Biologische Charakterisierung von Indolochinolizinen

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2011-08-12

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Laut einer Schätzung werden im Jahr 2020, durch Faktoren wie die Überalterung der Weltbevölkerung, die Verwestlichung der Ernährungsgewohnheiten und die zunehmende Umweltverschmutzung, 15 Millionen neue Krebsfälle diagnostiziert und 12 Millionen Menschen werden auf Grund einer Krebserkrankung sterben (Bray & Moller, 2006). Dies verdeutlicht die Wichtigkeit, neue Wirkstoffe zu entwickeln, die in der Lage sind Krebserkrankungen aufzuhalten oder besser noch zu heilen. Ein beliebter Ansatzpunkt für Therapeutika ist der Zellzyklus, um die Hyperproliferation von Tumorzellen zu stoppen und die Zellen nachfolgend in die Apoptose zu leiten. Viele in der Klinik erfolgreich eingesetzte Chemotherapeutika verändern die Tubulin- Dynamik und inhibieren somit den mitotischen Spindelapparat, was zu einer Arretierung der Mitose und dem anschließenden Absterben der Tumorzellen führt. Aufgrund der Tatsache, dass dynamische Mikrotubuli auch wichtige Funktionen in nicht proliferierenden Zellen erfüllen, führt der Einsatz von Tubulin-bindenden Wirkstoffen zu zahlreichen Nebenwirkungen. Deshalb ist es von großer Bedeutung niedermolekulare Substanzen zu identifizieren, welche geeignet sind, andere wesentliche Proteine des Zellzyklus zu modifizieren und dadurch den Tod der Tumorzellen herbeizuführen. Bereits im Vorfeld wurden in einem zellulären Testsystem Substanzen aus einer abteilungseigenen Indolochinolizin-Bibliothek identifiziert, welche in der Lage waren den Zellzyklus zu inhibieren. Der durch diese Substanzen induzierte Phänotyp konnte durch die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Analysen, wie Lebendzell-Mikroskopie, Immunfluoreszenz und Durchflusszytometrie, näher beschrieben werden. So führte die Inkubation von HeLa-Zellen mit den Indolochinolizinen zu fehlorientierten Chromosomen während der Metaphase und dem Auftreten von zusätzlichen Spindelpolen, was zu multipolaren Spindeln führte. Dieser Phänotyp ließ vermuten, dass die Zellen nicht mehr in der Lage sind ihre Centrosomen zu „zählen“, weshalb die aktiven Substanzen als Centrocountine bezeichnet wurden. Außerdem konnten Immunfluoreszenz-Aufnahmen einer BUB1-Färbung eine Aktivierung des Spindel- Kontrollpunktes zeigen. Die Analyse des Interkinetochor-Abstandes wies darauf hin, dass die Aktvierung des Kontrollpunktes durch eine fehlende Spannung zwischen den Kinetochoren und den Mikrotubuli ausgelöst wurde. Die Spindel-Kontrollpunkt-Aktivierung resultierte in einem mitotischen Arrest, welcher durch die etwa fünfmal so lange Mitose-Dauer von mit Centrocountin 1 behandelten Zellen im Gegensatz zu den Kontrollzellen gezeigt werden konnte. Auch die Zellzyklus-Analyse zeigte einen konzentrationsabhängigen Anstieg der mitotischen Zellen. Ferner war ein Rückgang der HeLa-Zellproliferation auf etwa 60% zu verzeichnen. Dieser war zum einen durch das Anhalten des Zellzyklus in der M-Phase, zum anderen durch das Einsetzen der Apoptose zu erklären. Durch Immunfluoreszenz-Aufnahmen in acht weiteren Zelllinien konnte gezeigt werden, dass das Auftreten der fehlorientierten Chromosomen sowie der zusätzlichen Spindelpole zelltypübergreifend ist. Aufgrund des interessanten Phänotyps war es im weiteren Verlauf von besonderer Bedeutung die Zielproteine der Centrocountine zu identifzieren. So wurde zunächst versucht eine Zielprotein-Identifizierung mittels wissenschaftlicher Hypothesen durchzuführen. Zu den potentiellen Zielproteinen zählten Tubulin, zahlreiche Zellzyklus-spezifische Kinasen und die Phosphatase CDC25a, welche jedoch alle mit Hilfe entsprechender in vitro oder in vivo Testsysteme ausgeschlossen werden konnten. Basierend auf den oben beschriebenen phänotypischen Analysen konnte eine Struktur-Aktivitäts-Beziehung aufgestellt werden, welche die Synthese einer Sonde für die Affinitätschromatographie ermöglichte. Die hergestellte Sonde wurde über ein freies Amin an eine NHS-aktivierte Sepharose gekoppelt, so dass eine Affinitätsreinigung mit HeLa-Zelllysaten durchgeführt werden konnte. Mit Hilfe einer Kombination aus der vergleichenden und kompetitiven Variante der Affinitätschromatographie konnte das nukleolare Protein Nucleophosmin (NPM) als Zielprotein identifiziert werden. Die anschließende Literaturrecherche ergab, dass das Ausschalten von NPM durch RNAi ähnliche Effekte, wie die durch Centrocountin ausgelösten, verursachte. Auch eine Störung der Bindung des nuklearen Export-Rezeptors CRM1 an NPM führte zu dem beobachteten Phänotyp. So wurden für folgende Validierungs-Experimente sowohl NPM als auch der NPM-CRM1-Komplex als mögliche Bindungspartner in Betracht gezogen. Sowohl NPM als auch CRM1 konnten mittels Immundetektion nach erfolgter Affinitätschromatographie nachgewiesen werden. Ebenso war eine konzentrationsabhängige Verdrängung mit einem Überschuss an Centrocountin 1 zu verzeichnen. Ferner konnte durch Fluoreszenz-Lebensdauer-Mikroskopie und Fluoreszenz- Polarisation in vivo und in vitro eine Bindung beider Proteine an ein mit Cy3 modifiziertes Centrocountin gezeigt werden. Aufgrund der diversen Aufgaben von NPM in der Zelle könnten neben der NPM-CRM1 Interaktion, auch weitere Protein-Protein-Interaktionen gestört werden, welche die beschriebenen Phänotypveränderungen hervorrufen würden. Dementsprechend könnten eine gehinderte Interaktion von NPM und PCNA während der DNA-Reparatur, von NPM und p14ARF sowie von NPM und RB zu einer Aktivierung von p53 und dem nachgeschaltetem p21WAF1/CIP1 führen. Dies würde einen Zellzyklus-Arrest auslösen, welcher oftmals in Verbindung mit der Apoptose steht. Einen Hinweis auf diesen möglichen Wirkmechanismus gaben die erhöhten Protein-Niveaus von p53 und p21WAF1/CIP1, welche in mit Centrocountin behandelten MCF7- und HCT-116-Zellen nachgewiesen werden konnten. Gehemmte Interaktionen zwischen NPM und ROCK2, NPM und BRCA2 und natürlich NPM und CRM1 könnten außerdem zu einer Centrosomen-Fragmentierung bzw. Überduplikation führen, welches ebenfalls ein Anhalten des Zellzyklus oder die Aptoptose zur Folge hätte. Aufgrund der Tatsache, dass NPM proto-onkogene Funktionen ausübt und das am häufigsten mutierte Gen in hämatopoetischen Tumoren ist, ist die Entdeckung von Centrocountin, einem neuen NPM-Inhibitor, von besonderer Bedeutung. Auch Centrocountin als biologisches Werkzeug nutzen zu können, um die zahlreichen zellulären Funktionen von NPM besser zu untersuchen und zu verstehen, kann nicht außer Acht gelassen werden.

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Chemische Genetik, Mitose, Zielprotein-Identifizierung

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