With a little help ...: Organisationsentwicklung in Zusammenarbeit mit einer Beratungsfirma; das Beispiel der Universitätsbibliothek Dortmund von Marlene Nagelsmeier-Linke und Daniela Scholz 1. Einleitung Die Beratungsbranche boomt, und sie tut dies auch und gerade dann, wenn es denen, die sie berät, nicht gut geht.1 Wenn Berichte über Beratungsprojekte mittlerweile zum festen Bestandteil der Programme der Bibliothekartage und –kongresse gehören, so ist dies sicherlich als ein Indiz dafür zu werten, dass sich das Bibliothekswesen in einer Krise befindet. Das Beratungsprojekt, über das im folgenden berichtet werden soll, hat zwar in seinen Ursprüngen auch etwas zu tun mit den tiefgreifenden Umwälzungen, die sich im Bibliothekswesen vollziehen. Aber dieses Projekt konnte ohne Druck von außen in Angriff genommen werden. Nicht der verordnete Abbau von Stellen war der Anlass für die Beratung, sondern die freie Entscheidung der Universitätsbibliothek Dortmund, einen Organisationsentwicklungsprozess in Gang zu setzen. Die Universitätsbibliothek versteht sich als eine Bibliothek, die „auf dem Weg zur lernenden Bibliothek“2 ist; und der Beratungsprozess ist damit auch als organisationsbezogener Lernprozess zu sehen. 2. Das Leitbild der Universitätsbibliothek Dortmund als Ausdruck einer Veränderungsstrategie In der Universitätsbibliothek Dortmund wechselte 1995 die Leitung. Dieser Wechsel fiel in eine Zeit tiefgreifenden Wandels im Bibliothekswesen, der vor allem von der mit dem Internet verbundenen technischen Entwicklung induziert ist, aber auch von ökonomischen und politischen Entwicklungen beeinflusst ist. Die Organisationsstruktur der Universitätsbibliothek Dortmund war – und ist es in Teilen bis heute noch – durch eine ausgeprägte hierarchische Gliederung und ein hohes Maß an Arbeitsteiligkeit geprägt. Eine solche Struktur eignet sich aufgrund ihrer hochgradigen Formalisierung, Spezialisierung, Zentralisierung und Standardisierung hervorragend für eine effiziente Durchführung von Routineaufgaben in großem Umfang. Ein Mangel einer solchen Struktur ist jedoch zweifellos ihre Unfähigkeit, schnell und flexibel auf Veränderungen zu reagieren, bzw. ein Klima zu schaffen, in dem neue Ideen geboren und gefördert werden. Dass eine Organisationsstruktur wie die der „alten“ Universitätsbibliothek Dortmund an ihre Grenzen stößt, wenn es um Innovationen für eine zukunftsweisende Bibliotheksarbeit geht, zeigte sich insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem Internet. Ein Medium wie das Internet lässt sich in das traditionelle Schema bibliothekarischer Aufgaben nicht einordnen, da es quer zu allen bibliothekarischen Funktionen und Aufgabenbereichen wirksam werden kann. In der Beschäftigung mit dem Internet kam – vielleicht nicht zum ersten Mal, aber nun doch mit starker Wirkung – jene Arbeitsform zum Tragen, die als Grundstruktur für die zukünftige Aufgabenerfüllung der Bibliothek fungieren soll, nämlich die Arbeit in einem hierarchiefrei und abteilungsübergreifend arbeitenden Team. Noch unter der alten Bibliotheksleitung konstituierte sich eine sog. Internet-Arbeitsgruppe, in der sich interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne ausdrücklichen Arbeitsauftrag der Direktion zusammenfanden und den Grundstein für die späteren Internet- Aktivitäten der Bibliothek legten. Von Seiten der neuen Bibliotheksleitung bestand die Absicht, einen Organisationsentwicklungsprozess in Gang zu setzen mit dem Ziel flacher Hierarchien und integrierten Arbeitens. Als Mittel, diesen Prozess in Gang zu setzen und ihn überhaupt kommunizierbar zu machen, wurde ein Leitbildes eingesetzt. Strukturgrundsätze der Organisation können Gegenstand eines Leitbildes sein.3 Der erste Entwurf des Leitbildes wurde von der Bibliotheksleitung erstellt.4 Er folgte dem Muster eines Organisations- und Systemleitbildes einer Veränderungsstrategie.5 Dieser erste Entwurf wurde in der Folge in 1 Vgl. Staute, Jörg: Der Consulting-Report: die Wahrheit über die Beraterzunft, München 1996, S. 9. 2 Vgl. Nagelsmeier-Linke, Marlene: Auf dem Weg zur lernenden Bibliothek: Personal- und Organisationsentwicklung in Hochschulbibliotheken am Beispiel der UB Dortmund, in: De officio bibliothecarii: Beiträge zur Bibliothekspraxis; Hans Limburg zum 65. Geburtstag gewidmet, hrsg. von Gernot Gabel..., Köln 1998, S. 40-52. 3 Vgl. hierzu Bleicher, Knut: Leitbilder: Orientierungsrahmen für eine integrative Management-Philosophie. St. Gallen 1992, S. 33 – 36. Das Werk von Bleicher bietet eine Fülle von Beispielen für Leitbilder für bestimmte Zwecke, wobei jeweils ein Muster für eine Stabilisierungs- bzw. eine Veränderungsstrategie geliefert wird. 4 Der Prozess der Leitbilderstellung und der Inhalt des ersten Leitbildentwurfes ist beschrieben bei Nagelsmeier- Linke, Marlene: Zielorientierte Führung als Mittel zur Mitarbeiterentwicklung und –förderung, in: Ressourcen der sog. Arbeitsgruppe Kommunikation, die mit dem Ziel konstituiert worden war, die Kommunikation in der Universitätsbibliothek und mithin auch die Führungsbeziehungen zu untersuchen und zu verbessern, diskutiert und überarbeitet. Der von dieser Arbeitsgruppe erstellte Entwurf wurde dann im Sommer 1996 in der Bibliothek veröffentlicht. Er rief, da er auf Änderungen in der Arbeitsorganisation abzielte, in der Bibliothek erhebliche Unruhe hervor. Diese Unruhe war sicherlich auch dadurch bedingt, dass Äußerungen der Bibliotheksleitung bisher eher als Verfügungen denn als Anstoß zur Diskussion verstanden wurden. Der Entwurf des Leitbildes wurde im Februar 1997 in einer Mitarbeiterversammlung eingehend diskutiert. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren zu dieser Versammlung eingeladen, und fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Einladung gefolgt. Zusammen mit dem Leitbild wurde unter dem Titel „Vision 200x oder: Wie soll es weitergehen mit der UB Dortmund?“ eine „Vision“ der Bibliotheksleitung vorgestellt, in der vor allem die in Aussicht genommene Organisationsentwicklung der Bibliothek skizziert wurde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten Gelegenheit, auf Schreibbögen einzelne Punkte dem Leitbild herauszugreifen und unter den Fragestellungen - was ich mir darunter vorstelle - was ich mir davon verspreche - was ich daran schwierig und problematisch finde - was mir fehlt im Leitbild zu kommentieren. Im Anschluss an diese Mitarbeiterversammlung konstituierte sich eine Arbeitsgruppe, die eigens zur Überarbeitung des Leitbildentwurfs gebildet wurde und an der die Direktion nicht teilnahm. Diese Arbeitsgruppe wertete die Schreibbögen aus und erarbeitete aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse einen neuen Entwurf für das Leitbild. In zwei Runden wurde dieser Entwurf dann erneut in der Bibliothek zur Diskussion gestellt, wobei diese Diskussion z.T. auch elektronisch über das Mailsystem der Bibliothek geführt wurde. Die endgültige Fassung des Leitbildes wurde dann im Mai 1998 zur Abstimmung gestellt. Von den rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek beteiligten sich insgesamt 102 an der Abstimmung, 66 stimmten mit „Ja“, 19 mit „Nein“ und 17 enthielten sich der Stimme. Die relativ geringe Beteiligung an der Abstimmung ist sicherlich auch durch die Tatsache bedingt, dass sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar in allen Statusgruppen, mit einem abstrakten Text, wie es ein Leitbild ist, sehr schwer tun. Der Prozess der Leitbildentwicklung hat in der Universitätsbibliothek Dortmund gut zwei Jahre in Anspruch genommen; in diesen zwei Jahren fand aber auch schon eine intensive Auseinandersetzung mit den Zielen der Organisationsentwicklung statt, die im Leitbild skizziert ist. Das Leitbild der Universitätsbibliothek ist auf der Homepage veröffentlicht.6 In ihm ist nunmehr verankert, dass ein Organisationsentwicklungsprozess in Gang gesetzt werden soll, der - Arbeit in Teams und Arbeitsgruppen mit klaren Zielvorgaben - Abbau von Hierarchien - Dezentralisierung von Entscheidungen - Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation - Förderung des kollegialen Umgangs - ständige Fortbildung zum Ziel hat. 3. Die Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess Während die Erarbeitung des Leitbildes völlig aus eigener Kraft erfolgte, bestand schon frühzeitig auf Seiten der Direktion die Hoffnung, dass der eigentliche Organisationsentwicklungsprozess durch professionelle Hilfe von nutzen für neue Aufgaben. 86. Deutscher Bibliothekartag in Erlangen 1996, hrsg. von Sabine Wefers, Frankfurt am Main, S. 81 – 92 (S. 89 – 92). 5 Vgl. Bleicher, Knut, a.a.O., S. 35 f. 6 http://www.ub.uni-dortmund.de/organisatorisches/leitbild.html. außen unterstützt werden könnte. Bereits vor Verabschiedung des Leitbildes war es zu ersten Kontakten mit Beratungsfirmen gekommen, die auch schon in ersten Angeboten resultierten. Ende 1997 bot sich dann die Möglichkeit, vom damaligen Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Sondermittel für die angestrebte Beratung zu erhalten. Nachdem es dann auch noch gelungen war, die Zweckbindung für diese Mittel, die natürlich im Jahr 1997 nicht mehr verausgabt werden konnten, aufzuheben und sie so quasi in den Haushalt der Bibliothek zu überführen, konnte das Beratungsprojekt ohne zeitliche Restriktionen geplant und durchgeführt werden. Was nun die Auswahl der mit der Beratung zu beauftragenden Firma anging, bestand ein Dilemma. Einerseits bestand seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der starke und nachvollziehbare Wunsch, an der Auswahl beteiligt zu werden, andererseits hatte niemand in der Bibliothek – und hier war auch die Direktion mit einzubeziehen – Erfahrungen mit Organisationsentwicklungsprozessen und natürlich schon gar nicht mit der Auswahl einer Firma, die bei dieser Aufgabe unterstützend mitwirken konnte. Die schwierige Aufgabe, die aus dem oben skizzierten Dilemma resultierte, wurde so gelöst, wie in der Universitätsbibliothek Dortmund alle neuen und schwierigen Aufgaben gelöst, nämlich durch Bildung einer Projektgruppe. Arbeits- und Projektgruppen7 bilden in der Universitätsbibliothek Dortmund – parallel zur zunächst weiterhin bestehenden hierarchischen Gliederung – eine sog. Sekundärorganisation, in der innovative Entwicklungen betrieben werden, während die Routineaufgaben weiterhin weitgehend in der hierarchischen Gliederung erledigt werden. Arbeits- und Projektgruppen sind – was Abteilungszugehörigkeit und Status der Teilnehmer und Teilnehmerinnen angeht – heterogen zusammengesetzt. In der Regel konstituieren sich diese Gruppen aus Freiwilligen, in besonderen Fällen kann aber auch ein bestimmter Proporz zu beachten sein. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Arbeits- und Projektgruppen arbeiten, sind weiterhin „hauptberuflich“ in der Primärorganisation tätig; die Arbeit in der Projekt- oder Arbeitsgruppe nimmt nur einen kleinen Teil ihrer Arbeitszeit ein. Primär- und Sekundärorganisation sind so personell miteinander vernetzt. Über das Medium der Dienstbesprechung sind sie auch strukturell miteinander verbunden. Alle wichtigen Entscheidungen in der Bibliothek werden in der Dienstbesprechung diskutiert. Sofern sich die Direktion nicht das Entscheidungsrecht vorbehalten hat – was in der Regel nur bei Entscheidungen von besonderer Bedeutung der Fall ist – ist die Dienstbesprechung auch Entscheidungsgremium. An der Dienstbesprechung, die wöchentlich tagt, nehmen die Fachreferentinnen und Fachreferenten8, die leitenden Diplombibliothekarinnen, die Vertreter und Vertreterinnen von abteilungsfreien Bereichen und die Direktion teil. Die Arbeitsgruppen werden von der Dienstbesprechung ins Leben gerufen, und sie sind diesem Gremium gegenüber auch berichtspflichtig. Jede Arbeitsgruppe wählt einen Sprecher, der für die Geschäftsführung innerhalb der Gruppe und für deren Vertretung nach außen zuständig ist. Auch die Sprecher und Sprecherinnen konstituieren sich aus allen Statusgruppen. Da es mittlerweile derart viele Arbeitsgruppen in der Universitätsbibliothek Dortmund gibt, dass die Gefahr der Überschneidung und Doppelarbeit besteht, hat sich zur Koordinierung der Arbeit der Projekt- und Arbeitsgruppen ein Koordinierungsteam, die sog. „Arbeitsgruppe der Arbeitsgruppen- und Projektgruppensprecher und –sprecherinnen“ konstituiert, in dem die Aktivitäten der Arbeits- und Projektgruppen abgestimmt und koordiniert werden. Als Beispiel für die Arbeit in Projekt- und Arbeitsgruppen soll im Folgenden die Arbeit der Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess dargestellt werden. Die Dienstbesprechung rief die Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess mit folgendem Auftrag ins Leben: „Zur Umsetzung des neuen Leitbildes der Universitätsbibliothek Dortmund soll eine Ist-Analyse der Organisation der UB erstellt werden. Eine neu einzurichtende Projektgruppe soll sich mit der Auswahl einer geeigneten Unternehmensberatung befassen. Grundlage für die Arbeit der Projektgruppe und der noch auszuwählenden Unternehmensberatung ist das Leitbild der UB.“ Vorgabe für die Bildung der Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess war, dass die drei Statusgruppen (mittlerer, gehobener und höherer Dienst) mit je zwei Mitgliedern beteiligt sein sollten. Außerdem sollte die Bibliotheksleiterin qua Amt Teilnehmerin der Projektgruppe sein. Die Personlaräte9 sollten mit je einem Vertreter bzw. einer Vertreterin an der Projektgruppe teilnehmen. Mit einem Aufruf wurden Mitarbeiterinnen 7 Arbeitsgruppen und Projektgruppen unterscheiden sich dadurch voneinander, dass erste ohne Befristung arbeiten, während letztere sich einer Aufgabe mit einer zeitlichen Befristung annehmen. 8 Die Abteilungsleiter und deren Stellvertreter und Stellvertreterinnen rekrutieren sich vollständig aus dem Kreis der Fachreferentinnen und Fachreferenten. 9 In Nordrhein-Westfalen gibt es jeweils einen eigenen Personalrat für die wissenschaftlichen bzw. die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. und Mitarbeiter gesucht, die an der Projektgruppe teilnehmen wollten. Bei den Fachreferentinnen und Fachreferenten wurden die Vertreter für die Projektgruppe gewählt. In den anderen Gruppen meldeten sich zunächst weniger Interessenten und Interessentinnen, als Plätze in der Gruppe zu vergeben waren. Die zunächst freien Plätze in der Projektgruppe konnten dann dadurch besetzt werden, dass Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Projektgruppe ihrerseits weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Arbeit in der Projektgruppe warben. Zu Beginn der eigentlichen Arbeit in der Projektgruppe waren einige – für die Arbeit in Projekt- und Arbeitsgruppen typische - Probleme zu lösen. Dadurch, dass in der Gruppe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den verschiedensten Bereichen der Universitätsbibliothek und mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen zusammengekommen waren, musste zunächst innerhalb der Gruppe ein gleicher Informations- und Kenntnisstand erreicht werden. Vorbehalte der Mitglieder gegenüber der Projektgruppe mussten ausgeräumt werden. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mussten sich erst einmal kennenlernen und den Umgang miteinander üben. Die Arbeit in einer Projekt- und Arbeitsgruppe setzt ein höheres Maß an Akzeptanz, Toleranz und größere Bereitschaft voraus, sich auf die Argumente anderer einzulassen, als dies in der langjährigen gemeinsamen Routinearbeit notwendig ist. In den anfänglichen Gesprächen und Diskussionen traten immer wieder Hierachieängste und das Gefühl, von der Aufgabe überfordert zu sein, zutage. Kein Mitglied hatte bis zur Teilnahme an der Projektgruppe Erfahrungen im Umgang mit Unternehmensberatungen und Beratungskonzepten. Die Angst vor Veränderungen in der Arbeitsorganisation – z.B. durch die Einführung von Teams – saß tief, auch wenn es zunächst nur um die Vorbereitung solcher Veränderungen ging. Außerdem sahen sich die Projektgruppenmitglieder einem Rollen- und Zielkonflikt ausgesetzt, weil sie einerseits die Bibliotheksleitung bei der Auswahl der Beratungsfirma beraten sollten, andererseits aber auch die Interessen ihres Arbeitsbereiches vertreten sollten, in dem zumindestens die Führungskräfte sehr häufig aus verständlichen Gründen dem durch die Beratungsfirma einzuleitenden Veränderungsprozess gegenüber sehr negativ eingestellt waren. Die Projektgruppe hat diese Probleme aufgearbeitet und den Ängsten entgegengewirkt, indem sie sich über die Rollen und Verantwortlichkeiten der Projektgruppenmitglieder verständigt hat. Außerdem wurde die Funktion der Projektgruppe innerhalb der Organisation der Universitätsbibliothek Dortmund sehr eingehend diskutiert. Wie bereits erwähnt, wählt jede Arbeits- und Projektgruppe in der Universitätsbibliothek Dortmund einen Sprecher bzw. eine Sprecherin. Obwohl in der Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess der höhere Dienst vertreten war, wurde als Sprecherin der Gruppe eine Mitarbeiterin des gehobenen Dienstes gewählt. Die Sprecher und Sprecherinnen von Projekt- und Arbeitsgruppen können sich auf die Geschäftsführung innerhalb der Gruppe und die Vertretung nach außen beschränken, sie müssen nicht gleichzeitig auch als Moderator bzw.- Moderatorin für die Gruppe tätig werden. Im Fall der Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess erwies es sich jedoch als für die Sache äußerst hilfreich, dass die Sprecherin der Gruppe bereits über Grundkenntnisse der Moderationstechnik verfügt und so sehr gut mit den durchaus schwierigen gruppendynamischen Prozesse in der Gruppe umgehen konnte. Aufgrund des Auftrages der Dienstbesprechung entwickelte die Projektgruppe folgenden Leitsätze10 für ihre Arbeit - Die Grundlage unserer Arbeit ist das Leitbild. - Wir schließen eine Veränderung der Struktur der Universitätsbibliothek nicht aus. - Wir wollen Anstöße und Hilfen von außen erfragen. - Wir möchten Empfehlungen erarbeiten, um die Ziele des Leitbildes zu erreichen. - Wir werden Vorgaben für die externe Hilfe entwickeln. 4. Die Auswahl der Beratungsfirma Nachdem die o.g. Leitsätze für die Arbeit der Projektgruppe formuliert waren, wurde eine Liste von Unternehmensberatungen erstellt, die bereits für Bibliotheken oder bibliothekarische Einrichtungen tätig gewesen waren oder den Mitgliedern der Projektgruppe aus anderen Zusammenhängen bekannt waren. Die Bibliotheksleitung wurde beauftragt, erste Kontakte zu knüpfen. Es fanden sich schließlich vier Beratungsfirmen, die zur Kontaktaufnahme bereit waren. Die Auswahl der letztendlich beauftragten Firma erfolgte in einem zweistufigen Verfahren: 10 Diese Leitsätze stellten quasi ein eigenes kleines Leitbild für die Projektgruppenarbeit der Gruppe dar. 1. Die vier Firmen wurden zu einem ersten Vorgespräch eingeladen, in dem sie sich vorstellen konnten und ihrerseits Informationen über die Universitätsbibliothek einholen konnten. Am Ende dieses ersten Gespräches wurden die Vertreter und Vertreterinnen der Firmen dann gebeten, ein Angebot abzugeben, sofern sie an der Übernahme des Auftrages interessiert waren. (Vorbereitungsrunde) 2. Bei einem zweiten Termin nach Abgabe des Angebotes hatte jede Firma dann Gelegenheit, dieses Angebot im Einzelnen zu erläutern und mit der Projektgruppe zu diskutieren. (Präsentationsrunde) Zur Vorbereitung auf die erste Gesprächsrunde mit den Firmen wurde in der Projektgruppe ein internes Brainstorming zum Thema „Fragen und Erwartungen an die Unternehmensberatung“ veranstaltet. Ergebnis dieses Brainstormings war ein Fragenkatalog, der den Mitgliedern der Projektgruppe eine gewisse Sicherheit für die ersten Gespräche mit den Beratern gab. Durch die Präsentationsrunde wurde ein Lernprozess in der Projektgruppe in Gang gesetzt. Aus jedem vorgestellten Beratungskonzept entwickelten sich neue Aspekte für eine Wunschberatung in der Universitätsbibliothek und neue Fragen an die Beraterinnen und Berater. Am Ende der Präsentationsrunde resultierte das neugewonnene Wissen in Beurteilungskriterien zur Entscheidungsfindung. Die Beurteilungskriterien wurden in zwei Kriterien aufgeteilt, nämlich in „harte“ Entscheidungskriterien: - Ist-Analyse - Preis-Leistung - Praxisbezug - Flexibilität der Berater - Partizipation - Lernpotential des Verfahrens (Hilfe zur Selbsthilfe) - Einbeziehung des vorhandenen Know-hows - Dokumentation des Prozesses - Prozessbegleitung nach Abschluss der eigentlichen Beratungsphase - Bibliothekserfahrung bzw. Erfahrung im öffentlichen Dienst „weiche“ Entscheidungskriterien: - Welche Akzeptanz erwarten wir für die Berater und Beraterinnen im Haus - Sind uns die Beraterinnen und Berater sympathisch? - Haben wir Vertrauen zu den Beratern und Beraterinnen aufbauen können? - Haben wir Vertrauen in das vorgelegte Konzept? - Sprechen wir die gleiche Sprache? - Ist das Beratungskonzept für uns transparent? - Denken wir, dass eine Zusammenarbeit mit den Beratern und Beraterinnen möglich ist? Eine erste Standortbestimmung nach Abschluss der Präsentationsrunde zeigte kein eindeutiges Votum für eine der Unternehmensberatungen. Die Projektgruppe hat daraufhin mit einer Entscheidungsmatrix alle vier Beraterfirmen innerhalb der harten Entscheidungskriterien miteinander verglichen. Hierbei hoben sich deutlich zwei Firmen vor den anderen hervor. Auch nach einer nachträglichen Wichtung der harten Entscheidungskriterien blieb das Ergebnis identisch. Daraufhin wurden die „weichen“ Entscheidungskriterien für die verbliebenen zwei Beraterfirmen zu Rate gezogen. Auch hier ließ sich jedoch kein eindeutiges Ergebnis erzielen. Schließlich wurden in einer offenen Diskussion noch einmal Vor und Nachteile der zwei verbliebenen Beraterfirmen diskutiert und die Entscheidung für eine der beiden Firmen im Konsens getroffen. 5. Der Beratungsprozess Wesentliche Elemente des Beratungsprozesses waren als „Ideenwerkstatt“ oder „Workshop“ bezeichnete Module, in denen in Form von eintägigen Gruppensitzungen ,in denen eine Ist-Analyse der derzeitigen Organisationsstruktur der Universitätsbibliothek vorgenommen wurde. Den Anfang einer solchen Gruppensitzung bildete in der Regel eine Kartenabfrage, mit der Stärken und Schwächen der Organisation festgestellt wurden. Bezogen auf die in der Kartenabfrage festgestellten Schwächen wurden dann in kleineren Arbeitsgruppen Verbesserungsvorschläge diskutiert. Im Einzelnen gliederte sich der gesamte Beratungsprozess in folgenden Teile: - Mitarbeiterversammlung als Auftakt- („Kick-off“-) Veranstaltung - Informationsrundgang von Mitarbeitern der Beratungsfirma - Ideenwerkstatt (offen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) - Strategieworkshop - Ideenwerkstatt Pilotbereich 1 (Buchbearbeitung) - Ideenwerkstatt Pilotbereich 2 (Benutzungsbereiche) - Führungskräfteworkshop Den Auftakt zu dem Beratungsprozess bildete eine Mitarbeiterversammlung, zu der alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Universitätsbibliothek eingeladen waren. Auf dieser Mitarbeiterversammlung stellte die Beratunsgfirma die Ziele des Prozesses vor und erläuterte ihr Beratungskonzept sowie den vorgesehenen Beratungsverlauf. Im direkten Anschluss an die Mitarbeiterversammlung verschafften sich die mit dem Beratungsprojekt betrauten Mitarbeiter der Firma bei einem Informationsrundgang durch die Bibliothek einen ersten vertieften Eindruck von den organisatorischen, sachlichen und personellen Voraussetzungen der Universitätsbibliothek. Während das ursprüngliche Beratungskonzept als nächste Stufe des Prozesses den Strategieworkshop vorgesehen hatte, bei dem vor allem eine Festlegung der Pilotbereiche erfolgen sollte, war ein Ergebnis der Mitarbeiterversammlung, dass feststellbar war, dass doch bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wunsch nach einer stärken Partizipation bestand. Dem wurde Rechnung getragen, indem eine für alle offene Ideenwerkstatt als zusätzliches Modul in den Prozess aufgenommen wurde. Im Strategieworkshop wurden dann zwei Pilotbereiche festgelegt, für die jeweils eine gesonderte Ideenwerkstatt durchgeführt wurde. Zusätzlich wurde mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des höheren Dienstes, also allen Fachreferentinnen und Fachreferenten, ein Führungskräfteworkshop durchgeführt. Um den Organisationsentwicklungsprozess zu steuern, Informationen über den Prozess auszutauschen und das weitere Vorgehen zu diskutieren, sah das Beratungskonzept einen sog. Steuerkreis vor. Während der ursprüngliche Auftrag an die Projektgruppe Organisationsentwicklungsprozess nur dahin ging, die Beratungsfirma auszuwählen, und es zunächst auch so aussah, als seien die Mitglieder der Projektgruppe froh, wenn sie diesen Auftrag erledigt hatten und die Projektgruppe sich auflösen konnte, zeigte sich dann jedoch im Verlauf des Auswahlprozesses, dass bei den Mitgliedern mit der wachsenden Kompetenz auch die Freude an der Aufgabe wuchs und dass eine Arbeit, die zunächst von einigen als eher lästige Pflicht betrachtet worden war, sich zu einem spannenden Unternehmen entwickelte. So bestand nach Auswahl der Beratungsfirma Konsens seitens der Mitglieder, den Prozess weiter zu begleiten. Die Dienstbesprechung verlängerte und erweiterte den Auftrag an die Projektgruppe dahingehend, dass die Projektgruppe den Kern des Steuerkreises bilden sollte. Dieser Kern wurde um leitende Beschäftigte aus den Pilotbereichen erweitert. Die Personalräte waren zur Teilnahme am Steuerkreis eingeladen, haben diese Möglichkeit jedoch fast gar nicht wahrgenommen. Die Ergebnisse der Ideenwerkstätten und der übrigen Workshops wurden von der Beratungsfirma dokumentiert. Die entsprechenden Protokolle wurden elektronisch veröffentlicht und standen so allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Bibliothek zur Einsicht zur Verfügung. 6. Kritische Punkte innerhalb des Beratungsprozesses In der Beratungsforschung ist herausgearbeitet worden, dass die Beratungseffizienz auch und gerade stark vom Klientensystem abhängt.11 Die Effizienz der Beratung hängt natürlich entscheidend von den Ressourcen ab, die auf Seiten des Klienten zur Verfügung gestellt werden. Eine der ganz wichtigen Ressourcen ist dabei das Geld, das überhaupt für die Beratung aufgewendet werden kann. Der Universitätsbibliothek stand für die Beratung eine – sich im mittleren Segment bewegende – fünfstellige Summe zur Verfügung. Dies ist für eine Beratung sicherlich ein relativ schmales Budget. Dieses schmale Budget hatte zur Folge, dass die Berater relativ wenig Zeit in der Bibliothek zubringen konnte, so dass es nicht wundert, dass bei den Empfehlungen, die am Schluss abgegeben wurden, eher auf bewährte Konzepte aus anderen Branchen zurückgegriffen wurde, als dass Vorschläge vorgelegt worden wären, die punktgenau die spezifische Situation der Universitätsbibliothek Dortmund berücksichtigt hätten. Wünschenswert wäre es auch gewesen, einige der Gruppen, die die Ideenwerkstätten und die Workshops 11 Vgl. etwa Hoffmann, Werner H.: Faktoren erfolgreicher Unternehmensberatung., Wiesbaden 1991, zugl. Wien, Wirtschaftsuniv., Diss., 1990, S. 302 – 307. bildeten, zu teilen, was aber aus Kostengründen nicht möglich war. Um deutlich zu machen, dass die Arbeit in den Ideenwerkstatt eigentlich losgelöst von der täglichen Arbeit vor sich gehen sollte, wäre es günstig gewesen, diese Gruppensitzung außerhalb der normalen Arbeitsatmosphäre – etwa in eigens dafür angemieteten Räumen – außerhalb der Bibliothek stattfinden zu lassen. Ein solcher Tagungsort wäre der Kreativität sicherlich förderlich gewesen, aber dies scheiterte an den Kosten. Ein heikler Punkt innerhalb eines solchen Beratungsprozesses ist zweifellos die Beteiligung der Personalvertretung. Unabhängig davon, ob schon die Hinzuziehung einer Beraterfirma bereits ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand ist – die Organisationsänderungen, die dadurch vorbereitet werden sollen, sind es selbstverständlich – ist es empfehlenswert, die Personalvertretung so früh wie möglich hinzuzuziehen, um Mißtrauen entgegenzuwirken. Ein weiterer heikler Punkt ist die Frage, wie das Verhältnis der eigentlichen Entscheidungsgremien der Bibliothek zum Beratungsprozess zu definieren ist. Wir haben in Dortmund entschieden, dass innerhalb des Beratungsprozesses selbst keine Entscheidungen getroffen werden sollten, sondern dass diese Entscheidungen – wie alle sonstigen Entscheidungen in der Bibliothek – in den dafür vorgesehenen Gremien, also vor allem auch in der Dienstbesprechung, erfolgen sollten. Hiermit wurde natürlich die Gefahr heraufbeschworen, dass neue Entwicklungen abgeblockt werden können. Die Bibliotheksleitung hat aber ohnehin die Möglichkeit, ihr wichtige Entscheidungen qua Erlass ohne allgemeinen Konsens umzusetzen. Einerseits konnten für den Steuerkreis und das Projekt Freiräume geschaffen werden, innerhalb derer dann auch unkonventionelle und provokative Ideen geboren und entwickelt werden können. Andererseits garantiert der Zwang, in den meisten Fällen einen Konsens herbeiführen zu müssen, aber auch, dass solche neuen Ideen in ihren Konsequenzen sorgfältig abgewogen werden. 8. Ergebnisse des Beratungsprozesses Das wichtigste Ergebnis des Beratungsprozesses ist ganz zweifellos, das der Organisationsentwicklungsprozess in der Universitätsbibliothek in Gang gekommen ist. Welcher Endzusstand mit ihm letztendlich erreicht wird, kann heute noch nicht vorausgesagt werden, eine Rückkehr zur alten Organisationsstruktur der Bibliothek ist aber wohl ausgeschlossen. Mit dem Steuerkreis ist innerhalb des Prozesses eine Gruppe herangewachsen und mit entsprechender Sachkompetenz ausgerüstet worden, die diesen Prozess begleiten kann. Der Steuerkreis hat u.a. mittlerweile eine Teamdefinition erarbeitet, in der nicht akademisch festgelegt ist, was ein Team sein soll, sondern was es in der Universitätsbibliothek für die Organisation, die Zusammensetzung und die Führung einer Gruppe bedeutet, wenn sie sich als Team versteht. Darüber hinaus ist Arbeit am integrierten Geschäftsgang intensiviert worden, vor allem ist innerhalb des Prozesses die Erkenntnis gewachsen, dass ein integrierter Geschäftsgang und vor allem das Modell, das diesem Geschäftsgang zugrunde gelegt wird, nicht eine Frage der eingesetzten Technik ist. Aus dem Führungskräfteworkshop ist bislang die Arbeit an einer Produkt- und Leistungsbeschreibung für die Universitätsbibliothek Dortmund hervorgegangen, die später einmal Grundlage für ein Controlling-System werden soll. 9. Fazit Hat sich die Beratung gelohnt? Die Beantwortung dieser Frage kann nur unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Universitätsbibliothek Dortmund als lernender Bibliothek erfolgen. Bereits bei der Auswahl der Beraterfirma stand daher die Hilfe zur Selbsthilfe und das Lernpotential des Verfahrens im Vordergrund. Nicht die konkreten Empfehlungen der Firma sind daher für die Frage nach der Bewertung des Beratungsprozesses von Bedeutung, sondern die Frage, ob durch den Beratungsprozess die Personal- und Organisationsentwicklung der Bibliothek positiv beeinflusst worden ist. Dies ist aber ganz zweifellos der Fall, denn - durch die Einschaltung der Beratungsfirma ist der Anfang des Organisationsentwicklungsprozesses ganz deutlich markiert worden und der Prozess selbst in Gang gekommen; - in der Beratungsphase erfolgte eine starke personelle und zeitmäßige Konzentration auf den Prozess und dieser beschleunigte sich; - durch den Prozess sind Kenntnisse erworben worden, die eine Begleitung des Prozesses aus eigener Kraft möglich machen.