Bielefeld 17.1.96 Fortbildung von BibliotheksmitarbeiterInnen im Umgang mit dem Internet

Barbara Jedwabski, UB Dortmund


Fortbildung von BibliotheksmitarbeiterInnen
im Umgang mit dem Internet


Inhalt:

  1. Internet und Bibliotheken
  2. Mitarbeiterqualifizierung
  3. Ziele der Internet-Fortbildung
  4. Internet-Fortbildungsfelder
  5. Erfahrungsaustausch über Fortbildung in Bibliotheken (fobilist und Fobi-Hompage)


1 Internet und Bibliotheken

Internet und Bibliotheken im Widerspruch: die Benutzer holen sich ihre Information selbst.

Zwischen dem Internet und Bibliotheken scheint ein gewisser Widerspruch zu herrschen. Bibliotheken sind Einrichtungen, die dafür sorgen, daß BenutzerInnen ihre Informationen in Form von Büchern und Zeitschriften erhalten. Die BenutzerInnen müssen klassischerweise in die Bibliothek gehen, um sich ihre Literatur zu bestellen oder zu holen.
Aus dem Internet können BenutzerInnen - insbesondere solche in Hochschulen mit Zugang zum Internet - ihre Informationen selbst aus aller Welt via Internet suchen, zusammenstellen und auf ihren Rechner holen.
Brauchen BenutzerInnen dann eigentlich noch Bibliotheken?

In dieser Situation müssen Bibliotheken ihre Rolle im Zusammenhang mit den Möglichkeiten des Internet finden und definieren.

Gedrucktes und Gespeichertes

Das Internet bietet - neben anderem, auf das ich hier nicht weiter eingehen will - Dokumente in Volltextform oder auch Hinweise auf Fundstellen für Dokumente in Form von Übersichten oder Katalogen. Hier gibt es meines Erachtens grundsätzlich keinen Unterschied: ob gedruckt oder gespeichert, Informationen müssen - egal in welcher Form - archiviert und zur Verfügung gestellt werden.

Angesichts der Flüchtigkeit elektronisch gespeicherter Informationen auf Servern im Internet muß der Aspekt der Archivierung wieder stärker berücksichtigt werden - und damit auch gewisse Ordnungskriterien solcher Archive, um Inormationen wiederzufinden.

Die Rolle der BibliothekarInnen bisher und in Zukunft:

Die klassischen Aufgaben der Bibliotheken waren immer das Sichten, sammeln, aufbereiten und bereitstellen von Literatur.

Hier wird es auch in Zukunft keine Änderung geben, auch in Zeiten des Internet gilt es, diese Grundaufgaben mit entsprechender beruflicher Qualifikation durchzuführen.

2 Mitarbeiterqualifizierung in Bibliotheken:

Damit sind wir beim Thema Mitarbeiterfortbildung. Welche Fertigkeiten, Kenntnisse, Qualifikationen müssen MitarbeiterInnen in Bibliotheken angesichts des Internet beherrschen?

2.1 Notwendigkeit der Mitarbeiterqualifizierung

Lifelong learning: ein Muß in Zeiten des schnellen Wandels
Sicher ist es heutzutage unbestritten, daß auch in Bibliotheken der Grundsatz von der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens immer stärker in den Vordergrund rückt. Die Möglichkeiten, die das Internet bietet, unterstreichen diese Notwendigkeit.

Verstärkte Weiterbildung in Zeiten des knappen Geldes
Auch und gerade in Zeiten des reduzierten Finanzmittel ist deshalb Fortbildung in Bibliotheken geboten. Dies scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, aber die Auflösung dafür liegt auf der Hand:

Je weniger Geld vorhanden ist, auch für Personalstellen, umso weniger Personal ist vorhanden. Je weniger Personal vorhanden ist, umso mehr Arbeit verbleibt für das restliche Personal, denn die Aufgaben werden ja nicht reduziert. Wenn man an dieser Stelle der Betrachtung stehenbleibt, so wird sich daraus ergeben, daß die Qualität der Bibliotheksleistungen zurückgeht, da nicht mehr alle Aufgaben erfüllt werden können und die verbliebenen unter Zeitdruck und möglicherweise nur minimal erledigt werden. Deshalb ist es die Aufgabe von Bibliotheken, die Aufgaben und Zielsetzungen mit neuen Prioritäten zu versehen und dabei den Aspekt der Fortbildung ständig im Auge zu behalten. Die "Holzfällermethode" hilft hier nicht weiter, sondern führt zur Stagnation und schlechteren Qualität. (siehe Abb.)

"Sie sollten einmal Ihre Axt schärfen, die ist nämlich stumpf" sagte der Wanderer zum Holzfäller. "Das kann ich leider nicht" erwiderte dieser, "ich habe keine Zeit, ich muß nämlich Bäume fällen."

Dienstleistungsorientierung, Eigenverantwortung, Dezentralisierung von Ressourcen
Dienstleistungsorientierung, Eigenverantwortung und Dezentralisierung von Ressourcen sind dabei Maßstäbe und Kriterien bei der Festlegung von Zielsetzungen in Bibliotheken. Sie lösen möglicherweise schmerzhafte Prozesse in alten Strukturen aus, denn darin eingeschlossen sind Abbau von Hierarchien und eigenständiges Handeln - orientiert an gemeinsam festgelegten Zielsetzungen und basierend auf dem Wissen um Zusammenhänge und Einzelvorgänge.

2.2 Erfolgsmaßstäbe für Mitarbeiterqualifizierung:

Die folgenden Punkte sind ein Zitat aus einem Aufsatz von Karl-Heinz Schwuchow zum Thema ,Vom Seminar zum Lernen im Unternehmen". Wir machen hier einen kleinen Ausflug in die Wirtschaft, um deren Angehensweise in Bezug auf Fortbildungsfragen zu untersuchen. Die folgenden sechs Punkte sind kennzeichnen für den Erfolg von Fortbildungsmaßnahmen und werden als Maßstab anlegt:

Diese Zielsetzungen sind sicher einleuchtend, wenn man sie auf die Strukturen der Wirtschaft anwendet.Wenn man einmal das Wort UNTERNEHMEN durch das Wort BIBLIOTHEK ersetzt und sich dann die genannten Erfolgsmaßstäbe in den bekannten Strukturen der meisten Bibliotheken betrachtet, so wird man das Ergebnis sicherlich mit Erstaunen konstatieren. Es würde sich folgendes ergeben:

Unter diesen Zielsetzungen sollte Fortbildung organisiert und umgesetzt werden, auch in Bibliotheken, aber eine Aufgabe zur besseren Qualifikation der MitarbeiterInnen und damit auch zum besserem Dienstleistungsangebot der Bibliotheken zu führen.


*1 Schwuchow, Karl-Heinz: Vom Seminar zum Lernen im Unternehmen. (Die Mitbestimmung. 1993, H. 9, S. 60-63)

3 Ziele der Internet-Fortbildung

Überträgt man diese Zielsetzungen auf den Fortbildungsbereich INTERNET, so bilden sich folgende Fortbildungsziele heraus:

Konkrete Problembewältigungsfähigkeit:
Internet: Was ist das eigentlich? Was können wir in Bibliotheken damit anfangen? Diesen Teil werde ich im nächsten Punkt abhandeln.

Sensibilisierung für Innovation und Veränderung:
Die verschiedenen Möglichkeiten, die das Internet bietet, müssen dienstleistungsorientiert herausgearbeitet werden. Dabei werden Arbeitsfelder frei, die selbständig und hierarchiefrei bearbeitet werden können und sicher auch zukünftig so bearbeitet werden. Der direkte Kontakt zu anderen Personen in aller Welt über Internet ist ein wichtiges Beispiel dafür. Aber auch die eigenständige Auswahl verschiedenster Zugriffsmöglichkeiten auf Dokumente und Quellen im Internet spielt sich im (fast) "freien Raum" ab.

Motivation für neue Aufgaben:
Durch Kenntnis der Möglichkeiten und Erlernen der Fertigkeiten können somit neue Aufgaben entwickelt werden oder neue Prioritäten in der Aufgabenstellung gesetzt werden. Die Motivation zur Umsetzung dieser neuen Aufgaben kann nur entstehen, wenn die Fortbildung auf die Aufgaben bezogen ist und das Gesamtverständnis für die Zusammenhänge berücksichtigt und danach bei der konkreten Umsetzung sowohl genügend Freiräume zum Ausprobieren, Nachlernen und Umsetzen geboten werden.

Lernbereitschaft und Lernfähigkeit
Lernbereitschaft und Lernfähigkeit wird geweckt und verstärkt durch regelmäßiges Anbieten von Veranstaltungen und die hohe Priorität, die der Fortbildung in einer Bibliothek zugesprochen wird. Wichtig ist dabei allerdings, daß die Angebote, die gemacht werden, eine Mischung sind aus konkret arbeitsplatzbezogenen Aufgabenstellungen, innovationsorientierten Inhalten und immer auch das Grundverständnis für Zusammenhänge beinhalten.

Identifikation:
Gerade das Lernfeld Internet ermöglicht es in geradezu spielerischer Weise, die Aufgaben der Bibliothek als Aufgaben der MitarbeiterInnen zu erfahren und an die Möglichkeiten, die es bietet, die Frage zu stellen, was denn konkret daraus an neuen Dienstleistungen für die Benutzer der Bibliothek gewonnen werden kann.

4 Beispiele für die Internet-Fortbildung (Internet-Fortbildungsfelder)

Im letzten Teil meines Vortrags möchte ich auf die Anfangsfrage zurückkommen, welche konkreten Fragestellungen im Zusammenhang mit der Nutzung des Internet in Bibliotheken auftauchen und versuchen, anhand der klassischen Bereiche der bibliothekarischen Arbeit Fortbildungsfelder aufzuzeigen.

E-Mail als ,Einstiegsdroge"

Beginnen wir mit etwas Unklassischem: Elektronische Post, Electronic Mail, E-Mail ist meist für BibliotheksmitarbeiterInnen der Beginn der Bekanntschaft mit Netzwerken und Internet. In diesem Bereich finden wir auch schon die Themen, die sich in ähnlicher Weise durch alle Fortbildungsfelder für das Internet ziehen: Gewisse Normierungen und Regeln sind zu erlernen und zu beachten (z.B. bei Adressen), das Wissen über die Zusammenhänge muß vermittelt und immer wieder an Beispielen aufgezeigt werden (z.B. beim Absenden von Mails, Versenden von Dateien usw.) und die Kommunikation über weltweite Verbindungen ermöglicht es, Erfahrungen mit anderen in der ganzen Welt frei auszutauschen (z.B. über Diskussionslisten).

Homepages, Bibliothekskataloge anderer Bibliotheken als "Verstärker"

Neben oder nach solchen ersten Versuchen und Schritten ins Internet über E-Mail kommt durch das Arbeiten mit Internet-Browsern wie z.B. Netscape die Bekanntschaft mit den Homepages anderer Bibliotheken, mit OPACs im Internet, mit Literaturzusammenstellungen aller Art, mit Volltexten von elektronischen Zeitschriften usw. usw. dazu und wir können dabei hin und wieder tatsächlich so etwas wie ein leichtes Suchtverhalten diagnostizieren - der Wunsch, noch mehr zu entdecken, kann dazu führen, daß so manche Stunde beim Durchstöbern des Internet unbemerkt dahingeht.

Adressenermittlung als Leckerbissen

Nach solchen ersten Geh- und Rechercheversuchen im Internet fängt in der Regel der Prozess des Chaos-Lichtens an. Mit Hilfe von Bookmarks werden erste Strukturierungsversuche gemacht. Wichige Adressen-Fundstellen z.B. werden festgehalten mit Lesezeichen. Exkurs: Das Handling der Bookmarks ist ein wichtiges Feld für die Fortbildung. Wir haben in Dortmund eine eigene Arbeitsgruppe ,Ressourcen für MitarbeiterInnen" eingerichtet, die den Auftrag hat, eine Art Grundausstattung an Bookmarks für alle Bereiche der bibliothekarischen Arbeit zusammenzustellen, für die MitarbeiterInnen zur Verfügung zu stellen und ständig zu aktualisieren. Erste Ergebnisse dazu werden bald vorliegen.

Diskussionslisten: Gewußt-wo-und-wie-Ratgeber

Diskussionslisten, Mailing Lists im Internet sind ein neuer Bestandteil der zukünftigen Arbeit in Bibliotheken. Über diese Form der Kommunikation werden zukünftig Erfahrungen ausgetauscht, Hilfen und Tips gegeben und gemeinsame Projekte vereinbart. Der Umgang damit ist sicherlich für viele noch ungewohnt und eine gewisse Scheu vor dem Mitmachen läßt sich nach den von mir gemachten Beobachtungen feststellen. Erst der konkrete Bezug zur eigenen Arbeit hebt diese Zurückhaltung auf und es entwickeln sich meist fruchtbare Dialoge zum Nutzen der diskutierten Sache.

Fachinformation als Lotsendienste

Das zentrale Thema in Bibliotheken bezogen auf das Internet ist natürlich das Erschließen von Fachinformationen. Dazu sind in der Regel die Fachreferenten/-innen in den Bibliotheken gefordert. Hier gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Projekten, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Sicher gibt es auch hier einen Fortbildungsbedarf, der dann auch andere Bereiche, wie z.B. den Auskunftsdienst, miteinbeziehen muß.

Bestellen und Bestandsaufbau mit neuen Hilfsmitteln auf neuen Wegen

Der klassische Bereich der Erwerbung wird sich möglicherweise durch das Internet zukünftig verändern. Vielleicht werden demnächst Bestellungen von auswärts nicht mehr über Post oder Fax getätigt, sondern direkt über die Homepages der Buchhandlungen, Verlage und Institutionen erledigt. Heutige Grenzen durch haushaltstechnische Regelungen werden dann möglicherweise keine Rolle mehr spielen, z.B. die Tatsache, daß Bibliotheken den üblichen Internet-Zahlungsweg via Kreditkarte heute noch nicht beschreiten dürfen.

Katalogisierung von Internetmaterialien

Auch der klassische Kernbereich der bibliothekarischen Arbeit, die Katalogisierung, wird ohne Internet-Wissen nicht mehr auskommen und von daher gibt es hier schon heute Fortbildungsbedarf. Dabei wird es einmal um den Bereich der Recherche gehen, um bibliographische Daten zu ermitteln, aber auch um den Bereich der aktiven Katalogisierung von Materialien aus dem Internet. Die Stichworte Regelwerk RAK-ONLINE und Diskussionsliste RAK-ONL stehen für diese Problematik, die ich hier inhaltlich nicht näher beleuchten will.

Fernleihe: auf schnellen Wegen durch die Kataloge!

Unbestritten eins der Hauptthemen aus bibliothekarischer Sicht: wie können wir das Internet für schnelle Lieferung von Informationen aller Art nutzen. JASON & MEDEA, SUBITO und sonstige document delivery systeme haben jetzt schon Einfluss auf die Arbeitsabläufe im Fernleihbereich und erfordern einen spezifischen Fortbildungsbedarf in diesem Bereich.

Auskunft: Hilfe zur Selbsthilfe! Die Alleskönner!

Im klassischen Auskunfsbereich der Bibliotheken laufen die meisten der bisher genannten Neuerungen zusammen. Hier ist der meiste Bedarf an Fortbildung anzusiedeln, wenn die vielfältigen Möglichkeiten des Internet einmal professionell für die Anfragen von BenutzerInnen genutzt werden sollen.

Internet-Benutzerarbeitsplatz: Zugang zur Information für alle - Beratungsdienst gefragt!

Hier gibt es erste Versuche und Erfahrungen in einigen Bibliotheken. Wenn die Ergebnisse dieser Versuche ausgewertet und weitergegeben werden, so wird man auch abschätzen können, was dies für die Fortbildung bedeuten wird. Ich wage einmal die These, daß trotz des Wunsches, die Beratung für BenutzerInnen, die an solch einem Internet-Platz in einer Bibliothek arbeiten zu minimieren, das zuständige Personal einen guten Gesamtüberblick und ein fundiertes Gesamtverständnis für die möglichen Probleme im Software- aber auch im Hardware-Bereich haben muß. Nur damit kann schnell und präzise eingeschätzt werden, welcher Fehler gerade aufgetreten ist oder was der Benutzer / die Benutzerin wohl gerade mit ihrer Frage meint, die sie an das Personal stellt - um nur zwei Beispiele zu nennen, die in der täglichen Praxis vorkommen werden.

5 Erfahrungsaustausch über Fortbildung in Bibliotheken

Aus den bisher gemachten Ausführungen ergibt sich, daß auf dem Feld der Fortbildung in Bibliotheken gerade auch bezogen auf das Internet in der nächsten Zeit erheblich viel zu tun ist. Die Kooperation und der Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet sollte deshalb unbedingt gefördert werden.

Als erste Idee und Anregung dazu haben wir in der UB Dortmund eine Diskussionsliste zum Thema FORTBILDUNG IN BIBLIOTHEKEN eingerichtet.

Die Liste heißt fobilist und kann subskribiert werden mit der Adresse:

maiser@ub.uni-dortmund.de

Im Text der Mail muß der Eintrag stehen:

subscribe fobilist

Als weiteres Angebot zum Erfahrungsaustausch ist z.Zt. eine Homepage zur Fortbildung in Arbeit, die schon bald öffentlich zur Verfügung gestellt werden soll, auch wenn sie noch - wie man so schön sagt - ,under heavy construction" ist, da.h. auch wenn die Arbeit daran noch nicht vollständig beendet ist. Hier soll alles gesammelt werden, was im Zusammenhang mit Fortbildung in Bibliotheken interessant ist, angefangen von Kursmaterialien und Links zu Internet-Kursen bis hin zu Dienstvereinbarungen und rechtlichen Grundlagen zur Fortbildung. Über aktive Mitarbeit an dieser Homepage aus anderen Bibliotheken würden wir uns sehr freuen. Alle Hinweise, Tips, Berichte, Erfahrungen sind willkommen.

Die Adresse der Homepage Fortbildung in Bibliotheken wird dann in FOBILIST und INETBIB bekanntgegeben.


Barbara Jedwabski, UB Dortmund