 1946 berichtete der kommunistische Lizenzträger Fritz Schmidt anstelle von August Heinrich Berning aus Nürnberg477). Die "Hessischen Nachrichten" hatten zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich sechs Seiten Umfang, wobei sich der Anzeigenteil auf ein Achtel des Gesamtumfangs erhöht hatte.478) Auf der zweiten Seite wurden politische Informationen jetzt auch unter der Überschrift "Politik in Kürze" publiziert. Seite 3 war den Lokalnachrichten vorbehalten, Seite 4 der "Wirtschaftszeitung" und den Annoncen. Die Leitartikel wurden weiterhin von den Lizenzträgern im Wechsel verfasst. Lediglich Gustav Römer, der für den technischen Ablauf der Zeitung sorgte, hielt sich redaktionell sehr zurück. Zu Wort kamen weiterhin Vertreter der Parteien, so Carl Severing, SPD479), und Walter Ulbricht mit einem Artikel "Was will die KPD?".480) 1946 begannen die "Hessischen Nachrichten" auch damit, ihr Verbreitungsgebiet zu erweitern. Es erschienen am 23. Januar zum ersten Mal der "Werrabote" und am 23. März 1946 die "Hersfelder Rundschau" in den Kreisen Hersfeld und Hünfeld. Die Teilung in eine Stadt- und eine Landausgabe fiel daraufhin fort. Diese Bezirksausgaben, die zuerst noch Beilagen der "Hessischen Nachrichten" waren, wurden im Laufe der Zeit ausgebaut und erschwerten natürlich nach Beendigung der Lizenzpflicht 1949 den Altverlegern die erneute Herausgabe ihrer Heimatblätter (oder, wie im Fall Eschwege, das Wachstum einer weiteren Lizenzzeitung. Dort erschien 1948 die "Werra-Rundschau", deren Herausgeber Hans Albert Kluthe sich mit den Kasseler Blättern harte Kämpfe lieferte.481)) Zunächst jedoch wurde das Erscheinen z.B. der "Hersfelder Rundschau" von den örtlichen Behörden begrüßt. So schrieb der Bürgermeister von Hersfeld am 23. März in der ersten Ausgabe der Zeitung: "Die Stadtverwaltung weiß den 'Hessischen Nachrichten' Dank dafür, daß sie sich dazu verstanden haben, eine Sonderbeilage 'Hersfelder Rundschau' - 149 - herauszubringen, zumal die Pläne einer eigenen Zeitung in Hersfeld noch nicht verwirklicht werden konnten. Die Sonderbeilage setzt in glücklicher Weise ein ausgesprochen demokratisches Anliegen in die Tat um: sie schafft die Möglichkeit eines engen Kontakts zwischen Behörde und Einwohnerschaft; sie schafft die Möglichkeit einer fruchtbaren öffentlichen Aussprache über die vielen, uns bedrängenden Probleme und sie gibt schließlich die Möglichkeit, erzieherischen Einfluß im Sinne des neuen, auf freiheitlicher Grundlage aufbauenden Staates zu nehmen ..."482) August Martin Euler, Landrat, schrieb, es werde darauf ankommen, "daß die Absichten der Behörden von der Bevölkerung richtig verstanden werden, und daß diese Absichten von einem breiten Strom der Aufgeschlossenheit und Initiativfreudigkeit getragen werden. Hierbei mitzuwirken, wird in hervorragendem Maße Aufgabe der 'Hersfelder Rundschau' sein. ..."483) Begünstigt wurde diese Ausweitung des Verbreitungsgebietes der "Hessischen Nachrichten" durch eine schriftliche Mitteilung der ICD Wiesbaden vom 2. Februar 1946. Allan J. Aronson, Chef der Press Section, teilte den Lizenzträgern in Kassel mit: "Wir erteilen Ihnen hiermit die Genehmigung, die Auflageziffer der 'Hessischen Nachrichten' um 90.000 ... zu erhöhen, aufgrund des Bevölkerungszuwachses für das Gebiet von Kurhessen."484) Am 7. Mai, fünf Wochen, nachdem die Zeitung zu dreimaligem Erscheinen pro Woche übergegangen war, mussten die "Hessischen Nachrichten" ihre Leser allerdings davon in Kenntnis setzen, dass die Auflage infolge Papiermangels herabgesetzt werden müsse: "Der Freiverkauf ist vielfach unmöglich geworden, da wir nicht einmal alle Dauerbezieher beliefern können. Es bleibt angesichts des Papiermangels nichts anderes übrig, als daß künftig die Zeitung von mehreren Familien gelesen wird ... "485) 5.2.1 April 1946: August Heinrich Berning wechselt zur "Frankfurter Neuen Presse" In der Zwischenzeit war einer der Lizenzträger aus dem Herausgebergremium ausgeschieden. August Heinrich Berning, dessen Name am 11. April 1946 noch im Impressum genannt wurde, ging ein paar Tage später nach Frankfurt, um, zusammen mit Dr. Hugo Stenzel, Lizenzträger der neu gegründeten "Frankfurter Neuen Presse" zu werden.486) Berning verließ die Zeitung, da die "Verhältnisse in Kassel für mich wenig günstig waren."487) Er empfand den politischen Trend der "Hessischen Nachrichten" als zu links, zumal ihm das Gerücht zugetragen worden war, einer der SPD-Lizenzträger sei eigentlich ein - 150 - Kommunist.488) Die ICD verzichtete darauf, für Berning einen Ersatz bei den "Hessischen Nachrichten" zu finden. Als Redakteur wurde allerdings der Bruder des Lizenzträgers Gustav Römer, Rudolf Römer, eingestellt. In den darauf folgenden Monaten erweiterten die "Hessischen Nachrichten" die Zahl ihrer Bezirksausgaben. Am 7. Juni 1946 änderte sich der Titel der "Hersfelder Rundschau". Dieses Blatt wurde jetzt "Fuldabote" genannt und in den Kreisen Hersfeld, Rotenburg und Melsungen verbreitet. Die Chefredaktion hatte Will Seringhaus in Hersfeld. Außerdem erschien neu das "Schwälmer Echo" in den Landkreisen Ziegenhain und Fritzlar-Homberg, geleitet von Kurt Rickmann in Treysa. Zudem gab es eine Bezirksausgabe der "Hessischen Nachrichten" für die Kreise Hofgeismar/Wolfhagen, den "Nordhessischen Spiegel". Diese Ausgabe, vorerst nur eine Seite umfassend, übernahm die Aufgaben der früheren Kreisblätter und berichtete im Wesentlichen über lokale Ereignisse. Sie setzte damit die Tradition der Altverleger-Heimatzeitungen fort. Obwohl die "Hessischen Nachrichten" mittels ihrer Bezirksausgaben einen Großteil Nordhessens abdeckten, war an eine Erhöhung der Seitenzahlen und eine ausführlichere Berichterstattung nicht zu denken, denn bereits am 29.Juni 1946 musste das Blatt eine erneute Papierkürzung bekannt geben. Die bisherige Auflage wurde um 40 Prozent reduziert und die Lizenzträger hatten Mühe, dies denjenigen Lesern verständlich zu machen, die nicht mehr beliefert werden konnten.489) 5.2.2 August 1946: Fritz Schmidt wird die Lizenz entzogen Wenige Wochen nach Heinrich Berning schied der zweite Lizenzträger bei den "Hessischen Nachrichten" aus. Fritz Schmidt, Vertreter der KPD, wurde in Kassel von einem Gremium der Abteilung für Informationskontrolle mitgeteilt, man wünsche nicht, dass die Zeitung in seinem Sinne weitergeführt werde. Schmidt schied am 5. August aus und erhielt noch ein halbes Jahr lang sein Lizenzträgergehalt in Höhe von 1.000 RM.490) Offenbar hatte es vor dieser Entscheidung Differenzen der Herausgeber untereinander gegeben. So erinnert sich Schmidt an politische Meinungsverschiedenheiten mit Wolfgang Bartels, speziell über einen Ulbricht-Artikel.491) Dieser Artikel, der gedruckt wurde, obwohl die übrigen Lizenzträger ihn abgelehnt hatten, dürfte der Anlass für die ICD gewesen sein, Schmidt die Lizenz zu entziehen. - 151 - Möglich ist auch, dass man, ähnlich wie bei der "Frankfurter Rundschau", den kommunistischen Vertreter einer Zeitung entließ, nachdem bereits zuvor ein Lizenziat, der dem konservativen Lager zuzurechnen war, ausgeschieden war, um so die politische Ausgewogenheit innerhalb des Herausgebergremiums wieder herzustellen. Es verblieben: Gustav Römer, LDP-nahe-stehend, Wolfgang Bartels, SPD-Mitglied, und Dr. Wolfgang Pöschl, CDU-nah. Aus diesem, auf drei Personen reduzierten Lizenzträgergremium schied sogar Wolfgang Bartels noch für kurze Zeit aus. Seine Lizenz wurde zwischen dem 13. und dem 27. September suspendiert, bis er von dem Vorwurf, seinen Fragebogen gefälscht zu haben, freigesprochen worden war. Das Impressum wies seinen Namen wieder aus, als die "Hessischen Nachrichten" ihr einjähriges Bestehen feierten. Zu diesem Zeitpunkt wurden die "Hessischen Nachrichten" schon einen Monat lang viermal in der Woche verkauft. Sie erschienen am Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag jeweils mit zwei bis vier Seiten Umfang. Anlässlich des Jubiläums schrieb Dr. Wolfgang Pöschl am 27. September anstelle des Leitartikels auf der zweiten Seite u.a.: "Als am 26. September 1945 fünf Lizenzträger die erste Nummer herausbrachten, ahnten sie noch nicht, daß das Schicksal zwei von ihnen andere Wege führen würde. Die drei Übriggebliebenen haben sich fest vorgenommen, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen: überparteilich auch dann, wenn der einzelne anderer Meinung ist, nüchtern in der Kommentierung, leidenschaftlich in der Verteidigung demokratischer Prinzipien. Ihr Ziel ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit."492) Pöschl meinte weiter, dass die Herausgeber bemüht seien, auch Vertreter aller zugelassenen Parteien zu Wort kommen zu lassen, entweder in Leitartikeln oder in einer besonderen, den Parteien vorbehaltenen Beilage.493) "Aber auch diejenigen, die ihrerseits an den Parteien Kritik üben, kommen bei uns zu Wort. Einer der Grundpfeiler der Demokratie ist offene, sachliche Kritik", schrieb der Lizenzträger.494) Das Ziel der "Hessischen Nachrichten" sei "gegen Faschismus und Militarismus in jeder Form, für die Demokratie und Freiheit des einzelnen, Erziehung zur Selbstkritik und Verantwortung. Wir wollen dem Leser nicht unsere Meinung aufzwingen, wir wollen ihn unterrichten und ihm durch unsere Kommentare eine Möglichkeit geben, sich ein eigenes Urteil zu bilden."495) So äußerte sich auch Wolfgang Bartels: "... Das Erwecken der politischen Denkfähigkeit und damit der staatsbürgerlichen Verantwortung war die Richtschnur für unsere Zeitungsarbeit. Unter Verzicht auf billige Sensationshascherei und seichte Unterhaltung wurden die 'Hessischen Nachrichten' betont politisch redigiert, ohne parteipolitisch zu sein. Wo sich im Laufe der Zeit Einseitigkeiten ergaben, wurden sie schnell korrigiert. Dieser demokratische Kurs, auch in Zukunft beibehalten, wird das Niveau unserer Zeitung bestimmen."496) Bereits am 30. Juli des Jahres - 152 - hatte Bartels, anlässlich des einjährigen Bestehens der "Frankfurter Rundschau", in den "Hessischen Nachrichten" geschrieben: "Die wertvollen Erfahrungen, die die Zeitungsmänner der Nachkriegszeit bei ihrem Aufbau des neuen deutschen Pressewesens gesammelt haben, verpflichten erst recht zum Dienst an der Allgemeinheit. Darum erscheint es uns selbstverständlich, bürokratische Maßnahmen, die wir als Rudimente einer überwundenen Diktatur- und Untertanenperiode bewerten, nachdrücklich zurückzuweisen. Die freie Presse steht in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu den heimischen Behörden, sondern ist wie diese ein gleichberechtigtes Organ des öffentlichen Lebens. ... Die Verpflichtung dem Volk gegenüber zwingt die demokratische Zeitung nicht nur zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung über alle wirklichen Vorgänge, sondern auch zur schonungslosen Kritik erwiesener Mißstände und sträflicher Unterlassungen. ... Behörden eines demokratischen Staates sollten so beschaffen sein, daß sie sich zu jeder Zeit zur Beurteilung durch das Volk stellen können. ... Ebenso müssen sich die Verantwortlichen und Mitwirkenden öffentlicher Veranstaltungen an Kritik gewöhnen. Die Zeiten der schablonenhaften, höheren Ortes erwünschten oder befohlenen Lobhudelei sind endgültig vorbei."497) So wie hier waren auch in den Folgejahren die Reaktionen der Lizenzträger auf die mangelnde Informationstätigkeit der Behörden. Aussprachen zwischen Vertretern öffentlicher Stellen und Journalisten - die erste fand am 7. November 1946 im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel statt498) - halfen allerdings, Probleme zu lösen. Zu diesem einjährigen Jubiläum kamen die Glückwünsche von Oberstleutnant Swarm, dem neuen Direktor der Militärregierung Kassel. Arthur Skarry hatte die Stadt bereits zum 1. Juli des Jahres verlassen, um Leiter der Militärregierung Darmstadt zu werden.499) Die "Hessischen Nachrichten" waren zu diesem Zeitpunkt bereits zu einer viel beachteten, großen Zeitung in Hessen geworden - auch aufgrund des umfangreichen Verbreitungsgebietes. "Radio Frankfurt" brachte schon am 13. August eine Reportage über den Kasseler Zeitungsbetrieb.500) Am 27. September veranstalteten die "Hessischen Nachrichten" in der Anzeigen-Beilage auch eine Leser-Umfrage. Man wollte erfahren, welche Verteilung der einzelnen Ressorts in der Zeitung von den Lesern gewünscht werde. Bisher beanspruchte die Politik, einschließlich der "Freien Aussprache" (der Rubrik für Leserzuschriften), 43 Prozent. Der Lokalteil und die Provinznachrichten umfassten 25 Prozent; Kultur, Feuilleton und Unterhaltung nahmen 13 Prozent ein; für den Sport blieben 6 Prozent des Umfangs, für die Gewerkschaften 2 Prozent sowie 4 Prozent für die Beilagen (Themen: Frau, Jugend, Recht, Kirche).501) Schließlich gab es noch eine Neuerung: Der - 153 - Leser konnte sich entscheiden zwischen einer Regionalausgabe und der so genannten Zonenausgabe, die hauptsächlich Wirtschafts- und Kulturnachrichten enthalten sollte. Die Zonenausgabe erschien am Dienstag und Samstag, das zweiseitige Blatt mittwochs und freitags.502) (Wobei letzteres keine Annoncen enthielt, die Ausgaben vom Dienstag und Samstag dafür mit jeweils einer Dreiviertelseite an Inseraten erschienen.) Zwei Monate später, am 22. November 1946, wurde den Herausgebern der "Hessischen Nachrichten" von Anthony F. Kleitz, dem Chef der ICD Wiesbaden, schriftlich mitgeteilt: "Sie werden gelobt für Ihren Unternehmungsgeist in politischen Angelegenheiten und für die sorgfältige Platzzuweisung an alle Parteien, damit diese ihre Politik behaupten können."503) 5.3 November 1946: Lizenz für das Konkurrenzblatt "Kasseler Zeitung" Die "Hessischen Nachrichten", die innerhalb eines Jahres zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Lebens in Nordhessen geworden waren, blieben auch dann noch dominierend, als am 29. November 1946 die "Kasseler Zeitung" als zweite Lizenzzeitung in der Stadt erschien.504) Da diese montags, mittwochs und freitags herauskam, änderten die "Hessischen Nachrichten" ihre Erscheinungsweise auf Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Samstag jeder Woche.505) Auch die Vertreter der zweiten Zeitung nahmen an den Pressekonferenzen mit Behördenvertretern und Personen des öffentlichen Lebens teil. Unter Vorsitz von Wolfgang Pöschl fand am 14. Dezember eine Aussprache statt, bei der man über den kulturellen Aufbau der Stadt diskutierte. Diese Zusammenkünfte wurden auch im darauf folgenden Jahr fortgesetzt.506) Vorerst jedoch äußerten sich die "Hessischen Nachrichten" über die Zusammenarbeit zwischen Presse und Ämtern noch unbefriedigt, als sie z.B. zum Jahresende schrieben: "Die Zusammenarbeit mit einigen Behörden und Dienststellen erfuhr eine Trübung, als wir behördliche Maßnahmen zu kritisieren begannen, auf Mißstände aufmerksam machten, bestimmte Vorkommnisse hinter den Kulissen erleuchteten. ... Von unserem Recht zur Kritik werden wir, sofern Veranlassung besteht, nach wie vor Gebrauch machen. Wir sind nicht geneigt, uns eine Meinung oktroyieren zu lassen!"507) Über die Art und Weise der Kritikäußerung waren sich die Lizenzträger in Hessen jedoch nicht immer einig. So hatte der Mitherausgeber des lizenzierten "Wiesbadener Kurier", Fritz Otto Ulm, über Missstände beim Hessischen Landwirtschaftsamt berichtet und fühlte sich von den "Hessischen Nachrichten" aufgrund seiner Darstellung der Fälle angegriffen. Sein Brief an - 154 - die Kasseler Herausgeber wurde in den "Hessischen Nachrichten" am 3. Dezember 1946 abgedruckt. Ulm hatte u.a. geschrieben: "Der 'Wiesbadener Kurier', der in dieser Zeitung in die Nachbarschaft von Revolverjournalisten und schmähsüchtigen Lästerern gestellt wurde, hat über bestimmte Vorgänge - vielleicht zuweilen nicht ganz glücklich - berichtet. Aber wenn man den Regierenden bei ungeschickten Maßnahmen ihren Mangel an Erfahrung zugute rechnet, so darf eine junge deutsche Zeitung den gleichen mildernden Umstand für sich beanspruchen."508) Die "Hessischen Nachrichten" hatten dem "Wiesbadener Kurier" geantwortet, ihr Wunsch sei es, "objektiv und wahrheitsgetreu und nicht tendenziös und sensationsbedürftig zu sein. Darum sind wir in jedem Falle eines Angriffes auf eine amtliche Stelle oder Person immer davon ausgegangen, diese von den Anschuldigungen in Kenntnis zu setzen, um ihnen Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen."509) Wolfgang Bartels vertrat diese Ansicht noch einmal am 5. März 1947. Auf der vierten Pressekonferenz, zu der die "Hessischen Nachrichten" eingeladen hatten, sagte er: "Die Zeitung braucht sich nicht durch Skandale einzuführen. Die Presse will als unentbehrliches Instrument für eine demokratische Willensbildung mithelfen am gemeinsamen Aufbauwerk."510) Beinahe immer konnten die neuen Zeitungen dabei mit der Unterstützung der amerikanischen Militärregierung rechnen. Auf einer Versammlung der hessischen Lizenzträger in Darmstadt Mitte März 1947 sagte der Chef der Nachrichtenkontrolle für Hessen, Oberst Bernhard McMahon: "Die Lizenzpresse in der US-Zone darf sich weder der Beeinflussung der Partei, noch der Regierung unterwerfen. Sie werden bei mir jede Unterstützung finden, wenn Sie gegen Unfähigkeit und Ungerechtigkeit ankämpfen."511) 5.4 Parteien und Presse im Spiegel der "Hessischen Nachrichten" Umgekehrt waren natürlich die Angegriffenen nicht gut auf die Lizenzpresse zu sprechen. Eine Befragung von einigen Landtagsabgeordneten, die die Nachrichtenagentur DENA am 28. April 1947 durchgeführt hatte, macht das deutlich. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Freidhof, bezichtigte die lizenzierte Presse einer einseitigen Haltung. Sie nähme, so Freidhof, alles mit Freuden auf, was gegen Demokratie und Regierung spräche, während die positiven Taten im Wesentlichen unterdrückt würden. Dr. Köhler, Fraktionsvorsitzender der CDU, sagte: "Die heutige Presse widmet dem Parlament einen völlig ungenügenden Raum in der Berichterstattung."512) Sie bringe durch mangelhafte Erwähnung der Regierungsparteien diesen nicht die notwendige Achtung entgegen. Dagegen gebe sie gern den "unerhörten - 155 - Ausführungen des kommunistischen Fraktionsführers Bauer breiten Raum."513) Emil Carlebach, Abgeordneter der KPD und zu dem Zeitpunkt noch Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau", meinte dagegen, aus dem Benehmen der Parteien spreche nur die Nervosität der Regierungsparteien. Verschiedene Abgeordnete seien sich über die demokratischen Freiheiten offenbar nicht im Klaren.514) Der Fraktionsvorsitzende der LDP, August Martin Euler, war der Ansicht, dass gerade die Regierungsparteien keinen Anlass hätten, über mangelnde Unparteilichkeit der Presse zu klagen, da sie ja über "die Masse der Lizenzträger"515) verfügten. Vielmehr hätte die LDP, deren Erklärungen häufig verschwiegen würden, berechtigten Grund, sich zu beschweren. Lediglich Ministerpräsident Christian Stock, SPD, zeigte sich zufrieden mit den neuen Zeitungen. Seiner Meinung nach hielten sie den Grundsatz der Überparteilichkeit ein.516) Die vermehrt vorgebrachten Anschuldigungen gegen die Presse veranlassten die Zeitungsverleger am 6. Mai zu der folgenden Erklärung: "Die Lizenzträger der hessischen Zeitungen sehen in der Pressefreiheit eines der entscheidensten demokratischen Rechte und halten deren Sicherung für eine der wesentlichsten Voraussetzungen zur Schaffung eines guten Verhältnisses zwischen Regierung und Presse. Im übrigen erachten wir es als selbstverständlich, daß jede Anschuldigung durch konkrete Beweise belegt wird, eine Voraussetzung, die für die im Landtag gegen die Presse erhobenen Vorwürfe in keiner Weise zutrifft."517) Am darauf folgenden Tag erklärten die Lizenzträger der beiden Kasseler Zeitungen schriftlich: "Die Stadtverordneten der Kasseler Stadtverordnetenversammlung haben es am 5. Mai für nötig erachtet, einen großen Teil der Verhandlungen ihrem Verhältnis zu der Lizenzpresse zu widmen, und haben hierbei eine Reihe nicht beweisbarer Behauptungen und Beschuldigungen erhoben. Wir nehmen Abstand davon, sie im einzelnen zu widerlegen, da sie zum Teil auf einem Niveau erfolgt sind, auf das herabzusteigen unsere Berufswürde und das Ansehen der jungen Demokratie verbietet. Entschiedene Verwahrung jedoch müssen wir gegen die Unterstellung einlegen, als seien die Lizenzträger Befehlsempfänger irgendwelcher amerikanischen Dienststellen. Gerade die amerikanischen Behörden sind an der ungehemmten Entwicklung einer unabhängigen, die Wahrheit suchenden Presse interessiert und lehnen es ab, sie irgendwie zu reglementieren. Beide Kasseler Zeitungen bemühen sich, die Interessen der Gesamtbevölkerung zu vertreten und deren Meinung getreulich zum Ausdruck zu bringen. Die Unparteilichkeit und Objektivität ist beiden Zeitungen erst kürzlich durch den Chef der Nachrichtenkontrolle für Hessen, Oberst McMahon, bestätigt worden. Damit entfallen die Hauptvorwürfe der Kasseler Stadtverordnetenversammlung. Die 'Hessischen Nachrichten' und die 'Kasseler Zeitung' werden fortfahren, ihre Leser objektiv und wahrheitsgemäß zu unterrichten, ohne dazu die Genehmigung der Kasseler Stadtverordneten einzuholen."518) - 156 - Als Oberst James R. Newman, Direktor der Militärregierung, die hessischen Zeitungslizenzträger zwei Tage später in Wiesbaden zu einem Gespräch über aktuelle Zeitungsfragen empfing, konnte er diese Ansicht nur bekräftigen. Newman sagte: "Die Regierung und deren Beamte, die rechtsmäßig durch die Stimme des Volkes gewählt wurden, verdienen Unterstützung. Das heißt jedoch nicht, daß die Zeitungen alles, was diese Organe tun, blind gutheißen sollen. Erfolgt Kritik an der Regierung und ihren Angelegenheiten, so muß diese Kritik konstruktiv sein und darf nicht auf kleinlichen Differenzen im rein politischen Sinne beruhen. Bauen Sie jede Kritik auf beweisbaren Tatsachen auf. Geben Sie sie ehrlich wieder, ohne Färbung und Schattierung. ... Lob, wo Lob angebracht ist, jedoch Bloßstellung jeder Unehrlichkeit, Untüchtigkeit und schlechter Verwaltung. Bauen Sie Ihre Leitartikel auf begründeten Tatsachen auf, damit bauen Sie die Demokratie auf und zerstören sie nicht."519) Vorläufig fehlte den Lizenzzeitungen allerdings die ausreichende Menge Druckpapier zur Darstellung auch der Probleme und Missstände. Als zum 1. Juni 1947 die Zuteilung von Rotationspapier noch einmal um 50 Prozent gekürzt wurde und den Lesern der "Hessischen Nachrichten" damit wöchentlich nur noch sechs Zeitungsseiten zur Verfügung standen, beklagte sich Wolfgang Bartels in einem Leitartikel: "... was nützt eine noch so große Pressefreiheit, was nützen noch so gut gemeinte politische Erziehungsvorhaben, wenn kein Papier zur Verfügung gestellt wird!"520) Die Papierknappheit dauerte bis zum 1. Juli des gleichen Jahres. Danach konnten die "Hessischen Nachrichten" wieder vom halben Format auf normale Zeitungszeiten umstellen. Anfang August wurde auch eine, durch den Papiermangel unterbrochene Tradition wieder eingeführt: Auf der dritten Seite der Zeitung erhielten die vier in Hessen zugelassenen Parteien erneut die Gelegenheit, ihre Auffassungen darzulegen.521) Den Lesern ihrerseits war bereits zuvor die Möglichkeit gegeben worden, sich zu den "Hessischen Nachrichten" zu äußern. Die Zeitung hatte in einer Rundfrage wissen wollen: "Wie wünschen Sie die 'Hessischen Nachrichten'? 1. Parteigebunden oder überparteilich? 2. Sind Sie mit der Objektivität der Nachrichten zufrieden? Wenn nicht, worin besteht Ihre Kritik? 3. Welcher Teil der Zeitung müßte Ihrer Meinung nach ausführlicher gestaltet werden?"522) - 157 - 5.5 Zwei Jahre "Hessische Nachrichten" Als die "Hessischen Nachrichten" am 26. September 1947 zwei Jahre bestanden und dies Ereignis wiederum in einer Feierstunde begangen wurde, versicherte Raymond A. Stover, der Chef der Presseabteilung der ICD in Wiesbaden, den Anwesenden: "Wir in der Militärregierung, besonders in der Nachrichtenkontrolle, fühlen, daß wir jeden Grund haben, auf die 'Hessischen Nachrichten' stolz zu sein. ... Ihre Zeitung ist ein Beispiel für eine freie und demokratische Zeitung und Sie haben ein volles Anrecht darauf, stolz zu sein, und viele andere Zeitungen in Deutschland können auf Sie als ein Vorbild und Beispiel blicken."523) George Aldor, Presseoffizier in Kassel, ermunterte die Lizenzträger, mit Mut und Prinzipientreue ihren bisher beschrittenen Weg fortzusetzen.524) Chefredakteur Bartels wies noch einmal darauf hin, dass die "Hessischen Nachrichten" vor allem unabhängig seien. Die Zeitung werde fortfahren, der Wahrheit die Ehre zu geben, "auch wenn sie für den einen oder anderen schmerzhaft sein sollte. Kritikentwöhnte Persönlichkeiten oder Stellen sollten der Tatsache eingedenk sein, daß die heutige Zeitung die Zufluchtsstätte vieler Bedrängter, Verzweifelter darstellt, die in ihrer Not einen besonders kritischen Maßstab an die Tätigkeit und Sauberkeit aller im öffentlichen Leben stehenden Personen und aller Einrichtungen anlegen."525) Die gleiche Ansicht äußerte auch der Herausgeber des "Waldecker Kurier" in Korbach, Ludwig Steinkohl, als er am 18. Oktober in den "Hessischen Nachrichten" mit einem Artikel über das Verhältnis von Presse und Parlament zu Wort kam.526) Generell war die Solidarität der Lizenzträger in der ganzen amerikanischen Zone in dieser Beziehung sehr gut. Auch die "Hessischen Nachrichten" informierten ihre Leser über Konflikte, die andere Zeitungen mit öffentlichen Stellen auszutragen hatten.527) So kommentierte Herausgeber Pöschl am 9. November 1947 unter der Überschrift "Ein bedeutsamer Freispruch": "Ein Journalist, der den ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten kritisierte und von diesem wegen 'übler Nachrede' verklagt wurde, ist freigesprochen worden. Damit hat sich die Gerichtsbehörde auf den Standpunkt der Presse gestellt, die es nach dem Urteil nicht nur für ihr Recht, sondern für ihre Pflicht halten muß, 'Mißstände zu unterbreiten'. ... Diese Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung. ... Sie bestätigt uns in unserem Vorhaben, den Kampf gegen Korruption und Unfähigkeit mit aller Entschiedenheit fortzusetzen. ... Die kritisierten Beamten, Minister, Landräte usw. müssen endlich einsehen, daß sie als Amtspersonen der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig sind."528) - 158 - Und noch einmal - Ende 1947 - nutzte man eine Gelegenheit, um der Forderung nach einer "starken unabhängigen Presse" Nachdruck zu verleihen. Unter dieser Überschrift publizierten die "Hessischen Nachrichten" einen Brief des scheidenden Direktors der amerikanischen Militärregierung für Bayern, General Walter J. Muller, an den bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hans Ehard (CSU), in dem es hieß: "... Es gibt Gründe, sich schwerwiegende Sorgen über den allgemeinen Mangel an Verständnis in Deutschland für die Notwendigkeit einer unabhängigen Presse zu machen. In einem demokratischen System ist die Regierung in jeder Beziehung und zu jeder Zeit dem Volke für ihre Tätigkeit verantwortlich."529) 5.6 1948: Die "Hessischen Nachrichten" auf dem Weg zur Tageszeitung Auch 1948 - die "Hessischen Nachrichten" erschienen nun dienstags, donnerstags und samstags jeweils mit zwei bzw. vier Seiten Umfang sowie je einer Drittelseite Anzeigen - endeten die Differenzen zwischen Lizenzpresse und Behörden nicht. Am 8. Juni 1948 beklagten sich die "Hessischen Nachrichten" darüber, dass der Leiter des Kreises Hofgeismar das Amtsblatt desselben Kreises dazu benutzte, um mitzuteilen, "daß der Vertreter der 'Hessischen Nachrichten' aus der letzten Bürgermeistersitzung des Kreises 'wegen böswilliger Herabsetzung der unteren Verwaltungsbehörden und anderer Falschmeldungen über Amtspersonen ausgewiesen' worden sei. ... Es ist immerhin ungewöhnlich, daß ein Landrat ein Amtsblatt zur Polemik mit einer Tageszeitung gebraucht. Wenn Landrat Höher sich rechtfertigen wollte, so hätten ihm ... auch die Spalten der 'Hessischen Nachrichten' offen gestanden. Er hat dies unterlassen und stattdessen eine undemokratische Methode vorgezogen, indem er zwei Pressevertreter von einer Tagung ausschloß."530) Hinzu kamen 1948 in vermehrtem Maß Berichte und Artikelserien, die den amerikanischen Informationsfeldzug zur Bekämpfung sowjetischer Propaganda in Deutschland unterstützen sollten. Diese "Operation Talk Back", von General Lucius D. Clay Ende Oktober 1947 angekündigt, fand in den Medien zunehmend ihren Niederschlag, als der immer größer werdende Konflikt zwischen den ehemaligen Alliierten im Laufe des Jahres 1948 unübersehbar wurde. Der Auszug der Sowjets aus dem Kontrollrat am 20. März desselben Jahres und die Verhängung der Blockade am 24. Juni über Berlin waren deutlich erkennbare Anzeichen ost-westlicher Spannungen.531) - 159 - Auch die "Hessischen Nachrichten" brachten eine Artikelserie, überschrieben "Die Wahrheit über Rußland"532) und beteiligten sich vor allem an der Debatte über die Zukunft Berlins: "Wer Berlin hat, der hat Deutschland" lautete ein Leitartikel.533) "Wer Berlin aufgibt, gibt Deutschland auf", warnte die Zeitung nach dem Beginn der Blockade534) und rief am 10. Juli ihre Leser zu Geldspenden für die Stadt auf. Die Lizenzträger überreichten den Betrag Mitte September in Berlin. Schon Anfang August war ihnen für diese Initiative von der Verlagsleitung der lizenzierten Berliner Zeitung "Der Abend" gedankt worden.535) Es wirkte sich dabei günstig auf eine ausführlichere Berichterstattung und Kommentierung aus, dass die Lizenzzeitung vom 1. August an viermal in der Woche erscheinen konnte536) und seit dem 1. September 1948 sogar sechsmal wöchentlich. Der Bezugspreis erhöhte sich dadurch um 35 Pfennige auf 2.95 DM. Wolfgang Bartels schrieb aus diesem Anlass: "Bei der verwirrenden Fülle von Nachrichten und Informationen über Geschehnisse der verschiedensten Art in aller Welt, angesichts der gespannten internationalen politischen Lage besteht ein bis heute unbefriedigtes Interesse weitester Bevölkerungsschichten nach schneller und zuverlässiger Unterrichtung. Dementsprechend haben wir unseren aktuellen Nachrichtendienst immer mehr ausgebaut. ... Neben der objektiven Nachrichtenwiedergabe bleiben wir bestrebt, ständig die Meinung der Leser zu erforschen und sie lebendigen Anteil an den Tagesereignissen und Zeitproblemen aller Art nehmen zu lassen. ... Niemals haben wir darauf verzichtet, unsere eigene politische Meinung zu sagen, denn wir sind bei aller Unabhängigkeit und Überparteilichkeit eine bewußt politische Tageszeitung. Wenn in unseren Kommentarspalten die widersprechendsten Meinungen ihren Niederschlag finden, so aus der wohlerwogenen Absicht der Verleger heraus, unsere Leser für den Gedanken der Toleranz zu gewinnen."537) Die "Hessischen Nachrichten" beabsichtigten, bei sechstägigem Erscheinen pro Woche eine Tageszeitung zu werden, "die überparteilich, aber nicht gleichgültig ist, unterrichtend und unterhaltend, objektiv und kämpferisch zugleich."538) Als neue Rubrik kamen ab 1.September auf der zweiten Seite der Zeitung die "Pressestimmen zum Zeitgeschehen" hinzu; die Berichterstattung, aufgelockert durch Fotos, wurde erweitert. Besonders der Lokalteil, das Feuilleton und der Sport - Ressorts, denen während der Papierkrise weniger Ausführlichkeit zukam als den politischen Meldungen auf den ersten beiden Seiten - wurden umfangreicher. Die Nachrichtendienste belieferten die 'Hessischen Nachrichten" zu diesem Zeitpunkt pro Woche mit etwa 373.000 Wörtern, wobei 200.000 von der DENA kamen, 84.000 von der Associated Press (AP) und weitere 84.000 von der Presseagentur United Press (UP). 70.000 Wörter stammten aus Korrespondentenbüros, und 35.000 wurden telefonisch von den - 160 - "Hessischen Nachrichten" aufgenommen.539) Die Auflage betrug jetzt 130.000 Exemplare540); die Gesamtauflage zwischen 1945 und 1948 belief sich auf 86.157.332. Die "Hessischen Nachrichten" erschienen in dem gleichen Zeitraum 483mal, zuletzt in acht verschiedenen Ausgaben: der Kasseler Ausgabe, dem "Werraboten", dem "Fuldaboten" sowie dem "Ederboten", außerdem als "Nordhessischer Spiegel", "Schwälmer Echo", "Heimatecho" und als Zonenausgabe.541) Redakteure des Hauses waren: Dr. Hildegard Bergfeld, Dr. Gerda Dietz, Dr. Gerda Jordan, Hans Otto, Ernst Paulssen, Herta Pehnt, Rudolf Römer und Günter L. Wedemann. Die "Hessischen Nachrichten" stellten mit einer Redaktion, die zu 50 Prozent mit weiblichen Mitarbeitern besetzt war, in Hessen eine Ausnahme dar. Drei Jahre nach ihrer Gründung war die Zeitung zwar in Umfang, Auflagenhöhe und regelmäßiger Erscheinungsweise äußerlich zu einer großen Tageszeitung herangewachsen; inhaltlich traf das nicht in allen Fällen zu; so musste sogar Lizenzträger Bartels am 25. September 1948 einräumen: "... Noch ist die Presse unserer Tage nicht vollkommen, noch ringt sie um Form und Stil ..."542) und auch den Parteien war sie immer noch ein Dorn im Auge. Der Vertreter der KPD kritisierte, insbesondere die "Hessischen Nachrichten" hätten sich zu einer Sensationspresse entwickelt, "die den Boden der Sachlichkeit verlassen habe".543) CDU und LDP-Mitglieder zweifelten die Überparteilichkeit der Kasseler Lizenzzeitung an, nur der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei schien zufrieden; war doch Wolfgang Bartels, der führende Leitartikler der "Hessischen Nachrichten", ebenfalls SPD-Mitglied. Er stellte in seiner Entgegnung auf die Vorwürfe der anderen Parteien fest, "daß die Unzufriedenheit aller Parteien mit der Lizenzpresse" der Beweis dafür sei, dass diese auf dem richtigen Wege sei. Er wies darauf hin, dass man dem Standpunkt der KPD immer Rechnung getragen habe. Wenn sich aber die KPD mit undemokratischen Methoden identifiziere und eine freie Presse strangulieren wolle, dann müßten solche Methoden bekämpft werden.544) Zum Ende des Jahres 1948 gab es noch einmal einen Einbruch in der Papierversorgung. Die "Hessischen Nachrichten" erschienen zwar weiterhin täglich, reduzierten aber den Umfang erheblich. Aber, so schrieben die Herausgeber nicht ohne Stolz: "Die 'Hessischen Nach- richten' haben auch auf zwei Seiten den Nachweis erbringen können, daß sie in der schnellen und gründlichen Wiedergabe von Nachrichten aus dem kurhessischen Raum von niemandem eingeholt, geschweige denn übertroffen werden konnten. Mögen anderen Zeitungen in unserem Verbreitungsgebiet im Augenblick auch noch größere Papiervorräte zur Verfügung stehen, weil keine ihrer Auflagen noch nicht einmal an die Hälfte unserer Auflage herankommt, so beweisen dennoch selbst die zweiseitigen Ausgaben der - 161 - 'Hessischen Nachrichten', daß ihre Nachrichten, Informationen und Bildberichte aus Nord- hessen jedem Vergleich standhalten."545) 5.7 Das letzte Jahr der Lizenzpflicht Zu Beginn des Jahres 1949 konnten die "Hessischen Nachrichten" wieder täglich außer sonntags mit vier Seiten erscheinen, von denen eine Seite Anzeigen und Werbung vorbehalten war. Die Auflage betrug am 25. Januar 1949 130.677 Exemplare. Der Bezugspreis blieb mit 2.95 DM pro Monat unverändert. Auch im letzten Jahr der Lizenzpflicht gab es immer wieder Reibungspunkte zwischen Behörden und Presse. So war im Frühjahr 1949 der Fall Dietz546) Grund für den hessischen Ministerpräsidenten Christian Stock, der Presse vorzuhalten, in dieser Angelegenheit voreilig Stellung bezogen, ohne die Ergebnisse der Untersuchungen abgewartet zu haben. Wenn er die Presse in der amerikanischen Zone betrachte, so sagte er, "dann könne er sich des Gefühls nicht erwehren, daß eine ähnliche Taktik verfolgt werde wie in vergangenen Zeiten - möge es auch ungewollt sein. Er habe den Amerikanern gegenüber ganz offen erklärt: 'Die Arbeit auf dem Gebiet der Presse erweckt unseren Beifall nicht, ebenso wie auf dem Gebiet der Entnazifizierung. Sie haben uns Leute als Lizenzträger hingesetzt, die die Demokratie auf die Welt gebracht haben. Warum haben sie nicht unsere alten Demokraten gefragt?' Er vermisse die Ethik, den Ton und den Takt, die einen Teil der deutschen Presse vor 1933 ausgezeichnet hätten."547) Die hessischen Zeitungsverleger sahen sich daraufhin zu einer Erklärung veranlasst, die in den Lizenzzeitungen des Landes veröffentlicht wurde: "Der Verband hessischer Zeitungsverleger nahm mit Befremden Kenntnis von den gegen die Presse gerichteten Angriffen des hessischen Ministerpräsidenten Stock. ... Der Verband stellt fest, daß die von den hessischen Zeitungsverlegern in Erfüllung ihrer Informationspflicht zum Fall Dietz gebrachten Berichte und Kommentare durch die Ermittlungen der Dekartellisierungsabteilung der Militärregierung und des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ausnahmslos bestätigt worden sind. ... Angesichts dieser eindeutigen Situation muß der Verband hessischer Zeitungsverleger alle Versuche hessischer Regierungsmitglieder, die Presse mit der Androhung verschärfter Strafbestimmungen einzuschüchtern oder die Zeitungsherausgeber persönlich in den Augen der Öffentlichkeit herabzusetzen, als unsachlich und undemokratisch zurückweisen."548) - 162 - Auch in diesem Fall konnten die Lizenzträger mit der Unterstützung der amerikanischen Militärregierung rechnen, selbst dann, wenn sich Vertreter der Öffentlichkeit über den nicht immer gemäßigten Ton der Artikel beklagten. Die Abteilung für Informationskontrolle, deren sorgsam gehütetes "Kind" die Lizenzpresse war, fürchtete nichts so sehr, wie ein Wiedererstehen einer obrigkeitshörigen Presse. So verkündete Raymond Pagan, Angestellter der ICD in Wiesbaden, nichts Neues, als er am 18. Mai vor Vertretern der Behörden, der Justiz und der Wirtschaft in Kassel betonte, es sei die moralische Verpflichtung der Presse, Kritik an den Maßnahmen der Regierung zu üben. Durch eine aufbauende Kritik könne sie auch die Arbeit der Regierung fördern.549) In den vier Jahren, in denen die Presse in der amerikanischen Zone von der Information Control beobachtet, kritisiert und vor allem unterstützt worden war, hatten sich die neuen Zeitungen zu fest etablierten Betrieben entwickeln können. Die Amerikaner konnten deshalb mit gutem Grund darauf hoffen, dass diese Presse dem Konkurrenzkampf mit Altverlegerblättern nach Aufhebung der Lizenzpflicht gewachsen sein würde. Diese Generallizenz Nr. 3 trat für Hessen am 22. Juli 1949 in Kraft.550) 5.7.1 Oktober 1949: Die Altverlegerzeitung "Kasseler Post" erscheint wieder Mit zehn Seiten einschließlich 2,75 Seiten Anzeigen erschien daraufhin am Mittwoch, 26.Oktober 1949, die erste Probenummer der "Kasseler Post". Sie hatte ihr Erscheinen am 1. April 1943 auf Anweisung der Nationalsozialisten einstellen müssen. Wie ihr Verleger, Dr. Wilhelm Batz, dazu an seinen Kollegen Hans Albert Kluthe in Eschwege schrieb, wurde das Blatt "von 1933 ab von den Nationalsozialisten und ihrer Presse heftig bekämpft und verlor von 1933 bis 1939 fast die Hälfte ihrer Auflage. Sie hat sich aktiv gegen den Gesinnungsterror der damaligen Zeit zur Wehr gesetzt und bis zur Grenze des Möglichen auch redaktionell eine Haltung eingenommen, die sie stark von der Parteipresse abhob. Ihre Leserschaft gehörte zu den Volksschichten, die in Opposition zum Naziregime standen. Diese Haltung der 'Kasseler Post' ist auf den unmittelbaren Einfluß ihrer beiden Verleger zurückzuführen."551) Ähnlich lautete es in dem von Verlag und Chefredaktion unterzeichneten Artikel "Weg und Ziel der 'Kasseler Post'" auf der ersten Seite der ersten Ausgabe: "Als Heimkehrer auf angestammtem Boden und in wohlerworbenes Recht tritt die 'Kasseler Post' mit dieser ersten Ausgabe wieder an die Öffentlichkeit. Sechs Jahre lang war sie zum Schweigen verurteilt. ... Das Besatzungsregime der ersten Nachkriegsjahre verhinderte ihren - 163 - Neuaufbau in der Meinung, die 'Wiedererziehung' des deutschen Volkes nur auf dem Wege des Lizenzsystems erreichen zu können, das mit der Verkündung der Pressefreiheit nunmehr sein notwendiges Ende gefunden hat. Wir sind uns der Verantwortung bewußt, die uns die neuerworbene Freiheit auferlegt. In der Erkenntnis, daß die 'Kasseler Post' eine besondere Aufgabe zu erfüllen hat, werden wir täglich durch eine Flut von Zuschriften bestärkt. Die in der Bevölkerung augenscheinlich stark empfundene Lücke zu schließen, wird sich die 'Kasseler Post' nun nach besten Kräften bemühen. ... Mit offenem Herzen und allem Freimut wollen wir zu unserem Teil mithelfen, dem deutschen Menschen aus seiner äußeren und inneren Not den Weg ins Freie zu bahnen. Alle dogmatischen Verhärtungen und Verzerrungen unserer Tage werden uns zum Gegner haben. Wir folgen dabei der Überzeugung, daß unser Volk diese schwerste Epoche seiner Geschichte nur überstehen wird, wenn es gelingt, die wahrhaft bürgerlichen Tugenden der Vaterlandsliebe, des sozialen Verantwortungsbewußtseins und des christlichen Glaubens zu neuem Leben zu erwecken ..."552) Das Impressum wies als Herausgeber Dr. Wilhelm Batz und Dr. Werner Schneider aus, als Chefredakteur Herbert Schildener (ebenfalls verantwortlich für Innen- und Außenpolitik), Feuilleton: German M. Vonau, Kommunalpolitik, Stadtnachrichten und Heimatteil: Kurt Milte553), Sport: Dr. Karl Kraft und Wirtschaft: Gerhard Zumbach. Dr. Werner Schneider war - zusammen mit Wilhelm Batz - geschäftsführender Gesellschafter der Firma Schneider & Weber KG und damit Eigentümer der gesperrten Gebäude und Betriebsanlagen am Kasseler Wilhelmshöher Platz, die von den "Hessischen Nachrichten" genutzt wurden. Bereits im August 1945 begannen nach Darstellung von Dr. Wilhelm Batz die Bemühungen der Eigentümer, mit den Lizenzträgern der "Hessischen Nachrichten" zu einer vertraglichen Vereinbarung zu kommen. Sie schlugen den Abschluss eines langfristigen Lohndruckvertrages vor, der von den Lizenzträgern jedoch mit dem Hinweis abgelehnt wurde, die amerikanischen Dienststellen würden einen solchen Vertrag nicht genehmigen. "Sie schlugen demgegenüber", so Batz weiter, "den Abschluß eines Pachtvertrages vor, der für die Dauer von 15 Jahren für die Eigentümer unkündbar sein sollte, während die Lizenzträger ihn nach Ablauf von 5 Jahren kündigen konnten. Die übrigen Bestimmungen dieses Pachtvertragsvorschlages waren so, daß er in seiner praktischen Auswirkung eine stete Aushöhlung des Betriebes bedeutet hätte und damit einer langsamen Enteignung gleichkam. ... Die Eigentümer haben die Unterzeichnung eines solchen Vertrages wiederholt abgelehnt, obwohl sie mehrfach erheblich unter Druck gesetzt wurden mit der Androhung, daß ein solcher Vertrag bei Weigerung der Eigentümer, ihn zu unterschreiben, als Zwangsvertrag mit dem Treuhänder abgeschlossen werde. - 164 - Um doch noch zu einer Verständigung zu kommen, haben die Eigentümer bereits im Jahr 1946 erkennen lassen, daß sie sich auch mit einer Verpachtung der Zeitungsdruckerei befreunden könnten, wenn die Lizenzträger auf die Benutzung der Werk- und Akzidenzdruckerei verzichten würden, damit dieser Betriebsteil, der mit der Herstellung der Ze itung nichts zu tun hat, wieder in der Regie der Eigentümer geführt werden kann. ... Die 'Hessischen Nachrichten' haben inzwischen eine ganze Reihe eigener Betriebsanlagen zur Herstellung der Zeitung erworben, sodaß sie immer weniger auf die Benutzung unserer Anlagen angewiesen sind. Sie verfügen bereits über eine mittlere Maschinensetzerei (4 Setzmaschinen) ..., ferner über zahlreiche Handsatzschriften für die Zeitung. ... Angesichts dieser Sachlage müßte es unbillig und als weit über jedes Erfordernis der Zeitungssicherung hinausgehend angesehen werden, wenn die Lizenzträger verlangen oder nur erwarten würden, daß ihnen der Gesamtbetrieb mit allen Anlagen durch freiwilliges Übereinkommen oder durch Zwangspacht für die Dauer von 5 Jahren ausgeliefert wird. Das freiwillige Pachtabkommen, zu dem die Eigentümer bereit sind, kann sich nur auf die Anlagen erstrecken, die die Lizenzträger zur Zeitungsherstellung benötigen. ... Eine darüber hinausgehende Verpachtung der gesamten Betriebsanlagen im Wege der Zwangspacht würde zwar etwaigen Plänen der Lizenzträger auf Schaffung einer großen Akzidenz- und Werkdruckerei vielleicht dienlich sein, hätte aber mit Aufbau und Sicherung einer freien demokratischen Presse nichts mehr zu tun. Sie würde deshalb von den Eigentümern stets als ein bitteres Unrecht und als eine Vergewaltigung zu Gunsten rein privater Interessen empfunden werden müssen ..."554) Die Spannungen zwischen "Kasseler Post" und "Hessischen Nachrichten" legten sich bereits im Winter 1949, als die "Kasseler Post" das Richtfest des wiederaufgebauten Verlagsgebäudes der Altverlegerzeitung feierte und die "Hessischen Nachrichten" bald darauf - ebenfalls nach der Errichtung eines Neubaus - die bislang genutzten Räumlichkeiten der "Kasseler Post" verließen. 5.7.2 Die "Hessischen Nachrichten" werben um Leser Obwohl die "Hessischen Nachrichten" vom Herbst 1949 an zwei Konkurrenten auf dem Zeitungsmarkt hatten, blieben sie die auflagenstärkste Zeitung in Kassel und Umgebung. Ihre Gesamtauflage betrug am 21. Januar 1950 115.336 Exemplare. Davon wurden 33.434 Stück im Stadtgebiet von Kassel verkauft. Ungefähr ein Jahr zuvor hatte die Auflage 129.000 Zeitungsexemplare betragen.555) Trotzdem mussten auch die "Hessischen Nachrichten" den bisherigen Leserkreis halten und neue Abonnenten hinzugewinnen. Die Methoden waren dabei häufig recht ungewöhnlich. So informierte die Zeitung die Leser am 1. Oktober 1949: "Um unseren Lesern einen möglichst - 165 - billigen Theaterbesuch zu ermöglichen, haben wir mit der Intendanz des Staatstheaters Kassel eine Vereinbarung getroffen, nach der bei Vorzeigen der Bezugsquittung der 'Hessischen Nachrichten' an der Kasseler Theaterkasse eine Preisermäßigung bis zu 20 Prozent bewilligt wird. ..."556) Am 26. November 1949 kündigten die "Hessischen Nachrichten" eine Sondervorstellung des Theaters: "Weihnachtsmärchen für unsere Leser" an, und am 21. Dezember erschien die Anzeige: "Um unseren jetzt erst aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen Heimkehrern bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes behilflich zu sein, werden wir ab sofort jedem Heimkehrer, der seinen Wohnsitz in unserem Verbreitungsgebiet hat, eine Stellengesuch-Anzeige kostenlos in unserer Gesamtausgabe veröffentlichen."557) Die "Hessischen Nachrichten" unterließen es auch nicht, die Leser auf Neuerungen im redaktionellen Teil hinzuweisen. "Beachten Sie den umfangreichen Sportteil dieser Zeitung!"558), konnte man am 31. Oktober lesen. Das Feuilleton wurde ausgebaut; die Leser hatten zudem die Möglichkeit, sich an einem Preisausschreiben unter dem Motto "Unvergessene Heimat" zu beteiligen.559). Die ehemalige Lizenzzeitung präsentierte sich nun verstärkt als heimatverbundenes Blatt. Um möglichst die Gewähr zu haben, alle Lesergruppen zu erreichen, tat man ein Übriges und widmete sich mehr als früher den Seiten für die Frau. "Verehrte Leserin!", so las man am 29. Oktober, "Mit großer Freude haben wir festgestellt, daß der Kontakt zu unseren Leserinnen sehr viel enger geworden ist. Zahlreiche Zuschriften und Besuche in der Redaktion haben uns bewiesen, daß unsere Frauenbeilage sehr aufmerksam gelesen wird und auf dem besten Wege ist, das zu werden, was wir uns als Ziel gedacht haben: Die lebendige Verbindung zu unseren Leserinnen in Stadt und Land, die Aussprachemöglichkeit für alle Fragen, die Frau von heute interessieren, wobei wir in Zukunft noch mehr als bisher bemüht sein werden, alle Leserinnen anzusprechen und alle Themen anzuschneiden, die Sie interessieren. ... Es wird Sie freuen, zu hören, daß wir unseren Modeteil ausbauen ... zugleich aber wollen wir über die Grenzen hinausschauen und den Blick freimachen für die Probleme der Frauen in anderen Ländern ... , Wenn Sie einen Rat oder Auskunft brauchen, bitte, schreiben Sie an uns. Wir helfen Ihnen gern, sofern wir es können, und sind dankbar für jede Anregung!"560) Bereits seit dem Frühherbst 1949 erschienen darüber hinaus als Beilagen der Wochenendausgabe die "Bunte Welt" und "Wissen für Alle" im wöchentlichen Wechsel.561) Ein weiteres Mittel im Konkurrenzkampf war die Senkung der Anzeigenpreise; eine wesentliche Maßnahme übrigens, denn gerade dieser Teil der Zeitungen hatte seit Aufhebung des Lizenzzwangs mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Durfte bis zum Ende der Papierkontingentierung der Annoncenteil ein Achtel des Gesamtumfangs nicht - 166 - überschreiten, so nahmen die Anzeigen 1949 deutlich zu. Der Erlös der Zeitungen rekrutierte sich zunehmend aus Inseraten und immer weniger aus dem Verkauf. Viele der wiedererschienenen Blätter konnten diesem Konkurrenzkampf der beiden Lizenzzeitungen in Kassel nicht standhalten. Die "Homburger Zeitung", ein Altverlegerblatt, das kurz nach Aufhebung der Lizenzpflicht erneut auf den Markt kam und Leser im Verbreitungsgebiet der etablierten Presse zu finden hoffte, stellte ihr Erscheinen bereits am 1. September 1949 wieder ein. Andere Blätter entschlossen sich zu einer Fusion mit der größten Kasseler Zeitung, so die "Bebraer Zeitung" und das "Rotenburger Tageblatt", beides Altverlegerzeitungen. Sie wurden zum 1. Februar 1950 mit der Rotenburger Bezirksausgabe der "Hessischen Nachrichten", dem "Fulda-Boten", vereinigt. Dem Leser wurde einen Tag zuvor mitgeteilt: "Zeitungen kosten Geld! ... Allein das Papier kostet dreimal soviel wie vor dem Kriege. Zeitungsbetriebe können sich, wie die Erfahrung inzwischen gelehrt hat, deshalb nur dann halten, wenn die Auflage eine gewisse Mindesthöhe erreicht hat. Es wäre anderenfalls erforderlich, das Niveau und den Umfang auf Kosten der Leser zu senken."562) Die "Hessischen Nachrichten" übernahmen es zudem auch, von Mitte Februar 1950 an die Bekanntmachungen des Magistrats der Stadt Kassel zu veröffentlichen, nachdem das amtliche Mitteilungsblatt der Stadt sein Erscheinen eingestellt hatte.563) Nur in einem Fall gelang es den "Nachrichten" nicht, sich durchzusetzen. Die Bezirksausgabe der Zeitung, die "Marburger Nachrichten", war zum 15. Juni 1949 erstmalig herausgegeben worden und stieß sofort auf heftigen Widerstand der ortsansässigen Lizenzzeitung "Marburger Presse". Schon vor dem ersten Erscheinungstag wurden die Leser in der "Marburger Presse" informiert: "Die '2. Marburger Zeitung' kündigte sich an den Plakatsäulen bombastisch als 'lange gehegter Wunsch' an u. offenbarte sich dann als 'Lokalausgabe' der Kasseler 'Hessischen Nachrichten', die mit viel unlauteren Mitteln nach Marburg hineingeschwemmt wurde. So konnten sich unsere Mitbürger davon überzeugen, wie ein Kasseler Verlag Geld aus Marburg herauszuziehen trachtet. Nun werden die Provisionswerber losgelassen, um mit Überredungskunst zu retten, was die Kasseler Zeitungsschwemme an Überzeugungskraft fehlen ließ. Vorsicht ist am Platze gegen solche Werber! Wer eine Marburger Zeitung braucht, liest die 'Marburger Presse', nicht die Lokalausgabe der 'Hessischen Nachrichten', denn diese ist eine Kasseler Zeitung!"564) Die "Hessischen Nachrichten" konterten: "Zur Aufklärung! Mit der Einführung unserer 'Marburger Nachrichten' erfüllen wir, das betonen wir erneut, lediglich den schon monatelang an uns herangetragenen ausdrücklichen Wunsch maßgebender Kreise der Marburger Bevölkerung, ihnen eine 2. Marburger Zeitung zu geben. Wettbewerb fördert die Leistung. Zielbewußt und korrekt in unserer Werbung und - 167 - unübertroffen in der Berichterstattung werden wir entgegen den Erwartungen der Konkurrenz die 'Marburger Nachrichten' fortsetzen."565) Die Bezirksausgabe konnte sich aber nur bis März 1950 auf dem Markt halten; sie wurde zum 1. April des Jahres eingestellt, während die "Marburger Presse" ihrerseits kurze Zeit später mit der Marburger Altverlegerzeitung fusionierte.566) Sieht man den Fall Marburg als Ausnahme an, so kann man feststellen, dass sich die "Hessischen Nachrichten" erfolgreich gegen den Ansturm der Altverlegerzeitungen zur Wehr gesetzt hatten. Dieser Meinung war auch Lizenzträger Wolfgang Bartels, als er anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Zeitung schrieb: "... Der für Deutschland neu geschaffene Typ einer von Parteien und Wirtschaftsgruppen unabhängigen Zeitung hat sich durchgesetzt. Der aufgeklärte Leser unserer Tage will eine Zeitung, die ihm ein unverfälschtes Bild der Gegenwart wiedergibt und nicht eine, die ihr irgendeinen parteizensierten Ausschnitt aus dem Tagesgeschehen vermittelt ... ." Die "Hessischen Nachrichten", so Bartels weiter, hätten "nicht unwesentlich" zur politischen Willensbildung und zur Stärkung des demokratischen Gedankens beigetragen. Sie seien "trotz mancher Enttäuschungen und Rückschläge nicht müde geworden, dem Volke die Möglichkeit und Notwendigkeit einer steten Einflußnahme auf die Gestaltung unserer politischen Verhältnisse aufzuzeigen ... . So haben wir vom ersten Tage an eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit den unverhüllten und getarnten Tendenzen eines Totalitarismus geführt, der, wie die Entwicklung in Ostdeutschland bewiesen hat, in politischer Entmachtung und geistiger Versklavung der Massen ausmünden muß".567) Die Aufgaben und der Ton hatten sich gewandelt. Fünf Jahre vorher, bei Gründung der "Hessischen Nachrichten", hatten die Herausgeber erklärt: "Wir wollen die neue Zeitung in den Dienst der Völkerversöhnung und Verständigung stellen und damit zur geistigen Wiedergutmachung beitragen, auf daß auch Deutschland seinen Platz wieder in der großen Völkerfamilie finden kann."568) 5.8 Der Zusammenschluss dreier Zeitungen zur "Hessischen Allgemeinen" Die Entwicklung der "Hessischen Nachrichten" in den Jahren nach der Lizenzaufhebung ist beispielhaft für viele hessische Blätter, die zwischen 1945 und 1949 ihren Anfang nahmen. Am 21. Juni 1952 wurde der Grundstein gelegt für ein eigenes Betriebsgebäude in der - 168 - Friedrichstraße in Kassel, das am 15. Juni 1953 bezogen werden konnte. Am 1. August 1954 verkauften Wolfgang Bartels und Gustav Römer ihre Herausgeberanteile an die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ), Essen, die damit die Mehrheitsbeteiligung an der "Hessischen Druck- und Verlagsanstalt GmbH" erworben hatte. Bartels schied aus Altersgründen aus; Römer erschien das eigene Geld in Deutschland nicht sicher genug, er wurde Besitzer einer Bananenplantage auf der Insel Teneriffa.569) Lediglich Dr. Wolfgang Pöschl blieb, gemeinsam mit der Firma Laupenmühlen-Dierichs, Bochum, Gesellschafter der Zeitung.570) Pöschl war es auch, der die Leser am 24. September 1955 daran erinnerte, dass die ehemalige Lizenzzeitung ein Jahrzehnt bestehe. Er schrieb u. a.: "Mit dem Erscheinen der 'Hessischen Nachrichten' wurde für Kassel und Kurhessen-Waldeck ein neues Kapitel Pressegeschichte aufgeschlagen. Persönlichkeiten verschiedener politischer Auffassung, aber alle geeint durch den Glauben an die Prinzipien und Spielregeln der Demokratie, zeichneten als verantwortliche Herausgeber und sicherten die Überparteilichkeit und Unabhängigkeit der Zeitung. Von Anfang an haben sich die 'Hessischen Nachrichten' auf den Boden des Rechtsstaates gestellt. Sie haben die Sünden der Hitlerzeit ebenso angeprangert wie die Fehler der Besatzungsmächte, sie haben die Anfänge der neuen demokratischen Parteien mit Anerkennung und Kritik begleitet ..." Pöschl betonte noch einmal: "Die 'Hessischen Nachrichten' wollen für ihre Leser ein politisches Nachrichten- und Meinungsorgan von Niveau und eine liebevoll gestaltete Heimatzeitung in einem sein."571) Im Großen und Ganzen scheint die Zeitung den Ansprüchen der Leser auch gerecht geworden zu sein: Die "Hessischen Nachrichten" blieben auch weiterhin die auflagenstärkste Zeitung im nordhessischen Raum. Die Leser jedoch, die mit dem größten Blatt der Stadt nicht einverstanden waren, konnten zunächst noch auf die "Kasseler Zeitung" oder die "Kasseler Post" ausweichen. Aber am 27. April 1959 schlossen sich dann die "Hessischen Nachrichten" und die "Kasseler Zeitung" zur "Hessischen Allgemeinen" zusammen. Möglicherweise hatte sich das kleinere der beiden Blätter zu diesem Schritt entschließen müssen, da die Konkurrenzsituation das weitere Erscheinen unrentabel machte.572) (Schließlich betrug zu diesem Zeitpunkt die Auflagenhöhe der "Kasseler Zeitung" nur ungefähr 20 Prozent der Gesamtauflage aller drei Kasseler Zeitungen, während die "Hessischen Nachrichten" mit etwa 70 Prozent dominierten. Auflagenschwächste Zeitung war damit die "Kasseler Post".573)) Ganz unbegründet waren die Gerüchte sicher nicht, gegen - 169 - die sich die "Kasseler Zeitung" am 27. April 1959 wandte. In einem Artikel heißt es: "... Alle Gerüchte, denen zufolge die 'Kasseler Zeitung' angeblich von den 'Hessischen Nachrichten' aufgekauft sein soll, ... sind absurd und entsprechen in keiner Weise den Tatsachen. Der Verleger und Chefredakteur der 'Kasseler Zeitung', Adolf W. Diehl, der in der neuen 'Hessischen Allgemeinen' als Mitherausgeber und Mit-Chefredakteur verlegerisch und vor allen Dingen publizistisch als Leitartikler und Berichterstatter von den Schauplätzen nationalen und internationalen Geschehens tätig sein wird, entschloß sich nur unter der Bedingung zu diesem Schritt, daß durch vertragliche Vereinbarung der absolut unabhängige und überparteiliche Charakter des neuen Organs gewährleistet sein wird."574) Der Leser erfuhr außerdem aus der "Kasseler Zeitung", dass dieser Zusammenschluss erfolgt sei, "um auch weiterhin und auf die Dauer schlagkräftig alle Versuche politischer und materieller Beeinflussungen abweisen zu können."575) In den "Hessischen Nachrichten" stand zur gleichen Zeit u.a.: "Die 'Hessische Allgemeine' wird die Tradition der 'Hessischen Nachrichten' als große überparteiliche, sozial fortschrittliche Zeitung fortsetzen. Ihre redaktionellen Grundsätze lauten: Die Meinung ist frei. Die Zeitung hat der Wahrheit ebenso wie der Unterrichtung der Leser zu dienen und hat sich außerhalb aller parteipolitischen Beeinflussungen zu bewegen, die ausdrücklich abgelehnt werden. Die 'Hessische Allgemeine' ist eine unabhängige und überparteiliche Zeitung, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Sie bekämpft alle Feinde der Verfassung und hilft allen Freunden der parlamentarischen Demokratie. Keine anerkannte demokratische Partei, Religionsgemeinschaft, Organisation oder sonstige Gruppe wird wissent- oder willentlich bevorzugt oder benachteiligt. Die eigene Stellungnahme muß verantwortungsbewußt vertreten werden. Oberster Grundsatz: Wahrheit, Sachlichkeit, Genauigkeit."576) Von der Öffentlichkeit unbemerkt blieb allerdings, dass seit dem 27. April auch die dritte Kasseler Zeitung, die "Kasseler Post"577), zur gleichen Verlagsgruppe gehörte.578) Der Titel des Altverlegerblattes wurde noch knapp zehn Jahre beibehalten, um den älteren Lesern die Gewohnheit, ihre Heimatzeitung zu beziehen, nicht zu nehmen. Im Laufe des Jahrzehnts unterschieden sich die "Hessische Allgemeine" und die "Kasseler Post" zusehends weniger voneinander. Von August 1959 an hatten beide Zeitungen den gleichen Sportteil; von Mai 1962 an differierte nur noch der politische Teil beider Blätter, und zum 25. Februar 1969 trug der Zeitungskopf der "Hessischen Allgemeinen" den Untertitel "Kasseler Post". Der Altverleger Dr. Wilhelm Batz gehörte fortan mit zur Verlagsleitung der "Hessischen Allgemeinen". - 170 - 1970, zum 25-jährigen Jubiläum, zog Dr. Pöschl in einem Artikel das Fazit dieser Entwicklung und sagte, die wirtschaftliche Stärke der "Hessischen Allgemeinen" sichere ihre Unabhängigkeit nach allen Seiten, deren Wahrung einer Zeitung mit kleiner Auflage nicht möglich sei. "Der Leser ist heute besser mit einer Zeitung bedient, die über einen großen Redaktionsstab, die wichtigsten Nachrichtendienste und die modernsten technischen Einrichtungen verfügt, als mit mehreren kleineren Zeitungen, die sich im Konkurrenzkampf aufreiben und von denen er doch nur eine liest."579) Die in der gleichen Ausgabe von Dr. Paul Dierichs579a) neu formulierte Haltung der Zeitung hieß: "Die 'Hessische ,Allgemeine' bejaht die in der Verfassung festgelegte soziale und liberale Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und bekämpft alle radikalen Tendenzen. ... Die 'Hessische Allgemeine' soll von allen Bevölkerungskreisen als ihr Informationsorgan angesehen werden. Ziel der redaktionellen Arbeit muß sein, eine leichtverständliche Qualitätszeitung zu machen, die ihre Leser vielseitig und umfassend, aber auch vorurteilsfrei unterrichtet ..."580) Im Januar 2002 wurden Mitarbeiter, Betriebsrat und Leser der HNA mit der Nachricht überrascht, die Geschwister Rainer und Helga Dierichs hätten ihr Unternehmen rückwirkend zum 1. Januar 2002 an die Ippen-Gruppe verkauft - "nicht gegen Bares", wir die "Frankfurter Rundschau" meldete, "sondern gegen Anteile an der Ippen-Gruppe in Höhe einer 'qualifizierten Minderheit'. Die Dierichs-Geschwister sind mit mindestens 25,1 Prozent ('Sperr-Minorität') am Ippen-Unternehmen beteiligt und können bestimmte Entscheidungen blockieren."581) Die Entscheidung, so die "Rundschau" weiter, sei nach einer "Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die kommenden Jahre und die nächste Generation' gefallen. Rainer Dierichs gab bereits zum 1. Februar 2002 den Vorsitz der Geschäftsführung an Dr. Dirk Ippen ab. - 171 - 6 Die Anfänge des "Wiesbadener Kurier" 6.1 2. Oktober 1945: Start der neuen Lizenzzeitung Der "Wiesbadener Kurier" erschien als vierte Lizenzzeitung in Hessen, nachdem bereits die "Frankfurter Rundschau", die "Marburger Presse" und die "Hessischen Nachrichten" gegründet worden waren. Veröffentlicht unter der Lizenznummer 18 erschien die erste Ausgabe am Dienstag, 2.Oktober 1945, mit einer Auflage von 90.000 Exemplaren. Die Zeitung wurde auf den Maschinen des Altverlegerblattes "Wiesbadener Tagblatt" gedruckt, in dessen Haus in der Langgasse auch die Redaktion untergebracht war. Die Altverlegerzeitung (Eigentümer: Professor Gustav Schellenberg) war 1943 eingestellt worden. Danach erschien nur noch die NSDAP-eigene Parteizeitung "Wiesbadener Zeitung".582) 1945, kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, verkaufte Schellenberg seinen Betrieb an drei Wiesbadener Unternehmer für eine halbe Million Reichsmark.583) Mit dieser Entscheidung war allerdings die amerikanische Militärregierung nicht einverstanden. Sie beschlagnahmte die Druckerei, alle Maschinen und das Verlagsgebäude, um es den Lizenzträgern der neu zu gründenden Zeitung zur Verfügung zu stellen. Herausgeber wurden Georg Alfred Mayer583a) und Fritz Otto Ulm583b). Mayer, der zwischen den beiden Weltkriegen der Zentrums-Partei angehört hatte, war der erste, den Presseoffizier Raymond Stover für eine Lizenz aussuchte. Er war für Druck, Anzeigen und Vertrieb der Zeitung zuständig und nannte sich Verlagsdirektor.584) Der zweite, Ulm, war zwar kein SPD-Mitglied, aber der Partei nahe stehend. Ihm war bereits zuvor eine Zeitungslizenz in Thüringen erteilt worden. Sein Wechsel nach Wiesbaden, eventuell auch aus politischer Motivation,585) verschaffte ihm Kontakt zur Sozialdemokratischen Partei, von der er für eine Lizenz vorgeschlagen wurde. Außerdem war seine Frau im Herbst 1946 Mitarbeiterin der amerikanischen Militärregierung.586) Ulm, von Redakteuren des Hauses später als besessener Zeitungsmann geschildert, übernahm die redaktionelle Leitung des "Wiesbadener Kurier". Das Blatt, das zweimal wöchentlich herauskam (mittwochs und samstags) und im Monat 1.55 RM kostete, hatte am Mittwoch einen Umfang von vier Seiten einschließlich des vorgeschriebenen Anzeigenteils. Auf der dritten Seite erschienen Lokalnachrichten, betitelt "Blick auf Wiesbaden" und "Zwischen Rhein und Lahn". Auf Seite 4 las man Wirtschaftsinformationen, überschrieben "Neue Wirtschaft", sowie den "Sport-Kurier". Die Samstag-Ausgabe umfasste sechs Seiten, wobei die ersten drei Seiten der Gliederung der Mittwoch-Ausgabe entsprachen; Seite 4 war - 172 - dem Feuilleton vorbehalten, die fünfte Seite der Wirtschaft und dem Sport. Die Seite 6 enthielt zur Hälfte Anzeigen, außerdem das Impressum und in unregelmäßiger Reihenfolge Artikel von Chefredakteur Ulm zu aktuellen Themen. Von der vierten Ausgabe an erschien ein Fortsetzungsroman, jeweils "unter dem Strich" auf der Kultur- und Feuilletonseite. Das Verbreitungsgebiet des "Wiesbadener Kurier", das bisher die Stadt Wiesbaden, die Kreise Rheingau, Untertaunus und Main-Taunus sowie den Bereich Frankfurt/Höchst umfasst hatte, wurde aufgrund einer Anordnung der Militärregierung am 24. Oktober 1945 neu aufgeteilt. Der "Wiesbadener Kurier" informierte an diesem Tag seine Leser darüber, dass der "Kurier" für den Stadtkreis Wiesbaden, den Rheingaukreis und das Gebiet Untertaunus allein zuständig sei. Den Oberlahnkreis sowie die Kreise Limburg, Usingen und Main-Taunus belieferten der "Kurier" und die "Frankfurter Rundschau" jeweils zur Hälfte. Der Obertaunuskreis blieb der "Rundschau" vollständig vorbehalten.587) Im Laufe des Jahres kamen noch einige Rubriken neu hinzu. So erhielten die Leser seit dem 3. November jeweils an Samstagen eine Beilage "Die Welt um uns"; und ab dem 14.November war ihnen die Möglichkeit gegeben, sich in Leserbriefen zu Wort zu melden, überschrieben "Echo aus dem Leserkreis". Beim "Wiesbadener Kurier" diente der Leitartikel nicht ausschließlich dazu, die Meinung des Lizenzträgers wiederzugeben. Bereits in der zweiten Nummer der Zeitung meldete sich Adolf W. Diehl, Redakteur des "Wiesbadener Kurier" und von 1948 an Lizenzträger der "Kasseler Zeitung",588) zu Wort. Oskar Müller, Minister für Arbeit und Mitglied der KPD in der neu gegründeten hessischen Regierung, schrieb über "das Rückwandererproblem"589); Stadtrat Heinrich Roos nahm Stellung zu der Frage "Warum Parteien?"590), und Rudolf Müller, LDP, Wirtschaftsminister in Hessen, tat seine Ansicht zum "Wiederaufbau" kund.591) Ein Schwerpunkt in der Berichterstattung des ersten Jahres waren natürlich - wie in allen anderen hessischen Lizenzzeitungen auch - die Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg, der Biographien der Angeklagten beigefügt waren. 6.2 1946: Die "Deutschland-Ausgabe" erscheint mit erweitertem Wirtschaftsteil Der zweite Jahrgang begann mit einem neuen, größeren Format. Erstaunlich ist, dass eine relativ kleine Zeitung bereits zu diesem Zeitpunkt über eine große Anzahl von Informationsdiensten verfügte. Die "Hessischen Nachrichten", deren Auflage weit über der - 173 - des "Kurier" lag, hatte z.B. diese Möglichkeit nicht. So erhielt der "Kurier" nicht nur Meldungen von der DANA, sondern auch von der amerikanischen Agentur "Associated Press", der "American Press Agency" (APA), dem "International News Service" (INS), der "Overseas news agency" (ONA) sowie von der "United Press" (UP), dem "Österreichischen Nachrichten-Büro" (ÖNB) und der "New York Times".592) Die Zeitung erschien immer noch zweimal in der Woche, jetzt aber bereits mit mindestens sechs Seiten pro Ausgabe. Weiterhin blieb Parteien, Behörden und anderen Organisationen der Leitartikel zur Meinungsäußerung offen. André François-Poncet kam zu Wort,593) Kurt Schumacher (SPD) äußerte sich auf der zweiten Seite,594) der Minister für Wiederaufbau und Nazisäuberung, Gottlob Binder, SPD, schrieb einen Beitrag,595) und, neben Fritz Otto Ulm, auch dessen Mitlizenzträger Alfred Mayer.596) Als die Zeitung am 19. März 1946 zu dreimaligem Erscheinen pro Woche überging, konnte dieser Modus noch weiter ausgebaut werden. Die Auflage betrug 90.400 Exemplare597) bei einer Einwohnerzahl von 175.530 in Wiesbaden.598) Allerdings war auch der "Wiesbadener Kurier" von der unzureichenden Papierzuteilung betroffen und musste den bisherigen Umfang einschränken. "Wir empfehlen, noch mehr als bisher mit anderen Hausbewohnern gemeinsam zu lesen, da auch der Einzelverkauf am Schalter ganz eingestellt und der Straßenverkauf erheblich eingeschränkt werden muß", riet das Blatt seinen Lesern am 14. Mai 1946.599) Die Papierkürzung trat am 1.Juli des Jahres in Kraft; die Auflage sank auf 65.000 Exemplare. Besprechungen über kulturelle Ereignisse mussten daraufhin entfallen. Sie wurden zum Teil durch Kurzinformationen ersetzt. Die reduzierte Papiermenge, die der Lizenzzeitung zur Verfügung stand, hinderte Fritz Otto Ulm aber nicht daran, seinen Traum einer "Deutschland-Ausgabe" zu verwirklichen. Er stieß mit dieser Idee nicht bei allen Mitarbeitern auf Gegenliebe. Der Leiter der Wirtschaftsredaktion, Dr. Ferdinand Himpele600), verließ das Haus, nachdem es zwischen ihm und dem Chefredakteur zu Auseinandersetzungen gekommen war. Die D-Ausgabe scheiterte letztendlich auch an internen Schwierigkeiten.601) Im Sommer 1946 war Ulm aber noch von dem Erfolg der neuen, zusätzlichen Ausgabe des "Kurier" überzeugt. Er schrieb am 18. Juli des Jahres seinen Lesern: "Ab 1. August erscheint zunächst nur für die amerikanische Zone eine Deutschland-Ausgabe des 'Wiesbadener Kurier' mit stark erweitertem Wirtschaftsteil. Sie ist in der Hauptsache für die an der Wirtschaft sämtlicher Zonen interessierten Kreise bestimmt und wird entsprechend ihrer überregionalen Bedeutung den lokalen und Provinz-Dienst zurücktreten lassen. Infolge der bestehenden Papierknappheit können im Augenblick jedoch neue Bezieher nicht angenommen werden. ... - 174 - Die Lieferung kann nur an Stelle der seither bezogenen allgemeinen Ausgabe ausgeführt werden ... ."602) Die D-Ausgabe kostete monatlich 4.66 RM und lag damit um 2.21 RM über dem Preis der allgemeinen Ausgabe.603) Als der "Wiesbadener Kurier" am 1. September 1946 zu viermaligem Erscheinen in der Woche überging (die Zeitung erschien an jedem Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag), erhöhte sich der Bezugspreis der allgemeinen Ausgabe auf 3.05 RM. Die D-Ausgabe kostete genau 3 RM mehr.604) Nun änderte sich auch die Verteilung der Zeitung. Statt wie bisher in den Abendstunden wurde der "Wiesbadener Kurier" jetzt am Vormittag zugestellt.605) Für die D-Ausgabe ergab sich ebenfalls eine Neuerung: Vom 1.November 1946 an brachte der "Kurier" einmal in der Woche eine "Export Ausgabe" seiner D-Ausgabe heraus. 1.300 Exemplare wurden in die USA, nach England, Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark, Schweden und Norwegen und in die Schweiz verteilt.606) Langfristig konnte sich die D-Ausgabe allerdings nicht durchsetzen. Am 31. Januar 1948 teilte der "Wiesbadener Kurier" mit: "Nachdem wir am 1. Dezember 1947 eine einschneidende Änderung unseres Verteilungsplanes vornehmen mußten, ist unsere Papierzuteilung jetzt erneut gekürzt worden. Eine weitere Herabsetzung der Auflage in unserem Verbreitungsgebiet ist nicht mehr tragbar. Wir sehen uns deshalb und wegen anderer unüberwindlicher Schwierigkeiten gezwungen, unsere D-Ausgabe trotz des großen Anklangs, den sie im In- und Ausland gefunden hatte, ab 1. Februar 1948 vorübergehend einzustellen. Dieser Entschluß ist uns nicht leicht gefallen; wir haben ihn unter Zurückstellung eigener Interessen zu Gunsten der Leser unserer Stadt- und Provinzausgabe getroffen."607) Die D-Ausgabe erschien - trotz gegenteiliger Ankündigung - nicht mehr. Sicher war die Papierkontingentierung zum Teil Ursache für diese Maßnahme, denn die allgemeine Ausgabe des "Wiesbadener Kurier" musste, wie alle anderen Lizenzzeitungen auch, die Auflage beschränken. Am 18. Februar 1947 wurde die bisherige Erscheinungsweise von viermal wöchentlich auf drei Tage pro Woche reduziert. Man begründete dies mit Transportschwierigkeiten bei der Papierbelieferung.608) Die Dienstag- Nummer umfasste dabei zwei, die Donnerstag- und Samstagausgabe jeweils sechs Seiten. In diesen Zeitraum fällt auch eine Verwarnung, die der "Kurier" von der amerikanischen Militärregierung erhielt. Wegen Überschreitens des Druckseitenkontingents zahlte die Zeitung eine freiwillige Buße von 9.000 RM an das "Rote Kreuz" und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).609) - 175 - Zum 1. Juli ging man wieder zu viermaligem Erscheinen über, wobei sich die Gesamtseitenzahl pro Woche jedoch nicht erhöhte.610) Erst am 1. Mai 1948 konnten Erscheinungsweise und Umfang erhöht werden. Von Dienstag bis Freitag jeder Woche wurde der "Wiesbadener Kurier" mit durchschnittlich 16 Seiten in der Woche gedruckt. 6.3 "Wiesbadener Kurier" und Öffentlichkeit Wie andere Lizenzzeitungen auch führte der "Wiesbadener Kurier" zwischen 1945 und 1949 zahlreiche Umfragen unter seinen Lesern durch. Kurz nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe des "Kurier" interessierte man sich für den Eindruck, den diese Zeitung in der Öffentlichkeit machte. Das Ergebnis war, gemessen an anderen Zeitungen Hessens, erstaunlich, denn: 43 Prozent der Befragten nahmen an, der "Kurier" sei eine Propagandazeitung. Nach ihren Wünschen befragt, antworteten 37 Prozent, sie bevorzugten eine überparteiliche Zeitung, 31 Prozent hätten lieber eine Parteizeitung.611) Bis zum Frühjahr des folgenden Jahres hatte sich dieses Bild allerdings geändert. Jetzt fanden nur noch drei Prozent, dass die Wiesbadener Lizenzzeitung parteigebunden sei. 40 Prozent wünschten sich eine überparteiliche Presse, nur ein Zehntel davon bevorzugte noch immer eine Parteizeitung.612) Am 18. März 1947 teilte Fritz Otto Ulm mit, auf eine Leser-Umfrage hätten 17 Prozent geantwortet, sie hielten den "Kurier" nach wie vor für eine Parteizeitung. Die Fragestellung der Zeitung muss nicht ganz eindeutig gewesen sein, denn weitere 38 Prozent glaubten, das Blatt sei überparteilich. (8 Prozent sahen immer noch lieber eine Parteizeitung an ihrer Stelle.)613) Ein ganz so eindeutiges Votum für eine überparteiliche Presse wie in anderen Städten konnte die Wiesbadener Zeitung also nicht für sich verbuchen. Die Gründe dafür mögen verschieden sein. Sicherlich lag es auch an der eigenwilligen Art, in der Fritz Otto Ulm "seine" Zeitung leitete. Das, was von den Redakteuren des "Kurier" später als engagiert, besessen, gekonnt usw. an Ulms Art und Weise der schriftlichen Stellungsnahme geschildert wird (Ulm wohnte lange Zeit im Verlagshaus in der Langgasse und schrieb dort seine Artikel bis in den späten Abend hinein), bewirkte in anderen Kreisen die gegenteilige Meinung. Ulm war kein Diplomat, wenn es darum ging, die Meinung zu sagen, so dass es auch beim "Wiesbadener Kurier" nicht lange dauerte, bis die Konflikte zwischen Parteien und Behörden auf der einen Seite und der Lizenzzeitung andererseits offen ausbrachen. Am 27.Februar 1946 übte Ulm an dem Stuttgarter Landesbischof Wurm harte Kritik. Wurm hatte von "ungeheuren Reparationskosten" Deutschlands nach dem Krieg gesprochen. Außerdem - 176 - hatte er geäußert: "Die Entnazifizierung ist ungerecht und unmenschlich. ... Der Industrie werden die letzten Rohstoffe und Maschinen genommen. ... Die Tragödie im Osten Deutschlands wird Millionen Opfer fordern ... ." Wurm war fortgefahren: "Hitlers Unrecht von 1939 wird jetzt überboten durch ein größeres Unrecht ..., was dem deutschen Volk jetzt geschieht, ist nichts anderes als das, was den Juden geschah ... ." Ulm wehrte sich ganz entschieden gegen diese Ansichten.614) Am 25. Oktober desselben Jahres kam es dann zum "Wiesbadener Presseprozeß", wie die "Hessischen Nachrichten" schrieben.615) Der hessische Justizminister Georg August Zinn hatte Strafantrag gegen Ulm gestellt; dieser wurde der "Beleidigung und üblen Nachrede zum Nachteil des Ministerialrates Dr. Adolf Arndt" (SPD) bezichtigt. Dem Strafantrag vorausgegangen war ein Leitartikel von F.O. Ulm, der am 12. Oktober 1946 unter der Überschrift "Diskretion Ehrensache" im "Wiesbadener Kurier" erschienen war. Ulm hatte darin von angeblichen Lebensmittelschiebungen in der hessischen Staatsregierung gesprochen.616) Daraufhin, so heißt es in einer DANA-Meldung vom 24. Oktober 1946, habe Dr. Arndt die Schriftleitung des "Wiesbadener Kurier" um Überlassung von Zuschriften gebeten, die dem "Kurier" nach eigenen Angaben zu diesem Thema zugegangen seien.617) Ulm schrieb daraufhin einige Tage später: "Das Justizministerium rief uns an und bat uns um Überlassung unserer Unterlagen. Wenn die Herren noch immer nicht wissen, was gespielt wird, so können ihnen unsere Unterlagen auch nichts helfen. (Obwohl wir bereit waren, sie ihnen im Austausch gegen die ihrigen zu überlassen.) Aber die Herren wissen ja Bescheid, und deshalb können wir keinen vernünftigen Sinn darin entdecken, daß wir zu ihren umfangreichen Akten neue hinzufügen. Wer jetzt noch nicht weiß, um was es geht, zeigt einen Mangel an gesundem Menschenverstand, der sich mit seinem Amt nicht verträgt. Die anderweitige Vermutung, daß er selbst Butter auf dem Kopf trüge, wollen wir hier nicht diskutieren."618) Ungewöhnlich war es übrigens nicht, dass Meinungsverschiedenheiten in der Nachkriegszeit gerichtlich ausgetragen wurden. Bereits Ende September war der Herausgeber der "Fuldaer Volkszeitung", Heinrich Kierzek, wegen "verleumderischer Beleidigung" eines ehemaligen Nationalsozialisten angeklagt worden. Der "Wiesbadener Kurier" meldete dies unter der Überschrift "Der erste Presse-Prozeß".619) Und im Februar und April 1947 schrieb Adolf W. Diehl, Lizenzträger der "Kasseler Zeitung", in seiner Zeitung über das missliche Verhältnis von "Bürokratie und Presse"620) und nahm unter der Überschrift "Schwarzer Tag für die Presse" Stellung zu den Äußerungen eines CDU-Abgeordneten, der seine Unzufriedenheit mit der Lizenzpresse kundgetan hatte.621) Am 10. Dezember desselben Jahres brachte der "Wiesbadener Kurier" auf der ersten Seite die - 177 - DENA-Meldung, der Hanauer Oberbürgermeister habe eine Frankfurter Zeitung aufgefordert, alle Berichte innerhalb der Hanauer Stadtverwaltung, die die Öffentlichkeit interessierten, ihm vor der Veröffentlichung zur Gegenzeichnung vorzulegen. "In dem Schreiben sieht die 'Frankfurter Rundschau' eine Gefährdung der Öffentlichkeit", hieß es in dem mit "Pressefreiheit bedroht" überschriebenen Artikel.622) Und noch einmal zum Jahresende setzte Fritz Otto Ulm sich für die ungehinderte Meinungsäußerung in der Zeitung ein, als er in einem Artikel provokativ fragte: "Ist Schweigen wirklich die erste Bürgerpflicht?"623) Der "Wiesbadener Kurier" schwieg auch nicht, als 1949 Missstände im Ernährungsamt der hessischen Regierung aufgedeckt wurden. Die Angelegenheit, die damals kurz als "Affaire Dietz" bezeichnet wurde, schlug hohe Wellen in allen Zeitungen Hessens. Ulm war einer derjenigen, die dieses Thema mehrfach zum Anlass für einen Artikel nahmen. Am 16. Januar 1949 schrieb er u.a.: "Ministerpräsident Christian Stock klagt: Die Berichterstattung der Presse über das Verfahren gegen die Import- Handels-Gesellschaft (IHG) ist so verzerrt, daß man es eine Schurkerei nennen muß. ... Die Zeitungen könnten sich durch das Wort 'Schurkerei' beleidigt fühlen. Wir für unseren Teil wollen nicht päpstlicher sein als der Papst, solange sich hessische Regierungsstellen nicht beleidigt fühlen, wenn man ihnen Bestechung vorwirft. (Finanzminister Hilpert gibt unter anderem bekannt, er habe zwei Zeitungen verklagt. Wir begrüßen es, daß er sich zur Wehr setzt gegen nach seiner Ansicht unberechtigte Angriffe. Hessen wäre noch mehr gedient worden, hätte er gesagt, welche Zeitungen er verklagte.)"624) Ulm wandte sich bei der gleichen Gelegenheit auch gegen den Vorwurf des Ministerpräsidenten, die Presse verrichte Handlangerdienste für die Kommunisten.625) Der "Wiesbadener Kurier" konnte damit nur schwerlich gemeint sein; war er doch keinesfalls eine "linke" Zeitung. Was sich im Frühjahr 1948 bei den Abstimmungen zu den Kommunalvertretungen und Kreistagen zeigte, bewies sich 1949 in Wiesbaden erneut: Am 27. April 1948 verzeichnete der "Wiesbadener Kurier" einen "Sensationserfolg für die NPD in Wiesbaden". 25.970 Stimmen waren für die NPD abgegeben worden, gegenüber 29.510 für die SPD und 29.027 für die Christdemokraten. Nur 8.185 der abgegebenen Stimmen hatten sich für die Kommunistische Partei entschieden und 13.907 für die LDP.626) Am 27. Juli 1949 berichteten die "Hessischen Nachrichten", Kassel: "Der 'Wiesbadener Kurier' veranstaltete in seinem Leserkreis eine 'Vorwahl zum Bundestag', bei der von 6.473 abgegebenen gültigen 'Stimmzetteln' 31,7 % der NPD, 21,6 % der FDP, 19 der SPD, 17 der CDU und 6,5 der KPD zuvielen."627) - 178 - 6.4 1949: Die Altverlegerzeitung erscheint wieder Unter dem Titel "Wiesbadener Zeitung am Abend" erschien in Wiesbaden seit dem 8.Dezember 1948 eine weitere Lizenzzeitung, die - zunächst als Abendzeitung konzipiert - ab dem 12. März 1949 in "Wiesbadener Anzeiger" umbenannt wurde. Alfred Jordan als Lizenznehmer konnte sich mit seinem Blatt gegen den auflagenstarken "Kurier" jedoch nicht durchsetzen und stellte sein Blatt bereits zum 30. Mai 1949 wieder ein. Nach Aufhebung der Lizenzpflicht erwuchs dem "Wiesbadener Kurier" aber Konkurrenz durch die 1852 gegründete - und nun wiedererscheinende - Altverlegerzeitung, deren Herausgeber zwischen 1945 und 1949 keine Lizenz erhalten hatte. Das "Wiesbadener Tagblatt" kam zum ersten Mal am 17. September 1949 heraus. Obwohl dem Verleger und Herausgeber, Professor Gustav Schellenberg, das Gebäude in der Langgasse in Wiesbaden gehörte, konnte er 1949 darüber nicht verfügen, denn der "Wiesbadener Kurier" bezahlte ihm bereits seit dem 17. November 1948 10.000 Mark Pachtzins im Monat. So kam es zu dem Kuriosum, dass Schellenberg das "Tagblatt" in der eigenen Druckerei im Lohndruckverfahren herstellen lassen musste. (Der Zehnjahresvertrag war für F.O.Ulm übrigens ein Beweis dafür, dass Schellenberg nicht veranlasst worden war, einen so genannten Zwangspachtvertrag zu unterzeichnen. "Denn", schrieb Ulm an seine Mitarbeiter im Jahr 1950: "Zwangsverträge, wie sie hier und da in der amerikanischen Zone abgeschlossen wurden, mussten nur auf fünf Jahre mit etwaiger Verlängerung von drei Jahren abgeschlossen werden. Daß Schellenberg auf zehn Jahre abgeschlossen hat, ist allein ein Beweis dafür, daß er freiwillig unterzeichnet hat."628)) Die ersten Ausgaben des "Wiesbadener Tagblatts" wurden noch in der Langgasse gedruckt, danach suchte sich Schellenberg eine andere Möglichkeit, die jedoch so kostspielig wurde, dass Schellenberg 1950 einen Kredit in Höhe von 1,6 Millionen DM aufnehmen musste. Da das Altverlegerblatt dieses Darlehen nicht zurückzahlen konnte, übernahmen die Herausgeber des "Kurier" diese Verpflichtungen. Ihnen wurde dafür das Druck- und Verlagshaus in der Langgasse als Eigentum überlassen. Schellenberg verkaufte daraufhin das "Tagblatt" an die "Mainzer Verlags-Anstalt" (MVA). Die Zeitung erschien aber weiterhin in Wiesbaden und Umgebung, wobei das "Tagblatt" den Mantel von der MVA bekam. Der "Wiesbadener Kurier" hatte sich, so scheint es, gegen die neu erstandene Konkurrenz mit Erfolg durchgesetzt. Zwar musste die Zeitung zu Beginn der fünfziger Jahre einige Male Auflageneinbußen hinnehmen, die aber nicht nur durch das Wiedererscheinen des "Tagblatt" verursacht worden waren. So wehrte sich Herausgeber Ulm etliche Male gegen den Vorwurf, - 179 - der ihm in der Öffentlichkeit gemacht wurde, er hätte nach dem Krieg im "Kurier" Listen ehemaliger Parteigenossen der NSDAP abdrucken lassen. Ulm, Halbjude, schrieb am 29.Oktober 1949: "'Das ist ja gar nicht wahr', heißt es in vielen Briefen, die uns in den letzten Tagen erreichten. Die empörten Absender mißtrauten unserer Meinung 'An unsere Leser!' vom 22. Oktober auf Seite 5, daß der 'Wiesbadener Kurier' in den Jahren 1945/46 nicht die Namenslisten früherer Parteigenossen veröffentlicht hat. 'Ich habe es doch selbst gelesen' heißt es vorwurfsvoll. Unsere Leser haben sicherlich vergessen, daß das Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen nicht im 'Wiesbadener Kurier', sondern in den 'Mitteilungen' für den Stadtkreis Wiesbaden veröffentlicht wurde. Der Abdruck erfolgte auf Anordnung der Militärregierung. Verantwortlich für den Inhalt der Mitteilungen war der damalige Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden. Gedruckt wurden sie schon vor dem 1. Oktober 1945 in der Druckerei, in der von diesem Tage an dann auch der 'Wiesbadener Kurier' hergestellt wurde. Die Einnahmen für die 'Mitteilungen' flossen allein der Staatskasse zu. ... Der 'Kurier' hat nichts damit zu tun."629) In einem Brief an seine Mitarbeiter versicherte Ulm 1950 noch einmal: "Wir haben 1945 die Amtlichen Mitteilungen der Stadt Wiesbaden nicht herausgegeben. ... Es ist eine Lüge, wenn behauptet wird, wir hätten die Amerikaner dazu veranlaßt, die Namenslisten zu drucken. Wir sind kein amerikanischer, sondern wir sind ein guter deutscher Verlag, der eine deutsche Zeitung für Deutsche herstellt."630) "Wir wollen ruhig zugeben", schrieb Ulm, "daß wir in mancher Hinsicht früher über das Ziel hinausgeschossen haben. 1950 ist nicht 1945. Wir haben alle 1945 eine riesige Wut gehabt. ... Viel später erst wurde einem bewußt, daß nicht jeder Parteigenosse gleich ein schlimmer Nazi gewesen war. Sobald wir es erkannten, haben wir unsere Politik erheblich geändert. Wir sind die ersten gewesen, die zur Versöhnung des neuen Staates mit den früheren Parteigenossen rieten. ... Wir waren einmal wütend auf die wirklichen Nazis, auf Berufsoffiziere - und dabei arbeiten viele davon jetzt seit Jahren im 'Kurier' als gute Kameraden mit. Man sagt Ihnen, der 'Kurier' sei gegen die Gewerbefreiheit, gegen die Beamten. ... Natürlich war der 'Kurier' 1945 eine andere Zeitung als er jetzt ist. Aber auch jede andere Zeitung hätte 1945 anders geschrieben als sie heute schreibt. Bloß die anderen Zeitungen waren ja gar nicht da."631) So bot diese Zeitung Anreiz genug, sich mit ihr auch in negativer Weise auseinander zu setzen. Die "Sozialistische Volkszeitung" (SVZ), das Organ der KPD in Hessen, schrieb am 1. November 1949 unter der Überschrift "US-Lizenzträger für Brandmarkung kleiner Pg's - in Ulm, um Ulm und um Ulm herum" u.a.: "Unter der Leitung des von der amerikanischen Militärregierung eingesetzten Lizenzträgers F.O. Ulm erblickte der ''Wiesbadener Kurier' am 1. Oktober 1945 das Tageslicht. Dieses Blatt, das in Hessen seit Jahren als inoffizielles - 180 - Sprachrohr der Besatzungsmacht gilt, deren Sitz ebenfalls in Wiesbaden ist, steht bekanntlich in erster Frontlinie im Kreuzzug gegen den 'Bolschewismus'. Die Entwicklung des 'Wiesbadener Kurier' und seines Lizenzträgers Ulm vom 'Muster-Antifaschisten' zum Verfechter rechtsradikaler Strömungen ist bezeichnend für die 'Auslese', die die Besatzung bei dem Aufbau der Lizenzpresse traf ..."632) Um zu dokumentieren, dass Ulm sich tatsächlich 1945 ablehnend gegenüber der Behandlung ehemaliger Parteimitglieder verhalten hatte, veröffentlichte die "SVZ" Auszüge aus einem Brief Ulms an den damaligen Regierungspräsidenten in Wiesbaden, in dem sich Ulm für eine Kenntlichmachung ehemaliger Pgs ausspricht. Außerdem soll Ulm vorgeschlagen haben, die Namen der Mitglieder mit dem Zusatz 'Nazi' zu versehen.633) Für den "Kurier" wirkte sich der Abdruck dieses Briefes insofern sehr ungünstig aus, weil der Artikel einige Zeit, nachdem er in der "SVZ" erschienen war, den Lesern der Lizenzzeitung zugestellt wurde. Daraufhin bestellten sofort mehr als 10.000 Abonnenten die Lizenzzeitung ab.634) Die Vermutung, der konkurrierende Altverleger habe diese Aktion gestartet, um die Lizenzzeitung zu schwächen, veranlasste den "Wiesbadener Kurier" im April 1950, "Suchanzeigen" aufzugeben, von denen eine lautete: "Haben Sie mitgeholfen, in den Monaten bis März 1950 mit der Schreibmaschine oder mit der Hand 15.000 Adressen an Wiesbadener Empfänger auf neutralen Briefumschlägen ohne Absendervermerk zu schreiben? Dann sollten Sie sich mit mir in Verbindung setzen. 3.000 DM Belohnung zahle ich ..., wenn Ihr Hinweis mich zu dem Mann hinter den Kulissen führt, den ich suche. Dr. jur. Alfred Pfannkuch."635) Professor Schellenberg, der Verleger des "Wiesbadener Tagblatts", wurde wenig später in einem Prozess für schuldig befunden, die Flugblattaktion veranlasst zu haben, und zu einer Geldstrafe verurteilt.636) F.O. Ulm, dem der "Kurier" letztlich den enormen Auflagenschwund zu verdanken hatte, sah sich im April 1950 noch einmal veranlasst, in "seiner" Zeitung zu erläutern: "... Die Sieger stießen 1945 alle - Pg oder Nicht-Pg - aus Amt, Würde und Brot. Sie verlangten harte Gesetze. Vielleicht haben Sie selbst damals mit Schlimmerem gerechnet als man Ihnen nachher antat. Dieses Schlimmere hatte ich kennengelernt, und in dem Chaos entstand der Gesetzentwurf, der Ihnen in einer kommunistischen 'Drucksache' zugestellt wurde. Er war schlecht, schon weil er Gleiches mit Gleichem vergelten wollte; er war so schlecht, wie alles, was um die letzte Wende in Deutschland der Vernichtung gedient hatte, obwohl er weder Besitz noch Leben bedrohte. ..."637) Die spektakuläre Pg-Affaire ist ein weiteres Beispiel für die Methoden, mit denen der Konkurrenzkampf nach Beendigung der Lizenzpflicht in manchen Städten geführt wurde - - 181 - entgegen den Beteuerungen der beiden Wiesbadener Zeitungen im Herbst 1949: "Beide Zeitungen erneuern das Versprechen, den Konkurrenzkampf immer nur in anständiger Form zu führen."638) Als das "Tagblatt" am 17. September 1949 erneut auf den Markt kam, hatte es eine Startauflage von 90.000 Exemplaren und 28 Seiten Umfang. Die ersten Ausgaben wurden kostenlos verteilt, "danach erfolgte die Zusicherung einer kostenlosen Zustellung in den ersten beiden Oktoberwochen für alle Abonnenten. Selbst noch zum Ende Oktober wurden täglich 25.000 Exemplare kostenlos verteilt."639) Der "Wiesbadener Kurier" reagierte mit einer Reduzierung der Bezugspreise von 3.20 DM auf 2.90 DM pro Exemplar. Außerdem verkündete die Lizenzzeitung am 30. November 1949: "5.000 Kuriere zum halben Preis für Arbeitslose, Fürsorge- und Sozialrentenempfänger."640) Bereits Ende September hatte der "Kurier" der Arbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangene und Heimkehrer in Frankfurt 500 DM gespendet; eine Aktion, die sicher bei der Wiesbadener Leserschaft Sympathien hervorrief. Die Motive der Altverleger, sich wiederum einen Leserkreis zu sichern, sind verständlich, bedenkt man, wie ungerecht sich die strikten Richtlinien der Informationskontrolle auswirken konnten. Schellenberg z.B. musste seine Zeitung 1943 auf Anordnung der NSDAP schließen. In Wiesbaden erschien dann nur noch die "Wiesbadener Zeitung", ein Parteiorgan. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb es dem Altverleger untersagt, sein Blatt wieder herauszubringen. Er erhielt zwar den Pachtzins aus Verlagsgebäude und Druckerei, doch diese Summe war natürlich keineswegs mit den Gewinnen zu vergleichen, die eine Lizenzzeitung im Laufe der Jahre erzielte. Für Gustav Schellenberg kam erschwerend hinzu, dass er 1949 für die Herausgabe einer eigenen Zeitung nicht auf die technischen Hilfsmittel in der Langgasse zurückgreifen konnte, da er einen Pachtvertrag mit den Lizenziaten bis zum Jahr 1958 abgeschlossen hatte. Da er, nachdem die Lizenzzeitung sich trotz mancher Schwierigkeiten einen festen Leserkreis erworben hatte, außerdem Mühe hatte, seinen Käuferstamm zu finden, war es beinahe zwangsläufig, dass er das Altverlegerblatt bald an einen größeren Verlag verkaufen musste. Am 19. August 1950 teilte Schellenberg seinen Lesern mit: "Ein Jahr stärkster Anstrengungen ... liegt nun hinter mir. Dank der Treue und Anhänglichkeit der Leser ist es mir mit meinen Mitarbeitern gelungen, die bezahlte Auflage auf rund 20 000 Exemplare am 1. Juli zu bringen. Um den bis jetzt erzielten beachtlichen Erfolg auf lange Dauer sicherzustellen, zumal der Geldbedarf für ein Zeitungsunternehmen heutzutage die Kräfte eines einzelnen übersteigt, - 182 - habe ich mich entschlossen, die Erfahrungen und die Leistungskraft eines befreundeten Verlages, der ebenfalls auf eine hundertjährige Tradition zurückblicken kann, dem Unternehmen nutzbar zu machen. ... Demnächst wird in der Wiesbadener Zeitungsverlag GmbH das 'Wiesbadener Tagblatt' erscheinen, die ich mit der Mainzer Verlagsanstalt und Druckerei, Will und Rothe Kommanditgesellschaft gegründet habe."641) Das "Tagblatt" wurde danach mit der Bezirksaugabe der "Allgemeinen Zeitung", Mainz, den "Wiesbadener Nachrichten", vereinigt, behielt aber den Titel der örtlichen Altverlegerzeitung, die weiterhin in Wiesbaden und Umgebung erschien. In den fünfziger Jahren pendelte sich die Auflage des "Tagblatt" bei 20.000 ein; die des "Wiesbadener Kurier" betrug etwa dreimal so viel. Dass der "Kurier" Anfang der sechziger Jahre dennoch an die "Mainzer Verlags-Anstalt" verkauft wurde, lag vermutlich nicht an Absatzschwierigkeiten der ehemaligen Lizenzzeitung. Fritz Otto Ulm zog sich, wie er den Lesern mitteilte, "aus gesundheitlichen Gründen ... von der Verlagsarbeit zurück".642) Für ihn war das jedenfalls ein lohnender Entschluss: Die Angaben über die Höhe der Summe, die Ulm für seinen 60-prozentigen Anteil an der "Wiesbadener Kurier Druck-, Haus- und Verlags- GmbH" erhielt, schwanken zwischen 11 und 12 Millionen Mark. Die restlichen Anteile von 40 Prozent blieben noch ein Jahr lang in der Hand von Robert Müller642a), dem Mitinhaber und Geschäftsführer der Zeitung. Müller, seit 1945 in beratender Funktion beim "Kurier" tätig, wurde im Juni 1952 zum Gesellschafter der Zeitung bestellt, gemeinsam mit Ulm und Mayer. Als Georg Mayer im August 1954 starb, gingen dessen Anteile zwar auf seine Frau über; diese wurde aber von Müller und Ulm abgefunden. So erklärt sich, dass Ulm die Mehrheit an der Verlags-GmbH hielt.643) Zum 1. Juli 1965 verkaufte auch Müller seinen Anteil an die MVA, der rund acht Millionen Mark wert gewesen sein soll. Die Ansichten über diese Verkaufsaktion sind unterschiedlich. Harold Hurwitz bezeichnet Ulms Entscheidung als "skrupellos"644), wohingegen die MVA am 1. Juli 1965 meldete: "Dem Erwerb dieser Wiesbadener Zeitung durch die MVA kommt große Bedeutung zu. Die MVA hat mit ihren Zeitungen 'Allgemeine Zeitung', Mainz und Nebenausgaben, der 'Wormser Zeitung', dem 'Wiesbadener Tagblatt' mit Nebenausgaben, dem 'Wiesbadener Kurier' mit Nebenausgaben und dem 'Darmstädter Echo' im Rhein-Main-Gebiet nun eine dominierende Stellung errungen."645) - 183 - 7 Die "Fuldaer Volkszeitung" zwischen 1945 und 1949 7.1 Lizenz für eine neue Zeitung in Fulda An einem Freitag, dem 26. Oktober 1945, erschien zum ersten Mal die "Fuldaer Volkszeitung". Sie kostete 20 Pfennige pro Ausgabe und 1.60 RM im Monat einschließlich 30 Pfennigen Zustellgebühr. Im Zeitungskopf trug sie den Vermerk "Veröffentlicht unter Lizenz Nr. 30 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung. Schriftleitung und Verlag: Fulda, Peterstor 20." In der Rückschau werden die Ereignisse zur Vorbereitung dieser ersten Zeitungsnummer so beschrieben: "... Für den Raum Fulda war ein amerikanischer Leutnant namens Schöppler für die Lizenzierung der Zeitung zuständig. Es handelte sich um einen deutschsprechenden Mann, der sich offenbar mit der Beurteilung der Bewerber um die Lizenz der Zeitung sehr schwer tat. Nach 6 Wochen hatte er sich noch für keinen der Bewerber entschieden. Eines Tages fand in der im Stadtschloß stationierten amerikanischen Dienststelle, die sich seinerzeit mit der sogenannten Entnazifizierung sämtlicher Behördenstellen befaßte, eine längere Aussprache unter Vorsitz eines amerikanischen Majors statt. Im Laufe des langen Gesprächs mit den Amerikanern stellte sich zufällig heraus, daß der von den Amerikanern für das Fuldaer Gebiet eingesetzte deutsche Leiter der Entnazifizierungsstelle, Heinrich Kierzek645a), selbst Pressefachmann war. Der aus Duisburg am Niederrhein stammende Mann hatte seine journalistische Laufbahn am 1. März 1928 in Aachen beim 'Echo der Gegenwart' begonnen, einer Parteizeitung des Zentrums. Er durchlief alle Sparten in der Redaktion dieser Zeitung und war unter anderem längere Zeit als Sportredakteur tätig. Als diese Zentrumszeitung am 31. Dezember 1935 von den Machthabern des Dritten Reiches verboten wurde, war er stellvertretender Chefredakteur. Heinrich Kierzek suchte sich nach seiner Entlassung eine Stellung in der Aachener Industrie. Er wurde im August 1940 auf dem Wege zur Arbeitsstätte von der Gestapo verhaftet und bis zu seiner Befreiung durch die Amerikaner in verschiedenen deutschen Gefängnissen festgehalten. Die Amerikaner sortierten 1945 die politischen von den kriminellen Häftlingen aus. Intelligente bzw. befähigte Leute wurden bei der von ihnen geplanten Entnazifizierung oder bei neu zu besetzenden Ämtern vorgesehen. Heinrich Kierzek wurde nach einem Lehrgang in Bad Orb zur örtlichen Militärregierung in Fulda versetzt, wo er deutscher Leiter der sogenannten 'Special Branch' war. In dieser Eigenschaft hatte er die Fragebogen aller Beamten und sonstigen Personen, die in wichtigen Funktionen tätig gewesen waren, gemäß den amerikanischen Entnazifizierungsrichtlinien zu bearbeiten. ... Heinrich Kierzek hatte sich nicht um die Lizenz der in Fulda vorgesehenen Zeitung beworben. Er hatte vielmehr die - 184 - Absicht, nach Erfüllung der ihm von den Amerikanern übertragenen Aufgabe wieder nach Aachen zurückzukehren. Die Amerikaner waren seinerzeit bereit, die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung für den Raum Fulda dem letzten Chefredakteur der 'Fuldaer Zeitung' vor ihrer Umfunktionierung zum amtlichen Parteiorgan der NSDAP, Dr. Johannes Kramer, zu übertragen. Dr. Kramer stammte aus dem Fuldaer Raum, er war strenggläubiger Katholik und hatte Zeit seines Lebens die Ansichten der katholischen Zentrumspartei vertreten. Er war deshalb wie Heinrich Kierzek von der Gestapo verhaftet und inhaftiert worden. Dr. Kramer lehnte jedoch die Annahme der Lizenz mit der Begründung ab, er wäre schon zu alt, um die Herausgabe einer völlig neuen Zeitung, wie sie die Amerikaner forderten, zu bewältigen. Er war aber bereit, im Redaktionskollegium mitzuwirken. Dr. Kramer war dann auch viele Jahre stellvertretender Chefredakteur der 'Fuldaer Volkszeitung' und ein wertvoller Berater besonders in der Zusammenarbeit mit der Fuldaer Kreisverwaltung, wo er später auch das Amt eines stellvertretenden Landrates ausübte ... . Heinrich Kierzek bat sich zunächst Bedenkzeit aus, stimmte aber einige Tage darauf der Lizenzübernahme zu. Die Lizenz mit der Nr. 30 ... wurde am 21. Oktober 1945 erteilt. Sie erschien zum ersten Male am 26. Oktober 1945 mit einer 'unverkäuflichen Probenummer' und am 31. Oktober mit ihrer Nr.1, Jg.1."646) Kierzek wurde - wie auch der Herausgeber der "Werra-Rundschau" in Eschwege, Hans A. Kluthe, der Lizenzträger des "Waldecker Kurier" in Korbach, Ludwig Steinkohl, und Udo Bintz, "Offenbach-Post" - alleiniger Herausgeber der Zeitung. Es muss jedoch in der Planung auch anderes beabsichtigt gewesen sein, denn Harold Hurwitz schreibt dazu: "Nachdem Colonel McMahon, der Chef der ICD in Bayern, in gleicher Eigenschaft nach Hessen versetzt wurde, wandte er sich ... wegen der Hinzuziehung eines zweiten Lizenzträgers an den Alleinherausgeber der 'Fuldaer Volkszeitung'. Als sein Vorschlag jedoch nicht auf Gegenliebe stieß, wurde er nicht wiederholt. Der Lizenzträger der 'Fuldaer Volkszeitung' ... hatte den Eindruck, daß der Colonel auf Richtlinien Rücksicht nehmen mußte ..."647) Die "Fuldaer Volkszeitung" wurde in den Kreisen Fulda, Schlüchtern, Lauterbach, Alsfeld, Hünfeld und Hersfeld mit einer Gesamtauflage von zunächst 45.000 - später über 50.000 - Exemplaren verbreitet. Der Kreis Alsfeld wurde bald darauf zwischen der "Gießener Freien Presse" und der "Fuldaer Volkszeitung" aufgeteilt, im Kreis Hersfeld las man außerdem die "Hessischen Nachrichten", Kassel. Kierzek startete mit sieben Redakteuren, die als Angestellte in dem von Kierzek neu gegründeten Verlag beschäftigt waren. Drei von ihnen gehörten zum "christlichen Lager, einer war Sozialdemokrat, zwei galten als Liberale und eine Dame als Vertreterin der KPD."648) Bei der ersten Redaktionskonferenz am 25. Oktober - 185 - waren Johannes G. Schlosser, Fritz Maubach, Hedwig Meyer (Redaktionssekretärin), Hans Seifert, Hans Joachim Rauschenbach (einer der beiden Volontäre) und Gerd Simon649) (zuständig für den Lokalteil) anwesend. "Die Berufung", so Kierzek, "erfolgte nach außen hin zwar durch mich, in Wirklichkeit aber durch die ICD, von der alle Bewerber vorher wochenlang geprüft worden waren. Selbstverständlich hätte mir die ICD das Recht eingeräumt, einen von mir als nicht geeignet angesehenen Bewerber abzulehnen, wovon ich aber keinen Gebrauch machte. Ich hatte ja auch in der Kürze der Zeit keine Möglichkeit, sie fachlich zu überprüfen. Diese Gelegenheit ergab sich erst im Laufe der praktischen Arbeit. Ich habe dann schon nach wenigen Monaten einen der mir zugeteilten Redakteure entlassen, mußte dazu allerdings die Genehmigung der ICD einholen."650) Nach Angaben des Verbands hessischer Zeitungsverleger erhielten zwei Schriftleiter jeweils 600 RM im Monat, drei Schriftleiter verdienten je 300 RM, die beiden Volontäre bekamen zwischen 200 und 350 RM und die ständigen Mitarbeiter der Zeitung im Wirtschaftsteil und im Bereich der Kommunalpolitik zwischen 200 und 250 RM. Im Feuilleton wurden außerdem als Zeilenhonorar 30 Pfennige bezahlt, im Lokalteil 50 Pfennige und in den übrigen Ressorts 20 Pfennige pro Zeile.651) Bis zum Ende des Jahres 1945 hatte Kierzek zudem bereits zwei Volontäre eingestellt; der zweite, Walter Gollbach, wurde später stellvertretender Chefredakteur der Zeitung.652) Hier war das Problem der Einstellung größer als bei den Redakteuren. Laut Kierzek lag die Ursache darin, dass hierfür nur Abiturienten in Fragen kamen. "'Unbeschriebene' Abiturienten", so Kierzek, "standen aber nicht zur Verfügung, denn nach Kriegsende hatten noch keine Abiturienten-Prüfungen stattgefunden, und die übrigen hatten in der Wehrmacht gedient, meist als Offiziere. So waren auch unsere beiden ersten, im Jahre 1945 eingestellten Volontäre ehemalige Offiziere, einer sogar Berufsoffizier."653) Beide wurden von der ICD gründlich überprüft und erst danach konnten sie eingestellt werden.654) Zunächst erschien die "Fuldaer Volkszeitung" nur zweimal wöchentlich, von März 1946 an dann dreimal, und erst nach der Währungsreform wurde sie täglich gedruckt. In der ersten Ausgabe veröffentlichte Kierzek auf Seite 1 den Leitartikel "Befreite Presse". "... Der Mitarbeiterstab", schrieb der Lizenzträger, "ist bewußt so zusammengesetzt worden, daß jede zugelassene Partei zu Wort kommen kann. Gerade durch einen ständigen Vergleich der Stimmen aus den verschiedenen Lagern soll der Leser dazu gebracht werden, sich über alle Fragen ein eigenes Urteil zu formen. Aus so verschiedenartigen Verhältnissen die einzelnen - 186 - Schriftleiter kommen: Über das Ziel und den Weg dahin gibt es keine Meinungsverschiedenheit! ... Wir wollen gemeinsam der Wahrheit, der Freiheit und der Gerechtigkeit dienen."655) Die Lizenzübergabe fand ebenfalls in der ersten Nummer großen Raum. Mit "Fulda hat eine eigene Zeitung" berichtete das Blatt, Oberstleutnant John B. Stanley, Kommandeur der 6871 Nachrichtenkontrollabteilung, habe auf der ersten Konferenz der neuen deutschen Presse in der Marburger Universität am 20. Oktober 1945 die Lizenz zur Herausgabe der 'Fuldaer Volkszeitung' an Heinrich Kierzek überreicht und dabei u.a. gesagt: "... Die hier versammelten Leute gehören den verschiedensten politischen Richtungen und Glaubensbekenntnissen an und haben alle verschiedene Erziehung genossen. Sie sind zu einem gemeinsamen Zweck hier zusammengekommen: nämlich die Entwicklung einer ehrlichen und demokratischen Presse in Deutschland zu fördern. Indem sie ihre Unterschiede zurückstellen und ihre Kräfte vereinen, indem sie die neue deutsche Presse so gestalten, daß sie allen Gegnern des Faschismus offensteht und sich keinem Druck unterwirft, können sie ihren Mitmenschen am besten dienen. ... Wir setzen das Vertrauen in die 'Fuldaer Volkszeitung', daß sie unter Ihrer Führung ehrlich, unparteiisch und objektiv sein wird .."656) Der Landrat des Landkreises sprach die Hoffnung aus, "daß die neue Zeitung den ländlichen Gesichtspunkten und dem Geiste des Landvolkes weitgehend Rechnung trägt."657) Die Militärregierung teilte mit: "Herr Heinrich Kierzek ... ist uns und der Bevölkerung gut bekannt. Er genießt unser volles Vertrauen. Als Zeitungsfachmann mit unbedingt antinazistischen Grundsätzen hat er einen Stab von Schriftleitern und Mitarbeitern aufge- stellt, der nur das eine Bestreben hat, der deutschen Bevölkerung mit unbeeinflußten Nachrichten und Leitartikeln zu dienen."658) Zunächst blieben die Möglichkeiten der Leser, sich mittels der "Volkszeitung" ein umfassendes Bild des Geschehens zu beschaffen, aufgrund der technischen Unzulänglichkeiten jedoch begrenzt. Die Zeitung hatte wegen der Papierkontingentierung zwischen vier und acht Seiten Umfang einschließlich des vorgeschriebenen Achtels an Anzeigen. Die Seiten 1 und 2 brachten neben dem Leitartikel oder Kommentar politische Informationen. Auf den Seiten 3 oder 4 wurden - je nach Umfang - Wirtschafts- und/oder Lokalnachrichten veröffentlicht, die Seite 5 blieb häufig dem Feuilleton und der lokalen Kultur vorbehalten, und auf der sechsten Seite erschienen Sportmeldungen sowie Inserate u.a. Die Leitartikel wurden nicht immer vom Lizenzträger selbst geschrieben, wie oft bei anderen Zeitungen üblich, sondern auch von den Redakteuren Johannes Kramer, Georg Simon, Johannes - 187 - Schlosser oder auch vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt Fulda, Cuno Raabe.659) Kierzek selbst überschrieb seine Artikel mit "Wir klagen an", "Liebe zur Uniform", "Befehl ist Befehl?", "Einst und heute" oder "Angst vor Politik", Themen, die unschwer die Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit erkennen lassen. Beschäftigung mit der Vergangenheit hieß für Kierzek aber auch, ob das neue Blatt den Ansprüchen der Leser entsprach. Schließlich hatte es bis zum 29. März 1945 in Fulda und Umgebung die 1874 gegründete "Fuldaer Zeitung" gegeben, gedruckt und herausgegeben im Verlag Parzeller und Co. am Peterstor 18, die bis zur Einstellung einen festen Leserkreis hatte. Hans-Joachim Rauschenbach, der erste Volontär der neuen Lizenzzeitung und nach Beendigung seiner Lehrzeit im Jahr 1947 dort als politischer Redakteur tätig - er verließ die "Volkszeitung" am 31. Juli 1953, um später beim Fernsehen zu arbeiten -, wusste die Frage nach der Popularität bereits am 14. September 1946 zu beantworten. Er teilte auf eine Anfrage mit: "Die neue FV ist ohne Zweifel besser als die bisherige FZ. Ehrgeiz und Eifer haben der FV eine Linie verliehen, die als über der FZ stehend zu betrachten ist."660) Gefragt: "Hat die Zeitung jenen religiösen Charakter, der den Auffassungen der lokalen Leserschaft entspricht?" antwortete er: "Im allgemeinen ja. Eine direkte Festlegung in eine konfessionelle Richtung empfiehlt sich nicht, da das Verbreitungsgebiet der FV auch einen ziemlichen Prozentsatz an protestantischen Ortschaften umfaßt, im Gegensatz zum Fuldaer Land, das als rein katholisch zu betrachten ist. Die Bedeutung Fuldas als kirchlicher Mittelpunkt findet angemessenen Widerhall in der FV, ohne den Eindruck eines Kirchenblattes aufkommen zu lassen." Rauschenbach weiter: "Die demokratische und antinazistische Tendenz der FV ist unverkennbar. Sie findet ihren stärksten Ausdruck in den Leitartikeln des Lizenzträgers und des Dr. Kramer. .... Zustimmung aus dem Leserkreis läßt erkennen, daß die Art und Weise die richtige ist ... . Es ist anzunehmen, daß die FV das richtige kulturelle und intellektuelle Niveau besitzt. Dem gemischten Leserkreis ist hierbei wohl schwer Rechnung zu tragen, doch sollte die FV jedem Durchschnittsleser verständlich sein ... Die Technik der FV ist ... der breiten Masse der Leser in ihrer großen Unterschiedlichkeit angepaßt. Neben einer subtilen Form wird eine klare und eindeutige Sprache geführt, die auf ein Einhämmern bewußt verzichtet ... Die FV ist sich dessen bewußt, daß sie eine deutsche Zeitung ist. Ihr liegt in erster Linie das Wohl und Wehe Deutschlands am Herzen. Eine Kritik an den Besatzungsmächten wird - gemäß den Lizenzbestimmungen - peinlichst vermieden. ... Die FV wurde mir gegenüber als zu sachlich, zu nüchtern bezeichnet. Ein Zeichen, dass der eingeschlagene Weg richtig ist, die Leserschaft aber auch und gerade sogenannte Intellektuelle mit einer sachlichen und objektiven Wiedergabe von Nachrichten noch wenig anzufangen wissen und - im Vergleich zur früheren Nazi-Presse - die ihnen noch unbequeme Arbeit der eigenen Meinungsbildung krass und ungewohnt empfinden. ... Beliebt ist die FV wegen ihrer aktuellen Berichterstattung und ihrer Vielseitigkeit. In demo- - 188 - kratischen Kreisen erfreut sich ihr gerader und unzweifelhafter Kurs größter Anerkennung. Unbeliebt ist die FV bei den ewig Gestrigen, ob ihrer antinazistischen Linie willen. Unzufrieden sind einige wenige Parteifanatiker, weil die FV unbeirrbar an ihrer überparteilichen Form festhält. Unzufrieden sind jene, die in der FV zu gern die alte FZ (Fuldaer Zeitung) gesehen hätten und jetzt mit einem gewissen Erstaunen mit dem neuen Namen der Zeitung auch einen fri- scheren Wind verspüren. Eine Tatsache, die bei der großen Mehrzahl der Leser freudig festgestellt wurde. Die FZ, das zu lokal und einseitig ausgerichtete Blatt, existiert nicht mehr. An ihrer Stelle erscheint die FV, die, ohne zu bevorzugen und zu benachteiligen, jedem Leser eine unbeeinflußte Meinungsbildung ermöglicht: Eine Feststellung in unserem Leserkreis, die uns tatsächlich Achtung und Ruf verschafft hat."661) Natürlich war es auch für die ICD von Interesse, wie das neue Blatt in der Öffentlichkeit beur- teilt wurde. Der örtliche Presseoffizier - der erste war Otto Schöppler aus Mannheim - (Kierzek zufolge wechselten sie in Fulda sehr häufig) berief deshalb monatlich eine Kon- ferenz ein, zu der neben der "Fuldaer Volkszeitung" auch Vertreter der zugelassenen Parteien, Gewerkschaften, des Bischöflichen Stuhls, der Industrie- und Handelskammer eingeladen waren. Heinrich Kierzek fühlte sich bei diesen Versammlungen immer wie auf der Anklagebank, hielt die Zusammenkünfte andererseits aber für sehr nützlich, da sie "wertvolle Fingerzeige und Anregungen enthielten."662) Im Zweifelsfall, so Kierzek, sei der ICD-Offizier immer auf der Seite der Lizenzzeitung gewesen. Ende des Jahres 1945 war Vincent O. Anderson, der bereits mehrere hessische Zeitungen lizenziert hatte und bekannt war für seinen "harten" Kurs, auch Presseoffizier in Fulda. Kierzek kam mit ihm nach eigenen Angaben "recht gut aus, obwohl er ein übereifriger Mann und in manchen Dingen sehr kleinlich war."663) Ärger gab es dennoch wenig später mit ihm. Der Feuilletonredakteur Fritz Maubach musste seine Wohnung räumen, um der Besatzungsmacht Platz zu machen. Als er nächtens noch schnell seinen Flügel aus der Unterkunft holen wollte, wurde er dabei entdeckt und sollte nach gängigem Recht dafür vor ein Militärgericht gestellt werden. Anderson, der sich der Angelegenheit annehmen musste, schloss mit Kierzek den Kompromiss, Maubach wegen dieser Sache zwar nicht gerichtlich zu belangen, ihn aber als Redakteur der "Volkszeitung" zu entlassen. Kierzek folgte diesem Vorschlag, beschäftigte Maubach aber weiter unter Fortzahlung der Bezüge als freien Mitarbeiter.664) (Fritz Maubach wurde später wieder als Redakteur der "Fuldaer Volkszeitung" eingestellt.) Über den Presseoffizier berichtet Heinrich Kierzek: "Dieser Mr. Anderson galt später, als er die gesamte Lizenzpresse Hessens betreute, als ein besonders entschiedener Antikommunist. Wann er sich innerlich wandelte, - 189 - ist nach so langer Zeit aus der Rückschau schwer zu bestimmen. ... Wenn ich mich auch nicht erinnere, ... so glaube ich doch ganz bestimmt, daß sie wesentlich später in Erscheinung trat als in der hohen US-Politik. Sein Fall sieht nach außen wie ein Beweis dafür aus, daß es auch unter den amerikanischen Presseoffizieren Opportunisten gab. Fritz Maubach hielt ihn für einen verkappten Kommunisten."665) Vom 12. März 1946 an bekamen die Leser der "Fuldaer Volkszeitung" dreimal pro Woche - "in den Morgenstunden", wie die Zeitung mitteilte -, und zwar dienstags, donnerstags und samstags ihr neues Blatt in die Hand. Kierzek selbst hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Nürnberg auf und berichtete der Öffentlichkeit von den Kriegsverbrecher-Prozessen. Unter der Überschrift "Nürnberger Tagebuch" erschien dazu eine Artikelserie auf der zweiten Seite der Zeitung. Inzwischen gab es auch eine Spalte für Leserzuschriften, betitelt "Das freie Wort", sowie Nachrichten "Aus dem Parteileben". Im Mai sah sich die "Volkszeitung" gezwungen, für eine Woche eine Anzeigensperre zu verhängen, nachdem die Inserate den vorgesehenen Platz überschritten hatten. Im Mai fanden auch die Stadtverordneten-Wahlen in den neun Städten Groß-Hessens statt; die SPD erreichte in Fulda 3.527 Stimmen, die CDU 10.118, die KPD 800 und die LDP 1.418. Die Pflichtaufgabe, die der Lizenzpresse oblag, erledigte Heinrich Kierzek in seiner Zeitung im Laufe des Jahres 1946 mit sichtlichem Engagement: die Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus. Er scheute sich nicht, in einem seiner Leitartikel gegen den "Herrn Oberstaatsanwalt" in Kassel zu wettern.666) Anlass war ein bereits zuvor erschienener Beitrag von ihm, in dem er einen Mann aus der Umgebung Fuldas an den Pranger gestellt hatte, der vor der Machtergreifung in Berlin "zwei Reichsbannerleute erschossen und damit den Befähigungsnachweis zur Anstellung als Förster" erbracht hatte. Der Staatsanwalt hatte wegen des Artikels gegen den Lizenzträger "wegen verleumderischer Beleidigung" Anzeige erstattet. "Ich werde", schrieb Kierzek, "hochnotpeinlich darüber verhört, wie ich dazu komme, einen Nazi auch tatsächlich einen Nazi zu nennen. Gewiß: Es geht gesitteter zu als bei der Gestapo. Man wird im demokratischen Staat beim Verhör weder bedroht noch geschlagen, die Beamten tragen auch das Parteiabzeichen nicht mehr, aber sonst war es genau so wie damals: Der Nazigegner war der Beschuldigte, der Nazi der Kläger. Man fragt sich unwillkürlich, worüber man mehr staunen soll: Über die Unverfrorenheit des Gersfelder Obernazis oder über die Ahnungslosigkeit des Kasseler Oberstaatsanwalts, der es ohne Rückfrage an orientierter Stelle zuläßt, daß die Machtbefugnisse seiner Dienststelle zur Verstärkung des Naziterrors mißbraucht werden. Herr Oberstaatsanwalt, ich nehme zu Ihren Gunsten an, daß Sie die Verhältnisse in Gersfeld nicht kennen, - 190 - obwohl man eigentlich verlangen könnte, daß Sie sich einen Artikel wenigstens durchlesen, bevor Sie ihn zum Anlaß eines Ermittlungsverfahrens gegen seinen Verfasser nehmen. ... Wir sehen es ... als eine der wichtigsten Aufgaben der demokratischen Presse an, dem Volk klar zu machen, daß es sich vor den ehemals führenden Nazis nicht mehr zu fürchten braucht, auch wenn sie noch so viel Geld und Einfluß haben. ... Sie haben den Ruhm, Herr Oberstaatsanwalt, das erste politische Verfahren gegen den Lizenzträger einer neuen demokratischen Zeitung eingeleitet zu haben. Sicherlich wird es einmal ein Kuriosum in der Geschichte der neuen deutschen Presse bilden, daß in diesem Verfahren ausgerechnet ein bekannter Nazi als Kläger gegen einen politischen Gegner auftritt. Glauben Sie nun nicht, die neue demokratische Presse wolle ein 'Kräutlein rühr mich nicht an' sein. Ganz im Gegenteil! Die Männer, die sie gestalten, sind zum überwiegenden Teil im Dritten Reich irgendwie mit den Nazigerichten in Konflikt geraten. Sie sind gewohnt, für ihre Taten und Worte geradezustehen und können schon einen Puff vertragen ..."667) Kierzeks Artikel erregte Aufsehen bei vielen Lesern, die seinen Ausführungen größtenteils vehement zustimmten. So schrieb ein Leser: "Ich freue mich, daß dieser Strauß von einem der besten Männer der neuen deutschen Presse ausgefochten wird."668) Vor allem aber die Kollegen anderer hessischer Lizenzzeitungen nahmen den Vorfall zum Anlass ausführlicher Berichterstattung. Die amerikanische Armeezeitung "Stars and Stripes" berichtete in ihrer Ausgabe vom 1.Oktober des gleichen Jahres: "Die gesamte deutsche Presse der amerikanischen Zone ist in Kampfstimmung. Die Ursache dieser Kampfesfreudigkeit ist das erste Verfahren, daß gegen eine deutsche Zeitung im Nachkriegsdeutschland eingeleitet wurde. Die Frage, die so hitzig umstritten wird, lautet: Hat eine deutsche Zeitung das Recht, einen Nazi einen Nazi zu nennen? Die junge freie demokratische Presse Deutschlands kämpft diese erste wichtige Schlacht für ein Recht, das den Herzen der deutschen Publizisten sehr nahesteht. Nämlich das Recht, unabhängig von der Regierungskontrolle zu bleiben. ... Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen erscheint dieses Verfahren, das auf Antrag eines Privatmannes eröffnet wurde, von prinzipieller Bedeutung." Ebenso wenig kompromissbereit zeigte sich Heinrich Kierzek wenig später gegenüber den Bischöfen der Diözesen Fulda, Mainz und Limburg. Die "Fuldaer Volkszeitung" hatte am 26.November einen "Hirtenbrief zur Hessischen Verfassung" abgedruckt, der von den Autoren dann als "gefälschte Fassung" bezeichnet wurde. Kierzek schrieb dazu am 30.11. 1946: "Es ist nicht unsere Aufgabe, zu untersuchen, wieso ein nicht zur Veröffentlichung bestimmter Hirtenbrief durch Indiskretion an die Öffentlichkeit gelangen konnte. ... Wer für sich das Recht in Anspruch nimmt, ausgerechnet die einzige Zeitung der US-Zone, die den - 191 - endgültigen Hirtenbrief im vollen Wortlaut an hervorragender Stelle abdruckte, an ihre journalistische Pflicht zu erinnern, sollte seinerseits wenigstens das Verantwortungs- bewußtsein besitzen, die Stichhaltigkeit seiner Anwürfe vorher zu prüfen, wenn er sich nicht dem Vorwurf leichtfertiger Handlungsweise aussetzen will."669) Zum einjährigen Bestehen der Zeitung teilte Kierzek den Lesern unter der Überschrift "Der neue Zeitungstyp" mit: "... Die überparteilichen Zeitungen sind durchaus nicht parteilos oder neutral. Es gibt keine Frage von öffentlichem Interesse, in der sie nicht Partei ergreifen. Sie tun es stets in klarer und unmißverständlicher, nicht selten sogar in leidenschaftlicher Form. Sie berichten objektiv, welche Stellung die einzelnen Parteien zu wichtigen Tagesfragen einnehmen, aber sie wahren ihre volle Unabhängigkeit gegenüber den Parteien, sie stehen sozusagen über ihnen und verzichten durchaus nicht auf ihr Recht, nicht nur an den Regierungsstellen und Behörden, sondern - wenn es sein muß - auch an den Parteien und ihren Führern sachliche Kritik zu üben. ... Ehe wir uns bereitfinden würden, auch nur einen Bruchteil des kostbaren Zeitungsraums für ein häßliches, nur zu oft persönlich gefärbtes Parteiengezänk zu opfern, müssen wir ganz sicher sein, daß jeder unserer Leser sich endgültig freigemacht hat von der gefährlichen Nationalkrankheit der Deutschen, jeden politischen Gegner als einen Lumpen und jede seiner Ansichten als Ausbund der Gemeinheit und Dummheit anzusehen. Die Achtung auch vor dem politischen Gegner zu heben und derart den politischen Kampf zu entgiften und fair zu gestalten - das ist eine der wichtigsten Aufgaben der überparteilichen Presse, die auch nach einem späteren Wiedererstehen der Parteiblätter in unserer Zone eine wichtige Rolle im politischen Leben spielen wird. Es ist - daran glauben wir fest - ein neuer Zeitungstyp, der eine bedeutsame Mission zu erfüllen und gerade deshalb in Deutschland eine große Zukunft hat. Wie alles Neue, mußte und muß sich auch dieser neugeschaffene Zeitungstyp Ansehen und Achtung erst selbst erkämpfen. Es wird ihm nicht nur Beifall gezollt, er hört natürlich auch viel Kritik - berechtigte Kritik und andere. Er begegnet zahlreichen Mißverständnissen und Irrtümern und gelegentlich sogar offensichtlichem Übelwollen. Das ist nur natürlich bei einer Zeitung, die in allen die Allgemeinheit interessierenden Fragen entschieden Stellung bezieht und auf diese Weise ihre Leser mit jeder Ausgabe gewissermaßen zwingt, ihrerseits irgendwie Stellung zu nehmen, sei es zustimmend, kritisch oder ablehnend. Jede Zeitung hat ihre eigenen Sorgen und Probleme, denn jede findet in ihrem Bereich eine andere Situation vor, jede muß andere Vorurteile überwinden. Die 'Fuldaer Volkszeitung' kämpfte in dieser Hinsicht (und kämpft zum Teil noch!) sozusagen an zwei Fronten. In der Stadt Fulda gibt es viele Leser, die es durchaus nicht verstehen können, daß ihr Blatt nicht alle Anstrengungen macht, um in Aufmachung und Haltung der früheren 'Fuldaer Zeitung', wie sie bis zum Jahre 1933 aussah, ähnlich zu werden, und sie wiederholen immer wieder den Wunsch, die 'Fuldaer Volkszeitung' möchte sich in ihrer politischen Tendenz doch der Einstellung der überwiegenden Mehrheit der Stadtbevölkerung anpassen, wie sie in den Wahlen zum Ausdruck gekommen sei. Die guten Leute übersehen ganz, daß die Auflage der 'Fuldaer Volkszeitung' heute vier- bis fünfmal so hoch ist wie die der als Vorbild hingestellten Vorgängerin, und daß wir nur wenig mehr als ein Zehntel dieser Auflage in der - 192 - Stadt Fulda belassen dürfen, während die übrigen neun Zehntel in Kreise gehen, von denen einige eine ganz andere Struktur aufweisen. In diesen Kreisen aber kämpfen wir gewissermaßen an der umgekehrten Front. Geht man etwa nach Hersfeld oder Lauterbach, so begegnet man dort stellenweise einem tief eingewurzelten Mißtrauen gegenüber allem, was aus Fulda kommt. Eine Zeitung aus Fulda - das kann nach Auffassung dieser Leute kaum etwas anderes sein als ein um einige politische Meldungen bereichertes Kirchenblatt, das Fuldaer Kirchturmspolitik betreibt. Die Überwindung dieses zweiten Vorurteils gestaltet sich ebenso schwierig wie die des ersten. Ein Jahr Aufklärungs- und Erziehungsarbeit hat aber auf beiden Fronten bereits starke Breschen in die Reihen derer geschlagen, die uns zunächst mißtrauisch und zurückhaltend gegenüberstanden. Wir haben nicht den Ehrgeiz, ein Weltblatt zu sein, wenn wir es auch mit Genugtuung vermerken, daß Leitartikel der 'Fuldaer Volkszeitung', nicht nur in Berliner, Münchener, Frankfurter und Hamburger Blättern nachgedruckt, sondern auch in deutschsprachigen Zeitungen zitiert wurden. Wir wollen uns aber auch nicht mit der Rolle eines Lokalblättchens begnügen, daß kurzsichtige Kirchturmspolitik betreibt. Was wir wollen, ist, eine Heimatzeitung mit solidem Niveau und fachlich gut ausgebildeten, kämpferisch gesonnenen Mitarbeitern zu sein, die auch über das engere Verbreitungsgebiet hinaus etwas zu sagen haben und ihre Stimme in der Gewißheit erheben können, daß sie auch in größerer Ferne und an höherer Stelle gehört und respektiert werden."670) Zudem rückte Heinrich Kierzek "seine" Zeitung, die doch verglichen mit anderen Lizenzblättern in Hessen in der Auflage recht klein war, kontinuierlich ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Sie nahm unter seiner Leitung den Auftrag, nicht nur Meldungen zu verbreiten, sondern vor allem zu kommentieren - besonders, wenn es um das Anprangern von Missständen ging -, sehr ernst. Obwohl Kierzek damit rechnen musste, dass der Altverleger auch in Fulda nur darauf wartete, mit seinem Blatt wieder an die Öffentlichkeit zu gelangen, verfiel er nicht in die Rolle anderer Lizenzträger, die aus Angst vor der erwarteten Konkurrenz immer wieder ihren Status als Heimatzeitung betonten. Die Legitimation zu seinem manchmal recht aggressiven Stil suchte und fand er zwischendurch immer bei der amerikanischen ICD oder in Kommentaren amerikanischer Zeitungen. Am 9. September 1947 begann er einen Leitartikel mit einem Zitat: "'Sie wissen viel besser als ich, daß deutsche Beamte und Bürokraten nicht gewohnt sind, der Kritik der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein. Für zu lange Zeit sind sie über jede Kritik erhaben gewesen, und ebenso ist Ihr eigenes Volk nicht gewohnt, die Regierung zu kritisieren. Es ist aber auch nicht gewohnt, Kritik von anderer Seite entgegenzunehmen. Das Volk ist nicht gewohnt, im täglichen Leben der Entscheidung gegenüberzustehen, ob die Regierung richtig oder falsch gehandelt hat, und was getan werden muß, um Fehler zu berichtigen. Sie müssen jedem einzelnen Ihrer Leser helfen, ein Gefühl persönlicher Verantwortung für seine Regierung zu entwickeln. Überlegen Sie einen Moment, wie anders die Geschichte Ihres Landes hätte verlaufen können, wenn die - 193 - deutsche Presse und durch sie das deutsche Volk sich ständig und aggressiv mit Skepsis der Autorität gegenüber verhalten hätte.'"671) Kierzek gab hier die Ansichten von Geoffrey Parsons, dem Chefredakteur der "New York Herald Tribune", wieder. Die Rückenstärkung ausländischer Journalisten werde, so Kierzek, nicht aus platonischen Sympathiegefühlen gewährt. Es stehe viel mehr, vielleicht alles auf dem Spiel. Im Ausland wisse man nur zu genau, dass der Ausgang des Kampfes, den die deutsche Presse zur Zeit führe, zugleich auch über das Schicksal des demokratischen Gedankens in Deutschland schlechthin entscheide. "Gelingt es der deutschen Presse jetzt nicht, sich unabhängig zu halten von etwaigen Regierungseinflüssen; vermag sie nicht, die leitenden deutschen Regierungsbeamten an den Gedanken zu gewöhnen, daß eine Regierung immer der Kritik unterworfen bleiben müsse, wenn sie Dienerin und nicht Herrin der Gesellschaft sein solle, aus der sie gewachsen ist; bringt sie es nicht fertig, in der überwiegenden Mehrzahl der deutschen Menschen das Gefühl dafür zu wecken und zu entfalten, daß jeder von ihnen persönlich die Verantwortung für die Regierung seines Landes und ihre Taten trägt, so wird von Deutschland her für die Welt immer ... Gefahr drohen. ... Was in Ländern mit einer langen und fruchtbaren demokratischen Tradition zu den Selbstverständlichkeiten gehört, müssen wir uns in Deutschland vielfach erst mühselig erkämpfen. Die Bereitschaft, eine sachliche Kritik an ihrer Arbeit als notwendig und positiv anzuerkennen, ist bei deutschen Regierungsmitgliedern und Beamten nicht stark entwickelt. Sie neigen lieber viel eher dazu, jede kritische Bemerkung als einen persönlichen Angriff anzusehen und reagieren darauf entsprechend sauer. Und wenn sie sich wehren, dann wenden sie sich selten gegen das, was der Kritiker ihnen vorwirft, sondern meist gegen ihn persönlich. Der böse Kritiker ist dann an allem schuld. Böse muß er nach ihrer Ansicht schon sein, sonst würde er sie ja nicht kritisieren. So entstand an manchen Orten ein gespanntes Verhältnis zwischen Regierung und Behörden einerseits und der Presse andererseits. Wo das Verständnis dafür nicht vorhanden ist, daß eine Zeitung, die der Regierung nicht skeptisch gegenübertritt und ihre Arbeit nicht kritisch unter die Lupe nimmt, ihre Pflicht versäumen würde, ist eine andere Entwicklung nicht möglich. Sie bedeutet in der heutigen Zeit insofern eine gewisse Gefahr, als die Journalisten, die ihren Lesern immerfort die Wahrheit, das heißt immerfort viel Unpopuläres sagen müssen, in eine zunehmende Vereinsamung geraten. Stellenweise stehen sie fast schon wieder so einsam da wie in den zwölf Jahren, wo sie zum Schweigen verurteilt waren. Damals schwiegen sie und nahmen die schwersten Prüfungen auf sich, weil sie an die Notwendigkeit der Pressefreiheit, einer freien Meinungsäußerung und einer gesunden, sachlichen Kritik glaubten. Heute kämpfen sie in vorderster Reihe um die endgültige Verwirklichung und Verankerung dieser unveräußerlichen Rechte auch in ihrem Volk."672) Einen Monat später beschäftigte sich der Lizenzträger erneut mit dem Verhältnis von "Regierung und Presse": "Es geht uns nicht gut", schrieb Heinrich Kierzek am 9. Oktober, "es geht uns sogar ausgesprochen schlecht. ... 'Die Regierung ist an allem schuld', sagt ein - 194 - großer Teil des notleidenden Volkes. 'Die Presse ist schuld, wenn das Volk so denkt und spricht', erklären andererseits die Männer der Regierung mit einem vorwurfsvollen Blick auf die Journalisten. Denn diese Presse spreche mehr und öfter von dem, was nicht geschehen ist bzw. besser gemacht werden könnte, als von dem, was von der Regierung tatsächlich geleistet worden ist. ..."673) Am 25. Oktober 1947, zwei Jahre nachdem die erste Ausgabe der "Fuldaer Volkszeitung" erschienen war, zog Lizenzträger Kierzek Bilanz. Er schrieb: "Wenn die Journalisten, die bei der Gestaltung der 'Fuldaer Volkszeitung' verantwortlich mitwirken, am zweiten Jahrestag ihres ersten Erscheinens die Bilanz ihrer 24monatigen Bemühungen und Anstrengungen ziehen, drängt sich ihnen unwillkürlich der versucherische Gedanke auf, daß sie heute populärer wären, wenn sie sich ihre Aufgabe leichter gemacht hätten, und daß sie mehr Freunde besäßen, wenn sie um die Gunst der Massen gebuhlt und ihnen nach dem Munde geredet hätten. ... Solange es uns ... schlecht geht, wird es wohl stets eine unpopuläre Aufgabe bleiben, Künder der Wahrheit zu sein. ... Es ist uns von Freunden und auch von Übelwollenden hier und da bereits mahnend oder drohend prophezeit worden, daß wir dies nur solange tun können würden, als wir keine 'andersdenkende' Konkurrenz hätten. Wir geben ihnen insofern Recht, als wir mit dem Auftauchen einer solchen Konkurrenz in dem Augenblick rechnen, wo die Überwindung der derzeitigen Papierknappheit und andere Faktoren eine weitere Lockerung in Richtung auf Herstellung einer vollen Pressefreiheit erlauben werden. Wir fürchten eine solche Konkurrenz nicht. Ihr Auftauchen wird ... an unserem von Anfang an verfolgten geraden und kompromißlosen Weg nicht das geringste ändern; auch dann nicht, wenn sich die Gunst der Massen doch wieder jenen zuneigen sollte, die nach bewährtem Rezept mit Schalmeientönen trügerische Zukunftsversprechungen zu machen versuchen. Eine solche Entwicklung würde uns höchstens darüber belehren, daß wir für eine an sich gute und richtige Sache nicht mit den entsprechenden Mitteln und aber auch nicht mit dem erhofften Erfolg gekämpft haben. An eine solche Entwicklung aber glauben wir nicht. Glauben wir schon deshalb nicht, weil die Frage, ob das deutsche Volk Zeitungen vorzieht, die ihm die ungeschminkte Wahrheit sagen, oder solche, die ihm leere und gefährliche Versprechungen machen, der Entscheidung für oder gegen die Demokratie gleichkäme."674) 7.1.1 Kritik von Kirche und Parteien an der "Fuldaer Volkszeitung" In einem Protokoll wurde festgehalten, was Vertreter der vier Fuldaer Parteien Ende 1947 von der ortsansässigen Lizenzzeitung hielten. Während der Zusammenkunft mit Herausgeber Kierzek forderte der CDU-Vertreter eine "kurze, gedrängte Nachrichtenübermittlung und mehr Abhandlungen grundsätzlicher Art über aktuelle Fragen wie etwa das Sozialisierungsproblem." Kierzek antwortete, der Meinungsteil der "Fuldaer - 195 - Volkszeitung" sei im Vergleich zu anderen hessischen Zeitungen sehr umfangreich und könne als stärkster Meinungsteil der hessischen Zeitungen gelten: Zweiseitige Ausgaben enthielten einen, vierseitige Ausgaben zwei Meinungsartikel. Das SPD-Mitglied meinte, die Jugend solle mehr angesprochen werden. Ein weiteres CDU-Mitglied wünschte, "daß das, was heute die Leute bewegt, also unsere eigenen Existenzangelegenheiten und Notprobleme, mehr berücksichtigt werden sollen. Der herrschende Pessimismus solle durch die Zeitungen zwar nicht vergrößert werden, doch müsse ein Kranker wissen, daß seine Krankheit anerkannt werde. ..." Der stellvertretende Landrat kritisierte an der neuen Presse: "Weil sie parteilos ist, gerät sie sehr leicht in die Gefahr, ziellos zu werden", womit er den Protest des Lizenzträgers herausforderte, der betonte, die "Fuldaer Volkszeitung" "sei ein ausgesprochenes Meinungsblatt im Vergleich zu anderen hessischen Zeitungen". Das KPD- Mitglied war der Ansicht, "die Presse ... sei das Spiegelbild für unsere katastrophale Lage. Sie habe keineswegs eine propagandistische, sondern eine erzieherische Aufgabe, der sie auch ganz gerecht werden sollte. ... Die überparteiliche Presse müsse die Brücke über alle politischen und konfessionellen Unterschiede sein. Wenn die alltäglichen Lebensfragen behandelt würden, so müsse auch der Ausweg aus dieser Not angedeutet werden." Zum Abschluss der Zusammenkunft, an der auch der Presseoffizier Richard M. Akselrad, ein gebürtiger Wiener, teilnahm, machte Kierzek die Vertreter der Parteien darauf aufmerksam, dass sie mehr Gebrauch von der Spalte "Partei und Gewerkschaft" machen könnten, die nicht nur dazu diene, Parteinachrichten zu veröffentlichen, sondern auch die Möglichkeit gebe, parteipolitische Aufsätze zu publizieren.675) Zu diesem Zeitpunkt war der Kulturredakteur Walter Gollbach bereits nicht mehr im Redaktionsteam der neuen Lizenzzeitung. Die "Kasseler Zeitung" meldete am 13. August 1947, der 24-jährige Gollbach sei entlassen worden, weil er der Denunziation im Jahr 1944 beschuldigt wurde.676) Am 1. Februar 1952 trat er allerdings wieder in die Redaktion ein, nachdem die Vorwürfe gerichtlich geklärt worden waren; er wurde am 1. Januar 1963 als Nachfolger von Gerd Simon stellvertretender Chefredakteur der Zeitung und verließ diese erst, als sie 1974, einige Monate nach dem Tod des Herausgebers Kierzek, eingestellt wurde. Wie Johannes Neugebauer, seit dem 1. Januar 1947 bei der "Fuldaer Volkszeitung", in einer unveröffentlichten Schrift erwähnt, musste auch Hedwig Meyer, Redaktionssekretärin mit journalistischen Ambitionen und Mitglied der Kommunistischen Partei, die Zeitung verlassen, - 196 - als "die Amerikaner später eine politische Kehrtwendung machten und die Russen vom Freund zum Feind wurden und Propaganda für Remilitarisierung und Militärbündnisse machten ..."677) "Seither", so Neugebauer, "gab es nie mehr bis zur Einstellung dieser Zeitung ... ein Redaktionsmitglied, das dieser Partei nahegestanden hat."678) Interessant ist allerdings, dass Landrat Georg Stieler, 1952 bereits außer Diensten, am 2. September 1952 der "Fuldaer Volkszeitung" vorwarf, sie steuere ganz einseitig den SED-Kurs.679) (Heinrich Kierzek selbst soll vor dem Zweiten Weltkrieg - als Mitarbeiter der "Aachener Volkszeitung" - der Zentrumspartei nahe gestanden haben und nach 1945 SPD-nah gewesen sein.680)) Dass die Christdemokratische Partei nicht sonderliches Wohlgefallen an der Lizenzzeitung hatte, zeigten bereits die Kontroversen, die mittels des Blattes in unverblümter Form ausgetragen wurden. Kierzek selbst erinnert sich: "Ich weiß ..., daß ... in Fulda von der CDU und den kirchlichen Stellen immer wieder an die Militärregierung der Antrag gerichtet wurde, eine zweite, ausgesprochen christliche Zeitung in Fulda zuzulassen. Ich hatte auch in meiner eigenen Zeitung mit dem damaligen Fuldaer Landrat Georg Stieler, der gleichzeitig Fraktionsführer der CDU im Hessischen Landtag war, eine große Auseinandersetzung, die schließlich in seiner Klage gipfelte, daß die CDU als stärkste Partei im Fuldaer Land keine genügende Möglichkeit habe, zu ihren Wählern zu sprechen."681) Heinrich Kierzek fügte hinzu: "Merkwürdig an der ganzen Sache ist, daß die Parteien trotz ihres jahrelangen Sturmlaufs für die Zulassung von Parteizeitungen später doch nur in Einzelfällen Parteizeitungen gründeten, die sich aber in der Mehrzahl der Fälle nicht zu halten vermoch- ten."682) 7.2 Die "Fuldaer Volkszeitung" im Jahr der Währungsreform Obwohl die "Fuldaer Volkszeitung" die katholische Kirche deutlich mehr als andere Lizenzzeitungen in ihren Artikeln zu Wort kommen ließ, scheint sie doch für den Lizenzträger ein Problem gewesen zu sein. In einem unveröffentlichten Text schrieb Kierzek 1948: "Die Stellung Fuldas als Bischofssitz mit überwiegend katholischer Bevölkerung bringt es mit sich, daß der Einfluß der katholischen Kirche auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens sehr stark ist. In Fulda könnte sich auf die Dauer kein Mann auf irgend einem Gebiet in führender Stellung halten, der nicht auch das Vertrauen der kirchlichen Kreise genießt. ... Da die führenden Persönlichkeiten in Fulda dies wissen, sorgen alle dafür, daß sie gute Beziehungen zum bischöflichen Stuhl unterhalten, angefangen vom Landrat, Oberbürgermeister, Präsidenten der Industrie- und Handelskammer, sämtlicher Schulen bis zu - 197 - kleinen und kleinsten Vereinchen. Es braucht nur irgendwie gesagt zu werden, daß dies oder jenes einem Wunsche des bischöflichen Stuhls entspreche und schon wetteifert alles, um diesen Wunsch zu erfüllen. Die 'Fuldaer Volkszeitung', die dem bischöflichen Stuhl zwar respektvoll gegenübersteht, ihre Unabhängigkeit ihr gegenüber aber in jeder Hinsicht zu wahren versucht, ist einem ständig spürbarer werdenden Druck ausgesetzt, diese Unabhängigkeit aufzugeben und sich nach den Wünschen bzw. an die Weisungen des bischöflichen Stuhles zu halten. Zum Teil versucht man es von innen her, indem man den Einfluß der katholischen Redakteure in der Zeitung zu stärken versucht, zum Teil durch mehr oder weniger offenen Kampf von außen, indem man das Ansehen der 'Fuldaer Volkszeitung' zu schmälern versucht."683) 7.2.1 Die "Fuldaer Volkszeitung" und die Fuldaer Parteien Ärger gab es gleich zu Beginn 1948, als bei einer der turnusmäßig stattfindenden "Konferenzen" zwischen der Presse und den Parteien der CDU-Vertreter Marbach der "Fuldaer Volkszeitung" vorwarf, sie zeige eine kommunistische Tendenz, und belegte dies am Beispiel einer Ausgabe vom 27. Dezember 1947. Diese Nummer, so Marbach, sei von kommunistischen Nachrichten regelrecht überhäuft. Besondere Kritik übte er an dem mit "Vatikan im Komplott?" überschriebenen Bericht. "In CDU-Kreisen", so das Protokoll der Sitzung, "habe diese Ausgabe großes Erstaunen hervorgerufen, und man trage sich mit dem Gedanken, die CDU-Leser zum Abbestellen der Zeitung zu veranlassen und um die Lizenz einer neuen Zeitung in Fulda nachzusuchen, die der Mehrheit der christlich gebundenen Bevölkerung Rechnung trage." Kierzek soll die Anschuldigungen der CDU energisch zurückgewiesen haben mit dem Hinweis, dass man aufgrund der Anhäufung kommunistischer Nachrichten in einer Nummer nicht auf eine kommunistische Tendenz der Zeitung schließen könne. Selbstverständlich, so Kierzek, komme es vor, dass eine Ausgabe mehr nach links, die andere mehr nach rechts gerichtet sei. Die "Fuldaer Volkszeitung" sei aber nach wie vor überparteilich. Diese Haltung ginge aus dem Leitartikel "Ein Parteiausschluß" hervor, in dem er, Kierzek, den Ausschluss Ruderts684) aus der KPD kritisiert habe, der angeblich den kommunistischen Nachrichten nicht genügend Raum in der "Frankfurter Rundschau" eingeräumt haben soll. "Anhand vieler Ausgaben wies Kierzek nach", so das Protokoll, "daß die 'Fuldaer Volkszeitung' der christlichen Einstellung der Bevölkerungsmajorität vollkommen Rechnung getragen habe."685) Der SPD-Vertreter Heidemann, der ebenfalls an dieser Zusammenkunft teilnahm, äußerte keine Kritik an der Ausgabe vom 27. Dezember, und das KPD-Mitglied, das ebenso "keine SED-Tendenzen feststellen" konnte, sprach sogar von einem ausgesprochen christlichen Gesicht der - 198 - Zeitung.686) Der Gewerkschaftsvertreter wollte "in dieser politischen Frage" keine Stellung beziehen.687) Der stellvertretende Landrat Kramer konnte den Äußerungen Marbachs laut Protokoll nicht zustimmen. Von der bevorstehenden Entschließung der CDU, die Beziehungen zur "Fuldaer Volkszeitung" abzubrechen, wisse er nichts. "Er halte das auch nicht für richtig. Sollten Fehler in der Zeitung unterlaufen sein, so sei es mit eine Aufgabe der Parteien, aller Parteien, für eine Verbesserung zu sorgen, die Zeitung zu reformieren. Jedoch könne durch die Einrichtung einer neuen Zeitung nichts erreicht werden."688) Auf der nächsten Sitzung am 21. Februar, bei der auch Presseoffizier Akselrad anwesend war, wandte sich der stellvertretende Landrat Kramer der Frage der Beziehungen zwischen Öffentlichkeit und Lizenzzeitung zu. "Diese Frage müsse immer wieder lauten, inwieweit dient die 'Fuldaer Volkszeitung' ihrer Zentralaufgabe, die deutsche Staatsform zu festigen. Viele Fehler seien in dieser Hinsicht von der 'Fuldaer Volkszeitung' bisher gemacht worden. Die Zeitung habe diese Zentralaufgabe bisher zu oberflächlich ausgeführt. Die Genauigkeit und die Sorgfalt in der Auswahl des Notwendigen lasse sehr viel zu wünschen übrig."689) Ein weiterer Missstand, so Kramer, sei es, dass es bislang nicht gelungen sei, einen Vertreter zu finden, der von den Fuldaer Verhältnissen auch in früherer Zeit unterrichtet sei. Es sei nicht die Schuld der Zeitung, entgegnete Kierzek, dass sich in Fulda kein Mann fände, "der den journalistischen Gegebenheiten und zugleich den Forderungen der Militärregierung entspräche",690) obwohl man seit über zwei Jahren auf der Suche nach einem "Fuldaer Eingeborenen" sei. Zum Verhältnis Öffentlichkeit - Presse meldete sich der Lokalredakteur Gerd Simon zu Wort. Er stellte fest, dass der Wille der Fuldaer Bevölkerung zur Zusammenarbeit mit der Zeitung erwiesenermaßen nicht sehr groß sei. Dies sei immer schon der Fall gewesen. ... Auch amtliche Stellen, so Simon, zeigten oft nicht das rechte Verständnis für die redaktionelle Arbeit, wenn sie ihre Zusammenarbeit von der ungekürzt wiedergegebenen Veröffentlichung von Bekanntmachungen und Proklamationen abhängig machten. Das Interesse, so warf dann der Vertreter der LDP ein, sei zumindest sehr groß. Er schlage vor, das Feuilleton in der Samstagausgabe zugunsten der Erörterung politischer Themen wegfallen zu lassen. Der Vorschlag stieß beim Lizenzträger nicht auf Gegenliebe, denn, so Kierzek, es sei unmöglich, den Unterhaltungsteil abzuschaffen, da die "Fuldaer Volkszeitung" auch auf ihre weiblichen Leser Rücksicht nehmen müsse. Er werde im Gegenteil trotz des eng bemessenen Zeitungsraums immer wieder aufgefordert, einen Zeitungsroman in Fortsetzungen zu bringen. Im Übrigen, so Kierzek, hätten die Parteien keinen Grund, sich über ein Entgegenkommen seitens der Zeitung zu beklagen. Er habe es den Parteien freigestellt, - 199 - Meinungsartikel einzusenden. Dieser Aufforderung hätten bisher erst die LDP und die KPD entsprochen. Auf die Frage nach der Überparteilichkeit der Zeitung antwortete Kierzek, dass Überparteilichkeit nicht Richtungslosigkeit bedeute oder mit "Überpartei" verglichen werden könne. Die Lizenzträger verträten fast alle eine bestimmte Partei. Mit ihrer Zeitung wollten sie die Zusammenarbeit aller: der Gewerkschaften, Flüchtlingsorganisationen und Parteien fördern. Dies sei ein Großziel.691) Das SPD-Mitglied Heidemann stellte außerdem noch fest, dass die bisher abgehaltenen Pressekonferenzen, "auf denen schon so viel besprochen worden sei, die Verhaltensweise der Zeitung doch wenig beeinflußt habe. Es käme immer wieder auf die richtige Redigierung an ..."692) Fast ermunternd mochte es klingen, als auf der nächsten Zusammenkunft ein CDU-Mitglied meinte, die Vertreter der Presse sollten sich auf diesen Konferenzen nicht wie Angeklagte vorkommen. Schließlich seien Vertreter der Parteien und des öffentlichen Lebens nicht nur dazu da, Vorwürfe zu machen, sondern mitzuhelfen. Er fand, dass es dem Herausgeber einer lizenzierten Zeitung unter den gegenwärtigen Umständen (und für die Umstände machte er die amerikanische Militärregierung verantwortlich) nicht möglich sei, eine klare Stellung einzunehmen. Die Zeitung, so das CDU-Mitglied, sei farblos. Er vermisse einen klaren Standpunkt. Der westliche demokratische Standpunkt müsse klar zu ersehen sein.693) Kierzek wehrte sich, die Ausführungen seien ein "Plädoyer mit anderen Vorzeichen" für die Parteipresse. Das Gesicht der Zeitung sei nicht farblos. Immerhin werde zu jedem öffentlichen Problem im Meinungsteil Stellung bezogen. Bester Beweis dafür seien die zahlreichen Zuschriften "häßlichsten Inhalts".694) Positiv äußerte sich dagegen erneut der Vertreter der LDP. Er sagte laut Protokoll, als Sprecher seiner Partei könne er die Überparteilichkeit der Presse, wie sie bisher gepflegt worden sei, nur begrüßen. Er könne keine Beschwerden vorbringen. Die Resultate der Pressekonferenz könnten als zufrieden stellend bezeichnet werden. Die Presse müsse jedoch noch mehr für die Demokratie eintreten. Die östliche Demokratie sei eine Diktatur und müsse auch in der Presse als solche gebrandmarkt werden. In diesem Fall gebe es keinen Kompromiss.695) Kierzek fragte darauf, ob man sich bezüglich der "Diktatur des Ostens" auf das gleiche Niveau wie das der Ostzonen-Zeitungen stellen solle. Die "Fuldaer Volkszeitung" werde in der Ostzone mit Interesse gelesen, weil sie sich durch Objektivität auszeichne, die man bei den Zeitungen der Ostzone, aber auch oft bei den Parteizeitungen der britischen Zone vermisse. Das schlösse selbstverständlich nicht aus, dass man im Meinungsteil die kommunistische Partei - - 200 - wie auch alle anderen Parteien - einer scharfen Kritik unterziehen könne und dies auch oft schon getan habe.696) Der KPD-Vertreter zeigte sich daraufhin verständnisvoll. Er vertrat die Ansicht, dass Demokratie mit Meinungsfreiheit begänne. So habe auch die KPD in letzter Zeit in der "Fuldaer Volkszeitung" oft Dinge lesen müssen, die gegen diese Partei gerichtet waren; aber im Sinne einer demokratischen Kritik habe sie alles über sich ergehen lassen. Andere Parteien seien oft unstimmig, die KPD jedoch immer einstimmig und klar. Eine konstruktive Kritik an den Zuständen in der Ostzone könne er nicht verneinen.697) Die Konferenzen boten neben der immer wiederkehrenden Diskussion darüber, wo die "Fuldaer Volkszeitung" denn nun politisch anzusiedeln sei, auch genug Gelegenheit, das eine oder andere, häufig nichtige Problem anzusprechen. Bemängelt wurden Karikaturen und Fotos - bei der "Fuldaer Volkszeitung" sowieso lange Zeit spärlich vorhanden -, die Wahl der Überschriften etc. Es konnte auch, wie Ende November 1948, Streit darüber entstehen, ob die "Fuldaer Volkszeitung" ein "kleines Lokalblatt", oder, wie Kierzek sich verteidigte, eine "große Lokalzeitung" sei. (Kierzek begründete es mit einer Auflage von beinahe 60.000 Stück bei 40.000 Einwohnern.)698) Die SPD wollte bei gleicher Gelegenheit diskutiert wissen, ob die Leitartikel der Fuldaer Lizenzzeitung nicht auf wissenschaftlicherer und tiefschürfenderer Basis als bisher geschrieben werden könnten.699) Kierzek stellte dagegen Vergleiche mit seinen kürzlich in Amerika gemachten Erfahrungen an, wo man die Meinung vertrete, dass ein Leitartikel in gleicher Weise für einen Professor und seine Köchin verständlich geschrieben sein müsse.700) Die Kommunistische Partei war in Fulda Ende des Jahres 1948 - später, als in anderen hessischen Städten allerdings, in denen Lizenzzeitungen erschienen - nun auch zu der Überzeugung gekommen, die Auswahl der politischen Nachrichten in der "Fuldaer Volkszeitung" hätten einseitigen Charakter. Als Beispiele wurden Artikel über die Errichtung eines Konzentrationslagers in der Ostzone und die Verhaftung Emil Carlebachs und anderer Kommunistenführer mit belastendem Material an der Zonengrenze angeführt.701) Ebenso wurde vorgeschlagen, Informationen zu kirchlichen Fragen für evangelische Kreise genauso häufig in der Zeitung zu publizieren wie die der katholischen Kirche.702) Die "Fuldaer Volkszeitung" beschloss ihrerseits, den Veranstaltungskalender der Vereine nicht mehr wie bisher im redaktionellen Teil zu drucken, sondern in den Anzeigenteil zu übernehmen. Bei "minderbemittelten Organisationen" oder Bekanntmachungen von allgemeinem Interesse räumte die Zeitung eine gebührenfreie Veröffentlichung im Anzeigenteil ein.703) - 201 - 7.2.2 Die "Fuldaer Volkszeitung" erscheint täglich 1948 konnten die hessischen Zeitungen zu täglichem Erscheinen (außer sonntags) übergehen. Der Lizenzträger der "Fuldaer Volkszeitung" schrieb dazu: "... Die meisten hessischen Zeitungen, unter ihnen auch die 'Fuldaer Volkszeitung', entschieden sich ... dafür, mit sofortiger Wirkung zur Tageszeitung zu werden. Der Entschluß fiel nicht allen leicht, da er die Verpflichtung schuf, sich das dafür erforderliche zusätzliche Papier, das den beiden Frankfurter Blättern amtlich zugeteilt worden war, aus eigener Initiative zu verschaffen. Man ist angesichts der Tatsache, daß dieser zusätzliche Bedarf unmöglich aus der deutschen Produktion gedeckt werden kann, auf die Papiereinfuhr aus dem Ausland angewiesen. Wenn man bedenkt, daß die Tonne Zeitungspapier im Jahre 1945 noch 235 RM kostete, während der heutige Weltmarktpreis (bei steigender Tendenz) bei 650 DM liegt, kann man sich unschwer ausmalen, welche Folgen der nun notwendigerweise bevorstehende Run auf das Zeitungspapier mit sich ziehen muß. Die kleineren Zeitungen werden den Daseinskampf im freien Wettbewerb zweifellos bald in seiner ganzen Härte zu spüren bekommen. Für eine Erhöhung des Bezugspreises bleibt ihnen mit Rücksicht auf die allgemeine Lage nicht viel Spielraum. Ob sie sich im Hinblick auf die erheblich gestiegenen Ausgaben für Löhne, Druckkosten usw. auch noch den Kauf des teuren Auslandspapiers erlauben können, um die laufende Herausgabe einer täglichen Zeitung zu ermöglichen, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die eine oder andere Zeitung bei diesem Ausleseprozeß auf der Strecke bleibt. Wie auf dem Gebiet des Zeitschriftenunwesens, wo nach der Währungsreform das längst überfällige große Sterben eingesetzt hat, wird sich auch unter den Zeitungen im Laufe der Zeit die Spreu vom Weizen scheiden, ein Vorgang, den niemand so sehr begrüßt wie die auf Leistungssteigerung erpichten Journalisten selbst. An der Schwelle eines so wichtigen Abschnitts in der Entwicklung einer Zeitung, wie es der Übergang zum täglichen Erscheinen unzweifelhaft ist, erscheint es angebracht, die Grenzen des Strebens und des Zieles abzustecken. Die 'Fuldaer Volkszeitung' will auch in Zukunft nicht mehr sein als ein gediegenes Heimatblatt, dessen Stimme jedoch auch außerhalb des eigentlichen Verbreitungsgebietes Gewicht und Klang hat. Darum unterhält sie weiterhin in sämtlichen Kreisen ihres Verbreitungsgebietes eigene Außenredaktionen, baut sie weiter aus und steigert ihre Leistung sowohl nach Qualität wie nach Quantität. Von der Betonung ihres Heimatcharakters läßt sie sich auch dadurch nicht ablenken, daß gelegentlich ihre Leitartikel in schweizerischen, französischen oder amerikanischen Blättern nachgedruckt werden. Sie nimmt dies lediglich als Beweis dafür, daß auch eine 'Provinzzeitung' durchaus in der Lage ist, in bezug auf Aktualität, Lebendigkeit und Niveau mit jeder Großstadtzeitung zu konkurrieren, ohne deshalb ihren heimatverbundenen Charakter verleugnen zu müssen."704) - 202 - 7.3 Frühjahr 1949: Heinrich Kierzek zum neuen Pressegesetz Im März 1949, als ein neues Pressegesetz in Vorbereitung war, schrieb Heinrich Kierzek in einem Leitartikel über das "Schutz- oder Strafgesetz?": "... Offenbar wissen sie (die Amerikaner, Anm. E.W.) aber recht gut, worauf sie hinzielen, wenn sie die Aufhebung der Lizenzierung von der Schaffung eines Gesetzes abhängig machen, das sie in ihrem eigenen Land überhaupt nicht kennen. ... Sie wissen, daß die Pressefreiheit noch niemals vom Volk gefährdet oder gar beseitigt wurde, sondern stets nur von der Regierung. Sie wissen, daß selbst gute demokratische Regierungen in der freien Presse gelegentlich einen unbequemen Beobachter und Kritiker erblicken, dem sie nur allzu gern einen Maulkorb umhängen möchten. Sie wissen auch, daß gerade bei den deutschen Regierungen die Neigung zu solchen Fesselungs- und Knebelungsversuchen seit jeher stark entwickelt war. ... Die US-Militärregierung hat es nicht ausdrücklich gesagt, aber es besteht kein Zweifel darüber, daß sie sich unter dem von ihr gewünschten Pressegesetz ein Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit und damit zum Schutz der Presse gegenüber etwaigen Übergriffen der Regierung vorstellt. Unsere demokratischen Regierungen und unsere Parlamentarier haben das wieder einmal gänzlich mißverstanden. ... Jedenfalls entstanden und entstehen in allen Ländern der US-Zone Presse-Strafgesetze statt der erwarteten Presse- Schutzgesetze. Einige Entwürfe sind in vielen Punkten sogar rückschrittlicher als das alte Pressegesetz von 1874 aus der Zeit Bismarcks. Das in erster Lesung verabschiedete hessische Pressegesetz bildet in dieser Hinsicht keine rühmliche Ausnahme. Ein 'Pressestrafgesetz' wurde es sogar von einem der Parteisprecher genannt. Im übrigen aber war bezüglich der Ablehnung der zur Zeit bestehenden unabhängigen Presse einer der wenigen Fälle trauter Übereinstimmung sämtlicher Parteien zu verzeichnen. Sie sprachen alle wie auf Verabredung viel mehr von dieser Presse und ihren angeblichen Schwächen als von dem Gesetz und seinen offensichtlichen Mängeln. Und der Regierungsvertreter schwang sich sogar zu der reichlich großsprecherischen Versicherung auf, dieses Strafgesetz sei dazu da, 'die guten Seiten der Presse wieder zu entwickeln'. Das deutsche Strafgesetzbuch sieht Strafen bis zu zwei Jahren Gefängnis für jeden vor, der die Ehre eines Mitmenschen verletzt. Man sollte meinen, diese zwei Jahre müßten auch auf einen Redakteur erzieherisch genug wirken, der in der Hitze des Gefechts die Grenzen der erlaubten Kritik überschreitet. Unsere Gesetzgeber scheinen das aber nicht für ausreichend zu halten und arbeiten daher in das Pressegesetz eine ganze Reihe von Strafparagraphen hinein, mit denen sie den bösen Journalisten das Handwerk legen wollen. Bewußt oder unbewußt zielen sie darauf ab, den Journalismus zu einem der gefährlichsten Berufe zu machen. Nach ihrem Willen steht der Redakteur immer mit einem Bein im Gefängnis, und er kommt sofort mit beiden Beinen hinein, falls ihm bei der Wahrnehmung der wichtigsten und zugleich verantwortungsvollsten journalistischen Aufgabe, nämlich der Kritik an irgendwelchen Mißständen, eines Tages einmal ein Versehen unterlaufen sollte. Diese Strafparagraphen erschienen aber verschiedenen Herren Abgeordneten noch nicht einmal ausreichend. Sie verlangten darüber hinaus noch zusätzliche Strafbestimmungen zum Schutze der im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeiten. ... Es ist sicherlich kein Zufall, wenn General Clay ... betonte, es wäre besser, überhaupt keine Pressegesetze - 203 - Pressegesetze zu erlassen, als ein Gesetz, das für die Militärregierung nicht annehmbar sei. Darin liegt - insbesondere im jetzigen Stadium der Entwicklung - eine sehr deutliche Warnung und Mahnung. Ob die verantwortlichen deutschen Politiker diesen Wink verstehen und beherzigen werden? Oder wollen sie es ein weiteres Mal darauf ankommen lassen, daß ihnen die Militärregierung auf gänzlich undemokratischem Wege vorschreibt, wie man demokratische Gesetze macht?"705) Das neue Pressegesetz und die bevorstehende Aufhebung der Lizenzpflicht beschäftigten Kierzek auch in den folgenden Monaten. In der ersten Maiwoche 1949 schrieb er unter der Überschrift "Der Leser hat das letzte Wort": "Pressefreiheit und Lizenzierung sind unvereinbare Begriffe. Solange eine Regierung oder eine Besatzungsmacht mit Hilfe irgendeines Lizenzierungssystems sich diejenigen auswählen können, die sie der Handhabung der Pressefreiheit für würdig bzw. geeignet erachten, kann von einer wahren Pressefreiheit keine Rede sein. Selbst dann nicht, wenn den Inhabern solcher Lizenzen für ihre journalistische Arbeit uneingeschränkte Freiheit zugesichert und auch tatsächlich gewährt wird. Gewiß spielen bei der Lizenzierung im Presse- und Verlagswesen noch andere Gesichtspunkte mit als etwa bei der Zwangsbewirtschaftung von Lebensmitteln, Bekleidungsstücken und Wohnungen. ... Auf den ersten Blick muß es daher befremden, daß sie die Aufhebung der Lizenzierung und damit die Herstellung der vollen Pressefreiheit in der von ihnen besetzten Zone von der Schaffung spezieller deutscher Pressegesetze abhängig machen. Befremdlich insbesondere deshalb, weil sie ein derartiges Gesetz in ihrem eigenen Lande überhaupt nicht kennen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß es sich bei dieser Bedingung um den Ausfluß eines tiefen Mißtrauens gegenüber der demokratischen Mündigkeit gegen unsere regierenden Männer und Parteien handelt, daß sie nach bewährtem Muster der Versuchung erliegen werden, die Presse als unbequemen Kritiker zu knebeln oder gar zu unterdrücken. Mißtrauen auch gegen die junge deutsche Presse, daß sie ohne ein besonderes Schutzgesetz vielleicht nicht stark und erfahren genug sein wird, um alle solche Knebelungsversuche aus eigener Kraft zu vereiteln. Mißtrauen schließlich gegen das Volk als ganzes, daß es sich eine solche Beschneidung seiner demokratischen Rechte widerspruchslos gefallen und damit erneut ins Verderben führen lassen würde. Bei der Vorbereitung und Beratung der Pressegesetze scheinen Gesetzgeber und Regierende es geradezu darauf abgesehen zu haben, die Berechtigung des gegen sie gerichteten Mißtrauens zu erweisen. ... Die meisten Entwürfe könnte man getrost als 'Presse-Strafgesetz' oder 'Presseknebelungsgesetz' oder 'Gesetz gegen die Freiheit der Presse' bezeichnen. ... Die unabhängige Presse ihrerseits sieht ein, daß die ihr stellenweise entgegengebrachte Abneigung zum Teil natürliche Ursachen hat. Eine Presse, die der Regierung bzw. den Regierungsparteien bequem oder gar angenehm ist, hat ihre Aufgabe nicht er- füllt. In einer Diskussion über die Pressefreiheit fiel dieser Tage das Wort: 'Wer in Deutschland ein Amt erlangt, verfällt leicht dem Wahn, er sei keine Rechenschaft mehr schuldig.' Eine Zeitung, die an diese Rechenschaftspflicht erinnert und an Mißständen Kritik übt, kann unmöglich erwarten, daß auch die von ihr dermaßen Angesprochenen ihr begeistert zustimmen. Für das allenthalben nicht gerade - 204 - erfreuliche Verhältnis zwischen Regierungsparteien und Zeitungen ist aber die zwischen der Regierung und der Presse als gegebenem Kontrollorgan des Volkes bestehende natürliche Spannung nicht allein entscheidend. Die Parteien verlangen mit zunehmender Lautstärke Parteizeitungen, durch die sie ihre Meinung und nur die ihre propagieren können. Sie sind erbittert, daß die Militärregierung ihrem Verlangen immer noch nicht entsprochen hat. Ihren Zorn darüber entladen sie jedoch nicht über der Militärregierung, sondern der Einfachheit halber über der unabhängigen Presse. 'Die Presse ist an allem schuld' ist so zu einem geflügelten Wort geworden. In dieser Auffassung sind sich Regierungs- und Oppositionsparteien übrigens in verblüffender Eintracht einig. Der kommunistische Abgeordnete Carlebach ging bei der dritten Lesung des hessischen Pressegesetzes sogar so weit, das Gesetz als Bluff zu bezeichnen, 'denn auf Grund des wirtschaftlichen Vorsprungs der Lizenzpresse hat die Militärregierung wahrscheinlich noch auf Jahre hinaus den größten Teil der hessischen Presse fest in der Hand'. Herr Carlebach war der erste Lizenzträger in der US-Zone. Eines Tages wurde ihm seine Lizenz wieder entzogen. Warum, ist in der Öffentlichkeit nie ganz klar gesagt worden. Sicherlich jedoch nicht deshalb, weil er an der amerikanischen Militärregierung zu scharfe Kritik geübt hätte. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten einige andere, die heute noch ihre Lizenz haben, gerechterweise schon vor ihm abserviert werden müssen. Warum also jetzt die Ausfälle gegen jene, die für seinen Lizenzverlust wirklich nicht verantwortlich sind? Das eine kann jedenfalls in aller Deutlichkeit gesagt werden: 'In der Hand der Militärregierung' ist die hessische Presse zur Zeit genau soviel oder genau sowenig wie etwa die hessische Regierung und der gesamte hessische Landtag einschließlich des Abgeordneten Carlebach. ... Zugegeben: gegenüber seiner ursprünglichen Fassung weist das Gesetz zahlreiche Verbesserungen auf. Trotzdem fällt es schwer, in ihm einen wirksamen 'Schutz' der Pressefreiheit zu erblicken. Von der Militärregierung hängt es nun ab, ob sie diese Voraussetzung beim hessischen, württembergisch- badischen und bayerischen Gesetz ... für gegeben ansieht. Bejaht sie diese Frage, so kann man schon in Kürze mit der Aufhebung der Lizenzierung rechnen, was der Herstellung der vollen Pressefreiheit in der US-Zone gleichkäme. Mit anderen Worten: Jeder volljährige hessische Staatsbürger, der im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist und von der Spruchkammer nicht ausdrücklich vom Beruf des Redakteurs ausgeschlossen wurde, kann dann eine Zeitung herausgeben und als verantwortlicher Redakteur tätig sein. Damit begänne eine entscheidende neue Phase in der Entwicklung der Nachkriegspresse. Die 15 zur Zeit in Hessen erscheinenden unabhängigen Zeitungen - von denen eine allerdings wegen chronischen Beziehermangels dicht vor dem Zusammenbruch steht706) - werden dann vermehrt werden durch die Parteiblätter und durch die kleinen Heimatzeitungen, an deren Wiedererrichtung man in zahlreichen Kreisstädten denkt. Von den letzteren werden menschlichem Ermessen nach im günstigsten Falle nur einige wenige lebensfähig sein, da angesichts der Kostenentwicklung im Zeitungswesen nur vereinzelte Landkreise in der Lage sein werden, die für die Rentabilität eines Kreisblattes erforderliche Bezieherzahl aufzubringen. Das Hauptinteresse wird dann dem einsetzenden Wettbewerb zwischen den Parteiblättern und den unabhängigen Zeitungen gelten. Die Parteien haben keine Gelegenheit versäumt, die unabhängige Presse als schlecht hinzustellen. Haben sie damit recht gehabt, müßte es den neuen Parteiblättern ein leichtes sein, die Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen. - 205 - Gelingt ihnen das nicht, werden sie ihre Meinung über die unabhängige Presse von selbst revidieren. Etwas mehr als die meisten in der britischen Zone schon seit Jahren erscheinenden Parteiblätter müssen die kommenden Parteizeitungen der amerikanischen Zone schon bieten, wenn sie nicht von vornherein auf verlorenem Posten stehen wollen. In jedem Fall wird der dann einsetzende verschärfte Wettbewerb der Gesamtentwicklung unserer Presse nur förderlich sein. Die unabhängigen Zeitungen werden erst dann erkennen, inwieweit es ihnen mit ihren Grundsätzen der strikten Trennung von Nachricht und Meinung, der sachlichen Berichterstattung und der objektiven Wiedergabe des Standpunktes aller Parteien gelungen ist, das Vertrauen Seiner Majestät des Lesers zu erwerben. Er wird das letzte Wort sprechen."707) In einem anderen Artikel bezeichnete Kierzek das Pressegesetz nach seiner Verabschiedung am 14. Juli 1949 als das "weitaus rückschrittlichste Gesetz aller Länder der US-Zone".708) Zum Inkrafttreten der Generallizenz Nr. 3 meinte Kierzek: "... Diese Generallizenz ist in den letzten Wochen heftigsten Angriffen ausgesetzt gewesen. Merkwürdigerweise kommen die Angriffe jedoch nicht aus der amerikanischen, sondern in erster Linie aus der britischen Zone. Auf diesem Gebiet ist eine verblüffende Umkehrung der Fronten eingetreten: Während die Amerikaner früher den Briten vorwarfen, sie hätten in ihrer Zone den ehemaligen Nazi- Journalisten die Rückkehr in die Presse allzu leicht gemacht und ihnen dort viel zu viel Einfluß eingeräumt, kommt nunmehr von der britisch-lizenzierten Presse der umgekehrte Vorwurf, daß die Amerikaner mit ihrer Generallizenz Nr. 3 den ehemaligen Nazi-Verlegern und Nazi-Redakteuren eine gefährliche Chance gäben."709) Kierzek zitiert bei gleicher Gelegenheit einen Zeitungsartikel des Berliner "Telegraf", in dem es u. a. heißt: "Die Heimatzeitungen sind als erste dem Nationalsozialismus erlegen. Als 1933 alle sozialdemokratischen Zeitungen brutal zerschlagen und alle demokratischen 'gleichgeschaltet' wurden, waren Maßnahmen gegen die sogenannten Heimatzeitungen nicht notwendig, weil diese meist von selbst einschwenkten. Nunmehr soll die Gewerbefreiheit kommen und damit würde der Zustand eintreten, daß die Besitzer von Druckereien, die eine wirtschaftlich gut fundierte Macht darstellen, sofort aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe von Kapitalgebern Zeitungen herausgeben könnten. Es darf kein Zweifel darüber sein, daß diese Zeitungen lediglich von Profitinteressen gelenkt werden. Sie werden sich zum Sprecher der 'Ungeduldigen und Übelwollenden' machen. Da man früher in Deutschland die besten Geschäfte mit 'Nationalsozialismus' machen konnte, darf es keine Zweifel darüber geben, daß diese Zeitungen sich gegenseitig den Rang ablaufen werden. ... Das ist eine außerordentliche Belastung für die kommende Regierung, deren Stimme viel später ins Ausland dringen kann als die der Zeitungen. Die Amerikaner, die für die Gewerbefreiheit auch auf dem Gebiete des Zeitungswesens eintreten, wollen nicht sehen, daß es in Deutschland Kräfte - 206 - gibt, die jedes Mittel, und sei es auch das einer Anzeigenvergabe, einsetzen, um eine bestimmte Presse zu fördern."710) "Diese Warnung", fuhr Heinrich Kierzek fort, "verdient sicherlich ernsthafte Beachtung. ... Für die Amerikaner ist die Generallizenz Nr. 3 offenbar ein Versuch, ein Experiment. Mit ihrer Hilfe werden sie feststellen, wie weit man mit nationalsozialistischen Ideen in Deutschland schon wieder Geschäfte machen kann, in welchem Maße das deutsche Volk noch (oder schon wieder) dafür anfällig ist und ob die wirklich demokratische Presse, die ihre Meinung offen und ehrlich verficht, andere Meinungen aber trotzdem objektiv wiedergibt, schon jetzt stark genug ist, um das Feld aus eigener Kraft zu behaupten. Es wird gut sein, so denken wohl die Amerikaner, wenn sie diesen Entscheidungskampf noch während ihrer Anwesenheit in Deutschland erleben, um gegebenenfalls korrigierend eingreifen zu können. Die Probe aufs Exempel werden sie schon in Kürze erleben. In Württemberg-Baden haben sich nicht weniger als 35 Verleger von ehemaligen Kreisblättchen bereits zusammengetan, um ihre Klein- und Kleinstzeitungen mit Hilfe eines Materndienstes gemeinsam herauszugeben. In Hessen ist die Zahl der Kreisblättchen, deren Wiederaufleben geplant wird, nicht viel geringer. Hinzu kommen in jedem Land die Blätter der Parteien und dann auch noch einige geplante 'große' Zeitungen ohne direkte Parteibindung, aber mit starker finanzieller Unterstützung aus gewissen Industrie- und anderen Kreisen. Demgegenüber steht die Tatsache, daß die in den drei Westzonen zur Zeit erscheinenden Zeitungen eine Gesamtauflage von rund 15 Millionen haben. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von 40 Millionen bedeutet das: Der Bedarf ist wenigstens zahlenmäßig gedeckt. Die neuen Blätter können also nur auf Kosten der bisherigen leben und wachsen. Ein Konkurrenzkampf von ungewöhnlicher Härte wird zwangsläufig entbrennen. Es liegt jedoch in der Natur solcher Daseinskämpfe, daß sie nicht lange dauern. Schon in wenigen Monaten muß sich das, was Bestand hat, von der Spreu gesondert haben. Etwa zum Ende dieses oder zu Beginn des nächsten Jahres wird das Schlachtfeld und die Zahl der Toten zu überschauen sein. Die Amerikaner werden dann sehen, welches Heil oder Unheil sie mit der Generallizenz angerichtet haben."711) 7.3.1 "Schurken und Wegelagerer": Der Lizenzträger gegen die Regierung Kierzeks Verhältnis zu den "Vertretern des öffentlichen Lebens" blieb bis zum Ende der Lizenzpflicht gespannt. So beschäftigte er sich in einem Leitartikel mit "Wegelagerern" und "Schurken". Kierzek schrieb: "... Unser sonst so gutmütiger und gemütlicher Landesvater Stock hat es insbesondere mit der Presse. Nach seinen neuerlichen Reden scheint sie für ihn geradezu der Ausbund des Bösen zu sein. Kürzlich gebrauchte er im Zusammenhang mit der Haltung der Presse im Fall Dietz das Wort 'Schurkerei'. ... Er sprach von 'politischen Wegelagerern' und behauptete, die heutigen Zeitungen hätten keinen Anstand, keine Ethik und keinen Takt. Dagegen zollte er der Presse in den anderen Zonen ein uneingeschränktes Lob. Nach der Feststellung, die Auswahl der Lizenzträger sei nach verfehlten Gesichtspunkten - 207 - erfolgt, stellte er die Frage: 'Warum hat man nicht unsere alten Demokraten gefragt?' Schurken und Wegelagerer - ein Ministerpräsident muß schon ziemlich aus der Fassung sein, wenn er sich zu derart unparlamentarischen Ausdrücken hinreißen läßt. Wir halten unserem Landesvater seinen nach seiner Überzeugung sicherlich gerechten Zorn zugute, vermögen ihm aber keinesfalls zu folgen, wenn er die Diskussion um den leidigen Fall Dietz auf eine ganz andere Ebene abzuschieben sucht. Ob ihm die Presse gefällt oder nicht, das steht im Fall Dietz nicht zur Debatte. ... Dem sicherlich auch ihm erwünschten schnellen Abschluß dieses Falles dient er nicht, wenn er die Zeitungen, die darüber berichten und kritisch dazu Stellung nehmen, in Bausch und Bogen als taktlos und ohne An- stand, ja als Wegelagerer hinstellt. Ist er nach seiner Ansicht zu Unrecht von einer Zeitung verdächtigt oder verleumdet worden, so mag er Strafanträge gegen die verantwortlichen Redakteure stellen, wie das Finanzminister Hilpert bisher schon in sechs Fällen im Zusammenhang mit dem Fall Dietz getan hat. Gelingt ihm der Beweis, daß die betreffenden Journalisten nicht die Wahrheit gesagt haben, so geht es ihnen schlecht. Möglicherweise wandern sie sogar ins Gefängnis. Aber diesen Beweis muß er erst einmal erbringen. ... Zu den Lizenzträgern der ersten Zeitungen in der US-Zone zählte auch der Landesvorsitzende der SPD in Hessen, Willi Knothe, der 1945 Mitherausgeber der 'Frankfurter Rundschau' war. Er verlor diese Lizenz später wieder, weil er sich ... fast ausschließlich der Parteiarbeit widmete und keine Zeit für das ihm anvertraute Blatt erübrigte. Wie alle anderen Parteien, ist auch die SPD oft genug gefragt worden, ob sie geeignete, politisch einwandfreie und fachlich tüchtige Journalisten vorzuschlagen habe, die als Zeitungsherausgeber in Frage kamen. Journalisten, die diesen Voraussetzungen entsprachen, sind von den Amerikanern jahrelang krampfhaft wie mit der Laterne gesucht worden. Wie ein Ministerpräsident sich heute hinstellen und ausrufen kann: 'Warum hat man nicht unsere alten Demokraten gefragt?', ist angesichts dieser allgemein bekannten Sachlage völlig unbegreiflich. Untersucht man die parteipolitische Zusammensetzung aller Herausgeber der hessischen Zeitungen, so kommt man zu der gerade in diesem Zusammenhang interessanten Feststellung, daß von allen Parteien die SPD den weitaus höchsten Prozentsatz von ihnen stellt. Noch interessanter ist die Tatsache, daß die Chefredakteure der Zeitungen, die im Falle Dietz die schärfste Klinge führen - und an die Ministerpräsident Stock offenbar in erster Linie dachte - fast ausnahmslos Mitglieder der SPD sind. Wenn man will, könnte man also die Attacke Stocks gegen die Presse als eine Art innerparteiliche Angelegenheit der SPD betrachten. Offenbar scheint sich Stock aber gar nicht darüber im klaren zu sein, daß in dieser Auseinandersetzung die Mehrzahl der Anhänger seiner Partei hinter den SPD-Redakteuren und nicht hinter den SPD-Ministern steht. Bei seinem verallgemeinernden Ausfall gegen die Presse hat Herr Stock auch gänzlich übersehen, daß einige hessische Zeitungen ihn und seine Regierung bisher überhaupt noch nicht angegriffen, sich vielmehr auf eine rein sachliche Berichterstattung beschränkt haben. Er übersieht auch, daß eine hessische Zeitung sich im Fall Dietz sogar für die hessische Regierung eingesetzt und eine entsprechende Polemik mit einer anderen Zeitung begonnen hat.711a) ... Der Herr Ministerpräsident übersieht ferner, daß auch die beiden Oppositionsparteien in Hessen, FDP und KPD, auf Grund der Enthüllungen im Fall Dietz die Regierung Stock für untragbar bezeichnen und energisch ihren Rücktritt fordern. Uns ist nicht bekannt, aus welchen Gründen der Zorn des Ministerpräsidenten sich in - 208 - erster Linie gegen die unabhängige Presse und nicht auch gegen alle übrigen (nicht weniger scharfen) Kritiker richtet. Zugegeben, daß die eine oder andere Zeitung im Eifer des Gefechts in ihrer Kritik vielleicht etwas übers Ziel hinausgeschossen ist. Daran besteht jedoch kein Zweifel: In der Forderung nach einer restlosen Klärung des Falles Dietz und der Feststellung der dafür Verantwortlichen vertritt die hessische Presse eine viel klarere und daher auch demokratischere Linie als die hessische Regierung. Warum besteht wegen dieser Forderung überhaupt ein Gegensatz zwischen Regierung und Presse?"712) 7.4 Die "Fuldaer Volkszeitung" im Konkurrenzkampf mit der wiedererstandenen Altverlegerzeitung Bis zum 29. März 1945 war in der Bischofsstadt die "Fuldaer Zeitung" erschienen. Die Firma Parzeller & Co., die die Zeitung herausgab, verkaufte das Verlagsrecht 1935 für 33.000 Reichsmark an die NSDAP, die das Blatt zu ihrem Parteiorgan machte. Bis zum letzten Tag ihres Erscheinens wurde die Zeitung von der Firma Parzeller im Lohndruck hergestellt. 1945 bewarb sich auch der spätere Herausgeber und Verleger der Altverlegerzeitung, Michael Schmidt, bei der amerikanischen Militärregierung um die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung. Die Amerikaner - so erinnert sich Kierzek - lehnten seinen Antrag jedoch ab, da er nach ihrer Ansicht nicht die fachlichen Voraussetzungen besaß. So erhielt Heinrich Kierzek die einzige Lizenz in Fulda, gründete die "Fuldaer Verlagsanstalt GmbH" und schloss mit der Firma Parzeller & Co. einen Druckvertrag für die Herstellung der "Fuldaer Volkszeitung". Darin verpflichtete sich die Firma Parzeller, auf zehn Jahre, also bis zum Oktober 1955, keine eigene Zeitung herauszugeben, während umgekehrt die Fuldaer Verlagsanstalt zusicherte, keine eigene Druckerei zu errichten. Kurz vor Aufhebung der Lizenzpflicht, im Frühjahr 1949, machte die Firma Parzeller Kierzek den Vorschlag, die beiden Firmen zusammenzulegen. Kierzek sollte auf die weitere Herausgabe der "Fuldaer Volkszeitung" verzichten und als stiller Gesellschafter in die Firma Parzeller & Co. eintreten. Gleichzeitig sollte er Chefredakteur der "neuen" Altverleger-Zeitung "Fuldaer Zeitung" werden. Kierzek seinerseits, so der Vorschlag, sollte alle von der Fuldaer Verlagsanstalt inzwischen erworbenen Maschinen und sein eigenes Kapital als stiller Gesellschafter in die Firma Parzeller einbringen. Kierzek hielt diesen Vorschlag jedoch für beide Seiten für unzweckmäßig, da dadurch freiwillig auf die zusätzlichen Verbreitungsgebiete verzichtet werden sollte, die die "Fuldaer Volkszeitung" sich inzwischen erworben hatte. Die Lizenzzeitung wurde zum Beispiel auch in den rein protestantischen Kreisen Hersfeld, - 209 - Alsfeld und Lauterbach gelesen, Gebiete, in die, so Kierzek, "früher niemals eine Fuldaer Zeitung einzudringen vermochte."713) Um diese Kreise zu behaupten, machte Kierzek den Gegenvorschlag: Beide Firmen gründen zusammen eine Druckereigesellschaft, an der beide mit je 50 Prozent beteiligt sind. Beide Firmen müssen ihre sämtlichen Maschinen in die neue Druckereigesellschaft einbringen. Gleichzeitig geben beide Firmen ihre Zeitungen in getrennten Verlagen heraus, die Fuldaer Verlagsanstalt also weiterhin die "Fuldaer Volkszeitung" mit ihren Bezirksausgaben, während die Firma Parzeller & Co. mit sofortiger Wirkung das Recht erhalten sollte, die "Fuldaer Zeitung" herauszubringen. Beide Zeitungen sollten in der beiden Firmen gemeinsam gehörenden Druckerei im Lohndruck zu denselben Bedingungen hergestellt werden. Auf diese Weise hätte es, so Kierzek, zwei Zeitungen in Fulda gegeben, die in Konkurrenz miteinander standen, die allerdings dadurch gemildert worden wäre, dass beide Zeitungen von derselben Druckerei, an der beide Firmen zu gleichen Teilen beteiligt waren, gedruckt worden wären. Nach Kierzeks Überzeugung wären damit die gute Auslastung der Druckerei und die Rentabilität beider Zeitungen gesichert gewesen. Die Firma Parzeller lehnte diesen Vorschlag jedoch ab. Kierzek entschloss sich daraufhin zu einer vorzeitigen Trennung von der Firma Parzeller & Co., da seinen Angaben zufolge die Zusammenarbeit immer schwieriger wurde. Parzeller brachte daraufhin bereits zum 1. April 1951 eine eigene Zeitung auf den Markt, und Kierzek seinerseits begann gleichzeitig mit der Errichtung eines eigenen Verlags- und Druckereigebäudes für die Fuldaer Verlagsanstalt. Das Gebäude war Anfang März 1951 fertig gestellt. Vom 6. März des gleichen Jahres an wurde dann die "Fuldaer Volkszeitung" im eigenen Betrieb gedruckt. Das Altverlegerblatt, das nun den Konkurrenzkampf mit der Lizenzzeitung (wenn auch später als in anderen hessischen Städten, bei denen die Altverleger vielfach ihre Zeitungen sofort nach Wegfall der Lizenzpflicht wiedererscheinen ließen) begann, trug wiederum den Titel "Fuldaer Zeitung". Heinrich Kierzek dazu: "Die 'Fuldaer Zeitung' war Jahrzehnte lang die alleinige Zeitung in Fulda. Ihre Haltung war stets streng katholisch gewesen. Bereits vor dem Wiedererscheinen der 'Fuldaer Zeitung' im April 1951 setzte sich daher die gesamte Geistlichkeit im Verbreitungsgebiet der 'Fuldaer Volkszeitung' auf der Kanzel und in der Gemeinde als unbezahlte Werber für die 'Fuldaer Zeitung' ein. Auch die bischöfliche Behörde schaltete sich in den Konkurrenzkampf ein. ... Gleichzeitig begann die 'Fuldaer Zeitung' einen rücksichtslos geführten Konkurrenzkampf, bei dem sie vor keinem unlauteren Mittel zurückschreckte. Sie trat an fast sämtliche Träger und Agenten der 'Fuldaer Volkszeitung' heran und versuchte mit Versprechungen, sie der 'Fuldaer Volkszeitung' abzuwerben. Dies gelang ihr in fast 100 Fällen, obwohl die 'Fuldaer Volkszeitung' eine einstweilige Verfügung gegen sie erwirkte, in der ihr diese systematische Abwerbeaktion als sittenwidrig und unlauter untersagt wurde. Durch Rundschreiben, die die 'Fuldaer Zeitung' an - 210 - die Leser der 'Fuldaer Volkszeitung' verteilte, versuchte sie in einer vergleichenden Reklame den Anschein zu erwecken, als wenn die 'Fuldaer Zei- tung' die bessere Zeitung wäre. Das Landgericht hat ihr die Fortsetzung dieser Werbung durch einstweilige Verfügung vom 13.6.51 untersagt. Die Kosten des Verfahrens wurden durch Beschluß des Zivilsenats des Oberlandesgerichts ... der Firma Parzeller & Co. auferlegt. Mehrfach warb die 'Fuldaer Zeitung' mit der Behauptung, sie sei die meistgelesene Zeitung in Fulda Stadt und Land. Sie wurde von der 'Fuldaer Volkszeitung' aufgefordert, diese unlautere Werbung zu unterlassen. Als sie sie dennoch fortsetzte, erwirkte die 'Fuldaer Volkszeitung' eine einstweilige Verfügung gegen die 'Fuldaer Zeitung', in der ihr die Fortsetzung ihrer Werbung untersagt wurde. Die Kosten wurden der Firma Parzeller & Co. auferlegt. ... Die 'Fuldaer Zeitung' beantragte umgekehrt eine einstweilige Verfügung gegen die 'Fuldaer Volkszeitung', um ihr die Durchführung eines Preisausschreibens untersagen zu lassen. Dieser Antrag der Firma Parzeller & Co. wurde abgelehnt. Ende September 1951 begann die 'Fuldaer Zeitung', diesmal zusammen mit der 'Kasseler Post', eine neue Kampagne gegen die 'Fuldaer Volkszeitung' unter der Überschrift 'Geheimdruck in Fulda'. Im August 1952 begannen beide Blätter einen neuen Angriff unter der Überschrift 'Zentrale Fulda'. Es gelang der Firma Parzeller & Co. auch, einige katholische Organisationen in Fulda in ihren Konkurrenzkampf einzuspannen. Die Auseinandersetzungen wurden nach einem Besuch von Kierzek beim Fuldaer Bischof vorübergehend beigelegt."714) In ihrer ersten Ausgabe hatte die Altverleger-Zeitung den Lesern mitgeteilt, die Zeitung werde "unerschrocken und gewissenhaft durch objektive Tatsachenvermittlung und eindeutige Stellungnahme aus christlicher Verantwortung für Wahrheit, Recht und Freiheit eintreten."715) "Für meine Zeitung", schrieb Heinrich Kierzek gut 20 Jahre nach der Gründung der 'Fuldaer Volkszeitung', "wäre es natürlich besser gewesen, wenn die Generallizenz später ergangen wäre, dann hätte ich mehr Zeit zum Aufbau eines eigenen Betriebes gehabt. Ich habe zwar Ende 1949 mit dem Bau eines eigenen Verlags- und Druckereigebäudes begonnen ... , dabei aber eine derart hohe Schuldenlast aufnehmen müssen, daß ein Überleben vorübergehend, wenn auch nur für kurze Zeit, fraglich erschien. Die eigenen Interessen dürfen bei der Beantwortung einer solchen Frage aber keine Rolle spielen. ... Vor der Währungsreform hatten die Altverleger kein echtes Interesse an der Herausgabe ihrer Zeitung. Es wäre dann wahrscheinlich auch auf dem Pressesektor ein Tohuwabohu entstanden, weil das Papier bis dahin ... kontingentiert war und von den Amerikanern verteilt wurde. Nach welchem Schlüssel sollten sie es auf Alt- und Neuverleger verteilen? Womit sollten die Altverleger anfangen, wenn ihnen überhaupt kein Rotationsdruckpapier zur Verfügung stand? Vom demokratischen Gesichtspunkt aus gesehen wäre es natürlich wünschenswert gewesen, den Lizenzzwang so schnell wir möglich aufzuheben, also beispielsweise sofort nach der Währungsreform. Dann wäre ein großer Teil der Lizenzzeitungen zweifellos untergegangen, weil keine von ihnen ja eine finanzielle Basis hatte ..."716) - 211 - An anderer Stelle konzediert Heinrich Kierzek jedoch, dass die wirtschaftliche Situation der Lizenzzeitungen "wegen ihrer Monopolstellung sehr günstig war. ..." "Mein Verlag war in der Lage, bis zur Generallizenz ... alljährlich ein dreifaches Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation auszuzahlen."717) 7.4.1 1953: CDU-Abgeordnete gegen die "prokommunistische" "Fuldaer Volkszeitung" Ein Beispiel aus dem Herbst 1953 soll zeigen, mit welcher Vehemenz der Konkurrenzkampf zwischen den beiden Zeitungen auch auf politischer Ebene geführt wurde. Es ist nicht erstaunlich, dass gerade ein CDU-Mitglied, dessen Partei schon zu Zeiten der Lizenzpflicht mit der "Fuldaer Volkszeitung" selten einverstanden gewesen war, im Altverlegerblatt zu Wort kam. Die "Fuldaer Zeitung" schrieb unter der Überschrift "Neutralisten - Wegbereiter der Sowjets" und der Unterzeile "CDU-Bundestagsabgeordnete rechnen mit prokommunistischer Presse ab" u.a.: "Auf einer Wahlversammlung der CDU im überfüllten Großen Stadtsaal wandten sich die Bundestagsabgeordneten Dr. Heinrich Krone (Berlin) und Anton Sabel (Fulda) in scharfer Form gegen die deutschen Neutralisten und ihr Fuldaer Presse-Organ. ... Die 'Fuldaer Volkszeitung' nannte er (Krone, Anm. E.W.) eine Zeitung der kommunistischen Welt, die besser 'Pankower Volkszeitung' hieße. ... Auch Bundestagsabgeordneter Sabel beschäftigte sich mit der 'Fuldaer Volkszeitung' und ihren Leitartikeln. Der politische Redakteur der Zeitung, Gollbach, der im Dritten Reich einen Menschen dem Henker auslieferte, habe das Recht verwirkt, anderen einen politischen Weg vorzuschreiben. Wenn Herr Heinrich Kierzek heute gegen die Zusammenarbeit mit den USA polemisiere, dann erinnere man sich in Fulda noch allzu gut, wie Kierzek nach 1945 den Amerikanern 'in den Hintern gekrochen' sei ..."718) Kierzeks Replik kam prompt. Mit "Hatten Sie das nötig, Herr Sabel?" schrieb er in seiner Zeitung: "Selbst die Sieger dieses Wahlkampfes719) sind sich darüber einig, dass er auf einem beschämend niedrigen Niveau stand. ... Es hat nicht nur uns überrascht, dass auch der Bundestagsabgeordnete Sabel auf diese niedrige Stufe des Wahlkampfes herabgehen zu müssen glaubte. ... Nicht überrascht hat es uns, daß er sich in der letzten Wahlversammlung gegen unsere Zeitung wandte. Das war sein gutes Recht, denn wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir die von ihm in Bonn unterstützte Politik der Stärke und der Remilitarisierung nicht billigen. Es hätte nicht nur uns interessiert, welche Argumente er unseren Bedenken entgegenzusetzen hat. Darüber verlor er aber kein Wort. Er beschränkte sich vielmehr darauf, die leitenden Männer unserer Zeitung zu - 212 - beschimpfen. ... Und am letzten Tage vor der Wahl scheute Sabel nicht die erheblichen Kosten, um Zehntausende von Flugblättern im gesamten Wahlkreis Fulda zu verteilen, deren einziger Inhalt in einer Wiederholung der unwahren Anschuldigungen gegen Walter Gollbach bestand. Nach unserer Meinung soll man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, das einem Kandidaten in der Hitze des Wahlkampfes entschlüpft. Daher wären wir über das Unfaire und Unsachliche in den Äußerungen Sabels ohne weiteres zur Tagesordnung übergegangen. Er hat aber darüber hinaus auch Unwahrheiten verbreitet, die wir nicht unwidersprochen lassen können. Als Abgeordneter genießt er Immunität. Es ist daher nicht möglich, ihn wegen übler Nachrede gerichtlich zu belangen. Wir müssen uns daher mit einer Richtigstellung begnügen ..."720) Nachdem Kierzek dann den "Fall Gollbach" dargelegt hatte mit dem Hinweis, dass die Zentralspruchkammer Hessen Gollbach mitgeteilt hatte, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt worden sei, fuhr er fort: "In jener Zeit, als das Verfahren gegen Gollbach noch schwebte, war der heutige Bundestagsabgeordnete Sabel selbst Spruchkammervorsitzender in Fulda. Vielleicht hat er den Fall sogar mit bearbeitet. Wenn nicht, dann wäre es für ihn jedenfalls ein Leichtes gewesen, sich durch Einsichtnahme in die Spruchkammerakten ein zutreffendes Bild über den wahren Sachverhalt zu machen. Das tat er nicht. Statt dessen stützt er sich jetzt auf eine offenbar böswillig entstellte Notiz in einer schon vor Jahren verdientermaßen eingegangenen Zeitschrift und stellt in der Öffentlichkeit wahrheitswidrigerweise die ungeheuerliche Behauptung auf, Gollbach habe einen Menschen dem Henker ausgeliefert. ... Das Traurigste an der ganzen Sache aber ist, daß er die Attacke gegen Gollbach nicht etwa deshalb ritt, weil er eine verspätete Entnazifizierung oder Entmilitarisierung betreiben wollte, sondern ganz einfach deshalb, weil der heutige Redakteur Gollbach nicht die politische Auffassung des Abgeordneten Sabel über die Remilitarisierung teilt. ... Herr Sabel weiß genau, daß es für mich viel einfacher wäre, wie er die Kurven und Wendungen der amerikanischen Deutschlandpolitik zu befolgen. Ich hätte jetzt weniger Feinde und weniger Schwierigkeiten. Ich tat es aber nicht und werde es auch in Zukunft nicht tun, weil ich es eben mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. ..."721) Sabel erwiderte in der "Fuldaer Volkszeitung" unter der Überschrift "Es war nötig, Herr Kierzek!": "... Daß ich die politische Linie der 'Fuldaer Volkszeitung' nicht billige, ist bekannt. ... Die 'Fuldaer Volkszeitung' hat in Wort und Bild eine maßlose Kritik an der Bundesregierung und dem Bundeskanzler geübt. ... Es ist mir keine Zeitung in Westdeutschland bekannt, die in ihrer Kritik so hemmungslos war. ... Bezüglich des politischen Schriftleiters der 'Fuldaer Volkszeitung', Herrn Walter Gollbach, kann ich nach nochmaliger Überlegung der Vorgänge nicht zu einer anderen Meinung kommen, als von mir vorgetragen. Die Kenntnis der Vorgänge beruht auf Pressemitteilungen. Die von mir zitierten Pressemitteilungen blieben unwidersprochen. Auch die Darstellung von Herrn Kierzek kann den kritisierten Tatbestand nicht übersehen. Herr Gollbach hat eine schwere Schuld auf sich geladen. Er muß persönlich versuchen, damit fertig zu werden, den Anspruch, - 213 - anderen Bürgern Wegweiser im politischen Raum zu sein, hat er meines Erachtens verwirkt. ... Die 'Fuldaer Volkszeitung' muß es verantworten, Herrn Gollbach die politische Redaktion weiterhin zu belassen, sie muß sich aber damit abfinden, daß diese Tatsache weithin kein Verständnis findet. ... Eine Feststellung darf ich zum Schluß noch treffen. Mehr als 70 000 Wähler haben mir am 6. September ihre Stimme gegeben. ... Zu der Politik, welche die 'Fuldaer Volkszeitung' vertritt, haben sich wenige Menschen bekannt, diese Ursache dürfte der Schriftleitung zu denken geben."722) Noch in der gleichen Ausgabe der Zeitung reagierte Heinrich Kierzek: "... Wir gestehen offen, daß uns der ungekürzte Abdruck (des Antwortschreibens Sabel, Anm. E.W.) nicht leicht gefallen ist. Schließlich bedeutet es für einen Redakteur eine Zumutung, in seiner eigenen Zeitung Äußerungen zu veröffentlichen, die in der offensichtlichen Absicht geschrieben wurden, ihn selbst und seine Kollegen ungerechtfertigterweise zu kränken. Wenn wir es dennoch tun, so geschieht es einmal in der Erwägung, daß solche unfairen Seitenhiebe letzten Endes auf den zurückfallen, der sie austeilen zu müssen glaubt, und dann auch deshalb, weil wir absolut keinen Anlaß sehen, einer schonungslosen Auseinandersetzung über die zur Debatte stehenden Fragen aus dem Wege zu gehen. ... Da Herr Sabel ... in der Häufung negativer Feststellungen keine Hemmungen zeigt, müssen auch wir ihm gegenüber wohl oder übel einmal ganz deutlich werden: Uns sind keine Tatsachen bekannt, aus denen man etwa den Schluß ziehen könnte, als ob Herr Gollbach nicht jederzeit genau so seine Pflicht getan hätte wie Herr Sabel. Uns sind auch keine Tatsachen bekannt, die Herrn Sabel Grund zu der Behauptung geben könnten, er habe ein höheres Recht zur Inanspruchnahme der demokratischen Meinungs- und Pressefreiheit als etwa Herr Gollbach. ... Im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern hielt Herr Sabel es für angebracht, von 'würdelosen Werkzeugen' zu reden. Da er damit kaum sich selbst gemeint haben kann, ist nicht schwer zu erraten, auf wen dieser neue Seitenhieb abzielt. Nun, Herr Sabel: Jeder, der die Verhältnisse in Fulda nach 1945 auch nur halbwegs kennt, weiß ebenso gut wie Sie selbst, daß Sie mich damit nicht treffen können. Soweit es sich mit meiner Überzeugung und meinem Gewissen vereinbaren läßt, war ich und bin ich zur Zusammenarbeit mit jedem bereit. Sie werden niemals erleben, daß ich mich von dem distanziere, was ich nach 1945 oder zu irgendeiner anderen Zeit tat. ..."723) 7.5 Finanzierungsprobleme der "Fuldaer Volkszeitung" Es gehörte einiger Mut dazu, in einer Stadt wie Fulda mit überwiegend katholischer Einwohnerschaft, die auch zu einem großen Prozentsatz die CDU wählte, mit der "Fuldaer Volkszeitung" einen politischen Kurs zu fahren, der nicht der Auffassung der Mehrheit der Leser entsprach. Kierzek tat es mit einer Deutlichkeit, wohl wissend, dass seine Möglichkeiten mit dem Wiedererscheinen des Altverlegerblattes eingeschränkt sein würden. Diese Haltung unterschied ihn von vielen seiner Kollegen, die in den Nachkriegsjahren eine - 214 - Lizenz erhalten hatten. Sie hatten oftmals bei der Äußerung ihrer Meinung auch die Überlegung, dass eine Zeitung sich der politischen Mehrheit der Leser anpassen musste, um nicht ins Abseits zu geraten. Umgekehrt heißt das jedoch nicht, dass Heinrich Kierzek sich keine Gedanken über die finanzielle Sicherstellung seines Blattes machte. Allein aus dem Erlös von Abonnements und Anzeigen (zumal ihm die Altverlegerzeitung in Auflagenhöhe und Anzeigenvolumen schon damals überlegen war) konnte er seine Zeitung nicht am Leben erhalten. Zur Auslastung der Rotationsmaschine im eigenen Verlag bot sich an, Druckaufträge anderer Zeitungen oder Zeitschriften zu übernehmen. Im September 1951 druckte die "Fuldaer Volkszeitung" eine Sonderausgabe des Organs der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, "Die Tat", - und bekam damit prompt Schwierigkeiten. "Nicht nur die Altverleger", schrieb Kierzek, "machten eine Sensation daraus, sondern teilweise auch meine Kollegen von der ehem. Lizenzpresse und insbesondere die Amerikaner, die für die Geldhergabe an uns verantwortlich waren. Insbesondere die letzteren waren ganz aus dem Häuschen. ..."724) Eine Erklärung erfuhr Kierzek bei seinen Kollegen: Maßgebende amerikanische Herren, so hörte Kierzek, hätten sich grundsätzlich gegen eine Hergabe des 15-Millionen-Kredits für die westdeutsche Presse gewandt mit der Behauptung, die westdeutsche Presse sei fast durchweg amerikafeindlich und man könne das Geld anderweitig viel besser im Sinne der Vereinigten Staaten anlegen. Darüber hinaus seien von anderen Herren dann spezielle Bedenken dagegen erhoben worden, dass ein Kredit ausgerechnet an die "Fuldaer Volkszeitung" gegeben werden sollte, die in der Remilitarisierungsfrage nicht spurte. Shepard Stone, der Direktor für öffentliche Angelegenheiten, habe diesen 15-Millionen-Kredit für die Presse gegen die Bedenken der anderen prominenten Amerikaner doch durchgesetzt und schließlich auch entschieden, dass die "Fuldaer Volkszeitung" den beantragten Kredit dann erhielt. "Für die Kreditvergabe an uns", so Kierzek, "hatten sich insbesondere der Landeskommissar Dr. James Newman und der Leiter der Presseabteilung für Hessen, Mr. Vincent O. Anderson, eingesetzt. Daneben natürlich auch Mr. Shepard Stone, der mir 1945 die Lizenz überreichte und mich daher persönlich gut kannte. Diese drei Amerikaner ... fühlten sich nun ... durch den 'Tat'-Zwischenfall in ihrem persönlichen Ansehen und sogar in ihrer Existenz bedroht. ..."725) Auf diesen Kredit, so erfuhr Kierzek weiter, müsse er nun freiwillig verzichten, anderenfalls sei zu befürchten, dass der ganze Fall auch in die amerikanische Presse gelange, und dann sei den drei Amerikanern nicht mehr zu helfen. Überdies hätte der Fall den 15-Millionen-Kredit in Gefahr gebracht, da die Amerikaner sich ernsthaft mit dem Gedanken trügen, den Kredit sofort wieder zurückzuziehen. Da dies auch - 215 - auf der Tagung des Verbandes Hessischer Zeitungsverleger am 30. September 1951 bekannt gegeben wurde, "fürchteten alle Kollegen, durch unsere Schuld ihren Kredit zu verlieren, wodurch sie in ungeheure Aufregung und natürlich auch in Zorn gegen uns gerieten", erläuterte Kierzek.726) Kierzek hatte kein Verständnis für diese Reaktion. Im Kreise der Kollegen fragte er, wieso sie und auch die Amerikaner auf "dieses Konkurrenzmanöver der Altverlegerpresse hereinfallen konnten und wieso sie dazu kämen, aus diesem an sich doch alltäglichen Vorfall eine Sensation zu machen."727) Kierzek wies u.a. darauf hin, "daß die Druckerei Bindernagel in Friedberg, die mit dem Kollegen Dr. Rempel zusammen die 'Gießener Freie Presse' herausgibt, dieselbe Zeitschrift, von der wir eine Sonderausgabe gedruckt hatten, ja laufend drucke, und daß die 'Gießener Freie Presse' nicht die geringsten Schwierigkeiten habe, obwohl ihr Compagnon der ständige Drucker der Zeitschrift 'Die Tat' sei. ... Die 'Gießener Freie Presse' erhielt nicht nur ihren Kredit voll ausgezahlt, sondern inzwischen noch einen neuen Kredit ... zur Anschaffung einer Rotationsmaschine. ... Ich schätze, daß die 'Gießener Freie Presse' von der wigo insgesamt einen Kredit von DM 300.000.- erhalten hat, also erheblich mehr als wir. Trotzdem druckt ihr Compagnon die Zeitschrift 'Die Tat' unentwegt weiter, ohne daß ein Hahn danach kräht."728) Kurt Koszyk schreibt zur Darlehensvergabe an die "Fuldaer Volkszeitung" u.a.: "Bis zum 7.November 1951 wurde nur der Antrag der 'Fuldaer Volkszeitung' beanstandet. Ihr sollte ein Darlehen von 300.000 DM für eine 64-Seiten-Rotation zugewiesen werden, da sie offenbar Probleme mit der 1951 wieder herausgegebenen katholischen 'Fuldaer Zeitung' hatte. Dem Lizenzträger ... , dessen Unternehmen bereits 235 000 DM angewiesen worden waren, warf man vor, daß in seiner Druckerei eine Beilage der VVN-Zeitschrift 'Die Tat' gedruckt worden war. Den Vorgang hatte die 'Kasseler Post' publik gemacht. HICOG hielt es für schwierig, ein Darlehen für ein Zeitungsunternehmen zu rechtfertigen, das bereit war, 'Communist-line publications' zu drucken. Am 18. Oktober 1951 verurteilte der Prüfungs-Ausschuß auf amerikanische Veranlassung Kierzeks Handlungsweise als im Widerspruch zu den Zwecken des Pressefonds stehend. Kierzek hatte bereits die Rückzahlung des Darlehens zum 31.Dezember 1951 und seinen Rücktritt aus dem Direktorium der WIGO schriftlich angeboten. Da er sich Ersatzmittel offenbar aus politisch nicht anfechtbaren Quellen besorgt hatte, betrachteten die Amerikaner den Fall vorerst für abgeschlossen. Später erschien die 'Fuldaer Volkszeitung' aber wieder in der Liste der geförderten Zeitungen."729) Über Investitionskredite der Fuldaer Verlagsanstalt GmbH machte Kierzek am 5. Januar 1953 folgende Aufstellung: - 216 - 1. 1. Hypothek von der Frankfurter Hypothekenbank in Höhe von 145.000 DM; 2. Darlehen der Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse in Frankfurt/Main, der der Geschäftsführer der Fuldaer Verlagsanstalt als Genosse angehörte, in Höhe von 260.000 DM; 3. Kredite örtlicher Banken in Höhe von rund 80.000 DM. Anfang des Jahres 1953 hatte die Fuldaer Verlagsanstalt mehr als 100.000 DM zurückgezahlt. "Weitere Kredite", so vermerkte Kierzek, "sind von der Fuldaer Verlagsanstalt nicht in Anspruch genommen worden. Es besteht auch kein Bedarf zur Inanspruchnahme zusätzlicher Kredite."730) Fünf Jahre zuvor - am 21. Juni 1948, dem Tag der Währungsreform - sah die finanzielle Situation der Fuldaer Verlagsanstalt so aus: Bei einem Stammkapital von 100.000 DM wurde in der Eröffnungsbilanz das Aktivvermögen mit 246.640,05 DM ausgewiesen.731) 7.6 30. Juni 1974: Die "Fuldaer Volkszeitung" stellt ihr Erscheinen ein Die ehemalige Lizenzzeitung überstand die schwierigen Anfangsjahre, allerdings sank die Höhe der Auflage im Laufe der Jahre immer mehr. Von noch rund 50.000 Exemplaren, die 1949 gedruckt wurden, blieben in den sechziger Jahren noch etwa 20.000 Exemplare, und 1974, im letzten Jahr ihres Bestehens, verkaufte sie nur noch 15.000 Stück, die Altverlegerzeitung rund doppelt so viel.732) Hinzu kam, dass die "Fuldaer Volkszeitung" nur ein Viertel der Familienanzeigen der "Fuldaer Zeitung" hatte. Am 30. Juni 1974, im 29. Jahr ihres Bestehens, musste die frühere Lizenzzeitung ihr Erscheinen einstellen, "da ihre wirtschaftliche Lage unhaltbar geworden war. ... Mit ihrem Verschwinden mußten sich über 80 qualifizierte Fachleute wie Redakteure, Maschinensetzer, Drucker und andere fest angestellte Mitarbeiter nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen."733) Mit der Einstellung der "Fuldaer Volkszeitung" erwarb das Altverlegerblatt das Recht, den Titel der ehemaligen Zeitung zu führen. Sie entschied sich dann anders, konnte aber einen Teil der Leser der "Volkszeitung" übernehmen. Die "Oberhessische Volkszeitung" und die "Kinzigtal- Nachrichten" mit insgesamt 7.500 Exemplaren wurden von der "Frankfurter Neuen Presse" übernommen.734) Die "Fuldaer Volkszeitung" war wie wohl keine andere Zeitung beinahe ausschließlich das Produkt ihres Herausgebers. Ihr vergleichbar ist allenfalls - besieht man die dreizehn - 217 - Zeitungen, die zwischen 1945 und 1949 in Hessen gegründet wurden - die "Werra- Rundschau" in Eschwege mit dem Herausgeber Hans Albert Kluthe. Auch hier ist es sicherlich von Vorteil gewesen, dass die ICD die Lizenz an nur einen Herausgeber vergab. Als "seine" Zeitung sieht sie auch Heinrich Kierzek, als er nach 20 Jahren des Bestehens schrieb: "... Was wir beim zweijährigen Bestehen der 'Fuldaer Volkszeitung' als Programm verkündeten und begründeten, gilt auch heute noch, 18 Jahre danach. ... Die Themen und Probleme haben sich gewandelt, die Grundhaltung aber, aus der wir an sie herangehen, ist dieselbe geblieben. Die 'Fuldaer Volkszeitung' ist in all den Jahren niemals eine bequeme Zeitung gewesen. Sie hat sich niemals einem billigen Opportunismus verschrieben. Sie hat, wenn sie Grund zur Kritik zu haben glaubte, niemanden geschont. Sie ist dabei vor niemandem zurückgewichen und hat sich durch niemand einschüchtern lassen. Sie ist aggressiv gewesen, wo sie es für nötig und heilsam hielt, und sie schlug Alarm, wenn sie Gefahr im Verzuge zu sehen glaubte. Das ist nicht immer richtig verstanden worden. Wir ernteten nicht selten Tadel und Ablehnung auf jener Seite, der wir eigentlich helfen und dienen wollten. Und ebenso oft kam es vor, daß uns Beifall von der anderen Seite entgegenschlug, mit der wir nichts gemein haben wollten. ... Soweit wir eine andere Auffassung vertreten haben als die von uns Kritisierten, lagen wir nicht in allen Fällen auf der richtigen Seite. Das stimmt uns durchaus nicht traurig. Umgekehrt empfinden wir nicht den geringsten Triumpf darüber, daß wir in fast allen lebenswichtigen Fragen der deutschen Politik, in denen wir uns engagierten, recht behalten haben. ... Zeitungen dieses Typs waren 1945 bei uns etwas völlig Neues. Heute gibt es ihrer eine ganze Reihe, wenn auch nicht allzu viele. Viel größer ist schon wieder die Zahl jener Blätter, die unangenehme Wahrheiten gern vertuschen und aus rein geschäftlichen Erwägungen dem bequemen Prinzip huldigen, den Lesern nach dem Munde zu reden. Fast scheint es so, als ob sich das - wenigstens finanziell - auszahlte. Auf unsere eigene redaktionelle Grundhaltung haben solche Erwägungen aber nie einen Einfluß gehabt."735) Fünf Jahre später schrieb Kierzek: "... Von den 1945 in Hessen gegründeten Zeitungen ist die 'Fuldaer Volkszeitung' die einzige, bei der Besitzverhältnisse und redaktionelle Leitung 25 Jahre lang unverändert geblieben sind. Das ist sicherlich Zufall und gewiß kein Verdienst. Es macht aber deutlich, warum gerade diese Zeitung den Gesetzen, die sie sich vor einem Vierteljahrhundert selbst gegeben hat, so beharrlich treu geblieben ist und warum sie ihren geraden Weg durch die Turbulenz all dieser Jahre so unbeirrbar und konsequent gehen konnte."736) - 218 - 8 Das "Darmstädter Echo" zur Lizenzzeit 8.1 Die Gründung des "Darmstädter Echo" Auch Darmstadt erhielt noch 1945 eine eigene Zeitung. Als sechstes Blatt in Hessen erschien am 21. November 1945 die erste Ausgabe des "Darmstädter Echo". Zeitgleich wurde das "Amtliche Mitteilungsblatt für die Stadt und den Landkreis Darmstadt" eingestellt. Es hatte offizielle Bekanntmachungen der örtlichen deutschen Behörden und der amerikanischen Militärregierung enthalten sowie Ankündigungen zugelassener politischer Versammlungen. Zusätzlich durften dort Anzeigen für Gebrauchsgüter, die nicht dem Luxus dienten, veröffentlicht werden.737) Darüber hinaus hatte die Bevölkerung Informationen aus der "Frankfurter Rundschau" und der "Rhein-Neckar-Zeitung", Heidelberg, bekommen, da das Verbreitungsgebiet dieser beiden Lizenzzeitungen im Herbst des ersten Nachkriegsjahres noch weit über die jeweilige Stadt und den Kreis hinausging. Die beiden Presseoffiziere Ackermann und Oppenheim hatten einige Mühe, in Darmstadt jemanden zu finden, der für eine Lizenzerteilung geeignet schien. Man entschied sich dann für Johann Sebastian Dang737a), der, geboren in Bretzenheim bei Mainz, 1945 bereits 54 Jahre alt war. Der erste Anwärter auf eine Lizenz war bis zu seiner Entlassung als politischer Gegner des nationalsozialistischen Regimes 1933 Volksschullehrer in Darmstadt gewesen. Zudem schrieb er Erzählungen und Romane. Dang gehörte keiner Partei an und war auch kein Zeitungsfachmann, aber seine einwandfreie antifaschistische Haltung genügte der Information Control, um ihn in die engere Wahl zu ziehen. Bereits im August 1945 hatte man sich an ihn gewandt. Fünf Wochen später, nachdem auch Dang ein Dutzend Fragebogen ausgefüllt hatte, wurde er damit beauftragt, eine Zeitung für Darmstadt vorzubereiten und Mitarbeiter ausfindig zu machen.738) So kamen zwei Fachleute zur neuen Zeitung: der Anzeigenleiter Paul Ziegler und Ernst Bajus für den Vertrieb des Blattes. Zusätzlich schaltete Dang am 13. Oktober 1945 im "Amtlichen Mitteilungsblatt" die Anzeige: "Neue Zeitung! In Darmstadt wird demnächst eine neue Zeitung erscheinen. ... Die Zeitung braucht noch einiges Personal für den redaktionellen und kaufmännischen Bereich. Bewerber dürfen keinerlei Verbindung mit der NSDAP gehabt haben. Abonnements und Anzeigen werden hier noch nicht angenommen."739) Mittlerweile war man auch bei der Militärregierung zu einer Entscheidung gekommen, wem die zweite Lizenz erteilt werden sollte. Man hatte sich auf Paul Rodemann, SPD, geeinigt, der bisher zum Lizenzträgerteam der "Frankfurter Rundschau" gehört hatte. Hans J. Reinowski739a), ab 1947 Mitlizenziat in Darmstadt, schrieb über Rodemann: "Paul Rodemann, dessen Tatendurst die harten Gegebenheiten einer - 219 - grauen und düsteren Wirklichkeit oft durch deren Nichtbeachtung zu überwinden versuchte, war gern bereit, beruflich das damals unwirtliche geistige Klima der benachbarten Großstadt mit der zwar ebenfalls von Trümmerschutt und Ruinenschutt geschwängerten, aber anscheinend friedlicheren Atmosphäre Darmstadts zu tauschen."740) Offenbar kam Rodemann der Wechsel nach Darmstadt ganz gelegen, da er zuvor Konflikte mit Emil Carlebach, einem Mitlizenzträger der "Rundschau", gehabt hatte. Mit Rodemann wechselte Heinz A. Kaaf, bis dahin Redakteur bei der "Frankfurter Rundschau", nach Darmstadt. Zwischen ihm und Wilhelm Karl Gerst hatte es Unstimmigkeiten wegen dessen politischer Gesinnung gegeben.741) Dang und Rodemann wurde am 17. Oktober 1945 die Lizenz für das neue Blatt erteilt, das die Zulassungsnummer 35-W erhalten sollte. Oberstleutnant John B. Stanley, Kommandant der amerikanischen Nachrichtenkontrolle, sagte bei der Übergabe u.a.: "Indem Sie die Lizenz erhalten - es ist die achtzehnte in der amerikanischen Zone -, werden Sie die Verantwortung dafür übernehmen, daß der Bevölkerung dieses Gebietes eine Zeitung geliefert wird, zu der sie volles Vertrauen haben kann. Dieses Vertrauen muß auf einer ehrlichen und unparteiischen Behandlung aller Neuigkeiten beruhen, auf einer demokratischen Redaktionspolitik und auf der Gewißheit, daß sich das 'Darmstädter Echo' dem unablässigen Kampf gegen die Mächte der Unduldsamkeit und des Faschismus widmet. ... Möge das 'Darmstädter Echo' beides sein, Diener und Führer für das öffentliche Wohl Ihrer Lesergemeinschaft, ebenso wie für ein anständiges und demokratisches Deutschland."742) Zugegen war auch Oberstleutnant J.G. Chesnutt, Pressechef der 7. Armee, der kurz darauf in die Vereinigten Staaten zurückkehrte. Ihm folgte Major Smith.743) Ebenfalls am 17. Oktober gaben die "Amtlichen Mitteilungen" bekannt: "... Die neue Zeitung für Darmstadt und Starkenburg erscheint zum erstenmal am 21. November 1945." Außerdem wiesen Plakatanschläge auf die neue Zeitung hin, die dann in ihrer ersten Nummer mit acht Seiten Umfang erschien.744) Das "Darmstädter Echo" kostete 1,30 RM im Monat zuzüglich 20 Pfennigen Trägerlohn; im Einzelverkauf 20 Pfennige. Vierspaltig gesetzt, wurde das Blatt zunächst auf den Maschinen der "Frankfurter Rundschau" gedruckt. Im Kleinformat von 28 mal 39 Zentimeter hatte es eine Auflage von 70.000 Exemplaren, ein Verbreitungsgebiet für die "Provinz Starkenburg" und erschien jeweils mittwochs und samstags. Im Geleitwort der Verleger und Redakteure zur ersten Ausgabe heißt es u.a.: "Sie will das Echo sein all derer, die zum Aufbau unserer Stadt, zur Gesundung der Wirtschaft, zur Erziehung und Lenkung der Jugend, zur Pflege des geistigen und - 220 - künstlerischen Lebens, zur freien Meinungsäußerung der politischen Parteien, Wichtiges und Begründetes zu sagen haben. Sie will eintreten für die Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Sie will den Weg ebnen zur Zusammenarbeit aller Gutgesinnten, will, tolerant gegenüber Religiosität und Bekenntnis, dem Ansehen des deutschen Volkes in der Welt, der Völkerverständigung und dem Frieden dienen. Unerbittlich aber sagt sie den Feinden der Demokratie, den Verfechtern militaristischer und diktatorischer Gedanken den Kampf an."745) Außerdem enthielt die erste Seite ein Foto der Lizenzübergabe durch Oberstleutnant Stanley und einen Bericht über den Beginn der Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg. Seite 2 brachte politische Nachrichten und teilte mit: "Bisher wurden 26.000 Nazis in Groß-Hessen auf Veranlassung der Militärregierung in Wiesbaden aus ihren Ämtern entfernt. Mehr als 80.000 Personen wurden in diesem Gebiet auf ihre Parteizugehörigkeit überprüft." Berichtet wurde auch über das Landestheater in Darmstadt. Auf der dritten Seite erschien ein Beitrag von Prof. Ludwig Bergsträsser, dem seinerzeitigen Regierungspräsidenten. Außerdem berichtete man über die Tätigkeit des ehemaligen Reichsmarschalls Hermann Göring. Seite 4 blieb sozialpolitischen und wirtschaftlichen Fragen vorbehalten sowie dem Roman, der "unter dem Strich" gedruckt wurde. Auf der fünften Seite standen Informationen über lokale Ereignisse und der Leitartikel von Johann S. Dang, der den Lesern auseinander setzte, warum man nicht dem Wunsch der Bevölkerung nach einem gewohnten Zeitungstitel nachgekommen sei. Seite 6 enthielt eine Bekanntmachung des Städtischen Wohnungsamtes und Kurzmeldungen von regionalem Belang. Die Seite 7 brachte das Feuilleton. Georg Hensel, später ein bekannter Theaterkritiker, begann hier seine Karriere als Volontär. Auf der achten Seite wurden Anzeigen veröffentlicht. Dang, der Literat, leitete den kulturellen Teil der Zeitung; Rodemann übernahm das Ressort Politik. So schrieb auch Rodemann die meisten Leitartikel. Sein erster erschien in der zweiten Nummer der Zeitung unter der Überschrift "Warum Politik?"746) Dieser und alle weiteren Leitartikel trugen den Vermerk "Unsere Meinung" - ein Hinweis, den Rodemann offenbar von der "Frankfurter Rundschau" übernommen hatte. Auch in der Aufmachung ähnelte das "Darmstädter Echo" in der Anfangszeit der ersten hessischen Lizenzzeitung - zumindest solange Rodemann die politische Linie des Blattes bestimmte. Ihm ist es wohl zudem zu verdanken, daß die Ansichten der Sozialdemokratischen Partei zu Rodemanns Zeiten stärker im "Echo" vertreten waren als die anderer politischer Gruppierungen. So konnte sich Willi Knothe, Mitherausgeber der "Frankfurter Rundschau" und SPD-Mitglied, im - 221 - "Echo" zur "Sozialdemokratie, der Garant für das neue Deutschland" äußern.747) Paul Rodemann schrieb über "Demokratische Forderungen"748), Grundsätze der Demokratie"749), "Das Säuberungsgesetz"750) usw. Unter anderem erschien auch ein Leitartikel, der den Titel "Hic rhodus - hic salta"751) trug. Der gleiche Artikel war einige Zeit zuvor in der "Rundschau" publiziert worden. Zum einjährigen Bestehen der Darmstädter Lizenzzeitung schrieb Rodemann u. a.: "Das Jahr des Aufbaus war mühselig, erforderte die Hingabe aller in diesem Unternehmen Beschäftigten; mit dem Wachsen des Betriebes wuchs auch der Geist der Zusammengehörigkeit. Das 'Darmstädter Echo' ist kein privatkapitalistisches Unternehmen. Seine Organisation beruht nicht auf der liberalistischen Methode des Verdieners, sondern das Verlagsunternehmen ist ein sozialer Betrieb. Wohlverstanden, kein sozialistischer! Die Parteipolitik spielt weder in der geistigen Richtung der Zeitung noch in der Betriebsorganisation eine Rolle. In diesem Unternehmen arbeiten alle ohne Ausnahme nur auf das Ziel hin: 1. einen Musterbetrieb in sozialer Hinsicht aufzubauen, 2. alle kulturellen und sozialen Einrichtungen, die einem Betriebe angepaßt sind, zu schaffen, 3. das soziale Wohlergehen des einzelnen Betriebsangehörigen zu betreuen ..."752) Zu diesem Zeitpunkt wurde von den Lizenzträgern der amerikanischen Zone, vor allem von "Frankfurter Rundschau"-Mitherausgeber Wilhelm Karl Gerst, noch das Stiftungsmodell für die neue Presse befürwortet. In diesem Sinn äußert sich 1946 auch Rodemann. Zum Ende des zweiten Jahrgangs, Ende 1946, gehörten der Redaktion neben den beiden Lizenzträgern die Redakteure Hans Bruder, Wolfgang Hartmann, Georg Hensel, Hans Adolf Kaaf, Paul Friedrich Martin und Dieter Schmitt an. Zuständig für Anzeigen war Paul Ziegler. Der Redaktionsetat belief sich monatlich im Durchschnitt auf knapp 12.000 RM.753) Ein Redakteur verdiente 650 RM im Monat, ein Volontär 250 RM.754) 8.2 Der Pachtbetrieb Bescheiden war allerdings die räumliche Ausstattung des "Darmstädter Echo". Die 34 Mitarbeiter zählende Gruppe war in zwei Zimmern einer ehemaligen Schule untergebracht sowie in einer Turnhalle, wo die Verlagsarbeit, der Vertrieb und Versand erledigt wurden. Hinzu kam die Schwierigkeit, dass die fertigen Manuskripte nach Frankfurt befördert werden mussten, um im Lohndruck bei der "Rundschau" hergestellt zu werden. Meistens nahmen die Presseoffiziere das Material dorthin mit. Der Rücktransport der gedruckten Auflage erwies sich als ebenso umständlich. Der von der Informationskontrolle zur Verfügung gestellte - 222 - Lastwagen übernahm die Transportfahrten nur einige Wochen lang. Danach musste das "Echo" ein eigenes Fahrzeug beschaffen. So war es dringend notwendig, in Darmstadt eine Druckerei für die neue Lizenzzeitung zu finden. Hier, wie auch in anderen Städten, bot sich das Gebäude der Altverlegerzeitung an. Das 1738 gegründete "Darmstädter Tagblatt"754a) hatte 1943 im Zuge einer Stilllegungsaktion sein Erscheinen einstellen müssen. Der Druckereibetrieb war zwar im September 1944 durch Bomben ziemlich zerstört worden, aber Angehörige des Unternehmers hatten die Gebäude bis zum Winter 1945 einigermaßen wieder instand gesetzt. So konnte die Property Control Branch der amerikanischen Militärregierung am 12. Dezember 1945 das Anwesen der Firma L.C. Wittich für die Lizenzpresse beschlagnahmen: "Aufgrund der Vorschriften des Gesetzes (Nr. 52) über die Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen wird hiermit bekanntgemacht, daß mit sofortiger Wirkung das ... bezeichnete Vermögen, einschließlich allen Zubehörs und aller Bestandteile, der Beaufsichtigung der Militärregierung unterliegt. Störende Einwirkungen auf dieses Vermögen, sowie unbefugtes Betreten des Grundbesitzes, sind strengstens untersagt. Zuwiderhandelnde setzen sich strafrechtlicher Verfolgung durch ein Gericht der Militärregierung aus. Beschreibung des Vermögens: L.C. Wittich'sche Buchdruckerei und Verlag, Darmstadt, Rheinstr. 23. Property, printing plant bank account." Unterschrieben war die Bekanntmachung von James Downing, Oberstleutnant des Amts für Vermögenskontrolle.755) Auch hier wurde ein Treuhänder - ein Darmstädter Rechtsanwalt und Notar - eingesetzt, um das Vermögen des Altverlegers zu verwalten. Am gleichen Tag, als das Anwesen beschlagnahmt wurde, übersiedelte die Redaktion in das neue Gebäude. Sie wurde während der folgenden zwei Jahre von Howard W. Calkins, Nachfolger von Presseoffizier Ackermann, betreut. Die 83 technischen Angestellten der Firma Wittich wurden in den neuen Betrieb übernommen. Es dauerte bis zum April, bevor die erste Ausgabe des in Darmstadt hergestellten "Echo" herauskommen konnte. In der Zwischenzeit mussten zahlreiche technische Hilfsmittel organisiert werden. So heißt es in einem Tätigkeitsbericht für 1946 des "Technical Coordinator, Press and Publication Branch ICD, Wiesbaden", Wilhelm Freienberg, u. a.: "Das 'Darmstädter Echo' benötigte für die Übernahme der Herstellung der Zeitung im eigenen Druckbetrieb 2 Setzmaschinen, Schriftregale und Schriften. Eine Setzmaschine wurde pachtweise von Guido Zeidler, Wiesbaden-Biebrich, eine Setzmaschine von der Buchdruckerei Grandpierre, Idstein, beschafft, und die erforderlichen Verhandlungen mit - 223 - Property Control, dem Treuhänder oder dem Besitzer geführt, sowie die Verträge abgeschlossen."756) Am 10. April 1946 erschien dann das "Darmstädter Echo" im neuen Berliner Format - 32 mal 47 Zentimeter - mit dem Hinweis "2. Jahrgang, Nr. 1". Nach dem Einzug in das Gebäude des Altverlegers musste mit diesem ein Pachtvertrag abgeschlossen werden. Bereits am 27. Mai 1946 wurde der erste Entwurf von den Lizenzträgern des "Darmstädter Echo" vorgelegt, der jedoch nicht realisiert wurde, da sich beide Seiten über die Höhe der Miete sowie ein vom "Darmstädter Echo" geltend gemachtes Vorkaufsrecht nicht einigen konnten. Nachdem der Wert des Wittichschen Eigentums im beiderseitigen Einverständnis auf rund 430.000 RM festgelegt worden war, sollte die Miete für die Gebäude vom Juli 1946 an monatlich 615 RM, die Pacht für das Inventar monatlich 300 RM betragen.757) Die Verhandlungen verliefen jedoch so zähflüssig, dass man erst 1948 zu einer Übereinkunft kam. Am 24. Februar des Jahres wurde der Vertrag geschlossen und am 15. März 1948 von beiden Partnern im Beisein des Presseoffiziers unterzeichnet.758) Das "Darmstädter Echo" zahlte daraufhin 150.000 DM jährlich an die Firma Wittich. Hinzu wurden dem Altverleger, "teils als Entgelt für die seit Dezember 1945 aufgelaufene Miete und Pacht, teils als Vergütung für das Einverständnis zu einem freien Vertrag auf deutscher Rechtsgrundlage"759), Sachwerte in Höhe von 340.000 DM übereignet. Diese Summe hatte das "Darmstädter Echo" benötigt, um den Pachtbetrieb wieder aufzubauen. Der Vertrag wurde auf fünf Jahre abgeschlossen mit einer Verlängerungsmöglichkeit von drei Jahren. Doch selbst die Fünfjahresfrist wurde nicht eingehalten, denn das "Echo" (das seit 1946 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung war, mit einem nominellen Stammkapital von 40.000 Reichsmark, die sich zu gleichen Teilen in den Händen der beiden Lizenzträger befanden,760)) hatte schon früh damit begonnen, sich um einen eigenen Betrieb zu bemühen. Am 4. September 1947 wurde bei der Druckmaschinenfabrik König & Bauer in Würzburg eine 32-seitige Rotationsmaschine im Rheinischen Format gekauft.761) Zusätzlich stellte die Press Branch der ICD "aus ihrem Sperrkonto einen Betrag von 189.000 RM für den Kauf von Maschinen, wohl auch als Beihilfe zum Vollzug des mit Wittich geschlossenen Pachtvertrages, zur Verfügung."762) Bereits seit dem Sommer 1947 suchten die Lizenzträger nach einem geeigneten Bauplatz. Für die GmbH wäre die Realisierung des Vorhabens zu diesem Zeitpunkt sehr günstig gewesen, denn sie verfügte über finanzielle Mittel in Höhe von 750.000 RM. Da aber die Behörden den Kauf des avisierten Grundstücks verweigerten, schrumpfte der Betrag nach der Währungsreform 1948 auf ein Zehntel des vorherigen Wertes. Trotzdem konnte am 20. November 1948 der Grundstein für einen Neubau gelegt werden. Von dem auf sieben Stockwerke geplanten Bau wurden Keller und Erdgeschoss - 224 - fertiggestellt. Die Kosten für das auf 2 Millionen geschätzte Projekt betrugen bis dahin 450.000 DM. Die zum Weiterbau benötigten langfristigen Kredite bekam das "Darmstädter Echo" dann allerdings nicht, so dass das Bauvorhaben nicht weitergeführt werden konnte. Eine andere Möglichkeit bot sich, als die Lizenzzeitung ein Grundstück an der Holzhofallee in Darmstadt erwarb und dort, nach Verkauf des teilweise fertiggestellten anderen Baus an die Wiederaufbau-Gesellschaft, erneut baute. Diese Entscheidung führte offensichtlich zu Differenzen der Lizenzträger untereinander. Der erst 1947 hinzugekommene dritte Herausgeber des "Echo", Hans J. Reinowski, setzte die Aufnahme eines Kredits gegen den Willen der anderen beiden Lizenzträger durch. Reinowski erhielt den Kredit dann in Höhe von 300.000 DM von der Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse, WIGO. Er wurde bis zum 4. September 1957 zurückgezahlt.763) Paul Rodemann schied bereits am 23. Mai 1949 aus dem Herausgebergremium aus; Johann Sebastian Dang ging einige Zeit später, am 28.Dezember 1949. Beide erhielten bei ihrem Ausscheiden eine monatliche Rente von 800 DM auf Lebenszeit sowie einen Pkw - eine aus heutiger Sicht unverständliche Entscheidung, vor allem, da im Sommer 1949 die Lizenzpflicht aufgehoben wurde und die Herausgeber damit automatisch zu Eigentümern einer Zeitung wurden, deren Wert ein Vielfaches von dem der Anfangszeit betrug. Es besteht kein Zweifel, dass Reinowski, die offenbar dominierende Figur in dem Dreiergremium, das Ausscheiden der anderen beiden Teilhaber begrüßen musste, wurde er auf diese Weise doch alleiniger Inhaber der Zeitung. Reinowski schrieb denn auch zum Tod von J. S. Dang am 19. August 1958: "... Ich bin Dir so dankbar, wie alle Deine früheren Mitarbeiter, vor allem auch wie Dein Nachfolger und jüngerer Freund Max Bach, dem Du Deinen Platz vertrauensvoll im Verlag überließest, wie Du mir darüber hinaus schon früher den Stuhl des Chefredakteurs einräumtest."764) Tatsächlich scheint Dang nicht der Mann gewesen zu sein, der genügend Durchsetzungsvermögen besaß, um seine Rechte wahrzunehmen. Reinowski schrieb: "Er war sich über die unpolitische Wesensart seiner Persönlichkeit durchaus im klaren, über eine Wesensart, die ihn zwar zu einer aufrechten demokratischen, freiheitlichen, kriegsgegnerischen Grundhaltung trieb, ihn aber gleichzeitig vor dem politischen Werktagsgeschehen zurückscheuen ließ."765) Für Paul Rodemann traf diese Charakterisierung nicht zu. Die Gründe für sein Ausscheiden sind nicht in seiner politischen Untätigkeit zu suchen; es ist eher anzunehmen, dass für ihn die Unstimmigkeiten innerhalb der Redaktion unerträglich wurden. Es gab nicht nur Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Reinowski, sondern auch mit Dang. Für Reinowski, den alleinigen Geschäftsführer, bedeutete das Ausscheiden, dass er den bisherigen technischen - 225 - Betriebsleiter Max Bach766) als Gesellschafter in die GmbH aufnehmen konnte. Bach, Reinowskis späterer Schwiegersohn, erhielt die Hälfte der Dang-Anteile, also 10.000 DM (Nennwert).767) Nach Erhöhung des Stammkapitals auf 120.000 DM am 20. November 1950 erwarb Bach weitere 10.000 DM von Reinowski.768) (Später wurden Dr. Kurt W. Reinhold, dem damaligen Chef vom Dienst und späteren Chefredakteur, acht Prozent der Geschäftsanteile Reinowskis übertragen. Reinhold wurde damit dritter Gesellschafter der GmbH.769)) Zu diesem Zeitpunkt war der neue Betrieb an der Holzhofallee bereits fertiggestellt. Seit dem 1. November des Jahres arbeiteten dort 55 Angestellte der Verwaltung, 36 Mitglieder der Redaktion, 22 technische Angestellte sowie 143 Arbeiter und etwa 200 Mitarbeiter und Berichterstatter.770) Der Pachtvertrag mit der Firma Wittich wurde daraufhin zum 31. Dezember 1950 vorzeitig gelöst. 8.3 Das "Darmstädter Echo" in Konkurrenz zur Altverlegerzeitung Das Ende der Lizenzpflicht bedeutete auch für den Lizenziaten des "Darmstädter Echo", sich auf das Wiedererscheinen der Altverlegerzeitung vorzubereiten. So schrieb Reinowski am 5.Mai 1949 u.a.: "Falls es (das neue Pressegesetz für Hessen, Anm. E.W.) die Zustimmung der Militärregierung findet und in allen drei Ländern der US-Zone Pressegesetze verabschiedet und von der Militärregierung genehmigt sein werden, wird das Lizenzsystem und damit die anfangs notwendige, im Laufe der Zeit aber ungesund und unhaltbar gewordene Monopolstellung der bisherigen Zeitungen fallen. ... Jeder demokratische Zeitungsverleger Hessens begrüßt diesen Schritt, nicht nur, weil dann den heutigen Blättern von den ebenfalls lizenzierten Parteien nicht länger der Name 'Lizenzpresse' mit einem häßlichen Unterton angehängt werden kann. Vor allem begrüßen die unabhängigen Zeitungsherausgeber diesen Schritt, weil sie wissen, daß ihr ureigenstes Lebenselement die völlige Pressefreiheit und der freie Wettbewerb um das Vertrauen des Lesers sein muß und ist."771) Den Lesern erklärte er wenig später, warum das "Darmstädter Echo" eine "Heimatzeitung mit dem weiten Blick in die Welt" sei: "... Viele Verlage dieser neu entstehenden Zeitungen werden bei ihrer Tätigkeit ihren Charakter als Heimatzeitung besonders hervorkehren und die Bevölkerung davon zu überzeugen suchen, daß nur die örtlich gebundene Presse die engeren Heimatinteressen vertreten kann. Dazu möchten wir in aller Offenheit erklären: Wir waren uns vom ersten Tage des Erscheinens unserer Zeitung an darüber im - 226 - klaren, daß auch im deutschen Pressewesen nicht dort angeknüpft werden konnte, wo die Entwicklung 1933 stehengeblieben war. Wenn sich zu jener Zeit das Interesse des Lesers zumeist unter dem Bannkreis des heimatlichen Kirchturms bewegte, so dürfte sich heute ganz allgemein die Erkenntnis durchgesetzt haben, daß alle Ereignisse unseres täglichen Daseins stärksten Einflüssen von außen her unterliegen. Das 'Darmstädter Echo' hat in den vier Jahren seines Bestehens seine vornehmste Aufgabe darin erblickt, seinen Lesern diese äußeren Eindrücke nahezubringen und ihnen eine genaue Kenntnis aller großen Zusammenhänge zu vermitteln. Ohne die Pflege heimatlichen Geistes und heimatlicher Nachricht hintanzustellen, haben wir uns bemüht, unser Blatt zu einem öffentlichen Organ von Format zu entwickeln, wie der ständige Ausbau des 'Darmstädter Echo' beweist. Unsere Nachrichten haben über das Wissenswerte unterrichtet. Unsere Leitartikel, unser rücksichtsloser in un- erschrockener Sprache geführter Kampf um Sauberkeit und Gerechtigkeit haben die Bevölkerung oft zu lebhafter Aussprache und Stellungnahme angeregt. Durch das 'Echo des Lesers' wurde unsere Zeitung zum unverblümten Sprachrohr der Öffentlichkeit. ... Der anspruchsvolle Leser wird seine Vergleiche ziehen. Er wird überzeugt davon sein, daß das 'Darmstädter Echo' seine unabhängige politische Zeitung über die enge Umgebung hinaus ist, seine Heimatzeitung mit dem weiten Blick in die Welt."772) So sollte das "Sonntags-Echo", das seit dem 12. November 1949 als Beilage mit vier Seiten Umfang und im halben Format der sonstigen Ausgaben erschien, den Lesern einen weiteren Anreiz bieten, der ehemaligen Lizenzzeitung treu zu bleiben, als am 1. Juli 1950, später als andere Altverlegerblätter in Hessen, das "Darmstädter Tagblatt" wieder erschien. Die Zeitung, die am 23. Oktober 1738 gegründet worden war, hatte ihr Erscheinen auf Anordnung der Reichspressekammer am 5. Mai 1943 einstellen müssen. Bis zum Ende des Krieges wurde nur noch das Parteiblatt "Hessische Landeszeitung" verbreitet. Ende 1945 traten dann - wie erwähnt - die Lizenzträger des "Darmstädter Echo" an die Firma L.C. Wittich mit der Frage heran, ob sie bereit sei, die neue Zeitung zu drucken. Doch, so schildern die Altverleger das Geschehen 1949 rückblickend, "während die Verhandlungen zur Übernahme des Druckauftrages noch liefen, als also seitens der Firma Wittich alle Voraussetzungen gegeben waren, den Start der neuen Zeitung zu ermöglichen, erreichte sie aus heiterem Himmel die verblüffende Mitteilung, ihr Betrieb sei durch einen Befehl der Militärregierung zugunsten der Lizenzträger des 'Echo' beschlagnahmt. Unter den gebotenen Umständen war an eine Auflehnung gegen diesen Befehl nicht zu denken; es gab auch keine Berufungsmöglichkeit gegen die Entscheidung, noch konnte die Frage nach den Beweggründen gestellt werden, die dem Entscheid zugrundelagen. Die Austreibung der Eigentümer aus ihrem alten Besitz ging so schnell vonstatten, daß ihnen nicht einmal ermöglicht wurde, die Zahl und Art der im Betrieb befindlichen Gegenstände festzuhalten und deren Übernahme quittungsmäßig bescheinigen zu lassen. ... Der Betrieb stand dann längere Zeit unter der Treuhänderschaft, bis die Lizenzträger den Eigentümern der Druckerei eines Tages im Jahre 1948 eröffneten, die Militärregierung wünsche, daß das - 227 - seitherige, in jeder rechtlichen Hinsicht ungeordnete Verhältnis in einen Vertragszustand umgewandelt, also gleichsam legalisiert werde. Es wurde der Firma Wittich, die zu einer solchen Regelung durchaus nicht bereit war, nur eine unverhältnismäßig kurze Überlegungsfrist gelassen, und es wurde im gleichen Atemzug erklärt, daß, falls der Vertrag nicht zustande käme, der alte Zustand der treuhänderischen Verwaltung wieder eintreten würde. In dieser Zwangslage und aus der Überlegung heraus, daß nur so eine halbwegs angemessene Pachtvergütung zu erzielen war, verstand die Firma Wittich sich schließlich zum Vertragsabschluß, wobei deutlich ausgedrückt wurde, daß sie den Vertrag nicht aus freien Stücken, sondern unter einem unausweichlichen Zwang schließe. ... Falls nicht nach entsprechender Klagestellung von einem ordentlichen Gericht festgestellt werden sollte, daß ein solcher Vertrag die guten Sitten verletzt, schalten und walten also noch bis Ende 1952 Fremde in dem alten Betrieb ... ; daran ändert auch die Tatsache nichts, daß inzwischen die Pressefreiheit wiederhergestellt und die seitherige Monopol- und Vorzugsstellung der Lizenzpresse aufgehoben worden ist. Nach Erlaß des Hessischen Pressegesetzes im Juli 1949 wurden alsbald mit den Herren des 'Echo' Ver- handlungen aufgenommen, ob sie nunmehr bereit seien, mit der Firma Wittich, welche die Herausgabe des alten 'Tagblattes' vorbereitete, in irgendeiner Hinsicht zusammenzuarbeiten. Voraussetzung dafür mußte aber sein, daß der auf Zwang basierende Vertrag vom Vorjahre aufgehoben und durch eine neue Abmachung ersetzt würde, die beiden Teilen ihre billigen Rechte ließ. Die Gegenseite lehnte jedes Entgegenkommen in dieser Richtung ab, bestand auf ihrem Schein, erklärte allerdings, sie sei eventuell nicht abgeneigt, sich ihrerseits am Verlag des 'Tagblattes' kapitalmäßig zu beteiligen. Selbstverständlich sei sie auch gern bereit, das 'Tagblatt' zu kulanten Bedingungen in Druck zu nehmen. Daß die Firma Wittich auf dies Anerbieten nicht einging ... , das dürfte jeder billig Denkende wohl verstehen. Die Verhandlungen haben sich also zerschlagen, das 'Tagblatt' muß vorerst auswärts in Druck gehen, muß alle damit verbundenen Unbequemlichkeiten und wirtschaftlichen Erschwernisse in Kauf nehmen, weil diejenigen, die unter so befremdlichen Umständen Herren im Betrieb Wittich geworden sind, sich zu keiner annehmbaren Regelung bereit zeigten. Vor allem durch diese Tatsache werden die Hoffnungen begraben, das 'Tagblatt' noch in diesem Jahr als Tageszeitung erscheinen zu lassen. Der Verlag fühlt sich jedoch verpflichtet, die nun seit annähernd zehn Jahren unterbrochene Tätigkeit wieder aufzunehmen und zunächst mit einem Wochenblatt vor die Öffentlichkeit zu treten ..."773) So erschien zwischen dem 14. 12. 1949 und dem 1. Juli 1950 an jedem Mittwoch das "Darmstädter Wochenblatt". Mit mindestens 16 Seiten Umfang kostete es im Monatsabonnement eine Mark zuzüglich zehn Pfennigen Trägerlohn. Am gleichen Tag, als die Firma Wittich die Bevölkerung auf ihre Weise informierte, erwiderte Hans J. Reinowski im "Darmstädter Echo" u.a.: "Nicht die Militärregierung hat den Abschluß des Pachtvertrages gefordert, wie es in Wittichs Werbeschrift heißt, sondern die Herausgeber dieser Zeitung haben sich monatelang die Hacken abgelaufen, um die Zwangsmaßnahmen gegen die Firma Wittich durch einen - 228 - Vertragsabschluß auf gegenseitiger freiwilliger Vereinbarung aufheben zu lassen. Das ist unter unsäglichen Mühen und großen Opfern schließlich gelungen. Der Verlag 'Darmstädter Echo' hat bis zum Tage des Vertragsabschlusses für den Wiederaufbau des Wittichschen Druckereibetriebes, für den die Firma Wittich nach ihren eigenen Angaben bis zur Beschlagnahme 165 000 RM aufgewendet hatte, rund 390 000 RM aufgebracht. Von diesen 390 000 RM waren an aufgelaufener Pacht rund 130 000 RM an Wittich zu verrechnen. Der Rest in Höhe von 260 000 RM, der heute einen Wert von 260 000 DM darstellt, wurde der Firma Wittich ohne Gegenrechnung für die Unterschrift unter den Pachtvertrag angeboten und nach vollzogener Unterschrift übereignet. ..."774) Für die Lizenzzeitung bedeutete das Wiedererscheinen der Altverlegerzeitung einen erheblichen Rückgang der Auflage. Betrug diese im Dezember 1948 noch 75.865 Exemplare, so war sie ein Jahr später bereits auf 63.440 gesunken. Zum Jahresende 1950 erreichte sie einen Tiefstand von 46.953 Stück.775) Die Einbuße der bisherigen Auflagenhöhe lag aber nicht nur an der wiedererstandenen Altverlegerzeitung, deren Verkaufsauflage zu Beginn der fünfziger Jahre ungefähr 18.000 Exemplare betrug.776) (Das "Darmstädter Tagblatt", seit dem ersten Erscheinungstag bei der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" gedruckt, musste deshalb auch mit dieser fusionieren, da sie sich sons t nicht auf dem Markt hätte halten können.) Im Einzugsgebiet von Darmstadt, der ehemaligen Provinz Starkenburg, erschienen nämlich, nach Aufhebung der Lizenzpflicht, in kurzer Zeit über zwanzig Heimatblätter. Am 17. August 1949 teilte der Vorsitzende des Verbandes Hessischer Zeitungsverleger, Heinrich Kierzek, in einem Rundschreiben mit: "Nach den mir bis heute vorliegenden Meldungen der Mitgliedsverlage erscheinen in Hessen unter Generallizenz Nr.3 folgende Kreisblätter (im Verbreitungsgebiet des 'Darmstädter Echo'): 'Südhessische Post', Heppenheim 'Bergsträsser Anzeigeblatt', Bensheim 'Arheilger Anzeiger', Darmstadt-Arheiligen 'Pfungstädter Anzeiger', Pfungstadt 'Michelstädter Zeitung', Michelstadt 'Mümlingbote', Höchst/Odenwald 'Griesheimer Anzeiger', Griesheim 'Hessenpost', Darmstadt-Eberstadt 'Eberstädter Nachrichten', Eberstadt 'Odenwälder Heimatzeitung', Erbach 'Bürstädter Zeitung', Bürstadt - 229 - 'Lorscher Anzeiger', Lorsch." 777) Diese und weitere Blätter, die nach dem 17. August des Jahres erschienen, erreichten zusammen eine Auflage von 56.000 Exemplaren.778) Langfristig blieb die Lizenzzeitung dominierend. Zum Jahresende 1951 konnte das Blatt die Gesamtauflage wieder auf 48.436 erhöhen. In den Folgejahren pendelte sich die Durchschnittsauflage bei ungefähr 47.000 Exemplaren ein. Erst im Dezember 1965 stieg sie auf 50.370 Stück und hatte Ende der siebziger Jahre beinahe wieder ihre Anfangsauflage von 70.000 erreicht. 779) 8.4 Hans J. Reinowski und das "Darmstädter Echo" Am 1. Februar 1947 erhielt Hans J. Reinowski als Dritter die Lizenz zur Herausgabe des "Darmstädter Echo"; sie war ihm von Presseoffizier Raymond J. Stover angeboten worden. Jahre später kommentierte Reinowski das Ereignis: "Die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, welche die Amerikaner an die Tätigkeit der von ihnen zugelassenen Presseleute knüpften, waren ihm (Reinowski), dem aus der deutschen Sozialdemokratie gekommenen Gegner jeder Diktatur und Gewaltherrschaft, recht bis auf einen Punkt, an dem vielleicht damals noch vor kurzer Frist seine Zulassung hätte scheitern können. Er war nicht bereit, die Kommunisten - wie das damals in allen Besatzungszonen gefordert wurde - als demokratische Gegner des Naziregimes und als zuverlässige Bürgen einer freiheitlichen Ordnung anzuerkennen. Sie waren Antifaschisten, sehr wohl; aber doch nicht als Freunde und Vorkämpfer freiheitlicher, menschenrechtlicher Gesellschaftsordnung und Staatsform, sondern schlechtweg als Konkurrenten. ... Würden die Kommunisten - vielleicht gar mit Hilfe ihrer demokratischen Bundesgenossen - jemals die Macht erobern, so würden sie ihrer Natur und Lehre gemäß, gleich den übrigen totalitären Machthabern, Millionen von Gegnern und Andersdenkenden ... ihrem totalen Terror unterwerfen, sie hinschlachten, foltern, ihrer Freiheit und ihrer Habe berauben und in Zwangsarbeitslagern ausbeuten. Kurzum, sie würden an freiheitlich denkenden und handelnden Menschen in ihrem Machtbereich alle Verbrechen begehen, die auch von den Nationalsozialisten und anderen totalitären Machthabern begangen worden sind. Dafür gebe es schauerliche Beweise in der Geschichte der Sowjetunion, die durch Hitlers Wahnwitz den Westmächten als Verbündete aufgezwungen worden sei, und die nach wie vor, von Moskau aus, den kommunistischen Parteien aller Länder konspirative Befehle erteile, für deren Befolgung sie strikten Kadavergehorsam verlange. Eine solche Partei könne niemals eine ehrliche Partnerin oder Bundesgenossin der wirklich demokratischen deutschen Parteien sein oder werden. Man müsse sie sich vom Leibe halten und ihre umstürzlerische Tätigkeit unablässig bekämpfen. So habe er es in all den Jahren der Emigration gehalten und gedenke das auch in Deutschland zu tun."780) - 230 - Reinowski erinnert sich weiter, es habe aufgrund seiner dezidierten Meinung tagelanges Tauziehen gegeben, ob man von Seiten der Abteilung für Informationskontrolle ihm eine Lizenz erteilen könne, doch schließlich habe sich der Presseoffizier auf die diplomatische Frage zurückgezogen, "ob der Kandidat bereit sei, die Vorschrift in den Zulassungsbestimmungen zu beachten, wonach kein lizenzierter deutscher Zeitungsverleger Unfrieden zwischen den Alliierten Mächten stiften dürfe."781) Diese Frage, schreibt Reinowski, konnte er leicht bejahen, umso mehr, "als kein deutscher Zeitungsmann nötig war, um solch ein finsteres Werk hinterhältig zu schüren; die Alliierten selbst waren Mannes genug dazu. Die siegreiche und eroberungssüchtige Sowjetunion besorgte das ganz allein. Daraufhin wurde die neue Lizenz für Darmstadt erteilt. Durch diese Zulassung ist die politische Grundhaltung des 'Darmstädter Echo' auf Jahrzehnte hinaus unmißverständlich und unwandelbar festgelegt worden. ..."782) An der Feier zur Lizenzübergabe, die von Lt. Col. Arthur Skarry, dem Chef der Militärregierung für den Regierungsbezirk Darmstadt, vorgenommen wurde, nahmen auch Lt. Col. Anthony Kleitz, Chef der ICD Hessen, Raymond Stover, Chef der Presseabteilung in Wiesbaden, der Leiter der ICD Darmstadt, Knoblauch, sowie der Presseoffizier des "Darmstädter Echo", Howard Calkins, teil. Die Zeitung meldete das Ereignis am 4. Februar 1947: "... Die beiden Lizenzträger, Johann Sebastian Dang und Paul Rodemann, waren sich seit langem darüber einig, daß die ansteigende Arbeit und Verantwortlichkeit einen dritten Mann erforderte. ..."783) Der dritte Mann hieß nicht von Anbeginn Reinowski, denn ursprünglich war für diese Lizenz der Lokalredakteur des "Darmstädter Echo", Hans Bruder, vorgesehen gewesen. Bruder schien den Amerikanern jedoch politisch nicht einwandfrei zu sein, so dass die Wahl auf Reinowski fiel, dessen Einfluss auf die Zeitung von Anfang an groß war. Am 8. Februar 1947 wurden in einer Lizenzträgersitzung die Aufgabenbereiche neu verteilt. Rodemann wurde alleiniger Geschäftsführer der GmbH und des Verlages; Dang blieb Leiter der Feuilletonredaktion und Reinowski übernahm das Ressort Politik. Das hieß, dass er den weitaus größten Teil der Leitartikel schrieb. 25 Jahre später kommentierte er die Haltung der Zeitung in der Lizenzzeit so: "Bisher hatte das 'Darmstädter Echo' notgedrungen eine eigene, von Allgemeinplätzen differenzierte politische Linie vermissen lassen, weil die Redakteure des schriftlichen Debattierens ungewohnt und zu zaghaft waren, sich angesichts murrender Amerikaner und schimpfender Deutscher auf ein Gebiet zu begeben, das sie nicht beherrschten, und wo sie verständlicherweise des sicheren politischen Urteils ermangelten. - 231 - Behutsam und systematisch wurde das 'Darmstädter Echo' auf politischen Meinungskurs gedreht. "784) Reinowskis Stellungnahmen führten auf lokaler Ebene zu heftigen Kontroversen. Die KPD, die sich schon 1946 beklagt hatte, das "Echo" habe die Aufnahme eines Inserats (in dem eine öffentliche Versammlung der Partei angekündigt wurde) abgelehnt785), befehdete sich häufig mit dem Lizenzträger. So antwortete Reinowski am 24. Februar 1948 dem Landtagsabgeordneten der Kommunistischen Partei, Ludwig Keil. Keil hatte öffentlich behauptet, das "Darmstädter Echo" habe 1947 einen Gewinn von drei Millionen Mark erzielt. Reinowski schrieb dazu: "... Das ist ein großes Wort, Herr Keil. ... Wir fordern Sie freundlich auf, innerhalb von zehn Tagen ... den Wahrheitsbeweis für Ihre Mitteilung anzutreten. Wir versprechen Ihnen, Ihren Beweisen jede uns mögliche Verbreitung innerhalb unserer Leserschaft zu verschaffen, indem wir alle sachlichen Angaben, die Ihre Behauptung stützen, in den Spalten des 'Darmstädter Echo' ... veröffentlichen werden."786) Reinowski nannte Keil in dem gleichen Artikel einen Verleumder, der entweder seine Behauptung beweisen oder Reinowski wegen Beleidigung verklagen müsse.787) Keil entschied sich für keine der beiden angebotenen Möglichkeiten, sondern forderte den Herausgeber des "Echo" zu einem Streitgespräch auf. "Der Lizenzträger ... nahm die Herausforderung als eine willkommene Gelegenheit an, einen weithin sichtbaren Trennungsstrich zwischen der Zeitung und den Kommunisten zu ziehen", schrieb Reinowski dazu rückblickend.788) Im "Echo" konnte man dazu am 13. März des Jahres auf der Titelseite lesen: "Achtung! Darmstädter! Am Freitag, dem 19. März, um 19.30 Uhr, in der Wagenhalle. Es sprechen: Ludwig Keil (KPD), Hans J. Reinowski, 'Darmstädter Echo'. Thema: Welcher Weg führt zur Einheit Deutschlands und zu einem gerechten Frieden? Wer vertritt die Meinung des Volkes?"789) Vor rund achttausend Zuhörern lieferten sich die beiden Kontrahenten wortgewaltige Gefechte. Die Auseinandersetzung blieb ohne gerichtliche Folgen. "Trotzdem", schreibt Reinowski dazu, "hatte die Veranstaltung den gewünschten Effekt. Nunmehr war sich jedermann im Verbreitungsgebiet des Blattes über die politische Haltung der Zeitung klar."790) Auch außerhalb Darmstadts erfuhren die Leser von dem öffentlichen Wortgefecht. So schrieb die "Gießener Freie Presse" am 31. März 1948: "... Keil ... griff mit scharfen Worten die antikommunistische Hetze des sogenannten überparteilichen 'Darmstädter Echo' unter Reinowski an und bezeichnete diesen als einen 'politischen Kippenstecher' und 'gehorsamen Diener' der Besatzungsmacht. Es habe eine antikommunistische Hetze wie in der Zeit nach 1933 begonnen und man könne heute die gleichen Schlagzeilen wie in den Goebbels-Zeitungen lesen. Kein Hohn und Haß sei zu billig, um die KPD zu beschmutzen. Diese Provokationen richteten sich aber nicht nur zweckbewußt - 232 - gegen die Kommunisten, sondern gegen die gesamte sozialistische Bewegung. ... 'Ich schreibe und spreche als Sozialist und Demokrat eine offene Sprache, für die ich in der Ostzone hinter Schloß und Riegel sitzen würde', erklärte Lizenzträger Reinowski (SPD) in seiner Erwiderung. Er wies den Vorwurf der Hetze zurück und bezeichnete den Vorwurf, er sei die 'Stimme Amerikas' als lächerlich. Es wäre sein gutes Recht, in seinen Leitartikeln seine politische Meinung zu vertreten. Die KPD könne aber eine andere Auffassung als die ihrige, zumal, wenn sie sie in Verlegenheit bringe, nicht vertragen. Er bekämpfe die Kommunisten bis an sein Lebensende, weil er die Diktatur wie die Pest verabscheue! 'Überparteilich wäre das 'Darmstädter Echo' für die KPD bestimmt erst, wenn es 'Rote Fahne' heiße' betonte Reinowski. ... Während der Rede des Lizenzträgers ... mußte der Versammlungsleiter einschreiten, da es zu lebhaften Mißfallenskundgebungen unter den Versammelten kam. ..." Dies blieb nicht das einzige Duell zwischen Keil und Reinowski. Als am 25. April des Jahres die Kommunalwahlen stattfanden, erhielt die Sozialdemokratische Partei von den 48 Stadtverordneten-Sitzen 20 (und hatte damit die absolute Mehrheit verloren). Der CDU fielen 10 Sitze zu; der LDP 13; der KPD 5. Die SPD entschloss sich daraufhin zu einer Koalition mit der Kommunistischen Partei, um im Darmstädter Stadtparlament eine "sozialistische Mehrheit der beiden Arbeiterparteien" zu bilden. Reinowski wandte sich in einem Leitartikel, überschrieben "Troja am Woog", entschieden gegen diese Verbindung und nannte bei der Gelegenheit die fünf Stadtverordneten der KPD "fünf politische Desperados".791) Bereits zuvor hatte Keil seinerseits Reinowski in einer Versammlung als einen "politisch Prostituierten" bezeichnet. Die "Hessischen Nachrichten" berichteten darüber am 1. Mai 1948: "... Lizenzträger Reinowski teilte der KPD Darmstadt mit, daß jeder schriftliche oder mündliche Verkehr zwischen seinem Blatt und der KPD abgebrochen sei. ..."792) Am 24. Juli druckte dann das "Echo" eine "Vereinbarung" ab: "Zwischen Herrn Landtagsabgeordneten Keil in Darmstadt und Herrn Schriftleiter Hans J. Reinowski wird folgende Vereinbarung getroffen, die im 'Darmstädter Echo' veröffentlicht wird. ..." Keil nahm, so konnte man lesen, die Wendung "politisch Prostituierter" zurück und Reinowski den Ausdruck "fünf politische Desperados", "als mit ihr entgegen dem herkömmlichen Sprachgebrauch die Bezeichnung als 'politische Banditen' verstanden werden könnte. ... Das im 'Darmstädter Echo' am 29. 4. 1948 veröffentlichte an die KPD gerichtete Schreiben, in der der schriftliche und mündliche Verkehr mit der KPD abgebrochen wurde, wird daraufhin zurückgezogen."793) Dass Reinowski mit seinen Äußerungen keineswegs immer die Zustimmung seiner Leser fand, zeigen die Zuschriften, mit deren Abdruck das "Darmstädter Echo" 1948 zum ersten Mal begann. Sie erschienen unter dem immer wiederkehrenden - 233 - Spruch: "Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede. Man soll sie billig hören beede" und enthielten zum Teil heftige Kritik am "Darmstädter Echo". 8.4.1 Kampf dem Kommunismus: Leitartikel des Lizenzträgers Genau ein Jahr vor Inkrafttreten der Generallizenz, am 1. August 1948, konnte das "Darmstädter Echo" zu täglichem Erscheinen übergehen. Der Zeitungskopf trug seitdem den Untertitel "Die unabhängige Tageszeitung Südhessens".794) Damit wurde das "Echo" mehr und mehr zu einem Blatt, in dem Meinungen und Nachrichten größeren Raum hatten. Aber, betont der Herausgeber 1970 in seiner Festschrift, "... es sagte allen extremen und radikalen Bestrebungen einen unnachsichtigen Kampf an. Anhänger und Fürsprecher totalitärer Gruppen von rechts und von links kamen und kommen im 'Darmstädter Echo' weder im redaktionellen Text noch im Anzeigenteil zu Wort."795) In einem seiner zahllosen Leitartikel auf der zweiten Seite zeigte Reinowski den Lesern, wo das Extreme zu suchen war: "... Das unerhört grausame Verhalten der nach Deutschland hereinbrechenden asiatischen, in Truppenkörpern zusammengefaßten Stämme, die ihre Jahrtausende alte Steppengewohnheiten unter Hammer und Sichel in ungebrochener Wildheit gen Westen ins Herz Europas trugen, die Eigenmächtigkeiten und Grausamkeiten der von Sowjetrußland gestützten und angefeuerten Polen und Tschechoslowaken wandten die Hoffnung der verzweifelten Deutschen inbrünstig den Westmächten zu. ..."796) "Inzwischen", schrieb Reinowski 1970, "ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Unter stillschweigender Duldung ihrer ehemaligen westlichen Alliierten hat die Sowjetunion ihren Griff um die osteuropäische Beute so gefestigt, daß keine Macht der Welt ohne Krieg ... imstande ist, ihr diese Beute streitig zu machen."797) Auch 1950 verfolgte das "Echo" seine politische Linie weiter. Die Ereignisse in Deutschland, wie z.B. der Beitritt zum Europarat am 15. Juni, die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montan-Union) am 15. August usw., wurden vom "Darmstädter Echo" begrüßt. "Jeder dieser Schritte auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an internationalen westlichen Organisationen, Entscheidungen und Maßnahmen wurde vom 'Darmstädter Echo' ... gegenüber den Lesern verfochten in der Gewißheit, daß nur auf diesem Wege die Freiheit, Menschenwürde und Wohlfahrt für alle hier lebenden Deutschen gesichert - 234 - werden konnte. So verhielt sich das 'Darmstädter Echo' auch bei Plänen zu einem deutschen Verteidigungsbeitrag innerhalb eines westlichen Bündnisses, die seit September immer lebhafter diskutiert wurden. Die Bundestagsmehrheit akzeptierte die neue Entwicklung als eine aus der sowjetrussischen Eroberungspolitik und der von ihr verursachten Spaltung Deutschlands zwangsläufig gegebene Notwendigkeit. Schon lange vor dieser Entscheidung hatte die Zeitung aus politischer Einsicht diese Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit öffentlich anerkannt und gegenüber den zahlreichen Meinungs- gegnern unter den Lesern mit immer neuen Argumenten vertreten", schreibt Reinowski dazu. Er gesteht zwar ein, dass dies einige Jahre lang zu Spannungen mit weiten Kreisen der Leserschaft geführt habe, aber "schließlich hat sich die Zeitung mit ihrer wohlüberlegten Haltung in ihrem Verbreitungsgebiet durchgesetzt und so ihrem Untertitel ... Respekt verschafft."798) 1950 konnten die Leser in einer Eigenanzeige des "Echo" erfahren: "Sitz der verantwortlichen Redaktion und Verlagsleitung ist der Hauptort unseres Verbreitungsgebietes: Darmstadt. Keine gebietsfremden oder betriebsfremden Geldeinflüsse oder Geschäftsbelange sind am 'Darmstädter Echo' beteiligt. Keine Behörde, keine Partei, keine Besatzungsmacht, keine Wirtschaftsgruppe und kein Kirchenamt haben Einfluß auf unsere Haltung. ... Das 'Darmstädter Echo' setzt sich für Freiheit, Wahrheit und Recht, für Frieden, Volkswohlfahrt, Völkerverständigung und Deutschlands Gleichberechtigung ein. Sauberkeit in den Ämtern, Schutz der wirtschaftlich Schwachen, Förderung der heimischen Wirtschaft und Landwirtschaft sind die vornehmsten Ziele unseres Strebens."799) 1956 gründete Reinowski, zusammen mit Max Bach, das "Rüsselsheimer Echo". Dies schien notwendig, da die Rüsselsheimer Lokalzeitung nur dreimal wöchentlich erschien, so dass das "Darmstädter Echo" befürchten musste, dass ein benachbarter Verlag aus Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt dorthin vorstoßen könnte und damit dem "Echo" im Verbreitungsgebiet Groß-Gerau Konkurrenz machen würde.800) Am 28. Januar 1965, Reinowskis 65. Geburtstag, übertrug er acht Prozent seiner Geschäftsanteile auf Dr. Kurt Werner Reinhold, den damaligen Chef vom Dienst des "Darmstädter Echo". Reinhold wurde damit Mitgesellschafter der Zeitung. 1970 trat Reinowski von der Chefredaktion zurück und behielt nur noch sein Amt als Gesellschafter und Herausgeber. Zu diesem Zeitpunkt wurde Dr. Reinhold Chefredakteur. Zum 31. Dezember 1974 gab Reinowski seine Geschäftsführertätigkeit auf. Max Bach wurde damit alleiniger Geschäftsführer.801) Hans J. Reinowski starb am 3. Januar 1977 in Darmstadt. Seine Anteile am "Darmstädter Echo" gingen auf seine Familie über. - 235 - 8.5 Das "Darmstädter Echo" aus der Sicht der Information Control Am Beispiel der Darmstädter Lizenzzeitung lässt sich verdeutlichen, wie und in welchem Ausmaß die amerikanische Abteilung für Informationskontrolle die neu geschaffenen Zeitungen begutachtete und kontrollierte. Am 29. Dezember 1945 teilte die ICD dem "Echo" mit: "Sie, meine Herren, sind Inhaber und Lizenzträger des 'Darmstädter Echo'. Sie haben zu verantworten, daß alle aufkommenden Fragen sofort und richtig beantwortet werden. ... Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Sie in allen Angelegenheiten zu beraten, sondern Sie müssen nach Möglichkeit in selbständiger Initiative arbeiten und dafür sorgen, daß Sie unsere Hilfe nur wenn unbedingt nötig in Anspruch nehmen."802) "Die Militärregierung wünscht, daß die Ergreifung und Bestrafung verschleppter Personen, die sich in der amerikanischen Zone eines Vergehens schuldig gemacht haben, zur Kenntnis der breiten Öffentlichkeit kommt ..."803) Der Redakteur Heinz Adolf Kaaf erhielt u.a. von Presseoffizier Howard Calkins eine Rüge wegen eines Artikels über die Hannover-Messe.804) Am 13. Mai 1946 wurde dem "Darmstädter Echo" mitgeteilt: "Um das Ansehen des 'Darmstädter Echo' weiterhin aufrechtzuerhalten, darf der Wert einer wöchentlich dreimaligen Ausgabe - unter Beibehaltung der jetzigen Seitenzahl - nicht verkannt werden. ... Ich bitte um Ihre Stellungnahme. ..."805) "Wiederholte Beschwerden der Landgemeinden an Press Branch, Wiesbaden, lassen ein neues Problem auftauchen. Folgende Punkte werden dem 'Darmstädter Echo' zur Last gelegt: 1. Unzureichende Belieferung der kleinen Gemeinden. Einige Ortschaften entbehren häufig jeglicher Belieferung. 2. Ungenügende Wiedergabe von Lokalnachrichten in der Bezirksausgabe. ... Sollte das 'Darmstädter Echo' nicht in der Lage sein, bei gleicher Auflagenhöhe den Zeitungsbedarf einigermaßen zu decken, müßte die Gründung einer zweiten Zeitung in Darmstadt erwogen werden. Folgende Vorschläge werden gemacht, um eine intensivere Lokalberichterstattung zu erreichen: a) Schaffung von Bezirksausgaben für die Landkreise Bergstraße, Erbach, Dieburg, Groß-Genau oder b) Zusammenfassung der Landkreise Bergstraße und Erbach zu einer und der Landkreise Dieburg und Groß-Gerau zu einer zweiten Gebietsausgabe ..."806), hieß es in einer Notiz vom 29. August 1946. Im Oktober des gleichen Jahres musste die Zeitung auf Anweisung der ICD zwei Seiten Papier pro Ausgabe einsparen. Eine milde Strafmaßnahme, die nötig schien, nachdem das "Echo" am 11. und 14. September mit einer zweiseitigen Reportage und in zwei Leitartikeln den Luftangriff in Erinnerung gerufen hatte, bei dem 20.000 Darmstädter umgekommen - 236 - waren. "Die Reportage hatte die damals geäußerten Rachegefühle der Überlebenden plastisch geschildert, ohne jedoch über die Kriegsschuld der Nazis ... ein Wort zu verlieren."807) Damit hatte das Blatt "eine Gelegenheit verpaßt, ihre Umerziehungsaufgabe für das deutsche Volk wahrzunehmen"808), so war jedenfalls die Ansicht des Pressechefs für Hessen. Außerdem hätte man in einer Zeit der schweren Papierknappheit und Rationierung nicht so verschwenderisch sein sollen. So wurde dem "Echo" am 6. Februar 1947 mitgeteilt: "Die Knappheit an Druckpapier ist wiederum äußerst kritisch. ... Heute läuft nur eine Maschine in Bayern, die Papier herstellt. Außerdem sind keine Eisenbahnwaggons für den Transport des Papiers von der Mühle zur Druckerei vorhanden. ... Press Branch wird auch nicht mehr helfen können. Sie müssen nun selber sehen, wie Sie mit den vorhandenen Schwierigkeiten fertigwerden. Sollte ein Betrieb durch Papierverschwendung in eine Notlage geraten, wird kein anderer Ausweg bleiben, als den Betrieb zu schließen."809) Um ein ähnliches Problem ging es am 14. März 1947: "Wenn das Papier einmal in Händen der Verleger ist, muß ein Verlust - sei er durch Feuer, Wasser oder aus anderen Gründen entstanden - durch Verminderung der Auflagenhöhe ersetzt werden."810) Am 18. April des Jahres wurde das "Echo" gelobt: "Wir möchten dem 'Darmstädter Echo' unsere Anerkennung aussprechen für die Behandlung allgemein interessierender Fragen und für die Initiative bei der Gründung und Unterstützung einer öffentlichen Diskussionsmöglichkeit, bei welcher Tagesfragen von öffentlichem Interesse erörtert werden können. ICD ist der Meinung, daß hinsichtlich der Umschulung Ihres Volkes dieser Schritt einer der wichtigsten ist, der jemals von irgendeiner Zeitung innerhalb der amerikanischen Zone unternommen wurde."811) Am 7. Mai 1947 schrieb die Informationskontrolle: "Diese Dienststelle findet es notwendig, bis zu einem gewissen Grade den Mitgliedern des Hessischen Landtages zuzustimmen, die am Freitag die unabhängige Presse angegriffen haben. In kürzlich stattgefundenen Besprechungen mit Lizenzträgern hat der Chef der Information Control Division, Colonel B. B. McMahon, besonders darauf aufmerksam gemacht, daß größere Objektivität in der Berichterstattung über die Tätigkeit des Landtages erforderlich sei ... . Es gibt Zeitungen in Hessen, die ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit fortgesetzt ausweichen. Anstatt umfassende und objektive Berichte über Ereignisse zu bringen, scheinen sie nur auf der Jagd nach Schwächen der Regierungsstellen zu sein, um dann aus Sensationslust auf dem verantwortlichen Beamten herumzuhämmern. ... Ich möchte betonen, daß dieses Memorandum in keiner Weise als ein Versuch der Entmutigung aufbauender Kritik aufgefaßt werden soll."812) - 237 - "Im Rahmen einer 50prozentigen Kürzung Ihrer Druckpapiermenge", lautete ein Schreiben vom 14. Juni des Jahres, "werden Sie künftig dreimal wöchentlich - und zwar wechselnd mit 6 und 8 Seiten pro Woche - herauskommen. Die Aufteilung wird 2-2-2- und 2-2-4 Seiten sein."813) Außerdem teilte die ICD mit: "Es steht Ihnen ... frei, Ihre Veröffentlichungen in jede besetzte Zone Deutschlands zu versenden. ..."814) Um die Kritik an öffentlichen Stellen ging es in einer Mitteilung vom 30. Juni, in der es hieß: "In der letzten Zeit ist in der unabhängigen Presse der amerikanischen Zone scharfe Kritik an den politischen Parteien geübt worden. Die Berechtigung dieser Kritik wird von uns nicht in Frage gestellt, aber wir möchten darauf hinweisen, daß auch diese Sache zwei Seiten hat. ..."815) Kritik äußerte die Information Control am 4. Juli: "Die Lizenzträger werden auf die geringe Beachtung hingewiesen, die die Einweihung des Verwaltungsgerichtshofes für das Land Hessen in der hessischen Presse gefunden hat. Es kann gemutmaßt werden, daß diese Nachlässigkeit auf Unkenntnis gegenüber der Wichtigkeit dieser Einrichtung zurückzuführen ist ... ."816) Am 24. Juli 1947 wurde "dem Verlag 'Darmstädter Echo' ... bescheinigt, daß er dringend der Anschaffung einer 32seitigen Rotationsmaschine (Rheinisches Format)" bedurfte,817) und Mitte August erhielt das "Echo" ein Schreiben des folgenden Inhalts: "Betrifft Beitrag zur demokratischen Erziehung durch die Presse in der amerikanischen Zone. Ihre Arbeit wird von Beamten in Berlin genau überprüft ... und daraufhin bewertet, inwieweit Sie Ihre Aufgabe als Lizenzträger einer Zeitung in der amerikanischen Zone erfüllen. ... Der Raum, der neuerdings den Kriegsverbrecherprozessen zugestanden wurde, ist ein weiteres Anzeichen für die Teilnahmslosigkeit der Redaktionen gegenüber dem Problem der Kriegsschuld. ... Es erscheint verständlich, daß sowohl der deutsche Leser als auch der Redakteur gelangweilt, wenn nicht gar aufgebracht ist über die Berichte von Kriegsschuld, moralischer Schuld und Nazischuld. Wenn die lizenzierte Presse trotzdem fortfährt, diese unbeliebten Themen zu erörtern, während gleichzeitig die Blätter von politischen Parteien, von Religionsgruppen oder andere Interessengemeinschaften der Volksstimmung entgegenkommen, manchmal gefährliche nationalistische Töne anschlagen, wird die unabhängige Presse Gefahr laufen, ihre Leser, möglicherweise zugunsten von weniger verantwortungsbewußten Gruppen, zu verlieren. Die lizenzierten Herausgeber befinden sich in der Zwangslage, versuchen zu müssen, den Wünschen der Leser gerecht zu werden - ein wünschenswertes Ziel -, auf der anderen Seite aber kann die unpopuläre Aufgabe der Umerziehung ihrer Leser nicht umgangen werden ..."818) Gelobt wurde die Zeitung für einen Artikel, der die Situation der Nahrungsmittelversorgung behandelte. Er erschien am 9. September im "Darmstädter Echo". Knapp einen Monat später schrieb die ICD: "... Die Nachrichtenkontrolle hält den Aufsatz ... für einen der besten über - 238 - dieses Problem in der US-Zone erschienenen, weil er Verbesserungsvorschläge statt nur eine Aufzählung der bestehenden Umstände enthält."819) "Es hat sich herausgestellt", wurde die Zeitung informiert, "daß einige hessische Zeitungen Luxusreklamen in Sonderausgaben veröffentlicht haben. Die betreffenden Herausgeber werden vor der Fortsetzung solcher Veröffentlichungen gewarnt."820) Auch finanzielle Angelegenheiten, die die Lizenzpresse betrafen, wurden von der Informationskontrolle registriert. So wurde das "Echo" am 25. Oktober 1947 in Kenntnis gesetzt: "Hiermit bestätigen wir, daß das 'Darmstädter Echo' für das erste Halbjahr 1947 den Betrag von 173.545,88 Reichsmark auf Sperrkonto eingezahlt hat."821) Am 2. Januar 1948 erhielt auch die Darmstädter Zeitung den Hinweis: "Die Papierzuweisungen für das 1. Quartal des Jahres 1948 treffen zusammen mit den Vorbereitungen zur Eröffnung eines weiteren Zeitungsbetriebes in Hessen.822) Wir hatten ursprünglich gehofft, die neue Zeitung mit zusätzlichem Papier aus einer vergrößerten Produktion beliefern zu können. Da jedoch Transportschwierigkeiten die Auslieferung von Kohle an Bayern verzögert haben und somit die Papierproduktion nicht ausgeweitet werden konnte, sehen wir uns genötigt, das erforderliche Papier aus den Zuweisungen an die hessischen Zeitungen zu entnehmen. ..."823) Um das häufig schlechte Verhältnis zwischen Lizenzpresse und Behörden ging es in einem Schreiben vom 16. Januar 1948: "Die ICD und besonders Press Branch haben während der vergangenen Jahre die hessischen Zeitungen gegen Angriffe verteidigt, seien sie von deutscher oder amerikanischer Seite erfolgt. Im allgemeinen war unsere Verteidigung gerechtfertigt, doch es gab auch Gelegenheiten, bei denen wir uns durch die Nachlässigkeit oder das falsche Urteil von einem Teil der Redakteure auf gefährliches Glatteis begeben haben. Einige der gewichtigsten Beschwerden, die an uns herangetragen wurden und deren Beantwortung uns am schwersten fällt, sind jene, die von Behördenleitern darüber vorgebracht wurden, daß die Zeitungen sich der Verantwortung nicht bewußt seien, Nachrichten von besonderer Bedeutung für die Öffentlichkeit abzudrucken. Ohne Ausnahme haben wir auch in diesen Fällen die Zeitungen verteidigt; aber es gab Zeiten, in denen wir das eigentlich ohne Berechtigung taten. Unter uns gesagt fühlten wir uns in dieser Beziehung Ihnen gegenüber zur Kritik veranlaßt. ... Es wird einmal der Tag kommen, an dem die Militärregierung nicht mehr in Deutschland sein wird, um für Ihre Verteidigung einzustehen. Diejenigen unter uns, die diese Aufgabe heute noch erfüllen, können Ihnen nur immer wieder nahelegen, sich Ihre eigene 'Verteidigung' dadurch auszubauen, daß Sie einen größeren Ernst und größere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Ihren Behördenleitern an den Tag legen. Wir sind uns - 239 - darüber klar, daß - wenn Sie zu nachgiebig sind - die Anforderungen von seiten der Behörden Ihre Möglichkeiten übersteigen und unerträglich werden können, doch sind wir andererseits ehrlich gesagt nicht der Meinung, daß Sie eine solch engherzige Herrschaft ausüben sollten, wie das in den genannten Fällen geschah ..."824) Am 19. Januar 1948 erhielt das "Echo" noch einmal die Mitteilung: "Wir haben zur Kenntnis genommen, daß Sie für das zweite Halbjahr 1947 den Betrag von 214.848,23 Reichsmark auf das Sperrkonto eingezahlt haben."825) Kritik übte die Informationskontrolle an einem Artikel des "Darmstädter Echo" vom 25. August 1948. Der Bericht, überschrieben "Wie hoch sind die Besatzungskosten?", sei in allgemeinen Wendungen gehalten und beruhe auf ungenauen Schätzungen, schrieb die ICD dazu am 1.September. "... Dieser Brief ist nicht als Verweis zu betrachten, sondern soll lediglich unsere Meinung darüber ausdrücken, was wir für eine faire Betrachtung dieses Problems halten würden ... ."826) Die Anweisungen, so Reinowski, wurden aber im Laufe des Jahres 1948 zunehmend geringer und hörten im letzten Jahr amerikanischer Kontrolle ganz auf. Nur in einigen Fällen fanden noch Gespräche zwischen Lizenzträgern und Vertretern der Information Control statt - neben Oberst Bernhard McMahon waren dies vor allem Vincent O. Anderson und Raymond J. Stover. - 240 - 9 Die "Wetzlarer Neue Zeitung" bis zum Ende der Lizenzpflicht 9.1 1. Januar 1946: In Wetzlar erscheint wieder eine Zeitung Als 7. Lizenzzeitung in Hessen erschien am 1. Januar 1946 die "Wetzlarer Neue Zeitung". Ein Drucker und ein Setzer, Johann Eifinger und Josef Hüsch - Eifinger SPD-Mitglied, Hüsch der CDU zugehörig -, erhielten die Lizenzen zur Herausgabe des Blattes. Die Zeitung, die fortan mit der Lizenznummer 33W herauskam und 1.50 RM zuzüglich 30 Pfennigen Zustellgebühr im Monat kostete, erschien zunächst zweimal wöchentlich: dienstags und freitags mit durchschnittlich sechs Seiten Umfang einschließlich einem Achtel Kleinanzeigen. Verlag, Chefredaktion und Druck befanden sich im Gebäude der Schnitzlerschen Buchdruckerei, Weißadlergasse 9, in Wetzlar, dort, wo bis zum April 1945 der "Wetzlarer Anzeiger" erschienen war. Die Auflage der Zeitung war auf 20.000 Exemplare pro Monat festgelegt (und damit genauso hoch wie die der "Gießener Freien Presse", die eine Woche später, am 6. Januar, erstmals erschien.) "Das Gesicht der Zeitung" überschrieb Chefredakteur Josef Hüsch seinen ersten Leitartikel auf der ersten Seite der Nummer Eins: "Bei der Herausgabe einer Zeitung steht immer die Frage: Soll sie ein Meinungsblatt oder ein Nachrichtenblatt sein? ... Dies soll ein Nachrichtenblatt sein. ... Unsere Magnetnadel ist auf Wahrheit eingespielt. Auf die objektive Wahrheit! ... Den Unwillen des Leserkreises werden wir registrieren wie der Seismograph einer Erdbebenwarte. ... Wir ..., die wir die Wahrheit in den jüngst vergangenen Jahren höher einschätzten, als das Einkommen, schrecken nicht zurück und geben die Zeitung heraus - denn unser ist die Last. Wir gebieten uns aber, die Anklage der Gutgläubigen und Enttäuschten nicht zu vergessen. Bringen wir auch die Zeitung mit denselben Mitteln - Wort und Druck -, so wollen wir doch dem Leser beweisen, daß die Zeitung etwas Gutes ist und daß man ihren Worten Glauben schenken kann ... ."827) Die Leser erfuhren außerdem: "Die Bezieher der 'Marburger Presse' und der 'Frankfurter Rundschau' werden darauf hingewiesen, daß von diesem Tage an diese Zeitungen aus dem Kreise Wetzlar zurückgezogen werden und an ihre Stelle die 'Wetzlarer Neue Zeitung' durch die Post zugestellt wird."828) und: "Die 'Wetzlarer Neue Zeitung' bietet hiermit ihren Lesern Gelegenheit zur Aussprache. Der Kreis der 'Aussprache' soll einem jeden, der etwas aus sich heraus zu sagen hat, offen stehen. Ganz besonders ist der Verantwortungsfreudige aller Stände zur Teilnahme eingeladen."829) Auf der gleichen Seite waren auch die Grußworte und Glückwunschschreiben zur Zeitungsgründung von Landrat Miß, Bürgermeister Buch und der Wetzlarer Militärregierung, unterzeichnet von Lt.Col. Eugene M. Lee, abgedruckt. Der "Blick in die Welt", ebenfalls veröffentlicht auf der zweiten Seite, beinhaltete Auslandsinformationen in Kurzberichten. Diese Rubrik erschien in den darauffolgenden Ausgaben regelmäßig. Die - 241 - dritte Seite berichtete über den Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg; ein Thema, das auf der vierten Seite seine Fortsetzung fand. "Aus Wetzlar und Umgebung" war die Lokalseite 3 überschrieben; Seite 6 war dem Feuilleton vorbehalten; die siebte Seite brachte Wirtschaftsmeldungen und die letzte Seite neben Kurzinformationen der Nachrichtenagentur DANA Sportberichte und Anzeigen. Ein Impressum fehlte noch. Die nächste Ausgabe vom 4.Januar, einem Freitag, erschien wiederum mit einem Leitartikel von Chefredakteur Hüsch auf der ersten Seite. Auf der vierten Seite erfuhren die Leser Einzelheiten zur Lizenz- übergabe: "In den frühen Mittagsstunden des Mittwoch fand die Lizenz-Überreichung im Maschinensaal der 'Wetzlarer Neuen Zeitung' statt. Die Spitzen der Wetzlarer Militärregierung, der Behörden, der politischen Parteien und der Kirchengemeinden nahmen an dieser kurzen Feierlichkeit teil. ... Major David M. Smith, der Chef der Presse-Abteilung des westlichen Distrikts, überreichte mit kurzen, herzlichen Worten die Lizenzurkunde den beiden Lizenzträgern der neuen Zeitung. ... In seiner Erwiderung fand Josef Hüsch ehrliche Dankesworte für die Erteilung, wie auch für die Unterstützung der Presseoffiziere Oberleutnant Boxer und Mister Adler.830) Seine Grundgedanken für die Gestaltung der 'Wetzlarer Neuen Zeitung' faßte er in dem Satz zusammen: 'Wir wollen eine überparteiliche Plattform schaffen für die Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte beim Aufbau, und wir wollen der Gerechtigkeit und dem Weltfrieden dienen!' Johann Eifinger bekannte sich zu den gleichen Gedankengängen ... ."831) Am 16. März begann Josef Hüsch mit einer Leitartikel-Serie, die er "Zum Tage" überschrieb. Sie erschien zunächst einmal pro Woche, von Mitte April an in unregelmäßiger Reihenfolge bis zum Ende 1946.832) Leider war Hüsch nicht, wie sein Kollege in Gießen, journalistisch vorgebildet, so dass sich seine redaktionellen Beiträge häufig recht unbeholfen lasen. Seine Stellungnahme zu einer parteiungebundenen Presse lautete: "Eine überparteiliche Presse verlangt ein besonders hohes Niveau, so hoch, daß es Kathederhöhe hat. Das zu erreichen ist nicht möglich; weil Journalisten keine Professoren, sondern dem Irrtum zugängliche Menschen sind; zweitens beweist die heutige Presse, daß sie ein solches Niveau nie erreichen kann, obwohl die Presse der amerikanischen Zone in allen deutschen Ländern trotz ihrer begrenzten Erscheinungsweise für vorbildlich angesehen wird; drittens läßt sich bei ihr kein Niveau feststellen, denn sie versucht immer nur und heute nach kaum einjährigem Bestehen noch, etwas wirklich Neues zu werden, um es einmal zu sein: das von Regierung und Einzelinteressen unabhängige Organ des Volkes ... ."833) Vom 1. Oktober 1946 an erschien die "Wetzlarer Neue Zeitung" dreimal in der Woche: dienstags und donnerstags mit je vier Seiten, samstags mit sechs Seiten. Außerdem änderte sich die Spaltenzahl von vier auf fünf. - 242 - Am 29. Oktober wurde ein "Gruß an die 'Fuldaer'" veröffentlicht: "Der Leser erlaube uns, ausnahmsweise einmal einen Gruß 'unter uns' an die 'Fuldaer Volkszeitung' gehen zu lassen. Sie hat am 26. Oktober Gedenktag - ein Jahr ist sie nun da und bildet bereits eine erfreuliche Erscheinung im hessischen Land. So jung und schon bemüht, ihre Stimme zu entfalten und trifft gar den richtigen Ton, aber was auch nicht verwundern kann, denn in ihrer Redaktion sitzen echte Fürsprecher in Sachen des Volkes, Männer, die im Zeitungssturm sich bewährt haben und heute einen neuen kernigen Schlag unter den Journalisten bilden. Wir fühlen uns mit ihnen verbunden in dem Wollen, den neuen Zeitungstyp zu schaffen und nicht abzuirren von dem einmal eingeschlagenen Weg. Glück zu, Kollegen!"834) Der gute Kontakt zur "Fuldaer Volkszeitung" lässt sich erklären, bezog doch Josef Hüsch von Heinrich Kierzek aus Fulda lange Zeit die politischen Nachrichten.835) Zum Jahresende 1946 musste auch die "Wetzlarer Neue Zeitung" - wie die anderen Lizenzzeitungen - wegen des fehlenden Zeitungspapiers die Auflagenhöhe um 10 Prozent senken.836) Hüsch beschäftigte sich in "Einer Rede an die Leser" am 31. 12. 46 mit der Rolle des "Zeitungsmanns", der sich frage, ob er "etwaige Mißstände" aufgespürt habe, "Wert und Unwert richtig bemessen" und "die Wahrheit deutlich stark genug gesagt" habe.837) Johann Eifinger beschrieb in einer "Plauderei über die Zeitung" den technischen Herstellungsprozess der "Wetzlarer Neuen Zeitung".838) Außerdem übermittelten Herausgeber und Schriftleitung den Lesern der Lizenzzeitung zum Jahreswechsel die besten Wünsche. "Gleichzeitig erlauben wir uns, die wir wohl von einem Bund des Vertrauens zwischen Zeitung und Leserkreis sprechen dürfen, wie es uns die vielen Zuschriften zeigen, dankbare Grüße zu senden."839) 9.1.1 Josef Hüsch zur Lizenzpresse Zu Beginn des zweiten Jahrgangs bat die Wetzlarer Zeitung die Leser, an einem Preis- ausschreiben teilzunehmen. Gesucht wurden Beiträge über "Das Lob des Menschen".840) Unter den Einsendern war auch Wolfgang Scheer, der bald als Volontär bei der Zeitung begann und nach redaktioneller Tätigkeit im Lokal- und Sportteil Chef vom Dienst wurde.841) - 243 - Parallel zur Lizenzzeitung erschien vom 1. März 1947 an ein "Amtsblatt für den Kreis Wetzlar" mit Bekanntmachungen aller Behörden der Stadt und des Kreises Wetzlar. "Von diesem Zeitpunkt an", schrieb die Lizenzzeitung, "erscheinen die amtlichen Bekanntmachungen infolge Raummangels nicht mehr in der 'Wetzlarer Neuen Zeitung'. Durch öffentlichen Anschlag und durch das Amtsblatt, dessen Bezug vor allem den öffentlichen Dienststellen, der Industrie, den Groß- und Einzelhändlern empfohlen wird, erhält die Bevölkerung Mitteilung von den Anordnungen der Kreis- und Stadtverwaltung und aller Behördenstellen."842) Das Amtsblatt kostete im Vierteljahr 1.50 RM. In der Berichterstattung der "Wetzlarer Neuen Zeitung" nahm 1947 die Rolle der Lizenzpresse großen Raum ein. So zitierte die Zeitung am 25. Februar Teile eines Leitartikels von Arno Scholz aus dem britisch lizenzierten Berliner "Telegraf": "Das Zeitalter der unpolitischen 'Generalanzeigerpresse' muß für Deutschland vorüber sein", hieß es dort. "Dieser Zeitungstyp trägt in seiner unpolitischen Verschwommenheit die Hauptschuld an der politischen Unreife des deutschen Volkes und habe wesentlich dazu beigetragen, das Ansehen des republikanischen Staates zu schmälern. ... Um nicht wieder die gleiche Situation wie von 1933 zu schaffen, müsse von Experimenten im Stile einer neuen 'Generalanzeigerpresse' dringend gewarnt werden. Statt dessen, so heißt es abschließend in dem Leitartikel, solle man das bewährte Verfahren der politischen Lizenzierung beibehalten und einen verantwortungsbewußten Journalistenstand schaffen, der verhindere, daß die Presse wieder eine Macht anonymer Kräfte werde."843) Die "Fränkische Presse", Bayreuth, wurde in der Wetzlarer Lizenzzeitung zitiert, deren Lizenziat Walter Fischer meinte, "bei den Angriffen gegen die lizenzierte Presse wird man das Gefühl nicht los, daß es sich lediglich um Angriffe auf fortschrittliche Demokraten handelt", und reagierte damit auf Anwürfe gegen die Lizenzpresse im bayrischen Landtag.844) Josef Hüsch schrieb einen entsprechenden Artikel über Schwierigkeiten mit dem hessischen Parlament: "Mitglieder des Ältestenrates im hessischen Landtag haben einem Pressevertreter erklärt, daß während der Landtagssitzung, in der scharfe Kritik an der Presse geübt wurde, von Vertretern der SPD und der CDU beantragt worden sei, den 'lächelnden Korrespondenten' die Pressekarte für den Landtag zu entziehen, weil sie sich nicht so betragen hätten, wie man es von Pressevertretern erwarten könnte. Dem Antrag wäre jedoch nicht entsprochen worden. Wir gratulieren! ... ... Gegen die Unterschiebung, daß die hessische Presse alles aufgreife, was gegen Demokratie und Regierung spreche, haben wir nur ein Lächeln übrig, aus Verlegenheit; da kann man nix machen."845) - 244 - Bei einer Leserumfrage Anfang April im Auftrag der amerikanischen Nachrichtenkontrolle, bei der 8.000 Personen interviewt worden waren, antworteten 70 Prozent auf die Frage, ob eine Zeitung die örtliche Verwaltung kritisieren solle, wenn der Herausgeber es für nötig halte, mit ja. Der Lizenzträger bezog sich außerdem auf Äußerungen von Mitgliedern des hessischen Landtags, die sich kritisch über die Lizenzpresse des Landes geäußert hatten. Da sich alle Herausgeber davon betroffen fühlten, teilten sie Anfang Mai 1947 dem hessischen Landtagspräsidenten und der Landesregierung mit: "Die Lizenzträger der hessischen Zeitungen sehen in der Pressefreiheit eines der entscheidenden demokratischen Rechte und halten deren Sicherung für eine der wesentlichsten Voraussetzungen zur Schaffung eines guten Verhältnisses zwischen Regierung und Presse. Im übrigen erachten wir es als selbstverständlich, daß jede Anschuldigung durch konkrete Beweise belegt wird. Eine Voraussetzung, die für die im Landtag gegen die Presse erhobenen Vorwürfe in keiner Weise zutrifft."846) Einen Tag, nachdem diese Erklärung auch in der "Wetzlarer Neuen Zeitung" veröffentlicht worden war, trafen sich die Lizenzträger Hessens mit dem Leiter der amerikanischen Militärregierung für Hessen, James Newman. Dabei war auch der stellvertretende hessische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Werner Hilpert anwesend. Newman teilte bei diesem Gespräch die Ansichten der amerikanischen Militärregierung mit. Die Macht der Presse, so Newman, liege in der Tatsache, dass sie frei und nicht kontrolliert sei. "Freiheit heißt jedoch nicht Zügellosigkeit, denn zu dieser Freiheit kommt die Pflicht hinzu - die Pflicht, offen zu sein, die Pflicht, Meinungen ehrlich auszulegen, die Pflicht, Nachrichten korrekt zu berichten, und vor allem die Pflicht, Ihre Nachrichten-Wiedergabe freizuhalten von Ihren Ansichten als Herausgeber. ... Ihre Regierung und deren Beamte, die regelmäßig durch die Stimme Ihres Volkes gewählt wurden, verdienen Ihre Unterstützung und müssen sie haben. Das heißt nicht, daß Sie alles, was von ihnen getan wird, blind gutheißen sollen. Es bedeutet, daß Sie die Nachrichten über ihre Tätigkeit korrekt ... und in der Spalte für Nachrichten dem Volke mitteilen müssen. Es bedeutet, daß Ihre Kritik an der Regierung und deren Angelegenheiten eine konstruktive sein muß und nicht auf kleinlichen Abneigungen oder kleinlichen Differenzen in rein parteipolitischen Dingen beruhen darf. Bauen Sie jede Kritik auf beweisbare Tatsachen auf, ehrlich wiedergegeben ohne Befleckung, Färbung und Schattierung. In diesen kritischen Zeiten haben Ihre Beamten außer der Wahrnehmung des Volksmandats auch noch die Aufgabe, die Richtlinien der Besatzungsmächte durchzuführen; dieser Zustand verlangt von jedem von Ihnen, daß Sie, bevor Sie die Handlungen Ihrer Staatsbeamten tadeln, feststellen, ob diese Handlungen von ihnen verlangt werden oder nicht, besonders in solchen Fällen, in denen es den Anschein hat, daß sie über das Volksmandat oder den verfassungsmäßigen Rahmen hinausgegangen sind oder ihnen - 245 - entgegengearbeitet haben. Bedenken Sie in diesen kritischen Zeiten auch, bevor Sie der Versuchung nachgeben, der Verwaltung oder der Partei, zu der der Betreffende gehört, richtig 'einzuheizen', ob es im Bereich ihrer Macht liegt, anders zu handeln bzw. ob sie in der Lage ist, einen anderen Weg einzuschlagen. Sie haben das Recht und es ist Ihre Pflicht, für Ehrlichkeit unter Ihrer Beamtenschaft zu sorgen und darauf zu achten, daß diese in allen Dingen den Auftrag des Volkes erfüllt, beim Aufbau eines demokratischen Staates im Rahmen der ihnen zu diesem Zwecke gegebenen Freiheit, und letzten Endes hauptsächlich alle ehrlichen Maßnahmen zu ergreifen, um das Volk zu einer besseren Erlangung der politischen Freiheit zu führen. ..."847) 9.1.2 April 1947: Leserumfrage der "Wetzlarer Neuen Zeitung" Das Ergebnis einer Leserumfrage der "Wetzlarer Neuen Zeitung" vom 19. April 1947 bestätigte schließlich, dass auch diese neue Zeitung überparteilich sei. Auf die erste Frage: "Erfüllt nach Ihrer Meinung die 'Wetzlarer Neue Zeitung' ihre Verpflichtung als überparteiliche Zeitung?" antworteten 938 Leser - und damit 93,8 Prozent - mit 'ja'; nur 5 Prozent waren gegenteiliger Ansicht. Die Frage: "Wäre Ihnen eine ausgesprochene Parteizeitung lieber?" beantworteten 26 mit 'ja' und 964 (96,4%) mit 'nein'. Die dritte Frage: "Was halten Sie davon: Parteizeitungen und Lizenzpresse?" beantworteten 68 Prozent mit "Für nur Lizenzpresse" und 12,6 Prozent mit "Für beide". 18,1 Prozent enthielten sich der Stimme. "Würden Sie unser Blatt auch dann lesen, wenn in Hessen auch Parteizeitungen existierten?" beantworteten 97 Prozent der Leser mit 'ja'. Die letzte Frage: "Genügt Ihnen die Zeitung als politische Informationsquelle?" bejahten 85 Prozent der Befragten, 12 Prozent antworteten mit 'nein'.848) Die Zeitung kommentierte das Ergebnis: "Beachtlich ist der Standpunkt der Leser in der Frage der überparteilichen oder parteipolitisch gebundenen Zeitung. Vertrauensbeweis, der sich mit dem 97prozentigen Ja in der vierten Frage für die 'Wetzlarer Neuen Zeitung' ergibt, soll Ansporn sein, das Vertrauen zu rechtfertigen, um einmal in besseren Tagen eine der Eigenart des Gebietes gemäße und doch darüber hinaus wirksame Zeitung herauszugeben... ."849) - 246 - 9.1.3 Kontroversen mit der SPD Zweifel schien indes die Sozialdemokratische Partei in Wetzlar zu hegen, wie überparteilich die Lizenzzeitung denn wirklich sei. So schrieb ein ungenannter "führender Funktionär der SPD", wie Hüsch ihn bezeichnete: "Seit längerer Zeit beobachte ich mit wachsendem Befremden als aufmerksamer Leser ... eine direkt feindlich zu nennende Einstellung Ihrerseits gegen die SPD. ... Schon anläßlich der Reise unseres Vorsitzenden Dr. Schumacher nach London ist mir das erstmals zum Bewußtsein gekommen, daß Sie entweder einer von diesen sind oder aber grundsätzlich mit seiner Politik nicht einverstanden sind. An sich kann ich das selbstverständlich auch von Ihnen nicht verlangen. Immerhin aber habe ich das Empfinden, daß Ihre Animosität sich nicht gegen die Person Dr. Schumachers richtet, sondern allgemein gegen die SPD gehalten ist ... ."850) Hüsch antwortete: "Darf ich zuvor, trotz des verwünschten Raummangels, für die in dem Schreiben zum Ausdruck kommende Konzilianz danken? Die Vorwürfe, die es enthält, sind schwerwiegend, ganz besonders für einen um die Überparteilichkeit seines Blattes besorgten Redakteur. Ob sie gänzlich entkräftet werden durch die nun folgende wohlmeinende Kritik an Dr. Schumacher? Herr K. hat nämlich ganz richtig beobachtet, daß sich in letzter Zeit eine Art Widerspruchsgeist gegenüber Dr. Schumacher bemerkbar machte, allerdings kein aus einem parteipolitischen Empfinden kommender oder etwa gar aus einer feindlichen Gesinnung gegenüber seiner Partei. ... Hier soll eine Kritik an einer Persönlichkeit geleistet werden, deren Redlichkeit wohl unbestreitbar ist, die sich aber nach unserem Dafürhalten in einen Zustand hineingesteigert hat, wo das Licht der politischen Vernunft nicht mehr die Grenzen der politischen Wirklichkeit beleuchtet. ... Die heutige Zeitung wird im Rahmen ihrer Aufgabe zwangsläufig bei Gelegenheit in Opposition zu Regierungen und zu den verschiedenen politischen Parteien geraten, wobei nicht zu vermeiden ist, daß von beiden Seiten harte Worte fallen. Vergessen wir jedoch nicht, daß die Disputanten in einem gemeinsamen Handeln sich befinden. Meinungsverschiedenheiten und eigene Ansichten dürfen ruhig geäußert werden. Weder Regierungen noch Parteien werden in einzelnen Fällen immer recht haben, und ebenso wenig wird die Presse immer recht behalten wollen. Stets wird die Divergenz, die Geteiltheit der Meinungen uns der demokratischen Wirklichkeit ein Stück nähern. Vor allem kann eine Diskussion oder eine Kritik jeweils den Leser in seinem selbständigen Denken gegenüber den wie Kometen aufleuchtenden Geistern festigen, wodurch wiederum die Unabhängigkeit der Meinungsbildung und die Anreicherung eines öffentlichen Urteilsvermögens und damit die Verwirklichung der Demokratie erfolgt."851) Trotz des versöhnlichen Schlusses musste Hüsch "In eigener Sache" noch ein weiteres Mal Stellung zu seinen Äußerungen nehmen. Am 4. Juni schrieb er: - 247 - "Einer Mitteilung der Sozialdemokratischen Partei des Ortsvereins Wetzlar ... entnehmen wir, daß eine Mitgliederversammlung am 24. Mai über unsere Leser- Umfrage und deren Ergebnis diskutierte und darüber hinaus eine Resolution annahm, die sich mit der publizistischen Haltung der 'Wetzlarer Neuen Zeitung' zur SPD befaßt. Darauf habe ich als einer der beiden Herausgeber und verantwortlichen Redakteure folgendes zu entgegnen: 1. Die Leser-Rundfrage wurde in einer Form gehalten, wie sie auch bei anderen Zeitungen üblich ist. 2. Die in der Versammlung zum Ausdruck gebrachte Behauptung, daß wohl kaum ein politisch interessierter Leser die aufgeworfene Frage beantwortet habe, da sonst ein ganz anderes Bild herausgekommen wäre, wird durch nichts bewiesen; hingegen können wir beweisen, daß sich gerade politisch interessierte Menschen an der Beantwortung beteiligt haben; und zudem richten wir an jeden politisch interessierten Leser im Sinne der sozialdemokratischen Auffassung die Frage, warum er sich denn von der Rundfrage und ihrer Beantwortung ausgeschlossen hat; er hätte hier seine Stimme als verantwortungsbewußter Politiker erheben müssen. 3. Es ist nicht wahr, daß 'alle sozialdemokratischen Wählermassen' in letzter Zeit immer mehr feststellen, daß die 'Wetzlarer Neue Zeitung' nicht nur nicht objektiv in der Behandlung und Wiedergabe sozialdemokratischer Politik ist, sondern sogar eine überspitzte unberechtigte Kritik an der Arbeit überhaupt übt. Eine solche Behauptung ist demagogisch, weil 4.dafür kein Beweis zu erbringen ist; 5. wir nachweisen können, daß unsere Kritik an einer Regierungserklärung des hessischen Ministerpräsidenten Stock im öffentlichen Interesse berechtigt, positiv und heilsam war, weil wir unsern Standpunkt zu Dr. Schumacher zu begründen im Stande sind. 6. Es ist auffallend, daß in einer Mitgliederversammlung, in der als Redner der Landesvorsitzende der SPD, Willi Knothe, auftrat, eine solche Resolution gefaßt worden ist. Das läßt schließen, daß die Resolution noch Hintergründe hat, die über den heimischen Bezirk hinausgehen; ein mißbrauchter Einfluß ist anzunehmen. 7. Wir hätten es begrüßt, wenn sich jemand von der Parteileitung Hessen zu Wort gemeldet hätte, um unseren Standpunkt durch eine entsprechende logische Beweisführung zu erschüttern; wir sind zu einem Gespräch trotz aller Arbeitslast bereit. ... 8. Der Ausdruck 'neutrale Zeitung' im letzten Satz der Resolution bedarf der Richtigstellung, da wir noch nie Wert darauf gelegt haben, neutral zu sein; hingegen betonen wir unsere Überparteilichkeit als Vertreter der öffentlichen Meinung, unsere Unabhängigkeit von jeder Partei oder Interessengruppe und unsere eindeutig antinazistische politische Haltung. Die wohlmeinende Kritik an den Reden Dr. Schumachers trifft nur insofern die Partei, soweit sie sich 'bedingungslos' mit ihm identifiziert; sollte das der Fall sein, wäre die Kritik umso berechtigter und notwendiger gewesen und es wäre an der Zeit, sie weiterhin zu leisten. ... 9. Wir werden es uns auch nicht nehmen lassen, Kritik an jeder anderen parteipolitischen Persönlichkeit zu üben, wenn sie in gleicher Verantwortung stünde und dazu herausforderte. ..."852) Auch an diesem Beispiel wird deutlich, dass die Abteilung für Informationskontrolle die Wahl Josef Hüschs zum Lizenzträger und Chefredakteur nicht eben gelungen war. Seine - 248 - Fähigkeiten, Gedanken in Worte zu fassen, waren - gemessen an denen anderer Lizenzträger in Hessen - gering. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, in beinahe jeder Ausgabe der "Wetzlarer Neuen Zeitung" den Leitartikel selbst zu schreiben. Die Befürchtung, die ICD könnte sich in absehbarer Zeit doch zu einer Lizenzierung von Parteizeitungen entschließen, muss bei Josef Hüsch größer gewesen sein als bei anderen hessischen Zeitungen. Verständlich zwar, denn die "Wetzlarer Neue Zeitung" bot mit ihrer geringen Auflage von rund 20.000 Exemplaren pro Ausgabe nicht den finanziellen Rückhalt, den auch eine Lizenzzeitung benötigte, um mehr als überleben zu können. So mag es sich erklären, dass Hüsch das Thema Presse und Parteien etc. auffällig oft zum Anlass eines eigenen Beitrags nahm. Bereits eine Woche nach dem Artikel "Warum Pressefreiheit?"853) erschienen Hüschs Impressionen zur Tagung der hessischen Zeitungsverleger in Coburg.854) Ende 1947 erschien die "Wetzlarer Neue Zeitung" immer noch dreimal pro Woche (montags, mittwochs und freitags) mit durchschnittlich vier Seiten pro Ausgabe. Auf der ersten Seite einer jeden Nummer wurden politische Meldungen und die Rubrik "Letzte Funkmeldungen" veröffentlicht; die zweite Seite brachte unter dem Impressum den Leitartikel, "Blick in die Welt" (Kurzberichte der beiden Nachrichtenagenturen DENA und AP) und die Leserzuschriften, überschrieben "Die Aussprache". Die Seite 3 war der lokalen Information vorbehalten, im oberen rechten Teil erschien ein Fortsetzungsroman, darunter Berichte "Aus dem Kulturleben", die "Politische Chronik" und der Veranstaltungskalender für Wetzlar. Auf der vierten und letzten Seite wurden Informationen "Vom Spielfeld" publiziert; dort erschien zudem der "Wirtschafts-Spiegel". Die untere Hälfte der Seite war den Anzeigen vorbehalten. Nur gut einen Monat lang, von Anfang Juli bis zum 9. August 1947, hatte man auf der ersten Seite einen Kasten "Worüber wir nicht berichten können" platziert. Damit wollte man dem Leser, trotz des Papiermangels, wichtige Mitteilungen nicht vorenthalten. Sie erschienen unterteilt nach "Innen" und "Außen".855) 9.1.4 Die "Wetzlarer Neue Zeitung" zur "Operation Talk Back" Die "Operation Talk Back", Reaktion der USA auf die veränderte politische Situation, den beginnenden Kalten Krieg, fand in den westdeutschen Zeitungen ihren Niederschlag. Die Information Control Division kam am 29. November 1947 zu dem Ergebnis: "Während der ersten zwei Wochen, die auf die Ankündigung der Militärregierung, eine verstärkte Informationspolitik zu betreiben im Hinblick auf Wesen und Aktivitäten von Demokratie und - 249 - Kommunismus, folgten, befolgte die deutsche Presse mehr oder weniger die vorgegebenen Linien."856) Allerdings stellte die ICD fest, die Lizenzpresse habe teilweise sehr negativ reagiert, was anzeige, dass sie einen Mangel an Vertrauen in die amerikanische Zusicherung einer völlig freien Teilnahme habe. ICD zitierte z.B. die "Wetzlarer Neue Zeitung" vom 1. November 1947857), die geschrieben hatte, die Aufgaben der Presse seien durch die neue Politik bedroht, sofern sie die Segel vieler politischer Agitatoren und Spekulanten blähe858), andererseits bewirke sie bei anderen das Gefühl, künftiges Opfer einer bevorstehenden Propaganda-Kampagne zu sein.859) Es sei offensichtlich die Furcht, so die ICD, vor Konsequenzen des Ost-West-Konflikts auf Deutschland, die den Wunsch der meisten Zeitungen in der amerikanischen Zone begründe, ideologisch neutral zu bleiben. Sogar die gegen Russland eingestellten Blätter warnten davor, die Sowjetunion anzugreifen und den Abstand zwischen der östlichen und den westlichen Besatzungszonen zu vergrößern.860) Die "Wetzlarer Neue Zeitung" z.B. lehne emphatisch jede Bereitschaft ab, bewusste Lügen zu verbreiten oder in irgendeiner Form Agitation zu betreiben, ihren Einfluss zu nutzen, die politischen Unterschiede sichtbarer zu machen und unbegründete Attacken zu reiten. "Wir werden keinen neuen Haß säen", zitierte die ICD die "Wetzlarer Neue Zeitung". Die Information Control bezog sich dabei u.a. auf einen Leitartikel von Hüsch Anfang November 1947. Hüsch hatte geschrieben: "General Clay kündigte vorgestern einen neuen Kurs der amerikanischen Pressepolitik an. Von nun an sollen Presse und Rundfunk sich an der ideologischen Kampagne gegen Anschauungen beteiligen, die nicht dem Recht und der Würde des Menschen entsprechen. ... Wir glauben, daß die Ankündigungen des Generals vielfach mißverstanden worden sind, wir glauben, daß es sich hier nicht um eine aggressive Kampagne ideologischer Art gegen den Bolschewismus handelt, sondern um Für und Wider einer Erkenntnis der Regierungsform für zivilisierte Völker ... ."861) 9.2 Die "Wetzlarer Neue Zeitung" im Jahr der Währungsreform Hüsch ließ es sich auch nicht nehmen, das große Ereignis des täglichen Erscheinens der Lizenzzeitung mit "Lieber Leser!" auf der zweiten Seite der Ausgabe vom 27. Juli 1948 anzukündigen.862) Das, was anderen Lizenzträgern Hessens bestenfalls einen kurzen Hinweis wert war, fasste der Chefredakteur aus Wetzlar in blumige Worte: - 250 - "Verlegerischer Wille und journalistisches Können ... haben es endlich geschafft: die Ewigkeit des Tages ist erreicht. Vorgestern, am heiligen Sonntag, saßen die hessischen Zeitungsverleger in Marburg beisammen, um diesen Entschluß zu fassen und all seine Folgerungen zu bedenken." Damit seien "Schranken niedergelegt" worden, so Hüsch, nämlich die "Enge der abgesteckten Verbreitungsgebiete, die Grenzen der Auflagenhöhe, die Gefahr der monopolitischen Erstarrung". Das bedeutete für Hüsch, dass "eine halbvergessene Zeitungsgattung auf dem Plan erscheint: die Parteipresse! Wir sind dessen aufrichtig froh und grüßen hiermit die Herausgeber und Kollegen von künftigen Parteizeitungen schon vor Start und Lauf. ... Unsere Ziele sind gemeinsame. Nie haben die Herausgeber der hessischen unabhängigen und überparteilich informierenden Zeitungen das Wiedererscheinen der Parteipresse abgelehnt; sie haben auf die parteipolitische Fakultät gewartet, denn auf den eigenen Fahnen steht: gegenseitige Achtung, Verständnis füreinander, freier Wille!" Zudem kündigte Hüsch an, der Lizenzzeitung werde bald ein redaktioneller Beirat zur Seite stehen: "Er soll ein Kreis von Frauen und Männern sein, der aus allen Bevölkerungsschichten kommt, der in einem echten Ansehen steht und urteilsfähig ist. Dieser redaktionelle Beirat soll vom Leserkreis bestimmt werden. Wir werden sehr bald um Vorschläge bitten und selbst welche machen. Dieser Rat soll unser zweites Gewissen sein. Er wird wie wir selbst für die reden, die es nicht können."863) Nach dieser "Ansprache" bereiteten Hüsch und sein Team das tägliche Erscheinen der Wetzlarer Lizenzzeitung für den 1. August vor. Die Ze itung kostete nun 2.20 DM, im Einzelpreis 95 Pfennige und erschien montags bis freitags mit vier Seiten, an Samstagen mit acht Seiten. Bemerkenswert ist auch der Hinweis der "Wetzlarer Neuen Zeitung": "Hiermit erlauben wir uns, allen Lesern, die noch kein Abonnement der 'Wetzlarer Neuen Zeitung' aufgegeben haben, den Rat zu geben, sich ein solches möglichst sofort zu sichern, da die allgemeine Papierlage noch so bedenklich ist, daß wir möglicherweise eine Auflagenbegrenzung vornehmen müssen."864) Eine Papierkontingentierung gab es zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für die hessischen Zeitungen. Um sich die Gunst des Abonnenten zu sichern, veranstaltete die Lizenzzeitung im August 1948 auch ein Preisausschreiben, das zum betulichen Stil des Blattes passte. Es trag den Titel "Lob der guten Tat" und prämiierte Leserberichte. - 251 - Über "das hessische Pressegesetz und wir" schrieb Hüsch kurze Zeit später: "Wir haben ... unseren Standpunkt klar und deutlich dargelegt. Aus ihm geht hervor, daß wir den jetzt zur Lesung anstehenden Entwurf des hessischen Pressegesetzes ablehnen. ... Gott bewahre uns vor einer Pressefreiheit, die durch Edikt gewährt werden soll. Das Volk und seine Presse anerkennt nur einen Zwang, nämlich den, der aus guter Gesittung kommt. Wahrheitsliebe, gesellschaftliche Verantwortung, die Wahrnehmung öffentlicher Interessen setzen die Grenzen der Meinungsfreiheit. ... "865) Allerdings, die "Kritik an der freien Presse", so war es in der "Wetzlarer Neuen Zeitung" am 25. November des gleichen Jahres zu lesen, blieb dennoch nicht aus. Während der 50. Plenarsitzung des hessischen Landtags in Wiesbaden übte der Berichterstatter des Hauptausschusses, Jakob Husch, einer DENA-Meldung zufolge Kritik an der Lizenzpresse. "Seiner Meinung", so hieß es in dem Agentur-Bericht, "widerspricht der Lizenzzwang für Zeitungen dem allgemein anerkannten Verfassungs- und Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung. Husch behauptete, daß die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Lizenzpresse im allgemeinen sehr groß sei. Diese Presse befindet sich in einer 'schiefen Lage' zu breiten Volksschichten. Das hat nach Ansicht Huschs dazu geführt, daß es zur Zeit in Deutschland keine gedruckte öffentliche Meinung gibt. Er forderte aus diesem Grund die Zulassung von Parteizeitungen." 866) Zitiert wurde auch der frühere Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau", Emil Carlebach. Er sollte in der Sitzung behauptet haben, die US-Militärregierung sei von ihrer ursprünglich angewandten großzügigen Pressetaktik abgewichen und habe erst die 'positiven Amerikaner' und danach die deutschen Presseleute entfernt, die sich nicht ausschließlich im Sinne der 'jeweils regierenden amerikanischen Gruppen' eingesetzt hätten. Carlebach "polemisierte scharf gegen den stellvertretenden Leiter der Informations-Abteilung, Raimond Stover, der angeblich gesagt hat, daß noch vor Inkrafttreten eines hessischen Pressegesetzes drei bis vier Lizenzblätter in Hessen zugelassen werden sollen. Der Redner forderte die schnelle Verabschiedung des Gesetzes, damit sich die Lizenzpresse, wie er sagte, nicht noch weiter verstärken kann. ... Das Parlament nahm sodann einstimmig den kommunistischen Antrag an, durch den die Militärregierung gebeten wird, 'endlich den Parteien die Genehmigung zur Herausgabe eigener Zeitungen zu erteilen, nachdem dies drei Jahre lang verboten gewesen sei' ..."867) - 252 - 9.3 Bundestagswahl 1949: Das Wetzlarer Blatt aus Parteiensicht Zur ersten Bundestagswahl der westlichen Zonen, die am 23. August 1949 stattfand, veröffentlichte die Wetzlarer Zeitung das Ergebnis einer kleinen Umfrage, bei der sie "während der Wahlversammlungen und bei verschiedenen anderen Anlässen eine 'öffentliche Meinung' zu erforschen versucht" hatte. Der Limburger Bürgermeister Josef Schneider (CDU) meinte: "Im allgemeinen hätte ich ja erwartet, daß die Zeitungen zum Thema Wahlen eine eindeutige politische Formulierung nach welcher Seite auch immer vornehmen würden. ... Gewiß, Ihre Zeitung hat sich wenigstens bemüht, dem Leser eine Gesamtlinie aller politischen Meinungen und Willenserklärungen zur künftigen Politik aufzuzeigen. ... " Die Militärregierung in Limburg fand: "Ihre Zeitung hat hier als einzige über die bedeutendsten Wahlversammlungen berichtet, so daß man wußte, was eigentlich los ist. ... Doch könnten Sie uns nicht auch die etwa genauen Besucherzahlen der Versammlungen nennen, das interessiert vielleicht auch?" Landrat Jäger; Limburg (CDU), dazu: "Es war ein Versuch journalistisch objektiv zu bleiben, wenn Sie allen Parteien das Wort gegeben haben." Ein Mitglied der Limburger SPD sagte: "Ich weiß, daß niemand aus seiner Haut kann und daß die unabhängigen Zeitungen von irgendwelchen Zuständen eben doch abhängig sind. Die 'Nassauische Neue Zeitung' hat eine christlich-kulturelle Tendenz, aber sie informierte jeden Leser bisher wenigstens nach allen Seiten hin. Sie versucht nicht, dies oder jenes totzuschweigen oder gar zu verzerren. ... Die 'Nassauische Neue Zeitung' hat wenigstens den Willen zu einer parteipolitisch neutralen Zeitung, daraus sich jeder Leser etwas nehmen kann." Der Limburger Domvikar sagte: "Ihre Zeitung müßte noch volkstümlicher schreiben. Der kleine Mann kommt vielleicht manchmal nicht mit. Sicher ist, sie bemüht sich Gegensätze auszugleichen." Der FDP-Kandidat des Wahlkreises XII fand: "Ich wundere mich, daß nicht die anderen Zeitungen das gleiche taten, wie Ihre Zeitung zu diesen Wahlen. ... Sie hätten dann wenigstens beweisen können, daß sie unabhängig sind ... nämlich unabhängig von der eigenen politischen Meinung." Der SPD-Stadtrat meinte: "Ich lese mehrere Zeitungen. Ihre Zeitung hat den Leser nicht einseitig unterrichtet. Ihre Vorführungen aller Parteikandidaten haben mich sehr interessiert." Der Wetzlarer Bürgermeister Hager (SPD)867a) schrieb: "Ihre Zeitung hat während des Wahlkampfes neutral und objektiv sämtliche Parteien zu Wort kommen lassen, sie hat in Wort und Bild die Kandidaten aller Parteien vorgestellt und sie der Bevölkerung nahegebracht, so daß auf Grund der Lektüre jeder sich ein unvoreingenommenes Bild machen konnte. Man kann sagen, daß sie in jeder - 253 - Weise die Wahlen zum Deutschen Bundestag gefördert hat." Der Vorsitzende der KPD Wetzlar lobte: "Die Berichterstattung Ihrer Zeitung im Wahlkampf war objektiv. Wir haben keinerlei Beanstandungen vorzubringen." Ein FDP-Kandidat antwortete: "Ich habe keinen Grund, mich über die Berichterstattung Ihrer Zeitung zu beschweren. Der Bericht über meine erste Versammlung war sehr objektiv, obwohl mir gesagt wurde, daß der Berichterstatter der SPD angehöre." Und der Kassierer der SPD im Unterbezirk Wetzlar urteilte: "Die Berichterstattung über die Vorbereitungen zur Bundestagswahl war objektiv und ausführlich. Es dürfte wohl keine Partei Anlaß zu einer Beschwerde haben." 868) 9.4 Das Ende der Lizenzzeit - das Ende von Josef Hüsch als Lizenzträger Zum Ende des Jahres 1949 stellten sich die maßgeblichen Redakteure der ehemaligen Wetzlarer Lizenzzeitung ihren Lesern in Wort und Bild gemeinsam auf einer Zeitungsseite vor. Neben Josef Hüsch sah man Otto Busch, für Nachrichten zuständig, Hermann Reidt, der die Nachrichtenredaktion der Politik leitete, Josef Hans Kocab, das "Mädchen für alles und zuständig für die Außenredaktion Limburg"; außerdem Dr. Kurt Hintze, den Lokalchef; Werner Mangold, der die Redaktion für die Ausgabe "Oberlahn - Usingen - Limburg" innehatte; E. Pawlicek, Lokalberichterstatter, und Ernst Klein, Redakteur für den Kreis Biedenkopf. Heinz Frischmann machte zu dem Zeitpunkt Sportberichte, Kurt Pausch die Wirtschaftsnachrichten und Georg Schwinghammer war für den Bereich Dillenburg zuständig. Außerdem sah man noch Wolfgang Scheer, den späteren Chef vom Dienst der Wetzlarer Zeitung. Wenig später gehörte Hüsch nicht mehr zum Team der "Wetzlarer Neuen Zeitung". Die Gründe für sein Ausscheiden beruhten offenbar auf dem schlechten Verhältnis, das die beiden Lizenzträger zueinander hatten. Nicht ohne Grund soll Johann Eifinger seine Beziehung zu Hüsch als "schlechte Ehe" bezeichnet haben. Hüsch jedenfalls schied in Unfrieden, ließ sich abfinden und versuchte, eine Konkurrenzzeitung für Wetzlar herauszugeben. Seine "Wetzlarer Presse", 1950 gegründet und bei Heinrich Kierzek in Fulda gedruckt, erschien aber nur einen Monat lang.869) Die "Wetzlarer Neue Zeitung" schrieb dazu in ihrer Jubiläumsausgabe im Juli 1967: "Sein Versuch, im Kreis Wetzlar eine eigene Tageszeitung herauszugeben, scheiterte, da, wie sich zeigte, die 'Wetzlarer Neue Zeitung' dem allgemeinen Leserbedürfnis entsprach und eine zweite Zeitung in diesem Raum nicht die genügend breite Grundlage fand."870) Mit dem gescheiterten Versuch einer Konkurrenzzeitung endete auch Hüschs Karriere als - 254 - Herausgeber und Chefredakteur. Johann Eifinger wurde alleiniger Inhaber der "Wetzlarer Neuen Zeitung". Ihm drohte jedoch Konkurrenz von anderer Seite: Die Altverleger erschienen wieder mit eigenen Publikationen. Harold Hurwitz schreibt dazu: "Der sozialdemokratische Lizenzträger war mit seinem Mitlizenziaten ... nicht gut ausgekommen; doch schloß er dann mit den Eigentümern einer bis zum Kriegsende in Wetzlar erscheinenden Zeitung einen ... 'noblen Vergleich'. Der Lizenzträger blieb weiterhin Chefredakteur, aber das Abkommen sah vor, daß der Sohn des Altverlegers nach seinem Tod oder seiner Pensionierung dessen Posten übernehmen würde."871) Die "Wetzlarer Neue Zeitung" meinte ihrerseits: "Der nunmehr alleinige Herausgeber ... Johann Eifinger nahm nach dem Ausscheiden von Hüsch Verbindung mit den Inhabern der Schnitzlerschen Buchdruckerei, der Familie Schnitzler, auf, mit dem Ziel, beide Verlage zu vereinigen, um für weite Sicht die wirtschaftliche Grundlage für die 'Wetzlarer Neue Zeitung' zu sichern."872) Die Fusion der Wetzlarer Lizenzzeitung mit dem am 2. Oktober 1873 gegründeten "Wetzlarer Anzeiger", der vor seinem Gründungsdatum als "Wetzlarer Kreis- und Anzeigen-Blatt" erschienen war, erfolgte am 1. August 1952. Der Altverleger Ferdinand Schnitzler hatte seinen "Anzeiger" die Kriegsjahre hindurch bis zum 8. Mai 1945 halten können. Nach der Vereinigung mit der Lizenzzeitung schrieb diese, der Altverleger lebe nun in "unserer Zeitung" fort.873) 9.5 Nebenausgaben der "Wetzlarer Neuen Zeitung" Am 1. Juli 1946 erweiterte die "Wetzlarer Neue Zeitung" das Erscheinungsgebiet auf den Dillkreis, später auch auf den Oberlahnkreis und den Kreis Biedenkopf: Die "Nassauische Neue Zeitung" entstand mit einem eigenen Lokalteil für den jeweiligen Kreis. Am 1. April 1949 erschien - im kleinen Din-A4-Format mit acht Seiten Umfang und vielen Fotos - die Beilage der "Wetzlarer Neuen Zeitung", "Unsere Bild-Post". Mit einem Handzettel teilte die Verlagsleitung den Lesern das Erscheinen des neuen Blattes mit: "In unserem steten Bemühen, den Beziehern eine interessante und vielgestaltige Zeitung zu bieten, haben wir eine eigene illustrierte Wochenendbeilage geschaffen. ... 'Unsere Bild-Post' wird in Bild und Text stets einen heimatlichen Charakter aufweisen. Land und Leute sollen einander vertraut werden. Geschichtliches und Aktuelles aus dem Leben der Landschaft ringsum, Belehrendes, Schönes und Unterhaltendes enthält diese Bild-Post. Die Melodie der Heimat klingt mit der Welt zu einem Akkord zusammen. Wir glauben sagen zu dürfen, daß diese illustrierte Beilage eine gute und nützliche Sache ist. Jeder - 255 - Leser kann sie mit unserer Samstagausgabe für einen Mehrpreis von monatlich 35 Pfennig beziehen. Sie wird also nicht obligatorisch, sondern nach besonderer Bestellung geliefert." Später, zum Teil erst nach dem Ende der Lizenzzeit, erschienen im Oberlahnkreis die "Weilburger Post" und im Dillkreis die "Dillpost" (die gegen die Konkurrenz der "Dill-Zeitung" arbeiten musste), beide mit dem Untertitel "Nassauische Neue Zeitung". Im Kreis Biedenkopf übernahm der Verlag die Verlagsrechte des alten "Hinterländer Anzeigers", der unter diesem Namen weitererschien.874) Das "Weilburger Tageblatt", bis 1954 noch Altverlegerzeitung, wurde 1954 von der "Wetzlarer Neuen Zeitung" übernommen. 1956 kam als neue Bezirksausgabe das "Herborner Tageblatt" hinzu, für das die Verlagsrechte von der Herborner Beckschen Buchdruckerei übernommen wurden.875) Die später im Verlag der "Wetzlarer Verlagsdruckerei" erscheinenden Zeitungen waren außer der "Wetzlarer Neuen Zeitung" mit dem Untertitel "Wetzlarer Anzeiger" das "Weilburger Tageblatt", die "Dill-Post", das "Herborner Tageblatt" und der "Hinterländer Anzeiger" mit einer Druckauflage von über 47.000. 1953 war die Druckerei in das neue Gebäude am Karl-Kellner-Ring 23 gezogen, ein Jahr darauf folgten dorthin auch Verlag und Redaktion. Statt der 16-seitigen Rotationsmaschine wurde eine 23-seitige aufgestellt. Im Jahr 1968 wurde diese wiederum durch eine Maschine mit 48 Seiten ersetzt. Ende der siebziger Jahre siedelte die "Wetzlarer Neue Zeitung" in ein noch größeres, neu erbautes Gebäude in der Wetzlarer Elsa-Brandström-Straße um. - 256 - 10 Lizenz für die "Gießener Freie Presse" 10.1 Julius Hahn und Adolf Weller werden Lizenzträger der neuen Zeitung Am 8. Januar 1946 erschien zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in Gießen eine neue Zeitung. Veröffentlicht unter der Lizenznummer 36W, kam das Blatt zunächst zweimal wöchentlich mit einem Tagespreis von 20 Pfennigen und einem monatlichen Bezugspreis von 1.50 RM heraus. Die Auflage der Zeitung im "Berliner Format" wurde auf 20.000 Exemplare festgesetzt. Redaktion und Verlag waren im Haus der Druckerei Albin Klein an der Südanlage in Gießen. (Mit Klein wurde später ein sogen. Zwangspachtvertrag abgeschlossen.) Gedruckt wurde auf einer Rotationsmaschine, die von der amerikanischen Militärregierung zur Verfügung gestellt worden war. In der ersten Ausgabe, die an einem Donnerstag herauskam und einen Umfang von sechs Seiten hatte, stellten sich die beiden Lizenzträger der neuen "Gießener Freien Presse" vor: Adolf Weller875a) übernahm die Verlags-, sein Mitlizenziat Julius Hahn875b) die redaktionelle Leitung. So erschien ein Leitartikel von Hahn auf der ersten Seite neben zwei Politikmeldungen und dem "Neuesten aus aller Welt", einer Rubrik, in der Kurznachrichten publiziert wurden. Zudem äußerte sich David M. Easterday, Chef der Militärregierung in Gießen, zur Zeitungsgründung.876) Seite 2 brachte einen Beitrag von Thomas Mann und informierte die Leser darüber, dass in der Nachbarstadt Wetzlar ebenfalls eine neue Zeitung erscheine. Außerdem wurden die Glückwünsche des Gießener Oberbürgermeisters Dönges veröffentlicht, der hoffte, "in der neuen Zeitung eine Stütze bei ihrer schweren Wiederaufbauarbeit auf dem materiellen wie auf dem kulturellen Sektor zu finden. ... "877) 1971 schrieb die "Gießener Allgemeine" (vormals "Gießener Freie Presse") dazu rückblickend, der damalige Oberbürgermeister habe mit Misstrauen das neue Organ "freier Meinungsäußerung" betrachtet; "dem in der Industrie großgewordenen und unpathetischen Juristen schmeckte der so spontan aufgekommene Gesinnungswandel nicht, und nur zögernd fand Dr. Dönges einen Segensspruch für die Erstausgabe."878) Die dritte Seite war dem Feuilleton vorbehalten mit der "Kulturrundschau" und Gedichten aus der Nachkriegszeit. Lokalnachrichten, wie über die Universität Gießen, erschienen auf Seite 4, außerdem konnten die Parteien unter der Überschrift "Die Stimme der Parteien" Stellung nehmen. Auf der fünften Seite gaben die beiden Lizenzträger in einem Artikel dem Leser Auskunft über "Unser Streben, unser Ziel". Darin hieß es u.a.: "... Unser Weg liegt fest! Wir ringen um die Freiheit des Menschen, um den Gemeinschaftswillen aller - 257 - Völker, gegen die Mächte des Reinmateriellen. ..."879) Auf der sechsten Seite erschienen zu einem Drittel Sport- und Wirtschaftsmeldungen; der Rest der Seite war den Anzeigen vorbehalten. Außerdem schrieb der erste feste Mitarbeiter der Redaktion, Kurt Deichmann, einen Artikel, "Fahrt ins Ungewisse".880) Ein weiterer Redakteur war Kurt Heinze, zuständig für den Kulturteil der Zeitung. Leiter der Lokalredaktion war Otto Schober, der noch lange Jahre nach Beendigung der Lizenzpflicht der Redaktion angehörte. Schober schrieb auch Leitartikel und Kommentare zu lokalpolitischen Ereignissen. Am Freitag, 11. Januar 1946, erschien die neue Lizenzzeitung mit acht Seiten. Hahn verfasste auch diesmal wieder den Leitartikel auf der ersten Seite zum Thema "Europa ohne Idee". Zudem wurden die Leser über die Weltkonferenz der Vereinten Nationen und über den Nürnberger Prozess unterrichtet. Die Parteien kamen zu Wort und im Lokalteil auf der Seite 3 versuchten die Redakteure, ihre Leser mittels eines Preisausschreibens zur Beantwortung der Frage "Was ist Demokratie?" zu bewegen. Die Reaktion auf die Bitte der "Gießener Freien Presse", "über dieses interessante und aktuelle Thema einige nette, witzige, prägnante Zwei- oder höchstens Vierzeiler - gereimt oder ungereimt" - zu erhalten, war allerdings ausgesprochen gering.881) Auf den weiteren Seiten der Zeitung erschienen neben dem Feuilleton und der "Kulturrundschau" Informationen über "Deutschland im Spiegel der Welt" sowie ein weiterer Artikel von Kurt Deichmann. Die Erscheinungsweise von acht Seiten an jedem Freitag und vier bzw. sechs Seiten an Dienstagen behielt die "Gießener Freie Presse" auch in den nächsten Wochen bei. Freitags enthielt die Lizenzzeitung immer eine Seite Anzeigen, während die Dienstagnummer zwischen einer halben und einer Dreiviertelseite Annoncen schwankte. Auch die Themen änderten sich in diesem Zeitraum kaum. Der Nürnberger Prozess nahm auf den ersten beiden Seiten breiten Raum ein, die Parteien erhielten genügend Platz, um sich zu äußern, und auch die Leitartikel von Julius Hahn erschienen fast regelmäßig. Am 1. Februar konnten die Leser zudem einen Teil eines Romans des Chefredakteurs, "Der Weg in die Verdammnis", lesen; dem anspruchsvolleren Abonnenten offerierte das Blatt einen Artikel von Ludwig Bergsträsser über die "besondere Bedeutung der Gemeindewahlen".882) Am 8. März konnte die Gießener Lizenzzeitung den Lesern mitteilen: "Ab kommender Woche erscheint die 'Gießener Freie Presse' dreimal wöchentlich und zwar jeweils dienstags, donnerstags und samstags".883) Das Lizenzblatt hatte danach durchschnittlich zwanzig Seiten Umfang pro Woche einschließlich des - 258 - vorgeschriebenen Anzeigenteils von einem Achtel pro Ausgabe. Am 23. März brachte die Zeitung die erste Beilage, eine Modeseite, heraus. Zwei Tage zuvor war eine Karikatur auf der vierten Seite erschienen, überschrieben "Wie werde ich Lizenziat?"884), in der sich der Autor über das Für und Wider des Fragebogens der Amerikaner mokierte. U.a. schrieb er: "... Dieser Fragebogen ist aller Laster Anfang. So liebenswürdige Menschen die Amerikaner sind und wie alle echten Demokraten zu jeder Verhandlung bereit, haben sie doch eine auffallende Schwäche: die Neugierde. Ihre Neugierde erstreckt sich auf alles, was im menschlichen Leben so vorkommt. Sie beginnt bei der Ausfüllung der Fragebogen, die im Laufe der Verhandlungen immer umfangreicher und umfangreicher werden, bis schließlich die letzten 20 Jahre darin Platz haben. Nun beginnen die Telefondrähte zu glühen. Angaben werden an Ort und Stelle überprüft. Das Leben läuft nochmals durch einen Filter, der langsam tropft, sehr gründlich arbeitet, bis als Endprodukt das neue Wesen herauskommt, genannt: der Lizenziat." Am 30. März 1946 begann die Zeitung mit einer dreispaltigen Kolumne "Aus Großhessen". Die Berichterstattung von freien Mitarbeitern der Zeitung aus anderen größeren Städten nahm gleichzeitig zu. Am 18. Juni des gleichen Jahres wurde das Impressum, das bisher nur die Namen der beiden Lizenzträger trug, erweitert. Es lautete jetzt: "Herausgeber: Adolf Weller und Julius Hahn. Verlag Julius Hahn und Co. Kommanditgesellschaft. Verantwortlich für die Redaktion: Julius Hahn, für Anzeigen und Vertrieb: Adolf Weller." Zum Ende des gleichen Monats gab die Zeitung bekannt, das Blatt erscheine im Juli nur noch zweimal wöchentlich: dienstags und freitags. Diese Regelung wurde aber offenbar nicht eingehalten, denn die Lizenzzeitung behielt die bisherige Erscheinungsweise auch während der folgenden Wochen bei. Am 20.Juli teilte die Zeitung ihren Lesern mit, dass der ungenügende Papiervorrat es nicht zulasse, alle 4.000 Anmelder eines Abonnements zu beliefern. Gleichzeitig wurde dem Leser eröffnet: "Den jetzigen Beziehern bietet sich ... ab 1. August die Möglichkeit, zwischen unserer Ausgabe A und B zu wählen. Die A-Ausgabe enthält einen größeren Lokalteil, wogegen die Ausgabe B mehr Wert auf einen stärker ausgebauten Nachrichtenteil aus allen deutschen Zonen legt. ...''885) Als die "Gießener Freie Presse" am 29. August meldete, sie werde vom 2. September an viermal in der Woche erscheinen, und zwar am Montag mit zwei Seiten und am Mittwoch, Freitag und Samstag mit jeweils vier Seiten zu einem monatlichen Bezugspreis von 2.60 RM, erfuhr der Leser bei gleicher Gelegenheit, dass "ein kleinerer Prozentsatz unserer Auflage als Ausgabe B (Interzonenausgabe) ohne Anzeigen herauskommt." Die zunehmende Papierverknappung wirkte sich natürlich auch bei der - 259 - Gießener Lizenzzeitung ungünstig aus. War bereits die B-Ausgabe in ihrer Auflage reduziert worden, so entschlossen sich nun die Lizenzträger, den Kopf der Zeitung zu verkleinern, um Platz für weitere Nachrichten zu gewinnen. Bei der zweiseitigen Montagsausgabe war er auf etwa ein Sechstel der bisherigen Größe zusammengeschrumpft. Im redaktionellen Teil blieb aber immer noch genügend Platz, um Julius Hahn in seinen Leitartikeln und Kommentaren zu Wort kommen zu lassen, die Überschriften trugen wie: "Um die Substanz"886) , "Kein neues Dogma"887), "Am Vorabend"888), "Das Labyrinth"889), "Der Trabant"890) oder "Das Skelett"891), "Keine Illusionen"892) und "Das kleine Glück"893). Am 14. Oktober 1946 erschien der Name Julius Hahn zum letzten Mal im Impressum. 10.1.1 Gründe für den Lizenzentzug Julius Hahns Nach Auskunft des späteren Lizenziaten Hans Rempel894) war es die Absicht von Julius Hahn, die ''Gießener Freie Presse" nicht nur in Gießen und Umgebung zu verkaufen, sondern auch Leser in Frankfurt zu gewinnen. Im Sommer 1946 erschienen dort aber bereits zwei amerikanisch lizenzierte Zeitungen: die "Frankfurter Rundschau" und die "Frankfurter Neue Presse". Hahn musste deshalb zwangsläufig die Bestimmungen der Informationskontrolle unterlaufen, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Spannungen zwischen ihm und den Presseoffizieren blieben nicht aus und führten schließlich zum Entzug der Lizenz. In der "Gießener Allgemeinen Zeitung" schildert 25 Jahre später der langjährige Lokalchef Otto Schober die Situation so: "Aufmerksamen Beobachtern ... konnte nicht entgehen, daß der agile Publizist die ihm mit der Lizenz gebotenen Möglichkeiten über das gesetzte Maß hinaus zu erweitern versuchte. Ihm mag so manches vorgeschwebt haben, wobei ihm in der Reihe verschiedener Experimente sein offensichtliches Bestreben, aus dem Gießener Blatt eine Art 'Weltbühne' zu schaffen, nicht einmal zu verargen gewesen wäre. ... Immerhin hatte sich Julius Hahn in verhältnismäßig kurzer Zeit mit einem Stab von Mitarbeitern umgeben können, von denen etliche Erfahrungen in der Redaktions- und Pressearbeit hatten, andere sich gern seinen Intentionen fügten."895) An anderer Stelle der Jubiläumsausgabe aus dem Jahr 1971 heißt es: "Julius Hahn, in der Gießener Öffentlichkeit völlig unbekannt, ließ seinem Drang nach Publikation freien Lauf. Mit seinen namentlich gekennzeichneten Leitartikeln und - 260 - Kommentaren zur politischen Lage erreichte er es schon bald, daß von ihm gesprochen wurde. Rastlos produzierte er massenhaft eigene Beiträge und Manuskripte aus anderen Quellen. ... Seinem Hang zum Pseudonym entsprach es, daß er, wie Filmproduzenten für ihre Hauptdarsteller, freie Mitarbeiter und Reporter mit klangvollen Namen bedachte und damit deren Beiträge in der Zeitung ausstattete. So wurde beispielsweise aus der Frankfurterin Tilla Hegemer ein René Goldmann ... ."896) Über den ersten Roman in der Gießener Lizenzzeitung, der vom 11. April 1946 an in Fortsetzungen erschien, den Titel "Spekulanten - Roman einer Ehe" trug und von Carl Baur verfasst worden war, hieß es: "Daß auch der Name des angegebenen Verfassers ein Pseudonym sein könnte, mag in Fachkreisen sicher vermutet worden sein; der Hinweis 'Copyright Gießener Freie Presse' ließ sehr wohl den Schluß zu, daß eine enge Verwandtschaft mit dem Herausgeber bestehen müsse. So trat denn auch eines Tages zu der in jeder Ausgabe veröffentlichten Zeile mit den Namen der Hausgeber der 'Verlag Julius Hahn & Co Kommanditgesellschaft' in Erscheinung ... ."897) Was dem Leser ebenfalls verborgen blieb: Auch innerbetriebliche Schwierigkeiten spielten bei dem Entzug der Lizenz keine unbedeutende Rolle. Denn hinter der kurzen Änderung im Impressum der Zeitung verbargen sich monatelange Auseinandersetzungen zwischen den beiden Herausgebern Hahn und Weller.898) Nach Hahns Ausscheiden sollen "in der Schar der Redaktionsindividualisten" einige eine Chance gesehen haben, die Nachfolge von Julius Hahn anzutreten, und "buhlten heimlich um die Gunst der ausländischen Demokraten. In der amerikanischen Zentrale aber ging man eigene Wege. Nach einem sich über mehrere Wochen hinziehenden Nervenkrieg tauchte plötzlich als ihr Beauftragter aus Frankfurt ... der Journalist Ludwig Lewy auf."899) 10.2 Ludwig Lewy, der neue Lizenzträger Im Impressum fand sich daraufhin am 16. Oktober 1946 der Name Ludwig Lewy als verantwortlicher Herausgeber. Noch zwei Tage zuvor hatte der als "linksliberal" bekannte Lewy in der Wirtschaftsredaktion der "Frankfurter Neuen Presse" gearbeitet.900) Den ersten Leitartikel schrieb er am 18. Oktober zum Nürnberger Prozess unter der Überschrift "Gerichtete Henker". - 261 - Mit Lewy änderte sich zunächst das äußere Erscheinungsbild der Lizenzzeitung. So erschienen die Leitartikel fortan auf der Seite 2, in denen auch andere Mitarbeiter des Hauses zu Wort kamen. Außerdem verschwand die B-Ausgabe mit dem Ausscheiden von Hahn. Aber auch in ihrem Inhalt zeigte die Zeitung bald ein anderes Gesicht: Ludwig Lewy zählte zu den Chefredakteuren, die mit klaren politischen Vorstellungen die Zeitung leiteten; Vorstellungen, die sich nicht zuletzt in den Leitartikeln und Kommentaren äußerten. So erregte der Artikel von Lewy am 31. Dezember in der "Gießener Freien Presse" nicht nur in der Redaktion, sondern auch bei vielen Lesern großes Aufsehen. Er schrieb u.a., die deutsche Demokratie habe "in folgenden Fächern ihre Reifeprüfung zu bestehen: Politische Bereinigung - sei es unter Schonung der kleinen Mitläufer - aber bei unbarmherziger Verfolgung der großen Verbrecher, auch wenn diese so vorsichtig waren, sich parteilos in Offizierskasinos oder Direktionszimmern der Wirtschaftspaläste zu tarnen. Schaffung einer wahren Wirtschaftsdemokratie durch Überwindung der Widerstände der Privatwirtschaft gegen die Mitbestimmung der Betriebsräte (notabene: Warum sind die Gewerkschaften nicht im hessischen Landtag vertreten?) und der Amtsstuben gegen die Bodenreform, sowie durch gerechte Verteilung des geschrumpften Sozialprodukts und der gehäuften Lasten. Rücksichtslose Bekämpfung des Schwarzen Marktes in seinen oberen Sphären, das heißt, in den Lagerhäusern von Industrie und Großhandel. Und, um vom Großen ins Kleine zu kommen, sind nicht diejenigen, die in emsigem Fleiß aus deutschen Kaninchenfellen warme Bekleidungsstücke oder aus ungenutzten Baumfrüchten unserer Wälder zusätzliche Nahrung schaffen, größere Patrioten und bessere Realpolitiker als die 'Revisionisten' des Potsdamer Abkommens?"901) 10.2.1 "Gießener Freie Presse" im Spiegel der Parteien Mit sechs Seiten Umfang erschien die "Gießener Freie Presse" in ihrer ersten Ausgabe des Jahres 1947, am 4. Januar. Viermal wöchentlich, montags, mittwochs, freitags und samstags, kam das Blatt nun heraus und kostete den Leser im Monat drei Reichsmark plus 40 Pfennige Zustellgebühr. Vier Tage später gratulierte die Militärregierung der Zeitung zum einjährigen Bestehen. Überschrieben "Richtig oder falsch? - Wir lassen uns kritisieren" erschienen zudem Stellungnahmen der Parteien und Verbände zur Lizenzzeitung. Die SPD teilte mit: - 262 - "Die SPD ist sich der Tatsache bewußt, daß die 'Freie Presse' kein Parteiorgan ist und allen politischen Parteien als Sprachrohr zur Öffentlichkeit dienen muß. Sie hat daher auch nie erwartet, daß nur ihre Ansichten zu den politischen Vorgängen und Fragen in der 'Freien Presse' zum Ausdruck kommen würden. ... Leider mußte aber festgestellt werden, daß im ersten Halbjahr von den bescheidensten Ansprüchen noch wesentliche Abstriche gemacht wurden. So hat es ... bei der SPD starkes Befremden und berechtigten Unwillen erregt, daß im vorigen Jahre in der Zeit des früheren Chefredakteurs über die großen Kundgebungen der SPD mit dem Landesvorsitzenden Willi Knothe902) ... kein Bericht erschien. Auch wiederholt eingesandte Berichte über Tagungen der SPD fanden keine Aufnahme, während andere Parteien oder unbedeutende Organisationen ... mit ihren Berichten häufig zu Wort kamen. Diese Benachteiligung der SPD erfolgte, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung bei den verschiedenen Wahlen ihr Vertrauen zur SPD zum Ausdruck brachte, was im Kreise Gießen sogar zu einer klaren Mehrheit führte. Daß außerdem noch manche Artikel erschienen, die der Bedeutung und dem Wirken der SPD in keiner Weise gerecht wurden, ihr sogar Schwierigkeiten bereitete, paßte ganz in den Kurs der damaligen redaktionellen Leitung. Nachdem in der Leitung der 'Freien Presse' eine Änderung eingetreten ist, kann mit Genugtuung eine gerechtere Berücksichtigung der SPD festgestellt werden. Die Leitartikel, der politische Teil und auch die anderen Sparten der Redaktion lassen erkennen, daß mehr als früher den Ansprüchen entsprochen wird, die von der SPD als der stärksten Partei in Stadt und Kreis Gießen erhoben werden müssen. Mit dieser gerechten Haltung entspricht die 'Freie Presse' jetzt besser als früher den demokratischen Grundsätzen, an die auch eine Zeitung im Hinblick auf die wiederholten eindeutigen Willensäußerungen der Mehrheit der Bevölkerung gebunden ist. Daß mit dieser Feststellung nicht alle unsere Wünsche an die 'Freie Presse' als erfüllt anzusehen sind, bedarf wohl keiner besonderen Begründung, zumal wir uns dessen bewußt sind, daß die Presse in der amerikanischen Zone nach dem Grundsatz der Überparteilichkeit zu arbeiten hat. Vor allem halten wir es für notwendig, daß die Zeitung zu den kommunalen Fragen und Aufgaben des Stadt- und Landkreises Gießen in objektiver Form Stellung nimmt und sich nicht auf nur berichtende Mitarbeit beschränkt. Wir sind uns bewußt, daß die Redaktion nicht selbst alle Angelegenheiten so völlig erschöpfend behandeln kann, wie es im Interesse der Arbeiter für das allgemeine Wohl erforderlich wäre. Es dürfte aber wohl nicht schwer und auch keine unbillige Forderung sein, zur Mitarbeit auf diesen Gebieten geeignete Männer und Frauen heranzuziehen, die sich durch Sachkunde und langjährige kommunale Erfahrung als geeignet legitimieren können. Im Wirtschaftsteil würden wir eine gleichartige Neuorientierung begrüßen. ... "903) Die Kreisgruppe Gießen-Stadt der Christlich-Demokratischen Union schrieb an die "Freie Presse": " ... Bei aller Anerkennung des Bemühens der Überparteilichkeit ist jedoch nicht zu verkennen, zu welcher Parteirichtung das Blatt im Grunde gehört! Das Bemühen um den Aufbau der Demokratie ist heute getragen von vier Parteien, und es ist notwendig, daß nicht nur die Lebensäußerung der Partei, sondern - 263 - auch die grundsätzliche Stellungnahme in gleicher Weise zur Geltung kommen; denn wenn das nicht der Fall ist, werden die Parteien, die sich benachteiligt fühlen, stets das Bestreben haben, sich eine eigene Presse zu schaffen. Solange es keine eigenen Zeitungen der Parteien gibt, wünschen wir, daß die 'Gießener Freie Presse' eine wirklich freie Presse ist, die die öffentliche Tribüne aller Parteien und Gruppen in gleicher Weise darstellt. Bedenkt man die Anfänge der 'Gießener Freien Presse', so kann man sagen, daß sie sich von Monat zu Monat immer mehr den lokalen Bedürfnissen angepaßt hat und daran arbeitet, eine wahre Volkszeitung zu werden. Unerwähnt darf nicht bleiben, daß die 'Gießener Freie Presse' gerade die Nöte des kleinen Mannes immer wieder aufzuspüren versteht und sie darstellt und in einigen Fällen sogar Abhilfe hat schaffen können." Die LDP Gießen äußerte keine Kritik an der Zeitung, nahm aber die Gelegenheit der schriftlichen Stellungnahme zum Anlass, für die Lizenzierung von parteieigenen Zeitungen zu plädieren. Die Kommunistische Partei lobte das Blatt, es habe im ersten Jahr seines Bestehens allen politischen Richtungen Rechnung getragen. "Eine schöne Einrichtung", schrieb die KPD, "für diesen Zweck war die Freigabe eines Raumes für 'Stimme der Parteien'. Bedauerlich war, daß diese Einrichtung im Laufe des ersten Geburtsjahres wieder weggefallen ist. ... " Die Industrie- und Handelskammer Gießen meinte: "Wir anerkennen, daß es bei der heutigen Papierzuteilung schwierig ist, den vielfachen Wünschen, die von allen Seiten an Sie herangetragen werden, Rechnung zu tragen. Leider ist bei der Auswahl der Wirtschaftsteil etwas zu kurz gekommen. ..." Dem Kulturbund Gießen schließlich hatte die Zeitung mit Julius Hahn als Lizenzträger offenbar besser gefallen, denn er schrieb u. a.: "Der Weg, den die 'Gießener Freie Presse' am Anfang in ihren Leitartikeln beschritt, war der rechte und zeugte von Mut und vom Willen in echt demokratischem Geiste die Dinge beim Namen zu nennen. Warum bleibt man nicht bei einer überparteilichen Meinungspresse?" Kritik an der Lizenzzeitung kam auch aus der übrigen Leserschaft. Die Zuschrift eines Lesers veranlasste Lewy, am 15. Februar 1947 den Leitartikel "Dummejungenstreiche" zu schreiben: "Die Redakteure, die nach der braunen Nacht für die neue deutsche Presse verantwortlich zeichnen, sind Schimpf- und Drohbriefe anonymer Absender gewöhnt. Der nachstehende an den Schreiber dieser Zeilen gerichtete, stellt an Geistesverwandtschaft mit 'Stürmer' und 'Angriff' zwar einen Höhepunkt dar, fällt jedoch nicht allzu sehr aus dem Rahmen des bereits üblich Gewordenen. ..." Der Schreiber, der auf den Neujahrsartikel "Realpolitik" Bezug nahm, war der Ansicht, so etwas könne nur ein Jude geschrieben haben: - 264 - "... wir werden dafür sorgen, daß Leuten von Ihrem Schlage in diesem Deutschland der Boden unter den Füßen heiß wird. Das deutsche Volk läßt sich von Ihnen nicht dumm machen. Der Jude kann seine schmutzigen Talmudgeschäfte beim deutschen Volk nicht mehr anbringen." "Dieser Brief", schrieb Lewy, "stellt ... nur einen von sehr vielen, die uns erreichen, dar. Offenbar nahen aber den Mitgliedern der gegenwärtigen hessischen Regierung nicht solche Stimmen aus dem Volke, sonst hätten vielleicht unsere Minister, als sie kürzlich amerikanischen Journalisten gegenübersaßen, doch nicht jenen erstaunlichen Optimismus aufgebracht, mit dem sie Fragen wie die, ob es lange dauern werde, bis die kleinen Hitler wieder auferstehen, beantworteten. ... Ministerpräsident Stock z.B. tat alles, was den Fragestellern in dieser Hinsicht aufgefallen war, mit dem Wort ab: 'Dummenjungenstreiche kommen überall vor'. ... Sind die deutschen politischen Parteien tatsächlich schon wieder im nationalistischen Fahrwasser der Weimarer Scheindemokratie? Glauben sie wirklich nicht anders die Massen gewinnen zu können als mit dem Appell an die völkischen Instinkte?..."904) Lewy zeigte sich auch in seinen anderen Leitartikeln als schonungsloser Kritiker der jüngst vergangenen Geschichte. Er, selbst Jude und während des Zweiten Weltkrieges nach Schweden emigriert, widmete viele seiner Artikel den rassisch Verfolgten. So begann er einen Beitrag am 25. April 1947 mit den Sätzen: "In gewissen Kreisen spukt die Furcht vor einer neuen Kategorie 'alter Kämpfer'. Damit ist gemeint, daß die politisch und rassisch Verfolgten um keinen Preis etwa bevorzugte Behandlung genießen dürfen. Ganz abgesehen davon, daß die Gleichsetzung der von der sanften Republik gestreichelten Wegbereiter des braunen Verbrechertums mit den vom Hitlerterror Verfolgten eine schwere Beleidigung für diese darstellt, entbehrt diese Gespensterfurcht jeden realen Hintergrundes. Es ist vielmehr die Situation eingetreten, daß die ehemaligen KZler in die Defensive gedrängt sind. Anstatt daß sie anklagen und Recht verlangen, haben sie sich heute bereits nicht selten vor den Gerichten zu verantworten ... ."905) Lewys Interesse galt aber auch lokalen Themen. So führte er zu Beginn des zweiten Jahrgangs Gespräche mit Vertretern der Parteien ein und berichtete in der Zeitung darüber unter dem Titel "Deutsche Gegenwartsfragen am Redaktionstisch". Neben den beiden Lizenzträgern Lewy und Weller - wobei Lewy zweifellos die dominierende Rolle spielte - hatte inzwischen jedes Ressort einen eigenen Leiter. Chef vom Dienst und verantwortlich für die Außenpolitik war Wolfram Groddeck. Kurt Heinze leitete nach wie vor das Feuilleton und Kurt Deichmann die Lokalredaktion. Für die Wirtschaft war Adalbert Schmidt, für den Sportteil William Reinert verantwortlich. - 265 - Die auf der Handpresse abgezogenen Kontrollseiten ließ sich Lewy übrigens vom jeweiligen Umbruchredakteur noch nachts in der Wohnung vorlegen. Dieses Verfahren, so meinte die "Gießener Allgemeine" später, sei von der amerikanischen Abteilung für Informationskontrolle so sehr in Ordnung befunden worden, "daß sie sich nun auf gelegentliche Kontrollen im Betrieb beschränkte."906) Es entstanden mit der Zeit, so ein Redakteur der "Gießener Freien Presse" rückblickend, "Gebilde, die sich nach Linien und zugeschnittenen Texten ausrichteten, deren Zusammenstellung meistens nicht gerade einfach, sondern eher mühevoll war, und die mit ihrer abgezirkelten Form aber auch nach Ansicht der Leser die Zeitung keineswegs lebendiger machten."907) Eine weitere 50-prozentige Papierkürzung im Mai des Jahres, von der alle 44 lizenzierten deutschen Zeitungen der Westzonen und die "Neue Zeitung" betroffen waren, machte das Blatt nicht eben interessanter. Der Protest der Arbeitsgemeinschaft der Zeitungsverleger in der US-Zone gegen die Herabsetzung des Papierkontingents bei General Clay, den Ministerpräsidenten und dem Zweizonen- Verwaltungsamt des Wirtschaftsrates in Minden blieb erfolglos, so dass die Gießener Zeitung im Juni 1947 nur noch dreimal wöchentlich herauskommen konnte. Die Leitartikel auf der zweite Seite fielen der Papierverknappung jedoch nicht zum Opfer. So begann Ludwig Lewy am 9. Mai eine Artikelserie über "Deutsche Märtyrer"908), die von anderen Redakteuren der "Freien Presse" in weiteren vier Folgen fortgesetzt wurde. 10.2.2 Die "Freie Presse" 1948: Wechsel im Lizenzträgergremium Mit einem weiteren Leitartikel des Herausgebers und Chefredakteurs Ludwig Lewy, "Anatomie des Friedens"909), begann die "Gießener Freie Presse" ihren dritten Jahrgang. Drei Tage später schrieb Kurt Deichmann den zweiten Leitartikel im neuen Jahr. Unter der Überschrift "Eine uns fremde Presse" ließ der Lokalredakteur die Leser wissen: "In einer von der CDU herausgegebenen Broschüre 'Die Wahrheit über das Gießener Theater' gelingt der CDU-Parteileitung über die 'Gießener Freie Presse' folgende Bemerkung: 'Auf die Dauer ist es unmöglich, daß die Meinung eines großen Teiles der Gießener Bevölkerung und unsere Absichten der Öffentlichkeit nur durch den Filter einer uns fremden Presse - wenn überhaupt - zugänglich ge- macht werden'. ... Wenn sich die Parteien in nichts einig sind, dann in ihrer Ent- rüstung über die Unabhängigkeit der heutigen Presse. Denn um nichts anderes, - 266 - als eben diese Unabhängigkeit, geht es in Wirklichkeit. Weder die 'Gießener Freie Presse' noch irgendeine andere von den Amerikanern lizenzierte Zeitung ist eine Parteizeitung. Und das paßt den Parteien nicht. Sie verlangen nichts sehnlicher, als eine allen, ihren Wünschen völlig gefügige Presse. ... Wenn dabei die Parteikritik sich, wie vielfach, noch auf die Person der Lizenzträger ausdehnt, dann bedeutet dies doch in ungeschminkter und offener Redeweise, daß die Militärregierung bei der Auswahl der Lizenziaten versagt habe. Es dürfte aber doch allgemein bekannt sein, daß niemand sonst - kein Minister oder sonstiger Parteifunktionär - einer solch strengen Herz- und Nierenprüfung unterzogen wird, wie gerade die Zeitungsleute und insbesondere die Lizenzträger der Presse. ... Die Vorwürfe der CDU sind mehr als unberechtigt. Rein nachrichtenmäßig ist die CDU im Rahmen ihrer gesamtdeutschen Parteipolitik genau so behandelt worden wie jede andere deutsche Partei. Und in lokaler Beziehung ist ganz allgemein die CDU sogar besser weggekommen. Die Kritik an Gießener und hessischen Dingen traf weitaus öfter und weitaus schärfer die SPD, weil sie eben als Mehrheitspartei Träger der Verantwortung ist. Wegen dieser besonderen Verpflichtung der SPD der Bevölkerung gegenüber nahmen wir die SPD auch immer viel schärfer unter die Lupe. Diese Tatsache kann mit allen Einzelheiten belegt werden. Für Hinweise auf ihre Veranstaltungen und zur Berichterstattung über diese stand die 'Gießener Freie Presse' der CDU immer zur Verfügung. Ja als einer unserer Mitarbeiter einmal Kritik an der CDU übte, haben wir in mehr als loyaler Weise der CDU das Manuskript übersandt und um ihre Stellungnahme dazu gebeten. Beide Artikel sollten in völlig objektiver Weise dann gleichzeitig veröffentlicht werden. ... Bis heute hat die CDU sich noch nicht gemeldet. So stellt sich in Wirklichkeit der 'Filter einer uns fremden Presse' dar. Allerdings, eines leugnen wir nicht, die 'Gießener Freie Presse' vertritt in ihrer lokalen Besonderheit in erster Linie die Interessen des sogenannten 'Kleinen Mannes'. ... Dennoch vergessen wir auch Industrie und Handel nicht. ... Unser ausgeprägter Wirtschaftsteil geht in Unterrichtung und Darstellung der Problematik deutscher und weltwirtschaftlicher Wirtschaftsvorgänge weit über den Rahmen dessen hin- aus, was einem Blatte von dem Umfange und der Auflage der 'Gießener Freien Presse' sonst möglich ist. Wir möchten aber trotzdem gerne noch sehr viel mehr bringen, aber unsere 10 Seiten pro Woche und unser kleines Format setzen unserem besten Wollen Grenzen. Indessen, unsere Rotationsmaschine, die unser Format bedingt, ist die einzige Zeitungsdruckmaschine, die in Gießen den Krieg überstand. Der Streit, Parteipresse oder unabhängige Presse, ist von den Lesern längst zu Gunsten unabhängiger Zeitungsorgane entschieden worden. Mit gutem Grund. In der Parteizeitung lesen die Parteimitglieder immer nur das, was sie selber schon denken. Die unabhängige Presse aber bietet allen Lesern stets neue und vielfältige Anregung, politische Vorgänge im Lichte einer vielseitigen Betrachtungsweise zu durchdenken. Und auf diese nicht einseitige d.h. demokratische Darstellung des Politischen kam es den Amerikanern bei der Lizenzierung der unabhängigen Presse an."910) Vier Tage nach dem Artikel des Lokalredakteurs teilte die Zeitung auf der zweiten Seite der Ausgabe vom 10. Januar mit: "Um sich ganz dem Ausbau der Zeitschrift 'Echo der Jugend' - 267 - widmen zu können, ist Herr Dr. Heinz Walbrück auf eigenen Wunsch ab sofort aus unserem Redaktionsstab ausgeschieden."911) Kurze Zeit später verließ auch Wolfram Groddeck das Blatt. Beide seien einem "Revirement der inzwischen rationeller arbeitenden Redaktion" zum Opfer gefallen, kommentiert die "Gießener Allgemeine" 25 Jahre später.912) Dafür, so schrieb die "Gießener Allgemeine" 1971, "schmuggelte" Herausgeber Lewy "mit Fritz Schreiber einen seiner mit ihm nach Schweden emigrierten und nach dem Krieg nach Hessen gekommenen Freunde ins Impressum. Dem strammen Linksagitator, der schon lange auf der Lauer lag, war es vorher bereits gelungen, in den Betriebsrat der Zeitung delegiert zu werden. Da Herr Schreiber, ein Nichtfachmann im wahrsten Sinne des Wortes, ressortmäßig nirgends unterzubringen war, wurden die Namen der Redakteure im Impressum auch nicht mehr nach Sparten, sondern in alphabetischer Reihenfolge genannt."913) Schreiber verfasste bereits am 24. Januar 1948 seinen ersten Leitartikel auf der Seite 2 der Zeitung. Zu Beginn dieses Jahres mehrten sich in Gießen die Stimmen, die an der politischen Linie der Zeitung Kritik übten. Speziell die politische Einstellung von Lewy sei, so schreibt die "Gießener Allgemeine Zeitung" später, damals unter die Lupe genommen worden. "Zweifellos unerschrocken, dort hinzustecken, wo es nach seiner Meinung zum Schutze der Demokratie notwendig war, schaffte er sich mehr Feinde als Freunde. Bald schon stempelte man ihn als Linksaußen ab",914) schrieb die Zeitung 1971 und verschwieg auch die Spannungen innerhalb der Redaktion nicht. Ein Ereignis aus Gießens Kulturszene, die Premiere des Lustspiels "Meine Nichte Susanne" im Theater der Stadt, wurde von der "Gießener Freien Presse" mit einer Rezension und einem Leitartikel bedacht. Die Stellungnahme der Zeitung zu diesem Stück, das "eine klare Standpauke für Moralisten"915) war, führte zu weiteren Reaktionen in der Leserschaft und schließlich zur Anklage beim Gießener "Forum", einer Gießener Bürgerinitiative. Sie beschäftigte sich in ihrer dritten Zusammenkunft Ende Februar 1948 mit der örtlichen Lizenzzeitung. Ein Bericht darüber erschien anschließend, am 4. März, in der "Freien Presse". Darin hieß es u.a., etwa 600 Personen seien anwesend gewesen, "als Studienrat Schmidt mit Beginn seines Referates die 'Gießener Freie Presse' scharf angriff. Er verurteilte insbesondere die als einseitig anzusehende Haltung in kulturpolitischer Hinsicht, und versuchte an Hand einiger Zeitungsexemplare auch für den Nachrichtenteil der 'Gießener Freien Presse' eine kommunistische Einstellung zu beweisen. Mit seiner Forderung nach einer wirklich - 268 - überparteilichen Presse, die zumindest eine Revision der derzeitigen Besetzung des Redaktionsstabes der 'Gießener Freien Presse' erfordere, wurde zur Diskussion übergeleitet. Herr Domogalla als Vertreter der christlichen Jugend griff zunächst den Fall der Theateraufführung 'Meine Nichte Susanne' auf. Ohne auf das Für und Wider der Meinungen jedoch einzugehen, teilte er den für dieses Thema in der Zeitung zur Verfügung gestellten Raum auf und kam dabei zu dem durch Ausschnitte bewiesenen Ergebnis, daß mit Leitartikel plus Rezension und anderen Einsendungen den Befürwortern der Aufführung ein beträchtliches Mehr an Druckzeilen gegenüber den Gegnern eingeräumt worden war. In gleicher Weise beschäftigte sich mit dem Feuilleton Herr Kleinschmidt, der nachweisen konnte, daß die eigene Kritik des Redners über die Aufführung einer katholischen Laienspielschar im entscheidenden Satz sinnentstellend geändert zur Veröffentlichung gekommen war. Eine vom Feuilleton-Redakteur zugesagte Berichtigung von wenigen Zeilen sei nicht gebracht und mit der bestehenden Papierknappheit entschuldigt worden. Besondere Spannung unter den Zuhörern erweckte Redakteur Kurt Deichmann, dem wegen seiner grundsätzlichen Ausführungen über die Aufgaben des Pressewesens eine längere Sprechdauer eingeräumt worden war. Herr Deichmann brachte ein fertiges Manuskript mit und betonte einleitend, daß die deutsche Presse die Aufgabe habe, das deutsche Volk zu demokratischem Denken zu erziehen. Bei der 'Gießener Freien Presse' jedoch werde nicht jedem Redakteur das Recht eingeräumt, seine Gedanken so niederzuschreiben, wie er sie vor seinem Gewissen verantworten müsse. Seit einem Jahre unterlägen die nichtkommunistischen Redakteure - es gebe auch solche bei der 'Gießener Freien Presse' - ständigen Eingriffen in ihre Arbeiten, die man im Sinne einer orthodoxen marxistischen Tendenz zu retuschieren versuche. Herr Deichmann gab in diesem Zusammenhang Redaktions- geheimnisse preis, die ihren Eindruck auf die Zuhörer nicht verfehlten. Der Redner brachte weiter seine Gedanken über die Aufgaben einer überparteilichen Presse zum Ausdruck und griff in diesem Zusammenhang den Lizenzträger Ludwig Lewy scharf an, dem er diktatorische Knebelung der Meinungsäußerung und deutschfeindliche Einstellung sowie einseitige Ausrichtung der Tendenz der 'Gießener Freien Presse' vorwarf. Mit diesen Ausführungen war die Diskussion in den akuten Zustand des ausschließlichen Angriffs auf den Lizenzträger Lewy getreten. Von den vielen noch auftretenden Sprechern waren nur ganz leise Stimmen zu hören, die auch ein gutes Wörtchen mit ihm sprachen. Somit in eine schwierige Verteidigungsstellung gedrängt, hatte es Herr Lewy nicht leicht bei dem Versuch, die gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen zu entkräften. Nichtsdestoweniger fand er bei ausgezeichneter Formulierung aus dem Stegreif eine aufmerksame Zuhörerschaft. Er stellte heraus, daß gerade der ihm vorgeworfene Deutschenhaß eine Liebe zu Deutschland sei, die ihn veranlaßt habe, aus dem 'fetten' Schweden nach Deutschland zu kommen, um hier an der Demokratisierung zu arbeiten. Und diese seine Arbeit verpflichte ihn, immer und immer wieder nur für die Verwirklichung des Friedensgedankens tätig zu sein, alle versteckten oder offenen Bestrebungen für die Wiederauflebung des Militarismus anzuprangern und zu vernichten. Seine ihm vorgeworfene einseitige Einstellung sei in Wirklichkeit nichts anderes als der Ausdruck des Hasses wegen seiner Bemühung, gute Verhältnisse zu den Besatzungsbehörden zu schaffen. Die ... Versammlung nahm zum Schluß eine auf Wunsch der Anwesenden mehrfach geänderte Resolution an, die folgenden Wortlaut hat: 1. Wir erkennen - 269 - die 'Gießener Freie Presse' unter dem gegenwärtigen Lizenzträger nicht als über- parteiliches Organ an. 2. Die 'Gießener Freie Presse' gefährdet durch ihre unsachliche Berichterstattung die Grundlage unseres demokratischen und friedliebenden Staates, zu dem wir uns nach wie vor bekennen. 3. Das Forum bittet die Militärregierung, diesem Zustande Abhilfe zu schaffen."916) Unterstützung fand Lewy kurz darauf bei zwei Lesern, deren Meinungen in der Leserbrief- spalte "Forum der Leser" publiziert wurden. "Lieber Genosse Lewy!", schrieb der erste, "Zu den gegen Sie erhobenen Anwürfen in der Versammlung des 'öffentlichen Forums' möchte ich wie folgt Stellung nehmen. 1. Sie, lieber Genosse Lewy, haben vor und während der unglückseligen Naziherrschaft Ihre Abneigung gegen jeden Totalitarismus unter Beweis gestellt. Ihr Kampf für Völkerverständigung und Frieden, Ihre erbitterte Gegnerschaft gegen den Faschismus erforderte von Ihnen fast übermenschliche Opfer. Arbeitsverbot im Nazideutschland, Emigration und Zuchthaus sind einzelne Etappen dieses Ihres Lei- densweges. 2. Der gegen Sie als Lizenzträger erhobene Vorwurf, Sie hätten der 'Gießener Freien Presse' ein einseitig-kommunistisches Gesicht gegeben, ist unbegründet. Eine reine überparteiliche Presse ist eine Fiktion. In jedem Falle wird sie nach dieser oder jener Richtung tendieren. So sind die sich um Überparteilichkeit bemühenden Zeitungen Frankfurts, wie die 'Frankfurter Neue Presse' ein bürgerliches, die 'Frankfurter Rundschau' ein 'rotes' Blatt. Beweiskräftig für Ihre nicht einseitig kommunistische Haltung ist Ihre jüngst erschienene Schrift 'Von Versailles zum Vierzonen-Deutschland', in der Ihre Kritik keineswegs vor der KPD Halt macht. Der von Ihnen geführte Kurs gegen Uniformen und Diktatur macht ohnehin die Ihnen unterschobene Einstellung unglaubwürdig. Wie oft haben Sie sich in meinem Beisein gegen diejenigen ausgesprochen, die - unzufrieden mit der lauen Haltung so mancher unserer Prominenter - ins kommunistische Lager abwandern wollten! 3. Ich bin ferner der Meinung, daß jedem jüdischen Mitbürger, der aus der Emigration nach dem wirtschaftlich zusammengebrochenen, hungernden Deutschland zurückkehrt, neben dem selbstverständlichen Anspruch auf materielle Wiedergutmachung das Dasein durch besondere Fürsorge, Herzlichkeit und Freundlichkeit von deutscher Seite erleichtert werden sollte. Ich bedauere daher die im 'Öffentlichen Forum' beschlossene und an die Besatzungsmacht weitergeleitete Resolution, nicht nur, weil ich sie für sachlich unbegründet halte, sondern weil sie außerdem wenig politischen Takt verrät." Der zweite Leserbrief lautete: "... Besonders ungebührlich empfand ich den Vertrauensbruch des Herrn Deichmann, der als Mitglied Ihrer Redaktion doch mit Ihnen zusammenarbeitet - 270 - und vertrauliche In formationen benutzt hat, um Ihnen in der Öffentlichkeit zu schaden. Aus jedem anderen Betrieb würde solch ein Vertrauensmißbrauch mit der fristlosen Entlassung beantwortet werden! Eigenartig muß es jeden berühren, daß Ihre Parteigenossen das 'Öffentliche Forum' dazu gebrauchen mußten, in- time Parteiangelegenheiten, wie ein Ausschlußverfahren, vor die Öffentlichkeit zu bringen, anstatt dieses in einer eigenen Mitgliederversammlung zu behandeln. Wenn ich auch als regelmäßiger Leser der 'Gießener Freien Presse' längst nicht mit allem einverstanden war, so habe ich bis heute jedoch noch nicht feststellen können, daß Ihre Zeitung eine kommunistische Haltung zeigt."917) Am 9. März veröffentlichte die "Gießener Freie Presse" eine Agenturmeldung, die eine Stellungnahme der amerikanischen Nachrichtenkontrollabteilung zum 'Forum' in Gießen wiedergab: "Der Chef der Nachrichtenkontrolle der US-Militärregierung für Hessen, Frederik N. Leonard, erklärte zu der Diskussion des 'Gießener Forums' ... , die Militärregierung sei im Begriff, die Berechtigung dieser Anschuldigungen gründlich zu untersuchen. Die Lizenziaten des Blattes ... hätten der Nachrichtenkontrolle mitgeteilt, daß sie selbst die Berechtigung vieler der vorgelegten Beschwerden anerkennen und Schritte zur Beseitigung der Mängel ergreifen würden. Leonard hob hervor, es sei erfreulich, daß die Deutschen in offener Opposition ihre Meinung zum Ausdruck gebracht und Schritte unternommen hätten, um Zustände abzustellen, die der Öffentlichkeit schaden. Maßnahmen zur Änderung der Verhältnisse bei dieser Zeitung würden getroffen werden, falls sich dies als notwendig erweisen sollte. Die Pressekontrolloffiziere seien gerne bereit, ihre Hilfe in den Dienst der Objektivität der 'Gießener Freien Presse' zu stellen. Sie seien der Ansicht, daß sich die Aussprache des 'Gießener Forums' zufriedenstellend für die Öffentlichkeit auswirke. Die Nachrichtenkontrolle erkenne den demokratischen Geist der Diskussion an, in der Vertreter der Gemeinde offen ihre Klage vorgebracht hätten und in der die Angegriffenen sich öffentlich hätten verteidigen können."918) Die Diskussion um die politische Haltung der einzigen Gießener Lizenzzeitung endete auch in den darauf folgenden Wochen nicht. Im "Forum der Leser" erschienen am 13. März weitere zwei Leserbriefe: "Werter Genosse Lewy! Ihnen persönlich möchte ich meinen Dank sagen für Ihr absolutes und mutiges Bekenntnis zum Weltfrieden und Ihren unerschrockenen Einsatz für diese große Idee, selbst auf die Gefahr hin, unpopulär zu sein." Der zweite Brief begann: "Zu dem Artikel 'Öffentliches Forum greift die 'Gießener Freie Presse' an' möchte ich als Leserin dieses Blattes einiges hinzufügen. Ich freue mich aufrichtig, daß man endlich - 271 - diesen Ludwig Lewy, diesen Deutschlandfreund erkannt hat und ihn hoffentlich nach dem 'fetten' Schweden per Expreß zurückexpediert. Seine schmierigen Leitartikel und diverses andere sind schon lange ein Grauen für die aus der Heimat Vertriebenen! ...." Die Redaktion versah den Brief mit dem Zusatz: "Wir haben der vorstehenden Einsendung Raum gegeben, obwohl wir im allgemeinen anonyme Feigheit in dem Papierkorb endigen lassen, weil sie uns symptomatisch erscheint für die Grundhaltung der meisten unserer politischen Kritiker. ..." In der gleichen Ausgabe erschien die "Erklärung": "Am 9. März überreichte ein Vertreter der Redaktion dem Vorsitzenden des 'Forum' ... nachstehende Erklärung mit der Bitte, dieselbe in der nächsten Zusammenkunft öffentlich verlesen zu dürfen. Das wurde abgelehnt. Herrn Deichmanns Verhalten auf dem letzten Diskussionsabend des 'öffentlichen Forums' veranlaßt uns als seine Redaktionskollegen zu folgender Stellungnahme: Wir verurteilen das Verhalten unseres Kollegen Deichmann schärfstens. Richtig wäre es gewesen, etwa bestehende Differenzen vorher in unserem Kreise zu klären und uns vor allem von seiner Absicht, in der Öffentlichkeit eine solche Anklage zur Verlesung zu bringen, in Kenntnis zu setzen. Durch die Preisgabe von Redaktionsgeheimnissen war eine weitere Zusammenarbeit mit Herrn Deichmann praktisch unmöglich geworden. Gewöhnlich erfolgt auf ein solches Vorgehen die fristlose Entlassung des Schuldigen. Durch ausgleichende Vermittlung der Redaktionskollegen und durch das Entgegenkommen des Lizenzträgers wurde eine solche Entscheidung vermieden. Die Redaktionsmitglieder haben sich unmittelbar nach dem Vertrauensbruch in einer Redaktionskonferenz von den Ausführungen des Herrn Deichmann distanziert. In einer gemeinsamen Besprechung mit den Herren der amerikanischen Nachrichtenkontrolle wurde festgestellt, daß von beiden Seiten Fehler begangen worden sind, deren Beseitigung aber Sache der Redaktion seien und die keineswegs vor die Öffentlichkeit gehören. Ferner wurde gesagt, daß Herr Deichmann durch die Preisgabe von Redaktionsgeheimnissen seinem Unternehmen gegenüber einen Treuebruch begangen hat, der eigentlich seine Entlassung hätte nach sich ziehen müssen. Das Redaktionsgeheimnis ist die Grundlage für einen modernen Journalismus. Der Redakteur, der es verletzt oder stört, stellt sich von selbst außerhalb seines Berufes. Das Redaktionsgeheimnis ist aber auch die stärkste Waffe des Journalisten. Für die Wahrung desselben muß der Journalist, wenn es sein muß, jede Strafe auf sich nehmen. Somit ist das Redaktionsgeheimnis stärker als alles andere auch an die Berufsehre des Journalisten gebunden. Auf die von uns gestellte Frage, wer von uns nach seiner Meinung Kommunist sei, hat Herr Deichmann erklärt, daß seine Formulierung in dem Referat tatsächlich zu Mißverständnissen Anlaß geben konnte. ..."919) Die Erklärung war von den Redakteuren Kurt Heinze, William Reinert, Karl Rust, Adalbert Schmidt, Otto Schober und Fritz Schreiber unterzeichnet. Ende März schrieb auch Herausgeber Lewy noch einmal über die Probleme der neuen, lizenzierten Zeitungen. Ohne Bezug auf die Ereignisse in Gießen zu nehmen, meinte er: - 272 - "Wir Zeitungsherausgeber ... möchten uns zunächst einmal die geradezu als Schimpfwort gebrauchte Bezeichnung 'lizenzierte Presse', die auf unsere vermeintliche Abhängigkeit von der Besatzungsmacht abzielt, verbitten. Denn genau so wie es lizenzierte Zeitungen gibt, ist von der politischen Partei an bis zum Besitz eines Kinotheaters jede öffentliche Betätigung an die Erteilung einer Lizenz gebunden. Wir könnten also mit demselben Recht von lizenzierten Parteien sprechen, wie diese von einer lizenzierten Presse reden. Allerdings unterscheidet die Lizenzträger der Zeitung eine Tatsache von denen der Parteien: Wir werden nach unendlich viel strengeren Prinzipien geprüft, ehe uns unsere Lizenz erteilt wird, als das etwa bei den leitenden Männern der zuge- lassenen Parteien oder selbst ihren Repräsentanten in den Länderregierungen der Fall ist. Während jene nur ihre Nichtzugehörigkeit zu dem Kreis der Naziaktivisten nachzuweisen haben, besteht der Kreis der Zeitungslizenzträger aus Männern, die dokumentarische Beweise für ihren Aktivismus im Kampf gegen Hitler nachzuweisen haben. ... Wir Zeitungsherausgeber fallen unseren Parteien in den Rücken, wenn sie in ihrem Werben um die Macht, d.h. um Wählerstimmen an die nationalistischen Instinkte eben dieser Wählermassen appellieren. Denn wir Zeitungsherausgeber bilden eine Kampfgemeinschaft solcher, die Leben und Freiheit eingesetzt haben, um ihrer Überzeugung treu zu bleiben. Und wir setzen unsere Verpflichtung, gegen den Nationalismus und Militarismus für das immer gefährdete Gut des Friedens zu kämpfen, höher als irgendeine andere Bindung."920) Danach schien die Diskussion über die "Freie Presse" und ihren Chefredakteur beendet zu sein. Im April des Jahres brachte die Zeitung keine weiteren Stellungnahmen, weder eigene noch jene der Leser. Doch am 8. Mai erschien - anstelle eines Leitartikels - eine Erklärung, gezeichnet mit dem Kürzel des Herausgebers: L.L. Sie lautete: "Wiesbaden (DENA) Ludwig Lewy, einer der beiden Lizenziaten der 'Gießener Freien Presse', will, wie der Chef der Nachrichtenkontrolle der amerikanischen Militärregierung für Hessen, Frederic N. Leonard ... am Mittwoch bekanntgab, am 1. Juni als Mitherausgeber des Blattes ausscheiden. Die Lizenzniederlegung Lewys erfolgt auf Grund von Anschuldigungen wegen einseitiger kommunistischer Berichterstattung der 'Gießener Freien Presse', die im demokratischen Forum der Stadt Gießen im März gegen ihn erhoben wurden. Sie gipfelten in der Behauptung eines der Redakteure des Blattes, Kurt Deichmann, daß seine Artikel dauernd in kommunistischem Sinne von den Herausgebern redigiert worden seien. Eine Befragung der Bevölkerung des Verbreitungsgebietes des Blattes ergab jedoch, daß 80 % der Leser mit der Einstellung der 'Gießener Freien Presse' zufrieden waren. ..." "Die vorstehende DENA-Meldung", schrieb Lewy weiter, "bedarf der Erläuterung. Die Haltung der 'Gießener Freien Presse' ging seit der Lizenzerteilung an den Unterzeichneten von der Zielsetzung aus, eine Zeitung zu schaffen, die sich bei Meinungsäußerung und Berichterstattung radikal der Verteidigung des Friedens - 273 - widmete. Diesem, nicht mit Unrecht als militant bezeichneten Antimilitarismus gesellte sich ein kompromißloser Kampf gegen die noch lange nicht ausgerodeten Wurzeln des gefällten Nationalsozialismus zu. Daher stießen wir naturgemäß nicht nur auf die Gegnerschaft der Kriegsverherrlicher und der Neonazisten, sondern auch derer, die teils aus Überzeugung, teils aus Opportunismus der deutschen Todsünde des Kriegergeistes fröhnten und aller derer, die die politische Bereinigung sabotierten und zwecks Stimmviehhaltung ihre Machtstellung als leitende Beamte zum Schutze von nicht oder kaum Entbräunten benutzen. Die Gegner der 'Gießener Freien Presse' konnten ihren Widerstand schlecht mit ihrem Abscheu vor radikalem Pazifismus und entschiedenem Antinazismus motivieren, sondern sie verdächtigten unsere Tendenz als kommunistisch. Die Haltlosigkeit dieser Denunziation erhellt das Ergebnis der oben erwähnten, auf breiter Basis vorgenommenen Befragung des 'Kleinen Mannes', bei der man doch kaum annehmen kann, daß die Fragenden ausschließlich auf Gießener Kommunisten gestoßen sind. Trotzdem bewirkte die Prominenz der unermüdlichen Denunzianten, daß die Verleumdung auch bei solchen Gehör fand, die es besser wissen müßten. Das Indiz für die Anschuldigung sollte die Tatsache bieten, daß in diesen Spalten, die zwar immer wieder Anerkennung der demokratischen Haltung und der menschlichen Hilfsbereitschaft unserer Besatzungsmacht hervorhoben und niemals ein Wort der Propaganda für den Kommunismus oder Bolschewismus enthielten, aber ebensowenig Angriffe gegen die Sowjetunion oder die Besatzungsbehörde der Ostzone gerichtet wurden. ..."921) Drei Tage später erschien zu diesem Leitartikel als Agentur-Meldung die folgende "Berichtigung": "Im Zusammenhang mit der Meldung über die Absicht des Lizenziaten der 'Gießener Freien Presse', Ludwig Lewy, als Mitherausgeber der Zeitung auszuscheiden, teilte der Redakteur des Blattes, Kurt Deichmann, mit, seine Ausführungen im demokratischen Forum der Stadt Gießen hätten in der Feststellung gegipfelt, daß seine Artikel, die sich mit östlichen Tendenzen und der östlichen Aggression kritisch auseinandersetzten, der Ablehnung verfallen seien. Außerdem habe er nicht von 'den Herausgebern', sondern nur im Singular gesprochen."922) Lewys letzter Leitartikel als Lizenzträger der "Gießener Freien Presse" erschien am 29. Mai unter der Überschrift "Schlußwort": "Zu den durch Befragung ermittelten 20 Prozent Gegnern unseres Blattes, bzw. seines ausscheidenden Mitherausgebers, gehört zweifellos nicht die Masse der 'kleinen Leute'. Diese haben, wie wir aus Briefen, Telephongesprächen und Besuchen wissen, erkannt, daß die 'Gießener Freie Presse' sich als Wortführerin derer betrachtet hat, denen aus einer Vielzahl von Gründen nicht gegeben war, 'zu sagen, was sie leiden'. ... In diesen Kreis gehören die Opponenten der Parteien, welche unserer Kritik an den Bonzokratien heimlich Beifall zollten, aber diese Zustimmung nicht laut zu äußern wagten aus Sorge um den von eben diesen Autoritäten zu vergebenden Arbeitsplatz u. a. Ebensowenig wie Betriebsräte, Gewerkschaften oder Parteigruppen den Mut aufbrachten, öffentlich - 274 - ihre Sympathie mit unserer Haltung zu bekunden. Wir machten uns zum Sprecher des kleinen Mannes, dem das verfassungsmäßig verbriefte Mitbestimmungsrecht von solchen Parteien bedroht wurde, die nichts Heiligeres kennen als den Herrn-im-Hause-Standpunkt des ungehemmten Großverdieners und die uns Mangel an Überparteilichkeit vorwarfen, als wir mit dem Finger auf sie wiesen. ... Man hat uns in diesem Kampf für den kleinen Mann Mangel an demokratischem Handeln vorgeworfen. Auch wir deutschen Antifaschisten seien, so hört man zuweilen von Vertretern der Besatzungsmacht sagen, keine echten Demokraten. Wir geben zu, daß uns das Freiheitsland Amerika an demokratischer Praxis überlegen ist. Aber wir deutschen Antifaschisten beanspruchen für uns den Vorrang in der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus und seiner Hintermänner. ..."923) Bereits die übernächste Ausgabe der Lizenzzeitung, die am 3. Juni des Jahres erschien, trug den Namen des neuen Lizenzträgers: Dr. Hans Rempel. Mit der Lizenzniederlegung von Lewy endete auch die Zeit von Kurt Deichmann als Redakteur der "Gießener Freien Presse". Lewy hatte ihm noch im Mai gekündigt, nachdem "zuvor auch von den Amerikanern angedeutet worden war, daß Gründe für eine fristlose Entlassung im Bereich des Möglichen lägen."924) 10.3 Juni 1948: Dr. Hans Rempel wird neuer Lizenzträger der "Freien Presse" Im Impressum der "Gießener Freien Presse" vom 3. Juni 1948 standen neben den beiden Lizenzträgern Rempel und Weller die Redakteure Heinze, Reinert, Schmidt und Schreiber. Den Lesern wurde der Wechsel von Lewy zu Rempel am 5. Juni wie folgt mitgeteilt: "Nachdem Ludwig Lewy die ihm für die 'Gießener Freie Presse' erteilte Lizenz an die amerikanische Militärregierung zurückgegeben hat, wurde sie nunmehr Dr. Hans Rempel, bisher Feuilletonleiter der 'Badischen Neuesten Nachrichten', übertragen. Dr. Rempel hat die Hauptschriftleitung der 'Gießener Freien Presse' mit dem 1. Juni übernommen. Die offizielle Übergabe der Lizenz durch Vertreter der Informationskontrolle findet in der kommenden Woche statt. ..."925) Ende des Monats berichtete die Zeitung den Lesern, dass das Blatt vom 1. Juli an als Mittagsausgabe erscheine. Diese Maßnahme, mit der die Redaktion versuchte, die "Kalorien und Nerven verbrauchende Nachtarbeit zu umgehen",926) wurde so erklärt: "Da nach unseren Erfahrungen die Mehrzahl der Berufstätigen und Hausfrauen in Stadt und Land erst in den Nachmittagsstunden Zeit zum Lesen der Zeitung findet, möchten wir ihnen die Nachrichten - 275 - nach dem neuesten Stand übermitteln. Die Zustellung durch die Träger erfolgt in den Nachmittagsstunden."927) Einen Monat später erschien die lizenzierte Zeitung erstmals als Tageszeitung. Sechsmal in der Woche zugestellt, kostete das Blatt statt 2.00 jetzt 2.60 DM einschließlich der Zustellgebühr. Das Impressum wies einen neuen Namen aus: Otto Schober wurde Nachfolger von Kurt Deichmann und übernahm damit das Ressort Lokales. Der Redakteur Schreiber fehlte im Impressum.928) Doch gerade Schreiber, ehemals engster Mitarbeiter von Ludwig Lewy, geriet in heftigen Konflikt mit dem neuen Lizenzträger Rempel. Dieser hatte sich in einem Leitartikel "Mitbestimmungsrecht" kritisch mit dem hessischen Betriebsrätegesetz befasst.929) Der Artikel war bereits vor seiner Veröffentlichung den Arbeitnehmerorganisationen bekannt geworden und löste große Proteste der Gewerkschaften aus. Sie versuchten daraufhin, eine Veröffentlichung zu verhindern. Den Informanten, so schien es, hatte man schnell entdeckt. Obwohl nie mit letzter Sicherheit geklärt, vermutete man innerhalb der Redaktion als Schuldigen den "Kommunisten" Fritz Schreiber. Schreiber wurde daraufhin entlassen. Diese Entscheidung blieb nicht ohne Konsequenzen. Der technische Betrieb streikte und machte den Druck der Lizenzzeitung unmöglich. Dieser erste Streik im Pressewesen der Nachkriegszeit in den Westzonen wurde von den übrigen hessischen Lizenzblättern entsprechend beachtet, so dass im Nachhinein in etwa rekonstruiert werden kann, was sich in Gießen zwischen dem 31. Juli und dem 6. August - denn solange erschien die Zeitung nicht - ereignete. Der Herausgeber der "Frankfurter Neuen Presse", Hugo Stenzel, schrieb: "Kaum haben die deutschen Zeitungen der Nachkriegszeit nach Überwindung der hemmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten einen Status der Freiheit erreicht, den man vor einigen Monaten noch nicht zu hoffen wagte, schon müssen wir den ersten Fall registrieren, da von deutscher Seite diese Freiheit bedroht ist. Und was dabei am bittersten ist: durch einen Umweg über das noch nicht einmal in Kraft getretene Gesetz der Mitbestimmung der Betriebsräte. Bei der 'Gießener Freien Presse' nahm ein zum Betriebsrat gehörender Redakteur Anstoß an dem Leitartikel eines der beiden Herausgeber, weil dieser darin sich nach genauem Studium des vorliegenden Gesetzes veranlaßt sah, an einigen Stellen des Gesetzes Kritik zu üben. Betriebsrat und Gewerkschaftsvertreter protestierten gegen die Aufnahme dieses Artikels. Der Protest wurde von beiden Herausgebern, von denen der eine ein altes bewährtes Mitglied der SPD ist,930) als eine Einschränkung der Pressefreiheit abgewiesen. Der Redakteur, der diesen Betriebskrieg veranlaßt hat, war zugegen, als eine Vertretung des Betriebsrates mit der druckfeuchten Fahne des Leitartikels bei der zuständigen Gewerkschaft vorsprach. Wegen dieser flagranten Verletzung der - 276 - auf Recht und gute Sitte begründeten Zeitungsordnung wurde er fristlos entlassen. Und zwar unter Berufung auf Satz 3 des 11. Artikels der hessischen Verfassung: 'Nur wenn die vereinbarte Tätigkeit einer bestimmten politischen, religiösen oder weltanschaulichen Richtung dienen soll, kann, falls ein Beteiligter davon abweicht, das Dienstverhältnis gelöst werden.' Die Herausgeber sahen durch das Verhalten des Entlassenen ihre politische Linie, die der Verteidigung der Grundrechte dienen soll, bedroht. Zu diesen Grundrechten gehört in erster Linie die Freiheit der Meinung und die Möglichkeit, diese Meinung in einer überparteilichen Zeitung zur Diskussion stellen zu können. Eine Betriebsversammlung verlangte einstimmig (alle Einstimmigkeiten sind irgendwie verdächtig) die Wiedereinstellung des entlassenen Redakteures. Der Herausgeber lehnte dieses Ersuchen ab. Seit Samstag mittag 12 Uhr befindet sich die Belegschaft im Sitzstreik. Nur ein Teil der Ausgabe konnte erscheinen.931) Was uns als Freunden eines echten Mitbestimmungsrechtes am bedenklichsten erscheint, ist die Begründung des Betriebsrates und des ihn beratenden Gewerkschaftsvertreters. Darin heißt es nämlich, der Betriebsrat dürfe aus seinem wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht heraus gegen die Aufnahme des Artikels protestieren, da er befürchten müsse, daß durch den Artikel dem Blatt ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen könne. Eine solch verkrampfte Begründung, die buchstäblich an den Haaren herbeigezogen ist, ist die beste Waffe, die man den Gegnern des Gesetzes in die Hand drücken kann. Außerdem begeht der Betriebsrat damit eine Sünde nicht nur gegen den Geist, sondern auch gegen den Wortlaut des Gesetzes, das in seinem Artikel 32 die Gestaltung der Zeitung gegen eine Einmischung des Betriebsrates ausdrücklich schützt."932) Der Herausgeber der "Fuldaer Volkszeitung", Heinrich Kierzek, nahm zum Gießener Sitzstreik in seiner Zeitung dazu u.a. wie folgt Stellung: "Obwohl wir mit den Ansichten unseres Gießener Kollegen ... in dieser Frage ganz und gar nicht übereinstimmen, wären wir nie auf die Idee gekommen, ihm das Recht streitig zu machen, seine Anschauung klarzulegen und zu begründen. Es ist uns daher unbegreiflich, wie sich die Gewerkschaften in dieser Frage derart vergaloppieren konnten. Dies um so weniger, als er ihre stellenweise sehr scharf gehaltene Erwiderung wortwörtlich abdruckte und damit der ersten Aufgabe einer überparteilichen und unabhängigen Zeitung gerecht wurde, die Öffentlichkeit objektiv über die entgegengesetzten Auffassungen in einer Streitfrage zu unterrichten. ... Soll der Betriebsrat ... das Recht haben, 'zur Vermeidung von wirtschaftlichen Schäden' die Veröffentlichung des anderen Artikels zu verhindern? Bejaht man diese Frage, so räumt man ihm die Befugnis ein, den Abdruck jedes Artikels, ja jeder Meldung zu hintertreiben. Das Mitbestimmungsrecht würde dann als Terrorinstrument gegen die Pressefreiheit mißbraucht werden. Die redaktionelle Leitung der Zeitung läge nicht mehr in den Händen des Chefredakteurs, sondern in denen des Betriebsrates, der in der Lage wäre, von sich aus zu bestimmen, was in der Zeitung erscheint und was nicht. ... Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob es geschickt war, den Redakteur Schreiber Knall auf Fall auf die Straße zu setzen, weil ihm nicht einleuchtete, daß er mit dem auch von ihm verfochtenen Anspruch des - 277 - Betriebsrats auf Vorzensur das viel wertvollere Gut der Pressefreiheit in Gefahr brachte. Wenn die Gewerkschaften aber wirklich der Meinung sind, daß seine Entlassung ungesetzlich war, muß es jedem Unbefangenen um so unverständlicher erscheinen, daß sie zur Klärung dieser Rechtsfrage einen Sitzstreik proklamierten. Viel bequemer und sicherer hätten sie ihr Ziel doch über das Arbeitsgericht erreichen können. ... Es gibt in der hessischen Presse nicht viele Journalisten, die in der Ablehnung des Mitbestimmungsrechts der Betriebsräte mit ihrem Gießener Kollegen einig gehen. In der Verteidigung des elementaren Rechts der Pressefreiheit stehen sie jedoch entschlossen hinter ihm. Sie werden sich mit aller Entschiedenheit gegen jeden Eingriff in das verfassungsmäßig garantierte Recht der Pressefreiheit zur Wehr setzen, ganz gleich, woher solche Versuche kommen: ob von der Regierung, den Parteien, den Gewerkschaften oder den Betriebsräten."933) Bereits am 2. August hatte der Leiter der Abteilung für Informationskontrolle in Hessen, Raymond J. Stover, gegenüber der Nachrichtenagentur DENA geäußert, er sehe im Sitzstreik der Belegschaft eine ernsthafte Bedrohung der demokratischen Grundsätze und der Pressefreiheit. Gegen die Entlassung Schreibers, so Stover, sei nichts einzuwenden, deshalb kritisiere er auch die Maßnahmen des Betriebsrates. Der Versuch einer Vorzensur und die Unterdrückung von Meinungsäußerungen über Streitfragen gegenüber der Öffentlichkeit durch einzelne Gruppen widersprächen den Prinzipien einer freien Meinungsbildung.934) Diese Ansicht des Presseoffiziers bezeichnete der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Druck und Papier in Hessen, Gustav Gruß, in einem Interview als irrig. Der Sitzstreik werde in "Wahrung der gesetzlichen Rechte aller Arbeitnehmer des Betriebes" geführt, die damit gegen die Entlassung eines Betriebsangehörigen protestieren wollten, soll Gruß gesagt haben.935) Die Äußerungen des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Druck und Papier nahm wiederum der Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten" in Kassel, Wolfgang Bartels, zum Anlass, seinerseits einen Leitartikel zum Gießener Sitzstreik zu schreiben, in dem er ebenfalls den Streik verurteilte: "... Wir stehen nicht an, zu erklären, daß wir das Vorgehen der Gewerkschaften, die sich mit dem Schritt Schreibers solidarisierten, aufs tiefste bedauern. Bei ruhiger Überlegung in einer entspannteren Atmosphäre hätten die Gewerkschaftsvertreter zu einer anderen Entscheidung kommen können. ..."936) Ebenfalls am 5. August druckte die "Frankfurter Neue Presse" eine Stellungnahme des Betriebsrates der "Gießener Freien Presse" ab, in der es hieß: "Die Unterzeichneten bitten um Aufnahme folgender Berichtigung zu Ihrem Artikel, ... der am Montag, den 2. 8., in Ihrer Zeitung erschien. Der Streik bei der 'Gießener Freien Presse' ist nicht Dr. Rempels Artikel wegen erfolgt. Der - 278 - Gesamtbetriebsrat protestierte vor der Drucklegung gegen die Veröffentlichung des Artikels über die Mitbestimmung, ... weil er genau wußte, daß der Verfasser das Gesetz nicht genau studiert hatte, die Tendenz des Artikels mußte viele Gewerkschaftler erschrecken. Der Gesamtbetriebsrat weiß, daß er die Veröffentlichung von Artikeln nicht verhindern kann. Eine solche Absicht hat auch in diesem Falle nicht bestanden. Der Gesamtbetriebsrat gab durch seinen formellen Protest der Geschäftsleitung nur zu bedenken, welche wirtschaftlichen Schäden für das Zeitungsunternehmen eintreten können, wenn die Leserschaft den Eindruck durch den Artikel von Dr. Rempel erhält, als sei die persönliche Meinung Dr. Rempels auch die gleiche der Gesamtredaktion und der Belegschaft. Kein Redakteur und keine Vertretung des Betriebsrates haben mit der druckfeuchten Fahne bei einer Gewerkschaft vorgesprochen. Die Druckfahne und die Mitglieder des Betriebsrates haben während der Drucklegung des betreffenden Artikels überhaupt nicht den Betrieb verlassen. Dazu hatten sie gar keine Zeit. Die Angelegenheit wäre gleich nach dem formellen Protest des Betriebsrates erledigt gewesen, wenn nicht die Geschäftsleitung zwei Tage später auf die Sache zurückgekommen wäre und, ohne den genauen Vorgang zu untersuchen, die Beurlaubung und Kündigung des Redakteurs und Betriebsratsmitgliedes Fritz Schreiber ausgesprochen hätte. Schreiber protestierte sofort gegen die gesetzwidrige Maßnahme und verlangte von den beiden Lizenzträgern Weller und Rempel die Beweise für die Behauptung, daß er die Druckfahne in unberufene Hände gegeben habe. Weller und Rempel konnten bis zum heutigen Tage die Beweise nicht bringen. Durch die ungesetzliche Entlassung Schreibers wurde gleichzeitig die Betriebsordnung der 'Gießener Freien Presse', die seit dem 1. April 1948 in beiderseitigem Einverständnis in Kraft ist, gröblich verletzt. Samstagvormittag, den 31. Juli, überbrachten die Vertreter der Gewerkschaften der Geschäftsleitung die Beschlüsse der Betriebsversammlung. Sie lauteten: Wiedereinstellung des entlassenen Betriebsratsmitgliedes und Anerkennung der Betriebsordnung. Nach 1 1/4stündigen Verhandlungen lehnte die Geschäftsleitung die Forderungen der Belegschaft ab. Daraufhin wurde der Betrieb ohne jeden Zwischenfall stillgelegt."937) Am 6. August veröffentlichte dann die "Frankfurter Neue Presse" die DENA-Meldung: "Die Lizenzträger der 'Gießener Freien Presse' richteten ... an die Betriebsangehörigen des Blattes einen Brief, in dem sie den seit dem 31. Juli andauernden Sitzstreik der Belegschaft als ungesetzlich und als eine Verletzung der Arbeitsverträge zwischen den Betriebsangehörigen und der Firma bezeichnen. Zur Klärung der Lage forderten sie die Belegschaftsmitglieder und den Betriebsrat zu einer gemeinsamen Betriebsversammlung auf. Die Lizenzträger ... bezeichnen in dem Brief die Kündigung des Betriebsratsmitgliedes und Redakteurs Fritz Schreiber, die einer der Anlässe zum Streik war, als eine 'rein rechtliche Frage', die in der hessischen Verfassung begründet sei. Schreiber habe durch seine Haltung, die er während eines Streits zwischen der Redaktion und dem Betriebsrat über einen Leitartikel einnahm, seine weitere redaktionelle Mitarbeit unmöglich gemacht. In diesem Zusammenhang werfen die Lizenzträger dem Betriebsrat u.a. vor, er habe versucht, das Erscheinen eines Leitartikels zu verhindern. Der Betriebsrat habe - 279 - ferner das Betriebsgeheimnis verletzt, indem er den noch unveröffentlichten Leitartikel einem nicht zum Betrieb gehörenden Gewerkschaftsvertreter zugänglich machte."938) Herausgeber Rempel sieht die Ursache des Konflikts Jahre später so: "Unsere Zeitung bejahte ... grundsätzlich alle Parteien und alle wirtschaftlichen und sozialen Gruppen, soweit sie auf dem Boden des Grundgesetzes standen und sich bewußt dem System der Balance zwischen verantwortlich Handelnden und kritisch Opponierenden unterwarfen. Jede politisch-totalitaristische und jede wirtschafts-monopolistische Tendenz aber, die die demokratischen Spielregeln bzw. die des freien Marktes außer Kraft zu setzen drohte, mußte dagegen den Widerstand der Zeitung hervorrufen. So kam es bereits 1948 zu einem ersten schweren Konflikt, als die Gewerkschaften in Hessen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte forderten und dadurch die freie Unternehmerinitiative aufzusplittern drohten. ... "939) Am 6. August schließlich konnte die Gießener Lizenzzeitung nach acht Tagen Streik wieder erscheinen, nachdem sich Betriebsrat, Gewerkschaften und Lizenzträger geeinigt hatten. Das Resultat ihrer Besprechungen brachte das Blatt unter der Überschrift "Wir bleiben eine freie Presse" auf der ersten Seite: "Zwischen den Lizenzträgern der 'Gießener Freien Presse', dem Betriebsrat und den Gewerkschaftsvertretern wird folgende Vereinbarung getroffen: Die Kündigung des Betriebsratsmitgliedes Schreiber wird zurückgezogen mit der Maßgabe, daß Herr Schreiber nicht mehr in der Redaktion tätig sein wird. Herr Schreiber wird bis auf weiteres beurlaubt und verpflichtet sich, sobald wie möglich eine neue Stellung anzunehmen. Die Gewerkschaften wirken in diesem Sinne auf Herrn Schreiber ein. Von seiten der Geschäftsleitung ist nie behauptet worden, daß Herr Schreiber die Druckfahne in unberufene Hände brachte. Es war keine Berufsschädigung des Redakteurs Schreiber beabsichtigt. Herr Schreiber bleibt weiterhin im Betriebsrat. Der Streik wird sofort abgebrochen. Der Betriebsrat erklärt sich damit einverstanden, daß zur Vermeidung von Schwierigkeiten, wie sie den Ausgangspunkt des Konflikts gebildet haben, folgender Passus in die Betriebsordnung aufgenommen wird: Der technische Betrieb und alle Angestellten des Verlages, ausgenommen die Redaktionsmitglieder, sind verpflichtet, sich jeder Einmischung in die redaktionelle Arbeit zu enthalten. Das hindert nicht, daß ohne Beziehung zur unmittelbaren redaktionellen Tagesarbeit jedes politische Thema aufgeworfen und mit Redaktionsmitgliedern besprochen werden kann. Letzteres wird von der Redaktion sogar gewünscht. Das redaktionelle Material, das dem technischen Betrieb zur Bearbeitung übergeben wird, darf niemals an Personen weitergegeben werden, die nicht unmittelbar im Interesse der Herstellung der Zeitung damit zu befassen sind. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Diskussion des Inhaltes der bereits gedruckten Zeitung - 280 - wird durch obenstehende Einschränkungen in keiner Weise angetastet. Nach Hinzufügung dieses Zusatzes zur Betriebsordnung wird diese von den Lizenzträgern anerkannt, soweit ihren Bestimmungen nicht Landesgesetze entgegenstehen."940) Der Leserschaft der "Gießener Freien Presse" wurde zudem noch mitgeteilt, dass sie für die durch den Streik ausgefallenen Nummern "durch besonders umfangreiche Ausgaben schadlos gehalten"941) werde. Deshalb erscheine eine Ausgabe vom 7. August mit acht Seiten. Der Direktor der amerikanischen Militärregierung für Hessen, James R. Newman, nannte - so eine Agentur-Meldung - die Beilegung des Streiks "ein glänzendes Beispiel dafür, wieviel die hessische Bevölkerung in den letzten drei Jahren bezüglich der demokratischen Methode des Verhandelns und der friedlichen Schlichtung von Problemen" gelernt habe.942) 10.3.1 Der neue Kurs der Zeitung: Gegen Kommunismus und für soziale Marktwirtschaft Die politische Haltung der Gießener Lizenzzeitung änderte sich auch für den Leser ersichtlich mit der Übergabe der Lizenz an Dr. Hans Rempel. Mehrmals äußerte sich der neue Lizenzträger 1948 sehr kritisch zur politischen Entwicklung in der östlichen Besatzungszone und zum kommunistischen System und geriet damit in die Schusslinie des ehemaligen Kollegen der "Frankfurter Rundschau", Emil Carlebach.943) Und noch etwas, außer der strikten Ablehnung des Kommunismus, zeigte sich deutlich in den Leitartikeln des neuen Lizenzträgers: seine schon 1948 formulierte Sympathie für das System der freien Marktwirtschaft.944) Doch Rempel schrieb den täglichen Leitartikel für die Zeitung nicht so häufig wie seine beiden Vorgänger Hahn und Lewy. Die Redakteure Adalbert Schmidt, Dr. Heinz Walbrück und Hugo Grüssen kamen hier sehr oft zu Wort. Hans Rempel blieb auch nach dem Wegfall der Lizenzpflicht Herausgeber und Verleger der Zeitung. 1971, zum 25-jährigen Bestehen der ehemaligen "Gießener Freien Presse", die seit dem 1. Januar 1966 den Titel "Gießener Allgemeine Zeitung" trägt,945) teilte Rempel den Lesern noch einmal seine politische Auffassung mit: - 281 - "Der Umgang mit geschenkter Freiheit", schrieb Rempel, werde "heute ebenso gedankenlos hingenommen ... wie ein ... sehr hoher Lebensstandard. Ihn gilt es, angeblich besser zu egalisieren. Dabei bieten sich Theoretiker der Menschenbeglückung, die oftmals aus praxisfernen Berufen kommen und ihre Existenz auf staatliche Versorgung von vornherein abgestellt haben, als Führer zu neuen Ufern an. Sie übersehen nicht nur geflissentlich die schweren wirtschaftlichen Mängel aller praktizierten sozialistischen Systeme, sondern finden sich auch gelassen mit dem Entzug der persönlichen Freiheitsrechte in der Sowjetunion, Rotchina, der DDR, Kuba und Jugoslawien ab. Nicht einer dieser Staaten kommt ohne härteste polizeistaatliche Methoden aus. Die Arbeiter und Angestellten der Bundesrepublik, die viel realistischere Anschauungen von wirtschaftlichen Vorgängen und wirtschaftlichen Möglichkeiten besitzen, lehnen die im wesentlichen von akademischen Kreisen praktizierten Revoluzzer-Ideale ab aus dem einfachen Grund: In allen sich 'sozialistisch' nennenden Diktaturen werden die Folgen der Planungshelfer und des Unvermögens der Parteikarrieristen in den hohen Schlüsselpositionen rücksichtslos auf die Arbeiter- und Angestelltenschaft abgewälzt. Sie sollen gutmachen, was in einem fehlerhaft angelegten Wirtschaftssystem von der Führung oben verdorben wird. Es gehört zu den grundlegenden Entscheidungen, um die Verleger und Redaktion einer Tageszeitung nicht herumkommen, die im Ost-West-Gegensatz enthaltenen wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme nicht zu vertuschen, denn sie sind in ihren Konsequenzen entscheidend für ein zukünftiges Leben in Freiheit und Wohlstand oder in einem modernen kollektivistischen Sklavenstaat. ... Nach 25 Jahren zeichnen sich die Ergebnisse eines politischen Systems für den, der Augen hat, mit ihren Vorzügen und Nachteilen deutlich genug ab. Die eigentlich von niemand 'erfundene' Soziale Marktwirtschaft, die das historische Ergebnis aus politisch verwirklichter persönlicher Freiheit und bejahter sozialer Verpflichtung darstellt, hat sich im Wettbewerb als das beste System auf dem Globus erwiesen. ..."946) 10.4 Bezirksausgaben der "Gießener Freien Presse" Die "Gießener Freie Presse", die mit einer limitierten Auflage von 20.000 Exemplaren 1946 erschienen war, konnte auf Grund der Papierkontingentierung in den darauf folgenden beiden Jahren nur eine unwesentliche Steigerung erreichen. Die Auflage betrug - so Rempel - 1949 durchschnittlich 28.000 Exemplare. Auch in den Jahren, die der Aufhebung der Lizenzpflicht folgten, konnte die Auflagenhöhe von 40.000 Stück nicht erzielt werden.947) Dennoch musste auch diese Lizenzzeitung versuchen, ihre Existenz nach der Aufhebung der Lizenzierungspflicht zu sichern. Deshalb erschienen seit dem 1. September 1948 zwei Bezirksausgaben der "Gießener Freien Presse": die "Alsfelder Freie Presse" und die - 282 - "Büdinger Freie Presse". Den Mantel bekamen beide Zeitungen aus Gießen. Die "Gießener Freie Presse" erklärte den Lesern dazu: "... Bei der fast unübersehbaren Fülle wichtigster politischer und wirtschaftlicher Vorgänge wäre eine Lokalzeitung alten Stils mit der in anderen Orten gegebenen Auflagenbeschränkung und schwachen personellen Besetzung heute kaum zu wirklich befriedigender publizistischer Leistung in der Lage. Sie müßte, wenn nicht wirtschaftlich, so doch gesinnungsmäßig Anlehnung suchen, was im Interesse einer wirklich fruchtbaren demokratischen Pressearbeit von niemandem gewünscht werden kann. Unsere Leser werden, also auch die Leser der 'Alsfelder Freien Presse' und der 'Büdinger Freien Presse', weiterhin der Vorteile unserer spezialisierten Redaktion, unseres ausgebreiteten Korrespondentennetzes und der größeren wirtschaftlichen Möglichkeiten teilhaftig bleiben, gleichzeitig aber eine ausführliche Unterrichtung über alle interessanten Vorgänge in der näheren Heimat nicht mehr zu missen brauchen."948) Auch Leser in der Stadt und dem Kreis Friedberg, in Bad Nauheim und Butzbach kamen bald danach zu einer eigenen Zeitung. Hier erschien vom 1. Januar 1949 an ein weiteres Kopfblatt: die "Wetterauer Nachrichten". Sie wurden bei der Buchdruckerei Wagner (Inhaber: Dr. Gustav Sasse) in Bad Nauheim gedruckt. Dort waren auch die Anzeigenverwaltung und der Vertrieb. In Bad Nauheim war bis in den Zweiten Weltkrieg hinein die "Bad Nauheimer Zeitung" erschienen (Verleger: Dr. Gustav Sasse). Die "Gießener Allgemeine Zeitung" meinte zur Entstehung dieses Blattes: "... dem Herrn Dr. Sasse war klargeworden, daß sich die Grundlagen im Zeitungsverlagsgewerbe über den Krieg so entscheidend verschoben haben, daß es für die weitere Zukunft unmöglich sein würde, eine eigene Zeitung für eine Stadt von knapp 15.000 Einwohnern ... durchzusetzen. Jedenfalls nicht eine Zeitung, die den Ansprüchen der gegebenen sozialen Schichtung gerecht werden konnte. ... Schon Anfang 1950 hat sich dann Dr. Fritz Herrmann, Verleger der Lokalzeitung in der Kreisstadt Friedberg, aus den gleichen Gründen als neuer Partner in die Kooperation eingeschaltet und die Verlagsrechte des altehrwürdigen "Oberhessischen Anzeigers" - als älteste Zeitung im Kreis Friedberg 1834 als 'Intelligenzblatt' gegründet - in diese Ehe eingebracht."949) 10.5 Der "Gießener Anzeiger": Konkurrenz für die "Gießener Freie Presse" Der "Freien Presse", die wegen ihrer geringen Auflagenhöhe einen schlechteren Stand als andere lizenzierte Blätter hatte, blieb 1949 zudem wenig Zeit, sich auf den Konkurrenzkampf - 283 - mit anderen Zeitungen einzustellen. Bereits am 12. August 1949 erschien - als erste Altverlegerzeitung in Hessen nach Beendigung der Kontrollen - eine Werbenummer des "Gießener Anzeigers", einer Altverleger-Zeitung, die sich im Untertitel "Heimatzeitung für Oberhessen" nannte. Die "Freie Presse" wandte sich deshalb einige Tage vor dem ersten Erscheinen dieses Blattes an die Leser mit dem Appell: "'Gießener Freie Presse' - Ihre Heimatzeitung!" Sie schrieb: "Als nach dem totalen Zusammenbruch einige Fachleute gebeten wurden, wieder eine deutsche Presse ins Leben zu rufen, die unabhängig von Parteien, aber auch unabhängig von irgenwelchen Interessengruppen sein müsse, erging auch an uns der Ruf, für Gießen und Teile Oberhessens eine unabhängige Zeitung herauszubringen. Trotz der personellen und materiellen Schwierigkeiten der ersten Jahre, besonders aber auch auf dem Gebiete der Papierbeschaffung konnten wir am 1. August auf ein einjähriges tägliches Erscheinen zurückblicken. Daß diese schwierige Aufbauarbeit auch hier und da einmal Mängel aufzeigte und vielleicht noch aufzeigt, ist unter den genannten Verhältnissen in der hinter uns liegenden Zeit durchaus begreiflich. Erfüllt jedoch von dem eisernen Willen, ein echtes Heimatblatt zu schaffen, setzten wir Stein auf Stein. Noch ist das Gebäude nicht ganz beendet, doch blicken wir mit Befriedigung auf die Über- windung nicht geringer Schwierigkeiten zurück. Daß wir uns trotzdem durchzusetzen vermochten, erfüllt uns mit Genugtuung. Die Zahl der festen Bezieher der 'Gießener Freien Presse' ist zu groß, um jedem einzelnen für das Vertrauen zu danken, daß man unserer Arbeit entgegenbringt. Die wirkliche Heimatzeitung erwächst nur aus einer Atmosphäre der Verbundenheit mit der städtischen und ländlichen Leserschaft. Die Sorgen der städtischen Bevölkerung, das Wissen um die Nöte der bäuerlichen Menschen, der rastlos schaffenden Arbeiter, der Flüchtlinge und der Kriegsgeschädigten, die genaue Kenntnis von Land und Leuten bilden letzten Endes den entscheidenden Faktor zur wirkungsvollen Zeitungsgestaltung. Wer mit der Bevölkerung des Heimatkreises nicht zutiefst verbunden ist, dessen Arbeit bleibt immer Stückwerk! Gerade die Formung einer Heimatzeitung fordert in hohem Grade Liebe zur Heimat! Diese Liebe zur Heimat, zum Dorf, zur Stadt, zu ihren Menschen, gibt der 'Gießener Freien Presse' täglich das Gesicht! Der Leser findet in ihr die Begebenheiten der oberhessischen Heimat in einer sonstwo nicht erreichten Fülle. Ohne Mühe kann er sich über alles, was ihn interessiert, orientieren. Er wird neben dem straff durchorganisierten Nachrichtendienst der Heimat einen guten kulturellen und unterhaltenden sowie einen stets aktuellen politischen und Wirtschaftsteil finden. Daneben unterrichtet ihn eine Sonderbeilage für Landwirtschaft und Gartenbau über alles Wissenswerte auf diesen Gebieten. Die neue bebilderte Heimatbeilage läßt ihn einen Blick in die Schönheiten des Landes tun und macht ihn mit geschichtlichen Dingen bekannt. Die 'Freie Presse' hat in Oberhessen ihren festen Platz und viele verläßliche Freunde; sie vereinigt in sich die Vorzüge des Lokalblattes mit denen der modernen Heimatzeitung, die sich nicht auf einen engen Kreis, eine einzelne Stadt beschränkt. Gedruckt in Gießen für die oberhessische Bevölkerung ist sie in den Städten ebenso gern gesehen wie in den zahlreichen Gemeinden des Landkreises. Wer sie ständig liest, weiß, was er an der 'Gießener Freien Presse' hat." - 284 - "Neues", schloss die Zeitung eindringlich, "muß sich erst bewähren! Vielen schon ist sie unentbehrlich geworden, andere werden hinzukommen. Die Treue unserer Bezieher jedoch wird uns Verpflichtung zu noch höherer Leistung sein. Jeder werbe daher in seinem Kreise für den guten Freund der Familie: die 'Gießener Freie Presse', die auf den Fundamenten reicher journalistischer und technischer Erfahrung aufgebaute moderne Tages- und Heimatzeitung! Darum in jede Familie die 'Gießener Freie Presse'."950) Als "Heimatzeitung der Oberhessen" (die bald darauf erscheinende Altverleger-Zeitung hatte sich einen ähnlichen Untertitel zugelegt) erinnerte die "Freie Presse" bereits drei Tage später abermals an die Abonnententreue ihrer Leser.951) Am 12. August erschien dann die Werbenummer des "Gießener Anzeigers". Gedruckt und verlegt bei der Brühlschen Universitätsdruckerei in Gießen trug sie im Kopf das Impressum mit Dr. Wilhelm Völker als Chefredakteur und Berend von Tiesenhausen als Chef vom Dienst. Im Monat sollte die täglich erscheinende Zeitung 2.60 DM einschließlich Trägerlohn - und damit genauso viel wie die Lizenzzeitung - kosten. Oberbürgermeister und Landrat schickten dem neuen Blatt Glückwünsche, das sich mit seinem 199. Jahrgang präsentierte, denn die 1868 gegründete Zeitung konnte zwischen dem 1. Juni 1943 und dem Sommer 1949 nicht erscheinen. Liest man die Geleitworte der beiden Politiker richtig, so spiegeln sie zumindest eine gewisse Erleichterung darüber wider, dass mit diesem Blatt vielleicht auch ihnen ein Medium zur Verfügung stand, dass weniger Ärger bereiten möge als die Lizenzzeitung. Der Landrat schrieb, das Wiedererscheinen des "Anzeigers" werde für viele Gießener eine große Freude sein, "denn er hatte viele Freunde. Die große Heimatverbundenheit dieses Blattes war seine ganz besondere Stärke und die Beilage 'Heimat im Bild' ist weit über die Grenzen unserer engeren Heimat hinaus bekannt, beliebt und hoch geachtet gewesen. Möge das Blatt seiner Tradition getreu bleiben und das Seinige beitragen, Liebe zur Heimat zu wecken und zu fördern. Eine besonders große, schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe ist heute damit verknüpft, gilt es doch, vielen tausenden Menschen die neue Heimat lieb zu machen. ... Ein weiterer großer Wunsch geht dahin, daß der neue 'Gießener Anzeiger' versuchen möchte, die Spannungen und Gegensätze ... in Formen zu behandeln, die Toleranz als oberste Richtschnur erkennen lassen. - Gerade die deutsche Presse sollte sich bewußt sein, daß sie als Vertreterin der öffentlichen Meinung auch eine große Verpflichtung hat. Nicht nur Kritik, sondern auch Anerkennung des Geleisteten sollte zu Wort kommen, damit nicht der Eindruck erweckt wird, als - 285 - seien alle Amtsstellen vom Amtsschimmel überzogen und alle Menschen, die sich in der Öffentlichkeit mühen, eigensüchtige Streber oder korrupte Individuen. ... Wenn der 'Gießener Anzeiger' seine Mission in diesem Sinne auffaßt, wird er nicht nur seine alten Freunde wiedergewinnen, sondern noch viele neue dazu...."952) "Heimatverbunden" begrüßte auch Chefredakteur Wilhelm Völker seine Leser: " ... In unsere heimatliche Aufgabe schließen wir auch diejenigen ein, die heute als Ostvertriebene unter uns leben. Zwar die verlorene Heimat können wir ihnen nicht ersetzen ... , aber sie sollen teilnehmen an der Geborgenheit der unseren. ... Eine große Freude war es uns, daß zahlreiche alte Freunde unseres Blattes, sobald sie vom Wiedererscheinen erfuhren, ihre Mitarbeit bereitwillig zur Verfügung gestellt haben. Ihnen und den vielen früheren Lesern, die unsere Wiederkehr begrüßten, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Sie helfen uns, die Brücke zu schlagen und an das fast zweihundertjährige Werk anzuknüpfen, daß wir nunmehr mit frischen Kräften fortsetzen wollen. So wird denn unser alter und doch stets neuer 'Gießener Anzeiger' wieder hinausgehen in Stadt und Land, unterrichten, ohne zu belehren, ermuntern, ohne Propaganda zu treiben, und vor allem einen Beitrag zu behaglichen Stunden liefern, die wir in dieser unruheerfüllten Zeit so nötig haben."953) Auf der dritten Seite der 14 Seiten starken Ausgabe schrieb die Zeitung den Lesern: "Nach sechsjähriger Unterbrechung nimmt der 'Gießener Anzeiger' ... sein Erscheinen wieder auf. ... Außerordentliche Schwierigkeiten mußten überwunden werden, um zunächst einmal die rein technischen Voraussetzungen für die Herausgabe der Zeitung in der alten Form und in dem gewohnten Umfange zu schaffen. Bei dem großen Luftangriff auf Gießen am 6. Dezember 1944 brannte auch das Druck- und Verlagsgebäude des 'Gießener Anzeigers' vollständig aus. Nahezu der gesamte Maschinenpark und die wertvollen Archive wurden ein Raub der Flammen. In mühevoller Aufbauarbeit gelang es, unter tätiger Mitarbeit eines großen Teils der alten Belegschaft, den Druckereibetrieb am Kanzleiberg im Laufe der letzten 4 Jahre wieder einzurichten. Die Wiederherausgabe der Zeitung stellte neue erhebliche Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit unseres Betriebes. Das ist auch der Grund, warum wir erst jetzt und nicht - wie viele unserer alten Freunde erwartet haben - schon unmittelbar nach der Lizenz-Freigabe vor unsere Leser getreten sind. Als älteste Zeitung Oberhessens genoß der 'Gießener Anzeiger' weit über die Grenzen seines eigentlichen Verbreitungsgebietes hinaus hohes Ansehen. Mit liebevoller Sorgfalt erfüllte er seine Chronistenpflicht, und ein enges Vertrauensverhältnis verband ihn mit seinen Lesern, von denen viele durch tätige Mitarbeit das Bild der Zeitung gestalten halfen und ihr so die heimatverbundene Note gaben. In den Spalten des 'Gießener Anzeigers' und insbesondere in seinen schönen Beilagen 'Heimat im Bild', der 'Scholle' und den 'Gießener Familienblättern' (die in alter Form wieder regelmäßig erscheinen werden) ist im Laufe der Jahrzehnte eine Fülle wertvollsten heimatkundlichen Materials von vielen Hundert Mitarbeitern zusammengetragen worden, das eine schier unerschöpfliche Quelle für das Verständnis der historischen und kulturellen Entwicklung unseres oberhessi- - 286 - schen Raumes darstellt. Diese verpflichtende Tradition von neuem weiter- zuführen, ist unser ganzes Bestreben. Wir wollen mehr sein, als nur ein Nachrichtenblatt, das sich auf die Wiedergabe der Tagesereignisse beschränkt. Dabei verkennen wir nicht die Bedeutung, die der lebendigen Aufmachung und der aktuellen Berichterstattung in einer modernen Zeitung zukommen. Deshalb werden wir uns bemühen, eine glückliche Synthese zwischen den überlieferten Werten unserer Heimat und den unausweichlichen Erfordernissen der Gegenwart zu finden."954) Vorgesehen sei, so hieß es in dem von Berend von Tiesenhausen geschriebenen Artikel, eine regelmäßig erscheinende Beilage dem Leser zu bieten, die den Titel "Heimat im Osten" tragen und sich vor allem mit den Problemen der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen befassen werde. Außerdem sei die Herausgabe einer "pädagogischen Beilage", Titel "Leben und Lehren", geplant. "Auch die beliebte Illustrierte des 'Gießener Anzeigers", so von Tiesenhausen weiter, "die in vergangener Zeit viele Freunde unter unseren Lesern hatte, wird in Kürze wieder als aktuelle Beilage erscheinen."955) Der Chef vom Dienst appellierte abschließend an die zukünftigen Abonnenten der Altverlegerzeitung: "Daran mitzuarbeiten, rufen wir alle alten und neuen Freunde und erst recht die junge Generation auf! Helft mit an der lebendigen Gestaltung unserer Zeitung. Sendet uns eure Beiträge und teilt uns offen eure Sorgen und Wünsche mit. ... Der enge Kontakt und das gute Verhältnis zwischen Schriftleitung und Leser haben von jeher den 'Gießener Anzeiger' ausgezeichnet. Wir sind fest davon überzeugt, daß es jetzt nach der erzwungenen Pause gelingen wird, dieses gute Verhältnis sehr bald wiederherzustellen und es auf alle jene auszudehnen, die das Schicksal in unsere engere Heimat verschlagen hat."956) Der Leser fand auf der gleichen Seite die genaue Ortsangabe von Druckerei und Verlag und erfuhr dabei auch: "Noch sieht der hohe Bau unserer Druckerei, der zur Zeit auch die Schriftleitung und Geschäftsräume beherbergt, grimmig aus. Die Fenster sind bis auf kleine Gucklöcher zugemauert, und nur im obersten Stock flutet das Tageslicht wieder voll durch die großen Glasflächen. ... Das Baugerüst wird freilich noch eine Zeitlang stehen, bis der Wiederaufbau vollendet ist. Das Wichtigste ist, daß das Herz des Betriebes wieder kräftig schlägt, und wer Freude an munterer und unverzagter Kraft hat, wird gern bei einem Besuch auf unserer Redaktion durch das fleißige Treiben des Setzersaales wandern. Vielleicht wird er dann besonderes Vertrauen zu seiner alten Heimatzeitung fassen, wenn er erkennt, daß sie das gleiche Schicksal wie die meisten von uns durchgestanden hat und nun trotz aller Schläge ungebrochen von neuem zu schaffen beginnt."957) - 287 - Die großangelegte Werbung des "Gießener Anzeigers" veranlasste die "Freie Presse" in den folgenden Wochen mehrfach, ihrerseits den Konkurrenzkampf aufzunehmen. "Liebe Leser!", schrieb die Zeitung am 19. August 1949, "Seit einigen Tagen wird das Gerücht verbreitet, daß an Stelle der 'Gießener Freien Presse' eine andere Zeitung herausgebracht würde. Es handelt sich hier um eine bewußte Irreführung; die damit verfolgte Absicht ist leicht zu erkennen. Wie bisher erscheint die 'Gießener Freie Presse' weiter als Heimatzeitung für Oberhessen."958) Am 24. August schrieb die Zeitung: "'Liebe Gießener!' Unter dieser Anrede fanden Sie einen kleinen Zettel in Ihrem Briefkasten. Man wirbt um Ihre Gunst. Das Zeitalter der Gewerbefreiheit hat den freien Wettbewerb wieder möglich gemacht. Wir begrüßen jedes ehrliche und aufrichtige Messen der Kräfte. Als heimatverbundene Zeitung, die ihre publizistische Unabhängigkeit und freie Meinungsbildung seit dem Tage ihres Erscheinens mehr als einmal unter Beweis gestellt hat, sind wir bereit, mit jedem aufrichtigen Partner in einen Wettstreit einzutreten und den Gießenern wie bisher, so in Zukunft in noch weit höherem Maße ein treuer Begleiter zu sein. Wir wollen eine Brücke zur Welt sein, die Sie durch vielseitige Nachrichten aus dem politischen und wirtschaftlichen Geschehen aller Länder, durch unsere Kommentare und Berichte namhafter Autoren über aktuelle Fragen des Zeitgeschehens schnell und übersichtlich unterrichtet. Unsere Mitarbeiter, die mit den besonderen lokalen Verhältnissen auf Grund langjähriger persönlicher Erfahrung vertraut sind, garantieren die engste Verbundenheit unserer Zeitung mit Bürgern und Bauern in Stadt und Land. ... Nun, verehrte Leser, stellte man Sie vor eine harte Probe, indem der Wettbewerb bis an Ihr Gewissen dringt. Jetzt heißt es sorgfältig wägen, ob man die Treue zu demjenigen leichtfertig aufgeben darf, der einem selbst in schwerer Zeit die Treue gehalten hat. Unverantwortliche Gerüchtemacher wollen wissen, daß die 'Gießener Freie Presse' die ihr seinerzeit übertragene Aufgabe erfüllt hat und in Kürze abtreten wird. Das Gegenteil ist der Fall! In verstärktem Maße und in vergrößertem Umfange werden wir die Verpflichtungen, die man uns mit der Lizenzerteilung für die erste Gießener Tageszeitung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches übertrug, weiterhin erfüllen. Schnell und sachlich in der Nachricht, objektiv, unabhängig und gerecht, wenn es sein muß, auch kritisch in der Meinungsbildung, werden wir Ihnen auch fernerhin dienen und unsere Aufgabe im Dienste der Öffentlichkeit erfüllen."959) Außerdem warb die Lizenzzeitung in Eigenanzeigen auf der ersten Seite mehrerer Ausgaben: "Wer umfassend politisch unterrichtet sein und die Vorgänge in aller Welt ver- folgen will, wer einen gut gepflegten Unterhaltungsteil in seiner Zeitung finden will, wer Be- richte über die deutsche und ausländische Wirtschaft sucht, wer darüber hinaus eine heimatverbundene Zeitung lesen will, die ihm über die Geschehnisse aus der engeren Heimat berichtet, wer aktuelle ausführliche Berichte über alle sportlichen Ereignisse aus nah und fern erwartet, wer sich über Landwirtschaft und Gartenbau unterrichten will, wer einen - 288 - umfangreichen Anzeigenteil mit den Familienankündigungen sucht, der liest die 'Gießener Freie Presse', die heimatverbundene Tageszeitung in Oberhessen mit der größten Auflage. Bleibe und werde auch Du Leser der 'Gießener Freien Presse'."960) Bereits seit Juli brachte die ehemalige Lizenzzeitung zudem die Beilagen "Landwirtschaft und Gartenbau" und "Hessen in Wort und Bild" heraus.961) Im Anzeigenteil warb die "Freie Presse": "Geburtsanzeigen, Verlobungsanzeigen, Vermählungsanzeigen, Traueranzeigen, und alle übrigen privaten Kleinanzeigen besonders billig!"962) oder "Von nix kommt nix! sagte Herr X und inserierte augenblicks in der 'Gießener Freien Presse'".963) Trotz aller Bemühungen der ehemaligen Lizenzzeitung erreichte das Altverlegerblatt im Herbst 1949 bereits eine Auflage von 30.000 Exemplaren.964) Die "Freie Presse", die erhebliche Einbußen hinnehmen musste, verschwand aber - entgegen den Erwartungen der amerikanischen Informationskontrolle - nicht vom Zeitungsmarkt.965) In den folgenden Jahren konnten beide Blätter als ziemlich gleich starke Unternehmen überleben. 10.6 Die "Freie Presse" in eigenen Räumen Um sich aus dem Zwangspachtvertrag zu lösen, erwarb die "Freie Presse" an der Marburger Straße in Gießen 1949 ein Grundstück mit Immobilie, auf dem sich zuvor ein Schulbuchverlag befunden hatte. Durch Wiederaufbau und Erweiterung dieses Gebäudes entstand in zwei Jahren Bauzeit ein Trakt, in den der größte Teil des technischen Betriebes und der Redaktion zogen. Ein Jahr später wurde mit dem Bau für die Unterbringung einer Rotationsmaschine mit Packräumen und Anzeigenannahme, ebenfalls in der Marburger Straße, begonnen. 1956 kam eine eigene 32-Seiten-Rotationsmaschine hinzu.966) 1960 und 1965 wurde das Verlagsgebäude noch um zwei weitere Bauten erweitert, so dass ab 1965 sämtliche Abteilungen des Verlags in der Marburger Straße zentriert waren. Bereits 1955 wurde der Gießener Betrieb unter der Firmierung "Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft mbH" ins Handelsregister eingetragen. 1960 starb der frühere Mitlizenziat und damalige Mitherausgeber der "Freien Presse", Adolf Weller, im Alter von 69 Jahren. Seine Geschäftsanteile gingen auf seine Frau und zwei Söhne über. Auch der Verleger und Geschäftsführer Dr. Hans Rempel beteiligte seinen Sohn an dem - 289 - Zeitungsunternehmen; Dr. Christian Rempel trat Ende der 70er Jahre die Nachfolge seines Vaters als Chefredakteur und Verleger an. Seit dem 1. Januar 1966 trägt die Zeitung den Titel "Gießener Allgemeine Zeitung für Mittelhessen". - 290 - 11 "Frankfurter Neue Presse" - die zweite Lizenzzeitung für Frankfurt 11.1 Hugo Stenzel und August Heinrich Berning werden Lizenzträger Als politisches Gegengewicht zur ersten Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone, der "Frankfurter Rundschau", wurde Mitte April 1946 die "Frankfurter Neue Presse" geschaffen. Mit den Vorbereitungen zur Herausgabe der ersten Nummer war Presseoffizier Ernst Adler beauftragt, der zwischen Ende 1945 und Frühjahr 1946 nicht nur die technischen Schwierigkeiten, sondern auch personelle Fragen zu klären hatte. Als erster von zwei vorgesehenen Lizenzträgern wurde Dr. Hugo Stenzel nominiert.967) Stenzel war zu dem Zeitpunkt Ministerialrat im hessischen Innenministerium in Wiesbaden. Da er zudem zu den Mitbegründern der CDU in Nordhessen gehörte, war er von dieser Partei zum Herausgeber einer Lizenzzeitung vorgeschlagen worden. Der zweite Lizenziat sollte Bruno Stümpke, ein Sportredakteur, werden,968) doch er konnte mit seiner Arbeit nicht beginnen, da die amerikanische Militärregierung erfahren hatte, dass Stümpke Capo in einem Konzentrationslager gewesen war.969) Nach dieser Panne schien es beinahe unmöglich, einen zweiten Mann so kurz vor dem geplanten ersten Erscheinen der neuen Zeitung zu finden. So entsann man sich des fünften Lizenzträgers der "Hessischen Nachrichten", August Heinrich Berning. Berning - ehemaliges Zentrumsmitglied - war, genauso wie Stenzel, Katholik und galt als "Repräsentant der christlichen Richtung".970) Für Berning, dem an der Kasseler Zeitung sowieso einiges mißfallen hatte, schien diese Wahl günstig;971) außerdem kannte er Stenzel schon von politischen Kursen her, so dass eine gute Zusammenarbeit gewährleistet schien. Für die Amerikaner waren beide Kandidaten aufgrund ihrer politischen Betätigung akzeptabel. Ihre Namen wurden bereits am 25. Oktober 1945 in der "Neuen Zeitung" in der so genannten "weißen Liste" veröffentlicht.972) Die erste Nummer der "Frankfurter Neuen Presse" - erst vier Tage vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe stand ihr Titel fest - erschien am Montag, den 15. April 1946. Als 32. Zeitung in der amerikanischen Zone trug sie die Lizenz-Nummer G. H. 201. Die Redaktion befand sich im Haus des ehemaligen "General-Anzeigers" in der Rahmhofstraße; gedruckt wurde das Blatt bei der "Frankfurter Rundschau", die ihrerseits die Maschinen der ehemaligen "Frankfurter Zeitung" benutzte. Vorläufig erschien die zweite Zeitung in Frankfurt zweimal wöchentlich, montags und donnerstags im Wechsel mit der "Rundschau". Die erste Lizenzzeitung musste für die "Neue - 291 - Presse" die Hälfte ihrer Papierzuteilung abgeben, sodass das neue Blatt bereits am ersten Tag mit 250.000 Exemplaren erschien. Bei einer registrierten Frankfurter Gesamtbevölkerung von 395.000973) konnten beide Zeitungen den Leserkreis nicht abdecken, da etliche Exemplare auch außerhalb der Stadt verkauft wurden. So schrieb die "Neue Presse" bereits in der Nummer 1 die "Bitte an die Leser! In Frankfurt erscheinen jetzt zwei Zeitungen. Bedenkt bitte: wer beide Blätter abonniert, nimmt dem eine weg, der auch gerne eine abonnieren möchte. ..."974) Im Impressum auf der vierten Seite stand: "Frankfurter Neue Presse - Die große unabhängige Heimatzeitung". Für den Gesamtinhalt verantwortlich waren August Heinrich Berning und Dr. Hugo Stenzel. Zur Redaktion gehörten Karl Brinkmann, Richard Kirn, Friedrich K. Müller, Paul Fr. Weber sowie der "Hauszeichner" Klaus Meyer-Gasters.975) Geschäftsführer war Alfred Jordan.976) Berning übernahm die Funktionen des Chefredakteurs, während sich Stenzel um den Aufbau des Verlags kümmerte. Zum Redaktionsteam kam wenige Tage später noch Emily Kraus- Nover, die spätere Frau von F.K. Müller, hinzu. Die Zeitung kostete im Monat 1.85 RM zuzüglich 25 Pfennigen für die Postzustellung. Der Einzelpreis betrug 20 Pfennige. Als Nachrichtenquelle stand der "Neuen Presse" im April ausschließlich die DANA zur Verfügung. Später wurde dann die amerikanische Agentur United Press (UP) abonniert. Auf die "Associated Press" verzichtete man.977) Anlässlich der Lizenzübergabe am Dienstag, 16. April, zu deren Gästen neben Vertretern der Stadt (Oberbürgermeister Dr. Blaum), der Parteien und der "Frankfurter Rundschau" auch der Leiter der Militärregierung in Frankfurt, Oberst Phelps, und der Leiter der Nachrichtenkontrolle für Hessen, Colonel Kleitz, gehörten, sagte Generalmajor John McClure als Leiter des Nachrichtenkontrollamtes der Militärregierung u. a.: "... Was wir in der deutschen Presse sehen wollen, sind: demokratische Denkart und die amerikanische Art einer ehrlichen, sachlichen und von keiner persönlichen Stellungnahme beeinflußten Berichterstattung der Tatsachen. Aber es gibt auch manches, was wir nicht sehen wollen, hauptsächlich Ideen, gegen die wir unerbittlich sind und gegen die wir den größten Krieg der Geschichte geführt haben: Nazismus, Rassenlehre, Militarismus, die Ansicht, daß der Staat alles und das Individuum nichts sei. ... Wir hoffen, daß die deutschen Zeitungen journalistischen Sinn und Unternehmungsgeist zeigen. Ein forschender und kritischer Sinn ist das Kennzeichen aller großen Herausgeber und Berichterstatter." McClure beendete seine Ansprache mit den Worten: "Da ich Ihnen nun die Genehmigungsurkunde für die 'Frankfurter - 292 - Neue Presse' übergebe, lege ich dieses hohe Gut in Ihre Hände und sehe diesen Vorgang als symbolische Überreichung der Fackel der Demokratie an. Ich hoffe und glaube, daß die Deutschen hier und überall dieses hohe Gut mit Einsicht und mit dem tiefen Bewußtsein ihrer sozialen Verantwortung gebrauchen werden, als ein Mittel, ihr Denken von den Gedanken zu befreien, die ihnen so viele Jahre lang eingeflößt und aufgezwungen worden sind."978) Oberst Newman wies in seiner Rede auf den großen Ruf hin, den Frankfurt als Stadt der "Frankfurter Zeitung" in der ganzen Welt gehabt habe, "ehe dieses Blatt 1933 die Sache der Demokratie"979) verraten habe. Er sagte weiter: "Wenn die Zeitung, deren Herausgabe heute so tapfer begonnen wird, nicht in ähnlicher Weise enden soll, müssen ihre Verleger und Herausgeber ständig vor Augen haben, daß eine Zeitung, ob sie Privatunternehmen oder Parteiorgan sein mag, doch stets der Allgemeinheit und nicht Parteien einen öffentlichen Dienst erweisen muß."980) August Heinrich Berning sagte zur Einweihung: "Die gemeinsame Grundlage unserer Pressearbeit bleibt der Kampf gegen jede reaktionäre und faschistische Denkweise, gegen Unduldsamkeit und geistige Verstocktheit, sodann der entschiedene Einsatz für eine soziale Volks- und Gesellschaftsordnung, in der die arbeitende Bevölkerung den Platz erhält, der ihr zusteht. Auch die neue Zeitung ist ein über den Parteien stehendes Organ der öffentlichen Volksmeinung, in ihr werden alle Parteien ihren Platz finden; ihre Programme, Arbeiten und Leistungen sollen objektiv gewürdigt werden. Der Gewerkschaftsvertretung wird größte Aufmerksamkeit geschenkt. Auch den anderen Elementen unseres Wirtschaftslebens, dem Handel, dem Gewerbe und der Landwirtschaft wird förderndes Interesse entgegenge- bracht."981) Beide Lizenzträger schrieben auf der vierten Seite: "Nach unserer Überzeugung muß ... eine gute Zeitung ein klares Spiegelbild allen echten Lebens sein. Die Zeitung wird daher versuchen müssen, die Wirksamkeiten der großen politischen Elemente, des vernünftig beharrenden und des mutig vorwärtsdrängenden, dem Leser zu vermitteln. Wir wollen versuchen, ihm alle Kräfte zu zeigen, die in allen geistigen, seelischen und materiellen Räumen wirken und zur Wirksamkeit drängen."982) In ihren Anstellungsverträgen mussten sich die Redakteure mit folgender Zielsetzung der "Neuen Presse" einverstanden erklären: " ... Für Völkerversöhnung, religiöse Toleranz, sozialen Fortschritt und die Politik einer breiten positiven Mitte. Für die Demokratie als - 293 - herrschendes Lebensprinzip. Gegen die verderblichen Vorurteile. Für einen kulturellen Neuaufbau aus allen echten Kräften. Gegen alle ätzende Zersetzung des Lebens."983) Bereits in der ersten Nummer hatten die beiden Herausgeber unter der Überschrift "Was erwarten die Parteien von uns? - Eine Umfrage der 'Frankfurter Neuen Presse'" angekündigt, die zweite Frankfurter Zeitung werde bemüht sein, den lebendigen Meinungsaustausch nicht allein mit den politischen Parteien, sondern auch mit den staatlichen und städtischen Verwaltungsorganen, den Berufsvertretungen und der Bevölkerung zu fördern, die Sachlichkeit der Auseinandersetzung zu erstreben und die Öffentlichkeit durch Nachrichten über alle wesentlichen Ereignisse des täglichen Lebens gut zu unterrichten. "Wir hoffen", schrieben Berning und Stenzel, "daß der Leser, der den Glauben an die Wahrheit der Berichterstattung infolge der lügenhaften Pressepolitik der letzten zwölf Jahre verloren hat, unserer Zeitung Vertrauen schenkt und gerne nach ihr greift."984) Die CDU ihrerseits begrüßte das Erscheinen einer zweiten Zeitung und fand: "Angelegenheiten des öffentlichen Lebens brauchen zur objektiven Darstellung das Regulativ einer Gegenmeinung. ... Auch eine überparteiliche Zeitung kann der Meinungsbildung dienen, wenn sie ihrer Leserschaft gerecht und sachlich die großen staatspolitischen Ziele einer Partei auseinandersetzt." Die SPD schrieb: "Ein vielfältiger und lebendiger Meinungsaustausch gehört zu den Grundbedingungen einer funktionellen Demokratie. Objektivität der Berichterstattung, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und tiefes Verantwortungsgefühl zeichnen eine Presse aus, wie wir sie uns für die Zukunft denken. ... Gleichzeitig hoffen wir, daß weiterhin in allmählicher stetiger Entwicklung eine deutsche Parteipresse entsteht, die dann der Öffentlichkeit ein markantes Gesicht verleiht." Die KPD erhoffte sich von der "Neuen Presse" die Mithilfe bei der so dringend notwendigen Belebung des politischen Interesses der Bevölkerung an der Errichtung eines neuen Deutschlands. Die LDP schließlich fand: "Die öffentliche Meinung ist von so vielen Komponenten abhängig, daß nur eine vielgestaltige Presse ihr Rechnung tragen kann. ... Die Verantwortlichen sowie die Anhänger nicht nur unserer Partei fühlten auf Grund der Unzufriedenheit eines Großteils der Bevölkerung die Verpflichtung, dem Erscheinen einer zweiten Zeitung den Weg zu bereiten."985) Vorläufig gab es aber noch Schwierigkeiten genug, die im Wesentlichen innerbetrieblicher Art waren. So musste der Verlag beim Wirtschaftsamt einen Mantel für eine Telefonistin - 294 - beantragen, weil die Heizung in der Rahmhofstraße nicht funktionierte. Der Presseoffizier benötigte eine Sonderzuteilung an Kohle, um an seinem Arbeitsplatz ausharren zu können; eine Armbanduhr musste beschafft werden, und, was das größte Problem war: Es standen keine Personenwagen zur Verfügung, so dass die Lizenzträger einen Pkw mieten mussten - eine zusätzliche finanzielle Belastung.986) 11.1.1 Leitartikelthemen im ersten Lizenzjahr Die Nummer Zwei erschien am darauf folgenden Donnerstag mit acht Seiten Umfang einschließlich eines Achtels Anzeigen und Bekanntmachungen. Nummer Drei vom 23. April 1946 fragte die Leser auf der vierten Seite: "Wie kann ICH dem demokratischen Aufbau Deutschlands am besten dienen?" (Die beste Antwort sollte mit 500 RM belohnt werden.) Gesucht wurde zudem der passende Titel für die Leserbriefspalte, die dann unter "Von Mensch zu Mensch" publiziert wurde. Die Ausgabe vom 25. April umfasste ausnahmsweise zehn Seiten, da auf den Seiten fünf bis acht die Parteien zu Wort kamen mit Aufrufen zur Kreistagswahl. Zudem informierte das Blatt über das Außenministertreffen in Paris (Seite 1) und über den Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg (Seite 2). Auf der dritten Seite veröffentlichte die "Neue Presse" ein Gespräch mit Frankfurts Oberbürgermeister Dr. Blaum zur Reform der Hochschule. Seite vier enthielt neben dem Impressum einen Leitartikel von August H. Berning zum Geburtstag von Stalin. Die neunte Seite brachte Informationen, betitelt "kurz - aber wichtig", und Sportnachrichten. Seite zehn war den Annoncen vorbehalten. Die Leitartikel wurden auch in der Folgezeit vorwiegend von Berning geschrieben mit Themen wie: "November 1918 und Mai 1945"987), "Probleme der Umsiedlung"988), "Der Marsch nach Österreich"989), "Die preußische Polenpolitik bis 1848"990) usw. - aber auch die anderen Redakteure fanden hier Gelegenheit, ihre Meinung zu sagen. So schrieb F.K. Müller über das "Frankfurter Parlament und die heutige Lage"991) oder über "Die Rolle der Manschurei".992) Vielfach gab es pro Ausgabe auch zwei Leitartikel oder Kommentare, z.B. von Feuilletonredakteur Paul F. Weber und F.K. Müller993), Hugo Stenzel und P.F. Weber sowie Ludwig Lewy, zuständig für den Wirtschaftsteil.994) (Lewy schied allerdings am 16. Oktober des gleichen Jahres bei der "Neuen Presse" aus, um Lizenzträger der "Gießener Freien - 295 - Presse" zu werden.995)) Seit dem 1. Oktober konnte die "Neue Presse" montags, donnerstags und samstags erscheinen. Sie kostete nun 2.05 RM zuzüglich 30 Pfennigen Trägerlohn. Stenzel beschäftigte sich vor allem mit der Gestaltung der Presse der Nachkriegszeit und deren Abgrenzung zu Parteien und Behörden. Er wandte sich in einem weiteren Leitartikel auch gegen die Behauptung von Teilen der Öffentlichkeit, die lizenzierten Zeitungen seien von den Anweisungen der Abteilung für Informationskontrolle abhängig. So schrieb er am 22. August 1946: "Oft taucht der Vorwurf auf, daß wir Schreiberlinge im Dienste der Sieger seien, also in unserem Falle der Amerikaner. Traut man uns wirklich so etwas zu, nachdem wir um unseres Gewissens willen in zwölf langen schweren Jahren bewußt abseits standen, um, ohne aus dem Volk zu gehen, mit ihm sein Leid zu tragen? ... wir sind völlig frei in unserer Arbeit. Nur ein Verbot ist uns gegeben: Wir dürfen nichts veröffentlichen, was die Ehre und die Sicherheit der Besatzungstruppen angreift, und was das Verhältnis der Alliierten untereinander erschweren würde. Das erste ist eine Selbstverständlichkeit, das zweite unser eigenes Gebot. Denn unser Volk kann nur Ruhe finden, ... wenn die Besatzungsmächte bald der Schwierigkeiten Herr werden, die sich aus den natürlichen Verschiedenheiten ihrer politischen Auffassungen ergeben."996) Am 16. September äußerte Stenzel in einem der Leitartikel, die seit Beginn des Monats von der vierten Seite auf die zweite Seite vorverlegt worden waren, unter dem Kürzel H.St. die Vermutung, dass hessisches Zeitungspapier in andere Besatzungszonen verkauft würde. Dadurch, so Stenzel, bleibe natürlich die Papiernot im eigenen Land bestehen, so dass die Auflage der Lizenzpresse sich zwangsläufig nicht erhöhen könne.997) Die "Neue Presse" erschien zu dem Zeitpunkt mit vier Seiten pro Exemplar und wies folgende Rubriken auf: Die Seite 1 brachte politische Nachrichten - z.T. in der Spalte "kurz - aber wichtig" -; die zweite Seite den Leitartikel, Leserbriefe und "unter dem Strich" das Feuilleton; die dritte Seite war dem Lokalteil vorbehalten und dem Wetterbericht "Wie wird das Wetter?". Auf der letzten Seite standen neben den Annoncen Sport- und Wirtschaftsmeldungen. Das Verbreitungsgebiet entsprach etwa dem der "Frankfurter Rundschau". Die Zeitung wurde außer in der Stadt Frankfurt auch in den Kreisen Alsfeld, Biedenkopf, Dieburg, Büdingen, Hanau, Main-Taunus, Oberlahn, Obertaunus, Offenbach-Land und -Stadt, Usingen, Groß-Gerau, Limburg, Schlüchtern, Bergstraße und Erbach gelesen. Bezirksausgaben mit eigenem Lokalteil erschienen für Offenbach, Limburg, Höchst, Main- Taunus und Hanau. Eine allgemeine Land-Ausgabe, die am 19. Juni 1946 zum ersten Mal - 296 - erschien, wurde im Dezember des Jahres in die Ausgabe "Heimat und Leben" umgewandelt.998) Sie enthielt als wesentliches Merkmal eine Lokalseite mit Meldungen aus ganz Hessen. Ausgesprochene Bezirksausgaben gab es allerdings bis 1948 nicht.999) Am 1.Oktober brachte die "Neue Presse" eine zweiseitige Sondernummer heraus. Anlass war die Verkündung der Nürnberger Gerichtsurteile. Einen Tag darauf - die Zeitung erschien jetzt montags, mittwochs und freitags - veröffentlichte das Blatt das Ergebnis einer Umfrage zu: "Was halten Sie vom Nürnberger Urteil?"1000) Dazu waren jedoch nur 30 Personen befragt worden, so dass das Ergebnis kaum repräsentativ sein konnte. Man hat bei diesen Interviews eher den Eindruck, als sei hiermit eine Anweisung der Abteilung für Informationskontrolle befolgt worden, die die Lizenzpresse immer wieder dazu anhielt, häufiger und ausführlicher als bisher über die Nürnberger Prozesse zu berichten. Trotz aller Bemühungen, die Bevölkerung in dieser Angelegenheit umfassend zu unterrichten, zeigten die Leser nur geringes Interesse. Ab dem 29. November erschien als Neuerung die Rubrik "Religion und Kirche". Das Blatt hatte nun eine Auflage von 136.000 Exemplaren und damit mehr als noch im Sommer 1946. Auflagenhöhe, Umfang und Erscheinungsweise mussten schon bald wegen weiterer Papierkürzungen reduziert werden. So erschien die Zeitung Anfang 1947 am Montag und Freitag mit je vier Seiten. Diese Erscheinungsweise wurde bis zum 26. März beibehalten. Danach erreichte der wöchentliche Umfang meistens 16 Seiten (bisher waren es 10 Seiten). Als zwischen dem 2. und dem 30.Juni 1947 die Papierversorgung auf ein Minimum sank, teilten Verlag und Redaktion der "Neuen Presse" mit: "Angesichts der verfügten fünfzigprozentigen Papierkürzung hatten wir die Wahl. ..: Wir hätten die Zeitung so lassen können wie sie war, aber dann hätten wir der Hälfte unserer Bezieher zumindest auf die Dauer eines Monats die Zeitung ganz entziehen müssen. Das wollten wir nicht. Lieber haben wir die Zeitung um die Hälfte ihres Umfanges gekürzt. Wir sind für diesen Monat, trotz unseres Mißvergnügens, auf ein anderes Format übergegangen. Das hat zwei Gründe: Einmal soll die Verkleinerung deutlich in Erscheinung treten, der zweite Grund aber liegt uns mehr am Herzen: Wir wollen zeigen, daß wir - auch halbiert - immer noch eine ganze, eine richtige Zeitung machen können."1001) Das einjährige Jubiläum brachte fast zeitgleich personelle Veränderungen: Die Redakteure Karl Brinkmann und Joseph A. Geihe schieden wahrscheinlich aufgrund ihrer politischen Haltung aus, die den beiden eher konservativen Lizenziaten vermutlich nicht ins Konzept passte.1002) Außerdem gab es die üblichen Schwierigkeiten mit Vertretern der Behörden und - 297 - Parteien1003) sowie mehrfach Kritik vonseiten der Abteilung für Informationskontrolle.1004) So erhielt die "Neue Presse" am 8. März 1947 die schriftliche Notiz, die Zeitung habe am gleichen Tag einen Artikel der spanischen Zeitung "Ya" nachgedruckt, der sich mit der Wiedereröffnung der spanisch-französischen Grenze befasste. Dazu hieß es: "Der 'Frankfurter Neuen Presse' wird ein Verweis dafür erteilt, daß sie die faschistische Presse Spaniens ohne hinreichend ausgleichende Meldungen aus der Presse demokratischer Länder zitiert hat."1005) 11.1.2 August 1947: August Heinrich Berning wird die Lizenz entzogen Am 31. Juli 1947 gab es eine weitere personelle Änderung: August Heinrich Berning wurde die Lizenz entzogen. Die "Neue Presse" meldete am 1. August 1947: "In eigener Sache. Der Herausgeber der 'Frankfurter Neuen Presse', August Heinrich Berning, ist auf Anweisung der Nachrichtenkontrolle mit sofortiger Wirkung ausgeschieden". Die Zeitung zitierte daraufhin einen Bericht der Agentur DENA, in dem es hieß: "Der amtierende Chef der Nachrichtenkontrollabteilung der amerikanischen Militärregierung für Hessen, Major D. S. Schroeder, gab am Donnerstag die Absetzung von August Heinrich Berning bekannt. Die Absetzung wurde ausgesprochen, weil Berning einen Beamten der amerikanischen Militärregierung beschuldigt hatte, ein Anarchist und kein guter Amerikaner zu sein. Eine Nachprüfung der Beschuldigung Bernings ergab, daß ein Beweis für seine Behauptung nicht erbracht werden konnte. Von Berning aufgerufene Zeugen sprachen sich nicht im Sinne der Beschuldigungen aus. Major Schroeder begründete die Absetzung damit, daß die Nachrichtenkontrollabteilung einen Mann, der derart schwerwiegende unbewiesene Beschuldigungen gegen einen amerikanischen Beamten erhebe, 'nicht für fähig halten könne, Mitherausgeber einer unabhängigen Tageszeitung zu sein."1006) Berning stellte den Sachverhalt anders dar: "Ich kam zur 'Frankfurter Neuen Presse' quasi als Ersatzmann. Dadurch war meine Position von Anfang an erschwert."1007) Er hielt es für möglich, dass ihm, da er Katholik war, die Arbeit bei der "Neuen Presse" erschwert wurde. So habe der zuständige Presseoffizier1008) bei Gründung der Zeitung gesagt: "Glauben Sie nur nicht, daß ich bei einer so großen Zeitung in einer so liberalen Stadt wie Frankfurt zwei Katholiken wirken lasse. Ich werde Ihnen den Laden kaputtmachen."1009) Im Sommer 1947 - 298 - wurde Berning eigenen Angaben zufolge nach Wiesbaden zu einem "Verhör" gerufen, das er als "gestellt" und "abgesprochen" bezeichnete. Nach dem Ende der Befragung, die sich mit Bernings Einstellung zum Kommunismus befasst hatte - bei Beantwortung der Fragen durfte Berning nur mit "ja" oder "nein" antworten - wurde ihm die Entlassung mitgeteilt.1010) Berning erhielt nach seinem Ausscheiden zehn Jahre lang eine monatliche Zahlung von 1.000 RM/DM. Diese Summe wurde ihm zugesichert, nachdem er im Beisein von Stenzel von Presseoffizier Raymond Stover dazu aufgefordert worden war, einen "Revers" zu unterzeichnen. Die Bedingungen lauteten, keinerlei Ansprüche an die ICD zu stellen. Berning weigerte sich zunächst, doch durch Androhung eines Gerichtsverfahrens einerseits und dem ständigen Zureden Stenzels andererseits sah sich Berning sozusagen gezwungen, zu unterschreiben.1011) Damit änderte sich auch Bernings Verhältnis zu Stenzel, das bis zu dem Zeitpunkt unbelastet gewesen sein soll. Stenzel soll - so Berning - diesem das Versprechen gegeben haben, ihn nach Ablauf der Lizenzpflicht als Mitherausgeber der "Neuen Presse" zu akzeptieren. Doch, so Berning, konnte er diese Zusage nicht halten, da die Zeitung 1949 in einer finanziell schlechten Lage war. Es war deshalb ein finanzkräftiger Partner vonnöten, den Hugo Stenzel für einige Zeit - bis zu dessen Ausscheiden im Jahr 1954 - "in einem Herrn namens Walter Reckmann" fand.1012) Das Impressum nannte nach Bernings Rücktritt als alleinigen Lizenzträger Hugo Stenzel und als Redakteure Richard Kirn, Paul Fr. Weber und F. K. Müller, die seit Bestehen der Zeitung im Haus tätig waren; außerdem Thomas Halbe, Emily Kraus-Nover, Wilhelm Pörzgen, H. Rebholz, Peter Steinbach und H.P. Tillenburg. 11.1.3 September 1947: Leopold Goldschmidt wird neuer Lizenzträger der "Neuen Presse" Was Hugo Stenzel von der Militärregierung bereits am 5. August 1947 mitgeteilt worden war,1013) erfuhren die Leser in der "Neuen Presse" am 3. September des Jahres. Dort hieß es, am Nachmittag des ersten September sei als Mitherausgeber der "Neuen Presse" Leopold Goldschmidt1013a), bisheriger innenpolitischer Redakteur der "Neuen Zeitung", SPD- Mitglied, bestimmt worden. Bei der Übergabe der Lizenz waren Major Schroeder und Raymond Stover von der Informationskontrolle anwesend. Goldschmidt übernahm nach - 299 - seinem Eintritt Chefredakteursfunktionen und schrieb unter dem Kürzel "L.G." die meisten der Leitartikel. Das Verhältnis zwischen den beiden Herausgebern sowie zwischen Goldschmidt und der Redaktion muss sich in der Folgezeit erheblich verschlechtert haben.1014) Dietmar Gutberlet schreibt dazu: "In der 'Frankfurter Neuen Presse' versuchte er nun als Chefredakteur, seine Ansichten durchzusetzen."1015) Bisher, so Gutberlet, hatte es bei der Zeitung eine Trennung von Verlag und Redaktion gegeben. So hatten die Lizenzträger am 1. November 1946 eine Geschäftsanweisung erlassen, nach der die Konferenz am 4. November in demokratischer Wahl einen Vorsitzenden auf die Dauer eines Jahres gewählt hatte. "Mit dem Eintritt Goldschmidts", so Gutberlet, "gab es hier einen Bruch. Goldschmidt ... war entschieden gegen die Freiheit der Redaktionskonferenz in der bisherigen Form und beanspruchte für sich bei den endgültigen Entscheidungen das besondere Recht des Lizenzträgers und Chefredakteurs. Neben sachlichen Meinungsverschiedenheiten kam es dadurch zu Spannungen zwischen Redaktion und Lizenzträger. ..."1016) Wie schwerwiegend diese Kontroversen tatsächlich waren, ist heute nicht mehr genau auszumachen. Eine Befragung derjenigen Redakteure, die 1978 noch bei der "Neuen Presse" tätig waren und zudem mit Goldschmidt zusammengearbeitet hatten, ergab ein unterschiedliches Meinungsbild. Offenbar bestand die Diskussion vor allem wegen der Redaktionskonferenz sowie wegen Goldschmidts politischer Haltung. Seine fachliche Qualifikation dürfte jedoch unbestritten sein. Die Unzufriedenheit der Journalisten äußerte sich auch ein halbes Jahr später, als die "Neue Presse" unter der Überschrift "Mitbestimmungsrecht für Redakteure - eine Forderung der hessischen Journalisten" einen eigenen Bericht brachte, in dem es hieß: "In der ersten Generalversammlung nach Gründung des Verbandes der Berufsjournalisten in Hessen, die am Samstag in Frankfurt stattfand, wurde gegen nur eine Stimme beschlossen, bei der Militärregierung anzuregen, daß den verantwortlichen Redakteuren als den geistigen Trägern der Zeitung neben den Lizenziaten ein Mitbestimmungsrecht bei der inhaltlichen Gestaltung eingeräumt werde. Die Verantwortlichkeit gegenüber der Militärregierung müsse deshalb auf Redakteure ausgedehnt werden. Der Verband schlägt deshalb die Bildung eines Redaktionsrates vor, dessen Beschlüsse beim Einstellen und Entlassen von Redakteuren aller Tätigkeitsgruppen rechtlich zwingend vorgeschrieben werden sollen. Eine Beteiligung der Redakteure an dem Zeitungsunternehmen sei festzulegen und die eindeutige Unabhängigkeit der gesamten Redaktion vom Verlag und seinen mit verlegerischen Tätigkeiten betrauten Angestellten zu gewährleisten..."1017) - 300 - Ende Oktober 1947 erhielt die "Neue Presse" einen strengen Verweis der Informationskontrolle. Am 22. Oktober war ein Bericht über die Wahlen in Frankreich erschienen, in dem es geheißen hatte, es bestehe die Gefahr, dass das Land sich in Volksunion und Volksfront teile. Die ICD sah in dieser Darstellung eine Vermengung von Nachricht und Kommentar und damit eine Verletzung der Direktiven. Sie schrieb der "Neuen Presse": "Es wird zugegeben, daß viele deutsche Leser wünschen, daß ihnen die Nachrichten interpretiert werden. Es ist aber ein ebenso fest gegründetes Prinzip, daß die Deutschen lernen sollen, selber politisch zu denken, was nur der Fall sein kann, wenn sie Zeitungen haben, die ihnen ungefärbte Berichte der Geschehnisse darbieten. Die Belieferung mit solchen Berichten war und bleibt die erste Verpflichtung amerikanisch lizenzierter Zeitungen in Deutschland."1018) Positiv bewertete die Informationskontrolle dagegen drei Reportagen vom November des Jahres: "Wenn die 'Frankfurter Neue Presse' diese saubere Art der Berichterstattung weiterentwickeln kann, getrennt von persönlicher Meinung, dann ist das Amt überzeugt davon, daß die 'Frankfurter Neue Presse' einen der besten Beiträge zur Entwicklung einer modernen deutschen Presse leisten kann. ... Der Unternehmungsgeist und die journalistischen Fähigkeiten, die in den angeführten Berichten gezeigt wurden, sind ein gutes Zeichen dafür, daß die 'Frankfurter Neue Presse' auf dem rechten Weg ist, gerade das zu entwickeln, was der innerste Kern einer starken, unabhängigen Zeitung ist: Zeitungsleute, die interessant, kurz, klar, logisch und sachlich wichtige Tagesereignisse darstellen können, ohne sie mit persönlicher Meinung zu färben."1019) 1947 hatte ICD mittels einer Umfrage festgestellt, dass die "Frankfurter Neue Presse", zusammen mit dem "Wiesbadener Kurier" und den "Hessischen Nachrichten" in Kassel für die beste Zeitung der hessischen Zone gehalten wurde. Die "Neue Presse", so ICD, "ist eine gute Zeitung, obwohl sie in ihren Umerziehungsbemühungen nicht sehr energisch ist."1020) Sie bilde ein gutes Gegengewicht zur linksgerichteten, aggressiven "Rundschau" und sei in der Frankfurter Öffentlichkeit ganz offensichtlich beliebter als die erste hessische Lizenzzeitung.1021) Aus einer Umfrage im April des Jahres, bei der dreihundert Personen zu ihrer Ansicht über die "Neue Presse" und die "Rundschau" befragt worden waren, zog die ICD die Bilanz: "Die 'Neue Presse' hat ein größeres Spektrum in ihren Leitartikeln und ist auf einer höheren technischen und journalistischen Ebene als die 'Rundschau'."1022) - 301 - Zudem finde die "Frankfurter Neue Presse" vornehmlich bei den wohlhabenderen Leuten Anklang sowie bei ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und auch bei jenen, die geneigt seien, politische Angelegenheiten und Interessen abzulehnen.1023) Es lasse sich außerdem ein größeres Vertrauen von "Neue Presse"-Lesern in ihr Blatt feststellen, als dies bei Lesern der "Rundschau" der Fall sei. Dies habe seine Ursache z.T. darin, dass die "Neue Presse" ihre Umerziehungsaufgabe des deutschen Volkes längst nicht in dem Maß wahrnehme, wie es von ihr erwartet werde. Eine weitere Zurechtweisung erhielt die "Neue Presse" im Juni 1948. Die ICD kritisierte, dass die Zeitung, gemeinsam mit einem anderen hessischen Blatt, politische Parteipropaganda ohne exakte Quellenangabe publiziert habe: "Eine Verheimlichung der Nachrichtenquelle wird von unserem Büro als ein sittlich und moralisch nicht einwandfreier Journalismus betrachtet. Die Veröffentlichung von Parteipropaganda ohne korrekte Angabe der Quelle leitet Ihre Leser irre und ist außerdem eine schwere Verletzung der ICD-Instruktionen. Unser Büro hat sich bei früheren Übergriffen dieser Art sehr tolerant gezeigt, vom heutigen Datum an machen wir Sie darauf aufmerksam, daß alle künftigen Verletzungen der Instruktionen streng bestraft werden. ... Wir erinnern Sie daran, daß Sie voll und ganz für alles, was in Ihrer Zeitung erscheint, verantwortlich sind. Vorherige Veröffentlichungen in einer anderen Zeitschrift sind keine Entschuldigung für Ihr eigenes Versagen."1024) Ab dem 21. Juni konnte die "Neue Presse", ebenso wie die "Rundschau", täglich erscheinen. Der Bezugspreis betrug vom 1. August an für die Stadtausgabe und die Ausgabe "Heimat und Leben" 2.75 DM zuzüglich 40 Pfennige Botenlohn; der Preis für die Allgemeine Ausgabe war bereits zuvor auf 3.25 DM reduziert worden. Umfang und Themenvielfalt wurden deutlich erweitert. Das Feuilleton bekam mehr Raum, ebenso wie der Sport- und der Anzeigenteil. Am 1. Oktober 1948 kündigte die Zeitung an: "Morgen zum ersten Male: Die illustrierte Unterhaltungsbeilage 'Neue Presse am Sonntag'." Die Beilage enthielt Romane und Erzählungen, Artikelserien sowie Bildseiten, Rätsel und "die Schachecke" und hatte einen Umfang von acht Seiten im halben Format der Zeitung. Bereits seit dem 31. Juli des Jahres gab es unregelmäßig "Die bunte Seite". Außerdem erschien bis Dezember 1948 elfmal "Die Seite für die Frau", von Januar bis Juli 1949 dreizehnmal.1025) Die weitere Entwicklung der "Neuen Presse" wurde dann nicht mehr von dem zweiten Lizenzträger, Leopold Goldschmidt, mitbestimmt. Am 20. Januar 1949 schied Goldschmidt bei der "Neuen Presse" aus. Das Blatt, in dessen Impressum er schon längere Zeit als krank - 302 - bezeichnet worden war, gab den Lesern am 20. Januar bekannt: "Leopold Goldschmidt ... hat die amerikanische Militärregierung gebeten, seine Lizenz niederlegen zu dürfen. Die Militärregierung hat dem Antrag stattgegeben. Die Gegensätze zwischen den Auffassungen der beiden Lizenzträger über die politische, journalistische und personelle Gestaltung des Blattes sind unüberbrückbar. Da eine weitere Zusammenarbeit somit unmöglich ist, hat sich Herr Leopold Goldschmidt als der später hinzugekommene Lizenzträger bereit erklärt, aus der 'Frankfurter Neuen Presse' auszuscheiden."1026) Er schied mit einer halben Million DM von der Zeitung, deren Gesicht er vom Herbst 1947 bis zum Jahresbeginn 1949 mitbestimmt hatte.1027) Ein zweiter Lizenzträger wurde von der amerikanischen Militärregierung für die "Neue Presse" nicht mehr gesucht, so dass Hugo Stenzel alleiniger Herausgeber und Chefredakteur blieb. Neben ihm führte das Impressum als stellvertretenden Chefredakteur F.K. Müller an, als Leiter der Politik Peter Steinbach und Paul Fr. Weber für die Kulturseite. Arnold Thelen war für den Wirtschaftsteil verantwortlich und Richard Kirn leitete die Lokalredaktion. Dem Sport-Ressort stand H.P. Tillenburg vor. Diese redaktionelle Besetzung war auch noch Mitte Juli 1949 dieselbe, als das Hessische Pressegesetz genehmigt wurde und mit der Generallizenz Nr. 3 alle Beschränkungen im deutschen Pressewesen fielen. Eine Änderung gab es allerdings am 1. August, als Herausgeber Stenzel auf seine Chefredakteursfunktion verzichtete. Diese übernahm fortan der bisherige stellvertretende Leiter der Presseabteilung im Verwaltungsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Marcel Schulte, der der CDU nahe stand. Eine weitere - wenn auch nicht personelle - Änderung gab es am 1. September 1949, als die "Allgemeine Ausgabe" der "Neuen Presse" aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden musste. An ihre Stelle trat die so genannte "Stern-Ausgabe", "1949 bereits als 'Stadt-Vorausgabe' eingeführt, deren Redaktionsschluß früher als bei den übrigen Ausgaben lag, so daß sie rechtzeitig die am Abend von Frankfurt abgehenden Postzüge erreichen konnte."1028) Bei der neuen "Stern-Ausgabe" wurde die zweite Lokalseite ausgewechselt und mit größeren politischen oder kulturellen Artikeln ausgefüllt. "Als überregionale Ausgabe mit kleinerem Lokalteil war sie vor allem für den Verkauf im Bundesgebiet und für den Straßenverkauf in Frankfurt bestimmt. Auch hier führten z.T. technische Gründe (Überlastung von Setzerei, Mettage und Rotation) wieder zur Einstellung. Ausschlaggebend war jedoch, daß man, indem man als Fernausgabe von 1962 an die erste Sektorenausgabe (West), ohne Sektorenbeilage, nahm, eine Lösung fand, die - 303 - es ermöglichte, von nun an Ferienreisende mit einer Ausgabe zu bedienen, die den kompletten Lokalteil der Stadt enthielt."1029) Die "Allgemeine Ausgabe" existierte zwischen dem 1. 11. 47 und dem 1. 9. 49. "Der größte Unterschied zur Normalausgabe war der, daß sie keinen Lokalteil enthielt. Sie entsprach damit dem Versuch anderer Verleger, ein anspruchsvolleres überregionales Blatt zu schaffen. Damit wurde auch die Möglichkeit geschaffen, sich einen Stamm guter Mitarbeiter heranzuziehen, die aus Platzmangel in den Normal-Ausgaben nicht zu Wort kommen konnten. So enthielt die Seite 2 größere Aufsätze aus allen Wissensgebieten. Vermischte Nachrichten - montags Sport - standen über den Anzeigen auf Seite 4. Von großer Bedeutung für die Gesamtauflage war die 'Allgemeine Ausgabe' nicht, doch hatte sie einen Stamm treuer Leser, der immer zwischen 7.500 und 8.000 schwankte."1030) 11.2 Die Nachtausgabe der "Frankfurter Neuen Presse" erscheint Mit dem 7. September 1949 erschien die erste Abendzeitung in Frankfurt im Verlag der "Neuen Presse". Die Leser wurden am 31. August informiert: "Morgen nachmittag um vier Uhr, wenn Sie von der Arbeit nach Hause gehen, erhalten Sie zum erstenmal die neue Nachtausgabe der 'Frankfurter Neuen Presse' bei Ihrem Zeitungshändler. Machen Sie einmal den Versuch, sie kostet nur 10 Pfennig und der Groschen lohnt sich bestimmt."1031) Am 1. September erschien zusätzlich eine Werbenummer der "Nachtausgabe", in der es hieß: "Kennen Sie schon meine 'große Schwester'? Ich meine die Hauptausgabe der 'Frankfurter Neuen Presse'! Sie kommt jetzt schon sehr früh morgens zu ihren Lesern ins Haus, als richtige Morgenzeitung."1032) Richard Kirn schrieb in der "Nachtausgabe" am gleichen Tag: "Wenn man Redakteuren die Aufgabe überträgt, eine neue Zeitung zu machen, dann geraten sie in jenen Zustand, den man Schauspielern nachsagt, die mit einer neuen, großen Rolle betraut werden. Ein Zustand, der schwankt zwischen Entzückung und Verzweiflung ..."1033) Als Anzeige erschien in der gleichen Ausgabe auf der sechsten Seite der Text: "Tempo und Aktualität sind die ersten Forderungen bei der Herstellung einer modernen Großstadtzeitung. Der neueingerichtete Druckereibetrieb der 'Frankfurter Neuen Presse' ermöglicht es uns jetzt, diese Forderungen voll zu erfüllen. Ab heute erhalten Sie unseren Stadt-Anzeiger in der Frühe zwischen - 304 - sechs und acht Uhr als echtes Morgenblatt mit den Ereignissen des Vorabends und der Nacht. Was aber, wenn Sie von der Arbeit heimkehren? Wollen Sie dann nicht die letzten Nachrichten lesen? Nun, die Welt dreht sich auch am Tage und mit ihr die große Rotationsmaschine der 'Frankfurter Neuen Presse', eine der modernsten Deutschlands.1034) Heute wird sie zum ersten Male die Nachtausgabe der 'Frankfurter Neuen Presse' drucken. Heute werden Sie zum ersten Male das neue Blatt auf Ihrem Nachhauseweg von der Arbeit für einen einzigen Groschen an jedem Zeitungsstand und bei den bekannten blaugelben Händlern kaufen können. Die Nachtausgabe ist schmissig und aktuell. Sie ist voll von Bildern und sie vergißt nicht, daß Sie abgespannt nach Hause kommen. ..."1035) Eine Woche später konnte die "Neue Presse" mitteilen: "Ein unerwarteter Erfolg war der Start unserer neuen Nachtausgabe: Schon am zweiten Tag mußten wir eine ansehnliche Menge nachdrucken. Das ist aber auch kein Wunder. Es ist wirklich eine Zeitung, die jedem gefällt ... und trotzdem eine Zeitung, die ernst zu nehmen ist. Hinzu kommt noch der niedrige Preis. Haben wir nicht recht, wenn wir behaupten: Der Groschen lohnt sich?"1036) Chefredakteur der "Groschen-Zeitung", deren Überschriften in großer Aufmachung z.B. lauteten "Vor den Augen der Braut verbrannt" oder "Tragödie auf dem Operationstisch", wurde der bisherige stellvertretende Chefredakteur der "Neuen Presse", Friedrich K. Müller. Zudem arbeiteten Richard Kirn und Hans-Peter Tillenburg für die neue Ausgabe, ebenso wie der frühere Nachrichtenredakteur Peter Steinbach.1037) 11.3 Vom Pachtbetrieb zur Fusion mit der Societäts-Druckerei 1946, als die "Frankfurter Neue Presse" gegründet wurde, bestand auch für sie, wie für beinahe alle anderen hessischen Lizenzzeitungen nicht nur das Problem, in welchen Räumen Verlag und Redaktion unterzubringen seien, sondern auch, wo das neue Blatt gedruckt werden konnte. Da in Frankfurt bereits die "Rundschau" existierte, konnten bis 1947 deren technische Anlagen mitgenutzt werden. Im Mai 1947 nahm der "Verlag Neue Presse" Verhandlungen mit der Firma Stritt und Co. in Frankfurt auf. Eine Einigung kam nicht zustande, da dieser Betrieb nicht über alle notwendigen Einrichtungen für den Druck verfügte. So wandte man sich kurz darauf an ein Konsortium der früheren Inhaber des "Frankfurter General-Anzeigers", dessen Räume in der Rahmhofstraße die "Neue Presse" zum Teil schon benutzte. Nach der Instandsetzung von vorhandenen Setzmaschinen mietete - 305 - der "Verlag Neue Presse" von der Firma Horstmann, Besitzerin des Firmenmantels, zusätzliche Räume des ehemaligen "General-Anzeigers" und übernahm weitere Maschinen. Es dauerte jedoch noch bis nach der Währungsreform, ehe zunehmend mehr Seiten im eigenen Betrieb gesetzt werden konnten. Immerhin waren es Ende Juli 1948 mit Ausnahme des Politik- und Lokalteils alle Seiten. Ein endgültiger Vertrag zwischen dem "Verlag Neue Presse" und der Firma Horstmann wurde im Februar 1949 geschlossen. Diese Übereinkunft sah die Übernahme des "General-Anzeiger"-Mantels durch den "Verlag Neue Presse" vor und war der sachliche Abschluss eines bereits bestehenden Miet- und Pachtvertrages.1038) Diese technische Entwicklung wurde durch den Kauf einer neuen Setzmaschine begünstigt, die an sich für die Frankfurter Ausgabe der amerikanischen "Neuen Zeitung" vorgesehen war; ein Teil von Satz und Druck dieses Blattes war bereits im gleichen Jahr 1949 von der "Neuen Presse" übernommen worden. Nach Aufhebung der Lizenzpflicht begann für die "Frankfurter Neue Presse" eine Phase des Konkurrenzkampfes, der sich in dieser Stadt vor allem durch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die seit dem November des Jahres erschien, entwickelte. Mit ihrer Lokalausgabe "Zeitung für Frankfurt" bildete sie eine Alternative zur "Neuen Presse" und zur "Rundschau". Für die zweite Frankfurter (ehemalige) Lizenzzeitung machte sich dies im ersten Halbjahr 1950 durch einen Auflagenschwund von etwa 25.000 Exemplaren bemerkbar: Die Gesamtauflage lag zwischen 115.000 und 125.000 Exemplaren. Im Laufe der nächsten sieben Jahre ging die Auflage auf 82.000 Stück zurück. Der Tiefpunkt wurde im Jahr 1958 erstmals wieder etwas überwunden. Dieser Auflagenschwund verbesserte natürlich die finanzielle Situation der "Neuen Presse" nicht. Hatte der Verlag schon zur Jahreswende 1949/50 eines Bankkredits in Höhe von zwei Millionen DM bedurft, so wurde 1954 ein Darlehen in Höhe von 750.000 DM nötig, dass die "Neue Presse" von der "Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse" bekam. Damit konnten alle bisherigen Bankschulden getilgt werden. (1958 betrugen die Verlagsschulden noch 300.000 DM.)1039) Die "Neue Presse" verzichtete aber in den fünfziger Jahren darauf, durch weitere Kredite ein eigenes Verlagsgebäude zu erstellen. Sie blieb weiterhin in den gepachteten Räumen des früheren "General-Anzeigers". Dieser vorsichtige Aufbau des Verlages führte dazu, so Dietmar Gutberlet, "daß auf dem wirtschaftlichen Gebiet eine Einflußnahme von außen auf die Zeitung praktisch ausgeschlossen wurde. Die sich daraus ergebenden Nachteile wurden in Kauf genommen, insbesondere der Verzicht auf ein eigenes Gebäude, aber auch eine fast durchweg knappe Finanzdecke, die Investitionen - 306 - größeren Ausmaßes nicht zuließ. Um Einflußversuche auf die Zeitung verhindern zu können, ging Verleger Hugo Stenzel einen zweiten Weg: Er verbündete sich mit einem Unternehmen, das als ehemaliger Verlag der 'Frankfurter Zeitung' immer streng auf Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen geachtet hatte."1040) Dieses Unternehmen, die "Frankfurter Societäts- Druckerei", übernahm im August 1955 45 Prozent der Anteile der "Verlag Neue Presse GmbH". 1956 erwarb sie weitere sechs Prozent, so dass sie mit 51 Prozent die Mehrheit der Anteile beim "Neue Presse"-Verlag besaß. (Hugo Stenzel übernahm seinerseits sechs Prozent der Anteile der Societäts-Druckerei.) Bereits seit August 1955 war der Verleger der Societäts-Druckerei, Werner Wirthle1040a), Mitgeschäftsführer des "Verlags Neue Presse" und Stenzel seinerseits Mitglied der Geschäftsführung der "Frankfurter Societäts-Druckerei" für den Bereich "Verlag Neue Presse". (Stenzel blieb aber Herausgeber der "Neuen Presse".) Es wurde außerdem vereinbart, dass für den "Verlag Neue Presse" Wirthle und Stenzel gleichermaßen zuständig waren. Am 14. Dezember 1958 fusionierte dann der "Verlag Neue Presse" mit der Frankfurter Societäts-Druckerei. Stenzel übernahm zusätzlich 10,91 Prozent an der Societäts-Druckerei; weitere 3,09 Prozent konnte er 1960 erwerben, so dass er damit 20 Prozent der Anteile besaß. (Zur Geschäftsführung gehörte neben Stenzel und Wirthle noch Hans A.Kluthe aus Eschwege.)1041) 1976 hatte die "Neue Presse" eine verkaufte Auflage von 134.886 Exemplaren und erschien in drei Bezirksausgaben: Ausgabe Oberhessen (für den Wetteraukreis), Ausgabe Südhessen (Groß-Gerau), Ausgabe Offenbach (Stadt und Kreis Offenbach sowie Dieburg). Außerdem gehörten die Kopfblätter "Höchster Kreisblatt", "Nassauische Landeszeitung"1042), "Taunus-Zeitung", "Kinzigtal- Nachrichten" und "Oberhessische Volkszeitung" dazu. Robert Schmelzer1042a), später Chefredakteur der "Neuen Presse", charakterisierte 1971 das ehemalige Lizenzblatt so: "christlich, aber nicht klerikal, sozial, aber nicht sozialistisch".1043) Es sei, so Schmelzer, eine Zeitung der Mitte, die kritisch, aber nicht abenteuerlich sei, zudem liberal, aber nicht gesinnungsfrei.1044) - 307 - 12 Die "Kasseler Zeitung" zwischen 1946 und 1949 12.1 November 1946: Lizenz an die "Kasseler Zeitung" Auch Kassel erhielt Ende 1946 eine zweite Lizenzzeitung. Die "Kasseler Zeitung", seit dem 29. November auf dem Markt, wurde in sechs Spalten gesetzt und erschien montags, mittwochs und freitags. Bei einer Auflage von 50.000 Stück kostete sie monatlich 2.60 RM, im Einzelverkauf 20 Pfennige. Presseoffizier Vincent O. Anderson hatte sich für Walter Krust- Ortlieb1044a) als Lizenzträger entschieden. An sich sollte er die Aufgaben der Zeitungsherausgabe mit einem weiteren Lizenzinhaber teilen, der jedoch - so meldete die "Fuldaer Volkszeitung" - erst am 5. Dezember des Jahres aus Schweden eintreffen sollte. Sein Name wurde mit Paul Bromme angegeben.1045) Krust-Ortlieb blieb dann doch bis Ende April 1947 alleiniger Herausgeber. Bereits vor dem Erscheinen der ersten Nummer hatte die ICD den "Hessischen Nachrichten" mitgeteilt, sie hätten 16.000 Bezieher an die neue Zeitung abzutreten. Die Lizenz wurde Krust-Ortlieb von Oberst Phelps, dem stellvertretenden Direktor der Militärregierung in Hessen, im Beisein von Lt. Col. Anthony Kleitz, ICD Wiesbaden, überreicht. Anwesend waren außerdem Lt. Col. Swarm und Raymond Stover von der Press Branch. Phelps erklärte in seiner Rede, Kassel könne stolz darauf sein, als nächste Stadt der US-Zone, hinter Frankfurt/Main, Stuttgart und München, eine zweite Zeitung zu erhalten. Ein guter Anfang sei gemacht, aber ein Fortschritt der neuen deutschen Presse könne nur dann erreicht werden, wenn Herausgeber und Mitarbeiter "von ihrer Sendung durchdrungen seien."1046) Krust-Ortlieb antwortete ihm: "Indem wir der Wahrheit dienen, dienen wir dem Fortschritt, indem wir für den Fortschritt arbeiten, arbeiten wir für die lichtere Zukunft unserer Kinder."'1047) Nachdem der Regierungspräsident dem neuen Blatt behördliche Unterstützung und Auskunft zugesichert hatte, trug auch Wolfgang Bartels Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten", Kassel, seine Glückwünsche vor und sagte, die "Nachrichten" hätten "durch ihre technische Unterstützung dazu beigetragen, den Start zu ermöglichen und er hoffe, nicht nur zu Beginn, sondern auch in Zukunft der neuen Zeitung zur Seite stehen zu können. Er begrüße den ideellen Wettbewerb, der nur dazu beitragen könne, das Niveau der heimatlichen Presse zu heben. In gemeinsamer Arbeit zum Besten unseres in materielle und seelische Bedrängnis geratenen Volkes wünsche er der 'Kasseler Zeitung' einen weitverbreiteten Freundeskreis. ..."1048) - 308 - 12.1.1 April 1947: Herbert M. Nuhr wird zweiter Lizenzträger Krust-Ortlieb, der jeden Leitartikel selbst schrieb - und das in jeder Ausgabe der "Kasseler Zeitung"! - wurde Ende April 1947 ein Mitherausgeber zur Seite gestellt. Herbert M. Nuhr1049) bekam die Lizenzurkunde von Oberst McMahon, Chef der Nachrichtenkontrolle für Hessen; anwesend waren auch die Pressechefs für Hessen, Raymond Stover und Vincent Anderson, sowie der Chef der IC Kassel und Presseoffizier Heller. Nuhr sagte u.a.: "Mit der heutigen Lizenzerteilung ist mir eine Rehabilitierung zuteil geworden, auf die ich seit meiner 1934 erfolgten Streichung auf der Schriftleiterliste und nach mehrmaliger Verhaftung durch die Nationalsozialisten gehofft und um die ich seit meiner Rückkehr aus kurzer Gefangenschaft gekämpft habe. ... Aus alter Verlegerfamilie stammend und mit jahrzehntelangen verlegerischen Erfahrungen ausgerüstet, werde ich in erster Linie die Verlagsleitung übernehmen, um meinem überarbeiteten Kollegen endlich Gelegenheit zu bieten, sich voll und ganz der Chefredaktion zu widmen. Weiter werde ich die Oberleitung des vorhandenen und mit Hilfe meiner Maschinen entstehenden technischen Betriebes in die Hand nehmen."1050) Regierungspräsident Hoch versicherte, er habe "das Gefühl, daß die 'Kasseler Zeitung' ein eigenes Gesicht bekommen hat, ein anderes Gesicht als ihr Bruder oder die Schwester von der anderen Seite. Welche Wünsche wir für die Presse haben? Wir von der öffentlichen Verwaltung, die wir auch glauben, ein Stück der öffentlichen Meinung zu vertreten, müssen auch heute wieder einmal sagen, daß es nicht unzweckmäßig ist, wenn zwei Zeitungen vorhanden sind, denn es ist gerade heute so, als wenn die Wogen der Meinungs- verschiedenheiten nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in Kassel etwas hochgehen."1051) Das Team bewährte sich in dem folgenden Jahr, so konnte die "Kasseler Zeitung" Mitte 1948 erfreut das Ergebnis einer Leserumfrage mitteilen. "Halten Sie die vom Chefredakteur mit WKO abgezeichneten Leitartikel für eine positive Mitarbeit am Neuaufbau Deutschlands?", hatte die Zeitung am 11. 6. 1948 wissen wollen. Diese Frage wurde mit überwältigenden 95,4 Prozent bejaht. Breite Zustimmung fand Krust- Ortlieb auch auf Fragen wie: "Gefällt Ihnen die Aufmachung der 'Kasseler Zeitung'?", "Sagt Ihnen unser Lokalteil zu?", "Sind Sie mit unserem Frauenteil zufrieden?" u.a. Lediglich die Frage: "Glauben Sie in der 'Kasseler Zeitung' eine bestimmte parteipolitische Tendenz zu - 309 - erkennen?" wurde von 74,4 Prozent der Leser verneint, während 10,8 Prozent diese Frage mit "ja" beantworteten.1052) 12.2 21. Juli 1948: Lizenzentzug für Nuhr und Krust-Ortlieb Umso erstaunlicher ist es, dass am 21. Juli 1948 Nuhr und Krust-Ortlieb die Lizenz entzogen und Adolf W. Diehl die Leitung der Zeitung übertragen wurde. Die "Hessischen Nachrichten" meldeten die Umbesetzung: "... In einem Schreiben an die Lizenzträger begründete Dr. Newman diesen Schritt mit dem Unvermögen von Krust-Ortlieb und Nuhr, sich über die Aufstellung eines Teilhabervertrages zu einigen und in enger Verbindung miteinander zu arbeiten. Die Zeitung sei ihrem Leserkreis daher nicht mehr von Nutzen gewesen. ... ''1053) In der "Kasseler Zeitung" heißt es dazu weiter: "Herbert M. Nuhr bleibt trotz des Lizenzentzuges Verlagsdirektor der Zeitung. Zwar hat - wie aus einer Verlautbarung der DENA bekannt wird - die Nachrichten-Kontroll-Abteilung der US-Militärregierung für Hessen Nuhr noch keine bindende Versprechen für eine Wiederherstellung der Lizenz gegeben und steht auf dem Standpunkt, daß Nuhr von sich aus die Möglichkeit hat, einen neuen Lizenzantrag zu stellen, jedoch sprach der neue Lizenzträger Adolf W. Diehl, der bisher beim 'Wiesbadener Kurier' tätig war, die Hoffnung aus, daß Nuhr bald seine Lizenz wieder erhalten wird."1054) Dies bestätigte sich nicht: Nuhr wurde zwar, zusammen mit der Bezeichnung 'Verlagsdirektor', noch einige Zeit im Impressum genannt, aber seit dem 30. Oktober 1948 fungierte Adolf W. Diehl als alleiniger verantwortlicher Herausgeber. 12.2.1 Adolf W. Diehl und die neue Linie der "Kasseler Zeitung" Diehl, der künftig die redaktionellen Aufgaben übernahm, erklärte den Lesern, wie die "Kasseler Zeitung" fortan sein sollte. Überschrieben "Glaubensbekenntnis einer Zeitung" hieß es: "1. Die erste Aufgabe der 'Kasseler Zeitung' besteht darin, Informationen zu bringen. Nachrichten stellen ein erstes Konzept für die Geschichtsschreibung - 310 - dar. Die Verpflichtung einer Zeitung liegt darin, die Nachrichten so vollständig und so genau wie nur möglich zu bringen - ohne dabei jemanden zu begünstigen oder zu benachteiligen, mit der äußersten Schnelligkeit, die die Genauigkeit noch zuläßt, mit Rücksichten auf die Rechte persönlicher Diskretion. Die 'Kasseler Zeitung' liebäugelt weder mit denen, die eine Unterdrückung der Nachrichten anstreben, noch mit denen, die Sensationen haben wollen. 2. Eine Zeitung muß als das Gewissen ihrer Leserschaft dienen. Die 'Kasseler Zeitung' bedient sich ihrer Leitartikel-Serie unter der Verpflichtung, Irrtümer anzugreifen. Ungerechtigkeit ans Licht zu ziehen, auf Fortschritt zu drängen, für gutes Einvernehmen einzutreten, die Rechte aller Menschen, welches auch ihre Ansichten sein mögen, zu verteidigen, und für die zu sprechen, die das Wort selbst nicht ergreifen können. 3. Die Meinungen der 'Kasseler Zeitung' werden auf ihrer Leitartikel-Seite erscheinen und nicht in ihren Nachrichten-Spalten. 4. Das vorherrschende Interesse einer Zeitung muß dem Wohlergehen der Leserschaft gelten, von der sie unmittelbar getragen wird. Die 'Kasseler Zeitung' wird für die Bevölkerung herausgegeben, und sie hat sich in der Hauptsache ih- ren Bedürfnissen zu widmen. 5. Die 'Kasseler Zeitung' ist eine öffentliche Einrichtung. Sie hat eine Verpflichtung ihren Lesern gegenüber und soll nicht privaten Interessen ihrer Eigentümer dienen. Ihre Leser sind berechtigt, von ihr Rechenschaft zu verlangen, sie für ihre Verfehlungen verantwortlich zu machen, und von ihr zu verlangen, daß sie auf ihren Seiten angemessene Möglichkeiten bietet, um Mei- nungen zu äußern, die sich im Gegensatz zu den in der Zeitung geäußerten befinden. Unsere Zeitung ist weit davon entfernt, Unfehlbarkeit für sich zu beanspruchen, und ist sich ihrer Unvollkommenheit voll bewußt. Sie gelobt sich jedoch selbst, ernsthaft nach Verbesserung und Wachstum zu streben."1055) Der Wechsel in der Verlagsspitze änderte zwar die politische Linie der Zeitung,1056) die Konflikte mit den Behörden und Parteien sowie die Heftigkeit, mit der die Auseinandersetzungen zum Teil geführt wurden, blieben unverändert. Am 23. Oktober 1948 veröffentlichte der Chefredakteur anstelle des Leitartikels einen Brief, den er dem Referenten eines hessischen Ministers übersandt hatte. Darin hieß es u.a.: "... Sie haben mir dieser Tage einen Brief geschrieben, dessen Schluß mich einigermaßen befremdet hat. ... etwas erregte meinen besonderen Argwohn, der Satz: 'Ich darf um baldige Erledigung bitten'. ... Wir ... sind täglich bemüht, im Umgang mit unseren Geschäftspartnern und im Umgang mit den uns Umgebenen jenen höflichen Ton zu pflegen, der nun einmal nötig ist, wenn man versuchen will, ein einigermaßen annehmbares Verhältnis zwischen zwei Parteien herzustellen. ... Ich bin Ihnen persönlich natürlich keineswegs gram und kann mir vorstellen, daß Sie es im Laufe mählich mahlender Mühlen des Amtes einfach verlernt haben, mit 'Ihren' Landeskindern so zu verkehren, wie Sie mit Ihren mittelbaren oder unmittelbaren Brotgebern verkehren sollten. Ich betrachte es aber als meine Aufgabe als Redakteur, für die vielen Ihnen gewissermaßen hilflos Ausgelieferten eine Lanze zu brechen."1057) - 311 - Außerdem erschien ein Artikel, der sich mit dem hessischen Pressegesetz auseinander setzte,1058) sowie Anfang des Jahres 1949 eine kritische Stellungnahme Diehls zur Besteuerung der Presse in Württemberg-Baden.1059) Diehl dazu u.a.: "Wir werden uns, sollte man in Hessen sich mit ähnlichen Absichten tragen, schon heute mit aller Entschiedenheit dagegen wehren müssen, die Unfähigkeit über die Zeitung via Leser zu sanieren. Eine Zeitung, die in wirtschaftliche Notlage kommt, wird niemals das Ansinnen an staatliche kulturelle Einrichtungen stellen, von diesen finanziell unterstützt zu werden. Sie wird versuchen, durch intensivere und bessere Arbeit ihre Auflage und damit ihren Umsatz zu erhöhen, oder aber sie wird es in Kauf nehmen müssen, ihr Erscheinen einstellen zu müssen."1060) "Soll die Presse erziehen?", fragte Diehl am 5. Februar 1949 und reagierte damit auf eine örtliche Diskussion, bei der die Aufgaben der Gegenwartspresse erörtert wurden. Er schrieb: "... Die Meinungen darüber, ob unabhängige Blätter den Parteiorganen vorzuziehen sind, waren geteilt. ... Widerspruch von Seiten der anwesenden Pressevertreter erregte allerdings die Begründung für diese Forderung: Der Deutsche sei schlechthin nicht in der Lage, sich aus der Vielfalt unkommentierter und kommentarloser Meldungen in der derzeitigen Presse ein klares Bild zu machen, 'da es ihm an politischem Instinkt mangelt'." Diehl kommentierte: "Wir sind ... der Überzeugung, daß der Anfang der 'Erziehung' zu politischer Instinktlosigkeit dann gemacht ist, wenn dem Leser täglich die fix und fertig gelieferte Meinung über irgendwelche Tagesfragen in der Presse geliefert wird; wenn jede Nachricht mit einem Kommentar versehen ist, erwächst die Gefahr gedankenlosen Aufnehmens der zu bequemem Hausgebrauch vorgedachten Meinungen, die dann als eigene Meinung kolportiert, die klassische Form politischer Instinktlosigkeit darstellt."1061) In einem anderen Artikel vermerkte Diehl: "Die überparteiliche Presse weiß nicht erst seit heute, daß sie einer Reihe von Leuten unbequem ist. Unbequem deshalb, weil sie ihre Aufgabe darin erblickt, ohne Schonung irgendwelcher Behörden, Regierungen oder Parteien die Bevölkerung darüber zu unterrichten, was sie wissen muß; weil sie es als ihre Pflicht betrachtet, da ihre ungeschminkte Meinung zu sagen, wo andere es gern sehen würden, daß man den Mantel schonender Nächstenliebe über gewisse Vorgänge breiten würde."1062) Und noch einmal machte ein Redakteur der "Kasseler Zeitung" das Verhältnis von Presse und Behörden deutlich, als er schrieb: "... was soll die Presse ... mit einer Verwaltung anfangen, die sich gegenüber dem Journalismus auch heute noch gern eines Vorgesetzten- tones bedient und in ihm nichts als einen lästigen Fragesteller, unzuständigen Ein-Mischling und böswilligen Kritikaster zu erkennen meint, dessen man sich nur dann bedient, wenn man - 312 - ihn braucht. Diese Anschauung trägt allzu deutlich die Eierschalen ihrer totalitären Herkunft zur Schau, als dass man über sie diskutieren könnte. Das Gegenteil nämlich ist der Fall - die Besatzungsmächte haben der neuen deutschen Presse in dieser Beziehung eine ganz klare Marschroute gewiesen: sie soll der Verwaltung auf die Finger sehen und ihr gegenüber den Mann auf der Straße vertreten. ... Dazu gehört, daß sie jederzeit Einblick in die Arbeit der Behörden nehmen kann. ..."1063) 12.2.2 April 1959: Fusion mit den "Hessischen Nachrichten" Knapp zehn Jahre nach Aufhebung der Lizenzpflicht, am 27. April 1959, erschien die letzte Ausgabe der "Kasseler Zeitung". An diesem Tag teilte sie den Lesern mit: "Von der Einsicht geleitet, daß ein Zusammenschluß der überparteilich-unabhängigen Presse im Kasseler, Nordhessischen und Hannoversch-Mündener Raum notwendig ist, um auch weiterhin und auf die Dauer schlagkräftig alle Versuche politischer und materieller Beeinflussungen abweisen zu können, haben sich die 'Kasseler Zeitung' und die 'Hessischen Nachrichten' zu einer überparteilich-unabhängigen Großzeitung zusammengeschlossen. Ab morgen werden die Leser der beiden Zeitungen die neugegründete 'Hessische Allgemeine' erhalten, eine Zeitung, die infolge der Verstärkung der verlegerischen und publizistischen Möglichkeiten beider Verlagsunternehmen ihren Lesern ein Höchstmaß an Leistungen bieten wird." Das Impressum der neuen Zeitung nannte am 28. April 1959 Dr. Wolfgang Pöschl, Adolf W. Diehl und Dr. Paul Dierichs als Herausgeber; Wolfgang Pöschl wurde zusätzlich als Redaktionsleiter genannt. Die Zeitung erschien im Zeitungsverlag Hessen Dierichs & Co. Adolf Diehl blieb Mitherausgeber der "Hessischen Allgemeinen" bis zum 31. Dezember 1976. Am 3. Januar 1977 meldete die Hessische Niedersächsische Allgemeine (HNA): "Aufgrund einer 1967 getroffenen Vereinbarung ist Mitherausgeber Adolf W. Diehl am 31. Dezember 1976 aus dem Herausgebergremium der HNA ausgeschieden. Es entsprach seinem Wunsch, gleichzeitig sein publizistisches Wirken zu beenden. Von einem Angebot, als Kolumnist der HNA tätig zu bleiben, machte er aufgrund eigener Entscheidung keinen Gebrauch. Mit Wirkung vom 1. Januar 1977 ist Verleger Rainer Dierichs1063a) in das Herausgebergremium der HNA berufen worden." - 313 - 13 Lizenz für die "Offenbach-Post" 13.1 3. Juni 1947: Die "Offenbach-Post" erscheint zum ersten Mal Als 11. Lizenzzeitung in Hessen erschien am 3. Juni 1947 die "Offenbach-Post" mit der Lizenznummer H 203 und einer Startauflage von 36.600 Stück für den Stadt- und Landkreis Offenbach. Zunächst erschien die Zeitung dienstags, donnerstags und samstags und kostete 20 Pfennige pro Ausgabe; sie brachte, im Unterschied zu anderen Lizenzzeitungen, die tägliche Wettervorhersage im Kopf. Der Lizenzträger Udo Bintz, der über gute Kontakte zu den amerikanischen Presseoffizieren Vincent O. Anderson und Raymond Stover verfügte,1064) schrieb in der ersten Nummer: " ... Die 'Offenbach-Post' ist eine überparteiliche Zeitung. Überparteilich, aber nicht unpolitisch. Sie gehört keiner Partei - und allen. Im demokratischen Geiste stehen ihre Spalten jeder politischen Diskussion offen, aber keiner hemmungs- losen Polemik! Die politische Meinungsbildung verbleibt dem Leser. Vor allem aber ist die 'Offenbach-Post' ein 'Lokalblatt'. Das Leben in Stadt und Land Offenbach wird sich in ihren Seiten getreu und lebendig spiegeln. Erst damit wird die so lange schmerzlich empfundene Lücke geschlossen sein. Die 'Offenbach- Post' ist nicht von Männern für Manöver geschaffen. Sie ist von der ersten bis zur letzten Seite auch für die Frau geschrieben. Wir wissen, wie wenig Zeit besonders der geplagten Hausfrau zum Zeitungslesen zur Verfügung steht, wir wissen aber auch, wie schwer ihr oft das Verständnis der Lage gemacht wird. Die 'Offenbach-Post' möchte hier Abhilfe schaffen. Die verehrte Leserin möge entscheiden, ob das gelungen ist. Ob Kinder die 'Offenbach-Post' lesen dürfen? Selbstverständlich! Wir werden keine Zeile bringen, die nicht sauber ist. Im übrigen aber lieber Leser, gibt es eine alte verlegerische Erfahrung: Jede neue Zeitung ist zu schwer, jede neue Zeitung ist zu leicht, bringt zu viel, bringt zu wenig Lokales, zu viel Sport, zu wenig Sport, ist zu politisch, zu unpolitisch, zu parteilich, zu unparteilich. Glauben Sie uns: Wir wissen es. Der Herausgeber bittet deshalb um Ihr Vertrauen! Er tut sein Bestes, allen Wünschen gerecht zu werden, im treuen Dienste für Stadt und Land Offenbach."1065) Vor allem in ihrer Aufmachung unterschied sich die "Offenbach-Post" deutlich von anderen hessischen Lizenzzeitungen. Die Zeitung soll deshalb auch bei ihrem erstmaligen Erscheinen "vor allem in Fachkreisen viel Aufsehen erregt haben, weil hier erstmals eine Heimatzeitung mit der knappen Einprägsamkeit eines Boulevard-Blattes um Aufmerksamkeit warb."1066) Die ungewöhnliche Art der Aufmachung schien auch der Information Control in Wiesbaden gefallen zu haben, die Bintz im April 1947 "ein Paket der am deutschen Markt wiederaufgelegten Zeitungen"1067) vorgelegt und ihn geheißen hatte, das Layout einer Zeitung nach seinen Vorstellungen zu entwerfen. "Damals ... skizzierte er, was er ... in der - 314 - 'Offenbach-Post' verwirklichte. Der Entwurf seiner ersten Seite drängt den Titel des Blattes auf die linke Ecke ab, um mehr Platz für den Inhalt zu gewinnen und zeigte außer einem Pin- up-girl einige lokale Nachrichten von Rang, die von den konventionellen Blättern stets ins Innere verbannt wurden. Daraus ging das Angebot der Lizenz für eine Tageszeitung in Offenbach hervor. Vermittelt hatten ihn an die Besatzer, wie er später erfuhr, alte Ullstein- Freunde. ..."1068) 1973 erinnerte sich die ehemalige Lizenzzeitung: "Bei Udo Bintz ist zum erstenmal eine Offenbacher Zeitung in die Hände eines modernen 'Blattmachers' mit publizistischem Instinkt gekommen. Bintz bringt in die geborstenen Mauern an der Großen Marktstraße ein neues Zeitungsverständnis ein. Von einem angeborenen Optimismus beflügelt, ist er sicher, daß aus den materiellen, geistigen und seelischen Ruinen eine bessere Welt erwachsen müsse. Alles muß neu werden. Bintz vertraut deshalb auf die Kraft und Beweglichkeit der Generation, die zu jung ist, um zerbrochen und bleibend gekennzeichnet worden zu sein, und zu alt, um nicht seine eigenen Erfahrungen zu teilen. Er sammelt junge Menschen in seiner Redaktion, zum Teil aus der Generation der Flakhelfer mit Kriegsabitur. Ausgehungerte Twens in umgefärbten Wehrmachtsuniformen. ... Bintz vermittelt ihnen seinen Sinn für das kennzeichnende, anschauliche Detail, seine Erlebnisfähigkeit, die Schärfe der Beobachtung und die Bereitschaft, sich zwischen alle Stühle zu setzen. Er lehrt, die Zeitung als ein Objekt zu sehen, das ständiger schöpferischer Fortentwicklung bedarf. Er verordnet seiner Zeitung eine Typographie, die es noch bei keiner deutschen Zeitung gibt. ... Der Herausgeber besteht darauf, lokale Nachrichten von Rang auf die Titelseite zu bringen, mit dem Vorrecht, dort Weltnachrichten zweitrangiger Natur verdrängen zu dürfen. Auch das ist neu für 'seriöse' Blätter. 'Für diese Stadt und diesen Kreis, für die Menschen, die hier leben, sind wir da' hämmert er seiner jungen Mannschaft ein. Und willig übernimmt er den Lehrsatz, was ihm einmal ... als Kritik vorgehalten worden ist: 'Für uns liegt der Mittelpunkt der Welt in Offenbach'."1069) Udo Bintz verzichtete auch darauf, den Leitartikel jeder Ausgabe selbst zu schreiben, wie dies bei etlichen seiner Kollegen durchaus üblich war. In der "Offenbach-Post" übernahmen dies z.B. Mitarbeiter der Zeitung (so der stellvertretende Chefredakteur Fritz Przytulla oder Karl Brinkmann, Chef vom Dienst) oder Personen des öffentlichen Lebens. Der Leitartikel der ersten Nummer stammte von dem Mitherausgeber des "Darmstädter Echos", Paul Rodemann. (Die Möglichkeiten zu Stellungnahmen jeglicher Art blieben in den ersten Wochen des Erscheinens jedoch gering, da auch die "Offenbach-Post" von der Papierkontingentierung betroffen war. So musste das Blatt bereits am 30. Juni dazu übergehen, nur noch zweimal wöchentlich herauszukommen. Zuvor schon hatten die Dienstags- und Donnerstagsausgaben nur je zwei Seiten, die Samstagsnummer vier Seiten Umfang.) - 315 - Dass die neue Zeitung über das eigentliche Verbreitungsgebiet hinaus Beachtung fand, zeigte sich u.a. daran, dass Dolf Sternberger1069a) und André François-Poncet ihre Ansichten in der Zeitung publizierten. Bei einem Umfang von vier Seiten brachte sie auf der ersten Seite Politikmeldungen; den Leitartikel, das Impressum und Kurzinformationen unter dem Titel "Welt-Post", z.B. einen Beitrag über "England zwei Jahre nach dem Krieg" und "Prinzessin Hermine starb eines natürlichen Todes" auf Seite 2; Lokalnachrichten unter "Rings um die Stadt" sowie Hörfunkhinweise, betitelt "Frankfurt sendet ...", das Feuilleton auf der dritten Seite und auf der letzten Seite zu je einer Hälfte Sport und Anzeigen.1070) Ein Bericht der amerikanischen "New York Herald Tribune" (Autor: Geoffrey Parsons) hatte im September des Jahres die neue deutsche Presse zum Thema. Die "Offenbach-Post" zitierte daraus: "... Die deutschen Verleger müßten sich auf die Hinterbeine stellen und ihre eigenen Oberen mehr kritisieren. Sie hätten noch viel zu viel Respekt vor der Autorität. Sie müßten endlich lernen, daß sie frei seien und ein Recht zur Kritik hätten. Im Zusammenhang hiermit hob Mr. Parsons die Initiative eines deutschen Herausgebers hervor, der das Verhalten eines politischen Vertreters der Stadt Offenbach in seiner Zeitung so deutlich kritisieren ließ, daß dem Oberbürgermeister der Stadt der Rücken gestärkt wurde und dieser trotz heftiger Anstrengungen der Partei dieses Mannes den betreffenden Beigeordneten seiner Ämter in der Stadt enthob. Diese Art von Journalismus sei jedoch in Deutschland noch sehr selten, fügte der Verfasser abschließend hinzu."1071) "Das Weltbild", so schrieb man Jahre später, "an dem die Zeitung ... orientiert wird, ist der optimistische Glaube an menschliche Solidarität. Alles darf diese Zeitung sein, nur nicht Organ einer Gruppe, einer Klasse, einer Partei, einer Schicht. Bintz versteht sein Blatt als Kommunikations-Plattform der unterschiedlichen und auch der einander ausschließenden Interessen. Es geht ihm darum, Erscheinungen und Tendenzen der Zeit sichtbar zu machen und ins allgemeine Bewußtsein zu heben. Das gibt der Information einen Vorrang vor der subjektiven Deutung, ohne die Bereitschaft zu kritischer Prüfung und Auseinandersetzung zu verdrängen."1072) Der Zustimmung seiner Leser konnte Bintz gewiss sein, hatte doch eine Umfrage zum 31.Dezember 1947, deren Ergebnis Ende Januar 1948 veröffentlicht wurde, gezeigt, dass 81,5 Prozent der Abonnenten mit dem Stil der Offenbacher Lizenzzeitung einverstanden waren und genauso viele das Blatt für überparteilich hielten. "Daß wir Nachrichten und Meinungsäußerungen streng getrennt halten", fügte die Redaktion hinzu, "finden 83,6 Prozent der Leser richtig."1073) - 316 - Die "Bereitschaft zu kritischer Prüfung" zeigte die "Offenbachpost" in den Nachkriegsjahren - wie andere hessische Zeitungen - vor allem gegenüber Bevormundungen vonseiten der Behörden. Ob "Zeitungskritik Beleidigung" sei, fragte ein Journalist der Zeitung und nahm die Prozesse der Behörden gegen die neue Presse unter die Lupe,1074) und Udo Bintz schrieb über "Die Presse als Sekundenzeiger der Zeit"; ein Artikel, der die Auffassung der hessischen Zeitungsverleger zu Angriffen von Parteien gegen die Presse wiedergab.1075) Noch einmal, Anfang Mai 1948, äußerte sich Bintz zu diesem Problem unter der Überschrift "Umgang mit Journalisten".1076) Andererseits stellte er den Parteien vor Wahlen, die im Frühling in und um Offenbach stattfanden, die dritte Seite der "Offenbach-Post" zur Verfügung.1077) Bei den Stadtverordneten-, Gemeinderats- und Kreistagswahlen bekam die SPD die meisten Stimmen, gefolgt von der CDU, der Arbeiter-Partei, der LDP und der KPD.1078) Etwa zur gleichen Zeit wechselte der bisherige stellvertretende Chefredakteur der "Offenbach-Post", Fritz Przytulla, zum "Telegraf" nach Berlin.1079) Sein Nachfolger wurde Peter Eckardt, der fortan auch einen Großteil der Leitartikel und Kommentare schrieb. Innen- und außenpolitische Themen im Frühjahr vor der Währungsreform waren: "Kraftfeld Ruhrgebiet" von Fritz Przytulla,1080) der auch über den "Marshall-Plan" schrieb,1081) "Wir in Bizonien" von Peter Eckardt1082) - und Udo Bintz zu der Frage "Gibt es Krieg mit Rußland?"1083) 13.1.1 30. September 1948: Lizenz für die "Abendpost" Nach der Währungsreform erschien die "Offenbach-Post" zwar immer noch mit vier Seiten pro Ausgabe, doch konnte sie vom 1. August an viermal wöchentlich erscheinen, vom 15. August an sogar montags bis samstags. Sie kostete nun 2.75 DM pro Monat. Gleichzeitig warb die Zeitung, deren Druckpapier nun nicht mehr kontingentiert war, um neue Abonnenten. Bintz selbst meldete sich in seinem Blatt immer seltener zu Wort, dafür nahm die Zahl bekannter Autoren von Leitartikeln beachtlich zu.1084) Unter der Rubrik "Welt-Post" meldete die "Offenbach-Post" am 1. Oktober 1948, Udo Bintz sei am 30. September eine weitere Lizenz für die neue Abendzeitung "Abendpost" verliehen worden. Außer in Frankfurt werde das Blatt in Offenbach, Wiesbaden, Darmstadt und "anderen wichtigen Plätzen - 317 - Hessens an allen Zeitungsständen zu haben sein". Die "Abendpost", 14. lizenzierte Zeitung in Hessen, konnte vom 15. Oktober 1948 an auch als Abonnementzeitung bezogen werden.1085). Vor allem die Nichtauslastung der Druckmaschinen soll Udo Bintz bewogen haben, eine zweite Zeitung, ein "gehobenes Boulevardblatt"1086) herauszugeben, das in den Mittagsstunden in der Frankfurter Innenstadt auf der Straße angeboten wurde. Der Erfolg war beachtlich: Zeitweise hatte die "Abendpost" eine Auflage von 220.000 Exemplaren. In den Jahren nach Aufhebung der Lizenzpflicht, "mit dem gesättigten Wohlstand", so die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" dazu, "sank die Bereitschaft von Studenten und Rentnern, das Blatt im Straßenverkehr an den Mann zu bringen. Die Hamburger Boulevardkonkurrenz, bundesweit ausgetragen, schwächte die Resonanz der Abendpost weiter ab. Bintz drohten die roten Zahlen. Er verkaufte und nahm das Geld zum Bau eines neuen Druckhauses ..."1087) Der Titel der ehemaligen lizenzierten Abendzeitung blieb nach der Fusion mit der Frankfurter "Nachtausgabe" erhalten. 13.1.2 Themen der "Offenbach-Post" im letzten Lizenzjahr Im letzten Jahr der Lizenzpflicht hatte die "Offenbach-Post" eine durchschnittliche Auflage von 35.000 Exemplaren bei etwa 80.000 Einwohnern in der Stadt Offenbach. Sie kostete pro Ausgabe 15 Pfennige und erschien meistens mit je vier Seiten. Neuer Korrespondent der Zeitung wurde Sefton Delmer, Angehöriger der britischen Militärregierung und im Zweiten Weltkrieg Mitarbeiter des Soldatensenders Calais, der "schwarze" Propaganda gegen die Nationalsozialisten machte. Anfang 1949 schrieb er über "General Fu und die Engländer",1088) , einen Dreispalter zu "Wie ich China sah",1089) über "China scheiterte an der Korruption"1090) und über "Amerikas großen Fehler".1091) Außerdem kamen ein Washingtoner Korrespondent der Schweizer Zeitung "Die Tat" zu Wort sowie Richard Graves, ehemaliger Kommandant von Jerusalem; zudem Herbert Evatt, Präsident der UN-Vollversammlung, und der ehemalige britische Botschafter in Paris, Sir Duff Cooper. Die Verschärfung des Ost-West-Konflikts spiegelte sich auch in den Artikeln der Offenbacher Lizenzzeitung. Überschriften wie "Führende US-Kommunisten müssen sich verantworten"1092) , "Schwerer Schlag gegen die Russen"1093), "Rotes China - verlorenes China"1094) oder auch der Artikel des SPD-Parteivorstands Friedrich Heine über - 318 - "Kommunistenführer sind verhinderte Terroristen"1095) sind Beispiele dafür. Ein Journalist fragte außerdem in einem Leitartikel "Amerika sozialistisch?"1096) Bintz selbst schrieb einen offenen Brief an Walter Ulbricht, in dem er ihn einlud, Offenbach zu besuchen1097) und veröffentlichte wenig später in seiner Zeitung die Antwort Ulbrichts.1098) Zum "Fall Fritz Dietz" schrieb Udo Bintz einen Artikel unter der Überschrift "Peinliche Entflechtung". Ebenso nahm er sich des zweiten Falles an, der im Frühjahr 1949 landesweit hohe Wellen schlug: Unter der Überschrift "Fahren Sie mit der Straßenbahn, Herr Minister!"1099) publizierte er einen offenen Brief an den hessischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Lorberg1099a). Dazu schrieb er wenig später einen weiteren Kommentar, betitelt "Es ist etwas faul im Lande Hessen!"1100) Darüber hinaus beschäftigte er sich mit den Tücken und Mängeln des hessischen Pressegesetzes, das im Frühjahr 1949 in Vorbereitung war, und setzte sich mit den Konflikten zwischen Behördenvertretern und Lizenzpresse auseinander. So soll 1949 der Landrat in Offenbach den ihm unterstellten Beamten verboten haben, Auskünfte an die Presse zu geben. Überschreitungen dieses Verbots wollte er unter Strafandrohung untersagen.1101) 13.2 Die "Offenbach-Post" nach Aufhebung der Lizenzpflicht Das Wiedererscheinen der Altverleger-Zeitungen - im Umkreis von Offenbach wurden bereits im August 1949 das "Neu-Isenburger Anzeigeblatt", die "Langener Zeitung", der "Main- Rodgau-Anzeiger" (Mühlheim/Main) und in Groß-Gerau die "Heimatzeitung für den Kreis Groß-Gerau" verkauft - scheint für die "Offenbach-Post" nicht marktschädigend gewesen zu sein. Ihre im Februar des Jahres erstmals publizierte Bezirksausgabe, die "Hanau Post", erschien jedoch nur bis September 1949. Der "Hanauer Anzeiger", ein Altverlegerblatt, drohte der Zeitung harte Konkurrenz zu machen, und darauf wollte es der Bintz-Verlag nicht ankommen lassen.1102) In Offenbach selbst erschien die 1943 eingestellte alte "Offenbacher Zeitung" nicht wieder. So konnte in den darauf folgenden Jahren die "Offenbach-Post" ihre Auflage weiter steigern. Sie hatte im 4. Quartal 1952 eine Auflagenhöhe von 35.962; die der "Abendpost" war inzwischen auf 181.390 gestiegen. (Die "Frankfurter Nachtausgabe" verkaufte etwa zum gleichen Zeitpunkt 105.000 Stück.1103)) - 319 - Am 3. Juni 1952 trat als dritter Gesellschafter Otto Eberitsch neben Saskia und Udo Bintz in die "Bintz Verlag GmbH" ein.1104) 1953 erwarb der Bintz-Verlag eine neue Rotationsmaschine, die stündlich 25.000 Exemplare einer 32-seitigen Zeitung druckte. Eine weitere gehörte der Seiboldschen Druckerei und Verlag Dohany, auf der die "Offenbach-Post" seit ihrem Bestehen gedruckt wurde. Sie konnte in der gleichen Zeit 14.000 Stück produzieren. Am 1. Januar 1955, beinahe acht Jahre nach Gründung der Lizenzzeitung, wurde der Pachtvertrag, den Bintz mit der Familie Dohany geschlossen hatte zur Nutzung des technischen und räumlichen Besitzes des Altverlegers, gelöst. Beide Unternehmen fusionierten. Den Brüdern Werner und Ernst Dohany gehörten fortan 50 Prozent der "Bintz Verlag GmbH und Dohany Druck oHG", Bintz besaß die andere Hälfte.1105) Seit diesem Tag erschien der Name des Altverlegerblattes "Offenbacher Zeitung" im Untertitel der "Offenbach-Post". Eine Änderung in den Besitzverhältnissen gab es 1962, als Werner Dohany starb.1106) Udo Bintz übernahm daraufhin weitere 30 Prozent der Firma. Die Kreditaufnahme für diese 30 Prozent brachten ihn allerdings "arg an den Rand des Machbaren"1107), so dass in den siebziger Jahren, als Ernst Dohany seinen Anteil verkaufen wollte, dieser nicht von Bintz, sondern von Dr. Dirk Ippen übernommen wurde.1108) - 320 - 14 Lizenz für die "Werra-Rundschau", Eschwege Als 21. Zeitung in der amerikanischen Zone und als 12. Zeitung in Hessen erschien am 1.Januar 1948 die "Werra-Rundschau" in Eschwege. Die neue Zeitung, die während der Lizenzzeit in Eschwege, Witzenhausen, Rotenburg, Hersfeld und Hünfeld verbreitet wurde, nannte im Impressum: "Verlag: Werra-Verlagsgesellschaft m.b.H., Eschwege. Verantwortlicher Herausgeber: Hans Albert Kluthe, Lizenz H 204. Druck: A. Roßbach, Eschwege. Die Zeitung erscheint zunächst einmal wöchentlich. Bezugspreis: 1,85 RM frei Haus. Anzeigenpreis 40 Pfennig das Wort ..."1109) Bereits am 24. Dezember 1947 hatte Raymond Stover Kluthe mitgeteilt, ihm werde die Lizenzurkunde bei der ersten Gelegenheit nach Erscheinen der Zeitung übergeben.1110) Vorausgegangen waren im Sommer 1947 Gespräche zwischen Kluthe und Stover, denn Kluthe schrieb am 30. August 1947 an Stover: "... aus Gründen, die ich Ihnen erklären werde, wenn wir uns treffen, bin ich besonders daran interessiert, eine Lizenz zu erhalten ..."1111) Am 25. September notierte Dietrich Schroeder, Acting Chief der ICD: "Dies gilt als Bescheinigung, daß Herr Gustav A. Kluthe1112) , ein Deutscher, der in England ansässig ist, hier in Wiesbaden zu einem Interview bei der ICD als zukünftiger Lizenzträger einer hessischen Zeitung war. ..."1113) Hans Albert Kluthe selbst erinnert sich an die Vorgeschichte der "Werra-Rundschau" in einer privaten Notiz: "Durch meine publizistische Tätigkeit war ich vielen ausländischen Journalisten bekannt, die nach dem Zusammenbruch als alliierte Presseoffiziere nach Deutschland gingen. Einer von ihnen, heute Inhaber eines wissenschaftlichen Verlages in New York,1114) besuchte mich in England und lud mich zu einem Besuch in Wiesbaden ein, um wegen der Übernahme einer Lizenz zu verhandeln. Man bot mir an, Mitinhaber der 'Frankfurter Rundschau' ... zu werden. Ich lehnte dies ab und sagte, daß ich eine kleine Heimatzeitung herausgeben möchte. Ich begründete dies vor allem mit der Tradition des deutschen Pressewesens. 1932 hatten 92 % aller deutschen Tageszeitungen eine Auflage von weniger als 20 000. Obwohl dies den Konzeptionen der alliierten Pressepolitik widersprach, sagte man mir nach langen Verhandlungen eine solche Lizenz zu und schlug als Verlagsort Heppenheim, Hersfeld oder Eschwege vor. Ich entschied mich sofort für Heppenheim, überlegte aber dann, daß ein Zonengrenzbezirk politisch wichtiger und interessanter wäre, vor allem wegen der etwaigen Wirkungsmöglichkeiten in die Sowjetunion hinein. In Hersfeld stellte ich fest, daß Frau Ott die Zeitung für ihren Sohn retten wollte, der damals noch Kriegsgefangener in Ägypten war. Ich versprach, ihr nicht ins - 321 - Gehege zu kommen und mich für die Erteilung einer Lizenz an ihren Sohn einzusetzen. Herr Dr. Roßbach1115) in Eschwege hatte als ehemaliger Pg. keine Möglichkeit, eine Lizenz zu erhalten und war gern bereit, mich bei der Gründung einer neuen Zeitung zu unterstützen. Die Amerikaner wollten seine Druckerei zu meinen Gunsten beschlagnahmen und ihm einen Zwangspachtvertrag, wie er damals üblich war, auferlegen. Ich lehnte dies strikte ab und erklärte, daß ich nur einen Vertrag unterschreibe, der nach deutschem Recht gültig sei und in 10 Jahren noch genau so schön aussehe wie im Jahre 1947. Ich bat Herrn Dr. Roßbach, einen Lohndruckvertrag zu entwerfen, der auf mein Drängen auch von der zuständigen amerikanischen Dienststelle in Wiesbaden genehmigt wurde, wobei man allerdings die Laufzeit um zwei Jahre bis zum 31.12.1955 verlängerte. Dieser Vertrag trägt das Datum des 1. Januar 1948 ..."1116) Ein Leitartikel des Lizenzträgers in der ersten Ausgabe nannte "Was wir wollen": " ... Ein Freund, dem ich meine Absicht kundtat, hier in Eschwege eine Zeitung zu gründen, bemerkte: 'Du willst also eine Grenzzeitung herausgeben'. Gegen diese Bezeichnung erhob ich sofort lebhaften Protest. ... Hier hat die deutsche Presse eine große Erziehungsaufgabe zu erfüllen, indem sie ihren Lesern ein wahrheitsgetreues Bild der Wirklichkeit vermittelt. Eine streng sachliche Nachrichtenübermittlung, die sich von propagandistischen Fälschungen fernhält, ist daher ihre vordringlichste Pflicht. ... Die 'Werra-Rundschau' ist keiner Partei dienstbar. Sie ist nicht das propagandistische Sprachrohr einer bestimmten Richtung, sondern will dem Leser helfen, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden. Vertreter verschiedener Parteien sollen bei uns zu Wort kommen und in sachlicher Form ihre Gegensätze erörtern. Wir müssen uns daran gewöhnen, im Andersdenkenden den Mitbürger zu sehen, der es genau so redlich meint wie wir. Die augenblicklich herrschenden Formen des parteipolitischen Kampfes sind vielfach abstoßend und erwecken ein falsches Bild vom Wesen der Demokratie. Nicht nur die große Politik soll sich in den Spalten unserer Zeitung spiegeln. Was in unserer engeren Heimat geschieht, ist auch von großer Wichtigkeit. Die 'Werra-Rundschau' hat nicht den Ehrgeiz, ein 'Weltblatt' zu sein. Wir schreiben für die Menschen des osthessischen Gebietes. ... Wenn wir die Liebe zur engeren Heimat pflegen, wollen wir nicht in engstirnigen Lokalpatriotismus verfallen und einer Kirchturmspolitik das Wort reden. ... Wir wollen gelegentlich auch Beiträge von Ausländern bringen, die uns zeigen, wie man anders lebt und denkt. In unserer Mitte leben Amerikaner, die einen entscheidenden Einfluß auf unser Schicksal haben. Viele ihrer Maßnahmen mißfallen uns. Eine fremde Besatzung bringt immer Härten mit sich. ... Aber die Kontakte, die sich dabei ergeben, können auch heilsame Folgen haben. Die Amerikaner erkennen, daß nicht alle Deutschen wilde Barbaren sind. ... Wir wollen ihnen frei und offen entgegentreten. ... Wir wollen nach dem beurteilt werden, was wir leisten. Das Vertrauen unserer Leser, die durch bittere Erfahrung mißtrauisch geworden sind, müssen wir uns erst erwerben. Wir hoffen, daß allmählich jeder Leser die 'Werra-Rundschau' als 'sein Blatt' betrachtet, als das Organ seiner engeren Heimat, das ihm hilft, sich im Chaos dieser Zeit zurechtzufinden. Neben der Politik wollen wir auch das sonstige Geschehen schildern und geistige Kost bieten, die den Anspruchsvollen ebenso anspricht wie denjenigen, der nicht den - 322 - Vorteil einer höheren Schulbildung gehabt hat. Auch den Humor wollen wir nicht vergessen, gerade weil die Zeiten so ernst sind. Für offene Kritik und Anregungen sind wir stets dankbar und werden gern - im Rahmen des Möglichen - Stimmen aus dem Leserkreis veröffentlichen. Wir alle müssen versuchen, eine Grundlage zu schaffen, auf der deutsche Menschen der verschiedensten Meinungen und Interessen sich zusammenfinden können zu gemeinsamem Wirken für das Wohl unseres Vaterlandes und der Menschheit. In diesem Geiste tritt die 'Werra-Rundschau' hinaus in die Öffentlichkeit."1117) Auf der dritten Seite der ersten Nummer schrieb E. J. Hart, US Air Force Commanding, "zum Geleit": "... Die Gründung einer Zeitung an diesem Ort und zu dieser Zeit zeigt, welchen Wert man diesem Bezirk im Rahmen des allgemeinen Wiederaufbauprogramms beimißt. Sie wird ... einen konstruktiven Beitrag leisten zur Entwicklung der deutschen Selbstverwaltung ..."1118) Grußworte entsandten auch der Bürgermeister von Eschwege, Karl Lasch, sowie Landrat Johannes Braunholz. Und was die Vertriebsabteilung der neuen Eschweger Zeitung als ihr Ziel ansah, fanden die Leser auf der siebten von acht Seiten: "Die 'Werra-Rundschau' gehört als Heimatzeitung im Werra-Gebiet in jedes Haus. Unsere Bitte: Helfen Sie uns bei unserem Bestreben, die 'Werra-Rundschau' zu Ihrer Heimatzeitung werden zu lassen. Wir versprechen mit Hilfe unserer Leser und mit der Bitte derer, die es werden wollen, an der Werra jedem Haus seine Heimatzeitung zu geben. Machen Sie uns bitte Ihre Vorschläge."1119) 14.1 Lizenzübergabe an Hans A. Kluthe Die Übergabe der Lizenz am 2. Januar durch Colonel Frederic Leonard schildert Kluthe so: "Ich erklärte bei dieser Gelegenheit, daß ich als freier Mann und deutscher Patriot diese Lizenz mit gutem Gewissen annehmen könnte, denn sie sei an keine Bedingungen geknüpft und taste meine Unabhängigkeit nicht an. Eine Zensur bestehe nicht mehr und ich könnte notfalls auch die amerikanische Politik kritisieren, wenn mein Gewissen dies erforderte..."1120) Zu der Feierstunde waren außerdem der Chef der ICD-Presseabteilung, Stover, dessen Stellvertreter Vincent Anderson und Major Hart erschienen. - 323 - 14.1.1 Das Redaktionsteam der "Werra-Rundschau" Neben Herausgeber Kluthe waren 1948 bei der "Werra-Rundschau" tätig: Max Klier, der zuvor mehr als zehn Jahre Chefredakteur des "Eschweger Tageblatts" war und sich nun als geborener Eschweger vor allem des Heimatteils annahm. Hermann Kramer, der gleichfalls schon früher als Redakteur tätig war, jetzt das Ressort Politik übernahm und außerdem zahlreiche Reportagen schrieb; Hermann Bollmann, der zunächst verschiedene Aufgaben in Verlag und Redaktion versah; der spätere Chefredakteur Alfred Nagel, der als Redaktionssekretär bei der "Werra-Rundschau" begann. Im ersten Jahr des Erscheinens wurde das Team noch durch Heinz Groß, zuständig für die Sportberichterstattung, Herbert Klebe, der im Heimatteil mitarbeitete, und Heinz Venghaus, der als Graphiker arbeitete, erweitert. Das 25-jährige Zeitungsjubiläum konnte allerdings nur noch Alfred Nagel mitfeiern.1121) Erläuternd fügte Herausgeber Kluthe später hinzu: "... Zu einer heftigen Auseinandersetzung mit der amerikanischen Dienststelle in Wiesbaden kam es dann wegen der Einstellung meines Mitarbeiters Max Klier, der - aus mir durchaus verständlichen Gründen - im Jahre 1937 Mitglied der NSDAP geworden war. Man verlangte von mir telefonisch seine fristlose Entlassung und verzichtete nach langen Verhandlungen erst dann auf diese Forderung, als ich erklärte, ich müsse meine Lizenz zurückgeben, wenn man mir nicht zutraue, daß ich die richtigen Mitarbeiter auswähle. Außer Herrn Klier war lediglich Herr Kramer unter den ersten Mitarbeitern ein gelernter Journalist. Er schied später aus, weil die Redaktion inzwischen überbesetzt war und eine Entlassung für ihn keine soziale Härte bedeutete. ... Vom 1. Tage an war auch Herr Venghaus als Graphiker bei mir tätig. Ich lernte ihn als Kriegsgefangenen in England kennen. Als kaufmännischer Angestellter wurde der bis dahin in einem Steinbruch als Hilfsarbeiter beschäftigte sudetendeutsche Flüchtling Nagel eingestellt. Als Stenotypistinnen traten Frau Hüther (Flüchtling aus Ostpreußen) und Frl. Leimbach ein, die später durch Frl. Hartung ... ersetzt wurde. Die Redaktion wurde ergänzt durch Herrn Klebe, der vorher Arbeiter in der Druckerei Roßbach war, und durch Herrn Bollmann, einen schwer kriegsbeschädigten Flüchtling aus der Sowjetzone, wo er als Ritterkreuzträger in Gefahr war, der zunächst als Fahrer bei mir beschäftigt war. Alle machten die übliche Volontärzeit durch."1122) 14.1.2 Die neue Sachlichkeit: Trennung von Nachricht und Meinung In der Bevölkerung stieß die Tatsache, dass die neue Zeitung nur einmal in der Woche - mit einer Auflage im Januar 1948 von 19.980 Exemplaren - verkauft wurde, nicht auf - 324 - Begeisterung. Das fand auch der Altverleger Alexander Roßbach, der auf den Maschinen des ehemaligen "Tageblatt" im Lohndruck die "Werra-Rundschau" herstellte. In einer Notiz an den Lizenzträger schrieb er am 23. Januar: "Meinung vieler Leser: Die Zeitung müsse die Woche mindestens zweimal mit je 4 Seiten erscheinen, so sei der Stoff zu alt und die Zeitung uninteressant. Das 'Tageblatt' sei besser gewesen und habe auch kürzere Nachrichten gebracht."1123) Immerhin hatte die "Werra-Rundschau" bereits eine Rubrik "Und Ihre Meinung?" eingerichtet, die Leserzuschriften enthielt. Auf den acht Seiten pro Woche las man die politischen Informationen - wie üblich - auf der ersten Seite; das Impressum und den Leitartikel sowie "Quer durch die Woche" und "Kurz gemeldet" auf der Seite 2; auf der dritten Seite den Lokalteil; Seite 4 war überschrieben mit "Die Heimat meldet" und enthielt auch die Leserzuschriften; Seite 5 brachte neben einer halben Seite Anzeigen den Wirtschaftsteil; Seite 6 war dem Feuilleton vorbehalten und Seite 8 dem Sport. Die 7. Seite enthielt ausschließlich Anzeigen. Zur Trennung von Nachricht und Kommentar, die alle lizenzierten Zeitungen in der amerikanischen Zone zu beachten hatten, schrieb Hans A. Kluthe einen seiner zahlreichen Leitartikel. Unter der Überschrift "Sachlichkeit" meinte er: "'Da ist ja keine Meinung drin'. Dieses Urteil eines Lesers über unsere Nachrichtengebung war kritisch gemeint, aber er hat uns damit bewußt ein Kompliment gemacht, das wir dankbar registrieren. Das wichtigste Prinzip im Zeitungswesen der freien Welt ist die scharfe Trennung von Nachrichten und Meinungen. Damit können viele Leser sich noch nicht befreunden. Zu jeder Meldung möchten sie gewissermaßen eine 'Gebrauchsanweisung' mitgeliefert bekommen, die ihnen genau sagt, was sie von der betreffenden Neuigkeit zu halten haben. Damit können wir nicht dienen. Wir wollen unseren Lesern nicht vorschreiben, was sie denken sollen, sondern ihnen das Tatsachenmaterial liefern, das ihnen eine eigene Stellungnahme zum Zeitgeschehen ermöglicht. ... Der schlimmste Vorwurf, den man einer Zeitung machen kann, ist der einer unsachlichen Berichterstattung. Dieser Vorwurf ist hier in Eschwege auf einer Tagung des Sozialistischen Studentenbundes gegen einen 'großen Teil der Presse' erhoben worden, der, wie gesagt wurde, ein Interesse daran habe, ein 'fragwürdiges Gesicht der Sozialdemokratie herauszuarbeiten'. ... Wir möchten uns nicht an dem Austausch homerischer Reden beteiligen, der aus diesem Anlaß stattgefunden hat. Wir beschäftigen uns mit diesem Vorfall nur deshalb, weil er leider symptomatisch ist und die Gefahren zeigt, die der Entwicklung einer freien und unabhängigen Presse drohen. An Äußerungen, wie wir sie im lokalen Teil wiedergeben, erkennt man, wie tief totalitäre Anschauungen selbst noch in Menschen wurzeln, die sich ehrlich um die Demokratisierung unseres öffentlichen Lebens bemühen. Es ist bedauerlich, daß sie von einem führenden Vertreter der politisch bewußten Jugend gemacht wurden, in der wir bisher immer Bundesgenossen im Kampf um die Pressefreiheit erblickt haben. ... "1124) - 325 - Auch alle weiteren Leitartikel der wöchentlich erscheinenden Lizenzzeitung schrieb Hans A. Kluthe selbst, z.B. über "Das kommunistische Manifest"1125),"Gleichschaltung in Prag"1126), "Die Wirtschafts-Verwaltungen"1127) und auch über "Parteien und Presse". Kluthe schrieb: "Wir dürfen unseren Lesern eine wichtige Meinungsäußerung der zur Zeit stärksten Partei Hessens auch dann nicht vorenthalten, wenn wir sie für abwegig halten. Wir veröffentlichen daher in dieser Nummer eine Entschließung der SPD Nordhessens, die gegen die überparteiliche Presse gerichtet ist. Wenn wir genügend Raum hätten, würden wir außerdem gern einen Artikel von Willy Knothe abdrucken, der im Mitteilungsblatt der SPD Hessens vom 12. März erschienen ist und die Überschrift 'Unter der Diktatur der Lizenzpresse' trägt. ... Wir bedauern, daß ein führender Mann der SPD, der zu den Säulen unserer werdenden Demokratie gehört, sich unsachlicher Argumente bedient, um ein auch von uns gebilligtes Ziel - die Lizenzierung von Parteizeitungen - zu erreichen. Seine Behauptung, daß die sozialdemokratische Parteiführung das Vertrauen zur Objektivität der Lizenzträger verloren habe, ist zum Glück unzutreffend. ... Wir haben gute Freunde unter den Führern der SPD, der übrigens unseres Wissens auch der größte Teil der Lizenzträger Hessens angehört. Die 'Werra-Rundschau' ist - wie alle in der amerikanischen Zone zugelassenen Zeitungen - überparteilich, aber sie ist nicht parteifeindlich. ... Wenn es uns im Interesse der Allgemeinheit erforderlich scheint, werden wir uns gestatten, diese oder jene Partei anzugreifen. Über die künftige Form der deutschen Presse entscheiden weder die von der Militärregierung lizenzierten Parteien, noch die von der gleichen Stelle lizenzierten Zeitungsverleger, sondern einzig und allein die Leser. Eine Zeitung kann keine Diktatur ausüben, denn sie ist einer ständigen Volksabstimmung unterworfen. Verliert sie das Vertrauen ihrer Leser, dann muß sie ihr Erscheinen einstellen, denn kein Mensch wird eine Zeitung abonnieren, die er für lügenhaft und unzuverlässig hält. Wir wünschen uns kritische Leser, und wir wünschen den Parteiführern in ihrem Interesse Mitglieder, die ihnen scharf auf die Finger sehen. Mit 'treuen Gefolgsmannen', die blindlings einem 'Führer' folgen und auf eigenes Denken verzichten, kann man keine Demokratie aufbauen. Darin sollten sich alle einig sein, die sich Demokraten nennen."1128) Wenig später wandte sich der Lizenzträger unter der Überschrift "Und Ihre Meinung?" erneut an seine Leser.1129) Als die "Werra-Rundschau" ab dem 13. April zweimal wöchentlich erschien und den Umfang der einzelnen Ausgaben erhöhte, kamen auch andere Mitarbeiter der Zeitung in den Leitartikeln zu Wort. Nach der Kommunalwahl am 25. April 1948 erhielt die LDP die absolute Mehrheit in den Kreisstädten Eschwege, Hersfeld und Rotenburg. Am 22. Mai des gleichen Jahres widmete die Zeitung der "Veröffentlichung des Manifests des Liberalen Weltbundes", der zu dem Zeitpunkt in Zürich tagte, umfangreichen Raum auf der zweiten Seite. An den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss, mit dem Hans Kluthe gut bekannt war, hatte er schon - 326 - am 1. Mai 1948 geschrieben, er bezweifle, ob sich einige "hiesige Lokalgrößen" wirklich liberal nennen können. "Sie erinnern stark an den Nationalliberalismus unseligen Andenkens. Hier in Eschwege hat die LDP jetzt die absolute Mehrheit. Die verbonzte SPD hat ihr die Arbeit sehr leicht gemacht. Durch intensivere Organisation wäre noch mehr zu gewinnen. Namentlich die Jugend ist sehr empfänglich für liberales Gedankengut. Wenn wir nur aus dem wirren Haufen der demokratischen Parteien ein homogeneres Gebilde schaffen könnten! ..."1130) Kluthe, kein Mitglied der LDP,1131) schrieb am 18. November 1953: "Der Verleger bestimmt die Linie und gibt dem Verlag durch die Auswahl geeigneter Mitarbeiter sein Gesicht. Die Geschichte eines Verlages hängt deshalb eng mit der Geschichte des Verlegers, bzw. mehrerer Verleger oder Verlegerfamilien zusammen. ... der 30. 1. 33 unterbrach jäh meine Karriere, da ich meine liberalen Auffassungen nicht preisgeben konnte und auch als Vorstandsmitglied der Jungliberalen Internationalen, der Reichsleitung der Jungdemokraten und ähnlicher Ehrenämter für die neuen Herren nicht tragbar war. ... Erst im Herbst 1947 erhielt ich die Erlaubnis zur Heimkehr und nahm vorher noch mit Theodor Heuß ... u.a. am Gründungskongreß der Liberalen Weltunion in Oxford teil, deren Vizepräsident ich heute bin. ... Meine eigenen liberalen Auffassungen verberge ich nicht, aber ich gebe auch den Vertretern anderer demokratischer Auffassungen die Möglichkeit, ihre Meinungen den Lesern mitzuteilen. Dem Leser soll keine bestimmte Meinung aufgedrängt werden. Die Zeitung will ihm nur das Material zu einer eigenen Meinungsbildung liefern. Von Parteien und Interessengruppen soll sie stets unabhängig sein und allen Schichten der Bevölkerung dienen."1132) 14.1.3 Die "Werra-Rundschau" auf dem Weg zur Tageszeitung "Sehr bald wird die 'Werra-Rundschau' täglich erscheinen können", teilte Hans A. Kluthe den Lesern am 24. Juli 1948 mit. "Damit", so Kluthe "wird ein Wunsch in Erfüllung gehen, den wir schon seit unserer Gründung gehegt haben. Bereits als wir nur einmal in der Woche herauskommen durften, haben wir oft scherzhaft gesagt, die 'Werra-Rundschau' sei eine Tageszeitung, die leider einstweilen infolge der Papierknappheit als Wochenblatt auftreten müsse. Schon ab 1. August erfolgt eine Papierzuteilung, die dreimaliges Erscheinen ermöglicht. ... So werden wir vor allem in der nächsten Zeit mit dem Abdruck eines Fortsetzungsromans beginnen. ... Aber wir möchten unseren Lesern nicht den billigen Schund bieten, der früher so oft den deutschen Blätterwald verunzierte. ... Ein Fortsetzungsroman wird vor allem von unseren weiblichen Lesern verlangt. Zeitungen werden zwar in der Hauptsache von Männern gemacht, aber Frauen stellen den größten Prozentsatz der Leser. Wir sind uns bewußt, daß wir dieser Tatsache nur ungenügend Rechnung getragen haben. Wünsche können wir aber nur dann erfüllen, wenn sie uns mitgeteilt - 327 - werden. Wir bitten unsere Leserinnen, dies zu beachten. Allen Lesern sind wir dankbar, wenn sie an unserer Arbeit Kritik üben und Wünsche geltend machen. ... Es ist Aufgabe der Redaktion, möglichst vielen Lesern gerecht zu werden. Unsere Leser aber müssen wir bitten, die nötige Toleranz zu üben und Verständnis zu zeigen für die berechtigten Belange anderer Menschen. Unser Leserkreis setzt sich zusammen aus Menschen aller Parteien und Berufsschichten. Wir lehnen es ab, die Sonderinteressen einzelner Parteien oder Gruppen zu vertreten. Wir wissen, daß Parteien in einer Demokratie notwendig sind. Wir begrüßen es, daß jetzt endlich Parteizeitungen zugelassen werden. ... Unsere Leser wissen, daß wir keiner Kirchturmspolitik das Wort reden, aber wir sind stolz darauf, daß wir eine ausgesprochene Heimatzeitung sind, die für die Menschen dieser Gegend geschrieben wird. ... Um möglichst viele Heimatnachrichten bringen zu können, haben wir bereits damit begonnen, zwei verschiedene Ausgaben herauszubringen, eine für die Kreise Witzenhausen und Eschwege, eine andere für die Kreise Rotenburg, Hersfeld und Hünfeld. Dadurch wird es uns möglich, künftig viele Orte zu berücksichtigen, die bisher etwas zu kurz gekommen sind. Die Heimatzeitungen sind vielen Menschen ein Dorn im Auge. Als 'Mißgeburten' hat man sie neulich einmal bezeichnet. Das sind die Herrschaften, die vom Machtwahn besessen sind. Sie möchten alles von einem Zentrum her dirigieren. Sie träumen schon wieder von einer Massenfabrik der Meinungen. ... Die Presse darf unter keinen Umständen in die Hände einiger weniger Großunternehmen geraten, die sehr leicht Kartelle bilden und monopolartige Verhältnisse schaffen könnten. Wir werden uns auch weiterhin bemühen, unsere Zeitung auf einem Niveau zu erhalten, das den Vergleich mit größeren Blättern nicht zu scheuen braucht. Eine solche Zeitung kostet natürlich mehr als ein 'Käseblättchen'. Bei häufigerem Erscheinen müssen wir leider den Preis erhöhen. Wir hoffen, daß unsere Leser gern dieses kleine Opfer bringen werden, um die Qualität ihrer Heimatzeitung zu erhalten."1133) Die "Werra-Rundschau" erschien dann - vom 1. August an - jeweils dienstags, donnerstags und samstags und kostete monatlich 2.10 DM. In diese recht kurze Phase des dreimaligen Erscheinens pro Woche gehörte eine Auseinandersetzung mit der Kommunistischen Partei Hessens. Wie es in der Eschweger Lizenzzeitung am Dienstag, den 3. August, hieß, boykottiere die KPD die "Werra- Rundschau". Die Redaktion entnehme einer Äußerung des Stadtverordneten Fischer, "daß die Führung der Eschweger KPD ihren Mitgliedern nahegelegt hat, die 'Werra-Rundschau' abzubestellen. Als Begründung gab Herr Fischer die antikommunistische Haltung verschiedener Leitartikel an." "Statt sachlich dagegen Stellung zu nehmen und den - allerdings wohl aussichtslosen - Versuch zu machen, die darin enthaltenen Angaben zu widerlegen, greift man jetzt zum Mittel des Boykotts", schrieb die Lizenzzeitung weiter. "Auf diese Weise will man wohl verhindern, daß die Anhänger durch die Lektüre einer unabhängigen Zeitung in ihrer - 328 - 'Linientreue' erschüttert und zu eigenem Nachdenken angeregt werden. Oder glaubt man gar, durch wirtschaftlichen Druck die Pressefreiheit unterminieren und die Zeitungen zu einer der KPD genehmen Haltung zwingen zu können? Wir werden jedenfalls auch weiterhin unsere Meinung äußern, ohne uns der Zensur einer Partei zu unterwerfen", schloss die Redaktion. Wenige Tage später schrieb Kluthe dazu einen weiteren Leitartikel, betitelt "Wahrheitsliebe der KPD": "Mit einem Brief des Herrn Fischer, jenes einsamen Repräsentanten kommunistischer Ideale im Eschweger Stadtparlament, müssen wir uns an dieser Stelle beschäftigen, weil wir die in diesem Meisterwerk deutscher Prosa enthaltene schwere Beleidigung nicht unwidersprochen lassen dürfen. Das Streben nach Wahrheit ist oberste Pflicht für jeden anständigen Journalisten. Herr Fischer aber zeiht uns der 'bewußten Lüge'. ... Es fiel uns ... auf, daß - wie auf Kommando - die getreuen Anhänger des Herrn Fischer, die bisher niemals gegen die sogenannten 'Hetzartikel' protestiert hatten, ungefähr zur gleichen Zeit die Zeitung abbestellten. ... Die KPD wird kaum behaupten können, daß wir in unsachlicher Weise über ihre Versammlungen berichteten. Wir haben uns bemüht, ihre Auffassungen korrekt wiederzugeben. In unseren Leitartikeln haben wir uns allerdings gestattet, klar und eindeutig gegen den Kommunismus Stellung zu nehmen. ... Der Kommunismus tarnt seine wahren Absichten durch Anwendung einer demokratischen Terminologie. So führt er gern das in seiner Tautologie absurde Wort 'Volksdemokratie' im Mund, aber in seinen grundlegenden Schriften und in seiner Partei ist er eindeutig undemokratisch. Unsere sogenannten 'Hetzartikel' versuchten dafür den Beweis anzutreten. Macht man sich etwa der 'Hetze' schuldig, wenn man Zitate kommunistischer Führer abdruckt, die der derzeitigen Propaganda der KPD widersprechen? Herr Fischer genießt die Privilegien, die jedem Staatsbürger in einer Demokratie zustehen. Wir gehen sogar noch darüber hinaus und veröffentlichen seine Beleidigungen in unserer eigenen Zeitung, statt ihm eine Beleidigungsklage anzuhängen. Wenn man in Rußland diesem Beispiel folgen würde, statt Opponenten nach Sibirien zu schicken, dann wäre der Weltfriede gesichert."1134) 14.1.4 Die Eschweger Lizenzzeitung erscheint täglich 2.70 DM einschließlich Zustellgebühr kostete die "Werra-Rundschau" seit dem 1. September 1948, als sie zu täglichem Erscheinen übergegangen war. Kluthe schrieb dazu u.a.: " ... Die meisten heute erscheinenden Zeitungen sind Morgenblätter. Wir aber glauben, daß unsere Bezieher ihre Zeitung am liebsten nach Feierabend lesen - 329 - möchten und eine Abendzeitung vorziehen, zumal dies der hiesigen Tradition entspricht. Soweit das in unserer Macht liegt, werden wir uns bemühen, den Weg von der Rotationsmaschine zum Leser noch weiter zu verkürzen. Leider aber lassen die Verkehrsverhältnisse immer noch zu wünschen übrig. Während also unsere Bezieher in Eschwege, Witzenhausen, Bebra und vielen anderen Orten die Zeitung bereits am Abend des Erscheinungstages in den Händen haben, wird sie einstweilen in manchen anderen Orten, die verkehrsmäßig weniger günstig liegen, erst am folgenden Morgen verteilt werden können. ... Seit dem Erscheinen der ersten Nummer hat sich äußerlich mancherlei an unserer Zeitung geändert. Unverändert aber sind und bleiben die Grundsätze von denen wir uns von Anfang an bei der Gestaltung der 'Werra-Rundschau' leiten ließen. ... "1135) Noch Mitte Juni hatte Kluthe einer Bekannten in Köln geschrieben: "... Sehr viel Zeit und Kopfzerbrechen kostet allein die geschäftliche Leitung des Unternehmens. Ich glaube jetzt so disponiert zu haben, daß uns die Währungsreform nicht umschmeißen kann. Mit Papier bin ich jetzt für den Rest des Jahres eingedeckt. Leider wurden bei der letzten Sendung 10 Rollen beschädigt, wodurch 300 - 400 kg für den Zeitungsdruck verlorengehen. Ich habe den Apparat bewußt klein gehalten, sodaß ich selbst bei einer Auflagenminderung (die übrigens nicht unbedingt zu kommen braucht) niemanden zu entlassen brauche. ..."1136) Die Papiervorräte bei der "Werra-Rundschau" müssen sogar so gut bemessen gewesen sein, dass der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe an Kluthe am 26. Juli 1948 schreiben konnte: "Sie hatten die Freundlichkeit, uns durch Vermittlung der Buchdruckerei A. Roßbach, Eschwege, einiges Papier leihweise zur Verfügung zu stellen. Wir danken Ihnen recht sehr für diese Gefälligkeit und erklären Ihnen gern, daß wir Ihnen dieses Papier aus der ersten für uns nach Eschwege kommenden Papiersendung zurückgeben werden. Die Firma Roßbach wird Sie inzwischen sicher schon von der Zusicherung unterrichtet haben, die uns die Papierfabrik gegeben hat."1137) Auch an Zulieferern von redaktionellem Material mangelte es der "Werra-Rundschau" offenbar nicht. Hans Kluthe schrieb dazu: "... Noch viel höher als der Briefberg ist der Berg von Manuskripten, der sich auf meinem Schreibtisch angesammelt hat. Wenn es nur mehr gute Kurzgeschichten gäbe, die den verschiedensten Geschmacksrichtungen zusagen. ... Auch einige Korrespondentenbüros bringen jetzt laufend Auszüge aus freien Schriftstellern. Wie soll man so etwas überhaupt honorieren? Unser Verbreitungsgebiet ist ganz überwiegend protestantisch."1138) - 330 - Anfang August 1948 teilte der Lizenzträger einem Freund mit: "Die 'Werra-Rundschau' ist keine 'führende Zeitung', sondern ein ausgesprochenes Heimatblatt. Eine Zeitung vom Niveau der Frankfurter wäre hier völlig fehl am Platze. Auch bei häufigerem Erscheinen kann ich nur solche Artikel bringen, die - wenn schon nicht alle Leser, so doch den größten Teil interessieren. Viele Dinge, die Dich und mich interessieren würden, kann ich nicht bringen, weil sie hier kein Mensch lesen würde. Meinen Redakteuren rate ich immer, so zu schreiben, daß es auch die Kuhmagd in Herleshausen versteht, aber auch der Intellektuelle nicht die Nase darüber zu rümpfen braucht. Langatmige politische Abhandlungen kann ich nur einmal in Ausnahmefällen bringen, aber auch dann dürfen sie nicht allzu stark eine bestimmte parteipolitische Tendenz verfolgen. Eine Zeitung nach Deinem Geschmack wird vielleicht entstehen, wenn jetzt Parteizeitungen zugelassen werden."1139) Sechs Monate nach der Währungsreform zog der Herausgeber in einem Brief positive Bilanz: "Es war wirklich nicht leicht, bei den heutigen Verhältnissen ein neues Unternehmen zu starten und in einer fremden Stadt nach 11 Jahren Aus- landsaufenthalt mit fremden Menschen eine Zeitung aufzubauen, die sich einigermaßen sehen lassen kann. Das beanspruchte all meine Zeit und Energie. Jetzt läuft der Laden zwar, aber ich muß mich doch immer noch um jede Einzelheit bekümmern. Die Feiertage kenne ich schon lange nicht mehr. Aber es macht Spaß, und ich bereue weder meine Heimkehr, noch meinen Entschluß, verlockender scheinende Angebote auszuschlagen, um mich in dieser kleinen Stadt niederzulassen. Die Menschen neigen heute allzu leicht dazu, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen. Der Politiker will gleich Minister werden, und der Zeitungsmann möchte am liebsten ein Weltblatt herausgeben. Man errichtet kühne Bauten, ohne das Fundament zu berücksichtigen. Ich glaube hingegen, daß wir von unten anfangen müssen. Man muß zunächst einmal in einem kleinen überschaubaren Kreis wirken. So habe ich denn hier ein Blättchen aufgebaut, daß die schöne Gegend von Witzenhausen bis herunter nach Hünfeld bedient. Mir ist dieses Gebiet noch zu groß, und ich hoffe, daß ich später Hersfeld und Hünfeld einmal abstoßen kann. Solche Heimatblätter, die früher in der Regel in den Händen von Hugenbergianern waren, sind für die Meinungsbildung außerordentlich wichtig. ..."1140) Vier Wochen darauf schrieb er zufrieden: "... Die Zeitung hat sich sehr schön durchgesetzt. Sie wird auch von kritischen Fachleuten sehr günstig beurteilt. Man behauptet, eine Heimatzeitung dieser Qualität habe es noch nicht gegeben. ..."1141) Am 14. August 1948 teilte er einem Bekannten und Mitglied der LDP, Dr. Hermann Schäfer, in Hamburg mit: - 331 - " ... Hier in Hessen hat der freie Wettbewerb bereits begonnen. Er wird wilde Formen annehmen, wenn erst das Lizenzwesen aufhört, und das wird sehr bald der Fall sein. Noch bevor der Kampf begonnen hat, haben die beiden Frankfurter Blätter1142) Kampfpreise festgesetzt, die jeder vernünftigen Kalkulation Hohn sprechen und keine Rücksicht auf die unheimlich steigenden Papierpreise nehmen. (Während ich bisher 380.- für die Tonne zahlte, habe ich jetzt 20 to zum Preise von 650.- DM in Schweden gekauft, um ab 9.9. tägliches Erscheinen zu ermöglichen.) Ferner sind die Anzeigenpreise ganz erheblich gesenkt worden. In dieser Situation bringt die 'Frankfurter Rundschau' sonnabends eine 6-seitige Ausgabe mit einer 8-seitigen Kupfertiefdruckbeilage heraus, die im Straßenhandel für insgesamt 95 Pfg. zu kaufen ist. ... "1143) 14.1.5 Ärger mit der Konkurrenz: Die "Werra-Rundschau" gegen die "Hessischen Nachrichten" Die "Werra-Nachrichten", eine Lokalausgabe der Kasseler "Hessischen Nachrichten", versorgte bis zur Lizenzierung der "Werra-Rundschau" die Leser in Eschwege und Umgebung. Obwohl die "Hessischen Nachrichten", deren Auflage im Winter 1948 etwa das Zehnfache der "Werra-Rundschau" betrug, den relativ kleinen Verlust an Abonnenten in Eschwege sicher verkraften konnten, mag das Erscheinen der Eschweger Zeitung doch einer der Gründe der Spannungen gewesen sein, die zwischen Kluthe und den Herausgebern der "Hessischen Nachrichten" bestanden. So schrieb Kluthe am 18.Dezember 1948: "Unsere Kollegen von den 'Hessischen Nachrichten' - bekanntlich ist diese Zeitung ein Riese im deutschen Blätterwald - haben schwere Sorgen. Sie stellen eine vorübergehende 'totale Entblößung' ihrer Papiervorräte fest und können ihre Zeitung zur Zeit nicht im bisherigen Umfang erscheinen lassen. Das kann heutzutage jedem Verleger passieren. Eine Zeitung, deren treue Leser in 'zahlreichen Zuschriften' ihre 'enge Verbundenheit' mit ihrem Leiborgan bekunden, brauchte dadurch keine Einbuße zu erleiden. Die Herausgeber der 'Hessischen Nachrichten' scheinen aber zu befürchten, daß einige Leser nicht so treu sind, wie sie es wünschen möchten, und zu Zeitungen abwandern, die besser mit ihren Papiervorräten gewirtschaftet haben. Diese Furcht ist vielleicht verständlich, aber sie ist keine Entschuldigung dafür, daß man in einem warmherzigen Appell an die Treue seiner Leser die Leistungen anderer Zeitungen herabsetzt, mit denen man im Konkurrenzkampf steht. In einem Leitartikel der 'Hessischen Nachrichten' vom 15.12. heißt es: 'Die Hessischen Nachrichten haben auch auf zwei Seiten den Nachweis erbringen können, daß sie in der schnellen und gründlichen Wiedergabe von Nachrichten aus dem kurhessischen Raum von niemandem eingeholt, geschweige denn übertroffen werden konnten. Mögen anderen Zeitungen in unserem Verbreitungsgebiet im - 332 - Augenblick auch noch größere Papiervorräte zur Verfügung stehen, weil keine ihrer Auflagen noch nicht einmal an die Hälfte unserer Auflage herankommt, so beweisen dennoch selbst die zweiseitigen Ausgaben der Hessischen Nachrichten, daß ihre Nachrichten, Informationen und Bildberichte aus Nordhessen jedem Vergleich standhalten'. Wenn die Herren Kollegen von den 'Hessischen Nachrichten' es für geschmackvoll halten, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, dann ist das ihre Sache. Wenn sie aber glauben, dabei gleichzeitig ihre Konkurrenten herabsetzen zu müssen, dann können sie nicht erwarten, daß diese dazu Beifall klatschen. Wir neigen nicht zu anmaßender Überheblichkeit und vergessen nicht, daß wir eine kleine Heimatzeitung sind, während die 'Hessischen Nachrichten' in einer Großstadt erscheinen, die beinahe sogar - wenn die Bemühungen dieses einflußreichen Blattes Erfolg gehabt hätten - vorläufige Bundeshauptstadt geworden wäre. Wir können nicht mit einer Riesenauflage prunken, aber wir haben deshalb keinerlei Minderwertigkeits- komplexe, denn den verhängnisvollen 'Kult des Kolossalen' haben wir niemals mitgemacht. Die Höhe der Auflage ist ja auch wohl kein unbedingt gültiger Maßstab für die Qualität einer Zeitung, denn sonst wäre ja der 'Völkische Beob- achter' eine der besten Zeitungen der Welt gewesen. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir den freien Wettbewerb der Zeitungen im Interesse der Leser begrüßen. Wo Monopole herrschen, da besteht kein Anreiz zu einer Steigerung der Leistungen. So haben wir uns auch nie darüber beklagt, daß wir von Anfang an einem schweren Konkurrenzkampf ausgesetzt waren, in dem alle Trümpfe in der Hand der anderen lagen. Wir traten erst sehr spät auf den Plan, als die meisten sich schon an ein anderes Blatt gewöhnt hatten. Besonders hart war für uns, daß wir zunächst nur einmal wöchentlich erscheinen durften. Trotzdem haben wir uns auch ohne marktschreierische Reklame durchgesetzt und sehen voller Zuversicht der Zeit entgegen, wo wir nicht nur mit den bestehenden, sondern auch mit vielen neuen Zeitungen im Konkurrenzkampf stehen werden. Da wir in diesem Kampf bisher kein Papier verschwendet haben, trifft die Vermutung der 'Hessischen Nachrichten', daß wir nur 'im Augenblick' noch größere Papiervorräte haben, zum Glück nicht zu."1144) Die Antwort der so attackierten auflagenstarken Kasseler Lizenzzeitung publizierte Hans Kluthe - zusammen mit seiner eigenen Meinung - wenige Tage später. In dem mit "Entgleisung in Eschwege" betitelten Artikel auf der ersten Seite der "Werra-Rundschau" hieß es: "In ihrer heutigen Ausgabe ziehen die 'Hessischen Nachrichten' wieder einmal ihren Kopf ein (ihren Zeitungskopf natürlich) und widmen uns von allerhöchster Warte an prominenter Stelle einige scharfe Worte. Obwohl wir keine Freude an einer derartigen Polemik haben, müssen wir darauf kurz antworten. Festgestellt sei zunächst, daß ein Artikel der 'Hessischen Nachrichten', der die Leistungen der übrigen Zeitungen Kurhessens herabsetzte, uns zu einer Stellungnahme zwang. ... Viele Leser haben unsere Empörung über den genannten Artikel geteilt und erwarteten, daß wir ihn nicht schweigend hinnehmen würden. Zum Thema 'Weggenossen' ließe sich einiges sagen. Hier nur eine Kleinigkeit. Ein Angestellter der 'Hessischen Nachrichten' weigerte sich am vergangenen - 333 - Donnerstag, unseren Boten, der Klischees in Kassel abholte, zum Bahnhof zu fahren, damit er den Zug nach Eschwege erreichen konnte. Er begründete dieses 'kollegiale' Verhalten damit, daß er doch der Konkurrenz nicht helfen könne, rechtzeitig ihre Bilder zu bekommen. Jeder Leser unseres Artikels kann feststellen, daß wir die Worte 'anmaßende Überheblichkeit' und 'marktschreierische Reklame' nicht den 'Hessischen Nachrichten' widmeten. Trotzdem fühlen sich die Herausgeber zu folgenden Bemerkungen veranlaßt: 'Diese Art Polemik war bisher nicht üblich unter den Herausgebern der neuen deutschen Presse in den Westzonen. Offenbar trat die 'Werra-Rundschau' wirklich erst zu spät auf den Plan, um schon erkannt zu haben, daß derartige 'Kraftworte' das Merkmal einer glücklich überwundenen Publizistik darstellen, die wir nicht wieder im deutschen Blätterwald eingeschmuggelt wissen möchten'. Wer unseren Artikel ... gelesen hat, kann selbst feststellen, ob diese schulmeisterische Zurechtweisung gerechtfertigt ist. Es läge nahe, dazu einige sehr bösartige Bemerkungen zu machen. Aber wir sind nicht bösartig und legen auch keinerlei Wert darauf, uns weiterhin mit unseren Weggenossen herumzuzanken."1145) Eine öffentliche Diskussion zur Berichterstattung der Lizenzzeitungen über Kuppeleiprozesse nahm Kluthe zum Anlass, erneut die "Hessischen Nachrichten" in Kassel zu kritisieren: "... Herr Dr. Pöschl, einer der Lizenzträger der 'Hessischen Nachrichten', erklärte hierzu, ... er sei gern zu einer Einigung mit den Wettbewerbszeitungen bereit, sich bei Kuppelei- und Sittlichkeitsprozessen auf die Urteilsbekanntgabe zu beschränken. Wir müssen dazu sagen, daß wir den Inhalt unseres Blattes niemals durch die Konkurrenz bestimmen lassen. Wir haben ja auch nicht die amerikanischen 'strip cartoons' a la 'Blondie' und 'Rip Korby' nachgeahmt, die in den 'Hessischen Nachrichten' eine solche Rolle spielen. Es ist ganz selbstverständlich, daß eine Großstadtzeitung andere Wege gehen muss als eine Heimatzeitung. Mit unserer Prozeßberichterstattung aber erfüllen wir lediglich unsere journalistische Pflicht und haben keine Veranlassung, uns ihrer zu schämen. ... Oft hat man den Eindruck, daß viele Zeitschriften und auch einige Zeitungen an die niedrigsten Instinkte appellieren. ... Die in unserem Verlag erscheinende 'Neue Frankfurter Illustrierte' beteiligt sich nicht daran. Sie ist eine ausgesprochene Familienzeitschrift, und ihr Erfolg beweist, daß die Nachfrage nach 'pin up girls' doch nicht so allgemein ist wie manche Verleger glauben...."1146) Hintergrund war ein kurzer Hinweis, der am 7. Mai 1949 in der "Werra-Rundschau" erschienen war: "Die 'Neue Frankfurter Illustrierte', die Leseillustrierte der deutschen Familie, erscheint im gleichen Verlag wie Ihre Heimatzeitung, die 'Werra-Rundschau'. Unseren Lesern können wir heute ein besonders günstiges Angebot mit der Einführung unseres i- Abonnements der 'Werra-Rundschau' machen. Der Bezugspreis für die 'Werra-Rundschau' gemeinsam mit der 'Neuen Frankfurter Illustrierten' beträgt ab 1. Juni als i-Abonnement - 334 - monatlich 2.80 DM zuzüglich 45 Pfennig Zustellgebühr. ..."1147) Im Oktober des gleichen Jahres wurde Kluthe dieser Versuch, damit den Verkauf der "Werra-Rundschau" zu erhöhen, gerichtlich untersagt. "Wir wollen unsere Leser nicht mit langen Polemiken gegen die 'Hessischen Nachrichten' langweilen", schrieb Kluthe wenig später in einem Leitartikel, betitelt "Zeitungskampf". Er fuhr fort: "Einige Worte müssen jedoch gesagt werden, damit unser Schweigen nicht mißverstanden wird. Dabei wollen wir von den Hintergründen dieses Kleinkrieges ausgehen. Die 'Hessischen Nachrichten' erfreuten sich einmal einer Monopolstellung, die es ihnen gestattete, sich eine mächtige Position zu schaffen. Die späteren Gründungen, deren Aufgabe es war, diese Monopolstellung zu brechen, hatten es nicht sehr leicht, aber sie haben sich durchgesetzt. ... Ob eine Zeitung, deren maßgebende Redakteure in Kassel sitzen (und die in Kassel ihre Steuern bezahlen), gleichzeitig in Frankenberg, in Eschwege und an anderen Orten 'Heimatzeitung' sein kann, ist eine Streitfrage, die vielleicht einmal ein Seminar für Zeitungswissenschaft entscheiden wird. Ob die 'Hessischen Nachrichten' über hiesige Ereignisse 'schnell und zuverlässig' berichten - wie sie sich selbst bescheinigen -, wollen wir dem Urteil unserer Leser überlassen. Wir haben von maßgebenden Leuten weniger schmeichelhafte Urteile gehört. Daß sie eine 'alles(!) Geschehen in der weiten Welt umfassende Nachrichtengebung' haben, nahmen wir mit staunender Bewunderung zur Kenntnis. Die 'Hessischen Nachrichten' versuchen nun mit den verschiedensten Mitteln, ihren kleineren Konkurrenten Leser abzujagen. Am liebsten möchten sie uns wohl völlig an die Wand drücken. Daß sie dabei häufig Methoden anwenden, die man sehr wohl als skrupellos bezeichnen kann, wurde ihnen bereits von der 'Marburger Presse' und vom 'Waldecker Kurier' bescheinigt. Wir sind äußerst friedliche Menschen und haben uns auch nicht weiter darüber aufgeregt, daß man Werbekolonnen auf unsere Leser hetzte. ... Aber als eines Tages Herr Römschild zu uns kam und vor Zeugen schilderte, wie er gegen seinen Willen veranlaßt wurde, die 'Hessischen Nachrichten' für sechs Monate zu bestellen, haben wir seine Angaben abgedruckt und einen entsprechenden Kommentar hinzugefügt. Ob wir uns damit 'vergaloppiert' haben, wie die 'Hessischen Nachrichten' behaupten, wird die kommende Gerichtsverhandlung zeigen. Daß es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt, beweist eine Mitteilung, die uns Frau Christine Meier ... macht. Sie sah sich genötigt, folgenden Brief an die 'Hessischen Nachrichten' zu schreiben: 'Infolge der der Wahrheit nicht entsprechenden Abonnements-Vereinbarungen mit Ihrem zur Zeit in Reichensachsen tätigen Vertreter erkläre ich hiermit, daß ich mich an die Abonnements-Vereinbarung nicht mehr gebunden fühle. Eine Zustellung ab 1.10.49 erübrigt sich damit.' Auch hier war wieder einmal der Versuch gemacht worden, eine Bestellung auf sechs Monate zu erschleichen. Wir überlassen es getrost dem Urteil des Gerichts, ob es 'hemmungslos und beleidigend' ist, wenn man derartige Methoden als skrupellos bezeichnet."1148) - 335 - Der zwischen den beiden Zeitungen geführte Kampf um Abonnenten überdauerte die Lizenzzeit. Auch mit dem späteren Verleger der "Hessischen Nachrichten", Paul Dierichs, hatte Hans Albert Kluthe oftmals Meinungsverschiedenheiten.1149) 14.2 1949: Das zweite Jahr der "Werra-Rundschau" und das letzte Jahr der Lizenzpflicht In der Spalte, die sonst Leserbriefen vorbehalten war, erschien am 21. Februar 1949 der Text: "Die 'Werra-Rundschau' veranstaltet von Zeit zu Zeit eine Konferenz, zu der Vertreter von Behörden, Parteien und Organisationen eingeladen werden. Die KPD beantwortete unsere Einladung mit folgendem Schreiben, das wir ohne jede Änderung unseren Lesern zur Kenntnis geben. Wir haben die KPD gebeten, uns nachzuweisen, welche von uns über die Sowjetunion, die Ostzone Deutschlands und die KPD Westdeutschlands gebrachte Meldung nicht den Tatsachen entspricht. Die Redaktion. '... Der Kreisverband der K.P.D. hat sich dahingehend geäußert, daß der Einstellung der 'Werra-Rundschau' zu unserer Partei keine objektive Berichterstattung zu Grunde liegt. Wir sind der Ansicht, daß die laufenden Berichte der 'Werra-Rundschau' über die Sowjetunion, über die Ostzone Deutschlands, über die K.P.D. Westdeutschlands nicht dazu angetan sind, das deutsche Volk einer Völkerverständigung und den Bemühungen für ein einheitliches demokratisches Deutschland näher zu bringen."1150) In seinem Artikel vom 25. Juni 1949, überschrieben "Parteien sind notwendig", meinte der Herausgeber: "Die 'Werra-Rundschau' vertritt nicht die Auffassungen einer bestimmten Partei. Sie wendet sich an Menschen der verschiedensten politischen Richtungen, Konfessionen und Weltanschauungen. Ihre Hauptaufgabe sieht sie darin, ein möglichst objektives Bild vom Tagesgeschehen zu geben, also Nachrichten zu vermitteln, die nicht von einem parteipolitischen Standpunkt aus gefärbt sind. ... Die KPD vermögen wir nicht als demokratische Partei anzusehen, da sie zwar aus taktischen Gründen gern Gebrauch von den demokratischen Freiheiten macht, diese aber abschaffen und durch eine sogenannte 'Diktatur des Pro- letariats' ersetzen möchte. Auch auf der Rechten werden sicherlich wieder Parteien entstehen, deren offenes oder verstecktes Ziel die Beseitigung der Demokratie sein wird. Wenn diese Parteien einmal die Mehrheit gewinnen sollten, dann wird die Demokratie wieder einmal gescheitert sein, denn ohne eine demokratische Mehrheit ist sie nicht denkbar."1151) - 336 - Und noch einmal, eine Woche vor der Bundestagswahl, erinnerte Hans Albert Kluthe die Leser aus Eschwege und Umgebung: "... Mit unserer Stimme entscheiden wir mit über die Gestaltung der deutschen Zukunft. Die Kernfrage, um die es geht, ist diese: Wollen wir eine freiheitliche Demokratie, wie sie in den westlichen Ländern besteht, oder eine sogenannte 'Volksdemokratie', die letztlich zu einer von Moskau gelenkten Diktatur führt. ... Die KPD wird ... kaum mit Wahlerfolgen in unserem Gebiet rechnen können. Die anderen Parteien unterscheiden sich in wesentlichen Fragen, aber sie sind einmütig in ihrer Ablehnung des von den Kommunisten vertretenen Staatsideals ..."1152) Nach der Wahl, bei der in der Stadt Eschwege die FDP die meisten Stimmen, die KPD die wenigsten Wählerstimmen bekam, kommentierte Hans Albert Kluthe: "... Trotz gewaltiger Anstrengungen und einer verlogenen Demagogie hat die KPD in keinem Wahlkreis einen Abgeordneten durchbringen können. Auch die wilde nationalistische Propaganda, die sie betrieben hat, führte nicht zu dem von ihr erwarteten Ergebnis. ... Der CDU und der FDP müßte Gelegenheit gegeben werden, dem Volke zu beweisen, daß die von ihnen befürwortete Wirtschaftsordnung tatsächlich in der Lage ist, soziale Gerechtigkeit herbeizuführen. ... Sie (die Kommunisten, Anm. E.W.) werden auch weiterhin bestrebt sein, den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westdeutschlands zu hemmen und sich dabei aller Mittel einer rücksichtslosen Demagogie bedienen. Sie wissen eben ganz genau, daß sie nur dann Erfolg haben können, wenn das Elend und damit die Unzufriedenheit wächst. Mit der weiteren Gesundung unserer Wirtschaft werden ihnen auch die letzten Felle davonschwimmen. ..."1153) Auch in den darauf folgenden Wochen beschäftigte sich der Lizenzträger immer wieder mit den Einflussmöglichkeiten der Kommunistischen Partei. Nach der Wahl am 14. August konzentrierte sich sein Interesse allerdings zunehmend auf internationale Konflikte zwischen Ost und West, die jedesmal ein klares Votum für die neue Zugehörigkeit zu den USA beinhalteten. 14.3 Auflagenzahlen der "Werra-Rundschau" Mit einer Auflage von knapp 20.000 Exemplaren startete die "Werra-Rundschau" im Januar 1948. Im April des gleichen Jahres betrug die Auflagenhöhe 20.501 Exemplare und im Juni 20.973. Einen Monat später war sie plötzlich rapide gesunken: Sie betrug nur noch rund 17.700 Exemplare und verringerte sich am Ende des Monats Juli auf etwa 16.900. (Von - 337 - denen übrigens pro Monat 96 Exemplare an amerikanische Besatzungsdienststellen abgeliefert werden mussten.) Die "Werra-Rundschau" erklärte den beträchtlichen Auflagen- Rückgang 25 Jahre später so: "Die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Währungsreform stellten auch an die 'Werra-Rundschau' neue Anforderungen. Nun war auf einmal das Geld Mangelware geworden. Die Auflage von zunächst 20.000 ging zurück, da die weitab liegenden Gebiete aufgegeben werden mußten, weil sie vertriebsmäßig und redaktionell von Eschwege aus nicht ausreichend zu betreuen waren. Durch die wachsende Konkurrenz wurde der Leser anspruchsvoller. ..."1154) Auch nach der Aufhebung der Lizenzpflicht konnte die "Werra-Rundschau" ihre Auflage nicht mehr steigern. Im Laufe der Jahre pendelte sie sich auf die Hälfte der ursprünglichen Auflagenhöhe, auf rund 10.000 Exemplare ein.1155) - 338 - 15 "Waldecker Kurier", Korbach Die letzte Zeitung, die während der Besatzungszeit in Hessen lizenziert wurde, war der "Waldecker Kurier" im osthessischen Korbach. Lizenzträger Ludwig Wilhelm Steinkohl1155a) nannte in der ersten Ausgabe, die am 9. Juni 1948 mit der Lizenz-Nummer H - 205 erschien, in zehn Leitsätzen "zum Besten unserer Leser" seine Vorstellungen.1156) "Wir glauben", schrieb Steinkohl u.a., "daß alle Personen und Verbände ein Anrecht darauf haben, in den Spalten der Zeitung fair behandelt zu werden. (Wir werden daher niemand angreifen, ohne ihm Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu rechtfertigen oder seinen Standpunkt darzulegen.)" Die Lizenzurkunde wurde ihm von Dr. James Newman, dem Direktor der Militärregierung in Hessen, in einer Feierstunde überreicht. Dabei sagte Newman, Steinkohl solle "sich immer bemühen, zwischen der direkten Zeitungsberichterstattung und Ihrer Meinung in den Leitartikeln zu unterscheiden. Berichten Sie die Tatsachen so, wie sie sind, in Ihrem Nachrichtenteil und kritisieren Sie die Mängel einzelner Leute oder Regierungsbeamten oder loben Sie die Betreffenden in Ihren Leitartikeln. ..."1157) Anwesend waren auch die beiden Presseoffiziere Raymond J. Stover und Vincent O. Anderson, die in Korbach - wie zuvor in anderen hessischen Städten1157a) - die Vorbereitungen zur Herausgabe der 13. hessischen Lizenzzeitung getroffen hatten. Dr. Hugo Stenzel, Lizenzträger der "Frankfurter Neuen Presse", nahm in seiner Funktion als Vorsitzender des Verbands Hessischer Zeitungsverlage ebenfalls an der Feierstunde teil, in der Landrat Dr. Oskar Hanke u.a. die Gelegenheit nutzte, den Militärgouverneur um Hilfe bei der Beseitigung der Wildschweinplage im Waldecker Land zu bitten. Die erste Nummer umfasste - fünfspaltig gesetzt - sechs Seiten einschließlich einer halben Seite Kleinanzeigen. Die erste Seite brachte, neben dem Bericht über die Lizenzvergabe, Agenturmeldungen zu innen- und außenpolitischen Ereignissen, die zweite Seite enthielt u.a. den Leitartikel des Lizenzträgers, überschrieben "Unser Wollen", sowie einen Fortsetzungsroman. Seite 3 informierte über "Neues aus dem Waldecker Land" und das lokale Sportgeschehen unter "Der Sportkurier", Seite 4 brachte Lokalnachrichten, Seite 5 den "Wirtschafts-Kurier" sowie die "Bunte Welt"; auf der sechsten Seite wurde u.a. "Aus dem Gewerkschaftsleben" berichtet. Die zweite Ausgabe am Freitag, 11. Juni, hatte nur einen Umfang von vier Seiten. - 339 - Die ersten Leserzuschriften veröffentlichte das Blatt am 15. Juni unter der Überschrift "Das offene Wort". Der "Kurier" kostete im Einzelverkauf 20 Pfennige (wenn er vier Seiten umfasste) und 0,25 RM bei sechs Seiten. Noch im Juni erweiterte die Lizenzzeitung ihre Rubriken um "Radio Frankfurt sendet" und wies Ende des Monats auf eine Sondernummer zur Währungsreform hin. In einer "Rundfrage" wollte das Blatt im Juli 1948 von den Lesern wissen, "ob die gleichmäßige Verteilung der Textilpunkte ohne Berücksichtigung der einzelnen Bevölkerungsschichten vertretbar ist oder ob man einzelne Verbrauchergruppen bevorzugen sollte." Dies Problem stellte sich in der grenznahen Kleinstadt verstärkt, weil zu Korbachs Einwohnern nach Kriegsende zahlreiche Evakuierte zählten.1158) Bereits eine Woche später wandte sich der "Kurier" in einer weiteren "Rundfrage" an die Handwerker unter der Leserschaft.1159) Weitere Umfragen folgten, wohl in dem Bemühen, die Leser stärker an die neue Zeitung zu binden. Bis zu deren Erscheinen waren Korbach und die Region von der größten Lizenzzeitung in Kassel, den "Hessischen Nachrichten", mit einer Nebenausgabe versorgt worden, und vor Kriegsende war in Korbach das Altverleger-Blatt "Waldeckische Landeszeitung" im Verlag Bing erschienen, dessen Gebäude und Druckerei der "Waldecker Kurier" jetzt, geregelt durch einen Pachtvertrag, nutzte. Zum Redaktionsteam des "Kurier" gehörte auch Dr. Heinz Walbrück. Er war zuvor Redakteur der "Gießener Freien Presse" gewesen und versah jetzt die Aufgaben des Chefs vom Dienst. Als am 26. Juli 1948 das öffentliche Forum in Korbach mit Vertretern des öffentlichen Lebens gewählt wurde, gehörte Walbrück dem Präsidium an. Ab 1. August konnte die Zeitung dreimal wöchentlich erscheinen und kostete im Abonnent pro Monat 2,10 DM zuzüglich 30 Pfennigen Trägerlohn. Der Einzelpreis betrug nun 20 Pfennige. Die Zeitung verfügte nach der Währungsreform über ausreichende Papierressourcen, erhöhte den Anzeigenteil und ermunterte die Leser auf beigefügten Bestellscheinen zum Abonnement. Sie konnte ab September viermal in der Woche erscheinen; Steinkohl kommentierte diese Neuerung in einem Leitartikel: "... Nicht ganz zufrieden mit uns sind die Parteien. Es wird nun eine überparteiliche Zeitung geben, deren Leistungen von allen Parteien in gleicher Weise anerkannt werden. ... Der 'Waldecker Kurier' will ... kein Parteiorgan werden." Er sei in erster - 340 - Linie eine Heimatzeitung, denn "ohne Heimatliebe" gebe es "kein Weltbürgertum. ... Unsere Zeitung soll daher ein Spiegel sein, in dem der Leser ein klares Bild dessen findet, was ihn in politischer, wirtschaftlicher, kultureller oder sportlicher Hinsicht interessiert und bewegt. Wir wollen Mittler sein zwischen dem Leser und der Welt; der Heimat im engeren und im weiteren Sinne und den großen und kleinen Ereignissen, von denen unser aller Schicksal abhängt."1160) Entsprechend bemühte sich Ludwig Steinkohl in den folgenden Monaten verstärkt, das Interesse der ländlichen Bevölkerung zu wecken mit zusätzlichen Rubriken wie "Tradition und Fortschritt in Waldecks Wirtschaftsleben", vermied in der Behördenstadt Korbach die Konfrontation mit deren Vertretern, stieß auch bei den Parteien nicht auf Ablehnung, wandte sich verstärkt an die weiblichen Leser mit wiederkehrenden Informationen "Für die Frau", publizierte die "Kultur-Rundschau" und den Wetterbericht (diesen im Zeitungskopf) - und konnte allen Anstrengungen zum Trotz doch nicht auf dem Zeitungsmarkt reüssieren. Die Chance, als alleiniger Lizenzträger "seiner" Zeitung ein markantes Gesicht zu geben, hatte er wohl aus Sicht vieler Leser nicht genügend genutzt. Auch das Erscheinungsbild des "Kurier" blieb während der kurzen Zeit seines Bestehens farblos und uninteressant. Auf Fotos zur Auflockerung verzichtete Steinkohl weitgehend, illustrierte das Blatt bestenfalls mit einigen Zeichnungen und auch im Lay-out blieb die Zeitung unübersichtlich. Selbst mit zahlreichen Preisausschreiben, in denen er z.B. fragte: "Wer möchte eine Woche umsonst ins Upländer Skiparadies?"1161) fand der Lizenziat nur wenig Resonanz. So bekam die Zeitung von einigen Lesern auch den Rat, "die häufig als allzu trocken empfundene sachliche Berichterstattung zu Gunsten einer subjektiven Darstellung der Ereignisse fallen zu lassen, weil dadurch der Leseranreiz gefördert werde."1162) Steinkohl schien aber weniger daran gelegen zu sein, dem Leser entgegenzukommen, als vielmehr den Rückhalt bei Behörden und Parteien zu finden. So betonte er auf einer Zusammenkunft mit deren Vertretern im März 1949, der Leser müsse objektiv durch "eine strenge Trennung von Nachrichten- und Meinungsteil" unterrichtet werden; Bedenken, "die man seitens der Besatzungsbehörde gegen die sogenannten Heimatzeitungen gehabt habe, wie Hochzüchtung eines überspitzten Nationalismus, Abhängigkeit von privaten Interessen und so weiter, gelte es zu zerstreuen."1163) Ihm sei jedoch eine andere Zeitung bekannt, die Nachricht und Meinung vermische und dadurch die "klare selbständige Meinungsbildung des Lesers zu beeinflusse" suche.1164) Korbacher Leser konnten in der "anderen Zeitung" unschwer die "Hessischen Nachrichten" erkennen. - 341 - 15.1 Ludwig Steinkohl zum "Fall Dietz" In einem Fall unterschied sich Steinkohl jedoch grundlegend von seinen hessischen Kollegen, in der Beurteilung der "Affaire Dietz". Fritz Dietz, 1946 noch Leiter des hessischen Landesernährungsamtes, zugleich Mitinhaber einer Lebensmittelfirma und Teilhaber eines Importhauses, war vorgeworfen worden, amtliche Tätigkeit mit privatwirtschaftlichen Interessen vermischt zu haben. Untersuchungsausschüsse der amerikanischen Militärregierung befassten sich zwei Jahre lang mit dem Fall, der im November 1948 rechtlich immer noch nicht geklärt war. Mittlerweile war man aber zu der Einschätzung gekommen, dass Dietz, so Steinkohl, "keinerlei Verfehlungen nachgewiesen werden konnten."1165) Der Lizenzträger meinte dazu weiter: " ... Leider haben alle Zeitungen, welche spaltenlange Artikel im Zusammenhang mit den Verdächtigungen gegen Dietz veröffentlicht haben, das Ergebnis der Untersuchungen nur beiläufig erwähnt. ... Es ist heute Mode, bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit Behörden und die sie repräsentierenden Persönlichkeiten anzugreifen. Hat sich ein Beamter Verfehlungen zuschulden kommen lassen, so werden auch wir nicht davor zurückschrecken, der Oeffentlichkeit darüber die ganze Wahrheit zu sagen. Allerdings sind wir gerade aus diesem Grunde ebenso verpflichtet, auch im umgekehrten Falle für alle solche Beamten eine Lanze zu brechen, die unter schwierigsten Voraussetzungen ihre Pflicht erfüllen. ..." Vor allem den "Hessischen Nachrichten" in Kassel warf Steinkohl vor, sie vermischten im "Fall Dietz" Nachricht und Kommentar zu Lasten des Ministers,1166) und informierte seinerseits die Leser über die Vorgeschichte der Affaire.1167) In einem weiteren Leitartikel schrieb der Korbacher Lizenzträger: " ... Die 'Hessischen Nachrichten' beispielsweise haben uns zu unserem Mut gratuliert, daß wir im Fall Dietz gegen den Strom der Meinungen anschwimmen. Wenn sie nun allerdings behaupten, daß wir Herrn Dietz verteidigen, so beweist das, daß sie noch immer nicht verstehen wollen, weshalb wir eigentlich 'keinen Streit vom Zaune gebrochen haben'. Wir wiederholen deshalb zum drittenmal: die 'Hessischen Nachrichten' vermengen seit einiger Zeit in ihrem Nachrichtenteil Nachricht und Meinung miteinander. Sie gründen ferner im Meinungsteil ihre Ansichten auf unzulängliche oder falsche Informationen. Wir haben unmißverständliche Beispiele hierfür angegeben. Darauf hat man bis jetzt nicht geantwortet. Der Versuch, zuzugeben, daß bei der Wiedergabe einer Nachricht der subjektive Eindruck des Berichterstatters möglicherweise zum Ausdruck gekommen sei, unterstreicht lediglich die Richtigkeit unserer Feststellung. - 342 - Im Gegensatz zu den 'Hessischen Nachrichten' haben wir auf die gegen uns erhobenen Vorwürfe geantwortet. Wir haben nachgewiesen, wann, wie oft und wie schnell wir über den Fall Dietz berichtet haben. Unsere Leser können sich überzeugen, daß wir jetzt, da die einseitige Vernehmung von Belastungszeugen durch die Dekartellisierungsabteilung der Militärregierung vorüber ist und die parlamentarische Untersuchung ein objektiveres Bild vermittelt, in aller Ausführlichkeit berichten, wie wir es von vornherein zugesagt haben. Deshalb können wir es uns jedenfalls ersparen, uns bei unseren Lesern wegen unseres Verhaltens zu rechtfertigen. ... Da man uns auf dem Gebiet einer sachlichen Auseinandersetzung nicht entgegentreten konnte, hat man uns 'angerempelt'. Solange man uns also weiter mit Ausflüchten, nicht aber mit Argumenten entgegentritt, werden wir das, was die 'Hessischen Nachrichten' Polemik nennen, nicht mehr beantworten."1168) Als eines der wenigen Beispiele für objektive Berichterstattung nannte Steinkohl den "Wiesbadener Kurier".1169) Unter der Überschrift "Stock contra hessische Zeitungsverleger"1170) veröffentlichte der "Kurier" Anfang April 1949 eine DENA-Meldung, in der der hessische Ministerpräsident der Presse "abgesehen von den Zeitungen, die sich mit einer Berichterstattung begnügten", vorwarf, "sie habe nicht nur der Sensation den Vorzug vor dem Takt gegeben, sondern auch eindeutig gegen die Lizenzbestimmungen verstoßen. ..." Landwirte aus Waldeck wurden im "Kurier" mit der Ansicht zitiert, Dietz sei erst dann zu verurteilen, wenn seine Schuld bewiesen sei.1171) Die "Affaire Dietz" fand ihren Abschluss im Juli 1949, als Dietz von einem amerikanischen Militärgericht zu zweimal 90 Tagen Haft verurteilt wurde. Er hatte die Aussage und die Vorlage eines Dokuments verweigert. 15.2 Der "Waldecker Kurier" im zweiten Jahr seines Bestehens Ab dem 1. April 1949 konnte der "Kurier" sechsmal pro Woche erscheinen, er kostete im Monat 2,55 DM zuzüglich 40 Pfennigen Trägerlohn und nannte im Impressum neben Chefredakteur Steinkohl verantwortlich für Politik und Wirtschaft Gerhard Zumbach, für Lokales und Sport Heinrich Emde und für den Kulturteil Gerda Pelz. Zum einjährigen Bestehen schrieb die Lizenzzeitung u.a.: " ... Die verbesserte Papierzuteilung und das tägliche Erscheinen haben viele Leserwünsche zufriedengestellt. Wer glaubte, wir vernachlässigten den Sport, kommt nun schon eher auf seine Rechnung, - 343 - ebenso wie der Leser eines ausführlichen Wirtschafts- und Sozialteiles. Auch den Freunden des heimatgeschichtlichen sind wir Schritt um Schritt entgegengekommen. Wir haben es zu Beginn unserer Arbeit nicht besonders betont, daß wir eine ausgesprochene Heimatzeitung werden wollen. Für jeden, der die Entwicklung des WK aufmerksam verfolgt hat, ist es längst klar geworden, daß hier der Angelpunkt unserer Arbeit liegt. ..."1172) Der Redaktion mag im Sommer und Herbst 1949 wohl aufgefallen sein, dass der Lizenzzeitung das Volkstümliche weitgehend fehlte. Nicht jeder Leser interessierte sich für die zahlreichen Artikel des Lizenzträgers, die sich - gemäß den Lizenzbestimmungen - mit der Trennung von Nachricht und Kommentar allzu häufig befassten. Deshalb suchte der "Kurier" in großen Eigenanzeigen die Aufmerksamkeit mittels holpriger Reime zu erlangen. Die Zeitung dichtete: "Wenn das Tagwerk fängt an, in die Zeitung schnell den Blick! Weil ein jeder kluge Mann vorwärts denkt und nicht zurück! Und er liest, was wissenswert, was uns jeder Tag beschert aus Kultur und Politik, kleinen, großen Herzensglück, Landwirtschaft und Unterhaltung, Preis, Verkauf und Warenhaltung: Alles das erfährt er hier, aus dem 'Waldecker Kurier'."1173) Weitere Reime folgten. Ebenfalls im Anzeigenteil wies die Zeitung darauf hin, dass sie vor Weihnachten 1949 in ihren Samstagausgaben rund 100 Geschäftsanzeigen, 18 Familienanzeigen und 27 Kleinanzeigen publiziert hatte.1174) Im November 1949 erschien zusätzlich an Samstagen "Zwischen Eder und Diemel - die Heimatkundliche Beilage" im halben Format mit vier Seiten. Mittwochs wandte sich der "Kurier" - ebenfalls als Beilage - mit einem "Ratgeber für Landwirte und Gartenfreunde in Waldeck" an seine Leser. Die Belegschaft der Redaktion war in der Zwischenzeit vergrößert worden: Neben Heinrich Emde und Gerda Pelz waren dort Oskar Feiber, Erika Horsel, Meinhard Schwarz und Armin Richard neu hinzugekommen. - 344 - 15.3 Der "Waldecker Kurier" gibt auf Zum Jahresbeginn 1950 teilte der Lizenzträger in einem Leitartikel, überschrieben "Ihr sollt die Wahrheit wissen", mit, der "Kurier" stelle sich den Lesern "in einem neuen Kleid" dar: Einem immer wieder geäußerten Leserwunsch entsprechend habe man die Spaltenbreite von fünf auf vier Spalten reduziert. Er machte zudem darauf aufmerksam, dass die Zeitung auch durch die Einführung der heimatkundlichen Beilage "Zwischen Eder und Diemel" und den wöchentlich erscheinenden Ratgeber "Landwirtschaft und Gartenbau" sowie die Beilage "Was bringt das Radio", ebenfalls wöchentlich, viele Leserwünsche erfüllt habe. Dies gelte auch für die zusätzliche Seite "Film und Funk". Bislang sei es durch die ungenügende Papierzuteilung nicht möglich gewesen, diese Beilagen zu publizieren. "Mit dieser nach außen hin sichtbaren Vergrößerung des Umfanges ist ... bewiesen, daß die stetige Aufwärtsentwicklung unserer Zeitung dank der Unterstützung und dem Vertrauen unserer Leser und Mitarbeiter einen solchen Ausbau zugelassen hat. Er ist aber nicht auf Kosten eines anderen Teils der Zeitung erfolgt."1175) Man werde, fuhr Steinkohl fort, nun den lokalen, "das heißt den beliebtesten Teil unserer Zeitung"1176) auf den Seiten zwei und drei bringen. Da der "Kurier" kein Kopfblatt einer außerhalb Waldecks gedruckten Zeitung sei, sondern eine "echte Heimatzeitung", habe man den Lokalteil immer weiter ausgebaut. "Wir gestehen in diesem Zusammenhang", so der Lizenzträger weiter, "daß die Entwicklung des Lokalteils uns die größte Sorge bereitet hat. Gewiß ist der Waldecker ein sehr eifriger Zeitungsleser und dank seiner Heimatverbundenheit auch ein treuer Anhänger seiner heimatlichen Zeitung. Aber seit 1945 ist jeder dritte 'Waldecker' gar kein Einheimischer mehr. Er kam als Ausgebombter aus den Großstädten des Westens oder als Heimatvertriebener aus dem Sudetenland, der Slowakei, aus den ur-deutschen Ländern Ost- und Westpreußen, aus Pommern und aus Ober- und Niederschlesien. ... Ihren Wünschen und denen der Einheimischen gleichermaßen bei der Gestaltung einer neuen waldeckischen Heimatzeitung Rechnung zu tragen, war nicht möglich."1177) Für all jene habe der "Kurier" die Beilage "Verlorene Heimat" eingeführt; dennoch, so Steinkohl, konnte es nicht ausbleiben, "daß wir sowohl von Einheimischen als auch von Heimatvertriebenen mitunter mißverstanden wurden, wenn wir ... über Vorfälle berichten mussten, bei denen es auf der einen oder anderen Seite ... an dem guten Willen und an der Bereitschaft zum gegenseitigen Verstehen gemangelt hat. Es wäre für uns in solchen Fällen bequemer gewesen zu schweigen. Weil wir aber eine politische Zeitung sind - 345 - und zu den vordringlichsten politischen Aufgaben die Lösung des Flüchtlingsproblems ... gehört, deshalb haben wir nicht geschwiegen. ..." 1178) Für den "Waldecker Kurier", so Steinkohl abschließend, so es der beste Beweis für dessen Unabhängigkeit, wenn "bald die eine, bald die andere Partei oder politische Gemeinschaft mit unserer Haltung unzufrieden ist."1179) Auch mit der Seite "Das Blatt der Frau", in der Themen wie "Bitte Mutti lies mir vor!" oder "Wir stricken uns wieder etwas Neues"1180) behandelt wurden, suchte der "Kurier" Zuspruch vor allem bei den Leserinnen. In Eigenanzeigen warb die Lizenzzeitung zudem wiederholt für sich, indem sie Neubestellern für einen kurzen Zeitraum den kostenlosen Zeitungsbezug offerierte1181), und teilte mit, der "Kurier" sei das "am stärksten verbreitete Heimat- und Familienblatt des ganzen Waldecker Landes und angrenzender Gebietsteile".1182) So werde der "Kurier" Familienanzeigen zu einem ermäßigten Preis berechnen.1183) Allen Anstrengungen zum Trotz konnte sich die kleine Lizenzzeitung mit einer Auflage von weniger als 15.000 Exemplaren1184) nur noch bis Ende Mai 1950 auf dem Markt halten; zu groß wir die Konkurrenz durch die beiden Kasseler Zeitungen, "Hessische Nachrichten" und "Kasseler Post", die mit ihren Nebenausgaben um Leser im Waldecker Land warben, zu offensichtlich waren wohl auch die Bestrebungen der Altverleger-Familie, mit der "Waldeckischen Landeszeitung" wieder zu erscheinen. Die "Waldeckische Landeszeitung", am 10. 5. 1887 als "Corbacher Zeitung" gegründet und 1910 unter neuem Titel, war seit Beginn im Besitz der Verlegerfamilie Bing. Gegründet von Wilhelm Bing, ging die Zeitung 1932 auf Ludwig1185) und Dr. Hermann Bing1186) über, denen fortan die Leitung des Verlags, der Redaktion und der Druckerei oblag. Die Brüder Bing konnten, da die "Landeszeitung" erst am 29. März 1945, "mit dem Einrücken der Amerikaner"1187), ihr Erscheinen einstellen musste, mit einem großen Bekanntheitsgrad in der Leserschaft rechnen und auf das Wohlwollen örtlicher Vertreter von Behörden und Verbänden hoffen. Zudem wurde der "Kurier" auf den Maschinen der Altverleger gedruckt, geregelt durch einen Pachtvertrag. Steinkohl hingegen, gebürtig in Nürnberg, hatte es offenbar in zwei Jahren nicht vermocht, sich einen entsprechenden "Ortsbonus" zu verschaffen. Bei einem Wiedererscheinen der Altverlegerzeitung musste Steinkohl mit hohen Auflageneinbußen des "Kurier" rechnen. Seine Entscheidung, den "Kurier" einzustellen, ist durchaus nachvollziehbar - man darf dabei davon ausgehen, dass er die Lizenzzeitung an die Altverlegerfamilie verkaufte. - 346 - Steinkohl, der am 10.Mai 1950 den Lesern in einem Leitartikel mitteilte, der "Kurier" werde zum 31. Mai von der "Waldeckischen Landeszeitung" "abgelöst", verließ Korbach, um, wie er schrieb, "in Kürze im Rahmen der Wiedererrichtung von deutschen Außenhandelsvertretungen im Ausland eine seinem früheren Beruf und seiner Ausbildung entsprechende neue Aufgabe" zu übernehmen1188). Zur wiedererscheinenden Altverlegerzeitung schrieb er, auch die WLZ bekenne, eine echte Heimatzeitung zu sein. "Sie versichert, objektiv über alle Ereignisse drinnen und draußen berichten und alle wichtigen Probleme freimütig erörtern zu wollen. Sie gibt darüber hinaus zu erkennen, daß sie den veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen gewillt ist, indem sie die Wünsche und Interessen der Heimatvertriebenen gebührend berücksichtigt. Da also die WLZ sich den gleichen Grundsätzen unterwirft, die der WK zu seiner Richtschnur gemacht hatte, scheint die heute angekündigte Veränderung nur von geringer Bedeutung zu sein."1189) Die "Waldeckische Landeszeitung" kündigte ihrerseits ihr Wiedererscheinen in einer Anzeige im "Kurier" für den 1. Juni 1950 an und verband damit die Bitte an die "Kurier"-Leser, den beigefügten Bestellschein nicht auszufüllen, da sie fortan automatisch mit der "Landeszeitung" beliefert würden.1190) Der Lizenzträger schrieb am 31.Mai statt eines Leitartikels auf der ersten Seite des "Kurier" "Ein Abschiedswort", in dem er noch einmal auf die zehn Leitsätze, die er beim ersten Erscheinen der Zeitung genannt hatte, einging, auf die "scharfe Trennung von Nachricht und Meinung" in allen Beiträgen und auf die technischen Schwierigkeiten, mit denen die Lizenzzeitung anfangs zu kämpfen hatte. Er bedankte sich zudem bei Ludwig und Hermann Bing für "mir jederzeit bewiesene Hilfe und Entgegenkommen und ebenso den Angestellten und Arbeitern der Buchdruckerei Bing, die ebenso wie ihre Chefs stets bereitwilligst ihr Teil zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit beigetragen haben."1191) Die "Waldeckische Landeszeitung" ihrerseits fand - nach nur fünf Jahren Unterbrechung - schon bald die Zustimmung der Leser und konnte die Auflage in den folgenden Jahren steigern - obwohl auch ihr in den Kasseler Zeitungen Konkurrenz erwuchs.1192) - 347 - 16 Zusammenfassung Der Zusammenbruch des Dritten Reichs wird vielfach auch für die Medien in Deutschland als „Stunde Null“ bezeichnet: Die neu gegründeten Zeitungen in der amerikanischen Besatzungszone wurden von Lizenzträgern geleitet, jenen, die während der Zeit des Nationalsozialismus nicht journalistisch tätig gewesen sein durften. Sie erstellten das Produkt "Zeitung" nach amerikanischen Vorgaben, die in der Weimarer Republik und im Dritten Reich unbekannt gewesen waren. Für die westlichen Alliierten, die Hessen besetzten, stellte sich die Frage einer Neustrukturierung im Pressewesen natürlich weit vor der Kapitulation der Deutschen am 8.Mai 1945. Einigkeit bestand bei ihnen darüber, die bisherigen Informationsmedien stillzulegen. In ihren Planungen zur Schaffung eines neues Pressewesens unterschieden sich die Alliierten vor Kriegsende allerdings erheblich. So hatte die Abteilung für Psychologische Kriegsführung, Psychological Warfare Division, PWD, die unter dem gemeinsamen Oberkommando von England und Amerika stand, bereits lange vor dem Ende der Kampfhandlungen Pläne für eine Schaffung von Zeitungen im besetzten Gebiet ausgearbeitet. Diese sollten - wie alle anderen Medien auch - zur Verbreitung der vier Ziele der Besatzungspolitik beitragen: Demilitarisierung, Denazifizierung, Deindustrialisierung und Demokratisierung. Entsprechend hatte die PWD die Aufgabe, 1. offizielle alliierte Mitteilungsblätter für die deutschen Soldaten, 2. von Deutschen betriebene und von der Militärregierung genehmigte Zeitungen nach Kriegsende vorzubereiten. Als alliierte Mitteilungsblätter erschienen dann von Ende 1944 bis Mai 1945 die "Frontpost- Nachrichten für deutsche Soldaten“, die "Feldpost“ und die "Mitteilungen“. Die erste deutsche Zeitung unter alliierter Kontrolle waren die "Aachener Nachrichten“. Sie erschienen ab dem 24. Januar 1945 mit der Lizenznummer Eins. Ihr sollten weitere, von Deutschen geleitete Zeitungen folgen. Da sich aber zu Beginn des Jahres führende PWD-Planer für eine Politik der Härte, der austerity, gegenüber dem deutschen Volk entschieden, zog man es vor, die deutsche Bevölkerung zumindest bis Kriegsende weiter nur mit offiziellen alliierten Zeitungen zu versorgen. So baute man die "Mitteilungen“ weiter aus und ließ ihnen nach ihrer Einstellung im Frühjahr 1945 12 weitere - 348 - lokale Zeitungen für die deutsche Zivilbevölkerung an verschiedenen Orten des besetzten Gebietes folgen. Ihrer Aufmachung nach Tageszeitungen erschienen sie zwischen April und November 1945 in beinahe allen größeren Städten. Die "Allgemeine Zeitung“ in Berlin, die letzte der zeitlich begrenzten offiziellen Blätter, war ein Sonderfall unter den Armeegruppen-Zeitungen. Man hatte sie als Gegengewicht zur "Täglichen Rundschau“, dem Organ der sowjetischen Besatzungsmacht in Berlin, geschaffen. Sie stellte ihr Erscheinen mit dem 11. November 1945 wieder ein. Als einzige deutschsprachige Zeitung, die in allen Teilen des von amerikanischen Truppen besetzten Gebietes verbreitet wurde, erschien seit dem 17. Oktober 1945 die "Neue Zeitung“ in München. Sie unterstand der Information Control Division, ICD, als Nachfolgeorganisation der Psychological Warfare Division, die mit Kriegsende ihre Funktion verloren hatte. Die Änderung von PWD zu ICD hatte keinen Einfluss auf die Armeegruppen-Zeitungen, da die personelle Kontinuität gewahrt blieb. General Robert McClure, vorher Leiter der PWD, stand fortan der ICD vor. Die "Neue Zeitung“, die bald auch eine Berliner und Frankfurter Ausgabe hatte, wurde erst Mitte der fünfziger Jahre mit Auslaufen des Besatzungsstatuts eingestellt. Gleichzeitig begann man im Sommer 1945 mit der Lizenzierung deutscher Zeitungen. Lizenzträger erhielten damit die Erlaubnis zur Herausgabe, ohne Eigentümer zu werden. Mit den Vorbereitungen waren Presseoffiziere der jeweiligen Besatzungsmacht betraut. Sie hatten die Aufgabe, geeignete Personen deutscher Provenienz für eine Lizenz zu finden. In der amerikanischen Besatzungszone sollte jeweils ein Lizenzträgergremium gefunden werden, da man nicht nur einer Person die Leitung einer Zeitung überlassen wollte. Dieses Gremium, ein so genanntes panel, musste sich aus Personen verschiedener politischer Auffassungen zusammensetzen mit dem Ziel, eine politisch engagierte, aber überparteiliche Presse ins Leben zu rufen. In Frage kamen dabei aktive Gegner des Nationalsozialismus. Personen, die die NSDAP moralisch oder materiell unterstützt hatten oder denen eine Beteiligung an rassischer Diskriminierung nachgewiesen werden konnte, wurden nicht akzeptiert. Ebenfalls nicht für eine Lizenz in Frage kamen frühere Zeitungsverleger. Der neue Zeitungstyp sollte auf keinen Fall den früheren Heimatzeitungen gleichen; auch auf überregionale Blätter wollte die amerikanische Besatzungsmacht zunächst verzichten. - 349 - Innerhalb der amerikanischen Abteilung für Informationskontrolle waren allerdings die Ansichten darüber, nach welchen Kriterien die personelle Wahl zu treffen sei, durchaus unterschiedlich. Die Vorgaben der ICD wurden von den ausführenden Presseoffizieren nur teilweise und nicht immer bereitwillig befolgt. Sie standen schließlich nicht nur vor den Schwierigkeiten, geeignete Persönlichkeiten zu finden, sondern mussten die technischen Voraussetzungen, wie etwa die Beschlagnahmung einer Druckerei, die Beschaffung von Papier und Druckfarbe, von Redaktionsräumen, Telefonen etc., organisieren. Zusätzlich hatten sie der Dienststelle eine Aufstellung anfallender Kosten vorzulegen. In Frankfurt am Main, wo die erste Lizenzzeitung der amerikanischen Besatzungszone erscheinen sollte, waren zumindest die technischen Voraussetzungen weitgehend gegeben, da hier bereits die Armeegruppen-Zeitung „Frankfurter Presse“ erschien, die in den Verlagshäusern des ehemaligen „General-Anzeigers“ und der „Frankfurter Zeitung“ gedruckt wurde. So erschien dort am 31. Juli 1945 mit einer Auflage von einer halben Million die „Frankfurter Rundschau“. Sie erhielt – nach den „Aachener Nachrichten“ – die Lizenznummer Zwei. Mit der Nummer Drei folgte wenig später die „Rhein-Neckar-Zeitung“ in Heidelberg, der bis Ende 1945 weitere 13 Lizenzzeitungen in der amerikanischen Zone folgten, wobei bereits Ende September die meisten Städte in Hessen und Württemberg-Baden mit Zeitungen versorgt waren. Lediglich in Bayern erschien das erste lizenzierte Blatt wegen organisatorischer Schwierigkeiten innerhalb der ICD erst am 6. Oktober 1945: die „Süddeutsche Zeitung“ in München. In dieser frühen Phase der Lizenzierung bevorzugte die amerikanische Informationskontrolle eine relativ hohe Zahl von Lizenziaten unterschiedlicher politischer Einstellung. Mit dem Ziel, alle antifaschistischen Gruppen an einem Redaktionstisch zusammenzubringen, hatte man sich bei Gründung der „Frankfurter Rundschau“ für immerhin sieben Lizenziaten entschieden, die „Rhein-Neckar-Zeitung“ startete mit drei Lizenzträgern, und die „Süddeutsche Zeitung“ wurde von vier Lizenziaten geleitet; dem „Tagesspiegel“ in Berlin standen vier Lizenzträger vor, und die „Stuttgarter Zeitung“ wies im Impressum drei „Herausgeber“ aus. Anders, als von der amerikanischen Besatzungsmacht geplant, erwies sich jedoch bald die Vorstellung, mit einer großen Zahl von Lizenzträgern unterschiedlicher politischer Auffassung auch eine demokratische, überparteiliche neue Presse zu schaffen, als wenig praktikabel: - 350 - Nur selten konnten sich die ausgewählten Personen zu kollegialer Zusammenarbeit entschließen, eine Übereinstimmung in der Bewertung, Darstellung und Kommentierung politischer Ereignisse fanden sie selten, so dass Konflikte innerhalb der Redaktion vorprogrammiert waren und das Produkt „Zeitung“ dem Leser, der sich sowieso an die neue Form der Nachrichtendarstellung gewöhnen musste, oft unübersichtlich oder sogar unverständlich erschien. Folglich gingen die ICD-Planer und mit ihnen die amerikanischen Presseoffiziere als ausführende „Organe“ der Direktiven nach ersten Misserfolgen dazu über, das Team der Lizenzträger bei weiteren Zeitungsgründungen auf zwei Personen zu beschränken. Häufig entschied man sich dabei für einen Journalisten und einen Geschäftsführer. Die Illusion, die man anfänglich noch im ICD-Hauptquartier in Bad Homburg gehabt hatte, mittels Lizenzträgern aller antifaschistischen Gruppierungen eine überparteiliche Presse zu schaffen, die weder bisherigem amerikanischem noch deutschem Vorbild entsprach, war der „kleinen“, aber praktikablen Lösung des Zweier-Teams gewichen. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Ernennung der amerikanischen Presseoffiziere: Männer der ersten Stunde, wie etwa die Presseoffiziere Belfrage und Adler, die u.a. die Vorbereitungen zur Herausgabe der „Frankfurter Rundschau“ getroffen hatten, wurden schon bald durch andere Presseoffiziere ersetzt, die sich der neuen politischen Lage – dem aufkeimenden Ost-West- Konflikt – problemloser anpassen konnten. Bereits im Herbst 1946, mit der Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart, vollzogen auch sie in den Zeitungsredaktionen die Kehrtwende. Kommunistische Lizenzträger kamen fortan für eine Zeitungslizenz nicht mehr in Betracht, und soweit sie bereits in dieser Funktion waren, entzog man ihnen diese Erlaubnis wieder. So gab es im Mai 1949 unter den Lizenznehmern der amerikanischen Zone 42 SPD- Mitglieder, 29, die der CDU angehörten, 8 der FDP und 29 ohne Parteibindung, jedoch kein KPD-Mitglied mehr. Die Papierkrise, die im Dezember 1946 einsetzte, erschwerte allerdings das Bemühen der amerikanischen Besatzungsmacht, die Lizenzzeitungen als wesentliches Medium zur Verbreitung ihrer politischen Intentionen nutzen zu können. Im Winter 1946/47 standen den 42 amerikanischen Lizenzzeitungen nur fünf Prozent des Zeitungspapiers zur Verfügung, das der Presse zur Zeit des Nationalsozialismus vor Kriegsbeginn bereitgestellt worden war. Nach weiteren Kürzungen im Juni 1947 mussten sich die Printmedien darauf beschränken, nur noch die wichtigsten Nachrichten in Kurzform zu publizieren. - 351 - Die Lage entspannte sich erst, nachdem General Clay am 28. Oktober 1947 in Berlin die „Operation Talk Back“, ein Programm politischer Information zur Bekämpfung der sowjetischen Propaganda in Deutschland, angekündigt hatte. Zeitgleich wurde die ICD beauftragt, Druckpapier aus dem Ausland zu besorgen, um die Lizenzzeitungen als Sprachrohr besser nutzen zu können. In erster Linie profitierte hiervon allerdings die „Neue Zeitung“. Ausfluss forcierter amerikanischer Informationskampagnen war übrigens auch die Gründung der „Amerika-Häuser“. Die Papierkontingentierung schränkte zudem die neue Lizenzpresse in ihren Bemühungen deutlich ein, mit Bezirks- und Nebenausgaben ihr Verbreitungsgebiet zu erweitern. Dies Bestreben lag auch im Interesse der ICD, die durch Stärkung der Lizenzzeitungen auf jeden Fall das Wiedererscheinen der früheren Heimatzeitungen nach Aufhebung der Lizenzpflicht verhindern wollte. Immerhin verfügten in Hessen im April 1947 neun der zehn existierenden Lizenzzeitungen über insgesamt 26 Lokalausgaben. In Bayern und Württemberg-Baden war die Entwicklung ähnlich positiv. Nach der Währungsreform am 18. Juni 1948 erlaubte die amerikanische Militärregierung sogar die Herausgabe von Lokalausgaben mit unterschiedlichen Zeitungstiteln. Gleichzeitig hob man die Papierbeschränkungen auf und gestattete den Zeitungen, beliebig viele Anzeigen aufzunehmen. Bis dahin hatten sie nur ein Achtel des Umfangs dafür verwenden dürfen. Zur gleichen Zeit erhöhte sich die Seitenanzahl, die Auflage stieg und die Zeitungen in der amerikanischen Besatzungszone gingen zu täglichem Erscheinen über. Für die Bezirksausgaben wählte man dabei oft bewusst Zeitungstitel aus dem örtlichen Bereich, so dass die Leser nicht daraus schließen konnten, dass es sich hierbei um einen Ableger der jeweiligen Lizenzzeitung handelte. Die Ausbreitung führte aber auch zu einem Wettbewerb der Lizenzzeitungen untereinander, da jetzt mehrere Blätter in einem Gebiet verkauft wurden, für das bisher nur eine Zeitung lizenziert worden war. Nach Aufhebung der Lizenzpflicht stieg die Zahl der Neugründungen in der amerikanischen Zone sprunghaft an. So wurden zwischen Juni und Oktober 1949 etwa 650 Zeitungen neu gegründet. Vor allem die Altverleger legten ihre bereits vor Kriegsende erschienenen Heimatzeitungen wieder auf, nachdem sie zur Besatzungszeit ihre Druckereien oftmals in Zwangspachtverträgen den Lizenzträgern hatten überlassen müssen. - 352 - Ihre Hoffnung, auf einen angestammten Leserkreis vor allem in den ländlichen Regionen zu treffen, der treu das Wiedererscheinen der vertrauten Heimatzeitung erwartete, erfüllte sich in den meisten Fällen nicht. Die neuen Lizenzblätter hatten es in kurzer Zeit geschafft, Vertrauen bei den Lesern zu finden. Eine Statistik aus dem Jahr 1951 zeigt denn auch, dass 20 ehemalige Lizenzzeitungen zusammen eine Auflage von 1,6 Mio. hatten, während immerhin 119 nicht lizenzierte Blätter in nur 550.000 Exemplaren erschienen. Die Folge war, dass viele Altverlegerzeitungen entweder mit anderen Heimatzeitungen fusionierten oder von der Lizenzpresse absorbiert wurden. In vielen Fällen wurde das eben gegründete Blatt auch wieder eingestellt. Die Befürchtung der amerikanischen Militärregierung, ihr neu geschaffener Zeitungstyp könnte 1949 von der Heimatpresse verdrängt werden, bestätigte sich nicht. So konnte sich die ehemalige Lizenzpresse, trotz oft harter Konkurrenz in den größeren Städten, auch langfristig und mit steigender Auflage auf dem Zeitungsmarkt durchsetzen. Das Nachkriegsexperiment war geglückt. Zum Festigung des Bestands der Lizenzpresse auch nach Gründung der Bundesrepublik gehörte aber vor allem die langfristige finanzielle Absicherung der Zeitungen. Waren diese während der Besatzungszeit noch durch Anweisung der amerikanischen Nachrichteneinheiten berechtigt, alle zum Druck benötigten Anlagen zu nutzen und dies in (Zwangs-)Pachtverträgen mit den Altverlegern als Druckereibesitzer zu fixieren, so entfiel mit der Generallizenz am 23. Mai 1949 bei den meisten Blättern, deren Verträge nur über fünf Jahre geschlossen worden waren, diese Nutzungsmöglichkeit. (1951 gab es in der amerikanischen Zone nur noch drei Zeitungen, die auf Grund von Zwangspachtverträgen arbeiteten: die „Frankfurter Rundschau“, die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Neue Presse“ in Coburg.) So hatte es die amerikanische Militärregierung bereits 1946 jeder neu erscheinenden Zeitung zur Pflicht gemacht, 20 Prozent ihrer Bruttogewinne in einen Fonds einzuzahlen. Ab 1.Januar 1948, als diese Regelung außer Kraft gesetzt wurde, hatten sich dadurch 48 Mio. RM angesammelt, von denen 12 Mio. unter den bestehenden Lizenzzeitungen verteilt wurden. Die restlichen 36 Mio. verwendete man zur Gründung der Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse, WIGO, einer Pressebank zur Fondsverwaltung. WIGO hatte die Aufgabe, die Lizenzzeitungen durch niedrig verzinsliche Kredite beim Kauf technischer - 353 - Einrichtungen zu unterstützen, um sie gegen den erwarteten Ansturm der Altverlegerblätter zu wappnen. Anfang der fünfziger Jahre bekam die WIGO die Funktion einer Vermittlungsstelle, über die alle Darlehen von der Hohen Kommission an die Presse gegeben wurden. Neben dem Bestreben der amerikanischen Militärregierung, mit einem neuen Zeitungstyp, der weder amerikanischer noch deutscher Pressetradition entsprach, den früheren deutschen Heimatzeitungen ein Wiedererstarken so gut wie unmöglich zu machen, wandte sie sich in den Nachkriegsjahren gegen das Bemühen deutscher Parteien, eigene Zeitungen auf den Markt zu bringen. Parteieigene Zeitungen waren in den USA unbekannt, so dass entsprechende Bestrebungen im Nachkriegsdeutschland von amerikanischer Seite mit Misstrauen betrachtet wurden, das verbunden war mit einer generellen Abneigung den Parteien gegenüber. Bis zum Ende der Lizenzzeit verfügte denn auch keine der Parteien in der amerikanischen Besatzungszone über ein eigenes Medium. Erschwerend für alle Blätter kam in den Jahren zwischen 1945 und 1949 hinzu, dass sich Militärregierung und deutsche Behörden nicht auf ein Pressegesetz einigen konnten, mit dem die Lizenzpflicht entfallen und die Kontrolle an deutsche Stellen übergehen sollte. Als erstes Land der Zone verfügte Württemberg-Baden im Mai 1949 über ein eigenes Gesetz, gefolgt von Hessen und Bayern im Juli und August des gleichen Jahres. In Bremen als viertem Land der amerikanischen Zone trat das Pressegesetz erst im September 1949 in Kraft. Von der „Frankfurter Rundschau“ zum „Waldecker Kurier“ - Einzeldarstellungen aller hessischen Lizenzzeitungen in chronologischer Reihenfolge Die Vorbereitungen zur Gründung der ersten Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone, der „Frankfurter Rundschau“, begannen im März 1945. Die Verlagshäuser der „Frankfurter Zeitung“ und des „Generalanzeigers“, die seit 1943 für die beiden nationalsozialistischen Blätter, den „Frankfurter Anzeiger“ und das Parteiorgan „Rhein-Mainische Zeitung“, genutzt worden waren, standen auch nach Kriegsende zur Verfügung. So lag das größte Problem der amerikanischen Presseoffiziere Belfrage und Adler darin, geeignete (deutsche) Lizenziaten für die neue Zeitung zu finden. Da die amerikanischen Bestimmungen alle Anhänger des nationalsozialistischen Regimes, auch wenn sie nicht Mitglied der NSDAP gewesen waren, ausschlossen, kamen auch die - 354 - Journalisten der „Frankfurter Zeitung“ und des „Generalanzeigers“ für eine solche Aufgabe nicht in Betracht. Mit dem erklärten Ziel, eine unabhängige und überparteiliche, von allen antifaschistischen Gruppierungen getragene Presse ins Leben zu rufen, entschieden sich die Presseoffiziere schließlich für ein Team von sieben Personen, die bis zur Nominierung alle Entscheidungsstellen der ICD durchlaufen hatten, deren politischer Werdegang, vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus, genauestens überprüft worden war und die in einem Fragebogen zudem ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Kollegen unterschiedlicher politischer Auffassung hatten bekunden müssen. Etzkorn, Gerst, Rudert, Knothe, Grossmann und Rodemann hielt man für geeignet, die erste Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone zu leiten, nur bei der Wahl des siebten, des Kommunisten Carlebach, hatten die Presseoffiziere Widerstände im ICD-Hauptquartier gegen dessen Nominierung überwinden müssen - zu groß waren dort die Vorbehalte wegen Gerüchten zu seiner Tätigkeit als Block-Senior im Konzentrationslager Buchenwald. Am 1. August 1945 startete die „Rundschau“ mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren und einer Leserschaft, die weit über Frankfurt am Main hinausging. In die Freude der Leser, endlich wieder eine Tageszeitung - auch wenn diese bislang nur zweimal wöchentlich erschien - zu haben, mischte sich aber schon bald Unmut. Teilen der Frankfurter Bevölkerung missfiel die linkslastige Haltung der Zeitung, wie sie die Lizenzträger in ihren Leitartikeln beschworen; man forderte einen konservativen Vertreter im Herausgebergremium. Vor allem die katholische Kirche und die CDU protestierten bei der amerikanischen Militärregierung vehement gegen das neue Blatt, so dass die ICD im Herbst 1945 mittels mehrerer Umfragen den (Un-)Beliebtheitsgrad der „Frankfurter Rundschau“ in Frankfurt erforschte und dabei feststellte, dass die Kritik nur von einem kleinen Teil der Leser geäußert wurde. Der Großteil der Leser machte sich dagegen wenig Gedanken über das politische Gesicht der Zeitung – die Lösung von Problemen, die das Überleben in einer zerstörten Stadt mit sich brachte, war offenbar drängender. So führten nicht der Druck von außen, sondern interne Konflikte bei der „Rundschau“ schon bald zu einer personellen Veränderung im Lizenzträgergremium. In dem Moment, in dem sich die eben noch harmonierenden Lizenziaten am Redaktionstisch zerstritten, waren auch die Presseoffiziere, die den mit viel Mühe ausgewählten sieben Männern in der Öffentlichkeit den Rücken gestärkt und sogar freundschaftlich verbunden waren, machtlos. - 355 - Bereits Ende 1945 bestand das Team der „Rundschau“ nur noch aus fünf Lizenzträgern: Rodemann (SPD) und Grossmann (parteilos) hatten auf Anweisung der ICD das Blatt verlassen. Die Erkenntnis der Informationskontrolle, dass es besser sei, eine Zeitung von zwei, höchstens drei Personen leiten zu lassen, hatte auch in anderen Städten der amerikanischen Zone zu einer Reduzierung der Lizenzen geführt. Mittlerweile legte man zudem mehr Wert auf journalistische Fähigkeiten denn auf die politische Ausrichtung. Kurz danach, zu Beginn des Jahres 1946, schieden die beiden Sozialdemokraten Etzkorn und Knothe aus. Die ICD hatte den Lizenzentzug beschlossen, weil Knothe sein Redaktionsbüro zu einem Treffpunkt von Parteigenossen umfunktioniert hatte und es Etzkorn aus Sicht der Informationskontrolle an journalistischer Qualifikation mangelte. Der Bürgerrat der Stadt Frankfurt/Main wandte sich daraufhin schriftlich an die amerikanische Militärregierung mit der Forderung, Abhilfe zu schaffen gegen die "politische Ausrichtung der 'Frankfurter Rundschau’ im Sinne der KPD“. Dieser Appell hatte – neben anderen Faktoren – zur Folge, dass die "Rundschau“ in Karl Gerold, Mitglied der SPD, im April 1946 einen neuen Mitlizenziaten bekam und dass Frankfurt fortan über eine zweite Lizenzzeitung verfügte, die "Frankfurter Neue Presse“, geleitet von zwei katholischen, CDU-nahen "Herausgebern“ und betreut von Presseoffizier Anderson, der nun auch für die "Rundschau“ zuständig war und die beiden Presseoffiziere Belfrage und Adler ablöste. Bei der "Rundschau“ gingen die personellen Veränderungen im Lizenzträgerteam weiter: Bereits im Herbst 1946 wurde auch dem Linkskatholiken Gerst die Lizenz ohne Begründung entzogen, genauso wie im August 1947 dem KPD-Mitglied Carlebach, dem McClure aber auf Nachfrage bescheinigte, er, Carlebach, habe kein Vertrauen in die Ziele der amerikanischen Militärregierung und sei offensichtlich unfähig, die Grundprinzipien der Demokratie zu verstehen. Als schließlich im November 1947 die KPD beschloss, Arno Rudert aus der Partei auszuschließen, was dieser ohne Protest zur Kenntnis nahm, markierte dies das Ende personeller Veränderungen bei der „Rundschau“: Gerold, SPD, und Rudert, nun parteilos, waren als Lizenziaten der ersten Lizenzzeitung in der amerikanischen Zone übrig geblieben und wurden 1949 deren Herausgeber. Die "Rundschau", die ursprünglich die Form einer "Gemeinnützigen Stiftung" erhalten sollte, wurde als "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" geführt und unterschied sich darin nicht - 356 - von allen anderen (ehemaligen) Lizenzzeitungen der amerikanischen Besatzungszone, deren Lizenzträger diesen Beschluss bereits 1946 getroffen hatten. Auf die "Rundschau“ folgten in kurzen zeitlichen Abständen weitere sieben Lizenzzeitungen in der amerikanischen Zone; mit der Lizenznummer Zehn wurde in Hessen aber erst am 14.September 1945 die zweite Zeitung auf den Markt gebracht. Unter der Leitung von zwei Lizenzträgern erschien mit 10.000 Exemplaren pro Ausgabe zunächst zweimal wöchentlich die „Marburger Presse“. Ein Mitbegründer der hessischen LDP und ein Drucker wurden mit der Leitung betraut. Das Blatt, rückblickend als "langweilig und nichtssagend“ beurteilt, passte sich den Gegebenheiten einer Kleinstadt mit wenig Industrie, aber vielen Beamten an. Bieder und umständlich in der Formulierung der Leitartikel, kritiklos der amerikanischen Besatzungsmacht gegenüber, die ihrerseits die Zeitung als "verhältnismäßig schwach“ bezeichnete, zeigte sie große Niveauunterschiede zur "Frankfurter Rundschau“. Konfliktscheu auch in ihrem Umgang mit Parteien und Behörden, bescheinigten Leser ihr, eher einem "Hinterwälder Anzeiger“ zu ähneln. Der örtliche Presseoffizier hatte darum auch nur selten Veranlassung, korrigierend einzugreifen: Nur die erste Ausgabe hatten ihm die Lizenziaten vor Drucklegung vorlegen müssen, und nur in wenigen Fällen übte die Militärregierung Kritik an einem bereits publizierten Artikel, so z.B., als einem Volontär der "Marburger Presse“ dessen Schilderung der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse angelastet wurde. Er wurde zwar nicht entlassen, durfte aber eine Zeit lang seine Artikel nicht mehr namentlich kennzeichnen. Die "Marburger Presse“ bildete darin aber keine Ausnahme: Im Laufe der Besatzungszeit entfiel bei allen Lizenzzeitungen die Vorzensur vor Drucklegung völlig. Die Nachzensur wurde anfänglich noch häufig ausgeübt, als aber die amerikanische Militärregierung schon bald feststellen konnte, dass die Lizenzpresse den vorgegebenen Richtlinien weitestgehend und willig folgte, entfiel auch diese Form der Zeitungskontrolle. Bereits Anfang 1949 war das Ende der "Marburger Presse“ absehbar: Der Altverleger - bis 1945 hatte er in Marburg und Umgebung die "Oberhessische Zeitung“ herausgegeben und während der Besatzungszeit den beiden Lizenzträgern seine Druckerei zur Verfügung stellen müssen - machte deutlich, dass er nach Aufhebung des Lizenzzwangs wieder auf dem Markt erscheinen würde. Seine Zeitung, die wiederum den alten Titel trug, konnte in Marburg - 357 - genauso wenig dominieren, so dass sich beide Blätter zur Fusion entschlossen: Die "Oberhessische Presse“ erschien ab dem 1. Juli 1951 mit einer Auflage von 25.000 Stück. Wenig später ging diese Zeitung ganz in den Besitz des Altverlegers über, nachdem sich die beiden ehemaligen Lizenziaten aus unbekannten und schwer nachvollziehbaren Gründen von ihm mit einer minimalen lebenslänglichen „Rente“ hatten abfinden lassen. Bereits am 26. September 1945 folgten die "Hessischen Nachrichten" in Kassel unter der Leitung von fünf Lizenzträgern. "Die Besetzung der Redaktion“, teilte die Zeitung in ihrer ersten Ausgabe mit, spiegele "den Willen aller antifaschistischen Richtungen Kurhessens zu gemeinsamer Arbeit wider". Aber auch in Kassel funktionierte das amerikanische "panel“-Modell – ähnlich wie bei der „Frankfurter Rundschau – nicht lange: Im April 1946 wechselte August Heinrich Berning als Lizenzträger nach Frankfurt zur neu gegründeten „Frankfurter Neuen Presse“. Berning hatte diesen Wechsel forciert, da die Verhältnisse in Kassel für ihn „wenig günstig“ waren. Seine konservativen Vorstellungen fanden bei Mitlizenziaten und Lesern nur geringen Widerhall. So gefiel ihm der amerikanische Vorschlag, in Frankfurt ein Gegengewicht zur "Rundschau“ zu schaffen, weitaus besser. Das Kasseler Lizenzträgerkollegium reduzierte sich im August 1946 auf drei Personen, als dem KPD-Mitglied Schmidt die Lizenz wieder entzogen wurde. Schwierigkeiten mit den Kollegen, möglicherweise aber auch die Überlegung der amerikanischen Besatzungsmacht, nach dem Ausscheiden des Konservativen Berning einem KPD-Mitglied die Lizenz zu entziehen und so das politische Gleichgewicht im Lizenzträgergremium wieder herzustellen, mögen diesen Schritt notwendig gemacht haben. Es verblieben Wolfgang Bartels, SPD-Mitglied, Gustav Römer, LDP-nah, und Dr. Wolfgang Pöschl, der CDU nahe stehend. In den darauf folgenden Jahren blieb die personelle Zusammensetzung unverändert. Die "Hessischen Nachrichten“ fanden in der großen Leserschaft, die sich bald schon durch die Gründung von Bezirksausgaben in die nordhessische Region erweiterte, zum größten Teil Zustimmung, vor allem bei ihrem steten Bemühen, Parteien und Behörden zu kritisieren. Die Kasseler Lizenzzeitung zeigte sich überaus effizient in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit der Lizenzpresse. In Leitartikeln und Kommentaren wiesen die drei Lizenzträger häufig "bürokratische Maßnahmen, die wir als Rudimente einer überwundenen Diktatur- und Untertanenperiode bewerten, nachdrücklich“ zurück. So stehe die freie Presse in keinem - 358 - Abhängigkeitsverhältnis zu den Behörden, sondern sei wie diese ein gleichberechtigtes Organ des öffentlichen Lebens. Wie erwartet, bestätigte denn auch der Chef der hessischen Nachrichtenkontrolle, Oberst McMahon, die Lizenzpresse der US-Zone dürfe sich weder der Beeinflussung der Parteien noch der Regierung unterwerfen und finde mit diesem Bemühen bei ihm jede Unterstützung. Von einer „unabhängigen“ Presse konnte aber auch jetzt noch keine Rede sein. Auch die Kasseler Lizenzträger – im November 1946 war dort als zweites Blatt die „Kasseler Zeitung“ lizenziert worden – befolgten willig die Anweisungen und Ratschläge der Besatzungsmacht, wohl auch aus durchaus egoistischer Motivation: Zahlreiche Lizenziaten, denen bis zum Ende der Lizenzpflicht lediglich ein Gehalt zustand, wurden 1949 mit Aufhebung der Lizenzpflicht zu Zeitungseigentümern mit einem ansehnlichen Vermögen. So lassen sich rückblickend wirkliches Engagement und opportunistische Überlegungen nur noch schwer voneinander trennen. Auch den Kasseler Lizenziaten dürfte bewusst gewesen sein, dass ihr oberstes Ziel darin bestand, die Lizenzzeit unbeschadet, also ohne Lizenzentzug, zu überstehen. Ohne nennenswerte Konkurrenz gingen die drei Lizenzträger daran, die „Hessischen Nachrichten“ im Herbst 1949 auf dem hessischen Zeitungsmarkt zu etablieren. Sie betonten dabei nicht ohne Grund ihre Bedeutung als Heimatzeitung und erhöhten die Attraktivität durch Beilagen und weitere Rubriken. Mit Bezirksausgaben in Nordhessen festigten sie ihren Stand auch in kleineren Städten und ländlichen Gebieten, so dass sie schon bald die wieder erscheinenden kleinen Altverleger-Blätter absorbieren konnten. Lediglich der Versuch, mit den „Marburger Nachrichten“ Fuß zu fassen, stieß bei der „Marburger Presse“, ebenfalls lizenziert, auf erbitterten Widerstand und scheiterte bereits nach wenigen Monaten. In Kassel und in der Region blieben die „Hessischen Nachrichten“ die bei weitem auflagenstärkste Zeitung; sie fusionierten 1959 mit der anderen ehemaligen lizenzierten „Kasseler Zeitung“ und trugen fortan den Titel „Hessische Allgemeine“, später „Hessische Niedersächsische Allgemeine“. Die Altverleger-Zeitung „Kasseler Post“ mit der geringsten Auflagenhöhe gehörte ebenfalls zur gleichen Verlagsgruppe. Sie erschien jedoch noch bis 1969 unter ihrem Zeitungstitel, der dann im Untertitel der „Allgemeinen“ weitergeführt wurde. - 359 - Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es während der Lizenzzeit auch zwischen dem am 2. Oktober 1945 lizenzierten „Wiesbadener Kurier“ und hessischen Behörden- und Kirchenvertretern. Lizenzträger Fritz Otto Ulm, der SPD nahe stehend, der mit Georg Alfred Mayer, einem ehemaligen Zentrumsmitglied, mit der Leitung betraut worden war, hatte im Februar 1946 den hessischen Landesbischof Wurm kritisiert, und im Oktober des gleichen Jahres gab Ulm Anlass zum Wiesbadener Presse-Prozess, nachdem der hessische Justizminister Strafantrag gegen ihn gestellt hatte wegen „Beleidigung und übler Nachrede“ eines Ministerialrates. Den ersten Presse-Prozess in Hessen hatte es übrigens im September 1946 gegeben, als der Lizenzträger der "Fuldaer Volkszeitung“, Heinrich Kierzek, wegen "verleumderischer Beleidigung“ eines ehemaligen Nationalsozialisten angeklagt worden war. Für die amerikanische Militärregierung waren die gerichtlichen Auseinandersetzungen aber kein Grund für einen Lizenzentzug. So konnte Ulm, der "besessene Zeitungsmann“, dem die Sozialistische Volkszeitung, Organ der hessischen KPD, Ende 1949 vorwarf, er habe sich vom "Muster-Antifaschisten zum Verfechter rechtsradikaler Strömungen“ entwickelt und sei damit bezeichnend für die "Auslese, die die Besatzung beim Aufbau der Lizenzpresse traf“, den Konkurrenzkampf mit dem seit dem 17. September 1949 wieder erscheinenden "Wiesbadener Tagblatt“ als der wirtschaftlich Überlegene aufnehmen. Die Altverleger-Zeitung, deren Verleger Schellenberg 1948 mit den Lizenziaten des "Kurier“ einen Pachtvertrag über zehn Jahre abgeschlossen hatte, wurde im Lohndruckverfahren auf den ehemals eigenen Maschinen hergestellt – ein Kuriosum im hessischen Lizenzpressewesen. Schellenberg, der sich mit einem Kredit zum Bau einer neuen Druckerei übernommen hatte, verkaufte bereits im August 1950 seine Zeitung an die Mainzer Verlags- Anstalt. Diese übernahm Anfang der sechziger Jahre auch den "Kurier“. Ulms 60%iger Anteil an der ehemaligen Lizenzzeitung wurde mit mehr als 11 Mio. DM beziffert. Heinrich Kierzek, im Herbst 1945 von den Amerikanern eingesetzter Leiter der Entnazifizierungsstelle für das Gebiet Fulda, bekam die Chance, als Alleinlizenziat die "Fuldaer Volkszeitung" zu leiten – und er wusste sie zu nutzen. In einer katholischen Stadt, in der die CDU dominierende Partei war, schuf Kierzek, der bereits vor 1933 genügend journalistische Erfahrung gesammelt hatte, eine für die meisten Leser attraktive und niveauvolle Zeitung. - 360 - In seinem Bemühen, den Lesern die Augen für die Fehler des NS-Regimes zu öffnen, scheute er vor keinem Konflikt zurück. So sah sich der Kasseler Oberstaatsanwalt 1946 veranlasst, Strafantrag gegen Kierzek wegen „verleumderischer Beleidigung“ eines ehemaligen NSDAP-Mitglieds zu stellen. Dieser erste Presse-Prozess der Nachkriegszeit machte Kierzek weit über Fulda hinaus bekannt. Die Kollegen bereits lizenzierter Zeitungen, deren Leser und sogar die amerikanische Armeezeitung "Stars and Stripes“ zollten Beifall für einen Mann, der den Mut besessen hatte, öffentlich „einen Nazi einen Nazi“ zu nennen. Kierzek konnte sich zudem der Unterstützung durch die Militärregierung sicher sein: Nie wurde während der Besatzungszeit mit Lizenzentzug gedroht oder das Verhalten der Lizenzträger gerügt, wenn sie sich mit Behörden, Parteien, Verbänden oder Regierungsmitgliedern auseinander setzten. Auch die Erzdiözesen Fulda, Mainz und Limburg blieben nicht vor Kritik in der "Fuldaer Volkszeitung“ verschont. Der Lizenzträger war ebenso bemüht, seine Zeitung nicht zu einem "um einige politische Meldungen bereicherten Kirchenblatt" oder gar zu einer Neuauflage der alten "Fuldaer Zeitung", wie sie vor 1933 existiert hatte, zu machen. Eine "Heimatzeitung mit solidem Niveau" war sein Ziel, wichtiger noch aber war ihm die überregionale Beachtung. Dabei profitierte er bis Ende 1949 von der Monopolstellung der "Fuldaer Volkszeitung": Die amerikanische Abteilung für Informationskontrolle hatte mehrfachen Anträgen der Fuldaer katholischen Kirche und der CDU, eine zweite Zeitung als Gegengewicht zur "Volkszeitung" zu lizenzieren, nicht entsprochen. In CDU-Kreisen begründete man 1948 diesen Wunsch sogar mit dem Hinweis, die "Volkszeitung" zeige "prokommunistische Tendenzen". Engagiert äußerte sich Heinrich Kierzek auch zu den Entwürfen für ein hessisches Pressegesetz, das, so der Lizenzträger, dem "Schutz der Presse gegenüber etwaigen Übergriffen der Regierung" dienen müsse. Im März 1949 erschienen ihm die vorläufigen Entwürfe eher als "Presse-Strafgesetz" denn als "Presse-Schutzgesetz". Kierzek und allen anderen Lizenzträgern in der amerikanischen Zone kamen die Verzögerungen bis zur Verabschiedung des Gesetzes zwangsläufig recht, hatten doch die Pressegesetze die sofortige Aufhebung der Lizenzpflicht und damit - durch Inkrafttreten der Generallizenz Nr. 3 - das Erscheinen von Altverleger- und Parteizeitungen als Konkurrenten zur Lizenzpresse zur Folge. In der Bischofsstadt entstand Kierzek erst im April 1951 Konkurrenz durch die wieder erscheinende "Fuldaer Zeitung". Dem Altverleger Schellenberg musste das Gericht auf - 361 - Kierzeks Bestreben hin schon bald die Behauptung untersagen, die "Fuldaer Zeitung" sei die bessere der beiden Blätter. Und mit einer einstweiligen Verfügung reagierte der Herausgeber der "Volkszeitung" auf Hinweise der Altverlegerzeitung, sie sei die meistgelesene Tageszeitung in der Region. Die "Fuldaer Zeitung" erwog ihrerseits rechtliche Schritte gegen Kierzek, unterstützt von der Altverlegerzeitung "Kasseler Post" und Vertretern der Kirche. Und noch im Herbst 1953 veröffentlichte die "Fuldaer Zeitung" kommentarlos die Ansicht eines Fuldaer CDU-Mitglieds, die "Volkszeitung" sei eine Zeitung der "kommunistischen Welt, die besser Pankower Volkszeitung heißen sollte". Als Kierzek, wie er sagte, zur Auslastung der Rotationsmaschinen eine Sonderausgabe des Organs der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), "Die Tat", im eigenen Verlag drucken ließ, reagierte nicht nur der Altverleger empört. Auch Kollegen der ehemaligen Lizenzpresse und vor allem die amerikanische Militärregierung wandten sich entschieden gegen Kierzek. Millionenkredite aus Mitteln der "Wirtschaftlichen Genossenschaft", WIGO, standen für die Lizenzpresse auf dem Spiel, da man auf amerikanischer Seite die Ansicht vertrat, die ehemaligen Lizenzzeitungen seien amerikafeindlich, allen voran die "Volkszeitung". Kierzek konnte von Glück sagen, dass ihm dank guter persönlicher Kontakte die Kredite doch noch gewährt wurden, und hielt die Vorwürfe gegen ihn für ein "Konkurrenzmanöver der Altverlegerpresse". 1974, im 29. Jahr ihres Bestehens, musste sich Kierzek im erbitterten Kampf um Abonnenten und Anzeigen geschlagen geben: Die Auflage (1949 hatte sie noch bei 50.000 Exemplaren gelegen) war auf 15.000 Stück gesunken, Familienanzeigen, die in der "Fuldaer Volkszeitung" publiziert wurden, betrugen nur noch ein Viertel dessen, was die Altverlegerzeitung veröffentlichte, die wirtschaftliche Situation des Verlags war entsprechend desolat, so dass die ehemalige Lizenzzeitung ihr Erscheinen einstellen musste. Der "Volkszeitung" folgte am 21. November 1945 die Lizenzierung des "Darmstädter Echo". Der parteilose ehemalige Volksschullehrer Joseph Dang und Paul Rodemann, SPD, zuvor Mitlizenziat der "Frankfurter Rundschau", erhielten die Lizenzen. Ihnen wurde am 1. Dezember 1947 mit Hans Joachim Reinowski, SPD, ein dritter Lizenzträger zur Seite gestellt, der das Ressort Politik übernahm und schon bald der dominierende Mann im Gremium war. Reinowski prägte das Gesicht der Zeitung so entscheidend, dass Leser den Eindruck gewinnen mussten, er sei deren alleiniger "Herausgeber". Vor allem galt sein - 362 - publizistischer Kampf dem Kommunismus; so ließ er keine Gelegenheit aus, in Leitartikeln und bei öffentlichen Veranstaltungen die KPD, namentlich dessen Darmstädter Vorsitzenden, zu attackieren. Wortgewaltig und emotionsgeladen führte er den Lesern die Gefahren des Kommunismus vor Augen; vor allem, als sich die SPD und KPD im April 1948 nach den Kommunalwahlen im Darmstädter Stadtparlament zusammenschlossen und damit eine "sozialistische Mehrheit" bildeten, wandte sich Reinowski entschieden dagegen. Schließlich brach der Lizenzträger jeden "schriftlichen und mündlichen Verkehr zwischen seinem Blatt und der KPD" ab und revidierte diese Entscheidung erst, als sich die Kontrahenten in einer "Vereinbarung" für ihre verbalen Auswüchse gegenseitig entschuldigt hatten. 1949 schieden die beiden anderen Lizenziaten, Dang und Rodemann, aus dem "Darmstädter Echo", jeder von ihnen abgefunden mit einem Auto und einer lebenslänglichen monatlichen Rente von 800 DM. Konkurrenz erwuchs Reinowski mit Aufhebung der Lizenzpflicht also nicht im eigenen Haus, sondern durch die Altverleger-Zeitung "Darmstädter Tagblatt", mit dessen Verleger die Lizenzträger 1948 einen Zwangspachtvertrag über fünf Jahre abgeschlossen hatten. So sank die Auflage des "Echo" im ersten Jahr der Lizenzfreiheit zunächst erheblich, bedingt auch durch das Erscheinen von mehr als 20 kleinen Heimatzeitungen im Einzugsgebiet von Darmstadt, konnte aber schon bald wieder gesteigert werden: Das "Darmstädter Echo" überlebte und wurde in Darmstadt und in der Region zu einer viel beachteten Zeitung. Zum 30. September 1986 wurde die Altverlegerzeitung vom "Echo" übernommen. In Wetzlar, wo seit dem 1. 1. 1946 die "Wetzlarer Neue Zeitung" mit einer Auflage von zunächst 20.000 Exemplaren erschien, schlugen die Wogen nicht so hoch wie in Darmstadt. Zwar hegte mancher Leser Zweifel an der Überparteilichkeit des Blattes, nachdem sich einer der beiden Lizenzträger, das CDU-Mitglied Josef Hüsch, in seinen Leitartikeln kritisch mit dem SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher auseinander gesetzt hatte, allerdings in moderatem Ton. So blieb die "Wetzlarer Neue Zeitung" eher ein Informations- denn ein Meinungsblatt, dessen Lizenzträger gern aus anderen Lizenzzeitungen zitierten. Josef Hüsch schied Ende 1949 aus und überließ dem Mitlizenziaten Johann Eifinger, SPD, die alleinige Leitung des Blattes. Sein Versuch, mit der "Wetzlarer Presse" eine Konkurrenzzeitung herauszugeben, scheiterte 1950 bereits nach einem Monat. Eifinger - 363 - seinerseits hatte wohl Bedenken, ob seine Zeitung langfristig überleben konnte, und fusionierte bereits 1952 mit dem "Wetzlarer Anzeiger", einem Altverlegerblatt. Auch in Gießen entschied sich die Militärregierung, die Leitung der "Gießener Freien Presse", seit dem 8. Januar 1946 auf dem Markt, an zwei Lizenzträger zu geben: Adolf Weller, der die Verlagsarbeit, und Julius Hahn, der die redaktionellen Aufgaben übernahm. Hahn prägte aber nur ein Dreivierteljahr lang den politischen Teil der Zeitung; ihm wurde die Lizenz im Oktober des Gründungsjahres bereits wieder entzogen: Expansionsbestrebungen (der Lizenzträger hatte versucht, sein Blatt auch in Frankfurt zu verkaufen) hatten den amerikanischen Presseoffizieren missfallen, zudem hatte Hahn Schwierigkeiten mit seinem Kollegen Weller. Nachfolger wurde Ludwig Lewy, als "linksliberal" bekannt und bis dahin Wirtschaftsredakteur der "Frankfurter Neuen Presse". Layout und Inhalt der "Freien Presse" änderten sich daraufhin deutlich; so erschienen z.B. die Leitartikel nicht mehr auf der ersten, sondern der zweiten Seite - Artikel, mit denen der neue Lizenzträger bei seinen Lesern bald für Aufsehen sorgte. Spannungen innerhalb der Redaktion und der Appell des "Gießener Forums", einer Initiative von Bürgern, an die Militärregierung, Lewys Versuche, der Zeitung ein "eindeutig kommunistisches Gesicht" zu geben, zu unterbinden, veranlassten Lewy, seine Lizenz zum 1. Juni 1948 niederzulegen. Einmalig in Hessen war dabei auch, dass sich ein Redakteur der "Freien Presse" in einer Versammlung des "Forums" öffentlich darüber beklagt hatte, dass der Lizenzträger ihm seine Artikel "im kommunistischen Sinne" redigiert habe. Ebenso beispiellos in der Geschichte der hessischen Lizenzpresse blieb auch der "Gießener Sitzstreik", zu dem sich der technische Betrieb der "Freien Presse" nach scharfen Kontroversen mit Lewys Nachfolger Dr. Hans Rempel entschlossen hatte mit der Folge, dass die Gießener Zeitung eine Woche lang nicht mehr erscheinen konnte. Ursache des Streiks war ein Leitartikel gewesen, in dem sich Rempel kritisch mit dem hessischen Betriebsrätegesetz auseinander gesetzt hatte. Seiner Ansicht nach waren in dem Gesetzentwurf den Betriebsräten zu viele Mitspracherechte eingeräumt worden. Dieser Beitrag war vor Drucklegung den Gewerkschaften von einem "Freie Presse"-Redakteur zur Kenntnis gegeben worden, die daraufhin eine Veröffentlichung verhindern wollten. Der - 364 - Lizenzträger nahm den Vorfall zum Anlass, dem Redakteur zu kündigen - eine Entscheidung, die die Drucker mit Arbeitsniederlegung beantworteten. Hans Rempel und Adolf Weller wurden mit dem Ende der Lizenzpflicht Eigentümer der "Gießener Freien Presse" und kämpften hart und zunächst mit Auflagenverlusten gegen den wieder erscheinenden "Gießener Anzeiger". Entgegen den Erwartungen der amerikanischen Informationskontrollabteilung mussten sie dem Druck der Konkurrenz aber nicht weichen: Lizenzzeitung und Altverlegerblatt teilten sich in den fünfziger Jahren den Gießener Zeitungsmarkt etwa zu gleichen Teilen. Als Pendant zur "Frankfurter Rundschau" erschien ab dem 15. April 1946 mit der eher konservativen "Frankfurter Neuen Presse" eine zweite Lizenzzeitung in der Mainmetropole. Sie erhielt die Hälfte der Papierzuteilung der "Rundschau" und erschien zunächst mit einer Auflage von einer Viertelmillion. Dem ehemaligen Zentrumsmitglied August Heinrich Berning und damaligen Mitherausgeber der "Hessischen Nachrichten", Kassel, sowie dem CDU-Mitglied Dr. Hugo Stenzel wurden die Lizenzen zur Herausgabe der Zeitung überreicht. Berning konnte diese verantwortungsvolle Tätigkeit aber nur gut ein Jahr ausüben: Bereits zum 1. Juli 1947 wurde ihm die Lizenz wieder entzogen, nachdem er einen Beamten der Militärregierung einen "Anarchisten" genannt hatte. Immerhin erhielt Berning dann noch zehn Jahre lang eine monatliche Zahlung von 1.000 RM/DM. Ihm folgte Leopold Goldschmidt, bis dahin innenpolitischer Redakteur der "Neuen Zeitung" und SPD-Mitglied. Er beharrte auf seinem Recht, als Lizenzträger endgültige redaktionelle Entscheidungen allein zu treffen, und gestand der Redaktionskonferenz in ihrer bisherigen Form damit weniger Mitspracherechte zu. Konflikte waren damit unausweichlich geworden. Zudem wurden unüberbrückbare Gegensätze zwischen den Auffassungen der beiden Lizenziaten "über die politische, journalistische und personelle Gestaltung" als Gründe für Goldschmidts Entschluss angegeben, Anfang 1949 seine Lizenz niederzulegen. Goldschmidt verließ die "Neue Presse" mit einer halben Million DM Abfindung. Mit der "Nachtausgabe", der ersten Abendzeitung in Frankfurt, die seit dem 7. September 1949 auf den Markt kam, wappnete sich die "Neue Presse" gegen die zu erwartende Konkurrenz, die vor allem in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bestand: Mit ihrer Lokalausgabe "Zeitung für Frankfurt" bildete sie eine attraktive Alternative zur "Rundschau" - 365 - und vor allem zur "Neuen Presse". So blieben Auflageneinbußen auch für die zweite Frankfurter Lizenzzeitung in den Jahren nach Gründung der Bundesrepublik nicht aus, sie behielt aber ihren festen Platz bei der Frankfurter Leserschaft. Im Juli 1948 wurde Adolf W. Diehl, dem bisherigen Redakteur des "Wiesbadener Kurier", die Lizenz für die "Kasseler Zeitung" verliehen. Dieses Blatt erschien in Kassel seit dem 29.November 1946, zunächst geleitet von Walter Krust-Ortlieb, dem im April 1947 mit Herbert M. Nuhr ein Kollege zur Seite gestellt wurde. Nuhr widmete sich dem technischen Betrieb, Krust-Ortlieb übernahm die redaktionelle Leitung. Trotz genauer Aufgabenteilung gelang es den beiden nicht, konfliktfrei miteinander zu arbeiten, so dass die Militärregierung die Lizenzen wieder entzog mit dem Hinweis, die Zeitung sei deshalb "ihrem Leserkreis nicht mehr dienlich" gewesen. Diehl wurde nach Wegfall der Lizenzpflicht alleiniger Herausgeber der "Kasseler Zeitung" und konnte sein Blatt, gegen die Konkurrenz der ersten Kasseler Lizenzzeitung, die "Hessischen Nachrichten", und gegen die Altverlegerzeitung "Kasseler Post" behaupten. Erst 1959 entschlossen sich die "Kasseler Zeitung" und das Altverlegerblatt zur Fusion mit den auflagenstärksten "Hessischen Nachrichten": Als "Hessische Allgemeine", später "Hessische Niedersächsische Allgemeine", wurde sie zur großen überregionalen Zeitung in Osthessen. Gleich zwei Lizenzen bekam Udo Bintz, als er am 3. Juni 1947 die "Offenbach-Post" und wenig später, am 30. September 1947, die "Abendpost" auf den Markt brachte. Bintz, der über gute Kontakte zu den Presseoffizieren in Offenbach verfügte, hatte mit der "Offenbach-Post" eine Zeitung geschaffen, die sich vor allem in ihrer Aufmachung deutlich von anderen hessischen Lizenzzeitungen unterschied. Die "Offenbach-Post" glich einer "Heimatzeitung mit der knappen Einprägsamkeit eines Boulevard-Blattes". Auch die "Abendpost" stieß zunächst auf großes Interesse: Sie hatte teilweise eine Auflage von 220.000 Exemplaren und wurde im Straßenverkauf, später auch im Abonnement angeboten. "Offenbach-Post" und "Abendpost" überdauerten die Lizenzzeit; die "Abendpost" musste Bintz aus finanziellen Gründen später verkaufen, und die "Offenbach-Post" trug seit 1955 das Altverlegerblatt "Offenbacher Zeitung" in ihrem Untertitel. Die Altverleger-Zeitung war 1949 zwar nicht wieder erschienen, die Familie als Besitzerin der Druckerei besaß aber nun - 366 - durch Fusion 50 Prozent der Anteile am Bintz-Verlag - und damit an der ehemaligen Lizenzzeitung. Auch die Kleinstadt Eschwege nahe der Zonengrenze wurde zum 1. Juni 1948 mit einer eigenen Zeitung versorgt, deren Lizenzträger Hans Albert Kluthe, ein Mann mit langjähriger journalistischer Erfahrung, der während der NS-Zeit nach England emigriert war, alles daran- setzte, aus der "Werra-Rundschau" eine Zeitung mit überregionaler Bedeutung zu machen. In den ersten Monaten musste er sich damit begnügen, die Zeitung einmal pro Woche erscheinen zu lassen, weil die Papiervorräte nicht ausreichten. Kluthe brauchte in Eschwege seine "liberalen Auffassungen nicht zu verbergen", war doch bei den Kommunalwahlen die LDP als stärkste Partei daraus hervorgegangen. Die örtliche KPD hielt es deshalb auch für angebracht, ihren Mitgliedern nahe zu legen, die "Werra-Rundschau" abzubestellen. Größere Sorgen dürften Kluthe aber die Expansionsversuche der größten Kasseler Lizenzzeitung "Hessische Nachrichten" in den Raum Eschwege bereitet haben. Vor dem Erscheinen der "Werra-Rundschau" waren hier als Kasseler Lokalausgabe die "Werra- Nachrichten" erschienen. Der Lizenzträger versuchte seinerseits, Leser in der Region zu gewinnen durch sein Angebot, mit einem "i-Abonnement" die "Werra-Rundschau" und die im gleichen Verlag erscheinende "Neue Frankfurter Illustrierte" kostengünstig zu beziehen. Dem Eschweger Lizenzträger wurde dieser Versuch, damit auch den Verkauf der "Rundschau" zu erhöhen, auf Betreiben der Kassler Lizenzzeitung gerichtlich untersagt. Die kleine Lizenzzeitung behielt in den fünfziger Jahren ihren festen Leserkreis: Rund die Hälfte der Anfangsauflage von 20.000 Exemplaren konnte sie noch verkaufen. Als 13. und letzte Zeitung wurde im osthessischen Korbach der "Waldecker Kurier" lizenziert. Er erschien seit dem 9. Juni 1948; alleiniger Lizenzträger wurde Ludwig Steinkohl. Die Bedingungen in der Kleinstadt, mit einer neu geschaffenen Zeitung zu reüssieren, waren für Steinkohl jedoch denkbar schlecht, hatte dort doch bis zum Sommer 1945 das Altverlegerblatt "Waldeckische Landeszeitung" auf einen festen Leserkreis, der sich vor allem für Themen der Landwirtschaft interessierte, blicken können. So war es folgerichtig, dass auch Steinkohl den Schwerpunkt seiner journalistischen Täigkeit auf die Heimatverbundenheit legte - auch wenn sich die Bevölkerungsstruktur im Waldecker Land durch den Zuzug vieler Heimatvertriebener in den Nachkriegsjahren gewandelt hatte. Ob er - 367 - mit seinen redaktionellen Beiträgen immer seine Leser erreichte, ist zweifelhaft: Zu sehr betonte er die ihm vorgeschriebene Trennung von Nachricht und Kommentar, zu häufig beschäftigte er sich in seinen Leitartikeln mit außenpolitischen Fragestellungen, zu wenig ansprechend präsentierte sich der "Kurier". Das Erscheinungsbild der Zeitung blieb in den zwei Jahren seines Bestehens eher farblos; in den ersten Ausgaben ersetzten Zeichnungen die - auch später - geringe Auflockerung durch Fotos. Dennoch hätte auch diese Lizenzzeitung überleben können, wenn dem Herausgeber nicht Konkurrenz von verschiedenen Seiten erwachsen wäre: Zum einen drängten die drei auflagenstarken Kasseler Zeitungen, von denen zwei ehemalige Lizenzzeitungen waren, in das Verbreitungsgebiet des "Kurier", zum anderen war es das Bestreben der Altverlegerfamilie, mit der bereits 1887 gegründeten "Waldeckischen Landeszeitung" wieder auf dem Markt zu erscheinen. Wenn sich für diese These auch keine offizielle Bestätigung finden lässt, darf man doch davon ausgehen, dass Ludwig Steinkohl "seine" Zeitung - auch aus den oben genannten Gründen - an die Altverlegerfamilie verkaufte. Die letzte Ausgabe des "Waldecker Kurier" erschien am 31. Mai 1950; bereits am 1. Juni wurden die Leser (wieder) mit der "Waldeckischen Landeszeitung" beliefert. Betrachtet man die hessische Presselandschaft mehr als fünfzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, so lässt sich zusammenfassend feststellen, dass sich auch langfristig ein Großteil der ehemaligen Lizenzpresse auf dem Zeitungsmarkt hat halten können und in Einzelfällen sogar überregionale Bedeutung erlangte. Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass die amerikanische Besatzungsmacht sehr schnell auf die neuen Nachkriegsverhältnisse reagierte und im Medienbereich früher als englische und französische Kollegen die Gründung von Zeitungen betrieb. Es genügten vier Jahre Besatzung, um den "neuen" Zeitungstyp, eine Mischung aus amerikanischer und deutscher Pressetradition, zu etablieren. Amerikanische Presseoffiziere konnten dies aber nur leisten, weil sie häufig die vorgegebenen Direktiven nicht immer im Detail beachteten oder gar umgingen - deutsche Lizenzträger ihrerseits reüssierten nur dann, wenn sie sich den politischen Gegebenheiten anzupassen wussten, sodass auch jene, die über keine journalistische Vor- oder Ausbildung verfügten, 1949 mit dem Ende der Lizenzpflicht vom Lizenziaten zum Herausgeber avancierten, wenn sie "die Zeichen der Zeit" erkannten und - 368 - dies der amerikanischen Besatzungsmacht und natürlich den Lesern auch mitzuteilen wussten. Diese Aussage lässt sich nach Auswertung zahlreicher Interviews mit Zeitzeugen: Lizenzträgern, Altverlegern, Redakteuren, Mitarbeitern der technischen Betriebe etc. sowie der Zeitungsbestände für die Phase der Lizenzierung in Hessen eindeutig treffen. Das Ergebnis bestätigt damit erste Forschungsergebnisse zur "Frankfurter Rundschau" zwischen 1945 und 1949. Da vergleichbare Untersuchungen in anderen Medienbereichen, die den genannten Zeitraum umfassen, nicht vorliegen, wäre ergänzend zu fragen, inwieweit sich die beschriebenen Ergebnisse dort wiederfinden lassen. Sehr wahrscheinlich war das Vorgehen der amerikanischen Besatzungsmacht und ihrer Abteilung für Informationskontrolle in Bayern, Württemberg-Baden, Berlin und Bremen ähnlich - wie sah es aber zum Beispiel in der englischen oder französischen Besatzungszone aus? Zu fragen wäre auch nach Direktiven und deren Umsetzung in anderen Medien der amerikanischen Zone, etwa bei Radio Frankfurt. Lassen sich die Ergebnisse dieser Länderstudie verallgemeinern, zumindest für das Vorgehen in der amerikanischen Zone? Im Interesse einer umfassenden Beurteilung des Pressewesens im Nachkriegsdeutschland wären zumindest für die drei westlichen Besatzungszonen hierzu weitere Forschungen sinnvoll, wenn auch schwer durchführbar, da Interviews mit Zeitzeugen heute kaum mehr möglich sind. Die vorliegende sehr detaillierte Untersuchung zur hessischen Lizenzpresse bestätigt weitestgehend die Ergebnisse der maßgeblichen Forschungsliteratur (Harold Hurwitz, Kurt Koszyk u.a.), deren Schwerpunkte allerdings in einer umfassenden Darstellung der Nachkriegsereignisse im Pressewesen lagen und die somit auf Einzeldarstellungen verzichten mussten. Soweit bekannt, liegen keine anderen Studien vor, die sich flächendeckend mit den Lizenzzeitungen einer Besatzungszone sowie den Biographien der Lizenznehmer und ihrer Mitarbeiter beschäftigt haben. Der induktive Forschungsansatz führt im Ergebnis folglich über die Darstellung einzelner Zeitungen zu einer für die hessische Zone allgemein gültigen Zusammenschau. Es galt also in dieser Studie nicht so sehr zu hinterfragen und zu prüfen, ob man bei neuerlicher Forschung zu einer anderen Einschätzung der politischen Verhältnisse kommen würde, sondern vielmehr, wie vor allem hessische Lizenzträger, aber auch Altverleger und Redakteure sich den geänderten Nachkriegsbedingungen im Pressewesen anpassen wollten bzw. mussten. So interessierte hier in erster Linie das persönliche Schicksal des Einzelnen, - 369 - sein beruflicher Werdegang vor während und nach der Phase der Lizenzpflicht. Seine Schilderungen der Anfänge im westdeutschen Zeitungswesen nach 1945 ließen nicht nur eine Epoche wiedererstehen, sie vermittelten auch einen Eindruck von der Person, die mit der bis dahin in Deutschland unbekannten Aufgabe des Lizenzträgers betraut wurde und dessen journalistische Qualifikation sich in zahlreichen Leitartikeln und Kommentaren mehr oder weniger überzeugend zeigte. - 370 - 17 Anmerkungen 1) Der Morgenthau-Plan sah vor, Deutschland in einen nördlichen und einen südlichen Staat zu teilen. Außerdem sollte das Ruhrgebiet unter internationale Kontrolle gestellt werden und das Saargebiet an Frankreich sowie Teile von Schlesien und Ostpreußen an Polen gegeben werden. Weiterhin war "die Zerstörung der ... für die militärische Stärke wesentlichen Schlüsselindustrien" vorgesehen. (vgl. Michael Balfour, Vier- Mächte-Kontrolle in Deutschland 1945 - 1946. Düsseldorf 1959, S.33) 2) JCS 1067/8 war die achte Überarbeitung der ersten Fassung. 3) Conrad F. Latour/Thilo Vogelsang: Okkupation und Wiederaufbau. Die Tätigkeit der Militärregierung in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands 1944 - 1947. Stuttgart 1973, S.23 4) Latour/Vogelsang, ebd., S.11 5) Latour/Vogelsang, ebd., S.12 6) Wortlaut JCS 1067 in: James Warburg: Deutschland - Brücke oder Schlachtfeld? Stuttgart 1949, Anhang S. 299 - 322 7) Der genaue Zeitpunkt des Antritts der Nachfolge ist nicht bekannt. 8) Das "Office of War Information", das bei seiner Auflösung nach Kriegsende über 13.000 Mitarbeiter verfügte, wurde ersetzt durch ein "Assistent Secretary for Public Affairs". 9) In: Handbuch USFET vom 20. 9.1945: "7.Phasing. The necessary controls and reorientation of the German mind follow principles and practices prescrived in the Supreme Headquarters AEF Directives for Psychological Information Services (...) and the Manual for the Control of German Information Services (...). These controls are conducted in three phases: a. Phase I. Prohibition of German information services in accordance with Military Government Law 191. Amended (1). b. B. Phase II. Use of Allied information services, utilizing German newspapers and publishing plants, radio transmitters, etc. and reconnaissance of German information services. c. Phase III. Gradual transition, varying from region to region and from medium to medium, to German information services directed by Germans under Allied supervision." - 371 - 10) In: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Kontrollgebiet der zwölften Armeegruppe, Nr.1., o.O., o.J., S.39f. 11) Reinhart Greuner: Lizenzpresse. Auftrag und Ende. Der Einfluß der angloamerikanischen Besatzungspolitik auf die Wiederrichtung eines imperialistischen Pressewesens in Westdeutschland. Berlin, 1962, Anhang Nr.6, S.265f. 12) Greuner: Lizenzpresse ..., a.a.O., Anhang Nr.7, S.266-268 13) Barbara Mettler: Demokratisierung und Kalter Krieg. Zur amerikanischen Informations- und Rundfunkpolitik in Westdeutschland 1945-1949. Berlin 1975, S.49 14) Mettler: Demokratisierung und Kalter Krieg ..., a.a.O., S.48 15) Mettler, ebd. 16) In: Handbuch USFET vom 20. 9. 1945: "4. Tasks. Tasks in the control of German information services are: a. Short-term (primarily military) b. Long-term (primarily political) 5. The Short-term Task. To facilitate the military occupation of Germany by assisting in the immediate prohibition of all German information services and by setting up such other information services as will assist the military commanders in maintaining orders by: a. Publishing rules and regulations. b. Countering rumours with announcements and information. c. Supplying a selected world news and information service such as will serve to clarify the relation of the individual German to the occupying forces, to the community and to the world at large. d. Supervising the resumption by Germans of cultural and largely non-political activities (such as music and the theater) which the military requires. 6. The Long-term Task. To eliminate Nazism and the German militarism from any influence of German information media by: a. The destruction of all that remains of the Nazi and militarist influence. b. The re-establishment of German information services initially under close Allied supervision - completely purged of both these influences." 17) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche 1945 - 1949, Teil IV. Berlin 1986, S.39 - 372 - 18) Harold Hurwitz: Die Stunde Null der deutschen Presse - Die amerikanische Pressepolitik in Deutschland 1945 - 1949. Köln 1972, S.28 19) Hurwitz, ebd., S.28 20) Hurwitz, ebd., S.29 21) Hurwitz, ebd., S.30 22) Hurwitz, ebd., S.30 23) Hurwitz, ebd., S.30 24) Hurwitz, ebd., S.50 25) Elisabeth Matz: Die Zeitungen der US-Armee für die deutsche Bevölkerung (1944-1946). Münster 1969, S.23 26) Matz, ebd., S.23 27) Hans Habe, eigentlich Hans Bekessy, wurde am 12. 2. 1911 als Sohn des Verlegers und Chefredakteurs Imre Bekessy in Budapest geboren. Er wuchs in Wien auf und studierte nach dem Abitur in Heidelberg und Wien. Seit 1930 arbeitete er unter dem Pseudonym Hans Habe bei verschiedenen Wiener Zeitungen. 1934/35 war er Korrespondent in Genf für den "Morgen", Wien, und das "Prager Tageblatt". 1939 trat er als Freiwilliger in die französische Armee ein, wurde 1940 Kriegsgefangener der Deutschen, floh und emigrierte in die USA. 1942 wurde er in die amerikanische Armee einberufen, 1943 wurde er in psychologischer Kriegsführung ausgebildet. Im März 1943 kam er als Angehöriger der Propaganda- Einheit nach Nordafrika, wurde 1944 in die USA zurückgerufen, um dort Angehörige der psychologischen Kriegsführung auszubilden. 1944 kehrte er nach Europa zurück und leitete innerhalb der P&PW Detachments der 12. Armeegruppe die Herausgabe deutschsprachiger Zeitungen für deutsche Soldaten und die deutsche Zivilbevölkerung. Von Oktober 1945 bis März 1946 war er Chefredakteur der "Neuen Zeitung", kehrte danach in die USA zurück, um 1949 die Leitung der "Münchner Illustrierten" zu übernehmen. Von 1951 bis 1952 war er Chefredakteur des "Echo der Woche". Nach nochmaligem Aufenthalt in den USA ließ er sich 1954 in Österreich nieder. Habe, der seit 1960 als freier Schriftsteller und Journalist in der Schweiz lebte, starb in Locarno am 29. September 1977. 28) Die ersten Ausgaben der "Mitteilungen" befinden sich im Stadtarchiv der Stadt Aachen. - 373 - 29) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.52 30) Hurwitz, ebd., S.68 31) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.31 32) Hans Habe: Im Jahre Null, Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Presse. München 1966, S.20 33) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.54 34) Hurwitz, ebd., S.57 35) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.33 36) Zu Eugene Jolas s. Anm. 182 37) Belfrage sollte im Juli des gleichen Jahres mit der Lizenzierung der "Frankfurter Rundschau" eine weitere Aufgabe haben. 38) Die zweite Ausgabe hatte bereits eine Auflage von 19.000 Exemplaren. 39) Hurwitz. Die Stunde Null, a.a.O., S.34 40) Hurwitz, ebd., S.63 41) Die "Aachener Nachrichten" befinden sich, soweit es den 1. Jahrgang betrifft, im Institut für Publizistik, FU Berlin; sonst im Pressehaus der "Aachener Nachrichten" in Aachen. 42) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.58 43) Heinrich Hollands, der als erster die Lizenz zur Herausgabe erhalten hatte, konnte mit zwei Mitherausgebern, die Ende 1947 hinzukamen, nur schlecht zusammenarbeiten. Er legte daraufhin auf Anraten des örtlichen englischen Presseoffiziers seine Lizenz im März 1948 nieder. 44) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.66f. 45) Hurwitz, ebd., S.77 46) Eisenhower war Oberkommandierender der amerikanischen Truppen; sein Nachfolger wurde am 20. 11. 45 General McNarney, dem wiederum am 15. 3. 47 General Clay folgte. 47) "Der erste Schritt zur reeducation wird sich streng darauf beschränken, den Deut- schen die unwiderlegbaren Tatsachen zu unterbreiten, die sie von ihrer Kriegsschuld überzeugen (...). Die harte Politik bedeutet die Aufrechterhaltung der Distanz dem be- siegten Volk gegenüber." (aus: Warburg: Deutschland - Brücke oder Schlachtfeld?, a.a.O., S.299) 48) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.69 - 374 - 49) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.37 50) Matz, ebd., S.37 51) APS wurde später in einen britischen und einen amerikanischen Dienst geteilt. Der amerikanische etablierte sich als "United States Press Services" (USPS) in Luxemburg. 52) Chefredakteur war der amerikanische Offizier Eugene Jolas. Die Agentur wurde Anfang September 1945 in "Deutsche Allgemeine Nachrichten Agentur" (DANA) umbenannt. 53) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O. 54) "Ein Teil der Manuskripte war von Habe aus Luxemburg mitgebracht worden. Andere Nachrichten wurden direkt von der BBC übernommen." (aus: Kurt Koszyk: "Pressepolitik für Deutsche", a.a.O., S.43) 55) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.81 Über die technischen und personellen Schwierigkeiten bei dieser ersten regionalen Zeitungsgründung berichtet Hans Habe in seinem Buch: Im Jahre Null, a.a.O., S.52/53 56) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.56 57) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.37 58) Hurwitz, ebd., S.81 59) Hurwitz, ebd., S.82 60) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.169 61) Matz, ebd., S.71 Siehe auch: Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.89: "Die Zeitung war von einer Qua- lität, die bis dahin kein Besatzungsblatt erreicht hatte." 62) Hans Wallenberg, geb. am 17.11.1907 in Berlin, war nach dem Studium von 1928 bis 1932 Redakteur der "Vossischen Zeitung" und Chef vom Dienst der "Berliner Montagspost". 1937 musste er Deutschland verlassen und ging über Prag 1938 nach New York, wo er eine eigene Firma gründete. Von Ende 1942 bis Anfang 1943 war er im "Military Intelligence Training Center" in Camp Ritchie/Maryland auf dem Gebiet der psychologischen Kriegsführung tätig. Im März 1945 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er als amerikanischer Offizier von August bis November die "Allgemeine Zeitung" leitete, wurde dann Chefredakteur der "Neuen Zeitung" in München, zusammen mit Hans Habe. Nach Habes Rücktritt im März 1946 blieb er alleiniger - 375 - Chefredakteur. Dieses Amt legte er 1947 nieder, wurde aber 1949 wiederum ihr Chefredakteur und blieb es, bis die "Neue Zeitung" 1953 eingestellt wurde. Dann kehrte er nach New York zurück und leitete dort sein eigenes, mit der Herstellung von Druckereiprodukten 1939 gegründetes Unternehmen. Anfang 1960 übernahm er die Leitung des New Yorker Büros für den Auslandsdienst des Springer-Konzerns und wurde von 1961 bis 1963 Leiter der PR-Abteilung des gleichen Verlags in Berlin. Anfang 1962 wurde er Generalbevollmächtigter Axel Springers für die Ullstein GmbH. Von November 1963 bis Oktober 1964 war er geschäftsführender Redakteur der Zentralredaktion der "Welt" in Hamburg. Von 1964 bis 1967 bestimmte er als Vorsitzender des Direktoriums die Arbeit der Buchverlage Ullstein und Propyläen in Berlin und wurde dann persönlicher Berater Axel Springers. Wallenberg, dem 1955 das Bundesverdienstkreuz und 1976 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, starb am 13.4.1977 in Berlin. 63) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.71 64) Die "Allgemeine Zeitung" konnte, obwohl sie sehr viele Leser hatte, nicht länger erscheinen, da man von amerikanischer Seite bemüht war, den Deutschen möglichst viele Aufgaben zu übertragen. So sollten bald in allen größeren Städten Lizenzzeitungen erscheinen. 65) Die "Allgemeine Zeitung" ist im Institut für Publizistik der Universität Münster archiviert. 66) "Die Neue Zeitung" ist im Institut für Publizistik der Universität Münster archiviert. 67) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.45 68) Die POB zog im Herbst 1945 von Bad Nauheim nach München. 69) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.94 70) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.82 71) Hurwitz, ebd., S.101 72) Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.94 73) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.101 74) Zu den Redakteuren gehörten auch Egon Bahr, Bruno E. Werner, Walter Kolbenhoff, Alfred Andersch, Peter Boenisch, Stefan Heym, Hildegard Brücher, Else Reventlow, Barbara Bondy, Walter von Cube, Dr. Johannes Gaitanides, Erich Pfeiffer-Belli, Wolf Schneider, Carl Weiss und Hans Joachim Netzer. 75) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.46 - 376 - 76) Sein Entschluss, den Posten des Chefredakteurs bei der "Neuen Zeitung" aufzugeben, ist auf Differenzen mit der Information Control zurückzuführen. Man hatte ihm vorgeworfen, "Major Habe vertrete in der 'Neuen Zeitung' nur noch seine eigenen Ansichten (und) versuche, das Organ der Militärregierung in sein eigenes umzuwandeln." (Matz: Die Zeitungen der US-Armee, a.a.O., S.95) 76a) S. zur Deutschen Allgemeinen Nachrichten-Agentur, DANA, auch S.71ff. 77) Matz, ebd., S.96; Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.266f. 78) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.47 79) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.47f. 80) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.48 81) Frankfurter Neue Presse vom 9.2.49 82) Gießener Freie Presse vom 26. 7. 49 83) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S. 48 84) Georg Bitter: Zur Typologie des deutschen Zeitungswesens in der BRD. München 1951, S.51f. 85) Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., S.53 86) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.120 87) Hurwitz, ebd., S.126 88) Joseph Dunner schreibt in seinem Buch: Zu Protokoll gegeben. Mein Leben als Deutscher und Jude. München 1971, S. 34: "General McClure war wie sein Freund Dwight Eisenhower ein Zögling der amerikanischen Kadettenschule in Westpoint am Hudson und, wie die meisten Offiziere, die aus dieser Anstalt kamen, ein Mann von mittelmäßiger Begabung. Ich erinnere mich noch genau, wie peinlich es mich berührte, daß hier Leute saßen, denen die Aufgabe zugefallen war, in der amerikanischen Besatzungszone eine freie Presse und ein von demokratischen Idealen erfülltes Rundfunk- und Verlagswesen ins Leben zu rufen, dabei aber kaum einen korrekten deutschen Satz zusammenbekamen und sich offensichtlich nie der Mühe unterzogen hatten, die deutsche Publizistik vor und während der Hitler-Jahre kennenzulernen. Sie machten sich keinerlei Gedanken darüber, wem eigentlich die neuen Zeitungen, Verlage und Rundfunkstationen gehören sollten, und waren absolut unfähig, einen Gesinnungslumpen, ganz gleich, ob er Nazi war oder nicht, von einem wirklich - 377 - demokratisch gesinnten, menschlich einwandfreien Deutschen zu unterscheiden." Siehe im Gegensatz dazu: Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S. 128f. 89) Hurwitz, ebd., S.124 90) Hurwitz, ebd., S.118 91) Warburg: Deutschland - Brücke oder Schlachtfeld?, a.a.O., S.75; s. a. Friedrich Klein: Neues deutsches Verfassungsrecht. Frankfurt/M. 1949, 1995 92) Harold Hurwitz, Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung, Berlin 93) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.120f. 94) Mettler: Demokratisierung und Kalter Krieg, a.a.O., Anm.Nr. 178, S. 149; Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., S.52, führt die gleichen Einheiten auf, wobei er die Intelligence Branch nicht nennt. 95) Warburg: Deutschland - Brücke oder Schlachtfeld?, a.a.O., S.81 96) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.130 97) Hurwitz, ebd., S.148 98) Hurwitz, ebd., S.130 99) Balfour: Vier-Mächte-Kontrolle, a.a.O., S.18 100) Dunner: Zu Protokoll gegeben, a.a.O., S.35 101) Zur "Frankfurter Rundschau" s. S. 74ff. 102) Im Oktober des Jahres hatte die "Rhein-Neckar-Zeitung" eine Auflage von 321.000 Exemplaren. 103) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.140 104) Hurwitz, ebd., S.149 105) Hurwitz, ebd., S.326 106) Wobei natürlich die Presse einen wesentlichen Teil zur Meinungsbildung vor den Wahlen beitrug. 107) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.327 108) Die Mitglieder des Ausschusses waren: für England: General Weeks, nach wenigen Wochen ersetzt durch Sir Brian Robertson; für Frankreich: General Koeltz, gefolgt von General Noiret; für die Sowjetunion: General (später Marschall) Sokolowski; für die USA: General Lucius D. Clay. 109) Control Council Directive No. 40: Policy to be followed by German Politicians and the German Press. 12. October 1946 The Control Council directs as follows: - 378 - 1. With due consideration to the necessity for maintaining military security, the German democratic parties and the German press shall be allowed to discuss freely German political problems. Comments on the policy of the Occupying Powers in Germany are allowed. The publication on world events, including informative articles from the foreign press, is also allowed. 2. Members of German political parties and the German press must refrain from all statements and from the publication or reproduction of articles which contribute towards the spreading of nationalistic, pan-Germanic, militarist, fascist or anti- democratic ideas; (a) spread rumours aimed at disrupting unity amongst the Allies, or which cause distrust and a hostile attitude on the part of the German people towards any of the Occupying Powers; (b) embody criticism directed against the decisions of the Conferences of the Allied Powers on Germany or against the decisions of the Control Council; (c) appeal to Germans to take action against democratic measures undertaken by the Commanders-in-Chief in their zones. 3. Offenders will be prosecuted for any breach of the Directive. Done in Berlin, on the 12th day of October (aus: Beate Ruhm von Oppen (Hg.): Documents on Germany under Occupation 1945 - 1954. London/New York/Toronto 1955, S.179) 110) Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., Anhang Nr.11, S.277f. 111) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.331 112) s. S. 47ff. 113) Bitter: Zur Typologie, a.a.O., S.52 114) Die Angst vor Kommunisten in verantwortlichen Positionen führte in den Vereinigten Staaten zwischen 1950 und 1954 zu einer regelrechten Hetze auf Personen, die angeblich dieser Partei angehörten. Initiiert durch Josef R. McCarthy, seit 1947 Senator der USA, wurden Anfang der fünfziger Jahre Personen als Kommunisten denunziert und aus ihren Stellungen im Staatsdienst entlassen, die in den meisten Fällen weder der Kommunistischen Partei angehörten, noch in irgendeiner Weise die Ideen der Partei verbreiten halfen. McCarthy, dem es primär um seine eigene Publizität ging, war die "Jagd auf Kommunisten" deshalb nur Mittel zum Zweck. In der Bevölkerung erregten jedoch seine spektakulären Äußerungen (seinen Angaben - 379 - zufolge gab es Hunderte von Kommunisten in Amerika, die Einfluss auf den Staat hatten), die durch die Presse bereitwillig verbreitet wurden, ein ungeheures Maß an Emotionen und Angst vor einer kommunistischen Gefahr. Denjenigen, die McCarthy als staatsfeindlich bezeichnet hatte, war es darum so gut wie unmöglich, sich zu rehabilitieren.(s. auch: R. Rovere: McCarthy oder die Technik des Rufmords, a.a.O.) 115) Dunner: Information Control in the American Zone of Germany, 1945 - 1946. In: Carl J. Friedrich: American Experiences in World War II. New York, 1948, S.290f.: "The American Failure to permit the Germans practice in democratic procedures is undoubtedly responsible for the success that members of the Communist party, completely out of proportion to their numerical strength among the German population have been appointed to key functions in the information media by control officers who either were prejudiced in favor of Communism or perhaps lacked maturity of judgment." 115a) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.71 116) Lucius D. Clay: Entscheidung in Deutschland. Frankfurt/Main 1950, S.182 117) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.152 118) Ernst Meier: Die Lizenzpresse in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands 1945 - 1949. In: Monumentum Bambergense. Festausgabe für Benedikt Kraft. München 1955, S.217 119) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.204 120) Am 2. Dezember 1946 hatte man ein Abkommen über die Zusammenlegung der britischen und amerikanischen Besatzungszone getroffen, in dem beide Zonen als einziges Gebiet in wirtschaftlichen Angelegenheiten behandelt werden sollten. Die einheimischen Hilfsquellen dieses Gebiets und alle Einfuhren sollten zusammengefasst werden, damit ein gemeinsamer Lebensstandard hergestellt werden konnte. 121) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.203 122) General Lucius D. Clay wurde am 17. April 1945 zum stellvertretenden Militärgouverneur, damit zum Stellvertreter von General Eisenhower, ernannt. General McNarney übernahm im November 1945 die Aufgaben von Eisenhower, der nach Bildung der Besatzungszone Oberster Befehlshaber der amerikanischen Zone gewesen war. Diese Funktion ging an Clay über, als McNarney im März 1947 seine - 380 - Stellung aufgab. Clay blieb bis zum Ende der Besatzung Militärgouverneur der US- Zone. 123) Clay: Entscheidung in Deutschland, a.a.O., S.31 124) Clay, ebd., S.319 125) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.71 126) Weitere Ausführungen s. Harold Zink: The United States in Germany, 1944 - 1955. Princeton/Toronto/London/New York 1957, S.245ff. 127) Im gleichen Verlag erscheinende Bezirks- oder Nebenausgaben einer Regional- zeitung, von der sie sich durch den Lokal- oder auch den Anzeigenteil unterscheiden. 128) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.209 129) Hurwitz, ebd. 130) Hurwitz, ebd. 131) Bitter: Typologie des deutschen Zeitungswesens, a.a.O., S.110 132) Hurwitz, ebd., S.213 133) Hurwitz, ebd., S.310 134) Bitter: Typologie des deutschen Zeitungswesens, a.a.O., S.55 135) Hurwitz, ebd., S.236 136) Pressegesetze s. S. 68ff. 137) "Der deutsche Verleger", Augsburg Nr.1., Januar 1950, S.16 138) Bitter: Typologie, a.a.O., S.110 139) Bitter, ebd. 140) Bericht: The German Press in U.S. Occupied Area, ISD, HICOG, vom 25. 11. 1949 141) Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass in der Literatur keine schlüssigen Angaben über das zahlenmäßige Wachstum der Presse in der amerikanischen Zone nach Ende der Lizenzpflicht gemacht worden sind. Die oben angegebenen Tabellen können also nur einen groben Einblick in die Verhältnisse nach dem 1. 6. 49 geben. 142) Heinrich Wurstbauer: Lizenzzeitungen und Heimatpresse in Bayern. München 1952, S.85 143) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.242 144) Allgemeine Genehmigung Nr. 3, Militärregierung Deutschland, Amerikanisches Kontrollgebiet, veröffentlicht ohne Datum. In: Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., Anhang Nr. 23, S.297 - 381 - 145) Franz Mannhart: Entwicklung und Strukturwandel der Tagespresse in der BRD seit 1945 und ihre Position im öffentlichen Raum. Stuttgart 1959, S.12 146) Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., S.128 147) Musterpachtvertrag, Absatz B, in: Greuner, ebd., Anhang Nr.14, S.282f. 148) Musterpachtvertrag, Absatz E, in: Greuner, ebd., Anhang Nr.14, S.284 149) Greuner, ebd., Anhang Nr.16, S.287 150) Greuner, ebd., Anhang Nr.16, S.287 151) Greuner, ebd., Anhang Nr.17, S.290 152) Greuner, ebd., Anhang Nr.18, S.292 153) An diesem Tag trat, zusammen mit dem Besatzungsstatut, das Gesetz Nr. 5 der Alliierten Hohen Kommission in Kraft, das alle Verordnungen über die Lizenzbestimmungen aufhob. Dazu gehörten das Gesetz Nr.191, herausgegeben von SHAEF, sowie dessen abgeänderte Fassung Nr. 1 vom Mai 1945; die Nachrichten- Kontrollvorschriften Nr. 1, 2 und 3. Das Gesetz wurde von A. François-Poncet für Frankreich, B.H. Robertson für Großbritannien und John J. McCloy für die Vereinigten Staaten unterzeichnet. (aus: Ruhm von Oppen: Documents of Germany, a.a.O., S.416f.) 154) In der britischen Zone waren Lohndruckverträge schon seit langem üblich. 155) Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., Anhang Nr. 19, S.294 156) Greuner, ebd. 157) Greuner, ebd., S.126 158) Greuner, ebd. 159) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.228 160) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.11 161) Kurt Koszyk, ebd. 162) Kurt Koszyk, ebd., S.113 163) Kurt Koszyk, ebd., S.114 164) Kurt Koszyk, ebd., S.163 165) Mettler: Demokratisierung und Kalter Krieg, a.a.O., S.55 166) Mettler, ebd. 167) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.278 168) Hurwitz, ebd. 169) Hurwitz, ebd., S.145 - 382 - 170) Latour/Vogelsang: Okkupation und Wiederaufbau, a.a.O., S.107 171) Clay: The Papers, a.a.O., S. 286: from Clay to War Department "This office does not believe there is any need for instructions in U.S.Zone (of) Germany. While newspapers controlled by political parties are not permitted at the present time, this results from the need for the establishment of a strong independent press ín the American zone in Germany and our inability to supply at present time sufficient newsprint to make this possible. Political parties are given newsprint to permit the circulation to party news and views. However, we doubt the advisability of establishing subsidized party press with circulation quota based on ratio of vote during latest elections. Under such a policy, changes in the licensed newspapers would necessarily be frequent to accord with election changes. Of course, it is our purpose when newsprint conditions permit to remove restrictions in licensing press which would make it possible for any publisher not banned by denazification who is financially responsible to enter into news publishing field. It is recognized that this condition may not materialize for several years. At present many German political leaders recognize the disadvantages which result from party press and some responsible political leaders are opposed to a party press. The British zone has permitted a party press and their responsible officers now think that this has proved to be a mistake. Also, the presently licensed press reflects differences of political thought as its publishers and editors come from several parties. However, they are responsible to their public and are not responsible to the dictates of party leadership. We are confident that we are obtaining a more objective press as a result. We believe that the real answer to our press problem is the establishment of competitive independent papers in all large cities and our problem is directed to this end. We urge that we not be instructed to establish a party press until independent competitive newspapers are on a firm basis and there is sufficient newsprint to warrant allocation to other than an independent press. We do not believe that we can establish a free and independent press in Germany if we deviate from our present policy to attempt to establish with the limited newsprint now available party controlled newspapers which would reduce the number of independent papers." 172) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.158 173) Hurwitz, ebd.; s.a.: Heinz-Dietrich Fischer: Parteien und Presse in Deutschland seit 1945, Bremen 1967 - 383 - 174) Clay: Entscheidung in Deutschland, a.a.O., S.105 175) Weitere Angaben s. Clay: Entscheidung in Deutschland, a.a.O., S.120 176) Ein Äquivalent zum Länderrat gab es in der britischen Zone nicht. Dort bestand lediglich ein Zonenbeirat, eingerichtet von Sir Brian Robertson. 177) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.176 178) Hurwitz, ebd., S.193 179) Zur Rechtsform deutscher Zeitungen s. S. 121ff. 180) Europa-Archiv, 1.Jg., Juli 1946, S.44 181) Europa-Archiv, ebd. 182) Der erste Direktor der DANA, Eugene Jolas, wurde 1894 in Amerika als Sohn eines französischen Buchhändlers aus Forbach und einer deutschen Mutter geboren. 1927 gründete er in Paris, zusammen mit dem amerikanischen Schriftsteller Elliot Paul, die Literaturzeitschrift "Transition". Er, der drei Sprachen beherrschte, übersetzte und publizierte Franz Kafka und weitere namhafte deutsche Schriftsteller. Sein Ziel bei der Nachrichtenagentur in Bad Nauheim war es, die Entnazifizierung der deutschen Sprache zu erreichen und entsprechend zu üben. "Das Ethos zukünftiger Generationen durch eine zielbewußte geplante Änderung ihrer Sprache zu ändern", soll Jolas seine Aufgabe genannt haben. Am 20.9.45 legte Jolas folgende Richtlinien für die Arbeit der DANA-Redaktion fest: 1. Die DANA wird sich in Zukunft des amerikanischen Nachrichtenstils bedienen. 2. Wesentliche Tatsachen gehören ins Lead, d.h. in den einleitenden Absatz; in den folgenden Absätzen werden die Einzelheiten chronologisch aneinandergereiht. 3. Von jeglichen redaktionellen Kommentaren sind unsere Meldungen rigoros freizuhalten; nur objektive Tatsachen sollen berichtet werden. 4. Große Sorgfalt ist auf das Abfassen genauer Übersetzungen zu verwenden. Der deutsche Stil muß grammatisch einwandfrei sein. Alle wörtlichen Übersetzungen vermeide man besser. Stets und ständig denke man an das Ausmerzen von Nazi- Ausdrücken, die Entnazifizierung des Wortschatzes gehört zu den Hauptaufgaben eines jeden, der Nachrichten schreibt. 5. Den Mitgliedern der Redaktion wird nahegelegt, zu lernen, was amerikanischer Stil der Nachrichtengebung ist. - 384 - 6. Tatsachentreue und moralische Integrität beim Abfassen und Bearbeiten von Nachrichten sollen zu Merkmalen der neuen demokratischen Presse werden, die wir in Deutschland zu schaffen suchen." Jolas, der die Forderung nach amerikanischem Vorbild erhoben hatte, eine Nachricht müsse die sechs "w"s enthalten (sie müsse Antwort geben können auf: wer, was, wann, wo, wie, warum), verließ im Januar 1947 die Nachrichtenagentur, die inzwischen in DENA umbenannt worden war, und ging zur "Neuen Zeitung" nach München. Sein Nachfolger wurde Alfred Jacobson. Jolas starb 1952 in Paris. (vgl. Gerhard Rolf Matthäus: Bessere Deutsche durch besseres Deutsch. In: Publizistik, Jg. 8, S.309-315) 183) Europa-Archiv, a.a.O., S.44 184) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.52 185) Kurt Koszyk, ebd., S.50 186) Kurt Koszyk, ebd., S.52 187) Erster Direktor der DENA war der Journalist Wilhelm Necker, ein aus England zurückgekehrter Emigrant, der wegen unerwünschter Linkstendenzen durch Curt Frenzel, den Lizenzträger der "Schwäbischen Landeszeitung", ersetzt wurde. 188) Gerhard Matthäus: dpd-Geschichte, Teil I-IV, o.O., o.J. 189) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, S.55 189a) Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S.39 190) Cedric Belfrage: Seeds of Destruction. New York 1954, S.136: " ... we are not here to concern ourselves about machines, but about people." 191) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.147 192) Belfrage, ebd., S.154: "It's hard because for every position we have to fill there are ready to hand a score of professionally competent Germans who never did anything. The surviving triers, on the contrary, are obscure characters fresh out of jail, few of whom were ever major operators in their field. They haven't worked at their profession on a long time and have been thinking mainly about how they could stay out of the cemetery. After going through more hell than anyone at home ever imagined, ... , they are in bad shape physically and mentally." - 385 - 193) Belfrage, ebd., S.165: "But in the incomplete records as we have them (factual witnesses are scattered all over Germany) Gerst ranks with Etzkorn and Grossmann as farthest from a perfect score politically." 194) Hans Etzkorn starb 77-jährig am 4.1.82 in Remagen. 195) Belfrage, ebd., S.156: "He doesn't claim anything more heroic since 1934 than listening to the foreign radio, but he has sound ideals in his special field of sport and youth, and makes a very sincere impression." 196) Gerst hatte sich öffentlich gegen eine Verlängerung des Krieges gewandt. Seiner Ansicht nach bedeutete eine Fortdauer Revolution und das Ende der Monarchie. (nach Belfrage, ebd., S.127) 197) Belfrage, ebd., S.127 198) Carlebach ist der Ansicht, Gerst sei als Direktor des TOBIS-Film-Konzerns bis 1939 tätig gewesen. (Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3. 11. 75) 199) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.129 200) Belfrage, ebd., S.130 201) s. S. 107ff. 202) In: Handbuch der deutschen Tagespresse, hg. vom Deutschen Institut für Zeitungskunde, 4. Auflage, Berlin 1932, S.112 Paul Rodemann wurde am 22. 4. 1887 in Magdeburg geboren. Nach dem Besuch der Volksschule war er Volontär beim "Hamburger Volksblatt" und beim "Hamburger Echo". Zwischen 1914 und 1918 war Rodemann Soldat im Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende wurde er einer der jüngsten sozialdemokratischen Abgeordneten in der Weimarer Nationalversammlung. Bis 1933 war er Redakteur bei sozialdemokratischen Zeitungen in Schwerin, Hameln und Offenbach (dort beim "Offenbacher Abendblatt"). 1933 wurde er inhaftiert und kam anschließend in das Konzentrationslager Osthofen. Nach seiner Entlassung stand er acht Jahre lang unter Gestapo-Aufsicht. Es war ihm verboten, seinen Beruf weiterhin auszuüben. Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen wurde Rodemann von der amerikanischen Militärregierung im Kreis Offenbach als stellvertretender Landrat eingesetzt. Im Sommer 1945 erhielt er, zusammen mit sechs anderen Personen, die Lizenz zur Herausgabe der "Frankfurter Rundschau". Von dort ging er einige Monate später zum "Darmstädter Echo". Er verließ die Zeitung am 23.5.1949 und lebte - 386 - seitdem in Offenbach. Rodemann starb am 23.2.1963. ("Darmstädter Echo" vom 25.2.63; "Offenbach-Post" vom 26.2.63; "Frankfurter Rundschau" vom 27.2.63) 203) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.158f. 204) Belfrage, ebd., S.158: "The outstanding impression we have of Knothe and he has about himself is that, in view of his great liveliness and the fact that he's one of the few officials of his party surviving in Germany, he is going to be an important political figure. He is full of theories about democracy and when he begins to expound them, which is whenever he gets a chance, it's quite impossible to stop him. ... The humorous lines in his face and the twinkle in his close-set eyes are misleading: he has the typically German pounderousness and belief in order, and obviously enjoys commitees and meetings the longer the better, for their own sake. His intelligence is average but is compensated by his industriousness. His socialism seems to be of the well-seasoned kind represented in British Labor Party leaders - he has worked himself into a respectable position and is hardly the revolutionary that his constant talk of socialism makes him sound. His writing is characterized by long sentences full of cliches, but he expresses the right sort of ideas. We expect him to be a valuable man on the organizing side ..." 205) In: Handbuch der deutschen Tagespresse, a.a.O., S.170: ständige Sonderbeilage der Zeitung "Roter Stern" 206) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.159 207) Belfrage, ebd., S.160: "Rudert is hardly a typical Communist, so far as I know the tribe. He is an extremely sensitive man, in fact, a sentimentalist. He comes of a poor family - his mother, he says, was hardly able to keep her four children alive - and it's evidently the family sufferings during those formative years that made him a revolutionary." 208) Belfrage, ebd., S.161: "He says, ... that he will never forget the way the Americans behaved at Klausthal as long as he lives. As a result he is, for a Communist, astoundingly pro-American. He rarely mentions Stalin, declares that socialism and communism are not issues here and now but only democracy, and talks continually about Eisenhower and the wise policy formulated in his proclamations." 209) Belfrage, ebd., S.161: "Because of our army's behavior toward him Rudert expects our democracy to be perfect, and doesn't understand what hard internal battles it takes to work." - 387 - 210) Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3. 11. 75 211) Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3.11.75. Carlebach, von den Nationalsozialisten verfolgt und in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert, war 1947 Mitbegründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, VVN, und bis 1950 Mitglied der KPD im Hessischen Landtag. Er siedelte nach dem KPD-Verbot 1956 in die DDR über, um dort weiter als Journalist zu arbeiten. 1969 kehrte er nach Frankfurt am Main zurück und schrieb für DKP-nahe Wochenzeitungen und war in der IG Druck und Papier tätig. Er, der lange Jahre Mitglied des Landes- und des Bundesvorstands der Deutschen Journalistenunion sowie Vizepräsident des Internationalen Buchenwaldkomitees war, starb am 9. 4. 2001 in einem jüdischen Altersheim in Frankfurt/Main. 212) Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3. 11. 75 213) Werkkreis Literatur der Arbeitswelt: Die Kinder des roten Großvaters erzählen. Frankfurt/Main 1976, S.132 214) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.161 215) Werkkreis Literatur ..., a.a.O., S.135 216) Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3.11.75 217) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.162 218) Belfrage, ebd., S.162: "Carlebach is as cooly realistic as Rudert is sentimental about his liberation by the Americans. He accepts it - it happened, he has expressed his gratitude, and now where do wo go from here. He is interested in absolutely nothing except carrying on the fight against what Buchenwald represented, and he doesn't intend to wear gloves." 219) Eugen Kogon war zu dem Zeitpunkt bei der PWD in beratender Funktion angestellt. 220) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.163: "1. That Carlebach, due to his political connections (Communistic), was at that time able to secure leading positions for himself in Buchenwald, and as Block-Senior - while himself managing to avoid hard physical labor - acted ruthlessly and brutally toward older and weaker fellow-prisoners over the merest trifles. 2. He was involved in a series of intrigues against fellow-prisoners, and was an accessory to murders by putting the names of his enemies on lists of men to be shipped out of the camp, who he knew would never return." - 388 - 221) Andererseits lassen sich die Kritikpunkte von Kogon, jedoch ohne Namensnennung, in seinem Buch über den SS-Staat wiederfinden. 222) 1948 veröffentlichte Cedric Belfrage unter dem Titel: "The German who could have been dead" einen Artikel zu Carlebach, in dem er schrieb: "Wir erkannten, wie oberflächlich unser Wissen über das Problem war, mit dem wir uns zu befassen hatten, und fanden es anmaßend, moralische Maßstäbe für das Verhalten von KZ- Insassen so leichtfertig anzulegen, wie das in dem Bericht der Intelligence Abteilung getan wurde." "We realized, how shallow our knowledge was of the problem with which we had to deal, and felt it presumtuous to set up moral standards for the conduct of KZ inmates so airily as it was done in the intelligence report." (aus: Harper's Magazine, Juni 1948, Vol.196, S.513) 223) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.169 224) Belfrage, ebd., S.167 225) Harper's Magazine, Juni 1948, Vol.196, S.514 226) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.172 227) Belfrage, ebd., S.172 228) Belfrage, ebd., S.173; Adler verweist auf die Abteilung der ICD in Bayern, wo der katholischen Oberschicht der Vorzug gegenüber 'Linken' und wirklichen 'Anti-Nazis' gegeben wurde. 229) Belfrage, ebd., S.173. S. zur Entstehung der "Frankfurter Rundschau" auch: Emil Carlebach: Zensur ohne Schere - Die Gründerjahre der 'Frankfurter Rundschau' 1945/47 - Ein unbekanntes Kapitel Nachkriegsgeschichte. Röderberg-Verlag, Frankfurt/Main, 1985. 230) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.133 231) "Information Control Intelligence Summary", Nr.4, S.13ff. 232) Sonderbeilage der "Frankfurter Rundschau" zum 25jährigen Bestehen vom 1. 8. 70, Nr.175, S.2 233) Carlebach hält die Tatsache, dass ihm, da er der Jüngste war, die Lokalredaktion überlassen wurde, für den Versuch, ihm wenig Möglichkeiten zu politischer Betätigung zu geben. 234) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.170f. - 389 - 235) Belfrage. ebd., S.182: "... the MG colonel who works with Hollbach knows all about it and is said to be looking forward without pain to our discomfiture." 236) Belfrage, ebd., S.182 237) Belfrage, ebd., S.181: "You expect these attacks to get much worse. Later on we shall look back on this as the honeymoon period." 238) Belfrage, ebd., S.184: "They asked him if he was a Marxist, which of course he admitted, and then wanted to know what were his connections outside Germany, and what he knew about developments in the Russian zone." 239) Belfrage vermerkt, dass "unsere Deutschen so wenig an Verantwortung gewöhnt sind, daß sie es kaum wagen, die kleinste Entscheidung zu treffen, ohne sich mit mir zu besprechen." (Belfrage, ebd., S.181) 240) Belfrage gibt in seiner Tagebuchnotiz den 31. Juli als Datum der 1. Ausgabe an. Eine Überprüfung der Archivbestände ergab allerdings, dass erst am 1. August die erste Ausgabe ausgeliefert wurde. 241) Frankfurt hatte im August 1945 rund 300.000 Einwohner. 242) "Frankfurter Rundschau" vom 1. 8. 45, S.1 243) "Der Neuen Zeitung zum Geleit! Eine neue Zeitung in Frankfurt am Main. Eine Zeitung, die man bei der Post oder beim Träger bestellt, bezahlt und zugestellt erhält. Es mußten viele Voraussetzungen erfüllt werden, ehe die erste Nummer gedruckt werden konnte. Aber nach wochenlanger zäher Vorarbeit präsentiert sie sich der Öffentlichkeit - die 'Frankfurter Rundschau'. Mit Erlaubnis der Militärregierung wird diese Zeitung von Deutschen auf demokratischer Grundlage herausgegeben und geleitet. Die Herausgeber haben dafür die Lizenz Nr. 2 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung erhalten, doch handelt es sich hier bis heute um die erste Lizenz im amerikanisch besetzten Gebiet, die für die Herausgabe einer Zeitung vergeben ist. (Lizenz Nr. 1 wurde in der jetzigen britischen Besatzungszone an die 'Aachener Nachrichten' vergeben.) Die Erscheinungsweise der Zeitung - zweimal wöchentlich - und ihr Umfang werden zunächst noch bestimmt von den riesigen Schwierigkeiten, in die das Zerstörungsregime Hitlers, seine wahnsinnige Kriegsführung das Gesamtwerk des deutschen Wiederaufbaus versetzt hat. Das Verbreitungsgebiet unserer Zeitung ist sehr groß, weil es zunächst nicht möglich ist, selbständige Zeitungen auch in allen Nachbarstädten erscheinen zu lassen. - 390 - Zwölf Jahre war unser Leben beherrscht von der Lüge Goebbels' und seiner Kreaturen. Die Lüge hat in den vergangenen zwölf Jahren den deutschen Volkscharakter in verheerender Weise angegriffen. Die Lüge ist eines der vielen Hindernisse bei den Anstrengungen zum Wiederaufbau. Die 'Frankfurter Rundschau' wird ihren Beitrag leisten, um dieses Nazi-Übel auszumerzen. Wir verbinden mit diesem Geleitwort unseren Dank an die 'Frankfurter Presse', dem alliierten Nachrichtenblatt der amerikanischen 12. Heeresgruppe, das bisher die Nachrichtengebung in vorbildlicher und interessanter Weise durchgeführt hat. Die 'Frankfurter Presse' hat eine schwere Aufgabe glänzend gelöst, und ihr Name wird in der Frankfurter Zeitungshistorie den Platz einnehmen, der ihr geschichtlich zukommt. Und nun Glück auf der 'Frankfurter Rundschau'. Emil Carlebach, Wilhelm Knothe, Hans Etzkorn, Paul Rodemann, Wilh. Karl Gerst, Arno Rudert, Otto Grossmann" 244) "FR" vom 1. 8. 45 245) "FR" vom 1. 8. 45 246) Die Anzeigenbeschränkung entfiel erst nach der Währungsreform, als etwa zur gleichen Zeit die Papierkontingentierung aufgehoben wurde. 247) "FR" vom 4. 8. 45, S.2 248) "FR" vom 4. 8. 45, S.4 249) "FR" vom 4. 8. 45, S.5 250) "FR" vom 4. 8. 45, S.3 251) "FR" vom 4. 8. 45. S.3 252) "FR" vom 11. 8. 45, S.5 253) "FR" vom 18. 8. 45, S.5 254) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.316 255) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.194 256) Belfrage, ebd., S.194: "It was necessary for me to step in to-day and order Etzkorn to throw out most of the material he has and get something more suitable." 257) "FR" vom 22. 8. 45, S.2 258) "FR" vom 25. 8. 45, S.5 259) "FR" vom 25. 8. 45, S.5 260) "FR" vom 5. 9. 45, S.5 - 391 - 260a) Dr. Kurt Schumacher, geboren am 13. 10. 1895 in Kulm, seit 1946 Vorsitzender der SPD und im 1. Deutschen Bundestag führender Politiker der Opposition, starb am 20. 8. 1952 in Bonn. 261) Werkkreis Literatur ..., a.a.O., S.136 262) "FR" vom 8. 9. 45, S.5 263) "FR" vom 22. 9. 45, S.5 264) "FR" vom 22. 9. 45, S.5 265) "FR" vom 3. 10. 45, S.2 266) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.316 267) "FR" vom 3. 10. 45 268) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.316 269) Das "Information Control Intelligence Summary" bestand von 1945 - 1947 und wurde 1947 durch das "Information Control Weekly Review" abgelöst. 270) "Since the first appearance of the Frankfurter Rundschau, there have been numerous criticisms of the tone, choice of subject matter, points of view and the membership of the editorial board of the publication. Since the establishment of the political parties in Frankfurt, criticism of the newspaper has been based more and more on political party orientations." 271) "IC Intelligence Summary", Week ending, 6. 10. 45, S.7 272) "IC Intelligence Summary", ebd., S.9 273) ebd., S.11 Die Umfrageergebnisse vom 1. 10. 45 wurden im ICIS vom 20.11.45 auf den Seiten 1 u. 2 wiedergegeben: "Reactions to the 'Frankfurter Rundschau'. This newspaper has been strongly criticized among conservative and intellectual circles for its low journalistic standards and leftist political orientation. In a special study on 1 October, 200 persons filled out anonymous questionnaires. 1. The poll showed that most of the people were generally satisfied with the paper. 18% thought it 'very good', 47% thought it 'good' (Thus, 65% had a favorable judgment of the paper.), 26% thought it 'fair', 3% did not like it at all. 2. The Frankfurter Rundschau has been strongly criticized by its opponents for its poor stylistic qualities. But only a small minority of the representative group in the - 392 - survey subscribed to this criticism. 8% thought it was too simply written, 71% thought it was clear and well written, 3% thought it too literary. 3. A majority of people polled thought the F.R. satisfied the need of the Frankfurter population. 53% thought it did, 15% thought it did not, 32% had no opinion or did not answer. 4. Relatively few people thought that the F.R. was biased in its presentation of news dealing with political parties. 7% thought it was biased, 49% thought it was impartial. (The rest expressed no opinion; this reflects the considerable political apathy of the population.) 5. A majority of those polled (62%) thought that a newspaper should have the right to criticize the German civil administration; only 6% flatly disagreed with this view. 6. Most of those polled thought that the F.R. was censored by the Americans. Censored before publication - 42%, censored after publication - 11% (Total believing F.R. censored 53%), F.R. not censored - 11%, no opinion - 23%, no answer - 13%. 7. Belief in American censorship of the F.R. was not accompanied by lack of faith in its impartial presentation of political news. On the contrary, belief in the F.R.'s impartiality was more widespread among those who thought the Americans did censor it, 49% of the group as a whole thought F.R. impartial, 65% of those who thought F.R. was censored also thought it impartial." 274) FR vom 6. 10. 45, S.2 275) FR vom 6. 10. 45, S.2 276) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.195 277) Belfrage, ebd., S.196 278) ICIS vom 6. 10. 45, S.7 279) John B. Stanley war zu dem Zeitpunkt Kommandeur der Nachrichtenkontrollabteilung des Westlichen Militärdistrikts (6871 DISCC). 280) Luther Conant war 1945 Chef der Press-Section von ICD in Bad Homburg. 281) FR vom 23. 10. 45 282) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.212 283) Belfrage, ebd., S.212: "One sees in these papers the image of State Department 'normalcy': destructive criticism, negation, sabotage of all that might lead to unity - and all under the cloak of 'democracy', in smooth, objective seeming phrases." - 393 - 284) Belfrage, ebd., S.212: " ... Anglo-American policy has gone so far that Communist- Social Democrat unity on the political level is now partically illegal." 285) Belfrage, ebd., S.213 286) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.318 287) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.137 288) FR vom 7. 12. 45, S.2: Arno Rudert "Über Demokratie" 289) FR vom 16. 12. 45, S.2: Emil Carlebach "Demokratie - Kein Schlagwort" 290) FR vom 28. 12. 45, S.2: W.K. Gerst "Parteien-Annäherung" 291) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.319 292) FR vom 15. 3. 46 293) Brief Kleitz an Hg. der "Frankfurter Rundschau" vom 11. 2. 46: "The choice of Mr. Knothe to nominate the successors demonstrated that the Information Control officers had full confidence in the integrity of Mr. Knothe. The decisions were made to strengthen the Frankfurter Rundschau as a newspaper and also to ensure that the Social Democratic section of the German public is properly represented on the newspaper." 294) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.213: "Knothe's office was the scene of a neverending Social-Democrat party causus." 295) Belfrage, ebd., S.213: " ... wrote almost nothing himself, while adopting an attitude of condescension toward the contributions of the others." 296) Belfrage, ebd., S.213 297) Belfrage, ebd., S.213 298) Belfrage, ebd.: "... but it had already come to our ears that he was denouncing the paper as 'communistic' - he who was our first selection, who helped pick up the others and approved them all." 299) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.137 300) FR vom 15. 3. 46, S.1 301) FR vom 15. 3. 46, ebd. 302) FR vom 15. 3. 46, ebd. 303) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.213 304) Belfrage, ebd., S.213: "The man he found was a refugee just back from Switzerland and therefore not in the Frankfurter party clique." 305) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.138 - 394 - 306) S. dazu auch "Frankfurter Rundschau" vom 1. 3. 73: "Karl Gerold gestorben". Die Ehe mit der Schweizer Pianistin Elsy Lang bewahrte Gerold davor, während des Kriegs aus der Schweiz ausgewiesen zu werden. 307) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.171 308) "Das Papierkontingent wurde für jede Zeitung vierteljährlich festgesetzt und dementsprechend Erscheinungshäufigkeit, Format und Seitenzahl, Auflage, Verbreitungsgebiet sowie die Aufteilung des Umfangs auf den redaktionellen Teil und auf Anzeigen bei der Erteilung genau fixiert." (aus: H.-D. Fischer: Parteien und Presse, a.a.O., S.43) 309) FR vom 15. 4. 46, S.2 310) Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main am 3. 11. 75 311) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.214: "It now remains for the divisive forces to 'get' Gerst, and they will certainly not rest from their endeavours while he continues to work with Communists. They may well succeed, as there will be nobody of influence left in ICD with enough stamina to stand up against this witch-hunting." 312) Belfrage wurde verurteilt und verbrachte 15 Monate auf Ellis Island. (aus: Preface zu: Celdric Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O.) 313) Vincent O. Anderson soll nach Aussage von Carlebach später Professor für Communications in New York gewesen sein. 314) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.224: "There are perhaps five per cent of German Communists in Frankfurt. The other 95 per cent of the population are not in accord with the policy of the paper. They cannot understand how such a thing could come out." 315) Belfrage, ebd., S.225 316) Belfrage, ebd., S.226: "Until corrective steps were taken the 'Rundschau' used to be called the 'Frankfurt-Pravda'." 317) Joseph Dunner: Zu Protokoll gegeben, a.a.O., S.116 318) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.320 319) Am 17. 12. 46 berichtete die "FR", Gerst sei mangels Beweisen freigesprochen worden. 320) FR vom 15. 10. 46 321) Carlebach erinnert sich, dass er kurz nach dem Spruchkammerverfahren gegen Gerst zur Militärregierung gerufen wurde, um seine Meinung über Gerst zu äußern. - 395 - Auf die Bemerkung, mit Gerst könne man doch nicht zusammenarbeiten, will Carlebach geantwortet haben: "Er ist der Erfahrendste von uns und ich habe viel von ihm gelernt." Carlebach wurde angeblich sogar nahe gelegt, die Möglichkeiten zu bedenken, die er bei einem eventuellen Ausscheiden von Gerst in der Redaktion hatte (aus: Werkkreis Literatur, a.a.O., S.141; Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3. 11. 75). 322) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.321 323) Die Angaben über Gersts weitere Tätigkeit sind widersprüchlich. Am 7. 5. 1950 wird Gerst Vertreter des "Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes" (ADN); am 14. 7. 1953 ist Gerst nach eigener Aussage nicht Bonner Korrespondent des ADN, sondern nur "Journalist, weiter nichts". Am 7. 1. 1954 wird Gerst die Zulassung als Journalist beim Deutschen Bundestag entzogen. Am 18. 1. 1954 wird er von der Bundespressekonferenz ausgeschlossen. Gerst starb am 25. 3. 1968. 324) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.227: "The Information Control Division of the American Military Government of Greater Hesse announced, (that) it had revoked the publisher's licence of Wilhelm Karl Gerst because of his 'despotic and undemocratic attitude toward his employees' and because of his 'bad management' of the local newspaper 'Frankfurter Rundschau'." 325) FR vom 22. 10. 46, S.1 326) FR vom 19. 12. 46, S.2 327) FR vom 6. 2. 47, S.1 328) FR vom 17. 10. 45, S.2 329) FR vom 4. 12. 45, S.2 330) FR vom 18. 12. 45, S.2 331) FR vom 4. 1. 46, S.2 332) FR vom 26. 3. 46, S.2 333) FR vom 4. 5. 46, S.2 334) Das "Information Control Weekly Review", der Bericht der Intelligence Branch der ICD, war die Nachfolgereihe des 1945 bis 1947 erschienenen "Information Control Intelligence Summary". 335) "Information Control Weekly Review" Nr.6, vom 11. 1. 47, S.10 336) "ICWR" vom 11. 1. 47, S.10; die Intelligence Branch gab dazu folgende Erklärung: "Protestanten sind kritischer als Katholiken aus folgenden Gründen: Protestanten - 396 - gehen seltener in die Kirche als Katholiken; ein Verhalten, das im allgemeinen größerer Kritikfähigkeit entspricht. Protestanten sind im großen und ganzen besser ausgebildet. Das fördert die Urteilsfähigkeit. Protestanten neigen in der Relation mehr zum nationalen Sozialismus und haben eine größere Fähigkeit, Probleme der Besatzung zu beurteilen." 337) Anfang 1946 war die ICD nicht mehr dieser Ansicht; jetzt erschien ihr nur noch die "Frankfurter Neue Presse" von hohem journalistischem Niveau zu sein. 338) Das Umfrageergebnis zur Leseranalyse wurde im Bericht der Research Branch, OMGUS, Report Nr. 57, vom 29. 4. 47: "Popularity and Readership of the Frankfurt Newspapers" wie folgt wiedergegeben: Leser der Neuen Presse Rundschau Mitglied einer pol. Partei 2% 10% Bevorzugung einer Partei SPD/KPD 36% 40% CDU/LDP oder andere 14% 24% Keine 44% 34% Keine Meinung 6% 2% Mitglied der NSDAP Selbst 12% 5% Familie 20% 13% Weder noch 68% 82% Einkommen (wöchentl.) Keins 4% 9% 1 - 159 RM 18% 30% 160 - 249 RM 26% 31% 250 und mehr 52% 30% Schulbildung 8 Jahre und weniger 76% 72% 9 Jahre und mehr 24% 28% - 397 - Alter (in Jahren) Unter 30 26% 21% 30 - 49 46% 47% 50 und älter 28% 32% Geschlecht Männlich 46% 46% Weiblich 54% 54% Konfession Katholisch 30% 29% Protestantisch 64% 62% Andere 6% 9% Status Mittlerer oder höherer Status 22% 37% Untere Mittelklasse 38% 48% Untere 36% 35% Keine Angaben 4% - 339) genaues Datum des ICD-Berichts unbekannt 340) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.145, sowie Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3. 11. 75 341) FR vom 21. 8. 47, S.1 342) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.231 343) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.321 344) Der kommunistische Arbeitsminister in Hessen war Oskar Müller. 345) FR vom 23. 8. 47, S.1 346) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.145 347) "Der Spiegel", 1.Jg./Nr.36 vom 6.9.47, S.6: "Grundprinzipien der Demokratie - Fristlos und ohne Begründung" 348) Belfrage: "The German who should have been dead", in: Harper's Magazine, Juni 1948, Vol.196/Nr.1177, S.515 - 398 - 349) Ernst Federn: "That German who should have been dead", in: Harper's Magazine, August 1948, Vol.197/Nr.1179, S.106 350) S. zu den Anschuldigungen gegen Carlebach, er habe im KZ alte und schwache Insassen auf die Listen gesetzt, S.83ff. 351) Ernst Federn: "That German, 'who should have been dead'", a.a.O., S.107: "Do we, then, really have to weep for Carlebach? Certainly he, too, suffered from the years in concentration camps; and certainly he stood his ground as a trusted worker for the Communist party. But to paint him as a champion of liberty and human dignity is to do a great injustice to those who kept their sense of human value intact despite all persecution, and even in the concentration camps." 352) Rudi Eims, Sozialdemokrat, war seit 1946 zuständig für die Gerichtsberichterstattung der "Frankfurter Rundschau". Später war er außerdem Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats der Zeitung. Eims, Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, starb am 31. 1. 75 in Frankfurt/Main. 353) "Der Spiegel", Nr.46 vom 15. 11. 47, S.21 354) Das Archiv der "Frankfurter Rundschau" verzeichnet dafür den 8. 11. des Jahres. 355) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.146 356) FR vom 15. 11. 47 357) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.146 Der Lizenzträger der "Kasseler Zeitung", Walter Krust-Ortlieb, kommentierte am 10.11.47: "Der Lizenzträger der 'Frankfurter Rundschau' - Arno Rudert - wurde durch ein Schreiben des Landesvorsitzenden der KPD, Walter Fisch, aus der KPD ausgeschlossen, mit der Begründung, daß Rudert keine konsequente Haltung seiner Partei gegenüber in seinem Beruf eingenommen habe. Man wirft ihm vor, den Leitartikel seines Kollegen Gerold (SPD) über den Marshallplan zugelassen zu haben. Man wirft ihm vor, die Nachricht, daß die amerikanische Nachrichtenkontrolle einen antikommunistischen Feldzug durchführen will, gebracht zu haben. Man wirft ihm vor, daß er die Pressekonferenz mit Schumacher (SPD) nach seiner Rückkehr aus den USA veröffentlicht hat. Hier zeigt sich klar der Unterschied zwischen der freien, unabhängigen Presse und der Parteizeitung. Bei der Parteizeitung darf der Redakteur seinen Lesern nur das vorsetzen, was der Parteivorstand befiehlt; während der Leser einer unabhängigen - 399 - Zeitung über alles orientiert wird, und zwar niemals abhängig von Parteimeldungen ... Der Fall Rudert zeigt deutlich, wohin wir mit einer Parteipresse kommen würden." 358) "Der Spiegel" vom 15. 11. 47, S.21 359) Gespräch mit Carlebach in Frankfurt/Main, 3. 11. 75 360) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.231f. 361) FR vom 4. 11. 47, S.2 362) FR vom 6. 1. 48, S.2 363) FR vom 8. 1. 48, S.1 364) FR vom 13. 1. 48, S.1 365) FR vom 20. 1. 48, S.1 366) FR vom 3. 2. 48, S.1 367) FR vom 14. 2. 48, S.1 368) FR vom 28. 2. 48, S.1 369) FR vom 13. 3. 48, S.1 370) FR vom 16. 3. 48, S.1 371) FR vom 16. 3. 48, S.2 372) FR vom 18. 3. 48, S.1 373) FR vom 18. 3. 48, S.1 374) FR vom 20. 3. 48, S.1 375) FR vom 27. 3. 48, S.1 376) FR vom 30. 3. 48, S.2 377) FR vom 1. 4. 48, S.2 378) FR vom 10. 4. 48, S.1 379) FR vom 17. 7. 48, S.1: "Der Abonnementspreis beträgt 2,75 DM zuzüglich DM 0.40 Botenlohn, im Postbezug DM 3.10 zuzüglich Zustellgebühr. Belieferung durch Streifband DM 2.75 zuzüglich DM 1.56 Portogebühr. Einzelverkaufspreis 15 Pf." 380) FR vom 26. 7. 48 381) Zum Vergleich die Rubriken von 1946: 1. Seite: Politik 2. Seite: Leitartikel, Kommentare, Feuilleton 3. Seite: "Frankfurter Spiegel", Sport 4. Seite: 50% Wirtschaft, 50% Anzeigen 382) FR vom 10. 1. 49, S.1 - 400 - 383) Am 10. 3. 49, 7. 4. 49 und 5. 5. 49 berichtete die "Rundschau" über die Lesungen des Pressegesetzes sowie über dessen Verabschiedung. 384) Im Impressum hieß es: "Herausgeber und Chefredakteur: Arno Rudert und Karl Gerold, Politik: Dr. Hans Hendrich, Nachrichten: Hans Herbolz und Hans Nassauer, Reportagen und allgemeine Informationen: H.-H. Gaebel, Wirtschaft: Alfons Montag, Kultur und Feuilleton: Erich Lissner, Lokales: Aloys Kern, Gericht: Rudi Eims, Sport: Erich Wick, Anzeigen: Hans Löhr, Vertrieb: Wilhelm Moses, Druck: Druck- und Verlagshaus Frankfurt/Main GmbH Kaufmännischer Leiter: Peter Schönfeld, Technischer Leiter: Max Racky, beide in Frankfurt." 385) Karl Gerold war nach dem Tod Ruderts Inhaber von zwei Dritteln des Kapitals der "Rundschau". Diese Regelung basierte auf einem Vertrag, den Rudert und Gerold geschlossen hatten. Danach wurde bestimmt, dass beim Tod eines der beiden Vertragsschließenden die Erbin des Verstorbenen gehalten ist, zwei Drittel der Anteile im Nennwert zu übertragen. Gerold starb am 28. 2. 1973 im Alter von 66 Jahren in Frankfurt. Er war 1966 zu seinem 60. Geburtstag mit der Goethe-Plakette und der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet worden und hatte 1970 die Wilhelm-Leuschner- Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, erhalten "wegen der Verdienste, die Sie sich durch Ihren aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus, durch Ihre schriftstellerische und verlegerische Tätigkeit für den Wiederaufbau und für die Erhaltung der Demokratie gegen alle Sie bedrohenden Gefahren erworben haben." Zu seinem 65-jährigen Geburtstag erschienen zwei Gedichtbände von Gerold. 386) FR vom 22. 9. 45, S.1 387) Werkkreis Literatur, a.a.O., S.140 388) Greuner: Lizenzpresse - Auftrag und Ende, a.a.O., S.118 389) Greuner, ebd., S.117 390) Wilhelm Karl-Gerst-Korrespondenz, Bonn, Nr.438/439, 3./10.6.1957, S.12ff. (zitiert nach Greuner, a.a.O., S.116) 391) H.-D. Fischer: Parteien und Presse, a.a.O., S.48 392) Auf der 2.Tagung des "Vereins Bayerischer Zeitungsverleger e.V." in Rothenburg ob der Tauber am 22./23.3.46 - 401 - 393) "Die Zeitung", 1. Jg., Nr. 1, S.5 (zitiert nach Greuner, a.a.O., S.119) 394) Die Tagung fand in Marburg vom 20. bis 21. 10. 45 statt. 395) Brief der "Frankfurter Rundschau" vom 14. 11. 45 an den Lizenzträger der "Fuldaer Volkszeitung", Heinrich Kierzek, unterzeichnet von Gerst, Rudert, Carlebach, Grossmann und Pitz (für den Betriebsrat) 396) Anwesend waren folgende Lizenzträger: Bremer, Marburger Presse Bartels, Hessische Nachrichten Rodemann, Darmstädter Echo Eifinger, Wetzlarer Neue Zeitung Hüsch, Wetzlarer Neue Zeitung Kierzek, Fuldaer Volkszeitung Carlebach, Frankfurter Rundschau Rudert, Frankfurter Rundschau Gerold, Frankfurter Rundschau Gerst, Frankfurter Rundschau Römer, Hessische Nachrichten Ulm, Wiesbadener Kurier Schmidt, Hessische Nachrichten Berning, Frankfurter Neue Presse Stenzel, Frankfurter Neue Presse außerdem: Freienberg, ICD Press Section Materialbeschaffungsstelle Wiesbaden 397) Der "Verband Großhessischer Zeitungsverlage" gründete sich am 27. 9. 47 neu als "Verband hessischer Zeitungsverleger e.V.". Ihm gehörten alle in Hessen erscheinenden Zeitungen an. 1948 erfolgte der Zusammenschluss der Länderverbände innerhalb der Zonen, bis 1949 bildeten sich die Arbeitsgemeinschaften der drei westlichen Besatzungszonen, und mit Gründung der Bundesrepublik entstand der "Gesamtverband der deutschen Zeitungsverleger", während die so genannten Altverleger den "Verein deutscher Zeitungsverleger" gründeten. 1952 schlossen sich beide Organisationen zum "Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger" zusammen. 398) Gespräch mit Peter Schönfeld in Frankfurt/Main, 7. 11. 75 - 402 - 399) Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., S.115 400) Gespräch mit Schönfeld, a.a.O. 401) Belfrage: Seeds of Destruction, a.a.O., S.196, schrieb dazu am 5.9.45: "Über 100.000 Mark kommen jede Woche herein durch den Verkauf und die Anzeigenwerbung. Die Herausgeber bekommen jeder 1.000 Mark im Monat und der Rest des Verdienstes, abzüglich Miete und Arbeitsmaterial, geht auf ein Konto, um später dazu gebraucht zu werden, der Zeitung eigene Räume und Maschinen zu erwerben." 402) Greuner: Lizenzpresse, a.a.O., S.123 403) Nach Angaben von Schönfeld kaufte die "Frankfurter Rundschau" 1948 das Grundstück aus eigenen Mitteln. 404) Gespräch mit Schönfeld, a.a.O. 405) Carlebach: Pressefreiheit in der BRD?, in: Marxistische Blätter, 10.Jg., 2/1972, S.30, nennt als Anleihe aus dem GARIOA-Fonds für die "Rundschau" die Summe von 1,6 Mio. DM. Marburger Presse (MP) 406) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.161 407) Gespräch mit Werner Mascos, ehemals Redakteur der "Marburger Presse", in Marburg, am 8. 3. 1982 408) MP vom 14. 9. 45 409) MP, ebd. 410) MP, ebd. 411) Gespräch mit W. Mascos, a.a.O. 412) Wolf und Mewes verließen die Zeitung noch vor der Fusionierung im Jahr 1951. Mascos ging wenige Monate nach der Zusammenlegung von Lizenzzeitung und Altverlegerzeitung. 413) Vertreten waren: "Aachener Nachrichten", "Frankfurter Rundschau", "Rhein-Neckar- Zeitung", Heidelberg, "Weser-Kurier", Bremen, "Stuttgarter Zeitung", "Hessische Nachrichten", Kassel, "Wiesbadener Kurier", "Der Tagesspiegel", Berlin, "Süddeutsche Zeitung", München, "Hochlandbote", Garmisch-Partenkirchen, "Nürnberger Nachrichten", "Frankenpost", Hof, und die "Marburger Presse". 414) MP vom 19. 10. 45 - 403 - 415) MP vom 23. 11. 45 416) MP vom 16. 11. 45 417) MP vom 27. 11. 45 418) MP vom 11. 1. 46 419) Gespräch mit Mascos, a.a.O. 420) Gespräch mit Mascos, a.a.O. 421) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.250 422) MP vom 14. 9. 46 423) MP, ebd. 424) MP, ebd. 425) MP, ebd. 426) MP, ebd. 427) MP, ebd. 428) MP, ebd. 429) MP, ebd. 430) MP, ebd. 431) MP, ebd. 432) Gespräch mit Mascos, a.a.O. 433) MP vom 28. 6. 46. Für die SPD kandidierte August Eckel, für die CDU Gerhard Albrecht und für die KPD Leopold Bauer. 434) MP vom 10. 5. 47 435) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.209, erwähnt, dass die neun anderen hessischen Lizenzzeitungen im April 1947 insgesamt über 26 Lokalausgaben verfügten; im Oktober des gleichen Jahres seien es nur noch 23 gewesen. 436) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.219 437) MP vom 29. 4. 47 438) Vgl. etwa die "Fuldaer Volkszeitung", S.183ff. 439) MP vom 8. 5. 47 440) MP, ebd. 441) MP, ebd. 442) MP vom 26. 7. 48 443) S.S. 118f. 444) MP vom 10.11.47 - 404 - 445) S.S. 275ff. 446) MP vom 9. 8. 48 447) MP, ebd. 448) Die Familie Koch brachte seit 1866 die "Oberhessische Zeitung" in Marburg heraus. Carl Hitzeroth, Schwiegersohn von Koch, war der letzte Herausgeber und Chefredakteur der "Oberhessischen Zeitung" bis zu ihrer Einstellung am 28. 3. 1945 gewesen. 449) MP vom 26. 7. 48 450) "Hessische Nachrichten" vom 1. 3. 49 451) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.232 452) MP vom 29. 5. 51 453) Archiv des Verbands Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main 454) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.250 455) Gespräch mit Mascos, a.a.O. Hessische Nachrichten (HN) 456) Die letzte Ausgabe der "Hessischen Post" erschien am 22. 9. 45. 457) HN vom 26. 9. 45 Gustav Adolf Römer wurde am 3. 6. 1908 in Berka (Werra) geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Kassel wurde er Buchhändler. Von 1932 bis 1945 war er Inhaber der "Vietor Buchhandlung" in Kassel. 1945 wurde er von der LDP, der er nahe stand, als Mitbegründer der "Hessischen Nachrichten" in Kassel vorgeschlagen. Römer übernahm daraufhin als Leiter des Verlages die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Zeitung. "1954 übersiedelte Römer nach Bad Homburg und wurde dort als Zeitschriftenverleger tätig. Einige Jahre darauf erwarb er ein landwirtschaftliches Unternehmen auf Teneriffa." (Hessische Allgemeine" vom 7.6.71) Dort starb er am 1. 6. 1971. 458) Wolfgang Bartels wurde am 11. Juli 1890 in Hayn im Harz geboren, besuchte das Gymnasium in Hannover und anschließend die private Journalisten-Hochschule in Berlin. Nach dem Volontariat beim "Nordischen Kurier" in Itzehoe wurde Bartels Redakteur bei der "Krefelder Zeitung" und der "Frankfurter Zeitung". Während des Ersten Weltkriegs wurde er zum Militärdienst eingezogen. Zwischen 1918 und 1924 - 405 - war er Redakteur der "Hamburger Volksstimme", der "Leipziger Volkszeitung" und der "Sozialistischen Republik" in Köln. Von 1924 bis 1928 war Bartels Abgeordneter der KPD im Reichstag und im Preußischen Landtag. Zu Beginn des "Dritten Reiches" wurde Bartels, damals Chefredakteur des "Volksfreund" in Braunschweig, als Gegner des Regimes in Haft genommen und unter der Anklage des Hochverrats mehrere Jahre im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Von der Sozialdemokratischen Partei Kassel - deren Mitglied Bartels war - vorgeschlagen, wurde er 1945 Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten". 1954 schied er dort aus und gab in München im Eigenverlag "Das Gewissen" heraus, "mit der er seinen Kampf gegen die Atomgefahren und für den Frieden" fortsetzte. Die Leitung dieser Monatsschrift gab Bartels 1967 aus Krankheitsgründen ab. Wolfgang Bartels starb am 24. 10. 1971 in München. (Archiv "Hessische Niedersächsische Allgemeine", Kassel) 459) HN vom 29. 9. 45 460) ebd. 461) Friedrich Schmidt, geboren am 20. 10. 1904 in Hannoversch-Münden, wurde nach dem Besuch der Volksschule zunächst Maler. Nach Tätigkeit in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend wurde er 1921 Mitglied der KPD. In Kassel arbeitete er für den Kommunistischen Jugend-Verband und war zudem Redakteur der "Neuen Arbeiter- Zeitung" und der "Hessischen Volks-Zeitung", einer Wochenzeitung für Kassel und Nordhessen. Diese Tätigkeit behielt er bis zum 27. 2. 1933 bei; anschließend war er arbeitslos. Am 5. 3. 1933 wurde er ins Kasseler Stadtparlament als Vertreter der KPD gewählt. Am 21. März des gleichen Jahres wurde er in das KZ Sonnenburg (Neumark) gebracht, aus dem er im Oktober 1933 nach Kassel zurückkehrte. Im Februar 1936 wurde er im Zuchthaus Kassel inhaftiert, aus dem er im Oktober 1941 in das KZ Sachsenhausen bis zu dessen Auflösung im April 1945 verlegt wurde. Von seiner Partei vorgeschlagen, wurde er kommunistischer Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten". Als ihm die Lizenz am 3. 8. 1946 wieder entzogen wurde - sein Gehalt von 1.000 RM wurde ihm ein halbes Jahr weitergezahlt -, war Schmidt anschließend Sekretär der KPD bis zum Verbot der Partei 1956. (Gespräch mit Friedrich Schmidt in Kassel am 20. 7. 1978) 462) HN vom 29. 9. 45 463) ebd. 464) HN vom 3. 10. 45 - 406 - 465) August Heinrich Berning wurde am 17. 2. 1895 in Duisburg geboren. Er machte 1914 nach dem Besuch der Oberrealschule Abitur und studierte zwischen 1914 und 1919 Philologie, Literaturwissenschaft und Zeitungswissenschaft an den Universitäten Marburg, München und Münster. Von 1920 bis 1923 war er Volontär, Feuilletonredakteur und später Chefredakteur der "Bergischen Post" in Opladen. 1923 wurde er Mitherausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift "Die Schildgenossen" auf Burg Rothenfels am Main. 1924 wurde er durch den damaligen Reichskanzler Brüning nach Berlin gerufen, um dort als Chefredakteur des Gewerkschaftsblattes "Der Deutsche" (Christlicher Gewerkschaftsbund) tätig zu sein. Zwischen 1927 und 1933 war er Leiter und Hauptreferent der "Gesellschaft zur Förderung politischer Bildungsarbeit", die von Brüning gegründet worden war. Während dieser Zeit hielt er zahlreiche politische Vorträge, vor allem über den "Kommunismus" und "Nationalsozialismus". 1933 wurde die Gesellschaft von der NSDAP aufgelöst. Bis 1935 war Berning daraufhin arbeitslos. Zwischen 1935 und 1944 war er Mitarbeiter an verschiedenen kirchlichen Zeitschriften. Nach deren Verbot erhielt auch Berning Berufsverbot. 1945 war er zunächst Mitlizenziat der "Hessischen Nachrichten" in Kassel; bei Gründung der "Frankfurter Neuen Presse" wurde er deren zweiter Lizenzträger bis zum Lizenzentzug am 1. 8. 1947. Danach war August Heinrich Berning journalistisch in Wesel/Rhein tätig, bis er 1950 Chefredakteur einer Kirchenzeitung in Aachen wurde. (Schreiben August Heinrich Berning vom 12. 7. 78) 466) HN vom 6. 10. 45 467) Wolfgang Pöschl, geboren am 27. 5. 1915 in Prag, studierte nach dem Abitur 1934 in Karlsruhe in München Romanistik, Anglistik, Germanistik und Geschichte; das Studium schloss er 1938 mit der Staatsprüfung für das Lehramt in Englisch und Französisch und 1939 mit der Zusatzprüfung für Italienisch ab. Nach der Promotion wollte Pöschl Studienrat werden, seine Übernahme in den Schuldienst wurde jedoch "aus rassischen Gründen" abgelehnt. Er ging dann verschiedenen Tätigkeiten nach, bis er 1944 in ein Arbeitslager der Organisation Todt in Kassel eingewiesen wurde, aus dem ihn die Amerikaner am 13. 4. 1945 befreiten. Seine ersten journalistischen Beiträge schrieb er für die Armee-Zeitung "Hessische Post". Im September 1945 wurde er einer der fünf Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten", Kassel. Dort war er zunächst Leiter des Feuilletons, später Chefredakteur. Beim Zusammenschluss - 407 - der Kasseler Tageszeitungen zur "Hessischen Allgemeinen" 1959 wurde Pöschl deren Chefredakteur und Mitherausgeber. Er war außerdem Geschäftsführer und bis 1969 Gesellschafter der Druck + Verlag GmbH sowie Prokurist der Firma Dierichs und Co. Pöschl, der mehrere Bücher geschrieben hatte, darunter ein Sprach- und Wissenslexikon, erhielt am 13. 4. 1970 das Verdienstkreuz 1. Klasse. Er starb 56jährig am 2. 4. 1972 in Kassel. 468) HN vom 10. 10. 45 469) HN, ebd. 470) HN vom 27. 10. 45 471) HN vom 3. 11 .45 472) HN vom 5. 12. u. 12. 12. 45 473) HN vom 24. 10. 45 474) HN vom 7. 11. 45 475) HN vom 15. 12. 45 476) HN vom 20. 10. 45 477) HN vom 9. 1. 46 u. 19. 1. 46 478) In der Betriebsanweisung für die Presse Nr. 1 heißt es unter Punkt 5i: "Anzeigenteil darf nicht mehr als 1/8 (ein Achtel) der gesamten Druckfläche von 4 aufeinander folgenden Ausgaben einnehmen." 479) HN vom 26. 1. 46 480) HN vom 2. 2. 46 481) S. Gründung der "Werra-Rundschau", Eschwege, S. 320ff. 482) HN vom 23. 3. 46 483) HN, ebd. 484) Archiv "Hessische Allgemeine", Kassel 485) HN vom 7. 5. 46 486) S. S. 290ff. 487) Brief A.H. Berning an die Autorin vom 28. 6. 78 488) Ebd. 489) HN vom 29. 6. 46 490) Gespräch mit Fritz Schmidt am 20. 7. 78 in Kassel 491) Ebd. 492) HN vom 27. 9. 46 - 408 - 493) Ebd. 494) Ebd. 495) Ebd. 496) Ebd. 497) HN vom 30. 7. 46 498) HN vom 8. 11. 46 499) HN vom 2. 7. 46. Die Militärregierung für den Regierungsbezirk Kassel war Anfang Juni aufgelöst worden. Die Militärregierungen im gesamten Regierungsbezirk unterstanden daraufhin der Militärregierung Wiesbaden mit Oberst James Newman als Leiter. 500) HN vom 12. 8. 46; Archiv HNA, Kassel 501) HN vom 27. 9. 46, Anzeigenbeilage 502) HN vom 27. 9. 46 503) HN vom 28. 11. 46 504) S. S.307ff. 505) Seit 3.12.46 506) HN vom 14. 12. 46 507) HN vom 31. 12. 46 508) HN vom 3. 12. 46 509) HN, ebd. 510) HN vom 6. 3. 47 511) HN vom 18. 3. 47 512) HN vom 29. 4.47 513) Ebd. 514) Ebd. 515) Ebd. 516) Ebd. 517) HN vom 6. 5. 47 518) HN vom 7. 5. 47 519) HN vom 3. 5. 47 520) HN vom 31. 5. 47 521) HN vom 5. 8. 47 522) HN vom 12. 4. 47 - 409 - 523) HN vom 27. 9. 47 524) HN, ebd. 525) HN vom 27. 9. 47 526) HN vom 18. 10. 47 527) Die "Hessischen Nachrichten" teilten am 9. 10. 47 auf der ersten Seite der Ausgabe mit, der Chefredakteur der "Mainpost" in Würzburg, Hans Weber, habe gegen Vitus Heller, Mitbegründer der CSU in Bayern, Strafantrag gestellt. Heller sollte in einer CSU-Versammlung Weber beschuldigt haben, den vor vier Monaten verhafteten Paul Baron, der als Leiter des Ernährungsamtes in Würzburg die Fleischversorgung für Unterfranken zu leiten hatte, gedeckt zu haben, indem er die zuständigen Stellen um Einstellung des Falles Baron ersucht hatte. 528) HN vom 1. 11. 47 529) HN vom 6. 12. 47 530) HN vom 8. 6. 48 531) In der ersten Direktive Clays "wurde die ursprüngliche Ausrichtung der Umerziehung, nämlich der 'Antinazismus', mit dem neuen antikommunistischen Ziel gleichgesetzt: Jetzt sollten alle totalitären Einflüsse bekämpft werden!" (H. Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.336) 532) HN vom 29. 5. 48 533) HN vom 3. 4. 48 534) HN vom 24. 6. 48 535) HN vom 3. 8. 48 536) Die Zeitung erschien dann immer montags, dienstags, donnerstags und samstags. 537) HN vom 31. 8. 48 538) HN vom 2. 8. 48 539) HN vom 25. 9. 48 540) HN vom 8. 10. 48 541) HN vom 25. 9. 48 542) HN vom 27. 9. 48 543) HN vom 27. 10. 48 544) HN vom 27. 10. 48 545) HN vom 15. 12. 48 546) Zum "Fall Dietz" s. S. 177 und S. 341f. - 410 - 547) HN vom 28. 3. 49 548) HN vom 31. 3. 49 549) HN vom 19. 5. 49 550) Impressum am 28.7.49: "Verantw. Pol.Nachrichten: Wolfgang Engelmann, Hans Otto; Wirtschaft: Gerda Jordan; Lokales und Provinz: Rudolf Römer; Lokalredaktion: Herta Pehnt; Feuilleton: Hilda Bergfeld; Frau, Jugend, Reisebeilage: Gerda Dietz; Sport: Hermann Wittekindt; Anzeigen: Hermann Seligmann. Veröffentlicht unter General-Lizenz Nr.3, Druck und Verlag: Hessische Verlagsanstalt GmbH, Kassel" 551) Brief W. Batz an H. A. Kluthe, Eschwege, vom 15. 1. 48 (Archiv Dr. Peter Kluthe, Eschwege) 552) "Kasseler Post" vom 26. 10. 49 553) Kurt Milte, später Chefredakteur beim "Wiesbadener Kurier", hatte bereits bis zur Einstellung der Zeitung im Jahr 1943 bei der "Kasseler Post" gearbeitet. 554) Brief Batz an Kluthe, a.a.O. Wilhelm Batz starb am 30. 6. 76. 555) HN vom 28. 1. 50 556) HN vom 1. 10. 49 557) HN, "Hersfelder Nachrichten" und "Marburger Nachrichten" vom 21. 12. 49 558) HN vom 31. 10. 49 559) HN vom 29. 10. 49 560) HN vom 29. 10. 49 561) HN vom 3. 9. 49 562) HN vom 1. 2. 50. Die HN berichteten ihrerseits am gleichen Tag: "Hessische Nachrichten übernehmen Heimatzeitungen". 563) HN vom 8. 2. 50 564) "Marburger Presse" vom 9. 6. 48 565) HN vom 14. 6. 49 566) S. S. 143f. 567) HN vom 27. 9. 50 568) HN vom 29. 9. 45 569) Gespräch mit Wolfgang Otto, Verwaltungsdirektor der "Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen", am 18. 7. 78 in Kassel - 411 - 570) Pöschl starb am 2. 4. 72. 571) HN vom 24. 9. 55 572) Ein ehemaliger Redakteur der "Kasseler Zeitung", der die Fusion noch als Mitarbeiter erlebt hat, meint jedoch, es habe keine Notwendigkeit für die "Kasseler Zeitung" bestanden, die Eigenständigkeit aufzugeben. Sie sei mit ihrem Anzeigenaufkommen den "Hessischen Nachrichten" sogar überlegen und damit finanziell gut abgesichert gewesen. Adolf W. Diehl soll die Fusionsverhandlungen geführt haben, ohne seine Mitarbeiter davon in Kenntnis zu setzen. Ein großer Teil von ihnen wurde von einem Tag auf den anderen arbeitslos. (Gespräch mit Peter Hillebrecht am 29.5.82 in Frankfurt/Main) 573) Gespräch mit Wolfgang Otto, a.a.O. 574) "Kasseler Zeitung" vom 27. 4. 59 575) "Kasseler Zeitung", ebd. 576) HN vom 27. 4. 59 577) S. S. 162ff. 578) Im April 1959 wurde der "Zeitungsverlag Hessen Dierichs und Co." gegründet, in den die drei Kasseler Zeitungsverlage ihre Zeitungstitel einbrachten. ("Hessische Allgemeine" vom 26. 9. 70) 579) "Hessische Allgemeine" vom 26. 9. 70 579a) Paul Dierichs, geboren am 14. 9. 1901 in Bochum, studierte an der Universität München Volkswirtschaft und Zeitungswissenschaften, das er mit der Promotion abschloss. Nach seiner Ausbildung zum Redakteur arbeitete er für den "Bochumer Anzeiger" und wurde 1929 dessen Chefredakteur und Verleger. Seit 1948 war er Mitgesellschafter und stellvertretender Chefredakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ). 1956 tauschte er seine Anteile an der WAZ gegen die Mehrheitsanteile der "Hessischen Nachrichten", Kassel, ein. Dierichs, seit 1985 im Ruhestand, starb am 2. 11. 1996 in Kassel. ("Frankfurter Rundschau" vom 6. 11. 1996, Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 11/1, München 2000) 580) "Hessische Allgemeine", ebd. 581) "Frankfurter Rundschau" vom 31.1.02, S. 21. Die "Frankfurter Rundschau" teilte weiter mit, die Ippen-Gruppe stehe mit rund 20 Beteiligungen an lokalen und regionalen Blättern - darunter der "Münchner Merkur", die "tz" und die "Offenbach- Post" - an siebter Stelle der deutschen Verlagsgruppen. Die Gesamtauflage der - 412 - Medien, an denen Ippen beteiligt sei, werde mit über 800 000 Exemplaren angegeben. Wiesbadener Kurier (WK) 582) Gespräch mit Herrn Schirling, Stadtarchiv Wiesbaden, am 10. 11. 77 583) Brief F.O. Ulm an seine Mitarbeiter, undatiert, 1950; Archiv "Wiesbadener Kurier" 583a) Geboren 1883, war Georg Alfred Mayer eine Zeit lang im Reichswirtschafts- ministerium und im Enquete-Ausschuss des Reichswirtschaftsrates tätig. In Rom war er lange Jahre Vertreter der Berliner Zentrumszeitung "Germania". Mayer, der zwischen den beiden Weltkriegen der Zentrumspartei zuneigte, wurde 1945 Mitherausgeber des "Wiesbadener Kurier". Er starb am 24. 8. 1954. ("Wiesbadener Kurier" vom 24. 8. 54) 583b) Fritz Otto Ulm wurde am 14. 2. 1900 in Magdeburg geboren. Nach dem Abitur war er als Kaufmann in der Textilbranche tätig. 1945 wurde er Mitherausgeber des "Wiesbadener Kurier", eine Aufgabe, die er erst am 8. 1. 1965 aus gesundheitlichen Gründen niederlegte. Bereits im März 1961 war ihm das Große Verdienstkreuz verliehen worden. Ulm starb am 9. 12. 1967 in Wiesbaden. 584) Gespräch mit Schweinecke, Wiesbaden, am 28. 10. 77. Schweinecke wurde 1949 als Lektor beim "Kurier" eingestellt. 585) Gespräch mit Ott, Betriebsratsvorsitzender des "Kurier", am 29. 11. 77 in Wiesbaden 586) Gespräch mit Schirling, Stadtarchiv Wiesbaden, am 10. 11. 77 587) WK vom 24. 10. 45 588) WK vom 6. 10. 45 589) WK vom 7. 11. 45 590) WK vom 24. 11. 45 591) WK vom 28. 11. 45 592) WK vom 9. 1. 46 593) WK vom 16. 3. 46. André François-Poncet, am 13. 6. 1887 in Provins geboren, war zwischen 1931 und 1938 französischer Botschafter in Berlin und ging dann nach Rom. Während der deutschen Besetzung Frankreichs wurde er von den Nationalsozialisten deportiert. Ab 1945 ernannte ihn die französische Regierung zum - 413 - Beauftragten in Deutschlandfragen, 1949 bis 1953 zum Hochkommissar und bis 1955 zum Botschafter Frankreichs in der BRD. Er starb am 8. 1. 1978 in Paris. 594) WK vom 23. 3. 46 595) WK vom 26. 3. 46 596) WK z.B. am 19.1.46; 2.2.46; 9.2.46; 20.2.46, 9.3.46; 21.3.46; 16.4.46; 27.4.46; 4.5.46 597) Europa-Archiv, 1. Jg., Juli 1946, S.43 598) WK vom 19. 3. 46 599) WK vom 14. 5. 46 600) Ferdinand Himpele, geboren 1913 in Straßburg, studierte in Freiburg i.Br., begann dort nach der Promotion seine journalistische Laufbahn und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Ressortchef der "Badischen Zeitung" in Freiburg. 1948 ging er als Korrespondent nach Frankfurt/Main, als dort der Wirtschaftsrat für die Bizone geschaffen wurde. 1949 wechselte er mit dieser Behörde nach Bonn. 1960 wurde er Korrespondent der Zeitung "Die Welt" in Brüssel. Himpele starb in Bonn am 24.7.1970. (s.a.: "Ferdinand Himpele - unser Korrespondent in Brüssel ist gestorben", in: Die Welt Nr.171 v. 27.7.1970, S.3) 601) Gespräch mit Kurt Wenda, 1977 Redakteur der "Frankfurter Neue Presse", Frankfurt/Main, am 1. 12. 77 602) WK vom 18. 7. 46 603) WK vom 18. 7. 46 604) WK vom 27. 8. 46 605) WK vom 6. 9. 46 606) WK vom 30. 10. 45 Damit war der "Kurier" die erste Zeitung, die von der amerikanischen Militärregierung die Genehmigung erhielt, auch im Ausland zu erscheinen. 607) WK vom 31. 1. 48 608) WK vom 18. 2. 47 609) WK vom 15. 4. 47 610) WK vom 28. 6. 47; die Zeitung erschien daraufhin am Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag jeder Woche. 611) Archiv "Wiesbadener Kurier" 612) WK vom 4. 4. 46: "Eine Zeitung und ihre Leser", eine Umfrage unter 1.000 Lesern des "Kurier". - 414 - 613) Brief F. O. Ulm an Raymond Stover, ICD Press-Branch Wiesbaden vom 18.3.47. Aus den angegebenen Zahlen geht allerdings nicht hervor, wie groß der Anteil der Leser an der Gesamtmenge derjenigen war, die antworteten. Es gab zusätzliche Stimmenthaltungen. Der "Kurier" fragte außerdem: "Sozialisierung oder Privatwirtschaft?" und erhielt aus den Leserzuschriften die Gewissheit, dass 78 Prozent für eine private Wirtschaft und nur 22 Prozent für eine Sozialisierung waren. (WK vom 11. 10. 46) 614) WK vom 27. 2. 46 615) "Hessische Nachrichten" vom 25. 10. 46 616) WK vom 12. 10. 46 617) DANA, 24. 10. 46: "Strafanzeige gegen den Herausgeber des 'Wiesbadener Kurier'"; Archiv "Hessische Niedersächsische Allgemeine", Kassel 618) WK vom 18. 10. 46 619) WK vom 24. 9.46 620) WK vom 20. 2. 47 621) WK vom 26. 4. 47 622) WK vom 10. 12. 47 623) WK vom 20. 12. 47 624) "Kasseler Zeitung" vom 16. 1. 49 625) "Kasseler Zeitung", ebd. 626) WK vom 27. 4. 48 627) "Hessische Nachrichten" vom 27. 7. 49 628) Archiv "Wiesbadener Kurier" 629) WK vom 29. 10. 49 630) Brief F. O. Ulm: "An unsere Mitarbeiter", undatiert. Archiv "Wiesbadener Kurier" 631) Ebd. 632) "Sozialistische Volkszeitung" vom 1. 11. 49 633) Ebd. 634) Gespräch mit Peter Bögel, WK, in Wiesbaden am 9. 11. 77 635) WK vom 26. 4. 50 636) Gespräch mit Bögel, a.a.O. 637) WK vom 24. 4. 50 638) WK und "Wiesbadener Tagblatt" vom 22. 10. 49 - 415 - 639) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.242 640) WK vom 30. 11. 49 641) "Wiesbadener Tagblatt" vom 19. 8. 50 642) WK vom 8. 1. 65 642a) Robert Müller, Jahrgang 1907, lernte in Frankfurt/Main Verlagswesen. Er gehörte keiner Partei an, als er 1945 in beratender Funktion beim "Wiesbadener Kurier" begann. Dort war er zuständig für Druck, Anzeigen und Vertrieb unter der Bezeichnung "Verlagsdirektor". 1952 wurde er Teilhaber der Zeitung, aus deren Verlagsleitung er am 1. 7. 1965 ausschied. Müller war jahrelang Vorsitzender des Verbandes der graphischen Betriebe Hessens und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der graphischen Betriebe. Er starb am 15. 6. 1967. ("Wiesbadener Kurier" vom 1. 7. 65) 643) Bei Gesprächen mit Mitarbeitern des "Kurier" wurde auch behauptet, Müller sei bereits 1948 Mitinhaber der Lizenzzeitung geworden. Die Aussage ist aber wahrscheinlich nicht richtig, denn Müller hätte von der Militärregierung dazu einer Genehmigung in Form einer Lizenz bedurft. 644) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.242 645) WK vom 1. 7. 65: "MVA übernimmt ganz 'Wiesbadener Kurier'" Fuldaer Volkszeitung (FZ) 645a) Heinrich Kierzek wurde am 6. 7. 1909 in Duisburg-Hamborn geboren. Zwischen 1923 und 1926 machte er eine kaufmännische Lehre in Duisburg-Blick. Hier war er von 1926 bis 1928 Korrespondent und Buchhalter. Von 1928 bis 1931 war Kierzek Stenograf und Berichterstatter bei der Zeitung "Echo der Gegenwart" in Aachen. 1931 begann er als Sportredakteur, später war er Lokalredakteur und stellvertretender Chefredakteur bei derselben Zeitung. Diese Tätigkeit beendete er am 31. 12. 1935. Anschließend war er Direktionssekretär beim Eschweiler Bergverein, bis er 1940 in politische Haft kam. Nach dem Krieg wurde er Herausgeber und Chefredakteur der "Fuldaer Volkszeitung". Heinrich Kierzek starb am 16. 2. 1975. 646) Aus: Dokumentation über die Entstehung der "Fuldaer Volkszeitung", o.O., o.J. Archiv Dr. Mathias Kierzek, Fulda 647) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.142 - 416 - 648) Heinrich Kierzek: Manuskript vom 27. 9. 66; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda 649) Gerd Simon, später stellvertretender Chefredakteur der "Fuldaer Volkszeitung", schied mit dem 65. Lebensjahr 1962 bei der Zeitung aus. 650) H. Kierzek: Manuskript vom 27. 9. 66, a.a.O. 651) Archiv Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main 652) Walter Gollbach schied zum 31.12.62 bei der FVZ als stellvertretender Chefredakteur aus. 653) H. Kierzek: Manuskript vom 27. 9. 66, a.a.O. 654) H. Kierzek, ebd. 655) FVZ vom 26. 10. 45 656) FVZ, ebd. 657) FVZ, ebd. 658) FVZ, ebd. 659) Johannes Schlosser, kommunistischer Redakteur und in der Anfangszeit Redakteur der FVZ, wurde bereits 1947 wieder gekündigt. Obwohl sich im Nachhinein eine Begründung dafür nicht mehr findet, darf man doch annehmen, dass politische Gründe zu seiner Entlassung führten. 660) Antwortschreiben an einen nicht bekannten Adressaten vom 14. 9. 46; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 661) Antwortschreiben H.J. Rauschenbach, a.a.O. 662) H. Kierzek: Manuskript vom 27. 9. 66, a.a.O. 663) H. Kierzek, ebd. 664) H. Kierzek, ebd. 665) H. Kierzek, ebd. 666) FVZ vom 19. 9. 46 667) FVZ vom 19. 9. 46 668) FVZ vom 28. 9. 46 669) FVZ vom 30. 11. 46 670) FVZ vom 26. 10. 46 671) FVZ vom 9. 9. 47 672) FVZ vom 9. 9. 47 673) FVZ vom 9. 10. 47 674) FVZ vom 25. 10. 47 - 417 - 675) Protokoll vom 22. 11. 47; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 676) Das Archiv der "Fuldaer Zeitung" verzeichnet als Datum seines Ausscheidens den 30. 6. 46. 677) Johannes Neugebauer: Dokument über die Entstehung der "Fuldaer Volkszeitung", o.O., o.J., Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 678) J. Neugebauer, a.a.O. 679) FVZ vom 2. 9. 52 680) Gespräch mit Dr. Mathias Kierzek, dem Sohn des Lizenzträgers, am 19.4.79 in Fulda 681) H. Kierzek: Manuskript vom 27. 9. 66, a.a.O. 682) H. Kierzek, ebd. 683) H. Kierzek: Manuskript vom 31. 3. 48, Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 684) Arno Rudert war zu dem Zeitpunkt Mitlizenzträger der "Frankfurter Rundschau". 685) Protokoll der Konferenz mit den vier Fuldaer Parteien und Gewerkschaftsvertretern am 10. 1. 48; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 686) Ebd. 687) Ebd. 688) Ebd. 689) Ebd. 690) Ebd. 691) Ebd. 692) Ebd. 693) Konferenz mit den Fuldaer Vertretern des öffentlichen Lebens, 3.4.48; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 694) Ebd. 695) Ebd. 696) Ebd. 697) Ebd. 698) Protokoll der Pressekonferenz bei der Militärregierung in Fulda am 20. 11. 48; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 699) Ebd. 700) Ebd. 701) Ebd.; Emil Carlebach war, wie erwähnt, einer der sieben Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau" und Mitglied der KPD. - 418 - 702) Ebd. 703) Ebd. 704) FVZ vom 2. 8. 48 705) FVZ vom 17. 3. 49 706) Gemeint ist der "Waldecker Kurier" in Korbach. Zwei der erwähnten 15 Blätter waren Abendzeitungen in Offenbach und Wiesbaden. 707) FVZ vom 7. 5. 49 708) FVZ vom 15. 7. 49 709) FVZ vom 30. 5. 49 710) FVZ, ebd. 711) FVZ, ebd. 711a) Gemeint ist der "Waldecker Kurier", Korbach. 712) FVZ vom 29. 3. 49 713) H. Kierzek: Manuskript vom 5. 1. 53; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 714) H. Kierzek, ebd. 715) Das Impressum nannte als Chefredakteur Dr. Josef-Hans Sauer, als Verleger Polykarp Parzeller und den Dipl.-Kaufmann Michael Schmidt; für den Sportteil Erwin Hüttenmüller; Politik: Hubert Schulz und für den Wirtschaftsteil Peter Pfeiffer. 716) H. Kierzek: Manuskript vom 27. 9. 66, a.a.O. 717) H. Kierzek, ebd. 718) "Fuldaer Zeitung" vom 4. 9. 53 719) Im September 1953 fanden die Wahlen zum zweiten deutschen Bundestag statt. 720) FVZ vom 12. 9. 53 721) FVZ vom 12. 9. 53 722) FVZ vom 19. 9. 53 723) FVZ, ebd. 724) H. Kierzek: Druckauftrag "Deutsche Woche", unveröffentlichtes Manuskript vom 8. 4. 52; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 725) H. Kierzek, ebd. 726) H. Kierzek, ebd. 727) H. Kierzek, ebd. 728) H. Kierzek, ebd. 729) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S.112f. - 419 - 730) H. Kierzek: Investitions-Kredite der Fuldaer Verlagsanstalt GmbH, vom 5.1.53; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 731) DM-Eröffnungsbilanz vom 21. 6. 48; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 732) Gespräch mit Dr. Mathias Kierzek, a.a.O. 733) Johannes Neugebauer, undatiertes Manuskript; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 734) Gespräch mit Dr. Mathias Kierzek, a.a.O. 735) 20 Jahre "Volkszeitung", 30. 10. 65; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt 736) 25 Jahre "Fuldaer Volkszeitung"; Archiv Fuldaer Verlagsanstalt Darmstädter Echo (DE) 737) Hans J. Reinowski: Unsere Zeitung in unserer Zeitung, Darmstadt 1970, S.14 737a) Johann Sebastian Dang wurde am 6. 9. 1891 in Bretzenheim bei Mainz geboren. Bis zu seiner Entlassung als politischer Gegner des nationalsozialistischen Regimes 1933 war er Volksschullehrer in Darmstadt. Danach wurde er Korrektor bei verschiedenen Verlagen. Außerdem schrieb er für das "Darmstädter Tagblatt" Artikelserien und Glossen unter dem Pseudonym Burrus. 1945 wurde Dang Mitlizenziat des "Darmstädter Echo", eine Funktion, die er bis zu seinem Ausscheiden am 28. 12. 1949 inne hatte. Johann Sebastian Dang, der seit 1919 der Deutschen Friedensgesellschaft angehörte, erhielt zu seinem 65. Geburtstag die Bronzene Verdienstmedaille der Stadt Darmstadt. Er starb nach längerer Krankheit am 18. 8. 1958 in Darmstadt. Zu seinen Veröffentlichungen gehören der Roman "Baptist und Barbara", das "Darmstädter Wörterbuch" und zahlreiche Erzählungen. (Gespräch mit der Witwe Dangs am 8. 12. 1977 in Darmstadt sowie "Darmstädter Echo" vom 19. 8. 56, 6. 9. 56, 7. 9. 56, 21. 8. 58 und 22. 8. 58) 738) Erste Jahresschrift des DE, 21. 11. 46; Archiv DE 739) "25 Jahre Darmstädter Echo", Sondernummer vom 21. 11. 70, S.2 739a) Hans Joachim Reinowski, geboren am 28. 1. 1900 in Bernburg an der Saale, war ab 1914 Fabrikarbeiter, Munitionsarbeiter, Bergarbeiter, Betonstampfer und Sägemüller. Von März bis November 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. 1917 trat er in die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) ein und schloss sich 1922 der SPD an. Nach Ende des Ersten Weltkriegs war er zunächst Angestellter im Presseamt der republikanischen Regierung Braunschweig, seit 1919 - 420 - Metallarbeiter. Zwischen 1919 und 1923 war Reinowski regelmäßiger Mitarbeiter am "Braunschweiger Volksfreund" und bei anderen sozialdemokratischen Parteiorganen. Er schrieb unter dem Pseudonym Hannes Rastlos. Von 1923 bis März 1933 war er Bezirkssekretär der SPD im Bezirk Braunschweig, außerdem Mitarbeiter des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Am 21. 4. 1933 floh er nach Kopenhagen, wo er bis 1940 als freier Mitarbeiter an deutschsprachigen Presseorganen arbeitete. Unter den Pseudonymen Der Rote Hans, Hans Bauernsohn, Gottlieb Schulze und Hans Reinow schrieb er polemische Verse, satirische Gedichte, Glossen, Novellen und Romane sowie politische Aufsätze. Von Dänemark ging er am 16. 4. 1940 nach Schweden und entwickelte auch dort als Korrespondent internationaler Zeitungen eine rege publizistische Tätigkeit. Von April bis Oktober 1945 war Reinowski freier Schriftsteller in Schweden. Bis Ende 1946 war er Redakteur der "Deutschen Nachrichten" in Kopenhagen unter dem Pseudonym Jochen Spatz. 1947 wurde er Lizenzträger des "Darmstädter Echo". Hans J. Reinowski war 17 Jahre lang Vorsitzender des Verbandes Hessischer Zeitungsverleger. Zwischen 1969 und 1976 gehörte er dem Deutschen Presserat an und war Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse (WIGO), Mitglied des Internationalen Presse-Instituts (IPI) und seit 1968 Vorsitzender der Fiduziarischen Stiftung "Freiheit der Presse". 1959 erhielt er das Große Verdienstkreuz (1965 mit Stern); die Johann- Heinrich-Merck-Ehrung der Stadt Darmstadt; die Silberne Verdienstplakette der Stadt und des Landkreises Darmstadt sowie die hessische Wilhelm-Leuschner-Medaille. Reinowski starb am 3. 1. 1977 in Darmstadt. ("Darmstädter Tagblatt" vom 4. 1. 77; "Darmstädter Echo" vom 4. 1. 77) 740) Reinowski: Unsere Zeitung ..., a.a.O., S.17 741) Gespräch mit Heinz A. Kaaf, 26. 10. 77 in Darmstadt 742) DE vom 28. 11. 45 743) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.28 744) Der Zeitungstitel war eine Idee von Paul Rodemann in Anlehnung an das "Hamburger Echo", bei dem Rodemann früher gearbeitet hatte. (Gespräch mit Heinz A. Kaaf, a.a.O.) 745) DE vom 21. 11. 45 746) DE vom 24. 11. 45 - 421 - 747) DE vom 26. 1. 46 748) DE vom 13. 2. 46 749) DE vom 23. 2. 46 750) DE vom 20. 3. 46 751) DE vom 27. 4. 46 752) DE vom 23. 11. 46 753) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.54. 1970 betrug er monatlich 200.000 DM. 754) Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main 754a) Das "Darmstädter Frag- und Anzeigenblättgen", am 1. 10. 1739 von der Verlegerfamilie Wittich gegründet, erschien ab dem 1. 1. 1874 unter dem neuen Titel "Darmstädter Tagblatt". Die Zeitung, zunächst ein reines Anzeigenblatt, bekam durch die Unterhaltungsbeilage, den Ausbau der "politischen Übersicht" und - 1892 - die Schaffung einer selbstständigen Redaktion mehr und mehr das Aussehen einer Tageszeitung und erreichte um 1925 bereits eine Auflage von 35.000 Exemplaren. Gleichzeitig wurde der Textteil auf täglich 10 bis 12 Seiten erweitert. Zur Zeit des Nationalsozialismus wechselten viele Leser zur NSDAP-eigenen Parteizeitung "Hessische Landeszeitung", die Auflage sank im Jahr 1933 auf 28.000 Exemplare, im Jahr 1939 weiter auf 16.343. Am 31. 5. 1941 musste das "Tagblatt" aus "kriegsbedingten Gründen" wie Papier- und Personalmangel sein Erscheinen einstellen. "Im Falle des 'Darmstädter Tagblatts' war es jedoch entscheidend, daß der hessische Gauleiter Jakob Sprenger ein lästiges Konkurrenzorgan aus dem Weg schaffen wollte. ... Drei Jahre später, in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944, fiel dann auch das Tagblatt-Haus dem großen Luftangriff auf Darmstadt zum Opfer". Erst am 18. Dezember 1949 erschien das "Tagblatt" als "Darmstädter Wochenblatt" wieder und wurde am 1. Juli 1950 zusammen mit der "Frankfurter Neuen Presse" als "Darmstädter Neue Presse" auf tägliches Erscheinen umgestellt, einen Monat später von der Mainzer Verlags-Anstalt übernommen und unter dem alten Titel herausgebracht. Das "Tagblatt" blieb in den folgenden Jahrzehnten ein Zuschussbetrieb und wurde am 30. 9. 1986 an die ehemalige Lizenzzeitung "Darmstädter Echo" verkauft. (aus: "Darmstädter Echo" vom 30.9.1986) 755) Brief Freienberg an Verband Großhessischer Zeitungsverlage, Frankfurt/Main, vom 8.1.47; Archiv Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main - 422 - 756) Brief Freienberg, ebd. 757) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.63 758) Reinowski, ebd., S.86 759) "25 Jahre Darmstädter Echo", a.a.O., S.63 760) "25 Jahre Darmstädter Echo", ebd. 761) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.87 762) Reinowski, ebd., S.86 763) Reinowski, ebd., S.106 764) DE vom 19. 8. 58 765) DE vom 6. 9. 56 766) Max Bach hatte bereits 1945, zusammen mit Rodemann, beim DE angefangen. 767) Handelsregister Darmstadt, HRB 1249, Eintrag vom 28. 12. 49 768) HRB 1249, Eintrag vom 20. 11. 50 769) HRB 1249, Eintrag vom 12. 5. 65: Verteilung der Stammeinlagen: a) Reinowski 2 à 40.000 = 80.000 1 à 180.000 = 180.000 b) Bach 2 à 40.000 = 80.000 1 à 120.000 = 120.000 c) Reinhold 1 à 40.000 = 40.000 500.000 770) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.93 771) DE vom 5. 5. 49 772) DE vom 23. 7. 49 773) Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main 774) DE vom 10. 12. 49 775) Diese Angaben beziehen sich auf Informationen des Verlegers Max Bach, Darmstadt. 776) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.95 777) Archiv Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main 778) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.95 779) Angaben Max Bach, a.a.O. 780) Max Bach, ebd., S.65f. - 423 - 781) Max Bach, ebd., S.66 782) Max Bach, ebd., S.67 783) DE vom 4. 2. 47 784) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.70 785) DE vom 24. 7. 46 786) DE vom 24. 2. 48 787) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.75 788) Reinowski, ebd. 789) DE vom 13. 3. 48 790) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.75 791) DE vom 15. 6. 48 792) "Hessische Nachrichten" vom 1. 5. 48 793) DE vom 24. 7. 48 794) Die Zeitung kostete dann 2,45 DM zuzüglich 40 Pfennige Trägergebühr. 795) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.81 796) DE vom 13. 1. 49 797) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.81 798) Reinowski, ebd., S.97 799) Reinowski, ebd., S.103 800) Reinowski, ebd., S.139 801) Registergericht Darmstadt, HRB 1249 802) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.55 803) Reinowski, ebd. 804) Gespräch mit Heinz A. Kaaf, Darmstadt, am 8. 11. 77 805) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.55 806) Reinowski, ebd., S.55f. 807) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.146 808) Hurwitz, ebd. 809) Hurwitz, ebd. 810) Hurwitz, ebd. 811) Hurwitz, ebd., S.57 812) Hurwitz, ebd. 813) Hurwitz, ebd. - 424 - 814) Hurwitz, ebd. 815) Hurwitz, ebd. 816) Hurwitz, ebd. 817) Hurwitz, ebd., S.58 818) Hurwitz, ebd. 819) Hurwitz, ebd. 820) Hurwitz, ebd. 821) Hurwitz, ebd. 822) Bei der Neugründung handelte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die "Werra- Rundschau", die am 1. 1. 48 zum ersten Mal in Eschwege erschien. 823) Reinowski: Unsere Zeitung, a.a.O., S.59 824) Reinowski, ebd., S.59 825) Reinowski, ebd., S.60 826) Reinowski, ebd. Wetzlarer Neue Zeitung (WNZ) 827) WNZ vom 1. 1. 46 828) WNZ, ebd. 829) WNZ, ebd. 830) Ernst Adler verließ Wetzlar bald. Bereits im Frühjahr 1946 wurde er als Presseoffizier entlassen. 831) WNZ vom 4. 1. 46 832) Am 21. 12. 46 erschien "Zum Tage" zum 17. Mal. 833) WNZ vom 10. 7. 46 834) WNZ vom 29. 10. 46 835) Gespräch mit Wolfgang Scheer in Wetzlar am 21. 4. 78 836) WNZ vom 3. 12. 46 837) WNZ vom 31. 12. 46 838) WNZ, ebd. 839) WNZ, ebd. 840) WNZ vom 4. 1. 47 841) Gespräch mit Wolfgang Scheer, a.a.O. - 425 - 842) WNZ vom 13. 2. 47 843) WNZ vom 25. 2. 47 844) WNZ vom 29. 4. 47 845) WNZ, ebd. 846) WNZ vom 6. 5. 47 847) WNZ vom 10. 5. 47 848) WNZ vom 24. 5. 47 849) WNZ, ebd. 850) WNZ vom 29. 5. 47 851) WNZ vom 29. 5. 47 852) WNZ vom 4. 6. 47 853) WNZ vom 2. 9. 47 854) WNZ vom 9. 9. 47 855) WNZ vom 3. 7. 47 bis 9. 8. 47 856) "During the first two weeks following Military Government's Announcement of its intensified information policy with regard to the nature and activities of democracy and communism, German press reactions followed more or less the lines ..." (aus: Information Control Review Nr. 37 vom 29. 11. 47) 857) WNZ vom 1. 11. 47 858) "...though it might swell the sails of a good many political agitators and speculators." 859) "... others feel like the prospective victims of the forthcoming propaganda compaign" (aus: Review Nr. 37 vom 29. 11. 47) 860) "It is clearly a dread of the consequences for Germany of an overt East-West conflict which motivates the desire of most of the AMZON press to remain ideologically neutral. Even the anti-Russian papers cautioned against antagonizing Russia and widening the gulf that separates Germans in the eastern and western zone". (aus: Review Nr. 37 , a.a.O.) 861) WNZ vom 1. 11. 47 862) "Hessische Nachrichten" vom 24. 2. 48. Am 19.2.48 wurde Lizenzträger Hüsch bei einem Autounfall im Ruhrgebiet verletzt, so dass einige Wochen lang kein Leitartikel in der "Wetzlarer Neuen Zeitung" erschien. 863) WNZ vom 27. 7. 48 864) WNZ vom 10. 8. 48 - 426 - 865) WNZ vom 9. 11. 48 866) WNZ vom 25. 11. 48 867) WNZ vom 25.11.48. Das Impressum nannte zum Jahresende 1948 neben Hüsch und Eifinger Georg Schwinghammer als verantwortlich für die Nachrichten, Otto Busch für den Lokalteil, Kurt Pausch für die Wirtschaftsinformationen und Heinz Frischmann für den Sportteil. 867a) Otto Wilhelm Hager war zwischen 1948 und 1954 Bürgermeister von Wetzlar. 868) WNZ vom 13. 8. 49 869) Gespräch mit Georg Schwinghammer in Wetzlar am 21. 4. 78 870) "200 Jahre Zeitung in Wetzlar" - Sondernummer der WNZ, Juli 1967, S.109 871) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.251 872) "200 Jahre Zeitung in Wetzlar", a.a.O., S.109 873) Johann Eifinger, geboren 1900 in Mainz, von Beruf Setzer, war bis zu seinem 75. Geburtstag Chefredakteur der "Wetzlarer Neuen Zeitung". Er starb am 1. 7. 79 in Wetzlar. 874) "200 Jahre Zeitung in Wetzlar", a.a.O., S.109, sowie Gespräch mit Wolfgang Scheer in Wetzlar am 21. 4. 78 875) "200 Jahre Zeitung in Wetzlar", a.a.O., S.109 Gießener Freie Presse (GFP) 875a) Adolf Weller, geboren am 17. 5. 1892 in Wieseck bei Gießen, war schon früh in der Arbeitersport-Gewerkschaftsbewegung und seit 1919 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Er, gelernter Kaufmann, war lange Jahre bei der Altverlegerzeitung "Gießener Anzeiger" als Anzeigenvertreter tätig. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Weller Verwaltungsstellenleiter in seinem Heimatort, bis er Mitherausgeber der "Gießener Freien Presse" wurde. Adolf Weller starb am 22.11.1960. (Gespräch mit dem Sohn des Lizenzträgers, Hans Weller, am 25. 4. 78 in Gießen; "Gießener Freie Presse" vom 8. 1. 46) 875b) Julius Hahn war vor dem Zweiten Weltkrieg Film- und Bühnenschriftsteller. Wegen seiner antifaschistischen Tätigkeit wurde er bereits 1933 von der Gestapo verhaftet und sechs Wochen lang inhaftiert. 1942 brachte man ihn in ein schlesisches Arbeitslager, wo er bei Kriegsende von russischen Truppen befreit wurde. Hahn war - 427 - zum Zeitpunkt seiner Herausgeberschaft bei der "Gießener Freien Presse" - ebenso wie Adolf Weller - Mitglied der SPD. ("Gießener Freie Presse" vom 8. 1. 46) 876) GFP vom 8. 1. 46 877) GFP, ebd. 878) "Gießener Allgemeine Zeitung" (GAZ) vom 26. 2. 71 879) GFP vom 8. 1. 46 880) Deichmann, befragt nach seinen Erfahrungen bei der GFP, antwortete darauf schriftlich u.a.: "Die Pressearbeit während der Trümmerzeit habe ich als einen grimmigen Jux betrachtet. Ich habe mich über die Amerikaner und die deutschen Biedermänner derart lustig gemacht, daß mich nach zwei Jahren niemand mehr ertragen wollte." (Brief Deichmann vom 24. 4. 78) Deichmann wurde nach seinem Ausscheiden Direktor des Amerika-Hauses in Marburg. 881) GAZ vom 26. 2. 71 882) GFP vom 18. 1. 46 883) GFP vom 8. 3. 46 884) GFP vom 21. 3. 46 885) GFP vom 18. 7. 46 886) GFP vom 22. 6. 46 887) GFP vom 6. 7. 46 888) GFP vom 13. 7. 46 889) GFP vom 20. 7. 46 890) GFP vom 27. 7. 46 891) GFP vom 10. 8. 46 892) GFP vom 5. 10. 46 893) GFP vom 12. 10. 46 894) Gespräch mit Dr. Hans Rempel in Gießen am 19. 4. 78 895) GAZ vom 26. 2. 71 896) Jubiläumsausgabe der GAZ vom 26. 2. 71, S.4 897) Jubiläumsausgabe GAZ, ebd. 898) ebd. Die "Gießener Allgemeine Zeitung" schrieb dazu 1971: "Der von Hahn eingeschlagene Kurs in der Gestaltung der Zeitung und Manipulationen mit dem - 428 - zugeteilten Zeitungspapier führten zu heftigen Spannungen zwischen den Herausgebern ..." 899) GAZ vom 26. 2. 71 900) Gespräch mit Redakteuren der "Frankfurter Neuen Presse" am 16. 1. 78 901) GFP vom 31. 12. 46 902) Knothe war zu der Zeit außerdem Mitlizenzträger der "Frankfurter Rundschau". 903) GFP vom 8. 1. 47 904) GFP vom 15. 2. 47 905) GFP vom 25. 4. 47 906) GAZ vom 26. 2. 71 907) GAZ, ebd. 908) GFP vom 9. 5. 47 909) GFP vom 3. 1. 48 910) GFP vom 6. 1. 48. Lewy schrieb dazu einen weiteren Artikel am 10. 1. 48. 911) GFP vom 10. 1. 48. Am 6. 3. 48 teilte die GFP ihren Lesern mit: "Wie uns die DENA mitteilt, hat sie sich veranlaßt gesehen, die Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Walbrück, ihrem bisherigen Gießener Mitarbeiter, auf Grund seiner wiederholten unrichtigen Meldungen abzubrechen." 912) GAZ vom 26. 2. 71 913) GAZ, ebd. 914) GAZ vom 26. 2. 71 915) GAZ, ebd. 916) GFP vom 4. 3. 48 917) GFP vom 6. 3. 48 918) GFP vom 9. 3. 48 919) GFP vom 13. 3. 48 920) GFP vom 23. 3. 48 921) GFP vom 8. 5. 48 922) GFP vom 11. 5. 48 923) GFP vom 29. 5. 48 924) GAZ vom 26. 2. 71 925) GFP vom 5. 6. 48; die Lizenzurkunde wurde Rempel von Newman am 12.Juni offiziell überreicht. - 429 - Hans Rempel, 1904 in Berlin-Wilmersdorf geboren, wuchs in Erfurt auf und machte 1924 das Abitur am Realgymnasium in Erfurt. Anschließend studierte er Germanistik, Geschichte, Anglistik und Kirchengeschichte an den Universitäten Berlin, Innsbruck und Göttingen und wurde mit einer Arbeit über Lessing promoviert. Von 1929 an war er im Feuilleton und in der Bildredaktion des "Hannoverschen Kuriers" tätig. 1932 wurde er Leiter des Feuilletons bei den "Chemnitzer Neuesten Nachrichten" und arbeitete von 1936 an in der Zeitschriften-Redaktion eines Verlages. Zwischen 1940 und 1945 leistete er Militärdienst, war ein Jahr lang in russischer Gefangenschaft und arbeitete danach für kurze Zeit beim RIAS Berlin. Rempel, der anschließend eigentlich Mitherausgeber der "Stuttgarter Nachrichten" werden sollte, wurde verantwortlicher Feuilleton-Redakteur der "Badischen Neuesten Nachrichten" in Karlsruhe und 1948 Lizenzträger und Chefredakteur der "Gießener Freien Presse". (Gespräch mit Dr. Hans Rempel am 9. 4. 78 in Gießen) 926) GAZ vom 26. 2. 71 927) GFP vom 22. 7. 48 928) GFP vom 29. 7. 48 929) GFP vom 24. 7. 48 und Gespräch mit Dr. Hans Rempel in Gießen am 19. 4. 78 930) Gemeint ist Adolf Weller. 931) Diese Angabe von Hugo Stenzel ist nicht richtig; die Zeitung erschien überhaupt nicht. 932) "Frankfurter Neue Presse" vom 2. 8. 48, S.2 933) FVZ vom 5. 8. 48 934) Zitiert in den "Hessischen Nachrichten" vom 3. 8. 48 935) "Frankfurter Neue Presse" vom 5. 8. 48 936) "Hessische Nachrichten" vom 5. 8. 48, S.2 937) "Frankfurter Neue Presse" vom 5. 8. 48 938) "Frankfurter Neue Presse" vom 6. 8. 48 939) GAZ vom 26. 2. 71 940) GFP vom 6. 8. 48 941) GFP, ebd. 942) GFP vom 9. 8. 48 943) GFP vom 14. 8. 48, GFP vom 21. 8. 48 und vom 4. 9. 48 944) GFP vom 11. 9. 48 - 430 - 945) Der vollständige Titel der Zeitung lautete "Gießener Allgemeine Zeitung für Mittelhessen". 946) GAZ vom 26. 2. 71 947) Gespräch mit Dr. Hans Rempel, a.a.O. 948) GFP vom 27. 8. 48 949) GAZ vom 26. 2. 71 950) GFP vom 3. 8. 49 951) GFP vom 6. 8. 49 952) "Gießener Anzeiger" vom 12. 8. 49 953) "Gießener Anzeiger", ebd. 954) "Gießener Anzeiger", ebd. 955) "Gießener Anzeiger", ebd. 956) "Gießener Anzeiger", ebd. 957) "Gießener Anzeiger", ebd. 958) GFP vom 19. 8. 49 959) GFP vom 24. 8. 49 960) GFP vom 20. 9. 49 961) "Hessen in Wort und Bild" erschien seit dem 20. 7. 49. 962) GFP vom 20. 8. 49; 5. 9. 49; 7. 9. 49; 26. 9. 49 etc. 963) GFP vom 22. 9. 49 964) Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.250 965) Hurwitz, ebd. 966) Diese Rotationsmaschine wurde 1969 durch eine 64-Seiten-Vierrollen- Rotationsmaschine mit Vierfarbdruckeinrichtungen ersetzt. Frankfurter Neue Presse (FNP) 967) Hugo Stenzel wurde am 8. 1. 1901 in Burgbrohl im Rheinland geboren. Nach dem Abitur in Andernach studierte er Staatswissenschaften an der Universität Köln und wurde dort zum Dr. rer.pol. promoviert. - 431 - Im Anschluss daran war er ein Jahr lang in der Kommunalverwaltung tätig. 1925 arbeitete Stenzel bei der "Neuß-Grevenbroicher Zeitung", danach beim "Mayener Tageblatt". Stenzel, Mitglied der Deutschen Zentrumspartei, erhielt 1933 Berufsverbot und wurde in Kassel Leihbuchhändler, bis er 1939 zur Polizeireserve eingezogen wurde. 1945 - nach Kriegende - wurde er Polizeipräsident in Kassel und anschließend Ministerialrat und Abteilungsleiter im Hessischen Innenministerium. 1946 erhielt er die Lizenz zur Herausgabe der zweiten Lizenzzeitung in Frankfurt. Dort blieb er bis zu seinem Tod am 20. 7. 1964. 1961 wurde ihm das Große Verdienstkreuz verliehen. Zwischen 1954 und 1963 war er Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. ("Frankfurter Neue Presse" vom 22.7.64; 23.7.64; 25.7.64; "Frankfurter Rundschau" vom 22.7.64; "Berliner Morgenpost" vom 23.7.64; "Telegraph", Berlin, vom 23.7.64; "Rheinischer Merkur" vom 24.7.64; "Der Spiegel" vom 29.7.64) 968) Gespräch mit F. K. Müller in Frankfurt/Main am 16. 1. 78 969) Brief Berning vom 28. 6. 78; Harold Hurwitz schrieb allerdings dazu: "Die 'Frankfurter Neue Presse' erschien mit zwei der CDU nahestehenden katholischen Lizenziaten. Es war nicht möglich gewesen, einen beruflich qualifizierten Sozialdemokraten zu finden. Ein annehmbarer Kandidat der LDP schied freiwillig aus, nachdem er sich durch die Untersuchung seiner Vergangenheit in seiner Ehre verletzt fühlte." (aus: Hurwitz: Die Stunde Null, a.a.O., S.320) 970) Brief Berning vom 28. 6. 78; die Informationskontrollabteilung schrieb intern dazu, Dr. Stenzel gehöre zum linken Flügel der CDU und sympathisiere mit vielen Zielen der SPD. Obwohl er ein tief religiöser Mensch sei, gehöre er nicht zu den "konservativen Elementen". Mitlizenziat Berning, so ICD, sei kein Mitglied der CDU, obwohl er ein aufrichtiger Katholik sei. Obgleich er mit dieser Partei mehr sympathisiere als mit der SPD, hoffe Berning auf ein Wiedererstehen seiner früheren Partei, des "Zentrum". (aus: ICD- Review, undatiert, Jg.1947) 971) Brief Berning vom 28. 6. 78 972) "Neue Zeitung" vom 25. 10. 45 973) Madlen Lorei/Richard Kirn: "Frankfurt und die drei wilden Jahre", Frankfurt/Main 1962, S.93 - 432 - 974) FNP vom 15. 4. 46 975) FNP vom 15. 4. 46; Karl Brinkmann schied kurze Zeit später wieder aus. Er, der noch von Presseoffizier Ernest Adler nominiert worden war und von dem behauptet wurde, er sei "Kommunist" gewesen, schien für die konservative FNP zu weit "links" gestanden zu haben. Richard Kirn kam als Redakteur von der "Frankfurter Rundschau". Er war davor acht Jahre lang Lokalchef des "General-Anzeigers" in Frankfurt/Main gewesen. Er war sicher nicht als Kommunist zu bezeichnen, obwohl die Information Control ihn mit diesem "Prädikat" als Gegengewicht zur übrigen Redaktion in die FNP geholt hatte. Richard Kirn starb am 29. 12. 79 im Alter von 74 Jahren in Frankfurt/Main. F. K. Müller kam nach eigenen Angaben durch Beziehungen zu Werner Hilpert, SPD- Minister im Hessischen Landtag, und zu Dr. Apfel, damals leitender Regierungsdirektor in Wiesbaden, zur FNP. Paul Fr. Weber, für das Feuilleton zuständig, war Gründungsmitglied der CDU in Frankfurt/Main und fand von daher Zugang zum neuen Blatt. (Gespräch mit F. K. Müller in Frankfurt/Main am 16. 1. 78) 976) Alfred Jordan erhielt einige Jahre später die Lizenz zur Herausgabe einer zweiten Zeitung in Wiesbaden. 977) Dietmar Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", Marburg 1965, S.65 978) FNP vom 18. 4. 46 979) FNP, ebd. 980) FNP, ebd. 981) FNP, ebd. 982) FNP, ebd. 983) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.33 984) FNP vom 15. 4 .46 985) FNP vom 15. 4. 46; zitiert nach Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse' ", a.a.O., S.36 986) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.57 987) FNP vom 6. 5. 46 988) FNP vom 13. 5. 46 989) FNP vom 1. 7. 46 990) FNP vom 4. 7. 46 sowie vom 23. 5. 46; 30. 5. 46; 24. 6. 46; 27. 6. 46 und 18. 7. 46 - 433 - 991) FNP vom 16. 5. 46 992) FNP vom 20. 5. 46 993) FNP vom 26. 8. 46 994) FNP vom 22. 7. 46, 29. 7. 46 und 15. 8. 46 995) S. S. 260f. 996) FNP vom 22. 8. 46 997) FNP vom 16. 9. 46 998) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.61 999) Gutberlet, ebd. 1000) FNP vom 2. 10. 46 1001) FNP vom 2. 6. 47 1002) Gespräch mit F. K. Müller in Frankfurt/Main am 16. 1. 78 1003) Z.B. FNP vom 17. 2. 47 1004) Diese Angaben sind der Dissertation von D. Gutberlet, a.a.O., entnommen, die er Anfang der sechziger Jahre schrieb, zu Zeiten, als der ehemalige Lizenzträger Stenzel noch lebte. Gutberlet bekam Einblick in redaktionsinterne Aktenvorgänge. Diese Akten, um deren Einsicht sich die Autorin zu Beginn des Jahres 1978 ebenfalls bemühte, sind, so wurde ihr versichert, nicht mehr im Verlagshaus der FNP archiviert. Eventuell hatte Stenzel sie später in seinem persönlichen Besitz. 1005) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.55 1006) NP vom 1. 8. 47 1007) Brief Berning vom 26. 8. 78 1008) Der Presseoffizier war sehr wahrscheinlich Ernst Adler, der bereits kurze Zeit später Frankfurt verlassen musste. 1009) Brief Berning, ebd. 1010) Brief Berning, ebd. 1011) Brief Berning, ebd. 1012) Brief Berning, ebd. 1013) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse' ", a.a.O., S.50 1013a) Leopold Goldschmidt wurde am 29. 1. 1886 in Teplitz-Schönau (Westböhmen) als Sohn eines Sängers geboren. Nach dem Abitur begann er das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. - 434 - Nach dem dritten Semester wurde er zum Militärdienst eingezogen und machte den Ersten Weltkrieg bis zu dessen Ende als Soldat, Unteroffizier und Offizier der Österreichischen Armee mit. Ende 1918 wurde er Hilfsredakteur einer überparteilichen Nachrichtenagentur für das Sudetendeutsche Gebiet. Ein Jahr später ging er als Redakteur zu einem überparteilichen Abendblatt nach Teplitz-Schönau und von dort im gleichen Jahr als Redakteur zum sozialdemokratischen Tagblatt "Freiheit", ebenfalls in Teplitz- Schönau. Zwischen 1921 und 1938 war Goldschmidt politischer und kulturpolitischer Redakteur bei dem neu gegründeten Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie in der Tschechoslowakei, "Sozialdemokrat" - einem Blatt, das bis 1938 bestand. Von 1924 bis 1938 war er außerdem Leiter der deutschen Arbeitersendung des Prager Rundfunks und ständiger Mitarbeiter der Chemnitzer "Volksstimme". Ende 1938 ging Goldschmidt ins Exil: In Südfrankreich war er Hilfsredakteur der Agence Française Indépendente (Havas) beim Exchange Telegraph. In London war er Mitarbeiter des Monatsblatts "Sozialdemokrat". Im Frühjahr 1946 wurde er stellvertretender Chefredakteur der "Passauer Neuen Presse". Im September des gleichen Jahres holte Hans Wallenberg ihn als Redakteur zur "Neuen Zeitung" nach Berlin; dort blieb er, bis er im Sommer 1947 die zweite Lizenz für die "Frankfurter Neue Presse" als Nachfolger von August Heinrich Berning erhielt. 1949 übernahm er die Leitung des Berliner "Tagesspiegel". Goldschmidt war zudem von 1953 bis 1968 Vorsitzender des Internationalen Komitees für Christlich- Jüdische Zusammenarbeit. Er erhielt das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik. (Archiv "Frankfurter Neue Presse" sowie "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 29. 1. 76; "Frankfurter Neue Presse" vom 28. 1. 66 und 28. 1. 76; "Frankfurter Rundschau" vom 2. 2. 65, 29. 1. 66 und 29. 1. 71) Goldschmidt starb am 30. 3. 1987 in Frankfurt/Main. 1014) Brief Goldschmidt vom 5. 2. 78 1015) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse' ", a.a.O., S.51 1016) Gutberlet, ebd., S.53 1017) FNP vom 29. 2. 48; außerdem wurde berichtet: "Der Vorstand wurde bis auf einen Beisitzer wiedergewählt. Er setzt sich wie folgt zusammen: Robert Mösinger (1.Vorsitzender), Fritz Fay (2.Vorsitzender), Helli Knoll (Schriftführerin), Dr. Hans - 435 - Heinrich Kruse (Kassierer), Rudi Eims, Walter Fritze und Paul Fr. Weber (Beisitzer). Der Verband zählt jetzt 405 Mitglieder, wobei Frankfurt mit 150 Mitgliedern an der Spitze steht." 1018) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.54f. 1019) Brief ICD an FNP vom 11. 12. 47; zitiert nach Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.56 1020) IC-Review No 7, S.9: "The conservative and quiet 'Neue Presse', a good newspaper though not aggressive in its reorientation efforts ..." 1021) Office of Military Government (U.S.), Review No 7, Weekly Ending 18. 1. 47 1022) Office of Military Government for Germany, Weekly Review No 25, 31. 5. 47, S.7: "... Carries a wider range of editorials, and is on a higher technical journalistic level than the 'Rundschau'." 1023) Ebd: "The 'Presse' quite evidently tends to appeal to the well-to-do, to former NSDAP- members, and to those who today are inclined to reject political affairs or interests." 1024) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse' ", a.a.O., S.45 1025) "Die Seite für die Frau" erschien erstmals am 7. 8. 48. 1026) FNP vom 20. 1. 49 1027) Die Angaben über 500.000 DM wurden von mehreren Redakteuren der FNP gemacht. Der geschäftsführende Direktor der FNP, Friedrich, erklärte allerdings, Goldschmidt sei mit einer lebenslänglichen Rente von monatlich 1.200 DM ausgeschieden. Davon seien 600 DM Rente und 600 DM verrenteter Kaufanteil für seine GmbH-Anteile. (Gespräch mit Friedrich in Frankfurt am Main am 16. 1. 78) 1028) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse' ", a.a.O., S.76 1029) Gutberlet, ebd. 1030) Gutberlet, ebd., S.62 1031) FNP vom 31. 8. 49 1032) FNP vom 1. 9. 49 1033) FNP, ebd. 1034) FNP vom 10. 5. 49; die FNP teilte mit, sie habe eine neue Rotationsmaschine aus der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg erworben (MAN). 1035) FNP vom 1. 9. 49 1036) FNP vom 7. 9. 49 - 436 - 1037) Steinbach ging bald darauf zur "Bild-Zeitung" nach Hamburg, kehrte später nach Frankfurt zurück und wurde Stellvertreter des Chefredakteurs F. K. Müller. (Gespräch mit F. K. Müller in Frankfurt am Main am 16. 1. 78) 1038) Gutberlet: "Die 'Frankfurter Neue Presse'", a.a.O., S.58f. 1039) Gutberlet, ebd., S.82 1040) Gutberlet, ebd., S.83 1040a) Werner Wirthle, geboren am 23. 8. 1908, starb am 2. 8. 2001 in Frankfurt/Main. 1041) Gutberlet, ebd., S.84. Chefredakteur Marcel Schulte sagte zu dieser Fusion: "Für die Zukunft werden starke demokratische Zeitungen gebraucht. Aus diesem Grund unterstütze ich voll die Fusionsverhandlungen." Hugo Stenzel antwortete Gutberlet: "Die ... wirtschaftliche Unabhängigkeit der FNP ist nach meiner ehrlichen Überzeugung völlig gesichert. Außerdem bestehen zwischen den politischen Auffassungen der führenden Herren keine grundsätzlichen Gegensätze." 1042) Dieser Zeitungstitel existiert seit 1963, als die "Frankfurter Societäts-Druckerei" den "Nassauer Boten" (Limburg) übernahm. Der "Nassauer Bote" wurde mit dem Kopfblatt der FNP, der "Limburger Neuen Presse", zur "Nassauischen Landeszeitung" vereinigt. 1042a) Robert Schmelzer, geboren am 7. 3. 1914 in Herne/Westfalen, studierte nach dem Abitur Geschichte, Germanistik und Zeitungswissenschaft an der Universität München. Von 1939 - 1941 war er "Hilfsarbeiter" im Auswärtigen Amt, arbeitete zwischen 1941 und 1944 im Berliner Büro der "Brüsseler Zeitung" und war von 1944 bis 1945 Chefredakteur der "Kölnischen Zeitung". Von 1945 bis 1947 leitete er ein eigenes Korrespondenz-Büro, wurde 1948 politischer Redakteur der "Westfalenpost", Hagen, und war von 1950 bis 1967 Chefredakteur der "Ruhr-Nachrichten" in Dortmund. Zwischen 1967 und 1979 war Schmelzer Chefredakteur der "Frankfurter Neuen Presse" und wurde ab 1979 Herausgeber der "Westfalenpost"/Hagen. Schmelzer, dem 1976 der Bundesverdienstkreuz 1.Klasse und 1979 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, starb am 4. 3. 1996 in Kirchhundem im Sauerland. 1043) FNP vom 15. 4. 71 1044) "Frankfurter Rundschau" vom 16. 4. 71. - 437 - Kasseler Zeitung (KZ) 1044a) Walter Philipp Krust-Ortlieb wurde am 29. 6. 1904 in Mannheim geboren. Er arbeitete bis 1932 als Lichtbildner, Volkswirtschaftler, Werbeleiter, Reporter, Wirtschafts - und Werbeberater. 1933 wurde ihm die journalistische Arbeit verboten. Von 1935 an wurde er von der Gestapo überwacht. Vom Herbst 1945 an war er Korrespondent, vom 29. 11. 1946 an Lizenzträger und Chefredakteur der "Kasseler Zeitung". Am 21. 7. 1948 wurde ihm die Lizenz wieder entzogen. Zu seinem weiteren beruflichen Werdegang schrieb die "Kasseler Zeitung" am 19. 11. 1948: "Die kürzlich in Kassel neu herausgegebene Wochenzeitung 'Lebendiges Kassel' muss nach einer Anordnung der Militärregierung ihr Erscheinen sofort so lange einstellen, bis eine reguläre Lizenzierung erfolgt. Die Wochenzeitung kam bisher mit der Druckschriftengenehmigung des Kasseler Regierungspräsidiums heraus. Chefredakteur ist der ehemalige Lizenzträger der 'Kasseler Zeitung', Walter Krust-Ortlieb." 1045) "Fuldaer Volkszeitung" vom 30. 11. 46. Paul Bromme, geboren am 24.12. 1906, war in den Nachkriegsjahren maßgeblich in der Lübecker SPD tätig. Er, ein Jugendfreund Willy Brandts, war zwischen 1949 und 1951 Chefredakteur der "Lübecker Freien Presse" und bis 1974 Wirtschaftssenator und 1. Bürgermeister Lübecks und gründete 1973 - gegen den "Linkskurs" seiner Partei - die Julius-Leber-Gesellschaft. Nach einem Parteiordnungsverfahren wurde er aus der SPD ausgeschlossen. Paul Bromme starb am 2. 2. 75 in Lübeck. 1046) KZ vom 2. 12. 46 1047) KZ, ebd. 1048) KZ, ebd. 1049) Herbert M. Nuhr wurde am 14. 11. 1901 als Sohn des Zeitungsverlegers Richard Nuhr in Ölsnitz im Vogtland geboren. 1925 trat er als Geschäftsführer und Mitinhaber in die "Vogtländische Zeitung" ein. 1928 erwarb er Verlag und Betrieb der 1792 gegründeten "Weseler Zeitung". Einige Zeit später kaufte er den "Allgemeinen Anzeiger des Kreises Rees" hinzu. Nachdem Nuhr in den dreißiger Jahren mehrmals inhaftiert worden war, ordnete die Reichspressekammer nach häufiger Beschlagnahmung die Schließung beider Zeitungen an. 1945 - Nuhrs Zeitungsbetrieb war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden - beauftragte die britische Militärregierung - 438 - am Niederrhein Nuhr mit der Organisation der "Neuen Rheinischen Zeitung", einem Blatt der Militärregierung. Zwischen November 1946 und Juli 1948 war Nuhr Mitlizenziat der "Kasseler Zeitung". 1949 gründete er in der gleichen Stadt einen Verlag, zu dem eine eigene Druckerei gehörte. ("Hessische Allgemeine" vom 14.11.66) Herbert M. Nuhr starb am 29. 9. 1984. 1050) KZ vom 30. 4. 47 1051) KZ, ebd. 1052) KZ vom 11. 6. 48 1053) "Hessische Nachrichten" vom 22. 7. 48 1054) KZ vom 23. 7. 48 1055) KZ vom 9. 8. 48 1056) Auf die Frage, wie sich die "Kasseler Zeitung" unter seiner Leitung politisch entwickelt habe, antwortete Diehl schriftlich am 10.11.78: "Ob die 'Kasseler Zeitung' mit meinem Eintreffen 'konservativer' geworden sei, da kann ich Ihnen nur schwerlich Auskunft geben. Dieser politische Begriff, der ja heute noch einen etwas denunziatorischen Charakter angenommen hat, war damals in der Weise noch nicht gang und gäbe. Die 'Kasseler Zeitung' hatte sich wechselweise gegen Kritik aus allen politischen Lagern zu verteidigen; natürlich sofern sie sich verteidigen wollte. Ich weiß nur, daß die großen politischen Probleme der damaligen Zeit von der 'Kasseler Zeitung' jahrelang schon vor entsprechenden Aktivitäten der Parteien klar und unmißverständlich behandelt worden sind. (Die 'Kasseler Zeitung' und ich selbst in meinen Leitartikeln haben das, was man später 'neue Ostpolitik' nannte, schon Jahre vor den Aktivitäten Bahr's und Brandt's vertreten; das waren damals sogenannte 'Kalte Krieger'. Ich selbst wurde beim ersten Vorstoß heftig als 'Brückenbauer zum Kommunismus' beschimpft.)" 1057) KZ vom 23. 10. 48 1058) KZ vom 21. 10. 48 1059) Gemeint ist die Einführung eines sog. Kulturpfennigs: Jede Zeitung sollte pro verkauftes Exemplar einen Pfennig an die Staatskasse abführen. 1060) KZ vom 3. 1. 49 1061) KZ vom 5. 2. 49 1062) KZ vom 12. 3. 49 1063) KZ vom 8. 4. 49 - 439 - 1063a) Rainer Dierichs, geboren 1939 in Bochum, studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften an den Universitäten Freiburg i.Br. und Berlin. Nach Referendarexamen in München machte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann, anschließend war er Volontär in verschiedenen Verlagen. Seit Januar 1977 ist Dierichs Verleger und Herausgeber der "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen", Kassel. Offenbach-Post (OP) 1064) Gespräch mit Dr. Peter Udo Bintz, Sohn des verstorbenen Lizenzträgers, in Offenbach am 15. 3. 78 1064a)Udo Bintz wurde am 17. 1. 1903 in Hamburg geboren und wuchs in Berlin auf. Nach Ausbildungsstationen in Dessau, Amsterdam und den USA kam er zum Ullstein- Verlag und verbrachte die Kriegsjahre in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Firma Bayer in Leverkusen. Anfang des Jahres 1947 wurde er alleiniger Lizenzträger der "Offenbach-Post". Bintz, seit 1960 Königlich-Griechischer Honorar-Konsul, erhielt zu seinem 65. Geburtstag das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik. Er war Gesellschafter der Deutschen Presseagentur. Udo Bintz starb am 9. April 1979. (Schreiben Dr. Peter Udo Bintz vom 30. 6. 1982) 1065) OP vom 3. 6. 47 1066) dpa-Meldung "Verleger Udo Bintz gestorben" vom 10. 4. 79 1067) "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 16. 1. 73 1068) "Frankfurter Allgemeine Zeitung", ebd. 1069) "Zeit in der Zeitung - 200 Jahre Zeitung in Offenbach", Offenbach 1973, S.137 1069a) Dolf Sternberger, geboren am 28. 7. 1907 in Wiesbaden, war von 1934 bis 1943 Redakteur der "Frankfurter Zeitung". Zwischen 1943, nach Berufsverbot durch die Nationalsozialisten, bis Kriegsende war er in einem Heidelberger Industriebetrieb tätig und gründete im Oktober 1945 - zusammen mit Karl Jaspers, Alfred Weber und Werner Krauss - die Zeitschrift "Die Wandlung". Zwischen 1950 und 1958 war er Mitherausgeber der Zeitschrift "Die Gegenwart" und wurde 1960 auf einen Lehrstuhl für Politikwissenschaften an der Universität Heidelberg berufen. Sternberger, dem 1974 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, starb am 27. 7. 1988 in Frankfurt/Main. - 440 - 1070) OP vom 14. 8. 47 1071) OP vom 13. 9. 47 1072) "Zeit in der Zeitung", a.a.O., S.139 1073) OP vom 24. 1. 48 1074) OP vom 12. 2. 48 1075) OP vom 25. 3. 48 1076) OP vom 4. 5. 48 1077) OP vom 10. 4. 48 1078) OP vom 27. 4. 48 1079) Fritz Przytulla schied mit dem 15. 4. 48 aus. 1080) OP vom 3. 4. 48 1081) OP vom 6. 4. 48 1082) OP vom 17. 4. 48 1083) OP vom 10. 2. 48 1084) Karl Brinkmann war Chef vom Dienst und Wolfgang Ulrich Maletzki (Kürzel: "Wum") zuständig für das Ressort Politik. 1085) OP vom 1. 10. 48 1086) "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 16. 1. 73 1087) "Frankfurter Allgemeine Zeitung", ebd. 1088) OP vom 7. 1. 49 1089) OP vom 13. 1. 49 1090) OP vom 28. 1. 49 1091) OP vom 23. 2. 49 1092) OP vom 19. 1. 49 1093) OP vom 19. 1. 49 1094) OP vom 25. 1. 49 1095) OP vom 15. 1. 49 1096) OP vom 15. 1. 49 1097) OP vom 15. 3. 49 1098) OP vom 14. 4. 49 1099) OP vom 23. 2. 49 1099a) Karl Lorberg, geboren am 11. 8. 1891, war zwischen 1947 und 1950 Hessischer Minister für Landwirtschaft und Forsten. Er starb am 19. 5. 1972. - 441 - 1100) OP vom 4. 3. 49 1101) Protokoll der Tagung des Verbands Hessischer Zeitungsverleger am 22. 10. 49 in Schlangenbad bei Wiesbaden; Archiv Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt am Main 1102) "Zeit in der Zeitung", a.a.O., S.147 1103) Handbuch Deutsche Presse, a.a.O. Die Stadt Offenbach hatte 1952 rund 95.000 Einwohner, der Kreis 135.000. 1104) "Zeit in der Zeitung", a.a.O., S.147 1105) Gespräch mit Dr. Peter Udo Bintz, a.a.O. 1106) Am 14. 2. 1889 in Bad Wimpfen am Neckar geboren, übernahm er nach dem Jurastudium 1915 die Leitung der Seiboldschen Druckerei, eines Unternehmens, das seit mehreren Jahrzehnten zum Familienbesitz Dohany gehörte. 1107) Gespräch mit Dr. Peter Udo Bintz, ebd. 1108) ebd.; Dirk Ippen wurde am 13. 10. 1940 in Rüdersdorf bei Berlin geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Freiburg, Hamburg und Münster. Nach der Promotion 1967 begann er seine verlegerische Tätigkeit als Juniorpartner und Minderheitsgesellschafter beim "Westfälischen Anzeiger" in Hamm. 1969 wurde er geschäftsführender Gesellschafter des Merkur Adressenverlags im niedersächsischen Einbeck. 1971 beteiligte er sich an den "Bremer Nachrichten" und an der Kreiszeitung Syke und gliederte in den folgenden Jahren sechs weitere Heimatzeitungen in das Blatt ein. Am 1. 5. 1974 beteiligte er sich an der "Offenbach- Post". 1975 erwarb er ein Wochenblatt in Vlotho; zwischen 1977 und 1979 folgten weitere Zeitungen, sodass Ippen nunmehr an sieben Lokalzeitungen mit einer Gesamtauflage von 230.000 in Niedersachsen, Hessen und Norderrhein-Westfalen beteiligt war. Im Februar 1982 übernahm er die Kapitalmehrheit des Münchner Zeitungsverlages ("Münchner Merkur" und "tz"). Die direkte Leitung der Münchener Zeitungs-Verlags GmbH gab Ippen Ende Juni 1987 wieder ab und konzentrierte sich stattdessen auf die verlegerische und strategische Gesamtleitung der Gruppe. (Munzinger-Archiv 16/92) Werra-Rundschau (WR) 1109) WR vom 1. 1. 48 - 442 - 1110) "This is to certify that Hans Albert Kluthe has been licensed to publish a newspaper in Eschwege. His licence, which will be presented to him formally when the first issue of the paper is published, is number H-204." (Archiv Dr. Peter Kluthe, Eschwege) 1111) "... For reasons which I shall explain to you when we meet, I am particularly interested in obtaining a licence." (Archiv Dr. Peter Kluthe, a.a.O.) 1112) Hier liegt eine Verwechslung des Vornamens und nicht der Person vor. Hans Albert Kluthe wurde am 15. 7. 1904 in Schwelm in Westfalen geboren. Dort besuchte er auch das Realgymnasium. Zwischen 1923 und 1928 studierte er Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten München, Berlin und Köln. Er gehörte der Reichsleitung des Reichsbundes Demokratischer Studenten sowie dem Reichsbund der Jungdemokraten und dem Kartell republikanischer Studenten an. Er war außerdem Mitglied des Reichsparteiausschusses und des Vorstandes des Wahlkreisverbands Köln-Aachen der Deutschen Demokratischen Partei, der späteren Deutschen Staatspartei. Darüber hinaus war Kluthe Vorstandsmitglied der Jungliberalen Internationale. Auf journalistischem Gebiet betätigte er sich als freier Mitarbeiter liberaler Zeitungen und Zeitschriften des In- und Auslands und war u.a. Hochschulberichterstatter der "Vossischen Zeitung". Von 1928 bis 1934 hatte Kluthe eine Tätigkeit beim Verband der leitenden Angestellten, dem späteren Reichsbund der Wirtschaftsleiter. Zwischen 1934 und 1936 war er Bezirksgeschäftsführer der Hanseatischen Versicherungsgesellschaft. Im Oktober 1936 floh Kluthe nach England, da ihm eine Verhaftung wegen illegaler Arbeit drohte. In England war er als Sprachlehrer und freier Journalist u.a. für den "Spectator", den "Manchester Guardian" und "News Chronicle" unter dem Pseudonym Walter Westphal tätig. Er arbeitete zudem für die Deutsche Freiheitspartei und war Herausgeber - zunächst zusammen mit Karl Spiecker - des Organs "Das wahre Deutschland". Von 1940 an arbeitete er für verschiedene britische Dienststellen, so beim Foreign Office, Political Intelligence Department; beim Political Warfare Executive, German and Austrian Division; beim Ministry of Information, Publications Division. Kluthe war außerdem Redaktionsleiter der "Neuen Auslese", des alliierten Informationsdienstes. Im Oktober 1947 kehrte er nach - 443 - Deutschland zurück. Im darauf folgenden Jahr übernahm er das "Eschweger Tageblatt", das später als "Werra-Rundschau" erschien. Im September 1948 wurde er Herausgeber der "Frankfurter Neuen Illustrierten", die später mit der Frankfurter Societäts-Druckerei fusionierte. Hans Albert Kluthe war u.a. Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, Präsident des Internationalen Presseinstituts; Ehrenpräsident des Verlegerverbands Hessischer Zeitungsverleger; Mitglied des Deutschen Presserats; Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Zeitschriftenverleger des Gemeinsamen Markts; Vizepräsident der Liberalen Weltunion und Ehrenvorsitzender der deutschen Sektion der Liberalen Weltunion. Er starb am 13. 12. 1970 in Eschwege. (Bundesarchiv Koblenz, Nachlass A. Kluthe) 1113) "This is to certify that Mr. Gustav A. Kluthe, a German resident of England, is here in Wiesbaden for interview by ICD as a prospective Licensee on one of the Hesse newspapers. Mr. Kluthe will remain in Hesse for about 10 or 12 days ..." (Archiv Dr. Peter Kluthe, a.a.O.) 1114) Hier handelt es sich wahrscheinlich um Colonel Hart. 1115) Alexander Roßbach war Verleger des "Eschweger Tageblatts", dem es gelang, "während des Dritten Reiches allen Aufsaugungsbemühungen des nationalsozialistischen Parteiverlags zu widerstehen und bis zuletzt seine Selbständigkeit zu wahren. Anfang April 1945 mußte es nach der Besetzung der Stadt durch die Amerikaner sein Erscheinen einstellen." (aus: "150 Jahre Heimatzeitung in Eschwege", Sonderbeilage der WR vom 9. 6. 76) Es folgte dann eine zeitungslose Zeit, bis am 20. Juni 1945 die erste Nummer des Blattes "Der Landrat des Kreises Eschwege spricht", gedruckt bei A. Roßbach, erschien, das im Oktober 1945 in "Eschweger Mitteilungsblatt" umbenannt wurde. Das "Mitteilungsblatt" stellte sein Erscheinen mit der Lizenzierung der WR ein. 1116) Unveröffentlichtes Manuskript (Archiv Dr. Peter Kluthe, a.a.O.) 1117) WR vom 1. 1. 48 1118) WR, ebd. 1119) WR, ebd. 1120) Unveröffentlichtes Manuskript (Archiv Dr. Peter Kluthe, a.a.O.) 1121) "25 Jahre Werra-Rundschau", Beilage vom 30. 12. 72 - 444 - 1122) Hans A. Kluthe: Geschichte der Werra-Verlagsgesellschaft (Archiv Dr. Peter Kluthe, a.a.O.) 1123) Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Hans Albert Kluthe 1124) WR vom 7. 2. 48 1125) WR vom 21. 2. 48 1126) WR vom 28. 2. 48 1127) WR vom 6. 3. 48 1228) WR vom 20. 3. 48 1229) WR vom 3. 4. 48 1230) Bundesarchiv Koblenz, Nachlass H. A. Kluthe 1131) Gespräch mit Dr. Peter Kluthe in Eschwege am 14. 7. 78 1132) Hans A. Kluthe: Geschichte der Werra-Verlagsgesellschaft, unveröffentlichtes Manuskript vom 18. 11 .53, a.a.O. 1133) WR vom 24. 7. 48 1134) WR vom 7. 8. 48 1135) WR vom 1. 9. 48 1136) Brief Hans A. Kluthe an eine Bekannte vom 12. 6. 48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1137) Brief Hoffmann und Campe, Hamburg, an Hans A. Kluthe vom 26.7.48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1138) Brief Hans A. Kluthe vom 12. 6. 48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1139) Brief Hans A. Kluthe an "Cöbes" vom 2. 8. 48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1140) Brief Hans A. Kluthe an einen Freund vom 20. 6. 48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1141) Brief Hans A. Kluthe an "Frau Erne" in den USA vom 26.7.48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1142) Gemeint sind die "Frankfurter Rundschau" und die "Frankfurter Neue Presse". 1143) Brief Hans A. Kluthe an Dr. Hermann Schäfer vom 14. 8. 48 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) 1144) WR vom 18. 12. 48 1145) WR vom 20. 12. 48 1146) WR vom 6. 7. 49 1147) WR vom 7. 5. 49 1148) WR vom 4. 10. 49 1149) Gespräch mit Dr. Peter Kluthe in Eschwege am 14. 7. 78 - 445 - 1150) WR vom 21. 2. 49 1151) WR vom 25. 6. 49 1152) WR vom 6. 8. 49 1153) WR vom 20. 8. 49 1154) WR vom 30. 12. 72 1155) Alle Angaben zur Auflagenhöhe: Archiv Dr. Peter Kluthe, a.a.O. Waldecker Kurier 1155a) Ludwig Steinkohl wurde am 1.6.1913 in Nürnberg geboren. 1156) Waldecker Kurier vom 9. 6. 48, S.2 1157) Waldecker Kurier, ebd. 1157a) Vincent O. Anderson war bereits zuvor bei der "Frankfurter Rundschau", der "Fuldaer Volkszeitung", beim "Darmstädter Echo", bei der "Kasseler Zeitung", bei der "Offenbach-Post" und bei der "Werra-Rundschau" in Eschwege als Presseoffizier tätig gewesen. Raymond Stover hatte die Lizenzen an das "Darmstädter Echo", die "Offenbach-Post" und die "Werra-Rundsachau" vergeben. 1158) Waldecker Kurier vom 9. 7. 48 1159) Waldecker Kurier vom 16. 7. 48 1160) Waldecker Kurier vom 12. 8. 48, S.2 1161) Waldecker Kurier vom 6. 11. 48, S.4 1162) Waldecker Kurier vom 2. 2. 49, S.2 1163) Waldecker Kurier vom 9. 3. 49, S.3 1164) Waldecker Kurier, ebd. 1165) Waldecker Kurier vom 3. 11. 48, S.2 1166) Waldecker Kurier vom 11. 3. 49, S.2 1167) Waldecker Kurier vom 19. 3. 49, S.2 1168) Waldecker Kurier, ebd. 1169) Waldecker Kurier vom 23. 3. 49, S.2 1170) Waldecker Kurier vom 4. 4. 49, S.1 1171) Waldecker Kurier vom 2. 4. 49 1172) Waldecker Kurier vom 9. 6. 49, S.3 - 446 - 1173) Waldecker Kurier vom 22. 1. 49, S.4 1174) Waldecker Kurier vom 15. 12. 49, S.4 1175) Waldecker Kurier vom 2.1.50, S.1 u. S.4 1176) ebd. 1177) ebd. 1178) ebd. 1179) ebd. 1180) Waldecker Kurier vom 7.1.50 1181) Waldecker Kurier vom 24.1.50, S.4 1182) Waldecker Kurier vom 28.1.50, S.6 1183) Waldecker Kurier vom 29.3.50, S.4 1184) Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche, a.a.O., S. 475, nennt zum 30.11.1948 die Auflagenhöhe von 13.750 Exemplaren. 1185) Ludwig Bing, geboren am 12.4.1902 in Korbach, starb am 2.2.1986. 1186) Dr. Hermann Bing, geboren am 2.1.1905 in Korbach, studierte nach dem Abitur in Gießen und München und wurde 1929 in Marburg zum Dr.phil. promoviert. Anschließend arbeitete er in der Finanzabteilung der Waldeckischen Landesregierung in Arolsen, beim "Dresdner Anzeiger", in der Industrie- und Handelskammer Dresden und bei der Stadtverwaltung Düsseldorf. Hermann Bing, der seit 1932 (zusammen mit seinem Bruder Ludwig bis zu dessen Tod 1986) den Verlag der "Waldeckischen Landeszeitung" leitete, lebt heute in Korbach. 1187) "100 Jahre 'Waldeckische Landeszeitung", S.3 1188) Waldecker Kurier vom 10.5.1950, S.1. Dr. Wolkers zufolge wurde Steinkohl anschließend Chefredakteur einer Zeitung in Rosenheim. (Brief Dr. Ursula Wolkers, Tochter des Verlegers Hermann Bing, vom 27.3.2001) 1189) Waldecker Kurier vom 10.5.1950, S.1 1190) Waldecker Kurier vom 10.5.1950, S.4 1191) Waldecker Kurier vom 31.5.1950, S.1 1192) Brief Dr. Ursula Wolkers, a.a.O. - 447 - TEIL III 18 Abkürzungen AG - Armeegruppe CAD - Civil Affairs Division DANA - Deutsche Allgemeine Nachrichtenagentur (später umbenannt in DENA: Deutsche Nachrichtenagentur) DE - Darmstädter Echo DISCC - District Information Service Control FNP - Frankfurter Neue Presse FR - Frankfurter Rundschau FVZ - Fuldaer Volkszeitung GAZ - Gießener Allgemeine Zeitung GFP - Gießener Freie Presse HN - Hessische Nachrichten HNA - Hessische Niedersächsische Allgemeine ICD - Information Control Division ISD - Information Services Division JCS - Joint Chiefs of Staff KP - Kasseler Post KZ - Kasseler Zeitung MGO - Military Government Officer MP - Marburger Presse OMGUS - Office of Military Government, United States OP - Offenbach-Post OSS - Office of Strategic Services OWI - Office of War Information PID - Political Information Department POB - Publications Operations Branch PWD - Psychological Warfare Division SHAEF - Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force USFET - United States Forces European Theater - 448 - WaK - Waldecker Kurier WIGO - Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse WK - Wiesbadener Kurier WNZ - Wetzlarer Neue Zeitung WR - Werra-Rundschau - 449 - 19 Quellen und Literatur 19.1 Unveröffentlichte Quellen 19.1.1 Mündliche Quellen Gespräch mit Prof. Dr. Harold Hurwitz, Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung, FU Berlin, in Berlin am 24., 25. und 26.3.1975 Gespräch mit Emil Carlebach, ehemaliger Lizenzträger der "Frankfurter Rundschau", in Frankfurt/Main am 3.11.1975 Gespräch mit Rieke, Rechtsanwalt der "Frankfurter Rundschau", in Frankfurt/Main am 6.11.1975 Gespräch mit Peter Schönfeld, ehemaliger kaufmännischer Leiter der "Frankfurter Rundschau", in Frankfurt/Main am 7.11.1975 Gespräch mit Werner Mascos, ehemaliger Redakteur der "Marburger Presse", in Marburg am 8.3.1982 Gespräch mit Fritz Schmidt, ehemaliger Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten", in Kassel am 20.7.1978 Gespräch mit Wolfgang Otto, ehem. Verwaltungsdirektor der "HNA", in Kassel am 18.7.1978 Gespräch mit Peter Hillebrecht, ehemaliger Mitarbeiter der "Kasseler Zeitung", in Freiburg am 29.5.1982 Gespräch mit Herrn Schirling, Stadtarchiv Wiesbaden, in Wiesbaden am 10.11.1977 Gespräch mit Herrn Schweinecke, ehemaliger Lektor des "Wiesbadener Kurier", in Wiesbaden am 28.10.1977 Gespräch mit Herrn Ott, Betriebsratsvorsitzender des "WK" 1977, in Wiesbaden am 29.11.1977 Gespräch mit Kurt Wenda, "Frankfurter Neue Presse", in Frankfurt/Main am 1.12.1977 Gespräch mit Peter Bögel, "Wiesbadener Kurier", in Wiesbaden am 9.11.1977 Gespräch mit Kurt Milte, "Wiesbadener Kurier", in Wiesbaden am 25.10.1977 Gespräch mit Dr. Mathias Kierzek in Fulda am 19.4.1979 Gespräch mit Heinz A. Kaaf, "Darmstädter Echo", in Darmstadt am 26.10.1977 und 8.11.1977 Gespräch mit Max Bach, "Darmstädter Echo", in Darmstadt am 26.10.1977 Gespräch mit Wolfgang Scheer, "Wetzlarer Neue Zeitung", in Wetzlar am 21.4.1978 Gespräch mit Georg Schwinghammer, "Wetzlarer Neue Zeitung", in Wetzlar am 21.4.1978 - 450 - Gespräch mit Dr. Hans Rempel, "Gießener Freie Presse", in Gießen am 19.4.1978 Gespräch mit Friedrich K. Müller, "Frankfurter Neue Presse", in Frankfurt/Main am 16.1.1978 Gespräch mit Friedrich, "Frankfurter Neue Presse", in Frankfurt/Main am 16.1.1978 Gespräch mit Dr. Peter Udo Bintz, "Offenbach-Post", in Offenbach am 15.3.1978 Gespräch mit Dr. Peter Kluthe, "Werra-Rundschau", in Eschwege am 14.7.1978 Gespräch mit der Witwe Johann Sebastian Dangs, "Darmstädter Echo", in Darmstadt am 8.12.1977 Gespräch mit Hans Weller, dem Sohn Adolf Wellers, "Gießener Freie Presse", in Gießen am 25.4.1978. 19.1.2 Schriftliche Quellen 19.1.2.1 Archive Die im Folgenden aufgeführten Archive verfügen mit Ausnahme des Bundesarchivs und des Stadtarchivs Marburg nur über Splitterbestände, die über Lizenzierung, Zeitungstitel und Zeitungsverlage sowie die Person der Lizenzträger Auskunft geben. Die Archive aller heute noch bestehenden hessischen Lizenzzeitungen resp. der Verlage, in deren Besitz sie sich befinden, wurden ebenfalls herangezogen (s. S. 452). Die im Text zitierten Quellen sind unter Ziff. 19.1.2.2 im Einzelnen nachgewiesen. Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Hans Albert Kluthe, Signatur-Nr. N 1162 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Hessisches Staatsarchiv Darmstadt Hessisches Staatsarchiv Marburg Institut für Zeitgeschichte, München Stadtarchiv Darmstadt Stadtarchiv Eschwege Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main Stadtarchiv Fulda Stadtarchiv Gießen Stadtarchiv Korbach Stadtarchiv Marburg, Nachlass Hermann Bauer, ohne Signatur Stadtarchiv Kassel Stadtarchiv Offenbach - 451 - Stadtarchiv Wetzlar Stadtarchiv Wiesbaden Landesbibliothek Kassel Archiv Verband Hessischer Zeitungsverleger, Frankfurt/Main Registergericht Darmstadt, HRB 1249 Registergericht Frankfurt/Main Registergericht Gießen 19.1.2.1.1 Zeitungsarchive Titel 1.Tag Fundort des Erscheinens Darmstädter Echo 21.11.45 Archiv DE, Darmstadt Frankfurter Neue Presse 15.04.46 Archiv FNP, Frankfurt Frankfurter Rundschau 01.08.45 Archiv FR, Frankfurt Fuldaer Volkszeitung 26.10.45 Archiv Fuldaer Volkszeitung, Fulda Gießener Freie Presse 08.01.46 Archiv GFP, Gießen Hessische Nachrichten 26.09.45 Archiv HNA, Kassel Kasseler Zeitung 29.11.46 Archiv HNA, Kassel Marburger Presse 14.09.45 Universitätsbibliothek Marburg Offenbach-Post 03.06.47 Stadtarchiv Offenbach Waldecker Kurier 09.06.48 Mikrofilm des Instituts für Zeitungs- forschung der Stadt Dortmund Werra-Rundschau 01.01.48 Archiv WR, Eschwege Wetzlarer Neue Zeitung 01.01.46 Archiv WNZ, Wetzlar Wiesbadener Kurier 02.10.45 Archiv WK, Wiesbaden - 452 - 19.1.2.1.2 archivalische Quellen, die im Text zitiert werden Diese Materialien befinden sich teils im Original, teils als Kopie im Besitz der Verfasserin. Brief August Heinrich Berning, ehemaliger Lizenzträger der "Hessischen Nachrichten" und der "Frankfurter Neuen Presse", vom 28.6.1978 Brief Dr. Peter Udo Bintz, "Offenbach-Post", vom 30.6.1982 Brief Kurt Deichmann, ehemaliger Redakteur der "Gießener Freien Presse", vom 24.4.1978 Brief Adolf W. Diehl, ehemaliger Lizenzträger der "Kasseler Zeitung", vom 10.11.1978 Brief Leopold Goldschmidt, ehemaliger Lizenzträger der "Frankfurter Neuen Presse", vom 5.2.1978 Heinrich Kierzek: Manuskript vom 31.3.1948 (Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda) Heinrich Kierzek: Druckauftrag "Deutsche Woche"; Manuskript vom 8.4.1952 (Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda) Heinrich Kierzek: Investitions-Kredite der Fuldaer Verlagsanstalt GmbH; Manuskript vom 5.1.1953 (Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda) Heinrich Kierzek: Manuskript vom 27.9.1966 (Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda) Brief Heinrich Kierzek an einen nicht bekannten Adressaten vom 14.9.1946 (Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda) Johannes Neugebauer: Dokumentation über die Entstehung der "Fuldaer Volkszeitung", ohne Jahr (Archiv Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda) Hans Albert Kluthe: Geschichte der Werra-Verlagsgesellschaft; Manuskript vom 18.11.1953 (Archiv Dr. Peter Kluthe, Eschwege) Brief H. A. Kluthe an einen nicht bekannten Adressaten vom 12.6.1948 (Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Hans Albert Kluthe, a.a.O.) Brief H. A. Kluthe an einen nicht bekannten Adressaten vom 20.6.1948 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) Brief H. A. Kluthe an "Frau Erne" vom 26.7.1948 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) Brief H. A. Kluthe an "Cöbes" vom 2.8.1948 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) Brief H. A. Kluthe an Dr. Hermann Schäfer vom 14.8.1948 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) Brief Wilhelm Batz an H. A. Kluthe vom 15.1.1948 (Archiv Dr. Peter Kluthe, Eschwege) Brief Hoffmann & Campe, Hamburg, an H. A. Kluthe vom 26.7.1948 (Bundesarchiv Koblenz, a.a.O.) Brief Dr. Ursula Wolkers vom 27.3.2001 - 453 - 19.2 Darstellungen Abendroth, Wolfgang: Die deutschen Gewerkschaften; Wege demokratischer Integration. Heidelberg, 1954, letzte Auflage 1955 Almond, Gabriel A.: The Struggle for Democracy in Germany. Chapel-Hill, 1949, letzte Auflage 1965 Appelius, Stefan: Heine: Die SPD und der lange Weg zur Macht. Essen,1999 Arndt, Adolf: Die Staats- und verwaltungsrechtliche Entwicklung in Groß-Hessen. In: Deutsche Rechtszeitschrift 1, 1946 Badstübner, Rolf: Restauration in Westdeutschland 1945 - 1949. Berlin (DDR), 1965 Badstübner, Rolf/ Siegfried, Thomas: Die Spaltung Deutschlands 1945 - 1949. Berlin, 1966, letzte Auflage 1968 Baerns, Barbara: Alfred Kantorowicz' Zeitschrift "Ost und West". Münster, 1968 Balfour, Michael: Vier-Mächte-Kontrolle in Deutschland 1945 - 1946. Düsseldorf, 1959 Beer, Hermann: Vom Chaos zum Staat. Männer, die für uns begannen. Frankfurt, 1969 Belfrage, Cedric: Seeds of Destruction - The Truth about the US- Occupation of Germany. New York, 1954 Bergsträsser, Ludwig: Zeugnisse zur Entstehungsgeschichte des Landes Hessen. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 5, 1957, S.397 - 416 Berliner Autorenkollektiv Presse: Wie links können Journalisten sein? Reinbek b. Hamburg, 1972 Bing, Hermann: 100 Jahre "Waldeckische Landeszeitung". 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Binder, Gottlob 131, 173 Bing, Hermann 345f., 446 Bing, Ludwig 444, 446 Bing, Wilhelm 345 Bintz, Udo 184, 313ff., 365, 439 Bintz, Saskia 319 Blaum, Kurt Fritz Johannes (1946 Oberbgm. von Ffm.) 291, 294 Bleek, Theodor 136 Boenisch, Peter 375 Bollmann, Hermann 323 Bondy, Barbara 375 Bouché, Baron de 46 Boxer, John H. 241 - 467 - Braunholz, Johannes 322 Bremer, Karl 127f., 130, 133, 136f., 140f., 143, 401 Brinkmann, Karl 291, 296, 314, 431, 440 Bromme, Paul 307, 437 Bruder, Hans 221, 230 Bradley, Omar 18 Brand, Otto 28 Brandt, Willy 437f. Brücher, Hildegard 32, 375 Buch, Friedrich (1946-1948 Bürgermeister von Wetzlar) 240 Busch, Otto 253, 426 Buttles, Bruce 32 Byrnes, James Francis 44, 120, 350 Calkins, Howard 222, 230, 235 Carlebach, Emil 41, 76, 82ff., 89, 94f., 101f., 104f., 107ff., 115ff., 122, 155, 200, 204, 219, 251, 280, 354f., 385, 387, 394f., 401 Carlebach, Esriel 82 Chesnutt, James B. 22, 129, 219 Churchill, Winston B. 12, 17 Clay, Lucius D. 31f., 46, 49, 66f., 69, 115, 119f., 138, 158, 202, 249, 265, 351, 373, 379f. Conant, Luther 18, 23, 100, 392 Cooper, Sir Duff 317 Cube, Walter von 375 Dang, Johann Sebastian 218ff., 224f., 230, 361f., 419 Dang, Witwe 419 Dawson, William 14 Deichmann, Kurt 257, 264f., 268f., 271ff., 427 Delmer, Sefton 317 Diehl, Adolf W. 169, 172, 176, 309, 311f., 365, 411, 438 Dierichs, Paul 170, 312, 335, 411 Dierichs, Rainer 312, 438 Dietz, Fritz 161, 177, 206ff., 318, 341f. Dietz, Gerda 160, 410 Dönges, Wilhelm 256 Dohany, Ernst 319 - 468 - Dohany, Werner 319 Dombrowski, Erich 75, 85, 88, 96, 98 Downing, James 222 Dunn, Thomas F. 14 Dunner, Joseph 41, 46, 109, 376 Easterday, David M. 256 Eaton, Joseph 28 Ebbinghaus, C.H. 32 Ebbinghaus, Julius 130, 148 Eberitsch, Otto 319 Eckardt, Peter 316 Ehard, Hans 158 Eifinger, Johann 240ff., 253f., 362, 401, 426 Eims, Rudi 118, 398, 400, 434 Eisenhower, Dwight D. 13f., 18, 24, 37, 66, 81, 373, 376, 379 Emde, Heinrich 342f. Enderle, Luiselotte 30 Etzkorn, Hans 41, 76f., 87, 92, 94ff., 101ff., 354f., 385, 390 Euler, August Martin 148f., 155 Evatt, Herbert 317 Fay, Fritz 434 Federn, Ernst 117 Feiber, Oskar 343 Field, Larry 127 Fisch, Walter 398 Fischer, Walter 243 Fleischer, Jack 31 Foss, Kendall 31 François-Poncet, André 173, 315 Freidhof, Rudolf 154 Freienberg, Wilhelm 222, 401 Frenzel, Curt 72, 384 Freundt, Roderich 28 Friedmann, Werner 42 Frischmann, Heinz 253, 426 - 469 - Fritze, Walter 434 Gaitanides, Johannes 375 Geihe, Josef A. 296 Gerold, Karl 105ff., 110f., 115, 117, 119, 121, 355, 394, 398, 400f. Gerst, Wilhelm Karl 41, 76ff., 83, 87ff., 91ff., 96ff., 101f., 104, 107ff., 121ff., 219, 221, 354f., 385, 394f., 401 Göring, Hermann 220 Goldschagg, Edmund 42 Goldschmidt, Leopold 298f., 301f., 364, 433ff. Graves, Richard 317 Groddeck, Wolfram 264, 267 Groß, Charles P. 14 Groß, Emil 63 Groß, Heinz 323 Grossmann, Otto 41, 76f., 87. 96, 102, 110, 354f., 401 Grüssen, Hugo 280 Gruß, Gustav 277 Gutberlet, Dietmar 299, 305, 433, 436 Habe, Hans 18, 20, 23, 25f., 30, 86, 372, 374 Hager, Otto Wilhelm 252 Hahn, Julius 256ff., 263, 280, 363, 426f. Halbe, Thomas 298 Hanke, Oskar 338 Hart, E.J. 322 Hartmann, Wolfgang 221 Hausmann, Helmut 130 Hegemer, Tilla 260 Heidemann, Hans 197, 199 Heine, Friedrich 317 Heinrich, Hans 73 Heinze, Kurt 257, 264, 271, 274 Heller, Vitus 409 Hensel, Georg 220f. Herrmann, Fritz 282 Hess, Rudolf 147 - 470 - Heuss, Theodor 41f., 325 Heym, Stefan 28, 30, 375 Hilpert, Werner 98, 106, 138, 177, 207, 244, 432 Himpele, Ferdinand 173, 413 Hintze, Kurt 253 Hitzeroth, Carl 141ff., 404 Hobbing, Enno 31 Hollands, Heinrich 22, 373 Hollbach, Wilhelm 75, 85 Horsel, Erika 343 Howley, Frank 14 Hüsch, Josef 240ff., 246ff., 253f., 362, 401, 425f. Hurwitz, Harold 8, 23, 106, 109f., 116, 136, 182, 184, 254 Husch, Jakob 251 Ippen, Dirk 170, 319, 412, 441 Jänecke, Walther 63 Jaspers, Karl 439 Jeffs, Charles R. 14 Johnson, Chas. T. 129 Jolas, Eugene 22, 374, 383f. Jordan, Alfred 178, 291, 432 Jordan, Gerda 160, 410 Kaaf, Heinz Adolf 219, 221, 235 Kästner, Erich 30 Kapfinger, Hans 62 Keil, Ludwig 231f. Kierzek, Heinrich 124, 130, 142f., 176, 183ff., 202f., 205ff., 228, 242, 253, 276, 359ff., 366, 401, 415 Kierzek, Mathias 415, 417, 419, 449 Kirn, Richard 291, 298, 302ff., 432 Klein, Albin 256 Klein, Ernst 253 Kleitz, Anthony F. 103, 105f., 153, 230, 291, 307, 393 Klebe, Herbert 323 Klier, Max 323 - 471 - Kluthe, Hans Albert 148, 162, 184, 217, 306, 320, 322ff., 328f., 331ff., 366f., 442f. Kluthe, Peter 9 Knoblauch (ICD Darmstadt) 230 Knoll, Helli 434 Knorr, Hermann 42 Knothe, Wilhelm 41, 76, 80f., 83, 87, 92ff., 99, 101ff., 207, 220, 247, 262, 325, 354f., 386, 393, 428 Kocab, Josef Hans 253 Koch, Johann August 141, 144 Köhler (CDU-Mitglied in Kassel) 154 Kogon, Eugen 83f., 387f. Kolbenhoff, Walter 375 Koszyk, Kurt 8, 29, 31, 46, 49, 215 Kraft, Karl 163 Kramer, Hermann 323 Kramer, Johannes 184, 186 Kraus, Max 28f., 31 Kraus-Nover, Emily 291, 298 Krauss, Werner 439 Krone, Heinrich (1953 CDU-MdB) 211 Kruse, Hans Heinrich 434 Krust-Ortlieb, Walter 307ff., 365, 398, 436f. LaFolette, Charles F. 14 Lasch, Karl (1948 Bürgermeister von Eschwege) 322 Lee, Eugene M. 240 Lehmann, Hans 30 Leimbach (Mitarbeiterin der "Werra-Rundschau") 323 Lembke, Robert 30 Leonard, Frederic N. 270, 272, 322 Levy, David M. 40 Lewy, Ludwig 260f., 263ff., 267ff., 280, 294, 363 Lorberg, Karl 318, 440 Luft, Friedrich 29 Mangold, Werner 253 Martin, Paul Friedrich 221 - 472 - Mascos, Werner 130, 132, 402 Matz, Elisabeth 26 Maubach, Fritz 185, 188f. Mayer, Georg Alfred 171, 173, 182, 359, 412 McCarthy, John 107, 378f. McClure, Robert A. 13f., 17, 22, 24, 30, 34f., 37f., 41, 46, 83, 85f., 88, 92, 102, 109f., 291, 348, 355, 376 McMahon, Bernhard 37, 154f., 184, 236, 239, 308, 358 Mewes, Hans-Joachim 130, 402 Meyer, Hedwig 185, 195 Meyer-Gasters, Klaus 291 Milte, Kurt 163, 410 Mösinger, Robert 434 Montag, Alfons 118, 400 Montgomery, Bernard Law 18, 66 Morgenthau, Henry 12, 370 Müller, Friedrich K. 291, 294, 298, 302, 304, 432, 435 Müller, Oskar 131, 172, 397 Müller, Robert 182, 415 Müller, Rudolf 172 Muller, Walter J. 14, 158 Nagel, Alfred 323 Netzer, Hans Joachim 375 Neugebauer, Johannes 195f. Newman, James R. 14, 116, 121, 137f., 156, 214, 244, 280, 292, 309, 338, 408, 428 Nuhr, Herbert M. 308f., 365, 437 Oppenheim, Freddy 218 Otto, Hans 160, 410 Pagan, Raymond 162 Parsons, Geoffrey 193, 315 Parzeller, Polykarp 187, 208ff., 418 Patton, George S. 35, 37 Paulssen, Ernst 160 Pausch, Kurt 253, 426 Pawlicek, E. 253 - 473 - Pehnt, Herta 160, 410 Pelz, Gerda 342f. Pesch, Otto 22 Pfannkuch, Alfred 180 Pfeiffer-Belli, Erich 375 Phelps, Oberst 291, 307 Pley, Colonel 86 Pörzgen, Wilhelm 298 Pöschl, Wolfgang 151, 153, 157, 168f., 312, 333, 357, 406f., 411 Przytulla, Fritz 314, 316, 440 Raabe, Cuno 187 Rauschenbach, Hans Joachim 185, 187 Rebholz, Helmuth 298 Reckmann, Walter 298 Reidt, Hermann 253 Reinert, William 264, 271, 274 Reinhold, Kurt W. 225, 234, 422 Reinmöller, Carl 130 Reinowski, Hans Joachim 218, 224f., 227, 229ff., 239, 361f., 419f., 422 Rempel, Christian 289 Rempel, Hans 141, 215, 259, 274f., 277ff., 288f., 363f., 428f. Richard, Armin 343 Rickmann, Kurt 150 Robertson, Sir Brian 120, 377, 381, 383 Robolski, Otto 29 Rodemann, Paul 41, 79f., 87, 92f., 101f., 218ff., 224, 230, 314, 354f., 361f., 385f., 401, 420 Röhn, Fritz 130 Römer, Gustav Adolf 145, 148, 150f., 168, 357, 401, 404 Römer, Rudolf 150, 160, 410 Roos, Heinrich 172 Roosevelt, Franklin D. 12f., 17 Rosenberg, Alfred 147 Roßbach, Alexander 320f., 323f., 329, 443 Rudert, Arno 41, 80ff., 87, 90, 94, 98f., 101f., 110f., 115, 117ff., 121, 140, 197, - 474 - 354f., 386f., 390, 398ff., 401, 417 Rust, Karl 271 Sabel, Anton 211ff. Sasse, Gustav 282 Schäfer, Hermann 330 Schäffer, Fritz 147 Scheer, Wolfgang 242, 253 Schellenberg, Gustav 171, 178, 180f., 359f. Schildener, Herbert 163 Schlosser, Johannes G. 185, 187, 416 Schmelzer, Robert 306, 436 Schmidt, Adalbert 264, 271, 280 Schmidt, Fritz 145f., 148, 150, 405 Schmidt, Michael 208, 418 Schmitt, Dieter 221 Schneider, Josef 252 Schneider, Werner 163 Schneider, Wolf 375 Schnitzler, Ferdinand 254 Schober, Otto 257, 259, 271, 275 Schöningh, Franz-Joseph 42 Schöppler, Otto 183, 188 Scholz, Arno 243 Schreiber, Fritz 141, 267, 271, 274ff. Schroeder, Dietrich 297f., 320 Schulte, Marcel 302, 436 Schumacher, Kurt 95f., 148, 173, 246f., 362, 391, 398 Schwarz, Meinhard 343 Schwingenstein, August 42 Schwinghammer, Georg 253, 426 Seifert, Hans 185 Seringhaus, Will 150 Severing, Carl 148 Simon, Gerd 185, 195, 198, 415 Skarry, Arthur 146, 152, 230 - 475 - Smith, David M. 219, 241 Speyer, Gerhard 28 Stanley, John B. 38, 42, 100, 129, 146, 186, 219f., 392 Steinbach, Peter 298, 302, 304, 435 Steinkohl, Ludwig 157, 184, 338ff., 366f., 445f. Stenzel, Hugo 62f., 106, 149, 275, 290f., 293ff., 298, 302, 306, 338, 364, 401, 430f., 433, 436 Sternberger, Dolf 315, 439 Stieler, Georg 196 Stone, Shepard 42, 132, 214f. Stover, Raymond A. 157, 171, 229f., 239, 251, 277, 298, 307f., 313, 320, 322, 338 Strauß, Erwin 28 Stümpke, Bruno 290 Swarm (1946 Leiter der Mil.reg. in Kassel) 152, 307 Textor, Gordon E. 46, 115f., 139 Thelen, Arnold 302 Thielemann, Paul 62 Tiesenhausen, Berend von 284, 286 Tillenburg, Heinrich Peter 298, 302, 304 Toombs, Alfred 35, 42 Truman, Harry S. 91, 120 Ulbricht, Walter 109, 148, 150, 318 Ulm, Fritz Otto 153f., 171ff., 175ff., 182, 333, 359, 401, 412 Unkrodt, Renate 130, 134 Venghaus, Heinz 323 Völker, Wilhelm 284f. Vonau, German M. 163 Wagoner, Murray D. van 14 Walbrück, Hans 267, 280, 339, 428 Wallenberg, Hans 29ff., 33, 374f., 434 Warburg, James 38 Weber, Alfred 439 Weber, Hans 409 Weber, Paul Fr. 291, 294, 298, 302, 432, 434 Wechsberg, Joseph 28 - 476 - Wedemann, Günter L. 160 Weiss, Carl 375 Weller, Adolf 256, 258, 260, 264, 274, 278, 288, 363f., 426 Werner, Bruno E. Winters, Eric 28 Wirthle, Werner 306, 436 Wissmann, Wilhelm 130 Wittich, Ludwig C. 222f., 225ff., 421 Wittler, Kurt 28 Wolf, Petra 130 Wolkers, Ursula 446 Wurm, Theophil 175f., 359 Wyden, Peter 28 Zeidler, Guido 222 Ziegler, Paul 218, 221 Zinn, Georg August 176 Zumbach, Gerhard 163, 342