Authors: Vogel, Christine
Title: Analyse von Missklassifikationseffekten auf das attributable Risiko
Language (ISO): de
Abstract: Das am weitesten verbreitetste epidemiologische Risikomaß ist das relative Risiko, es setzt die Erkrankungswahrscheinlichkeit unter Exponierten zur Erkrankungswahrscheinlichkeit unter Nicht-Exponierten ins Verhältnis. Das relative Risiko quantifiziert die Stärke des Zusammenhangs zwischen Exposition und Krankheit auf Individualebene. Die Risikosteigerung durch Exposition für das einzelne Individuum wird beschrieben. Dieses Risikomaß ist nicht geeignet zur Beurteilung eines Expositionsfaktors auf Populationsebene, da die Prävalenz der Exposition nicht eingeht. Dieser Gesichtspunkt wird von einem anderen, zunehmend an Bedeutung gewinnenden Risikomaß, dem attributablen Risiko, berücksichtigt. Es quantifiziert den Anteil der Kranken, welcher theoretisch durch vollständige Elimination der Exposition in der Bevölkerung vermieden werden könnte.Die Auswirkungen von Missklassifikationen auf das relative Risiko wurden in der epidemiologischen Literatur für eine Vielzahl von Missklassifikationsszenarien diskutiert. Hingegen beschränkt sich die Analyse der Missklassifikationseffekte im Kontext des attributablen Risikos auf einige wenige Modellsituationen. Lediglich die Effekte der isolierten nichtdifferentiellen Missklassifikation der Exposition oder Krankheit wurden für die 2x2-Situation untersucht. In diesen Modellsituationen ist das attributable Risiko zur Null hin verzerrt, sofern die Klassifikation besser als eine Zufallsklassifikation ist. Die einzige Ausnahme bilden Klassifikationen, bei denen Fehler in der Bestimmung des Expositions- bzw. Krankheitsstatus lediglich unter Nicht-Exponieren bzw. Kranken auftreten können, beides führt zu einem unverzerrten attributablen Risiko. Die weitgehende Übereinstimmung der Effekte auf das attributable Risiko mit denen auf das relative Risiko mag der Grund dafür sein, dass die Analyse der Auswirkungen von Missklassifikationen komplexerer Struktur auf das attributable Risiko im letzten Jahrzehnt nur wenig Beachtung in der epidemiologischen Forschung fand.Im Rahmen dieser Arbeit konnten die Auswirkungen nichtdifferentieller Missklassifikationen auf das attributable Risiko erstmals für ein breites Spektrum an Missklassifikationsstrukturen hergeleitet werden.Zur mathematischen Formalisierung der Missklassifikationsproblematik wurde ein flexibler matrix-orientierter Ansatz entwickelt, welcher die einheitliche Analyse einer Vielzahl von Missklassifikationsstrukturen ermöglichte: (i) nichtdifferentielle (unabhängige) Missklassifikation des Expositions- oder/und Krankheitsstatus, (ii) nichtdifferentielle abhängige Missklassifikation des Expositions- und Krankheitsstatus, sowie (iii) Missklassifikationseffekte bei Vorhandensein von Kovariablen, insbesondere Missklassifikation dichotomer bzw. polytomer Kovariablen.Die Struktur der nichtdifferentiellen unabhängigen Missklassifikation von Exposition und Krankheit lässt sich im matrix-basierten Ansatz multiplikativ aus den beiden marginalen Strukturen der isolierten nichtdifferentiellen Missklassifikation von Exposition oder Krankheit herleiten. Die multiplikative Zerlegung der Effekte nichtdifferentieller unabhängiger Missklassifikation von Exposition und Krankheit in die marginalen Effekte kann so begründet werden.Die Vorstellung, nichtdifferentielle Missklassifikation könne epidemiologische Risikomaße lediglich zur Null hin verzerren, wurde im Kontext des relativen Risikos bereits widerlegt. Unter der durchaus realistischen Annahme abhängiger Klassifikationsfehler ist eine Verzerrung weg von der Null oder Effektumkehr auch dann möglich, wenn die Missklassifikation die Voraussetzung der Nichtdifferentialität erfüllt. Das gleiche gilt für das attributable Risiko. Ein Vergleich mit den Auswirkungen von Missklassifikationen auf das relative Risiko zeigte zudem, dass neben quantitativen auch qualitative Unterschiede in den Effekten zu finden sind. Dies verdeutlichte somit bereits in der 2x2-Situation die Notwendigkeit der separaten Analyse für verschiedene epidemiologische Risikomaße.Wie beim relativen Risiko führt die nichtdifferentielle Missklassifikation dichotomer Kovariablen zu einem lediglich partiell adjustierten Risikomaß. Nichtdifferentielle Missklassifikation polytomer Kovariablen kann für beide Risikomaße neben partieller Adjustierung auch Überadjustierung oder Verstärkung des Confoundings hervorrufen, die Verzerrungsrichtungen der beiden Risikomaße müssen nicht übereinstimmen. Ein weiterer wichtiger Vorteil des matrix-basierten Ansatzes ist seine direkte Anwendbarkeit in matrix-basierten Korrekturverfahren.Die Resultate dieser Arbeit verdeutlichen, dass es aufgrund der algebraischen Unterschiede zwischen relativem Risiko und attributablem Risiko unumgänglich ist, die methodischen Überlegungen, die sich bisher vor allem auf das relative Risiko konzentrierten, für das attributable Risiko neu durchzuführen. Die Ähnlichkeit der Ergebnisse für simple Missklassifikationsstrukturen rechtfertigt keineswegs die leichtfertige Übertragung von bekannten Ergebnissen zu Missklassifikationseffekten im Kontext des relativen Risikos auf andere epidemiologische Risikomaße, welche häufig in der Diskussion von Studienergebnissen zu finden sind. Mit Hilfe des in dieser Arbeit bereitgestellten methodischen Instrumentariums kann eine die spezielle Missklassifikationsstruktur berücksichtigende Analyse der Auswirkungen von Klassifikationsfehlern in Exposition, Krankheit oder/und Kovariablen auf die Schätzung des attributablen Risikos durchgeführt werden.
Subject Headings: Epidemiologie
Attributables Risiko
Missklassifikation
epidemiology
attributable risk
Missclassification
URI: http://hdl.handle.net/2003/2782
http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-14906
Issue Date: 2002-11-18
Provenance: Universität Dortmund
Appears in Collections:Lehrstuhl Statistik mit Anwendungen im Bereich der Ingenieurwissenschaften

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