Bildungspartner Bibliothek
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Date
2015-07
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Die vorliegende Forschung dient als Instrument des Qualitätsmanagements der Verbesserung der Angebotskompetenz Öffentlicher Bibliotheken und ihrer Profilierung als innovative Lese- und Medienkompetenzzentren. Im Kontext der durch PISA verstärkten Debatte um Lesekompetenzförderung als wichtige gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe (vgl. Baer et al. 2006, 447) gelten Bibliotheken gerade im Hinblick auf die konstatierte Bildungsbenachteiligung und der Korrelation des sozialen Milieus und der Leseleistung als prominenter schulischer Bildungspartner (vgl. Baumert/Schümer 2001, 386ff). Trotz Forderung der Anerkennung ihres Bildungsauftrages durch gesetzliche Einbindung in die Bildungskonzepte der Länder - obgleich nicht nur wissenschaftlich anhand höherer Bibliotheksstandards der Siegerländer PISAs (vgl. Dankert 2008, 116), sondern auch politisch legitimiert durch die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (vgl. Deutscher Bundestag 2007, 132) - stehen Bibliotheken heute vor der Herausforderung, sich ohne pädagogisch-didaktische Kompetenzen (vgl. Plassmann et al. 2011, 307) und mit knappen finanziellen Budgets (vgl. Steinhauer
2012, 257) um Kooperationen mit Bildungsinstitutionen bemühen zu müssen, um dem Auftrag nach gemeinsamer Bildungsverantwortung wie er jüngst auch im EU High Level Report of Experts on Literacy angemahnt wurde, gerecht zu werden (vgl. EU High Level Report of Experts on Literacy 2012, 90). Dabei zeigt die bibliothekarische
Praxis, dass die Angebote meist eine „Heilung der Gesunden“ (Marci-Boehncke 2007a, 9) bleiben, die Bildungsbenachteiligte, wenig lesehabitualisierte Zielgruppen wegen hoher Buchorientierung und geringer Berücksichtigung medialer Interessen nicht erreichen (vgl. Marci-Boehncke/Rose 2012, 192). Hinzu kommt auf Seiten der Schulen, dass Bibliotheken - möglicherweise bedingt durch wenig Fokus auf moderne Marketingansätze (vgl. Georgy/Schade 2012a, 7) - nicht als kompetenter Partner für die (außer-)schulische Leseförderung betrachtet werden (vgl. Rose 2013, 440). Vor dem Hintergrund dieser Problemlagen widmet sich die Studie einem wissenschaftlich bislang noch wenig beachteten Bereich, der die Wirksamkeit von E-Learning zur Verbesserung von institutionellen Bildungskooperationen zur Lese- und Medienbildung auf BibliothekarInnen untersucht. Im Schnittfeld mehrerer
Disziplinen, u.a. Lese-/ Medienforschung und -didaktik, empirischer Sozialforschung, Lehr-/ Lernforschung, E-Learning, Interventionsforschung sowie weiterer politisch-institutioneller wie wirtschaftlicher Fachdiskurse ist die Frage zentral, inwieweit über eine E-Learning-Weiterbildung mit Medien in einer Doppelfunktion als Lerngegenstand und Arbeitsmittel sowie als Evaluationsinstrument Einfluss auf die Kenntnisse, Medienkompetenz und Haltungen von BibliothekarInnen und folglich auf ihre Praxis genommen werden kann. Dazu wurde das entwickelte Blended-Learning-
Konzept „Experten für das Lesen“ drei Mal durchgeführt und grounded-theory-orientiert mit einem mehrfach triangulierten, mehrmethodischen, grundsätzlich qualitativen aber auch empirisch-quantifizierend arbeitenden mehrstufigen Forschungsdesign mit insgesamt 459 Onlinebefragungen, Gruppendiskussionen, Live-Votings und Interviews an 28 Messzeitpunkten und 37 Teilnehmenden erforscht. Die Studie konnte zeigen, dass die Intervention durch den Einsatz von E-Learning trotz einer in der Ausbildung nicht verwurzelten Lese- und Medienkompetenzbildung positive Effekte sowohl auf die inhaltliche als auch die praktisch-mediale Kompetenz
der BibliothekarInnen hat. Neben signifikanten inhaltlichen und technischen Kompetenzsteigerungen führt die Weiterbildung über metakognitive Lernfortschrittsreflexionen auch zu einer Erhöhung ihrer eigenen Selbstwirksamkeitswahrnehmung (vgl. Bandura 1977). Dabei werden jedoch auch kognitive Grenzen deutlich, sowohl
in der zwar gestiegenen, über den gesamten Erhebungszeitraum jedoch insgesamt eher schwach ausfallenden Medienkompetenzeinschätzung als auch in der z.T. stabil bleibenden Buchorientierung der Teilnehmenden. Ebenso führen die zielgruppenorientierten Haltungen laut Teilnehmeraussagen zu keiner angebotsseitigen Änderung
ihrer Praxis, so dass der Transfer auch nach sechsmonatiger Anwendungszeit auszubleiben scheint bzw. zumindest nicht bewusst ist. Im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen von Forschung und dem Potenzial von Bibliotheken für moderne Lesekompetenzförderung zeigt die Studie, dass Haltungen und Überzeugungen
besonders schwer veränderbar sind und ein Zusammenhang zwischen Lernerfolg, Innovationsbereitschaft und Bibliotheksgröße besteht. Vor dem Hintergrund der Habitus-/ Kapitalsortentheorie (Bourdieu 1977) bedeutet dies, dass Praxis nicht nur durch ökonomisches, sondern auch durch kulturelles Kapital verändert werden kann.
Wichtige Faktoren neben Wissenszuwachs und unterstützter Selbstwirksamkeitswahrnehmung sind jedoch v.a. die (nur z.T. über Weiterbildung realisierbare) Stärkung des sozialen und symbolischen Kapitals. Nur durch Vernetzung der BibliothekarInnen im sozialen und politischen Zusammenhang, durch Anerkennung im Arbeitsverbund und systeminterne Gratifikation lässt sich die Praxis nachhaltig verbessern.
Description
Table of contents
Keywords
E-Learning, Blended Learning, Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement, Weiterbildung, Interventionsforschung, Medienkompetenz, Lesekompetenz