Osterhage, Tanja2018-12-032018-12-032018http://hdl.handle.net/2003/3782010.17877/DE290R-19815Die Bundesregierung hat in vielen Bereichen wichtige Weichen für die Energiewende gestellt. Die entsprechenden Gesetze und Verordnungen sind in den letzten zwei Jahren auf den Weg gebracht worden, um den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Netzausbau, den Bau hocheffizienter fossiler Kraftwerke, die Energieeffizienz und Energie-forschung weiter voranzubringen. Aktuelle Zahlen belegen, dass die Ziele zur Erreichung der Energiewende und den damit verbundenen Energie- und CO2-Einsparungen nur mit zusätzlichen Anstrengungen zu erreichen sind (BMWi 2016). Die Stromwende schreitet gut voran; aber die Wärmewende ist noch nicht in Schwung gekommen. Für den Gebäudesektor liegt dies zum einen an der geringen Neubau- und Sanierungsquote sowie zum anderen an der häufig auftretenden Performancelücke. Welche Gründe dazu führen, dass sich die im Vorfeld einer Baumaßnahme ermittelten Bedarfswerte im Betrieb nicht immer einstellen, dieser Frage geht diese Arbeit nach. Die Datenbasis bilden die Ergebnisse zweier Forschungsprojekte in Karlsruhe-Rintheim. Hier wurden drei Gebäuderiegel, welche in den 1950er Jahren erbaut wurden, baukonstruktiv und anlagentechnisch ertüchtigt. Jeder dieser Gebäuderiegel verfügt über drei Eingänge mit jeweils zehn identisch geschnittenen Wohnungen auf fünf Etagen. Somit konnten letztendlich sieben unterschiedliche Sanierungskonzepte umgesetzt werden. Auf Basis einer detaillierten Messdatenanalyse aus zwei Heizperioden werden die nutzerspezifischen Verhaltensweisen herausgearbeitet, die sich nach verschiedenen energetischen Sanierungen in zwei der drei Wohngebäuderiegeln eingestellt haben. Die Analyse der Messdaten hat gezeigt, dass im Gegensatz zur Nutzung der unsanierten Wohnungen tendenziell eine Vergleichmäßigung der Temperaturen innerhalb der Wohnungen vorliegt, und einzelne Räume nicht ausgespart werden. Die vom Nutzer gewünschte Innenraumtemperatur liegt nicht im Bereich der normativen Vorgaben von 19/20 °C, sondern darüber, im Mittel bei 22 °C. Eine Erhöhung der Bilanztemperatur um lediglich 1 K führt zu einem Anstieg des rechnerischen Heizwärmebedarfs von bis zu 16 % je nach Sanierungsvariante. Die internen Gewinne werden erheblich durch die heutige Lebensweise und -form beeinflusst. Aufgrund des demographischen Wandels ist der Wohnflächenverbrauch pro Person gestiegen, gleichzeitig ist auch eine Zunahme an elektrischen Geräten in den Wohnungen zu verzeichnen. Zu beachten ist jedoch, dass die moderneren Geräte deutlich weniger Wärmeentwicklung aufweisen als früher. Im Durchschnitt wurde für die im Betrachtungsgebiet vorzufindende Bevölkerungsstruktur ein Ansatz von 8,9 W/m² - im Vergleich zu 5 W/m² nach Norm - für die internen Gewinne ermittelt. Das Lüftungsverhalten hängt individuell vom Nutzer ab. Trotz Vorhandensein einer maschinellen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) oder Zwangslüftungselement im Fensterrahmen wird das Fenster vom Nutzer zum Lüften geöffnet. Als Gründe wird bspw. schlechte Luft oder hohe Luftfeuchte angegeben. Die Analyse hat gezeigt, dass dies durch die vorhandenen Messdaten nicht bestätigt werden kann. Allen Nutzern gemeinsam ist, dass bei geringeren Außentemperaturen kleiner 0 °C die Fenster kürzer geöffnet werden als bei Temperaturen größer 0 °C. Das Vorhandensein einer Lüftungsanlage führt nicht unweigerlich zu einem anderen Lüftungsverhalten. Im Zuge der Messdatenanalyse wurden manuelle Fensterluftwechsel im Bereich zwischen 0,19 und 0,44 h-1 ermittelt. Hinzu kommen je nach Sanierungsvariante der Luftwechsel der Lüftungsanlage sowie ggfs. auftretende Leckageströme durch Undichtigkeiten. Dies bedeutet bspw. für eine Sanierungsvariante mit Zwangslüftung (0,44 h-1) eine näherungsweise Übereinstimmung mit dem normativen Ansatz von 0,55 h-1. Mit wachsendem Lebensstandard ist der Wasserverbrauch in den letzten Jahren gestiegen. Für den Bedarf an Trinkwarmwasser können pro Person und Tag rund 40 Liter angesetzt werden; der tatsächliche Verbrauch hängt allerdings stark von den Nutzergewohnheiten ab. Nach Energieeinsparverordnung (EnEV) ist ein Wert von 12,5 kWh/(m²a) für die Berechnung des Trinkwarmwasser-Energiebedarfs anzusetzen. In energieeffizienten Gebäuden kann der Energiebedarf für die Warmwasserbereitung sogar größer sein als der für die Beheizung. Die Auswertung der Messdaten hat gezeigt, dass für die verschiedenen Systeme deutliche Speicher- und Verteilverluste vorhanden sind. Die Messdaten der dezentralen Systeme geben Aufschluss darüber, dass für einen Eingang mit zehn Wohnungen ein jährlicher Verbrauch von 12,0 bis 12,5 kWh/(m²a), also im Rahmen der EnEV, vorliegt. Zwischen einzelnen Nutzern einer Sanierungsvariante sind jedoch deutliche Unterschiede festzustellen. Eine erneute EnEV-Berechnung ergibt unter Berücksichtigung der individuell, aus der Messdatenanalyse ermittelten Parameter, eine breite Varianz in der Streuung der Bedarfswerte. Die Gegenüberstellung mit den witterungsbereinigten Verbrauchswerten zeigt für die meisten Sanierungsvarianten eine Unterschätzung des Bedarfs. Allerdings sind auch Parametervariationen vorzufinden, die die Verbrauchswerte der jeweiligen Jahre einhalten bzw. in deren Bereich liegen. Durch die gewonnenen Ergebnisse können die Aussagen bereits vorliegender Analysen (bspw. Felsmann und Schmidt 2013; Richter et al. 2002) bekräftigt werden. Das individuelle Nutzerverhalten muss unweigerlich zu einer Abweichung zwischen Heizwärmebedarfs- und Verbrauchswerten führen. Ob eine Anpassung der Parameter in der Normung für die Bilanzinnentemperatur, die internen Gewinne oder den Luftwechsel zielführend sein kann, wird in der vorliegenden Arbeit diskutiert, kann aber aufgrund der geringen Stichprobenmenge nicht final beantwortet werden. Abschließend werden zum einen Vorschläge zur Bewusstmachung des Energieverbrauchsverhaltens sowie weitergehende technische Möglichkeiten zur Regelung der Bedarfsparameter und zum anderen mögliche Anforderungen an eine umfassende Energieberatung aufgezeigt.The federal German government has set the course for an energy transition in various important areas. Many laws and ordinances have been developed and passed over the last two years, further supporting the expansion of renewable energies and power grids, motivating the construction of highly efficient fossil power plants and driving improvements in energy efficiency and energy research. However, current studies show that the targets for the energy transition and the related reduction of energy consumption and CO2 emissions still require additional efforts (BMWi 2016). The decarbonisation of electricity generation is progressing well; however, a transformation of the “Wärmewende” has hardly yet begun. For the building sector, this is due to the low new construction and refurbishment rates, which are often driven by the frequently occurring performance gap. Why do the expected heat demand values calculated prior to constructions diverge from the actual consumption during the operation of the building? The database rest on the results of two research projects in Karlsruhe-Rintheim. Here, three building blocks, which were built in the 1950s, were upgraded in terms of construction and system engineering. Each of these building blocks has three entrances, each with ten identical apartments on five floors. Thus, seven different refurbishment concepts were finally implemented. This work approaches that question with a detailed measurement data analysis based on two heating periods and six different residential buildings, evaluating the user behavior that has been observed after the energetic refurbishment of these buildings. The data analysis reveals that in contrast to non-renovated apartments with typically different temperatures in individual rooms, there is now a tendency towards equalized temperatures throughout the whole flat. The room temperature favored by the residents is on average 22 °C and thus out of the standardized range of 19 to 20 °C. This difference in interior temperatures leads to an increase of the heating demand by up to 16 %. The internal heat gains are strongly influenced by today's way of life. Due to the demographic change, the floor space consumption per person has risen. At the same time, there is also an increase of electrical appliances in dwellings, with in turn decreasing heat emissions of modern devices. On average, 8.9 W/m² of internal heat gains have been calculated for the population structure in the observed survey area. The ventilation behavior depends on the individual user. Despite of the presence of a mechanical ventilation system with heat recovery or a forced ventilation, the windows are opened by the user for ventilation purposes. The stated reasons are, for example, poor air quality or high humidity. However, the analysis of the measurement data shows that actually this is only extremely rarely the case. It is common to all users that the windows are opened shorter at temperatures below 0 °C, than at temperatures above 0 °C. The presence of a ventilation system does not inevitably lead to a different ventilation behavior. In the course of the measurement data analysis window based air exchange rates in the range between 0.19 and 0.45 h-1 were determined. Together with the air exchange rates of the installed ventilation systems the refurbishment with the forced ventilation reach the standardized air exchange requirement of 0.55 h-1. With the rising living standards also the water consumption increased in recent years. As for the domestic hot water consumption (DHW), about 40 liters per person per day can be estimated; however, the actual consumption depends strongly on the specific user behavior. The German energy saving ordinance EnEV provides a value of 12.5 kWh/(m²a) for the resulting average energy demand. Thus, in very energy-efficient buildings, the energy demand for domestic hot water (DHW) can be even greater than for heating. The evaluation of the measured data has shown significant storage and distribution losses for the various observed DHW systems. The data of the analyzed decentralized DHW systems has shown an average yearly consumption of 12.0 to 12.5 kWh/(m²a), thus being well in accordance with the EnEV. Nevertheless, there are large deviations between individual users. A new energy demand calculation according to EnEV based on the individual specific parameters determined from the measured data analysis shows a wide distribution of the demand values. The comparison with the weather-adjusted actual energy consumption values reveals an underestimation of the energy demand for most evaluated refurbishment scenarios. However, there are also scenarios, which exactly meet the consumption values of the respective year. The obtained results can confirm the results of existing studies (e.g. Felsmann and Schmidt 2013, Richter et al., 2002). The individual user behavior must inevitably lead to a deviation between heat demand and consumption values. Whether an adjustment of the parameters for the inside temperature, the internal heat gains or the air exchange rate in the standardization can be effective to reduce that deviation, cannot be conclusively clarified. Finally, proposals for raising awareness of the energy consumption behaviour as well as further technical possibilities for the regulation of demand parameters and possible requirements for comprehensive energy consulting are shown.deEnergieinsparverordnung (EnEV)Energetische SanierungNutzverhaltenPerformance Gap690Messdatengestützte Analyse und Interpretation sanierungsbedingter Effizienzsteigerungen im Wohnungsbaudoctoral thesisEnergiewendeEnergieeinsparungWohnungsbauEffizienzsteigerung