Autor(en): Otte, Felix
Titel: Molekulare Halogenbrücken-Systeme: von starken zu schwachen Wechselwirkungen mit gebräuchlichen Aminen
Sprache (ISO): de
Zusammenfassung: Die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit wurden mit dem Ziel durchgeführt, die bestehende Diskussion über die elektronische Situation von Halogenbrücken voranzubringen und neben den klassischen Halogenbrücken-Donoren und -Akzeptoren eine Vielzahl von neuen Systemen zu evaluieren. Dafür wurde zunächst eine Fülle von Iod-haltigen XB Systemen weit über die klassische Röntgenstrukturanalyse hinaus untersucht und Einblicke auf dem Niveau der experimentellen Elektronendichtebestimmung gewonnen. Drei unterschiedliche Halogenbrücken-Addukte mit verschiedenen Stickstoff-Iod-Abständen konnten dabei eindrucksvoll zeigen, dass die Grundlage der Interaktion je nach Wechselwirkungsstärke variieren kann. Zum einen konnte das oftmals beschriebene σ Loch in unterschiedlich ausgeprägten Formen vorgefunden werden. Zum anderen konnte ebenfalls eine weitere Art der Wechselwirkung beschrieben werden, die auf eine „Koordinationsbindung“ hindeutet. Die darüber hinaus charakterisierten Halogenbrücken-Systeme liegen innerhalb eines großen Spektrums an N–I-Abständen und werden bezüglich der Natur von XBs weitere interessante Aussagen ermöglichen. Erste Informationen konnten dabei schon aus automatischen Multipolverfeinerungen mit dem Programmpaket MoPro erhalten werden, wobei diese Herangehensweise auf denselben Grundlagen basiert wie die durchgeführten Elektronendichtestudien. Neben den Untersuchungen im Festkörper sollten die experimentell erhaltenen Molekülstrukturen in der Gasphase korrekt beschrieben werden. Dazu wurden unterschiedliche Theorieniveaus verwendet, jedoch konnte bisher keine zufriedenstellende Übereinstimmung von Experiment und Theorie erreicht werden. Somit besteht hier weiterhin die Aufgabe, auf Basis der experimentellen Daten eine geeignete theoretische Methode zu evaluieren. In Ergänzung dazu zeigten Untersuchungen der Halogenbrücken-Systeme in Lösung vor allem für starke Wechselwirkungen eine mögliche Beschreibung durch viele verschiedene Experimente. Dabei konnten mittels 1D- und 2D-NMR-Messungen die stärkste untersuchte Halogenbrücke in Lösung beschrieben und thermodynamische Einblicke mittels Bindungstitrationen erhalten werden. Für schwächere Wechselwirkungen zeigte die Durchführung von 1D-NOESY-Messungen eine besondere Möglichkeit auf, um die räumliche Nähe von Molekülen in Lösung zu beschreiben. Die Integration der einzelnen NOE-Signale ermöglicht es dabei, neben einer Stickstoff-basierten Wechselwirkung (eventuell die beschriebene Halogenbrücke) weitere Interaktionen zu beschreiben, welche auch durch die Packung im Festkörper bestätigt werden konnten. Dieser Zusammenhang zwischen den beobachteten Wechselwirkungen in Lösung und im Festkörper wurde durch die geringe Stärke der Interaktionen begünstigt und ist in dieser Form kaum in der Literatur zu finden. Weitere spektroskopische Untersuchungen zeigten Bandenverschiebungen in IR- und Raman-Messungen für die Halogenbrücken-Addukte bezogen auf die eingesetzten Edukte, wodurch abermals eine Charakterisierung in Lösung erfolgen konnte. Die spezielle Messtechnik bei den IR-Untersuchungen – Durchführung in flüssigem Xenon – ermöglichte dabei den Ausschluss von Wechselwirkungen mit dem Lösungsmittel, wodurch in der Theorie auch schwache Halogenbrücken charakterisierbar sein sollten. Die temperaturabhängigen IR-Experimente ermöglichten zudem die Bestimmung von thermodynamischen Größen und der Interaktionsstärke der Halogenbrücke. Neben dem Schwerpunkt der Iod-haltigen Festkörperstrukturen wurden zudem unterschiedliche Kombinationen von Brom-basierten Halogenbrücken-Systemen im Festkörper charakterisiert. Dabei gelang es erstmals, mit Hilfe einer Silberröntgenquelle für ein Brom-haltiges XB-Addukt einen hochaufgelösten Datensatz aufzunehmen, der für nachfolgende Elektronendichtestudien geeignet erscheint. Durch Variation der XB-Donoren und XB-Akzeptoren konnte zudem eine Fülle von verschiedenen Strukturmotiven aufgebaut werden. Dabei wurden zunächst rein Stickstoff-basierte Halogenbrücken-Systeme untersucht, diese anschließend mit weiteren Donorzentren erweitert, bis am Ende mehrere Interaktionen ohne Stickstoff-Funktion beschrieben werden konnten. Grundlage vieler Untersuchungen waren hier sp3-hybridisierte Bromverbindungen, die in dieser Kombination in der Literatur kaum Verwendung finden, da Substitutionsreaktionen auftreten können. Diese Verbindungsklasse konnte durch spezielle Cryo-Techniken neu erschlossen und dadurch ein neuartiger Typ von Halogenbrücken-Systemen aufgezeigt werden. Die Verwendung von Hirshfeld-Oberflächen zeigte sich zudem als nützliches Werkzeug, um Festkörperstrukturen auf weitere schwache, strukturgebende Wechselwirkungen zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass gängige Chemikalien, wie Diethylether oder Iodbenzol, Halogenbrücken ausbilden und damit die Beteiligung von Halogenbrücken an einfachen chemischen Reaktionen überdacht werden muss.
Schlagwörter: Halogenbrücken
Wechselwirkungen
Röntgenstrukturanalysen
Elektronendichtestudien
NMR-Untersuchungen
Schlagwörter (RSWK): Halogene
Halogenbrücke
URI: http://hdl.handle.net/2003/40036
http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-21917
Erscheinungsdatum: 2020
Enthalten in den Sammlungen:Lehrstühle für Anorganische Chemie

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