Die unterstellten Wirkungen der universitären Steuerungsinstrumente
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2012-04-09
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Die Universitäten werden seit etwa 1990 mit neuen Instrumenten gesteuert: Zielvereinbarungen, ökonomischen Incentives u.a.m. Der Reformprozess ist nicht beendet, die neuen Instrumente werden meist nach wenigen Jahren
weiter reformiert. Was die Beteiligten als Belastung erleben, fordert auch konzeptionell heraus: Welche Effekte sind
von Instrumenten zu erwarten, wenn die Zeit zur Wirkungsentfaltung fehlt? Wieso tritt die Dauerreform auf, wie
kann man mit ihr umgehen und wie wirkt sie sich aus? Antworten werden über eine Sortierung der Steuerungskonzepte
und eine Studie zur Selbststeuerung der Fächer zusammengetragen.
– Inhalt –
Die fortgesetzte Reform der Steuerungsinstrumente
führt dazu, dass man allein über die formal eingesetzten
Instrumente kein aussagekräftiges Bild über die Organisationsreform
an den Hochschulen erhält. Die Arbeit
identifiziert ersatzweise einen konzeptionellen Kern der
vielfältigen Reformen: New Public Management und
die Ansätze der Neuen Institutionenökonomik. Betrachtet
wird, wie diese Ansätze parallele Reformen in anderen
öffentlichen Sektoren sowie in anderen OECDStaaten
anleiten. Ferner werden die Zusammenhänge
mit der Abkehr vom klassischen Bürokratiemodell und
Legitimationsproblemen staatlicher Politik beleuchtet.
Der gefundene konzeptionelle Kern neuer Hochschulsteuerung
wird anschließend mit alternativen ökonomischen,
motivationspsychologischen und soziologischen
Konzepten abgeglichen. Organisationssoziologisch
werden u.a. verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie,
Neo-Institutionalismus, Systemtheorie,
situationistischer Strukturansatz sowie die Debatte
über Governance-Mechanismen diskutiert.
Der Theorievergleich deckt erste mutmaßliche Ursachen
für die Dauerreform der Hochschulorganisation
auf; darüber hinaus trägt er steuerungskonzeptionelle
Widersprüche und Lücken zusammen. Um den gefundenen
Lücken sowie der Dauerreform steuerungspraktisch
Rechnung tragen zu können, wird ein theoriegeleitetes
Sortierschema von Wirkungsannahmen vorgeschlagen.
Es dient der Klärung und Einordnung der jeweils
mit den Instrumenten verbundenen impliziten und
expliziten Wirkungsannahmen. Das Schema wird am
Beispiel der drei Steuerungsinstrumente Zielvereinbarung,
Evaluation und leistungsorientierte Mittelverteilung
spezifiziert.
Die geleistete Klärung von Steuerungsinstrumenten
über die Offenlegung der jeweils zugehörigen Wirkungsvorstellungen
verfolgt neben dem wissenschaftlichen
ein steuerungspraktisches Ziel: Sie soll der für den
Reformprozess charakteristischen Überschätzung der
jeweils neuesten Instrumente entgegen wirken und eingesetzt
werden können, um steuerungspolitische Profilierung
durch Scheininnovationen zu behindern. Auf
diesem Weg lässt sich sich die Dauerreform potenziell
entschleunigen. Die daran anschließende empirische
Untersuchung zeigt, dass die bisherige Dauerreform von
vielen Beteiligten auf der Fakultätsebene als starke
Arbeitsbelastung erlebt wird. Gleichzeitig finden sich
weitere Hinweise, dass die Dauerreform in absehbarer
Zeit kaum zu beenden sein wird: Hochschulpolitik bearbeitet
mit ihr Legitimationsprobleme.
Bereits die theoretischen und konzeptionellen Kapitel
arbeiten heraus, dass gängige Steuerungsinstrumente
z. T. nicht in jener Form wirksam sein können, die
überwiegend unterstellt wird. Die Empirie dieser Arbeit
bestätigt dies – etwa über den Befund, dass Hochschulmitglieder
jene Anreize, mit denen die Hochschulleitung
oder die Wissenschaftspolitik ihr Verhalten steuern
wollen, gar nicht konkret benennen können. Solche
Anreize können deshalb von den Hochschulmitgliedern
auch nicht zur rationalen Grundlage ihrer arbeitsbezogenen
Abwägungen gemacht werden. Um die Wirkung
von neuer Steuerung weiter aufklären zu können, werden
leitfadengestützte Experteninterviews mit Beteiligten
an ausgewählten Physik- und Pädagogikfakultäten
an drei Universitäten geführt. Im Rahmen der Interviewauswertung
wird eine Topografie rekonstruiert, die die
typischen Signifikationen von Akteuren und von Handlungsorten
in ein Gesamtbild stellt. Zu den weiteren
Ergebnissen der Empirie gehört, dass die Beurteilung
von Steuerung perspektivabhängig ist und nicht primär
über individuelle Einstellungsmuster erklärt werden
sollte. Alle befragten Organisationsexperten auf Fächerebene
operieren sowohl mit modernistischer als auch
auf ältere Hochschultraditionen bezogener Logik. Auf
Fächerebene zeigt sich also eine umfassende Koexistenz
von neuer und alter Steuerung. Klassische regulative
Mechanismen wie Kollegialitätsnorm, Reputation oder
Statusgruppeneinteilung erweisen sich weiterhin als
relevant. Sogar institutionelle Mischlösungen werden
identifiziert, darunter „Ad hoc-Gremien“.
Konzeptionelle Lücken und Widersprüche spielen
also in der Steuerungspraxis z.T. eine produktive Rolle.
Auch mit diesem Befund will die Arbeit Reflexionswissen
für die Steuerungspraxis anbieten: Hinter den Erwartungen
zurückbleibende Reformwirkungen sind
nicht allein auf Implementationsmängel und bösen Willen
von Beteiligten zurückzuführen und lassen sich nur
eingeschränkt durch weitere Reform der Reform beseitigen
Description
Table of contents
Keywords
Hochschulmanagement, Neue Steuerungsinstrumente, Organisationstheorie, Selbststeuerungsexpertise