Autor(en): Frings, Stefanie
Titel: Neue Steuerung - neue Teilhabechancen?
Sonstige Titel: Steuerung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung aus Sicht der Systemtheorie
Sprache (ISO): de
Zusammenfassung: Im Gegensatz zu Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) an Regelschulen ver-lassen mehr als zwei Drittel aller Schüler*innen mit SPF, die an Förderschulen unterrichtet werden, den Lernort Schule ohne einen ersten Abschluss. An Regelschulen hingegen erreichen mehr als die Hälfte der Schüler*innen mit SPF zumindest den (ehemaligen) Hauptschulabschluss. Die Wahrscheinlichkeit eines Adressierungsaufrufes längs von Behinderung durch Sondersysteme auf Landesebene variiert nicht nur erheblich, sondern hängt stark von der Verfügbarkeit der Förderangebote ab. Tatsächlich er-reichte Bildungsniveaus spielen hingegen eine eher untergeordnete Rolle: Trotz des Befunds, dass Schüler*innen mit SPF in den Schlüsselkompetenzen vergleichbare Ergebnisse erzielen, sind Teilha-beoptionen und Realisierungschancen an den Übergangsmarken Schule/Ausbildung und Ausbil-dung/Beruf ungleich verteilt. Es sind diese und weitere Ergebnisse der Sekundäranalyse dieser Arbeit, die zu der Fragestellung führten, warum trotz (menschen-)rechtlicher Ansprüche und politischer Ab-sichtserklärungen, trotz massiver monetärer Aufwendungen und Ausweitung wohlfahrtstaatlicher Inter-ventionsprogrammatik, nicht gelingt, dass Versprechen einer vollen und wirksamen Teilhabe an der Gesellschaft für Menschen mit Behinderung in Verwiklichungschancen zu transferieren. Zur Bearbei-tung der Frage wurde der Arbeit ein systemtheoretischer Referenzrahmen in luhmann’scher Prägung hinterlegt. Die hierdurch gewährte prozessuale Einblickstiefe in Entscheidungsroutinen und Anwen-dungskommuniqués von Funktionssystemen führte schließlich zu dem Ergebnis, dass Behinderung als Differenzmarkierung nicht nur höchst funktional für Gesellschaften insgesamt ist (bspw. um Stö-rungsfreiheit zu garantieren), sondern der wohlfahrtstaatlichen Interventionslogik selbst ein Problem-verursachungspotenzial innewohnt, das verhindert, dass Teilhabeansprüche in Verwirklichungschancen transferiert werden können. Behinderung als Folge einer unzureichenden Steuerungslogik wohlfahrt-staatlicher Interventionsprogrammatiken in den Blick zu nehmen, erwies sich dabei als Forschungs-desiderat. Die bisherige steuerungstheoretische Auseinandersetzung begrenzte sich bislang auf bilate-rale Analysen substanzieller Gesellschaftsstrukturen und Diffusionshemmnisse (mit Referenz Individu-um). Es wurden überwiegend strukturelle, einstellungsbedingte Barrieren sowie Passungsfähigkeiten von Interventionen in den Blick genommen. Gänzlich ausgeklammert hingegen wird, dass die wohl-fahrtstaatliche Interventionslogik selbst als Verursacherin der anhaltenden Diskrepanz zwischen Teil-habeansprüchen und Verwirklichungschancen infrage kommt. Angestoßen durch die Frage, inwiefern eine Revision der Theoriearchitektur wohlfahrtstaatlicher Steuerung einen Beitrag leisten kann, um rechtliche Teilhabeansprüche chancengerecht(er) in Verwirklichungschancen zu transferieren, wurde im Fortgang der Arbeit Steuerung aus systemtheoretischer Perspektive als Begriff definiert. Als querlie-gende Dimension zum aktuellen Forschungsdiskurs stellt die entwickelte Definition einen dritten Ana-lysestrang dar, mittels dessen sich zukünftig die Funktionalität von Behinderung als Diffusionsbarriere einer chancengerechten Teilhabe von Menschen mit Behinderung in den aktuellen Wissenschaftsdis-kurs einfügen und öffentlich thematisieren lässt. Es lassen sich Steuerungsimpulse daraus ableiten, mittels derer sowohl Prämissen einer auf Teilhabe und Inklusion gerichteten Sozial- und Rehabilitati-onspolitik sowie Routinen im Umgang mit Behinderung infrage gestellt, als auch zukünftig andersarti-ge Diskursarenen und Resonanzräume unzureichender Teilhabe von Menschen mit Behinderung initiiert werden konnten. Nur so gelingt es, Verknüpfungskapazitäten und -varianzen von Behinderung zu er-weitern und Operationsweisen neu zu regulieren. Die Arbeit zeigt eine weitere Analyseperspektive und somit neue Anasatzpunkte für die Disability-, Diversitäts-, Teilhabe- und Ungleichheitsforschung, um die Wirklichkeitsdichotomie zu überwinden.
Schlagwörter: Teilhabe
Behinderung
Systemtheorie
Steuerung
Schlagwörter (RSWK): Systemtheorie
Behinderung
Teilhabe
URI: http://hdl.handle.net/2003/41368
http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-23211
Erscheinungsdatum: 2022
Enthalten in den Sammlungen:Rehabilitationssoziologie

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