Heft 2

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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser des Journals Hochschuldidaktik,
nachdem die letzte Ausgabe des Journals lediglich über die Weiterbildungs- und Beratungsangebote des HDZ informiert hatte, erscheint die jetzige Ausgabe wieder mit einem redaktionellen Teil. Alle Beiträge orientieren sich an dem Leitbild einer Kompetenzentwicklung in Studium und Lehre. Damit werden hochschuldidaktische Zugänge zu einer Thematik angesprochen, die derzeit eine der Kernfragen der Hochschulentwicklung im Zeichen des Bologna-Prozesses darstellt.
Für viele überraschend hat der Bologna-Prozess zu einem weitgehenden Umbau der Studiengänge in einem gestuften und modularisierten Aufbau geführt, in dem Workloads und Leistungspunkte, Prüfungsvorschriften und Leistungsdokumentationen defi niert und Ressourcen zugeordnet sind. Nicht alle administrativen Probleme sind indes gelöst. Die Ausstattungsdefi zite in den Hochschulen werden in der praktischen Umsetzung der neuen Studiengänge häufi g erst richtig sichtbar. Die Mühsal der Ebene steht vielfach noch bevor. Pauschalierend lässt sich als Eindruck verdichten, dass zunächst einmal die strukturellen und organisatorischen Reformen im Vordergrund gestanden haben. Ohne deren Bedeutung als notwendige Bedingung der Studienreform schmälern zu wollen, werden diese unter hochschuldidaktischen Gesichtspunkten jedoch erst dann gehaltvoll, wenn sie von den Lernkonzepten und Lernergebnissen her durchdacht und begründet werden.
Unter diesen Gesichtspunkten bleibt das, was in den Studiengängen z.B. in den Akkreditierungsanträgen und Modulhandbüchern ausgedrückt wird, hinter den Zielstellungen des Bologna-Prozesses zurück, soweit dieser den "Learning Outcome" in Form von Kompetenzen konzipiert.
Zwar ist auch in einer kompetenzorientierten Betrachtungsweise Wissen und Können unverzichtbarer Bestandteil des Studiums. Der Kompetenzbegriff ist jedoch weiter gefasst, indem er sich auf komplexe Anforderungen in Handlungssituationen bezieht. Dies betrifft nicht nur die Kenntnisse von Instrumenten und Methoden der Bearbeitung von Aufgaben bzw. Problemen, sondern auch die Einstellungen und Haltungen bzw. die Verfügbarkeit über angemessene und verantwortliche Handlungsmuster. Ein solcher Kompetenzbegriff, der sich an komplexen Handlungsanforderungen orientiert, verbindet in diesem Sinne fachliche mit methodischen Aspekten (Wie organisiere ich und gliedere ich z.B. die Prozesse der Problembearbeitung?), mit sozialen Aspekten (Wie gehe ich mit anderen Menschen um?) und persönlichen Aspekten (Wie gehe ich mit mir selbst, mit meinen Ressourcen und Interessen um?).
Mehr oder weniger umfangreich enthalten sind in den Studiengangsdokumenten zumeist Beschreibungen der Studieninhalte, die sich auf das theoretische und methodische Wissen der Studienfächer bezieht. Werden darüber hinaus, wie es in den Modulhandbüchern gefordert wird, Kompetenzen beschrieben, wird nicht selten große Unsicherheit erkennbar. Häufi g werden die Inhalte einfach so transformiert, dass man sie nicht nur als Wissen beherrscht, sondern als Können auch anwenden kann.
Der Anspruch einer Kompetenzorientierung erfordert es, Lehr-Lernarrangements aus der Perspektive komplexer Handlungsanforderungen zu denken und zu gestalten. Ansatzpunkte dazu lassen sich in den Studiengängen auffi nden. Zum einen wenn berufl iche Handlungszusammenhänge in Betracht gezogen werden, in denen fachliches Wissen bei der Bearbeitung von Aufgaben bzw. Problemstellungen zur Geltung gebracht wird. Zum anderen stellt auch akademisches Lernen in den Hochschulen zahlreiche Gelegenheiten bereit, in denen der Erwerb des fachlichen Wissens mit praktischen Handlungsanforderungen verknüpft wird, z.B. wenn es um die Organisation und Gliederung der Lernprozesse, die Kooperation sowie den Umgang mit persönlichen Interessen und Ressourcen geht. Aufgabe einer Studienreform, die über eine Organisations- und Strukturreform hinausgeht, ist es, solche Ansatzpunkte aufzufi nden, zu explizieren und von da aus die Studiengangsentwicklung voranzubringen. Die Hochschuldidaktik verfügt dazu über kein Patentrezept. Sie kann aber Anregungen geben.
In diesem Sinne sind auch die redaktionellen Beiträge in diesem Journal zu verstehen. Sie zeigen Ansatzpunkte und Handlungsfelder auf, in denen kompetenzorientiert gelehrt und gelernt werden kann:
  • Der erste Beitrag von Auferkorte-Michaelis, Ladwig und Wirth richtet den Blick zunächst auf die Lehre. Auch die Lehrtätigkeit kann unter der Perspektive der Kompetenzentwicklung gesehen werden. Deren Förderung ist eine der Kernaufgaben der Hochschuldidaktik. Sie schließt die Entwicklung von Haltungen ein.
  • Der zweite Beitrag von Reis und Ruschin widmet sich einer der schwierigsten Aufgaben im Rahmen eines kompetenzorientierten Studiums: Kompetenzorientierte Ausgestaltung der Module bedarf eines kompetenzorientierten Prüfens. Lehr-, Lern- sowie Prüfungskultur sollten in diesem Sinne in einer wechselseitigen Abstimmung konzipiert werden.
  • Selent und Ladwig spitzen im dritten Beitrag die Befunde aus einem Projekt zur studentischen Berufsarbeit neben dem Studium auf die Frage zu, was die Hochschulausbildung aus der Kompetenzentwicklung in solchen extracurricularen Handlungszusammenhängen außerhalb der Hochschule lernen kann.
  • Der vierte Beitrag von Schneider und Wildt thematisiert die Möglichkeiten, einen forschenden Zugang zu den Praxiskontexten in der Lehrerbildung als professionelle Kompetenzentwicklung auszugestalten
  • "Chinability” ist das Stichwort, unter dem Preuschoff im letzten Beitrag die Strategie zur Entwicklung einer spezifi schen interkulturellen Kompetenz vorschlägt, bei der die Hochschulen aus der Praxis von Wirtschaftsunternehmen im Chinageschäft lernen können.
Neben den Anregungen in den redaktionellen Beiträgen enthält das Journal für die Leserinnen und Leser wiederum viele nützliche Informationen zum Weiterbildungsangebot des HDZ, gibt einen Überblick über die letzten Publikationen und informiert über die Projekte des HDZ. Bitte zögern Sie nicht, sich an die HDZ-Mitglieder in allen Fragen zu wenden, die sich auf Lehre und Studium beziehen.
Johannes Wildt

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HDZ - Hochschuldidaktisches Zentrum
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Tel.: 0231/755-5526
E-Mail: hd.zhb@tu-dortmund.de
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