TECHNIK Im Gegensatz zur Kaltnadel-Arbeit
werden die Linien nicht manuell in die Platte (Zink, Kupfer, Messing,
Alu etc.)
gegraben, sondern chemisch eingeätzt. Gezeichnet wird mit der
Radiernadel, mit Roulette (= drehbares Rädchen mit Zähnen), mit
Moulette (= drehbare rauhe Walze) u.a.,
auf die mit einer säruebeständigen Schicht (Asphaltlack-Mischung,
Wachs, Mastix) überzogene Platte, die nicht oder - damit die Säure
besser angreifen kann - nur
ganz leicht geritzt wird. Die Platte kommt danach (Rückseite und Ränder
bzw. Facetten auch mit Asphalt abdecken!) in ein Säurebad (z.B.
Zn/Salpetersäure und Cu/Eisenchlorid),
wo die Säure an den freigelegten Stellen in das Metall vertiefte Linien
ätzt. Außerdem kann Ätzflüssigkeit mit dem Pinsel (Pinselätzung) oder
auf andere Weise
direkt auf die Platte gebracht werden. Je nach Zeitdauer und
Aggressivität der Säureeinwirkung werden die Linien stärker oder
schwächer. Auch stufenweise Ätzen ist üblich.
Sollen Partien kräftiger erscheinen, können die übrigen abgedeckt
werden, um weiterätzen zu können oder die zuerst gezeichneten Linien,
die immer wieder mitgeätzt
werden erscheinen am Ende kräftiger, weil sie tiefer eingeätzt sind als
die zuletzt gezeichneten. Die Platten können viele Ätzvorgänge
aufweisen (ein Dutzend sind keine Seltenheit), sie ermöglichen im Druck
Abstufungen
von hellstem Grau bis tiefsten Schwarz. Durch Tief- oder Durchätzung
kann im Druck auch eine reliefartig erscheinende Höhumg erreicht
werden. Nach Entfernen des Ätzgrundes wird die Platte
eingefärbt, wobei die Druckerfarbe in die Vertiefungen eingerieben, die
Oberfläche aber blankgeputzt wird - es kann u.a. auch ein Rest der ein-
und auftamponierten Farbe stehengelassen werden, ummalerische
Wirkungen zu erzielen (Plattenton). Der Druck erfolgt auf
durchfeuchtetem Papier in der Kupferdruckpresse.
Da das Zeichnen keinerlei Materialwiderstand erfährt, ist die
Radierung (im Unterschied zum Kupferstich, ja selbst zur
Kaltnadel-Radierung) keinem Zwang unterworfen und mithin können
zügigere schwungvolle
Linien gezeichnet werden. Aber es gibt auch Künstler, die in dieser
Technik Materialwiderstand suchen und anwenden
(Max Beckmann).
Um 1513 tauchen die ersten Radierungen auf: Daniel Hopfer, Urs
Graf und Albrecht Dürer (Druck von geätzten Eisenplatten); H. Seghers,
Rembrandt und Goya werden für die Entwicklung der R. (engl. etching,
frz. eauforte) besonders wichtig.
VARIATIONEN VERWANDTE TECHNIKEN
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WEICHGRUNDÄTZUNG ( VERNIS MOU ):
Die Kupferplatte ist mit einem besonders weichem Grund überzogen, ein
dünnes (möglichst struckturiertes) Papier wird aufgelegt, auf das mit
einem stumpfen Stift so gezeichnet wird, daß sich die Darstellung
durchdrückt.
Beim Abnehmen des Papiers wird der Ätzgrund an den bezeichneten Stellen
mit abgehoben (er klebt am Papier fest).
Die Linien erscheinen nach dem Ätzen und Drucken weich und körnig,
ähnlich einem Kreidestrich. Sowohl der Charakter des Kreide- oder des
Bleistiftstriches als auch die Körnung des aufgelegten Papiers bleiben
im Druck erhalten.
Die von Felicien Rops (um 1860) wiederentdeckte und neubelebte
Weichgrundätzung ermöglicht auch das Abreiben oder Durchdrücken von
Textilstrukturen (Käthe Kollwitz), auch andere Strukturen und Texturen
können wiedergegeben werden (rauhe Papiere, Sandpapier, Gaze und Netze,
etc.).
IDENTIFIKATION. Unterschied zur Kaltnadel:
kein Gratschatten, keine spitz an- oder auslaufende Linie. Die geätzte
Linie, deren Farbe wiederum etwas erhöht auf dem Papier steht, ist
meist gleich stark (weil in einem Ätzvorgang gleich stark geätzt wird)
und zeigt rauhe, etwas körnige Ränder. Sie ist klarer und gleichmäßiger
als der Kaltnadelstrich. (Verwechslung mit abgedruckter KN leicht
möglich) Sehr kräftig geätzte Linien erscheinen auf der Rückseite des
Druckes als vertieftes Relief, auf der Vorderseite erhaben als
reliefartige Erhebung.
Im Gegensatz zur Aquatinta- Radierung: nur lineare Darstellung der Strichätzung (Aquatinta=Flächenätzung).
QUALITÄT. Abzüge von hervorragender Qualität
(Druckfrische und -schärfe) sind etwa 40 möglich, auch ein guter
Drucker vermag selbst bei tieferer Linienätzung ca. 100 ausgewogene
Abzüge von einer Platte zu nehmen. Eine harte Legierung von Kupfer
erlaubt mehr Abzüge (bis 400). Bei höheren Auflagen müssen die Platten
verstählt werden.
Achten Sie auf die dunkleren Partien. Eng liegende Linien dürfen beim
Ätzen nicht zusammenlaufen, sonst gibt es blinde, ausdrucksschwache
Felder. Eine gute Radierung
liegt u.a. vor, wenn auch in den dunkelsten Zonen die radierte Linie zu
sehen ist. Auf Fehlstellen (Nicht-Ausdrucken der Schwärze) achten!
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