Donnerstag, 12. Oktober 2006, 15:05 Uhr
Medien:
[Update] Margarine-Hersteller schmierte: ARD-Sportchef muß gehen
(Klaus Koch) Der Vertrag des ARD-Sportkoordinators Hagen Boßdorf (42)
wird nun doch nicht verlängert. Mit dieser Entscheidung hoben die
ARD-Intendanten am Mittwoch einen früheren Beschluss auf.
Noch
im vergagenen Monat hatte das Gremium Boßdorf eine Vertragsverlängerung
um weitere fünf Jahre anboten. Der Grund sind nicht die seit Jahren
bekannten Stasi-Vorwürfe oder der Wirbel um die umstrittenen
ARD-Zahlungen an Radprofi Jan Ullrich, sondern ein offensichtlicher
Fall von Schleichwerbung. Damit endet Boßdorfs Tätigkeit als Sportkoordinator Ende März 2007.
In ihrer Schaltkonferenz reagierten die Intendanten am Mittwoch auf Hinweise einer speziell gegen Schleichwerbung
im vergangenen Jahr eingerichteten Programmbeobachtungsstelle. Dort war
aufgefallen, dass im September im ARD-Vorabendprogramm in Kurzbeiträgen
über eine Nordic-Walking-Veranstaltung der Sponsor, die Margarinemarke
Becel, thematisch eingebunden wurde. Präsentiert wurde der "Becel
Deutschland Walk" von der Ski-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier und
ihrem Ehemann Christian Neureuther.
Das von einer Agentur entwickelte redaktionelle Konzept sah die
Integration von "markenrelevanten Themen im Umfeld des Produkts Becel
wie Gesundheit, Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf" vor. Dies
werteten die ARD-Juristen als unzulässigen Fall von "Themenplacement".
Die Intendanten stellten fest, dass Boßdorf, über den das Konzept in
die ARD eingebracht worden sei, zwar nicht die redaktionelle Verantwortung habe - sie liegt beim Bayerischen Rundfunk (BR)
-, aber "die in seiner Position notwendige journalistische
Professionalität" habe vermissen lassen. Er hätte nach Ansicht der
Senderchefs "schon im Vorfeld einen Konflikt mit den
ARD-Werberichtlinien (...) erkennen müssen".
Der BR-Intendant und ARD-Vorsitzende Thomas Gruber sprach von einem
"klaren Verstoß gegen die Richtlinien zur Trennung von Werbung und
Programm" und kündigte eine vollständige Aufklärung und Dokumentation
des Vorgangs "in seinen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten" an.
Die Entscheidung gegen Boßdorf zieht einen vorläufigen Schlussstrich
unter die öffentlich ausgetragene Debatte um die Person des
Sportjournalisten. Noch im Herbst 2005 hatte der Norddeutsche Rundfunk
mit ihm einen Arbeitsvertrag als Sportchef abgeschlossen. Nach neuen
Stasi-Vorwürfen und öffentlicher Kritik zog der NDR- Verwaltungsrat
seine Zustimmung zurück. Dagegen hat Boßdorf Klage vor dem
Arbeitsgericht eingereicht, sein Anwalt Peter-Michael Diestel beruft
sich auf den "hundertprozentig rechtsgültigen Vertrag als Sportchef des
NDR".
Nicht nur auf diesen Vertrag könnte sich Boßdorf nun berufen, sondern
auch auf sein Rückkehrrecht zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB)
als Nachfolger des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB), wo er von
November 2000 an Chefredakteur war, bevor er am 1. April 2002 zur ARD nach München ging. Sollte er dieses Rückkehrrecht wahrnehmen, "so wird sich der RBB damit beschäftigten", sagte ein Sprecher des Senders am Donnerstag. Weitere Aussagen will man beim RBB
"aus arbeitsrechtlichen Gründen" nicht machen. RBB-Intendantin Dagmar
Reim hatte sich frühzeitig gegen eine Verlängerung von Boßdorfs ARD-
Vertrag ausgesprochen.
Rücksicht auf RBB und NDR wegen dieser Verträge nannte der Intendant des Südwestrundfunks (SWR),
Peter Voß, kürzlich vor dem Rundfunkrat seines Senders als einen Grund
dafür, dass er Boßdorfs Vertragsverlängerung zugestimmt habe. Für ihn
sei klar, "dass er die Klage gegen den NDR zurückziehen müsste, bevor ein neuer Vertrag mit der ARD geschlossen werden kann". Und dem RBB
würde "im Fall einer Nichtverlängerung des Vertrages mit Herrn Boßdorf
ein kaum zumutbares Problem aufgehalst", sagte Voß noch am 29.
September.