Autor(en): El-Khechen, Wahiba
Titel: Sprachliche Kompetenzen im Kontext von Migration
Sonstige Titel: Vertiefende Analysen für die Subgruppe der Kinder mit türkischer Familiensprache
Sprache (ISO): de
Zusammenfassung: Sprachliche Kompetenzen wie der Wortschatz und das Lesen sind zentrale Voraussetzung für den schulischen Erfolg und die gesellschaftliche Integration von Kindern mit migrationsbedingtem Bilingualismus. Empirische Befunde zeigen Leistungsdifferenzen in diesen Sprachkompetenzen zwischen Schülerinnen und Schülern mit nicht-deutscher Familiensprache und ihren monolingual deutschen Peers, die zu essenziellen Rückständen in der Bildungsteilhabe und dem Bildungserfolg führen. Um den Bildungserfolg dieser Schülergruppe zu erhöhen und damit Chancengerechtigkeit herzustellen, ist es wesentlich, die Bedingungen für das derzeitige substanziell schlechtere Abschneiden dieser Kinder zu identifizieren und folglich die für den geringen Bildungserfolg wesentlichen Sprachkompetenzen Wortschatz und Leseverständnis zu untersuchen. In diesem Kontext ist es ebenfalls Ziel der Arbeit, einen Fokus auf die Diagnostik und die Determinanten der Sprachkompetenzen zu legen. Schließlich soll eine pädagogisch-psychologische Wortschatzfördermethode konzipiert, implementiert und überprüft werden. Die Datengrundlage der in dieser Arbeit zugrunde liegenden empirischen Beiträge bildet die Studie POTential ErstSPRACHE. An der Pilotierung der Studie (Beitrag I) nahmen insgesamt N = 86 Kinder der vierten Grundschulklasse und an der Hauptuntersuchung (Beiträge II – V) insgesamt N = 465 Kinder teil. Beitrag I der vorliegenden Dissertation untersuchte, ob es Differenzen im Wortschatz zwischen Grundschulkindern mit türkischer und Grundschulkindern mit deutscher Familiensprache gibt und ob angenommene Differenzen geringer werden, wenn bei der Erfassung der Kompetenzen in den Wortschatztests ein Kontext dargeboten wird (N = 11 Kinder mit türkischer und N = 29 Kinder mit deutscher Familiensprache). Die Analysen der t-Tests zeigten signifikante Differenzen im Bereich Wortschatz zuungunsten der Kinder mit türkischer im Vergleich zu Kindern mit deutscher Familiensprache. Zudem gab es erste Hinweise darauf, dass sich Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern mit deutscher und türkischer Familiensprache verringern, wenn der Kontext zur Bedeutungsentnahme vorhanden war. Beitrag II befasste sich mit den Fragen, a) ob Kinder mit türkischer Familiensprache geringere Wortschatzkompetenzen als Kinder mit deutscher Familiensprache aufweisen, b) ob der Wortschatz bei Kindern mit türkischer oder deutscher Familiensprache implizit gefördert werden kann und c) ob der Wortschatzzuwachs von Kindern mit türkischer Familiensprache geringer als der von Kindern mit deutscher Familiensprache ausfällt (N = 32 Kinder mit ZUSAMMENFASSUNG 5 türkischer und N = 102 Kinder mit deutscher Familiensprache). Während die Ergebnisse eines t-Tests auf signifikante Unterschiede im Wortschatztest zuungunsten der Kinder mit türkischer im Vergleich zu Kindern mit deutscher Familiensprache hinwiesen, deutete eine Varianzanalyse mit Messwiederholung auf die Effektivität des impliziten Wortschatzlernens hin. Es ließen sich keine signifikanten Unterschiede im Wortschatzzugewinn zwischen Kindern mit türkischer und Kindern mit deutscher Familiensprache feststellen. Beitrag III untersuchte Zusammenhänge zwischen den wahrgenommenen elterlichen Werten (attainment value [Wertschätzung], utility value [Nutzen] und cost value [Kosten]), den kindbezogenen Werten (utility value), der Lesehäufigkeit und dem Leseverständnis bei Kindern mit türkischer Familiensprache (N = 118). Die geschätzten Pfadmodelle zeigten, dass das Leseverständnis positiv durch die Lesehäufigkeit des Kindes auf Deutsch und den kindbezogenen Wert utility value in Bezug auf die deutsche Sprache vorhergesagt wird. Der kindbezogene Wert utitlity value in Bezug auf die türkische Sprache und die Lesehäufigkeit auf Türkisch erwiesen sich als negative Prädiktoren des Leseverständnisses im Deutschen. Zudem zeigte sich der wahrgenommene elterliche Wert cost value in Bezug auf die deutsche Sprache als direkter negativer Prädiktor des Leseverständnisses im Deutschen. Beitrag IV untersuchte, a) ob sich die zusätzliche Einbeziehung der türkischen Erstsprache zur Unterstützung des Aufbaus eines grundlegenden Kontextverständnisses positiv auf den Wortschatzzuwachs nach der Intervention auswirkt und b) ob der Wortschatzzuwachs durch das Leseverständnis vorhergesagt wird. Zur Untersuchung dieser Fragen erfolgte eine randomisierte Zuordnung der teilnehmenden Kinder auf die Experimentalbedingungen A (Lesen des Textes erst auf Türkisch und dann auf Deutsch [N = 36]) oder B (zweimaliges Lesen des Textes auf Deutsch [N = 41]). Die Ergebnisse geschätzter Pfadmodelle zeigten, dass sich das Leseverständnis in der Zweitsprache Deutsch als signifikanter Prädiktor des Wortschatzzuwachses nach der Intervention erweist. Entgegen der Erwartung ist der Wortschatzzuwachs in Gruppe B höher als in Gruppe A. Ein Vergleich der Leseverständniskompetenzen in den beiden getesteten Sprachen zeigte geringere Leseverständniskompetenzen in der Erstsprache Türkisch als in der Zweitsprache Deutsch. Beitrag V widmete sich den Fragen, ob a) Mädchen und Jungen einen systematisch unterschiedlichen Wortschatz in Abhängigkeit von der geschlechtsbezogenen Konnotation der einzelnen Wörter aufweisen, b) ob Kinder aus Familien mit nicht-deutscher Familiensprache geringere Wortschatzkenntnisse im Deutschen als Kinder mit deutscher Familiensprache haben und c) ob es Unterschiede bezüglich geschlechtsspezifischer Differenzen im ZUSAMMENFASSUNG 6 Wortschatz in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund gibt (N = 250 Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache [davon N = 109 Kinder mit türkischer Familiensprache] und N = 121 Kinder mit deutscher Familiensprache). Die Ergebnisse einer dreifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung (MANOVA) zeigten, dass Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache geringere Wortschatzkenntnisse im Deutschen als Kinder mit deutscher Familiensprache aufweisen. Bei männlich konnotierten Wörtern hatten Jungen, bei weiblich konnotierten Wörtern Mädchen bessere Wortschatzkenntnisse. Vergleichbare Leistungen für beide Geschlechter fanden sich bei neutralen Wörtern. Differenzierte Analysen zeigten, dass diese geschlechtsspezifischen Differenzen nur bei Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache nachzuweisen sind. Durch diese fünf empirischen Beiträge zu den zentralen sprachlichen Kompetenzen Wortschatz und Lesen von Schülerinnen und Schülern mit migrationsbedingtem Bilingualismus leistet die Arbeit einen Erkenntnisgewinn sowohl in Bezug auf die untersuchten Bedingungen der sprachlichen Kompetenzen als auch in Bezug auf die Effektivität möglicher Sprachfördermaßnahmen. Zudem liefert die Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Fundierung psychologischer Theorien, leitet Empfehlungen für die schulische Praxis ab und führt Implikationen für schulische Fördermaßnahmen an.
Schlagwörter: Sprachliche Kompetenzen
Wortschatz
Migration
Lesekompetenz
Sprachbezogene Werte
Schlagwörter (RSWK): Migration
Sprachkompetenz
Schulerfolg
URI: http://hdl.handle.net/2003/34474
http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-16530
Erscheinungsdatum: 2015
Enthalten in den Sammlungen:Institut für Psychologie

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