Feldgrau im Ersten Weltkrieg

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2021-01

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Diazogelb, Rhodulinblau oder Plutoformschwarz 3GL – die Aufzählung an unterschiedlichen synthetischen Farbstoffen ließe sich noch weiterführen, denn die Historische Farbstoffsammlung der Hochschule Niederrhein umfasst mehr als 10.000 Farbstofffläschchen. Sie sind ein Spiegelbild des florierenden europäischen Weltmarktes für Teerfarben, der sich, ausgelöst durch die Entdeckung des ersten synthetischen Farbstoffes durch William Perkin im Jahre 1856, entwickelte und die chemische Industrie entstehen ließ. Um 1900 bot sich der Modeindustrie ein Universum an Farbstoffen und Farbmustern. Der Erste Weltkrieg bedeutete nicht nur in färberischer, sondern auch in materieller Hinsicht eine tiefgreifende Zäsur in der Bekleidungskultur. Die chemischen Gebinde als Sammlungsobjekte und Träger des historischen Gedächtnisses im Sinne der materiellen Kulturforschung, ermöglichen einen Blick auf diese Umbruchphase zu werfen. Von der Farb- und kulturwissenschaftlichen Forschung wurden weder die Auswirkungen der Farbenvielfalt noch ihr funktionaler und symbolischer Gehalt im Kriegskontext in einer objektanalytischen Studie untersucht. Daher richtet das Dissertationsprojekt erstmalig einen Blick auf die Historische Farbstoffsammlung, die durch das Konvolut an Farbmusterbüchern aus dem Museum Schloss Rheydt ergänzt wird. Es befragt die beiden Bestände vor dem Hintergrund der textilen Farbigkeit im Ersten Weltkrieg. Farbstoffe und Farbmuster liefern wichtige Hinweise auf historische Lebensrealitäten und zeigen den Umgang mit Farbe im Alltag. Gerade die kriegswirtschaftlichen Einschränkungen im Zuge des Rohstoffmangels machen Fragen nach den Auswirkungen auf die Produktion von Farbkarten und die textile Farbigkeit besonders relevant. Disziplinen- und sammlungsübergreifend werden die Wechselwirkungen zwischen industrieller Produktion und dem Einsatz von Farbigkeit im Ersten Weltkrieg erörtert, deren Beantwortung nur im Zusammenspiel von Hochschul- und Museumssammlung möglich ist. Sie bilden den Ausgangspunkt der Dissertation. Mit einem objektbasierten Forschungsansatz konnten aus beiden Beständen, die für den Untersuchungszeitraum relevanten Objekte ermittelt und datiert werden. Unter anderem zeigte sich im Erschließungsprozess der Erhalt eines Musterkartenverzeichnisses der Frankfurter Farbenfabrik Leopold Cassella & Co. GmbH, dem eine große Bedeutung zugeschrieben werden konnte. Die Auflistung ermöglichte eine Rekonstruktion der zwischen 1914 bis 1918 produzierten Farbkarten und ließ eine Dominanz von „feldgrauen“ Färbungen erkennen. Die feldgraue Farbigkeit hielt nicht nur Einzug in die militärische Ausrüstung, sondern gleichermaßen in den Alltag. Um sie etablierte sich ein Assoziationsgerüst. Der Terminus wurde schließlich zum symbolischen Ausdruck für Patriotismus, Einigkeit, Stolz und Stärke in der Kriegszeit. Feldgrau diente als Projektionsfläche des Zeitgeschehens und war omnipräsent. Der ursprüngliche funktionale Charakter von Feldgrau als Tarnfarbe erfuhr im Ersten Weltkrieg eine Bedeutungsaufladung. Feldgrau dominierte nicht nur die militärische Ausrüstung, sondern war in der Schaufenstergestaltung, in Bildpostkarten, Gedichten, Märchen aber auch in den Medien anzutreffen. Vor dem Hintergrund der strukturalistischen Semiotik Roland Barthes‘ auf der einen sowie der Kultursoziologie Hans-Georg Soeffners über die Kollektivsymbole auf der anderen Seite, konnten die Mechanismen um den Bedeutungswandel, die symbolische Aufladung sowie die Instrumentalisierung von Feldgrau herausgearbeitet werden.

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Erster Weltkrieg, Historische Farbstoffsammlung, Musterkarte, Farbstoff, Feldgrau

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