Authors: Jackler, Guido
Title: Untersuchung der Struktur von Proteinadsorbaten an festen und fluiden Grenzflächen
Language (ISO): de
Abstract: Proteine, umgangssprachlich auch Eiweiße genannt, bestehen aus einer linearen Polypeptidkette aus bis zu 20 verschiedenen Aminosäuren. Sie sind nahezu an allen biologischen Prozessen beteiligt und bilden die Grundbausteinen aller Zellen. Ihre letztendlich spezielle funktionelle Eigenschaft resultiert aus ihrer dreidimensionalen Form. Steht eine Proteinlösung in Kontakt mit einer festen Oberfläche oder einer Oberfläche mit fluidem Charakter (Polyelektrolyt-Bürsten), adsorbieren Proteine spontan an der Flüssigkeit/Festkörper-Grenzfläche. Eine große Anzahl von Triebkräften wird für diesen Vorgang diskutiert. Hierzu zählen u. a. Konformationsänderungen des Proteins, elektrostatische Anziehungskräfte, van der Waals-Kräfte und das Modell der counterion release force. Zur Untersuchung der Adsorption der Proteine Hühnereiweiß-Lysozym, Staphylokokken-Nuclease (SNase), sowie Rinder-Serum-Albumin (BSA) auf Siliziumdioxid, Polyelektrolyt-Multischichten (PEM), planaren Polyelektrolyt-Bürsten (PEB) und fluiden sphärischen Polyelektrolyt-Bürsten (SPB) wurden die folgenden Messmethoden in dieser Arbeit angewendet: die Neutronenreflektometrie, die optische Reflektometrie und die CD-Spektroskopie. Adsorption von gelöstem Lysozym und SNase an einer Silizium/Wasser-Grenzfläche Sowohl Lysozym als auch SNase weisen positive Enthalpieänderungen bei ihrer Adsorption aus der Lösung auf oxidiertes Silizium auf. Entropische Kräfte müssen daher bei diesem Vorgang über enthalpische dominieren. Die Wechselwirkung zwischen dem Substrat und den Proteinmolekülen ist attraktiv auf Grund der ungleichnamigen Ladungen. Beide untersuchten Proteine besitzen bei einem pH-Wert von 7 eine positive Nettoladung; das Siliziumdioxid ist demgegenüber negativ geladen. Ein größerer H-Wert bei einer stärkeren Protein-Oberflächenbelegung wird durch eine größere Zahl an repulsiven Protein-Protein-Wechselwirkungen verursacht. Positive Entropieänderungen können zum einen in einer partiellen Dehydratisierung der hydrophoben Substrat- und Proteinoberflächen begründet sein. Zum anderen werden wahrscheinlich durch Protein-Substrat-Wechselwirkungen Lysozym- und SNase-Moleküle partiell entfaltet, so dass deren Konformationsentropie zunehmen sollte. Eine Temperaturerhöhung hat zur Folge, dass die native Proteinstruktur destabilisiert wird und adsorptions-induzierte Konformationsänderungen bevorzugt werden. Proteinadsorption an einer gleichnamig geladenen Polyelektrolyt-Bürste Die variable Proteinbindungskapazität einer planaren PAA-Bürste wurde mit Hilfe der Neutronenreflektometrie und theoretischer Überlegungen charakterisiert. Nachgewiesen werden konnte, dass bei niedriger Ionenstärke große Mengen negativ geladener BSA-Moleküle an einer gleichnamigen PAA-Bürste binden. Bei einer erhöhten Ionenstärke von 0,5 M konnte jedoch mit Hilfe der Neutronenreflektometrie eine Proteinresistenz der Oberfläche beobachtet werden. Diese experimentellen Nachweise entsprechen zuvor durchgeführten Studien an sphärischen PAA-Bürsten-Partikeln. Die Analyse der Neutronenreflektometriekurven zeigt, dass die BSA-Moleküle tief in die PAA-Bürste eindringen. Alle Experimente weisen darauf hin, dass direkte elektrostatische, van der Waals- und hydrophobe Wechselwirkungen nicht für die Proteinaffinität einer PAA-Bürste bei niedriger Ionenstärke verantwortlich sind. Ein einfaches mean field-Modell ist im Rahmen dieser Arbeit entwickelt worden, das den Gewinn von freier Energie durch Freisetzung von Gegenionen, wenn ein Protein-Molekül aus der Lösung in eine gleichnamiggeladene Polyelektrolyt-Bürste eindringt, voraussagt. Diese Gegenionen-„Verdampfung“ ist entropischer Natur und kann über abstoßend wirkende Coulomb-Energien dominieren, wie in dem BSA/PAA-System. Die experimentellen und theoretischen Ergebnisse dieser Studie legen somit eine neue fundamentale Triebkraft für die Proteinadsorption an Grenzflächen nahe. Die Änderung der Ionenstärke einer Proteinlösung im Bereich einiger 100 mM läßt die Struktur und Dynamik eines gelösten Proteinmoleküls unberührt. Das „Schalten“ der Proteinaffinität einer PAA-Bürste durch Änderung der Ionenstärke der Lösung ist wahrscheinlich unabhängig von dem untersuchten Protein, was den Einsatz einer PAA-Bürste in biotechnologischen Anwendung als sehr erfolgsversprechend erscheinen läßt. Zum einen scheint eine einfache und günstige Möglichkeit gegeben, Oberflächen in einem salzhaltigen Medium proteinresistent zu machen. Zum anderen ist die Verwendung als Wirkstoffträger oder Nanoreaktoren in Form von sphärischen Polyelektrolytbürsten denkbar, bei denen die Wirkstoffe (Enzyme) an der Polyelektrolytbürste zunächst immobilisiert und später durch Erhöhung des Salzgehaltes in ihrer Umgebung wieder freigesetzt werden. Besonders wichtig ist hierbei der Aspekt, dass Proteine nach der salzinduzierten Desorption aus der Polyelektrolyt-Bürste ihre Konformation und biologische Aktivität nahezu beibehalten. Adsorption von SNase an einer Polyelektrolyt-Multischicht Polyelektrolyt-Multischichten bieten ein neues Forschungsfeld für die Beschichtung von planaren und kolloiden Substraten. Ihre Herstellung ist einfach. Alternierender Kontakt eines geladenen Substrates mit positiven bzw. negativen Polyelektrolyten führt zu einer selbstanordnenden (self-assembled) Multischicht, die einzigartige Eigenschaften aufweist. Der schrittweise Aufbau eines dreidimensionalen Schichtensystems erlaubt den Einbau einer Vielzahl von Verbindungen und Partikeln, wie Proteinen, Nanopartikeln, Biopolymeren (DNA) und vielen anderen Stoffen. Zu den möglichen Anwendungsbereichen dieser planaren Schichtensysteme zählt der Gebrauch als Matrixmaterial für funktionalisierte oder biologische molekulare Funktionseinheiten, wie Biosensoren, Trennungsmembranen oder ähnliches. In dieser Arbeit wurde die räumliche Verteilung des Proteins SNase, das mit einer planaren Polyelektrolyt-Multischicht interagiert, mit Hilfe neutronenreflektometriescher Messungen bestimmt. Durchgeführt wurden die Messungen bei den Temperaturen 22 °C und 42 °C und bei zwei unterschiedlichen Nettoladungen des Proteins (isoelektrischer Punkt der SNase: 9,5), die durch Wahl des pD-Wertes zu 4,9 bzw. 7,5 erreicht wurde. Die Polyelektrolyt-Multischicht wurde auf einem Silizium-Wafer durch das Auftragen von Polyethylenimin (PEI), Polystyrolsulfonat (PSS) und Polyallylaminhydrochlorid (PAH) in der Reihenfolge Si-PEI-PSS-(PAH-PSS)5 hergestellt. Unter Kontrastvariation wurden für jede Bedingung von Temperatur und pD-Wert zwei unterschiedliche Reflektivitätskurven gemessen. Aus der Analyse der Reflektivitäts-Kurven konnte das Protein-Dichteprofil senkrecht zur Grenzfläche berechnet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die SNase teilweise in die Polyelektrolyt-Multischicht nach der Adsorption bei allen untersuchten Versuchsbedingungen eindringt. Die gemessenen Neutronenreflektivitäten stimmen mit einer Eindringtiefe von 50 Å bei einem pH-Wert von 4,9 und 25 Å bei 7,5 überein. Da SNase einen isoelektrischen Punkt von 9,5 hat, trägt das Protein bei beiden untersuchten pD-Werten eine positive Netto-Ladung und interagiert mit der äußeren letzten PSS-Schicht unter elektrostatisch anziehenden Kräften. Mit ansteigender Temperatur steigt die Menge an adsorbiertem Protein bei beiden pD-Werten an, was die Dominanz einer entropisch treibende Kraft anzeigt. Bei einem pD-Wert von 4,9, bei dem eine relativ hohe Proteinladung vorliegt, ist der temperaturinduzierte Massenanstieg der immobilisierten Proteinmoleküle stärker innerhalb der Polyelektrolytschicht ausgeprägt. Hingegen hat bei einem pD-Wert von 7,5, der näher am isoelektrischen Punkt der SNase liegt, die Erhöhung der Temperatur den Effekt, dass sich die Proteinmoleküle außerhalb der Polyelektrolyt-Multischicht an der Wassergrenzfläche anreichern. Daraus kann geschlossen werden, dass das Eindringen der SNase in eine Polyelektrolyt-Multischicht hauptsächlich auf einem Komplexierungs-mechanismus beruht aufgrund einer Entlassung von Gegenionen. Sphärische Polyelektrolyt-Bürsten als Trägerpartikel für Proteinen Sphärische Polyelektrolyt-Bürsten (SPB) sind eine neue und sehr interessante Art von Kolloid-Partikeln. Sie bestehen aus einem Polystyrolkern, auf dem lange Ketten aus Polyacrylsäure (PAA) oder Polystyrolsäure (PSS) verankert sind. Bei geringer Ionenstärke adsorbieren Proteine spontan auf diesen Partikeln. Eine ihrer besonderen Eigenschaften ist ihre Proteinresistenz bei moderaten Salzkonzentrationen. Daher ist es möglich, durch Erhöhung der Ionenstärke bereits adsorbiertes Protein wieder von den Polyelektrolytketten zu lösen. Dadurch, dass Enzyme auf den SPB geladen und wieder entlassen werden können, bietet sich in Zukunft eine mögliche Anwendung als Wirkstoffträger an. Desweiteren scheint eine mögliche Anwendung als Nanoreaktor, der das immobilisierte Enzym nach einer gewünschten Reaktion wieder aus den SPB entlassen kann, sehr erfolgsversprechend. Mit Hilfe der CD-Spektroskopie wurde in dieser Arbeit die Konformation eines Proteins, welches mit einer sphärischen Polyelektrolytbürste wechselwirkt, untersucht. Rinder-Serum-Albumin (BSA) wurde als Modellprotein gewählt. Es trägt bei neutralen pH-Werten aufgrund seines isoelektrischen Punktes von pH=5 eine negative Nettoladung und besteht in seiner Sekundärstruktur größtenteils aus α-Helices. Die Ergebnisse der CD-Messungen zeigen, dass BSA durch Wechselwirkung mit SPB, d.h. nach einem Adsorptions-Desorptions-Prozess, nur geringfügig seine Sekundärstruktur verändert. Dabei stehen die beobachteten Konformationsänderungen nicht in Zusammenhang mit denen, die in Lösung bei niedrigen pH-Werten gefunden werden. SPB erweisen sich somit als vielversprechende Trägerpartikel für Proteine, da sie eine schonende Proteinumgebung bereit stellen.
Subject Headings: Proteine
Grenzflächen
Adsorption
planare und sphärische Polyelektrolyt-Bürsten (PEB, SPB)
Polyelektrolyt-Multischichten (PEM)
Neutronenreflektometrie
Counterion Release Force
BSA
Lysozym
SNase
proteins
neutron reflectometry
surfaces
counterion release force
adsorption
polyelektrolyte brushes
polyelektrolyte multilayers
BSA
Lysozyme
SNase
URI: http://hdl.handle.net/2003/21520
http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-8323
Issue Date: 2005-07-14T08:56:44Z
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