Akzeptanz, Vorstellungen und Wissen von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I zu Evolution und Wissenschaft

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2012-06-12

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Die Evolution ist ein elementares Bildungsgut, dass nicht nur die verschiedenen Teildisziplinen der Biologie zu einer verbundenen und schlüssigen Wissenschaft vereint, sonder auch über die Biologie hinaus wichtige Antworten auf unterschiedliche ethische und weltanschauliche Aspekte liefern kann. Trotz der überwältigenden Anzahl an Belegen und der allgemeinen Anerkennung der Validität der Evolutionstheorie unter Naturwissenschaftlern, wird sie von einem mehr oder weniger großen Teil der Bevölkerung abgelehnt. Darüber hinaus finden sich zahlreiche wissenschaftlich unangemessene Vorstellungen des Evolutionsprozesses, die ein ganzheitliches Verstehen der Biologie behindern können. In der vorliegenden Arbeit wurde im Rahmen einer eigens entwickelten, lokalen Theorie hypothesengeleitet untersucht, inwieweit die Gläubigkeit, die Einstellung zur Wissenschaft und das Verstehen der Evolution, die Akzeptanz der Evolution von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I beeinflussen. Erstmals wurde der summative Effekt der beeinflussenden Faktoren mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells analysiert. Des Weiteren wurden typische Alltagsvorstellungen zur Evolution erfasst, um im Hinblick auf einen erfolgreichen Konzeptwechsel (Conceptual Reconstruction) eine Basis für die Erstellung effektiver Unterrichtssequenzen zu schaffen. Die Daten wurden mittels Fragebogen an insgesamt 3969 Schülerinnen und Schülern 9. und 10. Klassen aller Schulformen erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz der Evolution von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I besonders durch deren Einstellung zur Wissenschaft beeinflusst wird. Probanden, die wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen akzeptieren, zeigen auch eine höhere Akzeptanz der Evolution. Demgegenüber wirkt sich die Gläubigkeit der Befragten negativ auf deren Einstellung zur Evolution aus. Besonders stark gläubige SuS zeigen eine geringe Akzeptanz der Evolution. Zudem wird die Akzeptanz nur schwach durch das Verstehen der Evolution beeinflusst, d.h. Probanden, die die Evolution und deren Mechanismen besser verstehen, zeigen nur eine geringfügig höhere Akzeptanz der Evolution. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich eine positive Beeinflussung erst dann erreichen lässt, wenn die Lernenden ein gewisses Level des Verstehens der Evolution überschritten haben. Erst dann kann die Evolution Antworten auf unterschiedliche Fragestellungen geben und durch dieses Erklärungspotential die Akzeptanz fördern. Bei den untersuchten Schülerinnen und Schülern zeigen sich in einem hohen Maß wissenschaftlich unangemessene Alltagsvorstellungen zur Evolution. Über 50% der gegebenen Antworten auf ursächliche Fragestellungen der Evolution sind entweder lamarckistischer oder finalistischer Natur. Die SuS nutzen dabei zu strukturell ähnlichen Phänomenen unterschiedliche Erklärungen. Diese Inkonsistenz deuten darauf hin, dass es sich bei den erhobenen Alternativvorstellungen der Befragten nicht um robuste und beständige Konzepte, sondern vielmehr um alltagstaugliche und plausible Erklärungen handelt, die sich in vielen Bereichen als hilfreich erwiesen haben. Ebenfalls ist denkbar, dass diese Vorstellungen ad hoc Generierungen darstellen, die je nach Kontext unterschiedlich ausfallen können. Für den Unterricht ergeben sich aus den Ergebnissen folgende Konsequenzen: Der Biologieunterricht sollte wissenschaftspropädeutisch ausgerichtet sein. Wenn die SuS wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen verstehen und akzeptieren, kann dies auch ihre Akzeptanz und ihr Verstehen der Evolution fördern. Zudem wird die Evolution häufig aufgrund religiöser Weltanschauungen abgelehnt. Dies hat zur Konsequenz, dass besonders bei stark gläubigen SuS, und damit verbunden verstärkt bei muslimischen SuS, mit einer Ablehnung der Evolution zu rechnen ist. Ist im Unterricht erkennbar, dass Lernende religiös motivierte Probleme mit Inhalten des Evolutionsunterrichts haben, kann es hilfreich sein, diesen scheinbaren Konflikt zwischen Wissenschaft und Glaube zu thematisieren. Dazu sollten die Eigenarten naturwissenschaftlichen Wissens herausgearbeitet werden, um deutlich zu machen, dass die Schöpfungslehre keine naturwissenschaftliche Theorie ist und infolgedessen im Biologieunterricht auch keine Alternative zur Evolutionstheorie darstellt. Um im Hinblick auf wissenschaftlich angemessene Vorstellungen zur Evolution einen erfolgreichen Konzeptwechsel bei den Schülerinnen und Schülern erreichen zu können, sollten deren Alltagsvorstellungen im Unterricht berücksichtigt werden. Besonders finalistische und lamarckistische Vorstellungen stellen prominente Alternativkonzepte dar, die es bei der Konstruktion geeigneter Conceptual Reconstruction-Szenarien zu berücksichtigen gilt.

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Table of contents

Keywords

Akzeptanz, Evolution, Schülervorstellungen

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