Eybe, Holger2004-12-062004-12-0620002000-05-12http://hdl.handle.net/2003/246310.17877/DE290R-1122Forschungsmethoden sind in der Chemiedidaktik ein wichtiges Thema. Forschungsergebnisse können besonders überzeugend sein, wenn mit Blick auf die Methode nachvollziehbar ist, wie diese Ergebnisse zustande gekommen sind. Seit vielen Jahren sind am Lehrstuhl für Chemiedidaktik von Prof. Dr. Hans-Jürgen Schmidt Gespräche mit Schülergruppen geführt und auf Video aufgezeichnet worden. Ergebnisse aus schriftlichen Erhebungen, bei denen Testaufgaben von großen Schülerkollektiven bearbeitet wurden, sind in Gruppengesprächen über einige dieser Testaufgaben validiert worden. Es entstand die Idee, ein systematisches Gruppendiskussionsverfahren zur Erforschung von Schülervorstellungen zu entwickeln. Aus den kognitiven Lerntheorien kann man schließen, daß individuelle Vorstellungen anders beschaffen sind als wissenschaftliche Vorstellungen. Lernen wird als aktiver Prozeß beschrieben, der bei jedem Individuum zu unterschiedlichen kognitiven Strukturen führen kann. Diese Strukturen können mit wissenschaftlichen Begriffen unvereinbar sein. Die möglichen Lernschwierigkeiten, die daraus entstehen können, sind ein Grund, in der chemiedidaktischen Forschung Schülervorstellungen zu untersuchen. Das Ziel ist, im Unterricht besser auf die Schüler eingehen zu können. Schülervorstellungen werden in der naturwissenschaftsdidaktischen Forschung mit einer Vielzahl von Methoden untersucht. Qualitative Ansätze, bei denen eine Annäherung an Forschungssubjekte angestrebt wird, sind bei der Erforschung individueller Vorstellungen verbreitet. Durch Beschreibung und Interpretation sollen auf einem systematischen, nachvollziehbaren Weg Forschungsergebnisse erzielt werden, die argumentativ verallgemeinert werden können. Durch das Zusammenspiel verschiedener Methoden kann dabei die Validität der Ergebnisse erhöht werden. Bei diesem Forschungsprozeß wirken Forscher und Beforschte in unterschiedlichster Weise aufeinander ein. Es können Interessenskonflikte und nachteilige Konsequenzen für alle Beteiligten entstehen. Da der Forscher für sein Handeln verantwortlich ist, müssen ethische Aspekte bei allen Entscheidungen, die den Forschungsprozeß betreffen, berücksichtigt werden. Im Unterricht trifft man auf die Vorstellungen von Schülergruppen. Eine Gruppendiskussionsmethode, mit der Schülervorstellungen zu chemischen Grundbegriffen bei Schülergruppen untersucht werden können, ist bislang in der Chemiedidaktik-Forschung nicht erprobt worden. Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer Methode zur Untersuchung von Schülervorstellungen bei Diskussionen im Klassen- bzw. Kursverband. Die Gruppendiskussionsmethode sollte folgende Eigenschaften haben: 1. Der Einfluß des Forschers soll möglichst gering sein. 2. Das Gespräch soll sich auf ein Thema der Chemie konzentrieren. 3. Das Gespräch soll sich auf chemische Grundbegriffe konzentrieren. 4. Die Schüler sollen möglichst frei darüber entscheiden können, welche Aspekte eines Themas sie für diskussionswürdig halten und auf welche Art sie diese diskutieren möchten. 5. Die Diskussion soll für alle Beteiligten von Nutzen sein. 6. Das Gruppendiskussionsverfahren soll Daten liefern, die sich mit Blick auf die Unterrichtspraxis analysieren lassen. Die Gruppendiskussionsmethode wurde in einem zyklischen Prozeß entwickelt, bei dem sich die Planung und Durchführung von Gruppen-gesprächen mit Phasen der Reflexion abwechselte. Gruppendiskussionen zu drei verschiedenen Themen wurden mit Chemie-Grund- und Leistungskursen durchgeführt. Sechs Chemiekurse und drei Gruppen von Lehramtsstudenten nahmen teil. Die Gruppengröße lag im Schnitt bei etwa 15 Teilnehmern. Die Chemiekurse wurden über Lehrer, die bereits Interesse an der Teilnahme an Forschung gezeigt hatten (z.B. bei früheren Besuchen der Uni) zu einem Besuch des Fachbereichs Chemie eingeladen. Je nach Thema wurden 45 oder 90 Minuten für die Diskussion veranschlagt. Die Gespräche fanden im Mediendidaktischen Zentrum (MDZ) der Universität Dortmund statt. Dort entstanden Video-Mitschnitte der Diskussionen, die dann für die spätere Analyse kopiert wurden. Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine Reihe von Prinzipien zur Durchführung von Gruppendiskussionen. Diese betreffen vor allem die Struktur der Diskussionen, die Rolle des Moderators, die Entwicklung von Aufgaben, die den Teilnehmern als Anlaß zur Diskussion präsentiert wurden, und die Analyse der anfallenden Daten. Diese Prinzipien werden an konkreten Beispielen aus den Gesprächen illustriert. Daneben werden Aufgaben vorgestellt, die in Schülergruppen eingesetzt worden sind. Anhand einer exemplarischen Studie zum Thema "Schülervorstellungen zum chemischen Gleichgewicht" wurde gezeigt, wie Forschungsergebnisse beschaffen sein können, die mit Gruppendiskussionen erzielt wurden. Auch die ethischen Fragen, die sich bei der Durchführung der Gespräche stellten, wurden angesprochen. Die Validität und die Verallgemeinerbarkeit der Prinzipien wurden diskutiert. In Teamgesprächen fand eine kommunikative Validierung der Prinzipien statt. Die Prinzipien können als situationsbezogene, argumentativ begründete Regeln verstanden werden. Die Entscheidung über die Übertragbarkeit auf neue Situationen muß vom Anwender getroffen werden. Die in dieser Arbeit dargelegten Argumente sollen eine fundierte Entscheidung ermöglichen. Wie jedes Verfahren hat die Gruppendiskussionsmethode ihre Grenzen. Z.B. können keine gesicherten Aussagen über die Vorstellungen Einzelner gemacht werden. Als Grundannahme dieser Arbeit galt von vornherein, daß die Gruppendiskussionsmethode nur als eines von mehreren Verfahren zur umfassenden Erforschung von Schülervorstellungen beitragen kann. Es wurden Möglichkeiten diskutiert, Gruppendiskussionen in der Forschung einzusetzen. Neue Themengebiete und Schüler anderer Altersgruppen könnten untersucht werden. Eine direkte Übertragung der Methode in den Chemieunterricht wäre nicht sinnvoll. Lehramtsstudenten könnten von der Erfahrung mit Schülern profitieren, die man beim Durchführen von Gruppengesprächen gewinnt. Die Ergebnisse können dazu beitragen, die Schüler als Subjekte besserdeUniversität DortmundChemiedidaktikForschungsmethodenQualitative ForschungsmethodenGruppendiskussionMethodenentwicklungSchülervorstellungen540Die Gruppendiskussion als Forschungsmethode in der Chemiedidaktikdoctoral thesis