Internet für Bibliotheksmitarbeiter/-innen:

Barbara Jedwabski:

Internet für Bibliotheksmitarbeiter/-innen

Erfahrungen aus der Universitätsbibliothek Dormund

Vortrag, gehalten auf dem 85. Deutschen Bibliothekartag in Göttingen
am 8.6.1995


Inhalt:

  1. Die Situation in der Universitätsbibliothek Dortmund
  2. Die AG Internet
  3. Fortbildungsveranstaltungen zum Internet
  4. Erfahrungen mit dem Internet

Teil 1: Die Situation in der Universitätsbibliothek Dortmund

Hardware-Ausstattung

Die Universitätsbibliothek Dortmund hat ein eigenes Netz, das den Benutzern und Mitarbeitern zur Verfügung steht. Zur Zeit haben wir 5 Server und ca. 100 Pcs, die angeschlossen sind. Ein Teil des Netzes ist für das Informationszentrum Technik und Patente. Mit dem Ausbau des Universitätsbibliothek-Netzes auf die 16 dezentralen Bereichsbibliotheken ist begonnen worden. Für Hochschulangehörige existieren 3 Zugänge für Recherchen. Der Zugang von außen ist im Aufbau.

Software-Ausstattung

Es handelt sich um ein Novell-Netz, das zunächst für CD-ROM-Datenbank-Recherchen aufgebaut wurde. Das Programm CD-MANAGER ist dafür eingesetzt. Zusätzlich zu den CD-ROM-Datenbanken sind eine Reihe von weiteren Programmen in den Manager eingebaut, die auf einer eigenen Ebene für Mitarbeiter/-innen zur Verfügung stehen. Die wichtigsten sind:

Neben den Möglichkeiten im MANAGER steht WINDOWS mit entsprechenden Anwendungen zur Verfügung:

Örtliche Besonderheiten

Hier ist in zu erwähnen, daá durch die dezentralen Standorte der 16 Bereichsbibliotheken für die Planung der EDV spezifische Probleme auftreten. Mit der Verkabelung der Bereichsbibliotheken durch das Hochschulrechenzentrum ist gerade begonnen worden.

Teil 2: Die AG Internet

Im April 1994 wurde eine AG Internet ins Leben gerufen, die sich mit dem neuen Phänomen Internet beschäftigen sollte. Ausgelöst wurde dies übrigens durch den Artikel von Osswald und Koch: Internet und Bibliotheken - Ein einführender Überblick, in ZfBB, H. 1, 1994. Der Artikel wurde in einer eigens dafür einberufenen Sitzung im März d.J. von den Fachreferentinnen und Fachreferenten und weiteren interessierten Kolleginnen und Kollegen diskutiert. Das Fazit zum damaligen Zeitpunkt war - da sage ich sicher nichts Besonderes - eine Mischung aus Interesse, Neugier und Abneigung und Entsetzen. Jedenfalls wurde beschlossen, eine AG einzurichten, die das Chaos lichten sollte und genauer erkunden sollte, was denn die Universitätsbibliothek Dortmund mit dem Internet eigentlich anfangen könnte.

Die Arbeitsgruppe tagte mit Pausen ca. 14 täglich. Sie besteht aus insgesamt 6 Personen:

Die AG gab sich ein Arbeitsprogramm: In einer Zwischenbilanz Ende 1994 wurde festgestellt: (Ich fasse hier stark zusammen) Für Benutzer ist es z.Zt. schwierig (Zugangsbeschränkung durch das HRZ, Kosten), WAS sollen wir zur Verfügung stellen? (Informationsüberfluss mit Tendenz zum "Chaos", uneinheitliche Oberflächen). Für Beschäftigte müssen wir vertiefte Kenntnisse vermitteln, zumindest Fragen der Benutzer sollten beantwortet werden können. Aktive Teilnahme erfolgte durch die Einrichtung eines Gopher der Universitätsbibliothek, der UniversitätsbibliothekOK (Katalog der Universitätsbibliothek) wurde über Telnet zur Verfügung gestellt, die Diskussionsliste INETBIB wurde eingerichtet, nachdem erste Erfahrungen mit der Liste CDLAN vorlagen.. Die Fachreferate sollten versuchen, fachspezifische Informationen aller Art aus dem Internet "herauszufischen", sich zu erschließen und zur Verfügung zu stellen. Als Denkanstöáe wurden diskutiert: Vereinheitlichung von Einträgen und Oberflächen, Professionalisierung von Info-diensten (z.T. durch Diskussionslisten abgedeckt), Verbesserung von Lieferdiensten für gefundene Informationen aller Art, Erweiterung des Geschäftsgangs um die Internetmöglichkeiten einschl. entsprechender Fortbildungsmaßnahmen.

Teil 3: Fortbildungsveranstaltungen zum Internet

"Bevor man über etwas berichtet, sollte man vielleicht wissen, um was es sich dabei handelt." Getreu diesem Motto wurde zunächst einmal innerhalb der Gruppe eifrig eigene Fortbildung betrieben. Sehr hilfreich waren dabei die ADV-Menschen, die sich mit den technischen Möglichkeiten am besten auskannten. Als aber dann die beteiligten Bibliothekare/-innen so einigermaßen kapiert hatten, worum es ging und wie was ging, entwickelte sich eine fruchtbare Diskussion um die konkret nützlichen Seiten des vielgeschmähten Chaos namens Internet. Eine der ersten Maßnahmen war dann folgerichtig, für alle Mitarbeiter/-innen der Universitätsbibliothek Fortbildungsveranstaltungen zu organisieren, damit die Diskussion nicht auf die AG beschränkt bleibt.

Dazu wurde folgendes Programm angeboten:


Universitätsbibliothek Dortmund
Fort- und Weiterbildung
Programm der Veranstaltungsreihe INTERNET
  1. Peter Klau: Internet - schon wieder was Neues?
    Überblick: Was ist das eigentlich?
    Hat die Universitätsbibliothek das auch?
    Kann man es dort benutzen?
    Was kann man damit machen?
    Welche Hilfsmittel gibt es?
    Wer kennt sich in der Universitätsbibliothek damit aus?
    Vortrag und PC-Vorführung mit Übertragung auf Leinwand für a l l e.

  2. Peter Klau: Internet.
    Grundkenntnisse: Enstehungsgeschichte, Technik, Struktur, Werkzeuge, Handhabung.
    Vertiefender Vortrag und PC-Vorführung mit Übertragung auf Leinwand füer Interessierte.

  3. Dr. Klaus Döhmer: Bibliographische Recherchen im Internet.
    Über "Telnet" in die Library of Congress (LOCIS), den Niederländischen Verbund (NL), das Oxford Library System (OLIS) usw....
    Internet-Workshop für Interessierte

  4. Kurt Schröder: Mit "Mosaic" kreuz und quer durch die Welt.
    Informationssuche im Internet mit Hilfe von MOSAIC.
    Internet-Workshop für Interessierte

  5. Peter Klau: "Gophern" im Internet - das neue Zauberwort!
    Informationssuche im Internet über GOPHER.
    Internet-Workshop für Interessierte

  6. Peter Klau: Dateiversand per Internet.
    FTP als Hilfsmittel im Internet.
    Internet-Workshop für Interessierte

An den Veranstaltungen beteiligten sich :

Eine weitere Veranstaltungsreihe wurde jetzt kürzlich angeboten:

Hier wurde sowohl MOSAIC wie auch NETSCAPE verwendet. Dieses Angebot wurde notwendig, um das Projekt eines WWW-Servers der Universitätsbibliothek, der den Gopher ablösen soll, zu verwirklichen und auch hier wiederum die Diskussion möglichst zu erweitern auf alle zukünftig betroffenen und weitere interessierte Mitarbeiter/-innen.
An diesen Veranstaltungen beteiligten sich insgesamt weitere 14 Personen.

Teil 4: Erfahrungen mit dem Internet

Wenn ich im Folgenden über die Erfahrungen mit dem Internet aus Mitarbeiter/-innen-Sicht berichte, so fasse ich zusammen, was sich aus dem bisher Geschilderten als Folgen ergab und was in einer direkt vor diesem Kongreß gemachten Umfrage von den Mitarbeiter/-innen berichtet worden ist. (Hinweis: die Umfrage wurde bewußt nur per E-Mail verschickt, um diejenigen zu erreichen, die inzwischen damit selbstverständlich umgehen. Von den ca. 60 Mitarbeiter/-innen haben ca. 50 % geantwortet, ein hoher Rücklauf relativ gesehen.)

Die erste Folge der Fortbildungsveranstaltungen war, daß Forderungen nach gezieltem Zugang zu bibliographischen Hilfsmitteln im Internet aufkamen. Als Schnellösung wurden die oben schon erwähnten Internet-Zugänge über Telnet in den CD-Manager eingebaut. Weitere Zugänge sollen systematisch von der AG Internet geprüft und mit Kurzanleitung zur Verfügung gestellt werden. Zur Zeit existieren die Zugänge zu LOCIS, BIBOS, VK, OPAC Wuppertal und OPAC Bielefeld. Darüberhinaus ein Gopher-Ausgang und ein Menuepunkt für FTP.

Betrachtet man die Ergebnisse der Umfrage zur Benutzung dieser Möglichkeiten durch die Mitarbeiter/-innen, so stellt man fest, daß die Telnet-Zugänge überwiegend nicht genutzt werden. Dies mag erstaunen, sieht es doch so aus, als wäre unsere Arbeit da umsonst gewesen. Hier muß man allerdings wissen, daß diejenigen, die diese Zugänge nutzen, sie auch täglich und viel nutzen, also wirklich routinemäßig, um bibliographische Recherchen zu erledigen. Ein wichtiges konkretes Ergebnis.

Am Rande sei erwähnt, daß das "Stöbern" in anderen erst vorläufig in einem Noticeboard zur Verfügung gestellten Internet-Zugängen (OPACs und Verbünde u.ä.) von etwas mehr als der Hälfte genutzt werden. Bibliothekarisches Interesse daran, wie es die anderen machen! Schon in der Umfrage zur Fortbildung, die vor einiger Zeit die Kommission Ausbildung und Beruf des VdDB durchgeführt hat, war ja der Besuch anderer Bibliotheken die Nr. 1 auf der Hitliste der Fortbildungswünsche. Jetzt spaziert man eben durchs Internet zu den Kollegen/-innen in anderen Bibliotheken!

Auch Gopher und WWW scheinen z.Zt. gern genutzte Instrumente zu sein, um "mal zu stöbern", sich zu informieren und damit sicherer zu fühlen (ca. 50 % ja, ca. 50 % nein). Und die Nachfrage nach NETSCAPE ist nach den Schnupperkursen enorm gestiegen, die EDV-Leute kommen mit dem Installieren kaum nach. Hier besteht für die nahe Zukunft weiterer Fortbildungsbedarf.

Konkret wird es wieder beim elektronischen Mailen: als hausinternes Kommunikationsmittel wird es ganz überwiegend stark genutzt und auch nach "draußen" wagt man sich inzwischen gerne schon mal. Dabei handelt es sich meist um Anfragen im Rahmen aller möglichen Bestellvorgänge und dient dem Austausch von fachlichen Fragen der unterschiedlichsten Art, insbesondere auch im Bereich der Fachreferate. Beispiele: Faxen mit Pmail statt Bestellungen per Brief; Anfordern von grauer Literatur direkt beim Institut in den USA usw.

Aber schon bei den (bibliothekarischen) Diskussionslisten (wie INETBIB, LIB-L, JASONNRW) wird wieder Zurückhaltung geübt: es sind zwar 10 Personen bei solchen Listen eingetragen, aber die meisten sagen, daß sie "da nur so zugucken" oder "sich ab und zu mal beteiligen". Dies sagt aber wiederum nichts über die Beliebtheit solcher Listen aus, sie werden von den meisten mit "interessant" und "nützlich" bewertet, aber auch von einigen als "Zeitverschwendung", "zeitaufwendig" und "überflüssig" gebrandmarkt! Ein Spiegelbild der Diskussionen, die in solchen Listen geführt werden: was ist nützlich in der Liste, was ist es nicht?

Auf die Frage nach der Teilnahme an der sog. ROADMAP-Internet-Schulung im Internet haben fast alle geantwortet, daß sie sich daran nicht beteiligt haben, obwohl sie direkt in einem Notice-Board in Pmail zur Verfügung gestellt wurde. Die wenigen, die teilgenommen haben, geben als Einschätzung an, daß es zu aufwendig war, man letztlich doch auf die Papierfassung zurückgegriffen hat und das Ganze zu allgemein war und auf die Dortmunder Situation hätte zugeschnitten werden sollen. Ein interessantes Ergebnis aus Fortbildungssicht! Es bestätigt, daß zu anonymes und abstraktes Lernen fast überwiegend nicht geschätzt wird. Hier sollten neue Ansätze gefunden werden.

Die Gesamteinschatzung der Kollegen/-innen zeigt, daßdie Ünerwiegende Anzahl meint, "sie blicke internetmäig nur teilweise durch" - eine erfreulich ehrliche Antwort, die uns deutlich macht, daß der Teufel wie immer im Detail steckt und daß das geschmähte, aber auch geliebte Internet-Chaos sich der sicheren Beherrschung durch penible Bibliothekare/-innen zur Zeit noch gern (wahrscheinlich mit einem Smilie!) entzieht. Ich denke, daß diese Verallgemeinerung der Dortmunder Erfahrungen erlaUnt ist, denn wir sind in Dortmund nicht schlauer und auch nicht dummer als alle anderen.

Allerdings scheint eine erfrischende Neugier auf Neues bei uns geweckt worden zu sein, denn in der abschließenden Frage zur Einschatzung auf die eigene Arbeit sagen die meisten Unereinstimmend aus, daß das Internet

Gerade letzteres zeigt wiederum, welcher Fortbildungsbedarf hier noch herrscht, denn die häufigsten Gründe dafür sind: "unbekannte Handhabungsweisen wie Befehle und Retrievalsprache" und die "Unübersichtlichkeit".

In gleichem Atemzug werden aber auch die "Antwortzeiten" bemängelt und das "Nichtfunktionieren von Zugängen" beklagt - Hinweise auf heute noch unzulängliche technische Realitäten.


Als Anwendungen wurden zum jetzigen Zeitpunkt folgende Bereiche genannt:


Daß ein Interesse am weiteren gezielten Einsatz von Internet-Möglichkeiten besteht, zeigen einige Wünsche, die am Schluß der Umfrage geäußert werden konnten:

Betrachtet man diesen Meinungsauschnitt aus einer wissenschaftlichen Bibliothek, so lassen sich sicher einige Fragen daraus ableiten, von denen ich hier nur drei zum Schluß nennen möchte:

  1. Das Internet eröffnet sicher ungeahnte Möglichkeiten:
    aber wie kommen "ordentliche" Bibliothekare/-innen damit klar?
    Wo und was müssen / sollten / dürfen wir "normieren".

  2. Sind unsere Informationsbeschaffungswege bald völlig veraltet?
    Welcher Benutzer glaubt uns demnächst noch, daß wir etwas nicht direkt aus Übersee oder sonstwo "über Kabel" holen können?

  3. Sind Bibliotheken bald überflüssig, weil Benutzer sich ihre Dokumente selbst besorgen?
    Oder wird sich die "ordnende und hilfreiche Hand des Bibliothekars" demnächst auch mal verwandeln in das Klick-Händchen aus Hypertext-Dokumenten?
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Barbara.Jedwabski@ub.uni-dortmund.de